Geisterhafte Vergangenheit von Pfeffersosse ================================================================================ Kapitel 1: Die erste Begegnung ------------------------------ Joyce wusste schon als kleines Mädchen, dass sie nicht wie ihr großer Bruder ein Trainer werden wollte. Dafür lag ihr das Wohl der einzelnen Pokémon einfach zu sehr am Herzen. Sie hatte nichts dagegen, dass gekämpft wurde, aber nur solange keines der Pokémon auch wirklich ernsthafte Verletzungen davontragen musste. Sie konnte auch stolz sagen, dass ihr Bruder einer der besten Trainer war, denn er stand kurz davor Kalos‘ neuer Champ zu werden. Nichtdestotrotz löste es noch immer ein mulmiges Gefühl in ihr aus zu wissen, dass die Pokémon ihres geliebten Bruders jede kommende Herausforderung meistern mussten. Aber er wusste natürlich wie man sie pflegen und auch schonen konnte. Sie war immer froh, wenn sie ihm mit einem Tipp weiterhelfen konnte, auch wenn sie ihrem Traum noch nicht wirklich sehr nahe war. Die Ausbildung zu einer Schwester Joy war nämlich alles andere als ein Zuckerschlecken. Trainer wurde man einfach so, könnte man sagen, aber eine Schwester Joy musste alles wissen, sei es nun wie die einzelnen Typen auf Heilmittel reagierten, welches Pokémon welche Nahrung am liebsten zu sich nahm oder wie man ein eigenes, individuelles Heilmittel zusammenmixte. Dafür gab es einen bestimmten Ort: die Akademie. Auch wenn die Akademie für viele als Pokémon-Center zu erkennen war, so barg sich im Inneren mehr als nur die Empfangshalle. Joyce konnte auch stolz behaupten in einer der besten Schwestern-Akademien in ganz Kalos zu sein. Immerhin lebte sie mit ihrer Familie in einem Haus in Illumina City – eine große, fluorierende Stadt, welche vom Glanz des Prismaturms fast gänzlich in den Schatten gestellt wurde. Es war immer wieder atemberaubend diese Stadt auf einen wirken zu lassen und Joyce würde dies im Moment auch wirklich gerne tun, aber leider waren alle Lernzimmer mit Ausblick auf den Prismaturm besetzt. Joyce hatte heute einen ‚Vorlesungstag‘, denn man könnte sagen, dass sie hier eine Art Universität mit sehr viel Praxis besuchte. Jede andere Anwärterin war genauso vernarrt in die kleinen Pokémon wie sie, doch sie hatte immer wieder das Gefühl, dass doch etwas an ihr anders war. Vielleicht lag es auch an ihrem Namen, immerhin wurde sie ‚Joyce‘ getauft. Vielleicht hatte ihre Mutter schon früh das Gefühl gehabt, dass aus ihrer Tochter mehr werden würde als nur ein Mädchen mit dem Namen ‚Joyce‘. Denn schon als kleines Kind wurde sie ‚Joy‘ gerufen. Ihr war deshalb auch schnell klar, dass sie eine Schwester werden wollte. Ihr Name geleitete sie nun schon ihr Leben lang und sie musste ihrer Mutter danken, genau diesen Namen ausgewählt zu haben. Immerhin mussten Mädchen mit anderen Namen ihren eigenen ablegen, auch wenn es eher nur eine Berufsbezeichnung war. ~*~ „Hallo Joyce, willst du mit uns lernen?“, fragten zwei Mädchen aus ihrer Stufe, doch Joyce entschuldigte sich bei ihnen, indem sie ihnen sagte, dass sie noch eine Aufgabe fertig machen müsste und es dafür sehr leise sein musste. Joyce wusste, wenn sie mit den beiden Mädchen mitgehen würde um mit ihnen zu lernen, dann könnte sie auch genauso gut nichts tun. Sie wollte natürlich keinem etwas unterstellen, aber es war bekannt, dass sich Marie und Antoinette nicht so in die Sache hineinknieten wie andere. Sie wollte damit natürlich auch nicht sagen, dass sie nun die Beste sei, aber sie war eine der fleißigsten und gewissenhaftesten Schülerinnen der Akademie. Die Forscher hatten gerade erst den neuen Typ Fee entdeckt. Deswegen hatten sie neue Informationen erhalten und diese wollte Joyce nun lernen. Wenn Marie und Antoinette dies nicht ohne ihre Anwesenheit tun wollten, dann sollten sie es bleiben lassen. Es gab eigens dafür eingerichtete Lernzimmer, in welche sich die Schülerinnen verkriechen konnten, wenn es einmal zu laut oder zu hektisch wurde. Nur hatte sie bis jetzt noch kein einziges, freies Zimmer gefunden. Seufzend musste sie sich deshalb auf den Weg in die ‚verbotene Etage‘ machen. Verboten deshalb, weil es hier angeblich spuken sollte. Joyce wollte dieses Ammenmärchen natürlich nicht glauben, trotzdem machte sie diese Neuigkeit über das Spuken schon seit Anfang des Semesters neugierig. Doch bis jetzt hatte sie immer Glück gehabt und so konnte sie immer eins der unteren Lernzimmer benutzen. Im ersten Stock sollten es auch verlassene Behandlungszimmer geben, doch der Grund für die Gerüchte wurde bis jetzt noch nicht gefunden. Und so munkelten die einen, dass es sich um eine verstorbene Schwester, die anderen, um ein Pokémon handeln würde. Joyce tendierte dann doch eher zum Zweiten, weil sie sich nicht vorstellen konnte, dass sich eine Schwester etwas antun würde. Mit einem Quietschen öffnete sich die Tür des ersten Zimmers und Joyce blickte in die Schwärze hinein. Es schien fast so, als seien die Fenster zugenagelt worden, aber vielleicht trogen sie auch nur ihre Augen. Die Dunkelheit, in die sie blickte, machte ihr schon etwas Angst, doch sie kam nicht umher einen Schritt hinein zu wagen. „Hallo?“ Ihre Stimme schien im Zimmer zu hallen und sie fragte sich wieso sie ihre Stimme überhaupt erhoben hatte. Es war doch offensichtlich, dass dort drinnen keiner war, aber sie bekam ein leises Lachen zu Ohr. Joyce musste einmal schlucken und ging dann noch einige Schritte nach drinnen. Es war noch immer so dunkel, doch sie sah die Fenster am anderen Ende des Zimmers. Joyce fragte sich wie es zu dieser düsteren Atmosphäre kommen konnte. Das Innere schien nicht so verlassen zu sein, als dass man nun sagen konnte, dass die Dunkelheit von schmutzigen Fensterscheiben hervorgerufen wurde. Vielmehr schien es damit zu tun haben, dass etwas im Zimmer war. Joyce war sich nun sicher. Sie wandte ihren Blick von der Mitte des Zimmers ab und suchte nach dem Lichtschalter. Erleichtert konnte sie feststellen, dass die Lichter in diesem Stockwerk allesamt noch funktionierten, immerhin war der Flur auch hell beleuchtet. Das leichte Flackern im Licht konnte natürlich davon kommen, dass das Zimmer schon länger nicht beleuchtet wurde. Sie drehte sich wieder zufrieden um und wollte gerade zu einem der Tische gehen, als sie in große, rote Augen und ein riesiges Grinsen blickte. Das Lachen war nun ganz nahe und das Wesen vor ihr machte nur einmal kurz ‚Buh‘ und verschwand wieder. Joyce war vor Schreck auf den Hintern gefallen und schrie nun kurzerhand erschrocken auf. Schnell legte sie sich eine ihrer Hände auf die Brust, um ihr Herz zu beruhigen und mit der anderen bedeckte sie ihren Mund. Sie war sich nicht ganz sicher, ob sie erkannt hatte, um was es sich handelte, aber sie bleib ruhig. Sie hoffte einfach, dass ihr spitzer Schrei keine andere Schwester auf sich aufmerksam gemacht hatte. Langsam stand Joyce wieder auf und klopfte sich die leichte Staubschicht von der Kleidung. Diese Begegnung hatte ihre Neugierde geweckt und so war es nicht wirklich verwunderlich, dass sie ihre Tasche aufhob, die Tür hinter sich schloss und erhobenen Hauptes in die Mitte des Zimmers ging. Die Dunkelheit schien auch verschwunden zu sein und war dem matten Licht der Beleuchtung gewichen. Sollte es wirklich hier spuken, dann könnte das Phänomen ja jederzeit wieder auftauchen. Die junge Anwärterin zog ein Tuch aus ihrer Tasche und befreite den Stuhl und den Tisch von der feinen Staubschicht, die sich darauf gebildet hatte. Was wohl hier passiert war? Das Zimmer sah wie jedes andere Lernzimmer aus, nur dass noch vereinzelte andere Apparaturen hier oben standen. Vielleicht waren es ausrangierte, funktionsunfähige Maschinen, aber Joyce störte es nicht. Sie vernahm wieder ein leises Lachen, welches sich anhörte als käme es aus den Rohren. Der brachliegende Wasserhahn fing auch fast wie auf Geheiß an zu tropfen und Joyce blickte sich einmal mehr um. Sie fühlte sich wieder beobachtet, doch gleichzeitig auch einsam. Sie legte ihre Tasche ab und ging langsam in jede Ecke des Zimmers. „Hallo?“, flüsterte sie und fragte sich, ob ihr vielleicht einer einen Streich spielen wollte. Schreckhaft war sie normalerweise nicht, aber die angespannte Atmosphäre in diesem Zimmer machte es schwer, sich als unerschrocken und tapfer hinzustellen – auch wenn nun kein anderer im Zimmer war. Ihr Herz schlug schneller und sie hob einige Utensilien hoch, um darunter zu schauen, ob nicht vielleicht Jemand etwas versteckt hielt, das diese lachenden Geräusche von sich gab. Joyce fand allerdings nichts. Sie bückte sich noch einmal um nach etwas zu greifen das dort lag, doch sie kam nicht daran. Sie fuhr eher erschrocken in die Höhe, weil plötzlich das Klirren eines Glases wie aus dem Nichts zu hören war. Sie konnte einen Schrei gerade noch so unterdrücken, obwohl sie wirklich nicht damit gerechnet hatte. Nachdem sie den ersten Schrecken überwunden hatte, bückte sie sich wieder und hörte erneut ein Lachen, nur dieses Mal wirkte es nicht mehr so freundlich wie vorher. Es war ihr auch als hätte die Umgebungstemperatur einen rapiden Fall nach unten zu verzeichnen, da sie ihren Atem plötzlich vor Augen sah. Das konnte aber nicht sein, immerhin war dieses Zimmer doch gerade noch… Sie drehte sich langsam um, weil sie die Präsenz von Etwas spürte. Wie in Zeitlupe und mit starr geöffneten Augen blickte sie nach hinten und sah wieder in die roten, glühenden Augen. Das Grinsen wurde von einer langen, heraushängenden Zunge gestört und Joyce wurde etwas blass. Sie stolperte zur Seite und schrie wieder vor Schreck auf. Dieses Mal hörte sie aber Jemanden und die Tür wurde mit einem Ruck geöffnet. Zitternd saß Joyce auf dem Boden und rieb sich über die kalten Arme. Es war nicht der Schreck, der ihr die Kälte in den Leib getrieben hatte, sondern die Erkenntnis, dass ihre Unerschrockenheit wohl doch Grenzen hatte. „Joyce?! Was machst du hier oben. Du weißt doch, dass es hier oben spucken soll! Hast du etwas gesehen? Dein Schrei war nicht zu überhören“, brabbelte Antoinette vor sich hin. Joyce musste erstaunt vorstellen, dass eines der beiden (wirklich faulen) Mädchen ihr zur Hilfe geeilt war und sie war froh darüber. Sie stand langsam wieder auf und schüttelte dann den Kopf. „Nein, ich habe nichts gesehen, ich bin nur erschrocken, weil mein Schatten wie etwas aussah. Aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Antoinette, ich komme wieder nach unten.“ Sie bat die andere schon vorzugehen, da sie in ihrem Augenwinkel noch etwas entdeckt hatte, dem sie nachgehen wollte. Antoinette ließ sich aber nicht sofort abwimmeln und so musste Joyce ihre ganzen Überredenskünste an den Tag bringen, um noch einmal kurz alleine zu sein. „Na gut…. Aber lass nicht zu lange auf dich warten, es gibt bald Mittagessen.“ Antoinette machte auf dem Ansatz kehrt und ließ Joyce alleine. Sie atmete erleichtert aus und bückte sich dann um ihre Entdeckung aufzuheben. Der Gegenstand in ihrer Hand war nichts anderes als ein etwas älterer, kaputter Pokéball. Sie wollte ihn zuerst an sich nehmen, legte ihn dann doch lieber auf den Tisch und – weil sie das Gefühl nicht loswerden wollte, dass hier wirklich ein Pokémon hauste – noch einige Beeren auf den Tisch. Morgen würde sie wiederkommen, denn die Augen und das Grinsen hatte sie sich auf keinen Fall eingebildet. Da war sie sich sicher. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)