My First Love von Tamanna (Eigentlich wollte ich niemals lieben) ================================================================================ Kapitel 7: Sag, was du wirklich willst! --------------------------------------- Unaufhaltsam näherte sich die Armee mit Tenkai an der Spitze dem Hügel. Tenkai rechnete fest damit, die Date-Armee dort anzutreffen – möglicherweise mitten im Kampf mit der anderen Truppe. Der Maskenmann lachte still in sich hinein. Er musste sich wirklich selbst auf die Schultern klopfen, für diesen genialen Einfall. Er war gespannt zu erfahren, wie Katakura Kojuro wohl auf diese Situation reagiert hatte. Das rechte Auge des Drachen war berühmt für seine ausgezeichneten Strategien, doch ob er auch mit den Auswüchsen eines Gehirns zurechtkam, dass vor Rache dürstete und der vor keinem Winkelzug zurückschreckte, um diese zu bekommen? Kurz bevor die Armee den Hügel erreichte, rief Tenkai seinen Soldaten zu: „Zielt auf Date Masamune! Orientiert euch an dem blauen Wappenrock!!“ Die Scharfschützen zückten ihre Gewehre und legten an, bereit zu schießen. Doch als sie den Treffpunkt erreichten, erlebte die Armee eine Überraschung: der andere Trupp von Sage und Schreibe 10.000 Mann lag bereits besiegt im Gras. Die Date-Armee stand ihrerseits zwar erschöpft, aber immer noch kampfbereit zwischen den Leichen und wartete mit gezückten Schwertern und Waffen auf die Ankunft des Haupttrupps. Dieser stoppte, geschockt von der Kampfkraft ihres Gegners. Tenkai quetschte wütend den Griff seiner Sense. Verdammt sollten sie sein! Seine Augen suchte die Menge vor sich ab – schließlich fand er den gesuchten Wappenrock. Doch noch ehe er den Schussbefehl geben konnte, zog die Person den Wappenrock von seinem Rücken ab und drehte sich um – es war nicht Date Masamune, sondern Katakura Kojuro, der zum Vorschein kam! „Verzeih, dass ich dich enttäusche“, rief Kojuro ihm zu. „Aber Fürst Masamune wirst du hier nicht antreffen. Du bist es nicht würdig, seine Klingen zu spüren… Akechi Mitsuhide.“ Tenkai alias Akechi lachte laut auf. „Du hast mich also erkannt? Obwohl du eigentlich unmöglich hättest wissen können, dass ich es war…“ „Die Handschrift ist unverkennbar. Ich bin eigentlich davon ausgegangen, du wärest im Flammeninferno am Honnoji-Tempel umgekommen. Doch es scheint, als würden Ratten wie du niemals sterben. Aber du hast Pech gehabt. Der Fürst ist nicht hier. Dein Plan ist gescheitert.“ Akechi begann leise zu lachen, nur um in einem hysterischen Lachanfall überzugehen. „Was ist so lustig?!!“, polterte Kojuro. „Mein Plan ist also gescheitert?!“, stieß Akechi laut lachend hervor. „Oh, rechtes Auge des Drachen… du irrst dich leider! Ich kenne dich genau und habe bereits damit gerechnet, dass du in einer solch heiklen Lage den heißgeliebten Fürsten wegschicken würdest! Ich habe es einkalkuliert!“ Schlagartig wurde Kojuro unruhig. „WAS?!! Rede doch keinen Unsinn!!“ Akechi stieg leichtfüßig von seinem Pferd und zückte langsam seine beiden Sensen. „Es ist kein Unsinn. Während wir hier plaudern, habe ich bereits meinen Trumpf in die Richtung geschickt, in die ich vermutete, dass du deinen Fürsten dorthin reiten lassen würdest. Du weißt, von wem ich rede, oder? Die Person, die alle den DÄMON nennen…“ Kojuro fluchte innerlich. Er hätte nicht gedacht, dass Akechi so weitsichtig sein würde. Der Fürst war doch noch gar nicht in der Lage, mit einem Feind zu kämpfen. Und ausgerechnet auf diesen sogenannten Dämon würde er jetzt treffen. Er musste seinen Herrn unbedingt warnen! Doch dazu musste er erst dieses Problem beseitigen. Akechi lachte wieder laut los. „Du möchtest jetzt wohl am Liebsten losreiten, um den verehrten Date zu warnen, nicht wahr? Doch ich fürchte, soweit wird es nicht kommen… Schau mal nach unten! Die Leichen haben ein besonderes… Mitbringsel… unter ihren Rüstungen…“ Kojuro lief es bei diesem bösartigen Tonfall eiskalt den Rücken herunter. Sofort kniete er sich zu der Leiche neben seinen Füßen hinunter und zog dieser die Rüstung ab. Sein Atem stockte vor Entsetzen. Der tote Soldat trug Bomben um seinen Körper! „WEG HIER!!! SOFORT!!!“, brüllte Kojuro panisch. Akechi lachte wie ein Verrückter und schnippte mit den Fingern. Eine ohrenbetäubende Explosion erfüllte das Tal…   Von alldem nichts wissend, saß Yukimura auf einem Stein im Garten seines Fürsten und starrte zum wolkenverhangenen Himmel hinauf. Seine Stimmung war so düster, wie der Himmel. Er war äußerst betrübt, dass Fürst Masamune fortgegangen war, ohne sich von ihm zu verabschieden. Sicher, seine Heimat wurde bedroht, und Yukimura wäre von solch einer Aussage genauso aufgescheucht worden – doch er hätte sich wenigstens die Zeit genommen, sich bei Fürst Masamune zu verabschieden. Schließlich stand nicht fest, ob und wann sie sich wieder sehen können. Wo er jetzt wohl war? Ging es ihm gut? Oder war seine Wunde wieder aufgegangen, weil er zu schnell losgerittern war? So wie damals, als sie die Burg Azuchi erreichten, in der Oda sich verschanzt hatte… Plötzlich legte sich eine Hand auf seinen Kopf, gefolgt von einem strahlenden Gesicht. „Hey, mein Freund! Was träumst du hier so vor dich hin?“ Yukimura sprang erschrocken auf. „Maeda Keiji!“, rief er verärgert. „Was tut Ihr denn hier?!“ Das Lächeln im Gesicht des Älteren wirkte plötzlich sehr gezwungen. „Ich fürchte, wir haben ein Problem. Ich bin hier, um die Hilfe des Tigers von Kai zu erbitten….“ Yukimura hob überrascht eine Augenbraue. „Was denn für ein Problem?“ Ehe Keiji antworten konnte, tauchte Sasuke neben Yukimura auf. „Danna! Wir haben ein Problem! Wir müssen Oyakata-sama… Oh, Fürst Maeda, Ihr seid ja bereits eingetroffen!“ Keiji nickte. „Am Besten unterrichten wir sofort Fürst Takeda von der Situation. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit.“ Umgehend brachte Sasuke Keiji zu Fürst Takeda. Yukimura war ihnen neugierig gefolgt. „Ich komme am Besten gleich zur Sache“, sagte sich Keiji ungewöhnlich ernst. „Heute Morgen tauchte an der Grenze von Echigo wie aus dem Nichts eine 50.000 Mann starke Armee auf. Sie hat sich dort positioniert und rührt sich seit Stunden nicht vom Fleck. Fürst Kenshin hat einen Spähtrupp ausgesandt, um die Situation auszukundschaften – sie sind nicht zurückgekommen. Jeden Soldaten, der sich in welcher Absicht auch immer ihnen nähert, wird gnadenlos getötet. Ich selbst habe mir die Lage aus der Entfernung angesehen. Ich kann nicht sagen, was, aber irgendetwas stimmte nicht mit diesen Soldaten. Sie bewegen sich in einem seltsamen, roten Nebel fort und wirken wie hypnotisiert.“ „Das klingt in der Tat äußerst merkwürdig“, grübelte Takeda und strich sich nachdenklich über den Bart. „Wo mag eine Armee solchen Ausmaßes nur so plötzlich hergekommen sein?“ „Das Problem ist, dass die Armee von Fürst Kenshin momentan nicht sehr angriffstark ist“, fuhr Keiji fort. „Einige Soldaten sind immer noch verletzt, andere zum Grenzschutz eingeteilt, die auf keinen Fall abgezogen werden können. Die Soldaten, die man für den Angriff einsetzen könnte, reichen nicht aus, um es mit dieser seltsamen Truppe aufzunehmen. Daher bittet Fürst Kenshin um Eure Unterstützung, mein Fürst.“ Takeda nickte. „Einverstanden. Eine solch gefährliche Armee könnte durchaus auch eine Bedrohung für Kai werden, wenn sie nicht umgehend ausgeschaltet wird. Unsere Reiche hat schon genug Schaden durch Oda und seine Männer genommen. Wir brauchen nicht noch eine Bedrohung, die zahlenlose Leben auslöscht.“ Keiji lächelte und verbeugte sich. „Ich danke Euch, Fürst Takeda.“ „Ob Fürst Masamune wohl auf diese Armee getroffen ist?“, überlegte Yukimura laut. Sein Gesicht zeigte echte Besorgnis. „Ich habe keinen von seinen Männern dort gesehen“, beruhigte ihn Keiji. „Ich habe Neuigkeiten von der Date-Armee“, mischte sich Sasuke ein. „Offenbar sind sie in Musashi in einen Hinterhalt geraten. Es stellte sich heraus, dass es tatsächlich zwei Armeen waren, die insgesamt 30.000 Mann stark war. Die Date-Armee wurde von ihnen eingekreist.“ Yukimura rückte geschockt näher an Sasuke heran. „Was soll das heißen? Was ist mit Fürst Masamune? Und Meister Katakura? Und… und… Meister Yashinao und den anderen?“ „Die Soldaten unter der Führung von Meister Katakura sind in einen Kampf mit der feindlichen Armee geraten… Ich weiß allerdings nicht, was aus ihnen geworden ist. Es soll aber eine Explosion gegeben haben. Fürst Date scheint ebenfalls verschwunden zu sein.“ Yukimura zitterte heftig, in seinem Blick lag die nackte Angst. „Eine Explosion…?“, hauchte er leise. Takeda jedoch blieb davon ungerührt. „Yukimura, das Schicksal von Fürst Date ist bedauerlich, sollte dich aber nicht betrüben. Wir waren zwar Verbündete im Kampf gegen Oda, doch letztlich ist er ein Feind, der genauso wie wir die alleinige Herrschaft in diesem Land anstrebt. Sein Tod bedeutet lediglich, dass wir einen Gegner weniger haben.“ Yukimura zuckte geschockt zusammen, ob der brutalen Ehrlichkeit und Gleichgültigkeit seines Herrn. Doch er wusste genau, dass der Mann recht hatte. Und als sein Schützling und General sollte er dieselbe Einstellung vertreten. So schluckte er den Kloß in seinem Hals herunter, senkte das Haupt und flüsterte: „Ja, Oyakata-sama…“ Keiji musterte Yukimura mitfühlend. Takeda nickte und erhob sich. „Sasuke, Yukimura, informiert die Soldaten. Wir werden so schnell wie möglich aufbrechen!“ „Ja, Oyakata-sama!“ Yukimura erhob sich und eilte schnurstracks in sein Zimmer. Dort, abseits aller Blicke, sank er auf die Knie und weinte leise.   Masamune war jedoch nicht tot. Er ritt in Begleitung seiner vier Männer immer noch in Richtung Oshu weiter. Die Explosion in Musashi hatte sein Pferd, Kuro-Ikazuchi, extrem aufgeschreckt, sodass dieser seinen Herrn zum ersten Mal abwarf. Sofort stürzten Yashinao und die anderen zu ihm. „Hitto! Habt Ihr Euch verletzt?!“, fragte Magobei ängstlich. Masamune rappelte sich langsam auf. „Verdammt!“, zischte er. Warum?! Warum kann ich nicht einmal meine eigenen Männer beschützen?! „Hitto, lasst uns ein wenig rasten. Die Pferde brauchen Wasser.“ Der Fürst setzte sich ächzend hin. „Ja, tut das. Aber bleibt nicht zulange am Fluss, sonst entdeckt man euch noch.“ Die vier Männer nahmen die Pferde und machten sich auf den Weg zum Fluss. Masamune blieb allein zurück. Eine ganze Weile blieb es still. Zu still. Nicht einmal die Vögel zwitscherten. Als ob sie vor einem Raubtier geflohen wären. Er ahnte ja nicht, wie recht er damit hatte… Eine helle, leise Stimme drang plötzlich aus dem Dickicht neben ihm. „Du bist also allein. Ich hatte eigentlich erwartet, dich mit deinen Männern hier anzutreffen. Aber das macht nichts. Dann töte ich eben nur dich…“ Masamune sprang auf und griff nach seinem Schwert. „Wer ist da?!!“ Die Gestalt trat langsam aus dem Dickicht vor den Fürsten. Dem klappte beim Anblick jener Person vor Erstaunen der Mund auf. Mit IHR hatte er nun wirklich nicht gerechnet! „Die Schwester des Dämonenkönigs! Aber… du bist doch tot?“ Oichi wankte leicht auf ihn zu. Ihr Blick wirkte irgendwie abwesend. „Ich weiß nicht… ob ich lebe oder… tot bin… oder ob ich überhaupt… sterben kann… Aber das ist auch egal… Alles, was ich will ist… schlafen…“ Masamune nahm die Hand von seinem Schwert. „Was ist nur mit dir geschehen?“ Oichi’s Augen fixierten nun den Fürsten. Ihr Blick war kalt und durchbohrend. „Schweig! Drache von Oshu… Du bist der Mörder meines Bruders!!“ Entsetzt wich Masamune einige Schritte zurück. Oichi’s Augen glühten plötzlich blutrot und eine seltsame, schwarze Masse quoll unter ihren Füßen hervor, stieg an ihr hoch und formte sich zu zwei großen Klauen. Sie war also der Dämon, von dem der Soldat gesprochen hatte! Oichi wankte wieder auf ihn zu. „Einäugiger Drache… für den Mord an meinem Bruder… wirst du jetzt sterben!!“   Derweil positionierte sich die Armee von Takeda am vereinbarten Treffpunkt, im sicheren Abstand zu der unheimlichen Armee, die – genau wie es Keiji berichtet hatte – sich nicht vom Fleck rührte, solange sich ihr keiner näherte. Auf der anderen Seite des Feldes verharrten Fürst Kenshin und seine Männer. Ungeduldig stand Takeda auf seinen Bamba-Pferden und wartete den Bericht Sasuke’s ab, der mit Kasuga Erkundigungen über die seltsame Armee einholen wollte. Weit abseits seines Herrn befand sich Yukimura und wartete auf den Angriffsbefehl. In Gedanken war er jedoch immer noch bei Masamune. Keiji saß neben ihm auf einem Pferd und beobachtete ihn mit leichtem Ärger. Zu gerne würde er ihm die Meinung sagen, doch das würde jetzt nicht viel bringen. Sasuke’s Rückkehr ließ alle interessiert aufhorchen. „Oyakata-sama, ich habe wichtige Neuigkeiten für Euch!“, sagte er und kniete neben den Bamba-Pferden. „Ich höre“, erwiderte Takeda, den Blick weiterhin stur nach vorne gerichtet. „Kasuga und ich haben uns die Armee aus sicherer Entfernung angesehen. Der rote Nebel kam uns gleich so vertraut vor. Wenn unsere Vermutung richtig ist, dann… sind all diese Männer dort… bereits tot.“ Ein Raunen ging durch die Soldaten. Auch Yukimura und Keiji sahen überrascht auf. Takeda wandte sich nun Sasuke zu. „Wie können sich denn Tote bewegen?“ „Es gibt nur einen Mann, der imstande ist, mithilfe von rotem Nebel Tote zu bewegen. Dieser Mann heißt Nanbu Harumasa“ Takeda hob eine Augenbraue. „Nanbu? Ich erinnere mich dunkel an diesen Namen. Die Takeda-Familie hat den Nanbu-Clan einst vernichtet, weil deren dunkle Künste eine zu große Bedrohung darstellten. Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass es keine Überlebenden mehr gäbe. Soweit ich mich erinnern kann, handelte es sich bei den Nanbu doch um einen Ninja-Clan?“ „Das ist richtig. Und sie haben sich in der Tat dunklen Künsten verschrieben. Sie waren Spezialisten… in Nekromantie.“ „Dann haben wir es hier offenbar wirklich mit Toten zu tun…“ „Aber Herr, wie sollen wir denn gegen Tote kämpfen?“, warf ein Soldat ängstlich ein. „Ihre Technik mag ausgefallen und mächtig sein, hat aber ein ganz entscheidenden Schwachpunkt“, antwortete Sasuke sofort. Er kannte sich bestens mit den Techniken dieses Clans aus. „Der rote Nebel bewegt die Leichen und sorgt für ihre Unbesiegbarkeit. Der Nebel wird durch spezielle Krüge ausgestoßen, die sich zwischen den Leichen befinden.“ Sasuke deutete auf das freie Feld. Bei genauem Hinsehen erkannte man in der Tat mehrere Krüge, aus denen der rote Nebel sickerte. „Man muss die Krüge nur zerstören, dann gibt es auch keinen Nebel mehr. Kein Nebel, keine Leichen, die sich fortbewegen können.“ Takeda nickte verstehend. „Ich danke dir, Sasuke. Das war sehr hilfreich. Kenshin dürfte mittlerweile ebenfalls im Bilde sein. Warten wir ab, was er unternehmen will.“ Yukimura war sprachlos. Leichen, die sich fortbewegten? Ein roter Nebel, der dies möglich machte? Und hinter alldem steckte ein Ninja? Wahrlich ein skurriler Fall. Eine junge Kunoichi landete neben Yukimura’s Pferd. „Danna? Ich habe die Informationen, die Ihr gewünscht habt.“ Leise, damit sein Herr ihn nicht hören konnte, flüsterte der General leise: „Und?“ „Ich suchte die Stelle ab, an der die Explosion war, doch ich konnte niemanden finden. Die Explosion hat offenbar einen Erdrutsch verursacht. Ich bezweifle, dass es Überlebende gab. Jedoch kann ich Euch mitteilen, dass sich Fürst Date nicht unter den Opfern befand. Ich entdeckte ihn einige Cho weiter nördlich, nahe einem Fluss.“ „Dann lebt er also noch?“ Die Erleichterung in Yukimura’s Stimme war kaum zu überhören. „Das war noch nicht alles, Danna“, fuhr das Mädchen mit ernster Stimme fort. „In diesem Augenblick befindet sich der Fürst mitten in einem Kampf.“ „Mit wem?“ „Mit Fürstin Oichi.“ „Oichi?! Aber ich dachte, sie sei verstorben?!“, mischte sich Keiji ein. „Dies war die allgemeine Annahme, doch ich versichere Euch, dass sie lebt. Jedoch scheint es, als hätte etwas Dunkles von ihr Besitz ergriffen. Die Kräfte, die sie einsetzt, sind nicht von dieser Welt…“ „Was soll das wieder heißen?“, wunderte sich Keiji. „Sie hat etwas Dämonisches an sich. Danna… ich fürchte, in seinem momentanen Zustand kann Fürst Date diese Auseinandersetzung gegen eine solche Macht niemals gewinnen.“ Yukimura senkte den Blick, seine Hände zerquetschten förmlich die Zügel. Gerade war er noch so erleichtert gewesen, dass der Fürst noch lebte. Nun musste er hören, dass dieser dem Tode geweiht war. Und weit und breit niemand, der ihn retten konnte. „Es scheint… als wäre es aussichtslos…“, murmelte der General traurig. „Was redest du da bloß?!!“, rief Keiji wütend. Ihm war endgültig die Hutschnur geplatzt. Wie begriffsstutzig war diese Typ eigentlich? „Was soll das heißen, es ist aussichtslos?! Wenn du nicht willst, dass man den Drachenfürsten ermordet, dann verhindere es doch! Du bist hier, weil dein Fürst es befohlen hat und du ihm gehorchen willst, dennoch kann man deutlich in deinem Gesicht herauslesen, dass du nicht hier sein willst. Warum hörst du nicht endlich auf damit, dich selbst zu belügen?! Sei doch mal ehrlich zu dir selbst und sag endlich, was du wirklich tun willst!!“ Yukimura zuckte zusammen. Was er wirklich tun wollte? Prompt kam ihm Fürst Masamune in den Sinn. Sein Kampfgeist. Seine Stimme. Sein Lächeln. Das Gefühl, gegen ihn zu kämpfen. Mit ihm zusammen zu kämpfen. Seine Haut zu berühren… Und welche Angst ihn befiehl, als dieser sich verletzte. Es fiel dem jungen General wie Schuppen von den Augen. Was er jetzt wirklich tun wollte, war… „Fürst Maeda, in einem Haus am Rande des Dorfes in Kai befindet sich ein Mann! Wenn Ihr nachfragt, werden die Dorfbewohner sicher wissen, wer gemeint ist. Bitte holt ihn und lasst Euch dann von Kohaku zu dem Ort bringen, wo sich Fürst Masamune und Fürstin Oichi befinden!“, rief Yukimura entschlossen, dann wendete er Hono-Arashi und ritt wie der Teufel davon. „Wartet, Danna! Wohin wollt Ihr denn?!“, rief Sasuke ihm nach, doch Yukimura hörte ihn nicht. Er dachte nur noch an Masamune. Fürst Masamune… bitte haltet durch! Ich bin so schnell ich kann bei Euch!   Verdammt… Es ist so dunkel… Bin ich etwa tot? Nein! Ich darf nicht sterben… Nicht hier! Nicht so. Wenn ich hier sterbe… was wird dann mit Oshu passieren? Mit dem Land? Mit den Menschen? Meine Männer… Sie sind mir gefolgt, weil sie an mich geglaubt haben. Aber was kann ich tun? „Wach auf.“ Masamune blinzelte, dann schlug er fast in Zeitlupe seine Augen auf. Vor ihm stand Oichi und bedachte ihn mit einem traurigen Blick. „Du warst ohnmächtig…“ Masamune erinnerte sich dunkel. Er hatte versucht, sich gegen ihre Attacken zu wehren, doch gegen Oichi’s Kräfte war einfach kein Kraut gewachsen. Vielleicht wäre er imstande, sie zu besiegen, wenn er über seine vollen Kräfte verfügen würde, doch seine momentane Verfassung machte dies einfach nicht möglich. Nun bemerkte Masamune auch, dass er gar nicht aus eigener Kraft stand. Die seltsamen Hände hielten ihn fest. „Warum gibst du nicht einfach auf?“, schlug Oichi leise vor. „Es bringt doch nichts, sich zu wehren. Du hast nichts mehr, wofür es sich noch zu kämpfen lohnt.“ „Doch, das habe ich! Du bist Diejenige, für die dieser Kampf sinnlos ist. Was willst du damit erreichen?“ Oichi schaute müde zur Seite. „Ich wollte Genugtuung… doch du bist genauso einsam und leidest, wie ich. Der Verlust deiner Männer… muss dich sehr schmerzen.“ „Was zum Teufel redest du da?!“ „Die Explosion vorhin… Mitsuhide-san hat deine Männer erfolgreich beseitigt. Das kann keiner überlebt haben… Du hast deine Männer in den Tod geschickt. Das muss dich doch sehr quälen.“ Masamune wehrte sich gegen diese Vorstellung, doch eine innere Stimme sagte ihm, dass Oichi nicht log. Warum sollte sie das auch erfinden? Im Grunde hatte er es ja schon gewusst, als er die Explosion in der Ferne hörte. Sie waren tot. Und er hatte sie im Stich gelassen. Masamune schloss sein Auge und biss sich auf die Unterlippe. Kojuro… seine Männer… hatten ihn fortgeschickt, weil sie wollten, dass er lebte. Um ihretwillen und für die Zukunft von Oshu musste er leben. Doch wie sollte es weitergehen? Ohne Kojuro und all seine tapferen Männer? War er überhaupt imstande, das Land ohne Hilfe zu führen? Er konnte ja nicht einmal seine Männer beschützen! Nur, weil er so überstürzt aufbrechen wollte, waren sie in diese Zwangslage geraten. War so jemand ein guter Führer? Oichi trat an den Drachenfürsten heran und streichelte sanft seine Wange. „Wir haben beide viel Trauer durchlebt. Möchtest du nicht auch schlafen? Wir könnten doch zusammen in der Dunkelheit verschwinden.“ Kaum hatte sie das vorgeschlagen, tat sich unter ihrer beider Füße ein schwarzes Loch auf. Langsam versanken beide in dem schwarzen Nichts. Masamune erschrak leicht, doch irgendwie fehlte ihm der Wille, sich zu wehren. „Ja, so ist es gut. Wehr dich nicht, lass es einfach geschehen…“, flüsterte Oichi und legte ihre Arme um ihn, als wolle sie ihn trösten. Der Fürst wollte sich gerade in sein Schicksal ergeben, als eine Stimme erklang. „Flammenspeer!“ Der Fürst riss das Auge auf – er sah gerade noch, wie ein euphorischer Yukimura heranstürmte und seine Speere auf sie richtete. Oichi kreischte geschockt und die dunkle Maße zog sie aus der Schusslinie. Der Flammenangriff traf die dunklen Hände, die Masamune festhielten und befreite ihn. Der Fürst fiel auf die Knie. Überrascht sah er auf. Yukimura atmete schwer, er schwitzte, aber dennoch wirkte er erleichtert. „Ich habe es geschafft…“, keuchte er und lächelte den Älteren an. „Ich bin noch rechtzeitig gekommen…“ „Du! Wie konntest du mich nur so erschrecken?“, flüsterte Oichi entrüstet, die sich langsam aus der schwarzen Maße wieder erhob. Als sich Yukimura ihr zuwandte, riss sie überrascht die Augen auf. „Ich kenne dich… In jener Nacht… warst du auch da… Du bist der Andere.“ „Fürstin Oichi, bitte hört mich an!“, rief Yukimura und senkte seine Speere. „Ich weiß nicht, was Euch dazu bewogen hat, das hier zu tun, aber ich bin davon überzeugt, dass Ihr nicht aus freiem Willen so handelt. Ich bitte Euch inständig, hört auf damit!! Ich will Euch nicht verletzen.“ Oichi’s Miene verfinsterte sich. „Du willst mich nicht verletzen?“, wiederholte sie kühl. Ihre Augen glühten rot auf und die Finsternis um sie herum verstärkte sich. „Du bist der Mörder meines Bruders… Du solltest darum betteln, dass ich dich nicht verletze.“ Yukimura erhob seine Speere, bereit, die mögliche Attacke abzuwehren. „Ichi!! Tu das nicht!!“ Oichi zuckte zusammen. Sie kannte die Stimme. Langsam wandte sie sich der Stimme zu. Auch Yukimura und Masamune sahen hin. Keiji half gerade einem Mann aus dem Sattel. Masamune war überrascht, denn er erkannte den Mann sofort: es war der – angeblich – verstorbene Azai Nagamasa! „Wa- Was ist denn hier los?!“, entfuhr es ihm verblüfft. „Als der Kampf in Nagashino vorbei war, haben unsere Soldaten alle Überlebenden nach Kai gebracht. Die Toten haben wir auch mitgenommen, um sie später beerdigen zu können. Dabei stellten wir zu unserer Überraschung fest, dass Fürst Azai noch am Leben war. Sein Atem war allerdings so schwach, dass wir es fast nicht gemerkt hätten“, erklärte Yukimura. „Wir brachten ihn dann uns Haus unserer Arztes, der am Rand des Dorfes lebt, der auch Euch und Fürst Takeda behandelt hat. Dieser Arzt ist wahrlich ein Wundermann. Es ist ihm tatsächlich gelungen, die schweren Wunden Azai’s zu heilen, sodass er überlebt hat!“ Mit Keiji’s Hilfe näherte sich Azai langsam den Dreien. Yukimura verbeugte sich, als sich ihre Blicke trafen. „Fürst Azai, bitte verzeiht, dass ich Euch aus Eurem Krankenbett holen lassen, aber wie Ihr sehen könnt, ist es sehr dringend!“ „Schon gut“, stieß Nagamasa mit schmerzverzerrter Miene hervor. „Ich bin Euch zu Dank verpflichtet. Ihr habt mich gerettet…“ Oichi sank auf die Knie. Erst langsam begann sie zu begreifen, dass dies keine Illusion oder dergleichen war. „Du lebst… Du lebst tatsächlich… Mein geliebter Nagamasa…“ „Ichi…“ Azai streckte seine Hand nach ihr aus und wollte sich von seiner Stütze lösen. Doch dann schrie Oichi plötzlich auf. Die Dunkelheit loderte auf, wie ein schwarzes Feuer. Vorsorglich zog Keiji Azai wieder zurück.  „Was ist mit dir, Ichi?!!“, rief Azai und versuchte, sich vom Griff Keiji’s zu lösen und zu seiner Frau zu stürmen. Auch Yukimura hob einen Speer, um Azai zurückzuhalten. „Tretet zurück, Fürst Azai! Eure Frau ist besessen!!“ „Besessen?!“ „Ja. Und ich denke, ich weiß von wem.“ Yukimura schwang seine Speere und machte sich bereit zum Angriff. „Ich werde sie jetzt davon befreien!“ „Nein! Das darfst du nicht!“ „Seit unbesorgt, Fürst Azai! Ich schwöre Euch, dass ich Eurer Frau kein Haar krümmen werde! Vertraut mir!!“ Yukimura konzentrierte all seine Energie auf den nächsten Angriff. Er dürfte sich keinen Fehler erlauben, sonst würde er Oichi doch noch verletzen. Seine Energie strömte aus seinem Körper hoch wie eine rote Flamme. Dann stürmte er mit einem kräftigen Sprung nach vorne. „Lasst endlich ab von ihr!“, rief er, dann schlug er mit seinen Speeren zu. „Hibashiri!!!!“ Ein Stoß fuhr durch Oichi’s Körper und setzte sie in Flammen – so schien es. Doch bei genauerem Hinsehen brannte die Dunkelheit um sie herum, nicht sie selbst. Ihre Schreie wurden immer tiefer, bis es sich anhörte, als würden zwei Stimmen erklingen. Die Dunkelheit verformte sich abermals und nun glaubte Masamune, die Silhouette eines Mannes zu erkennen – und irgendwie kam sie ihm seltsam vertraut vor. Yukimura, der nach seinem Angriff nun hinter Oichi stand, rief mit finsterer Miene: „Oda Nobunaga, lasst endlich ab von Eurer Schwester!! Hört auf, sie für Eure Rache zu benutzen!“ Die roten Flammen verstärkten sich, als würden sie auf das Wort Yukimura’s hören, und nach und nach verschwand die Dunkelheit. Völlig erschöpft sank Oichi zu Boden. Azai riss sich von Keiji los und lief so schnell es ihm möglich war zu seiner Frau. Vorsichtig hob er ihren Kopf und flüsterte besorgt: „Ichi! Ichi!! Bitte öffne die Augen! Geht es dir gut?! Rede mit mir, Ichi!!“ Oichi schlug langsam die Augen auf. Als sie ihren Ehemann erkannte, strahlte sie ihn überglücklich an. „Nagamasa… Du bist es wirklich.“ Azai lächelte ebenfalls, dann drückte er seine Frau fest an sich. Keiji beobachtete die beiden aus einiger Entfernung. Insgeheim beneidete er sie. Auch er kannte das Gefühl, jemanden zu lieben, doch seine Liebe hatte kein glückliches Ende genommen. Masamune hingegen saß immer noch auf dem Boden und regte sich nicht. Sofort eilte Yukimura zu ihm und kniete sich zu ihm hinunter. „Fürst Date! Ist alles in Ordnung? Ist Eure Wunde wieder aufgegangen?“, fragte er besorgt. „Sie sind tot… Alle tot…“, murmelte Masamune geistesabwesend. „Ich habe sie in den tot geschickt! Sie alle!“ Yukimura ließ seine Speere fallen und packte den Fürsten an der Schulter. „Was redet Ihr denn da?! Fürst Date, kommt zu Euch! Ich glaube nicht, dass Eure Männer tot sind! Mein Ninjacorps hat keine Leichen finden können!“ Masamune schüttelte heftig den Kopf. „Sie sind tot, das weiß ich! Solch eine Explosion kann keiner überleben!!“, schrie er Yukimura panisch an, dann raufte er sich die Haare, Tränen stiegen ihm ins Auge. „Ich hab sie umgebracht! Das ist alles meine Schuld!! Ich wollte sie doch beschützen!! Ich…“ Yukimura biss sich auf die Unterlippe. Es schmerzte ihn, den Fürsten so zu sehen. Bevor er begriff, was er da tat, zog er den Älteren in seine Arme. „So dürft Ihr nicht über Euch reden! Für mich… seit Ihr der wundervollste Mann der Welt!“ Masamune erstarrte in der unverhofften Umarmung. „Yukimura…“, murmelte er. Der junge General löste sich ein wenig aus der Umarmung und sah ihn mit schimmernden Augen an. „Ich hatte solche Angst, dass ich Euch nie wieder sehen werden…“, flüsterte er sehnsüchtig, dann zog er ihn fest an sich und küsste ihn. Was er nicht sehen konnte, waren die ganzen unverhofften Zuschauer, die die Beiden hatten. Nicht nur Keiji, dem die Kinnlade herunterklappte. Oichi, die überrascht eine Hand vor den Mund schlug und Azai, der seinen Augen kaum traute. Nein, in einiger Entfernung beobachteten sie Fürst Takeda und seine Männer, Fürst Kenshin, sowie Kasuga und Sasuke. Von der Flussseite her hatten sich auch die totgeglaubten Soldaten genähert. Kojuro ließ bei diesem Anblick sein Schwert ins Gras fallen. Der Moment schien sich ewig hinzuziehen, bis Bunshiro ein schockiertes „Hitto!!“ entwich. Sofort löste sich Masamune und sah in die Richtung, aus der die Stimme kam. Als er Kojuro und die anderen erblickte, sprang er erleichtert auf und rannte auf sie zu. Ohne sich um die anderen zu scheren, fiel er seinem treuen Vasallen in die Arme. „Gott sei Dank… Ich dachte, die Explosion hätte Euch getötet…“, murmelte Masamune erleichtert. „Nein…“, stammelte Kojuro etwas verlegen und wusste nicht recht, wohin mit seinen Händen. „Zum Glück waren unsere Gegner nicht halb so clever, wie sie selbst glaubten. Sie haben die Bomben nicht richtig verkabelt, dadurch gingen sie nicht hoch.“ Masamune sah überrascht auf. „Und woher kam die Explosion?“ Kojuro lachte laut auf. „Wir hatten gerade die andere Armee auch noch besiegt, da trat dieser Dummkopf Akechi auf eine der Bomben, wahrscheinlich aus Wut darüber, dass sie nicht funktionierten. Dabei scheint er sie wohl irgendwie funktionstüchtig gemacht zu haben, jedenfalls ging sie plötzlich hoch. Diesmal ist Akechi endgültig tot.“ Masamune nickte erleichtert, dann bemerkte er die Lage, in der er sich befand und löste sich rasch von Kojuro. Dann räusperte er sich vernehmlich. „Ich… bin froh, dass es euch allen gut geht.“ „Klar, Hitto. Wir haben es doch versprochen!“ Nun brach freudige Stimmung unter den Date-Soldaten aus. Bunshiro und die anderen drei entschuldigten sich, dass sie den Fürsten solange allein gelassen hatten, doch sie waren unterwegs auf die anderen gestoßen und hatten sie dann zu der Lichtung gelotst, auf der Masamune gerade war. Aus der Entfernung heraus beobachtete Yukimura sie lächelnd, dann endlich bemerkte er seinen Fürsten in der Ferne. Dessen Blick war ruhig und gelassen, doch der junge General kannte seinen Herrn gut genug, um zu wissen, dass dieser vor Wut kochte. Diesmal war er wirklich zu weit gegangen…   ~ Owari ~ Hosted by Animexx e.V. 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