Geisterhafte Vergangenheit von Pfeffersosse ================================================================================ Kapitel 1: Die erste Begegnung ------------------------------ Joyce wusste schon als kleines Mädchen, dass sie nicht wie ihr großer Bruder ein Trainer werden wollte. Dafür lag ihr das Wohl der einzelnen Pokémon einfach zu sehr am Herzen. Sie hatte nichts dagegen, dass gekämpft wurde, aber nur solange keines der Pokémon auch wirklich ernsthafte Verletzungen davontragen musste. Sie konnte auch stolz sagen, dass ihr Bruder einer der besten Trainer war, denn er stand kurz davor Kalos‘ neuer Champ zu werden. Nichtdestotrotz löste es noch immer ein mulmiges Gefühl in ihr aus zu wissen, dass die Pokémon ihres geliebten Bruders jede kommende Herausforderung meistern mussten. Aber er wusste natürlich wie man sie pflegen und auch schonen konnte. Sie war immer froh, wenn sie ihm mit einem Tipp weiterhelfen konnte, auch wenn sie ihrem Traum noch nicht wirklich sehr nahe war. Die Ausbildung zu einer Schwester Joy war nämlich alles andere als ein Zuckerschlecken. Trainer wurde man einfach so, könnte man sagen, aber eine Schwester Joy musste alles wissen, sei es nun wie die einzelnen Typen auf Heilmittel reagierten, welches Pokémon welche Nahrung am liebsten zu sich nahm oder wie man ein eigenes, individuelles Heilmittel zusammenmixte. Dafür gab es einen bestimmten Ort: die Akademie. Auch wenn die Akademie für viele als Pokémon-Center zu erkennen war, so barg sich im Inneren mehr als nur die Empfangshalle. Joyce konnte auch stolz behaupten in einer der besten Schwestern-Akademien in ganz Kalos zu sein. Immerhin lebte sie mit ihrer Familie in einem Haus in Illumina City – eine große, fluorierende Stadt, welche vom Glanz des Prismaturms fast gänzlich in den Schatten gestellt wurde. Es war immer wieder atemberaubend diese Stadt auf einen wirken zu lassen und Joyce würde dies im Moment auch wirklich gerne tun, aber leider waren alle Lernzimmer mit Ausblick auf den Prismaturm besetzt. Joyce hatte heute einen ‚Vorlesungstag‘, denn man könnte sagen, dass sie hier eine Art Universität mit sehr viel Praxis besuchte. Jede andere Anwärterin war genauso vernarrt in die kleinen Pokémon wie sie, doch sie hatte immer wieder das Gefühl, dass doch etwas an ihr anders war. Vielleicht lag es auch an ihrem Namen, immerhin wurde sie ‚Joyce‘ getauft. Vielleicht hatte ihre Mutter schon früh das Gefühl gehabt, dass aus ihrer Tochter mehr werden würde als nur ein Mädchen mit dem Namen ‚Joyce‘. Denn schon als kleines Kind wurde sie ‚Joy‘ gerufen. Ihr war deshalb auch schnell klar, dass sie eine Schwester werden wollte. Ihr Name geleitete sie nun schon ihr Leben lang und sie musste ihrer Mutter danken, genau diesen Namen ausgewählt zu haben. Immerhin mussten Mädchen mit anderen Namen ihren eigenen ablegen, auch wenn es eher nur eine Berufsbezeichnung war. ~*~ „Hallo Joyce, willst du mit uns lernen?“, fragten zwei Mädchen aus ihrer Stufe, doch Joyce entschuldigte sich bei ihnen, indem sie ihnen sagte, dass sie noch eine Aufgabe fertig machen müsste und es dafür sehr leise sein musste. Joyce wusste, wenn sie mit den beiden Mädchen mitgehen würde um mit ihnen zu lernen, dann könnte sie auch genauso gut nichts tun. Sie wollte natürlich keinem etwas unterstellen, aber es war bekannt, dass sich Marie und Antoinette nicht so in die Sache hineinknieten wie andere. Sie wollte damit natürlich auch nicht sagen, dass sie nun die Beste sei, aber sie war eine der fleißigsten und gewissenhaftesten Schülerinnen der Akademie. Die Forscher hatten gerade erst den neuen Typ Fee entdeckt. Deswegen hatten sie neue Informationen erhalten und diese wollte Joyce nun lernen. Wenn Marie und Antoinette dies nicht ohne ihre Anwesenheit tun wollten, dann sollten sie es bleiben lassen. Es gab eigens dafür eingerichtete Lernzimmer, in welche sich die Schülerinnen verkriechen konnten, wenn es einmal zu laut oder zu hektisch wurde. Nur hatte sie bis jetzt noch kein einziges, freies Zimmer gefunden. Seufzend musste sie sich deshalb auf den Weg in die ‚verbotene Etage‘ machen. Verboten deshalb, weil es hier angeblich spuken sollte. Joyce wollte dieses Ammenmärchen natürlich nicht glauben, trotzdem machte sie diese Neuigkeit über das Spuken schon seit Anfang des Semesters neugierig. Doch bis jetzt hatte sie immer Glück gehabt und so konnte sie immer eins der unteren Lernzimmer benutzen. Im ersten Stock sollten es auch verlassene Behandlungszimmer geben, doch der Grund für die Gerüchte wurde bis jetzt noch nicht gefunden. Und so munkelten die einen, dass es sich um eine verstorbene Schwester, die anderen, um ein Pokémon handeln würde. Joyce tendierte dann doch eher zum Zweiten, weil sie sich nicht vorstellen konnte, dass sich eine Schwester etwas antun würde. Mit einem Quietschen öffnete sich die Tür des ersten Zimmers und Joyce blickte in die Schwärze hinein. Es schien fast so, als seien die Fenster zugenagelt worden, aber vielleicht trogen sie auch nur ihre Augen. Die Dunkelheit, in die sie blickte, machte ihr schon etwas Angst, doch sie kam nicht umher einen Schritt hinein zu wagen. „Hallo?“ Ihre Stimme schien im Zimmer zu hallen und sie fragte sich wieso sie ihre Stimme überhaupt erhoben hatte. Es war doch offensichtlich, dass dort drinnen keiner war, aber sie bekam ein leises Lachen zu Ohr. Joyce musste einmal schlucken und ging dann noch einige Schritte nach drinnen. Es war noch immer so dunkel, doch sie sah die Fenster am anderen Ende des Zimmers. Joyce fragte sich wie es zu dieser düsteren Atmosphäre kommen konnte. Das Innere schien nicht so verlassen zu sein, als dass man nun sagen konnte, dass die Dunkelheit von schmutzigen Fensterscheiben hervorgerufen wurde. Vielmehr schien es damit zu tun haben, dass etwas im Zimmer war. Joyce war sich nun sicher. Sie wandte ihren Blick von der Mitte des Zimmers ab und suchte nach dem Lichtschalter. Erleichtert konnte sie feststellen, dass die Lichter in diesem Stockwerk allesamt noch funktionierten, immerhin war der Flur auch hell beleuchtet. Das leichte Flackern im Licht konnte natürlich davon kommen, dass das Zimmer schon länger nicht beleuchtet wurde. Sie drehte sich wieder zufrieden um und wollte gerade zu einem der Tische gehen, als sie in große, rote Augen und ein riesiges Grinsen blickte. Das Lachen war nun ganz nahe und das Wesen vor ihr machte nur einmal kurz ‚Buh‘ und verschwand wieder. Joyce war vor Schreck auf den Hintern gefallen und schrie nun kurzerhand erschrocken auf. Schnell legte sie sich eine ihrer Hände auf die Brust, um ihr Herz zu beruhigen und mit der anderen bedeckte sie ihren Mund. Sie war sich nicht ganz sicher, ob sie erkannt hatte, um was es sich handelte, aber sie bleib ruhig. Sie hoffte einfach, dass ihr spitzer Schrei keine andere Schwester auf sich aufmerksam gemacht hatte. Langsam stand Joyce wieder auf und klopfte sich die leichte Staubschicht von der Kleidung. Diese Begegnung hatte ihre Neugierde geweckt und so war es nicht wirklich verwunderlich, dass sie ihre Tasche aufhob, die Tür hinter sich schloss und erhobenen Hauptes in die Mitte des Zimmers ging. Die Dunkelheit schien auch verschwunden zu sein und war dem matten Licht der Beleuchtung gewichen. Sollte es wirklich hier spuken, dann könnte das Phänomen ja jederzeit wieder auftauchen. Die junge Anwärterin zog ein Tuch aus ihrer Tasche und befreite den Stuhl und den Tisch von der feinen Staubschicht, die sich darauf gebildet hatte. Was wohl hier passiert war? Das Zimmer sah wie jedes andere Lernzimmer aus, nur dass noch vereinzelte andere Apparaturen hier oben standen. Vielleicht waren es ausrangierte, funktionsunfähige Maschinen, aber Joyce störte es nicht. Sie vernahm wieder ein leises Lachen, welches sich anhörte als käme es aus den Rohren. Der brachliegende Wasserhahn fing auch fast wie auf Geheiß an zu tropfen und Joyce blickte sich einmal mehr um. Sie fühlte sich wieder beobachtet, doch gleichzeitig auch einsam. Sie legte ihre Tasche ab und ging langsam in jede Ecke des Zimmers. „Hallo?“, flüsterte sie und fragte sich, ob ihr vielleicht einer einen Streich spielen wollte. Schreckhaft war sie normalerweise nicht, aber die angespannte Atmosphäre in diesem Zimmer machte es schwer, sich als unerschrocken und tapfer hinzustellen – auch wenn nun kein anderer im Zimmer war. Ihr Herz schlug schneller und sie hob einige Utensilien hoch, um darunter zu schauen, ob nicht vielleicht Jemand etwas versteckt hielt, das diese lachenden Geräusche von sich gab. Joyce fand allerdings nichts. Sie bückte sich noch einmal um nach etwas zu greifen das dort lag, doch sie kam nicht daran. Sie fuhr eher erschrocken in die Höhe, weil plötzlich das Klirren eines Glases wie aus dem Nichts zu hören war. Sie konnte einen Schrei gerade noch so unterdrücken, obwohl sie wirklich nicht damit gerechnet hatte. Nachdem sie den ersten Schrecken überwunden hatte, bückte sie sich wieder und hörte erneut ein Lachen, nur dieses Mal wirkte es nicht mehr so freundlich wie vorher. Es war ihr auch als hätte die Umgebungstemperatur einen rapiden Fall nach unten zu verzeichnen, da sie ihren Atem plötzlich vor Augen sah. Das konnte aber nicht sein, immerhin war dieses Zimmer doch gerade noch… Sie drehte sich langsam um, weil sie die Präsenz von Etwas spürte. Wie in Zeitlupe und mit starr geöffneten Augen blickte sie nach hinten und sah wieder in die roten, glühenden Augen. Das Grinsen wurde von einer langen, heraushängenden Zunge gestört und Joyce wurde etwas blass. Sie stolperte zur Seite und schrie wieder vor Schreck auf. Dieses Mal hörte sie aber Jemanden und die Tür wurde mit einem Ruck geöffnet. Zitternd saß Joyce auf dem Boden und rieb sich über die kalten Arme. Es war nicht der Schreck, der ihr die Kälte in den Leib getrieben hatte, sondern die Erkenntnis, dass ihre Unerschrockenheit wohl doch Grenzen hatte. „Joyce?! Was machst du hier oben. Du weißt doch, dass es hier oben spucken soll! Hast du etwas gesehen? Dein Schrei war nicht zu überhören“, brabbelte Antoinette vor sich hin. Joyce musste erstaunt vorstellen, dass eines der beiden (wirklich faulen) Mädchen ihr zur Hilfe geeilt war und sie war froh darüber. Sie stand langsam wieder auf und schüttelte dann den Kopf. „Nein, ich habe nichts gesehen, ich bin nur erschrocken, weil mein Schatten wie etwas aussah. Aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Antoinette, ich komme wieder nach unten.“ Sie bat die andere schon vorzugehen, da sie in ihrem Augenwinkel noch etwas entdeckt hatte, dem sie nachgehen wollte. Antoinette ließ sich aber nicht sofort abwimmeln und so musste Joyce ihre ganzen Überredenskünste an den Tag bringen, um noch einmal kurz alleine zu sein. „Na gut…. Aber lass nicht zu lange auf dich warten, es gibt bald Mittagessen.“ Antoinette machte auf dem Ansatz kehrt und ließ Joyce alleine. Sie atmete erleichtert aus und bückte sich dann um ihre Entdeckung aufzuheben. Der Gegenstand in ihrer Hand war nichts anderes als ein etwas älterer, kaputter Pokéball. Sie wollte ihn zuerst an sich nehmen, legte ihn dann doch lieber auf den Tisch und – weil sie das Gefühl nicht loswerden wollte, dass hier wirklich ein Pokémon hauste – noch einige Beeren auf den Tisch. Morgen würde sie wiederkommen, denn die Augen und das Grinsen hatte sie sich auf keinen Fall eingebildet. Da war sie sich sicher. Kapitel 2: Das erste Kennenlernen --------------------------------- Die Begegnung in Zimmer 113 ließ ihr einfach keine Ruhe. Den ganzen Tag über machte sie sich Gedanken und versuchte eine Erklärung für das Ganze zu finden. Es schien nur schwierig zu sein, eine Antwort zu finden, wenn man sich nicht sicher war, was man gesehen hatte. Was sie aber mit Sicherheit sagen konnte, war, dass es sich um ein Pokémon handelte. Der Pokéball war Beweis genug, doch etwas störte sie an der Geschichte. Wie kam es, dass dieses eine Pokémon gerade da sein ‚Unwesen‘ trieb? Vielleicht war das Wort etwas zu hart, denn sie musste zugeben, erschrocken war sie schon, aber dies schon direkt als ‚Unwesen treiben‘ zu betiteln, war dann doch etwas aus den Wolken gegriffen.   „Joyce? Hallo, ist noch wer da?“ Die Hand vor ihren Augen machte ihr klar, dass sie wohl wieder in ihren Gedanken versunken war. Ihre Wangen färbten sich sofort leicht rot und sie senkte entschuldigend den Kopf. Ihr kleiner Bruder hatte ihr sicherlich etwas erzählen wollen und dann hörte sie ihm noch nicht einmal zu. Was für eine schlechte Schwester sie doch war. „Tut mir Leid Jaiden. Ich war in Gedanken, aber jetzt höre ich dir mit beiden, sehr offenen Ohren zu.“ Sie lächelte ihren kleinen Bruder an und hörte ihm auch aufmerksam zu. Ihr Bruder war acht Jahre alt und noch weit davon entfernt, sagen zu können, was er in der Zukunft machen wollte. Denn ihn plagte ein Problem, das schwer zu beheben war: er hatte riesige Angst vor Pokémon. Vielleicht war das etwas übertrieben, aber jedes Pokémon, das grösser wie ein Purmel war, machte ihm Angst. Es könnte ganz gut an der schmerzhaften Begegnung mit einem Coiffwaff liegen. Diese Hunde-Pokémon liefen schon länger in der Stadt frei herum, weil sie von so vielen gemocht wurden. Ihr Bruder hatte nur eines etwas zu lange am Schwanz gezogen und weiterhin provoziert. Also hatte es ihn angeknurrt und gejagt. Es schien eigentlich eine Kleinigkeit zu sein, aber Coiffwaff konnten schon ziemlich frech werden. Da konnte sie die Reaktion ihres Bruders gut verstehen. Ihre Mutter versuchte deshalb dieses kleine Trauma etwas zu lindern, doch im Moment schien es noch nicht wirklich von Erfolg gekrönt zu sein. Joyce nickte zustimmend oder schüttelte den Kopf, wenn sie mit dem, was ihr Bruder so erzählte, klarkam oder etwas nicht so gut hieß. Aber es war ihre Mutter die nach einiger Zeit mehr als nur ein Nicken oder Kopfschütteln bekam, denn die Worte, die sie sagte, machten sie sehr glücklich. „Jaiden hat ja das Schönste noch nicht erzählt Joyce. Er hat einen Schritt auf ein Coiffwaff zugemacht und es gestreichelt. Ich… ich dachte ich sehe nicht mehr gut. Aber mein kleiner, süßer Jaiden hat von ganz alleine die Hand ausgestreckt und dieses eine bestimmte Coiffwaff gestreichelt.“ Ihrer Mutter standen die Tränen in den Augen, als sie dies erzählte und ihrem Bruder war die Schamesröte ins Gesicht gestiegen, weil es ihm peinlich war darüber zu reden. Aber er gab auch kleinlaut zu, dass er später sogar ein Chevrumm-Mobil genutzt hatte. Ihre Mutter konnte vor Rührung fast nicht mehr aufhören zu weinen und Jaiden wurde mit einer Knuddelattacke seiner Schwester überrascht. Sie alle freuten sich aber am meisten, als Papa und der zukünftige Champ zur Tür kamen und das Abendessen so nur noch fröhlicher wurde.   ~*~   Als sich Joyce in ihr Zimmer zurückzog, um ihre Haare zu kämmen, versank sie wieder in den Gedanken an das Phänomen, das sie heute Mittag in der Akademie beobachtet hatte. Sie war sich nicht ganz sicher ob sie das Pokémon richtig erkannt hatte, aber sie würde sich ihre Beobachtungen sicherlich noch einige Male durch den Kopf gehen lassen. Sollte sie herausfinden was da vorgefallen war und wieso es überhaupt ‚spukte‘, wäre sie wirklich glücklich darüber. Immerhin wollte sie Pokémon helfen und dieses schien ihre Hilfe zu benötigen. Auch wenn es vielleicht etwas absurd klingen mag, Joyce konnte sich vorstellen, dass dieser Pokéball nicht ohne Grund dort herumlag. Entweder, Jemand hatte ihn dort liegen gelassen und er war einfach durch das Alter kaputt gegangen oder… Sie konnte sich wirklich nicht mehr an alles im Zimmer erinnern, aber ihr war, als hätte es dort einen Windzug gegeben, nicht nur als ihr dieses – scheinbare – Geist-Pokémon die Schauer über den Rücken gejagt hatte. Es war mehr als nur das. Vielleicht würde die Antwort ja bei diesem Windzug zu finden sein. Seufzend legte sie ihre Bürste wieder nieder und schaute zur Uhr. Es war spät geworden und die Lichter in der Stadt glitzerten durch ihre Vorhänge. Sie setzte sich auf ihr Fensterbrett und zog sie einfach zur Seite. Sie mochte die Aussicht und all die herumhuschenden und herumfliegenden Pokémon, die erst spätabends aktiv wurden. Es war schon außergewöhnlich, dass in einer Stadt so viele anzutreffen waren, aber die Straßen waren abends wie leergefegt und die scheuen Geist-Pokémon suchten Zuflucht in der Stadt. Ihr lief dennoch ein eisiger Schauer über den Rücken, da einige der umherfliegenden Pokémon doch angsteinflößend auf einen wirken konnten. Plötzlich vernahm sie ein leises Summen in ihrem Zimmer und schaute sich um. Sie schien wohl Besuch zu haben. Lächelnd stand sie auf und ging zu dem kleinen, funkensprühenden Pokémon herüber. Ein Dedenne zapfte gerade ihre Steckdose an. Seine kleinen Fühler sprühten nur so von Energie und Joyce blieb in einem gebührenden Abstand, weil sie keine Verletzungen davontragen wollte, stehen. Immerhin war Strom sehr gefährlich und dieses Pokémon lud sich gerade erst auf. Da war ein Kontakt nur umso schmerzhafter. Sie griff nach einem Stück Papier und einem Stift und fing an das Dedenne zu zeichnen, wie es sich an ihrer Steckdose labte. Es schien sehr zufrieden zu sein, denn nach einiger Zeit ließ es von der Steckdose ab und hüpfte aufgeregt in ihrem Zimmer umher. Joyce konnte ein Lachen nicht unterdrücken und sie sah noch im Augenwinkel, wie es einmal aufleuchtete und dann einfach verschwand. Sie blickte auf ihre Zeichnung herunter und lächelte. Nicht jedes Elektro-Pokémon konnte mit einem Körperteil Strom anzapfen. Und es war selten, dass man es beobachten konnte, deshalb war Joyce umso glücklicher, dass ihr dieses Privileg erteilt wurde. Sie legte ihre Sachen weg und kuschelte sich dann unter ihre Decke. Dieser Tag hatte wirklich genügend Überraschungen parat gehabt.   ~*~   Am nächsten Tag freute sich Joyce am meisten auf die freie Zeit, die sie hatten um das Gelernte noch einmal durchzugehen. Immerhin gab es genügend Pokémon und durch die neue Entdeckung des Typen Fee durften die Anwärterinnen zur Schwester Joy auch noch diese lernen. Der heutige Tag war ganz im Sinne der Geister-Pokémon. Es schien einfach nur passend zu sein. Sie hatte wieder einmal Pech und fand kein freies Lernzimmer im unteren Bereich der Akademie, aber das war nicht weiter schlimm. Immerhin wollte sie sowieso wieder hoch, damit sie das Phänomen besser beurteilen und der Sache auf den Grund gehen konnte. Sie war dieses Mal auch etwas besser vorbereitet und würde sicherlich nicht zu stark von den offensichtlichen Streichen des Pokémon erschreckt werden. Aber man konnte ja nie wissen, immerhin hatten es Geist-Pokémon faustdick hinter den Ohren. Ihr Herz ging schon schneller als sie die Treppen nach oben nahm und auch ihre Bücher und Blätter schienen plötzlich mehr zu wiegen, als noch vor einigen Minuten. Doch sie ließ sich nicht beirren und ging einfach weiter. Sie würde wieder in das gleiche Zimmer wie gestern gehen. Es schien ihr auch, als würde sie etwas aus dem Zimmer vernehmen. Es war aber nicht leicht zu erraten um was es sich handelte, da die Tür nur einen Spalt geöffnet war. Aber sie hatte das Gefühl, als würde sie ein Wehklagen hören oder als würde sich Jemand nicht gut fühlen. Aber sie würde sicherlich schnell genug die Wahrheit herausfinden. Immerhin war sie jetzt hier und das Pokémon hatte sie gestern nicht angegriffen, obwohl sie wohl eher Glück hatte, immerhin war seine Zunge ziemlich nahe gewesen. Das war auch der Fakt, der es ihr erleichtert hatte, herauszufinden um welches Pokémon es sich höchstwahrscheinlich handelte. Sie öffnete langsam die Tür und hörte wie sie quietschend, langsam nach innen aufging. Im Zimmer war es plötzlich sehr leise geworden und die Umgebung wurde wieder so kühl und düster. Ihr Atem ging schneller und sie blickte mit starr geöffneten Augen in das Zimmer hinein. Ein Schaudern ergoss sich über ihre Schultern und sie vernahm ein verhaltenes Lachen hinter ihr. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht sofort auf dem Absatz kehrt zu machen, immerhin war sie hier, um des Rätsels Lösung zu finden. Sie konnte jetzt nicht kneifen, deshalb ging Joyce mit langsamen Schritten in das Zimmer hinein und das gackernde Lachen von gestern war wieder zu hören. Sie drehte sich schnell um, weil sie glaubte etwas hinter sich gesehen zu haben. Doch es war nichts da. Sie schluckte einmal kurz und legte ihre Tasche ab. Ihr Blick glitt zu dem Tisch, auf dem sie gestern die Beere hinterlassen hatte. Sie war angeknabbert, aber nicht vollständig verzehrt worden. Vielleicht musste sie heute mit einer Kalos-Spezialität ankommen. Sie hatte nämlich einige Pofflés gekauft. „Ich… Ich tue dir nichts, du brauchst keine Angst zu haben. Ich bin eher hier um dir zu helfen.“ Sie redete nicht sehr laut, weil sie Angst hatte, dass sich ihre Stimme sonst überschlagen würde. Wieso war sie jetzt kindisch und benahm sich so dumm, wo sie doch vorhin noch so tapfer gewesen war? Sie straffte ihre Schultern langsam und nahm eines der Pofflés heraus. Sie legte es sich auf die Hand und streckte diese aus. „Ich will wirklich nichts Böses, ich habe dir sogar etwas zu essen mitgebracht.“ Sie hielt das Pofflé hoch und drehte sich langsam um ihre eigene Achse, um nach dem Pokémon Ausschau zu halten. Ihr war es als würden diese roten Augen wieder zu ihr blicken, doch der Schein war nicht lange da und so schalt sie sich eine Idiotin. Das Lachen wirkte nicht mehr so freundlich wie vorhin, aber dennoch hatte sich die Atmosphäre im Zimmer etwas verändert. Es war nicht mehr so drückend und Joyce fühlte sich auch schnell wieder wohler. Sie würde hier einfach ausharren und warten ob das Pokémon ihr aus der Hand essen wollte oder nicht. Sie müsste nur äußert gut aufpassen, immerhin besaß es große Zähne und auch seine Zunge war nicht gerade ungefährlich. Joyce blickte gerade zur Seite, um sich nach dem Pokémon umzuschauen, als es sich vor ihr bildete. Langsam wurde es sichtbar und das kleine Gewicht auf ihrer Hand war plötzlich verschwunden. Denn als sie sich wieder zu ihrer Hand drehte, war kein Pofflé mehr da und auch das Pokémon schien sich wieder verdünnisiert zu haben. Gleichzeitig wurde ihr wieder kalt und sie fühlte sich nicht mehr so gut wie vorher. Das Lachen des Pokémon schien sich in ihren Kopf eingebrannt zu haben und sie ging langsam auf die Knie. Sie fühlte sich plötzlich so schwach und nutzlos, dabei konnte sie nicht erklären wieso es so weit kommen konnte. Doch dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Die ganzen Pokédex-Einträge waren wahr. Sie hatten heute doch erst die der Geister durchgenommen, deshalb waren sie noch so gut in ihrem Gedächtnis und nun war sie von einem dieser Pokémon gefangen genommen. Das Lachen wurde immer lauter und ihr wurde langsam schwarz vor Augen.   ~*~   Joyce fand sich auf dem Boden wieder. Der Staub kitzelte in ihrer Nase und sie musste deswegen niesen. Spitze Finger schienen sie zu piksen und als ihr Blick sich langsam klärte, blickte sie in die roten Augen des Pokémon, das ihr scheinbar übel mitgespielt hatte. Beide erschraken zeitgleich und schreckten voneinander weg. Das Pokémon, weil es gedankenverloren den Menschen aufwecken wollte und Joyce, weil sie nicht damit gerechnet hatte, dass das Monster so nahe bei ihr wäre. Joyce legte sich ihre Hand auf die Brust um ihr Herz zu beruhigen und atmete dann erleichtert aus. Die Schauermärchen schienen wohl dann doch nicht alle zu stimmen, denn wenn die Einträge stimmten, dann müsste das Pokémon ihre Lebenskraft geraubt haben. Aber sie konnte sich wieder bewegen, also bedeutete dies entweder, dass das Pokémon nicht böse war, oder es ihr nur einen Streich spielen wollte. „Ein Gengar… sehr selten in dieser Region.“ Ihre Stimme war ein Flüstern und sie bekam nur am Rande mit, wie sich das Pokémon wieder durchsichtig machte. Doch ihr fiel sofort etwas auf, das ihr den Atem stockte. Gengar schien eine große Narbe zu haben, die sich über seine linke Seite zog. „Nein, bitte warte. Ich will dir wirklich nichts Böses. Und du… wie es scheint auch nicht Gengar.“ Sie schaute sich schnell um und zeigte auf die kleine Kiste. „Du bist sicher hungrig. Ich stehe jetzt langsam auf und werde zu der Kiste gehen.“ Sie tat wie geheißen und behielt den halbverschwundenen Geist im Blick. Ihr liefen wieder eisige Schauer über den Rücken. Ihre Finger tasteten sich an die Kiste heran und auch ihre zweite, kleinere, war zum Greifen nahe. „Du wirst sicherlich Angst haben und mich vielleicht nicht verstehen, aber hab keine Angst, d’accord?“ Joyce lächelte das Gengar an und hob den Deckel von der Kiste. Sie war bis oben hin mit leckeren Beeren gefüllt. Das Gleiche tat sie mit der zweiten und so hielt sie Gengar beide Hände hin. Auf der einen lag ein dunkelbraunes Pofflé mit einem Sahnehäubchen, auf der anderen lagen einige Beeren – Sinel- und Tsitrubeeren zum größten Teil -  und Gengar konnte und durfte sich selbstständig entscheiden, ob es etwas nehmen wollte oder nicht. Joyce wartete etwas aufgeregt, weil es nicht alltäglich war, dass man einem Geist-Pokémon Beeren und Pofflé mit der Hand gab. Es gab immer noch diese kleine Angst paralysiert zu werden. Immerhin konnte es gut sein, dass dieses Gengar die Attacke ‚Schlecker‘ beherrschen konnte. Gengar schien aber einige Zeit unschlüssig zu sein, was es tun sollte und so war es für Joyce umso erstaunlicher, wie es langsam wieder sichtbar wurde und sich vor sie hinsetzte. Seine krallenartigen Hände griffen vorsichtig nach der einen oder anderen Beere und es verschlang sie mit einem zufriedenen Lächeln. Das Pofflé war auch schnell gegessen und so freute sich Joyce umso mehr, dass es dem (verletzten) Pokémon schon besser ging. Joyce hatte das Pokémon beim Essen beobachtet und es schien sehr zurückhaltend zu sein, auch wenn es ihr vorhin doch etwas übel mitgespielt hatte. Sie fragte sich wirklich was vorgefallen war, dass es hier in diesem Zimmer war, alleine und unbemerkt. Es machte sie traurig zu wissen, dass es wohl schon länger hier war und als ‚spukendes Lernzimmer‘ bekannt war. Die Erklärung war so einfach gewesen, doch Joyce hatte sich geschworen, nichts zu sagen. Immerhin musste sie zu allererst das Vertrauen des Pokémon für sich gewinnen. Aber zuerst müsste sie wohl Nachforschungen anstellen. Gengar ließ ein gackerndes Lachen hören und Joyce gab ihm all ihre Aufmerksamkeit. Es schnitt Grimassen und hüpfte in der Luft umher. Joyce lachte zufrieden auf, weil es für sie wie eine Danksagung aussah. Sie stand langsam wieder auf und deutete auf ihre Tasche. Die Beeren und die Pofflés hob sie wieder auf und stellte sie auf den Tisch. „Ich muss leider wieder gehen, Gengar, aber ich werde morgen wieder kommen. Ich heiße Joyce und werde wieder Leckereien dabei haben.“ Sie legte noch einige Beeren und den letzten Pofflé auf den Tisch und hob ihre Tasche dann hoch. „Lass es dir schmecken! Bis morgen.“ Sie winkte dem Pokémon zu und ging dann aus dem Zimmer heraus. Immerhin musste sie zur nächsten Vorlesung, auch wenn ihre Gedanken sicherlich in diesem Zimmer hängen bleiben würden. Kapitel 3: Nachforschungen -------------------------- Nun sammelte sie schon zwei Wochen Informationen, doch sie war nicht wirklich weiter, als nach dem zweiten Tag. Sie hatte nur einige kleine Anhaltspunkte gefunden, doch sie konnte nicht wirklich sagen, ob sie sich nun freuen oder genervt sein sollte. Die Zwischenprüfungen standen an und Joyce versuchte jede freie Minute – nach dem Lernen versteht sich – für die Lösung des Rätsels zusammenzuraffen. Seufzend ließ sie den Kopf hängen und rieb sich die müden Augen. Sie blickte auf ihre Blätter, auf denen die kargen Informationen standen und musste sich zusammenreißen, nicht genervt aufzuschreien. Sie wollte dem Gengar helfen, aber sie wusste nicht, wie sie dies bewerkstelligen sollte, wenn sie einfach keine nützlichen Informationen fand. „Mann!“, murmelte sie und fuhr sich durch ihre dunkelblonden Haare. Es war selten, dass eine Anwärterin zur Schwester, mit den pinken Haaren geboren wurde. Vielmehr half der Frisör mit einer entsprechenden Färbung nach. Der Grund der Haarfarbe und –form blieb dennoch ein internes, gut gehütetes Geheimnis, obwohl es auch einige gab, die sich die wildesten Sachen vorstellten. Obwohl sicherlich bei der ein oder anderen Sache ein Fünkchen Wahrheit dabei war. Joyce konnte sich ganz gut an einen Abend erinnern, als die Anwärterinnen einen längeren Kurs hatten und sie zusammen im Studienzimmer saßen. Es war Halloween und die Schwestern hatten sich einen Streich erlaubt. Anstelle eines Lernfilmes hatten sie ein selbstgedrehtes Video gezeigt. Der Bildschirm flackerte und die Beleuchtung im Zimmer fiel aus. Gruselige Geräusche hallten im Zimmer und eine der Schwestern fing an eine Geschichte zu erzählen. Schauer liefen Joyces Rücken herunter, als sie sich an diesen Tag erinnerte. Sie wollte jetzt nicht daran denken, weil es ihr doch ein wenig unangenehm war. Sie blickte zu ihrem Spiegel und musste sich zusammenreißen nichts Unüberlegtes zu tun. Sie wollte doch gerade nicht an so etwas denken, sie wollte dem Gengar helfen und keine Schauergeschichten verarbeiten! „Reiß dich zusammen, Joyce. Konzentrier dich aufs Wesentliche!“, schalt sie sich und blickte wieder auf ihr Blatt. Sie hatte sich jegliche Informationen zusammengesucht, die sie über Gengar finden konnte. So viel sie wusste, waren die Pokémon in ihrer Region eigentlich nicht wirklich ansässig. Dennoch fand man hier und da ein Alpollo – die Vorstufe von Gengar – in Höhlen und auf einigen Routen. Wie dies genau zustande kam, konnte sie sich nicht beantworten, aber sie empfand es als eine ziemlich interessante Entdeckung. Gengar ist ein Pokémon, das eigentlich aus der Kanto-Region stammt. Es wurde aber auch in den anderen Regionen der Pokémon-Welt gefunden. Deshalb gab es auch die unterschiedlichsten Pokédex-Einträge. Zusammengerechnet ergaben sich 12, wobei in verschiedenen Regionen bekannte, ältere Einträge beibehalten wurden. So glichen die der Kalos-Region beispielsweise den Einträgen der Johto- und der Sinnoh-Region. Einige der Einträge hatte sie auch am eigenen Leib erlebt. Immerhin hatte die Temperatur einen rapiden Fall im Zimmer gehabt und ihre Lebenskraft war von ihm ausgesaugt worden. Sie strich ihr Blatt glatt und las die dazugehörigen Einträge vor: „Es entzieht seiner Umgebung Wärme. Wird dir plötzlich kalt, ist bestimmt ein Gengar in der Nähe.“ Dem konnte sie voll und ganz zustimmen, da ihr wirklich ziemlich kalt wurde. „Es lauert im Schatten von Räumen und wartet auf Beute, der es die Lebenskraft rauben kann“, las sie leise und erschauderte wieder. Es war schon schaurig genug, dass sie die Nähe zu dem Pokémon so lange unbeschadet überstanden hatte. Immerhin ging sie tagtäglich dahin und bis jetzt hatte noch keiner einen Verdacht geschöpft, wieso sie dies tat. Auch wenn sie zugeben musste, dass es die eine oder andere Situation gab, in der es schon etwas brenzlig wurde. Sie hatte nämlich bei einen der Schwestern nachfragen wollen, ob sie etwas über das ‚verfluchte Lernzimmer‘ wusste und hätte sich dabei beinahe verplappert. Aber sie konnte sich noch geradeso retten. Viele Informationen konnte sie leider nicht aus dem Gespräch herausfiltern. Nur dass es ungefähr ein halbes Jahr her war, seit es zu spuken begann. Wieso noch keine richtigen Untersuchungen unternommen wurden, konnte Joyce nicht wirklich nachvollziehen, aber es hatte auch etwas Positives. So konnte sie die Zeit mit Gengar genießen und mehr über dieses Pokémon herausfinden. Es war eigentlich nur Trainern vergönnt eine so innige – so erschien es ihr jedenfalls – Freundschaft zu einem der Monster zu haben. Auch wenn sie das Wort Monster etwas hart fand. Dennoch war es der anerkannte Begriff für die Bewohner dieser Welt, neben den Menschen. Joyce runzelte ihre Stirn und schüttelte sanft den Kopf. Etwas schien dennoch ziemlich seltsam zu sein, denn die Informationen der Schwester hatten ein wichtiges Detail zu Tage geführt. Das Klirren von Glas – und das nicht zu der Zeit, als sie das erste Mal im Zimmer war – vor sechs Monaten, war das entscheidende Indiz dazu, dass dort etwas nicht mit rechten Dingen vorging. Ihr Blick ging zu dem Blatt, auf dem sie eine kleine Zeichnung des Zimmers und eine grobe Umrisszeichnung des Pokémon-Centers gemalt hatte. Darauf befand sich die Angabe, dass das Fenster, aus dem sie gucken konnte, zu der kleinen Gasse zwischen der Sommerallee und dem Place Rose ging. Dabei war ihr manchmal aufgefallen, dass Jemand im Schatten der Häuser stand und zu ihr hochgeschaut hatte, so als hätte derjenige sie gesehen und wollte Kontakt mit ihr aufnehmen. Leider konnte sie diesem Phänomen nicht auf die Schliche kommen, da der oder die Unbekannte später nicht mehr in der Gasse vorzufinden war. Joyce wusste nicht wieso, aber dieses Verhalten war zu auffällig, als dass es unbemerkt bleiben durfte. Wie sie dieser Sache auf den Grund gehen wollte, wusste sie dennoch leider nicht wirklich. Es würde sicherlich einige Arbeit sein.   ~*~   Am nächsten Morgen war Joyce nicht wirklich weiter, als gestern Abend. Sie hatte zwar wieder einmal mit ihrer besten Freundin Rocky telefoniert – die zufälligerweise mit auf Streife war, als die Sache gemeldet wurde –, doch auch sie konnte ihr nicht wirklich helfen, da sie einer Schweigepflicht unterlag und das Phänomen zu dem Zeitpunkt, als sie eintrafen, überhaupt nicht bemerkbar war. Dies ließ allerdings die Frage offen, ob Gengar vielleicht zu dem Zeitpunkt verletzt im Zimmer lag, ungesehen von anderen, oder ob er sich ruhig verhalten hatte, weil er unbemerkt bleiben wollte. Denn in den letzten zwei Wochen war ihr aufgefallen, dass Gengar zwar den einen oder anderen Fluch oder Streich mit ihr spielte, aber ernsthaft verletzt hatte es sie nun nicht. Das hätte ihr nämlich noch gefehlt. Sie konnte schlecht mit einem tiefen Kratzer oder einer Paralyse zu den Schwestern gehen und den Fragen mit Lügen ausweichen. Das würde ihr so wenig nutzen, wie dem Gengar. Immerhin hatte es auch Gefühle, auch wenn es momentan noch aussah, als würde es ihr nicht zu hundert Prozent vertrauen. Sie griff in ihre Tasche und blickte kurz auf ihren Zettel, auf dem sie sich einige Sachen neu notiert hatte. Doch gerade als sie noch einmal darüber lesen wollte, hatte ihn Jemand aus ihrer Hand genommen. „H…Hey!“ Joyce drehte sich schnell um und blickte in die Augen von Marie, die triumphierend mit dem Zettel vor ihrer Nase hin und her wedelte. „Muss ja wirklich interessant sein, was hier drauf steht, sonst würdest du sicherlich merken, dass du mitten im Weg stehst und vor dich hinstarrst? Ich habe dich sicherlich 10Mal gerufen, aber du hast überhaupt nicht darauf reagiert.“ Marie erklärte ihr Verhalten, damit Joyce es nachvollziehen konnte. Sie war wirklich die letzte Zeit ziemlich in sich gekehrt gewesen und hatte viel nachgedacht. Sie wollte Gengar helfen, aber gleichzeitig hatte sie Angst so vieles dabei falsch zu machen. Immerhin war sie noch keine vollwertige Schwester Joy und konnte nicht genau ergründen wieso es dem Pokémon nicht gut ging. Denn dies konnte sie mit Sicherheit sagen, dass es Gengar an irgendetwas fehlte. Was es genau war, war noch etwas unergründlich. „N…Nein, das ist nichts weiter. Es tut mir leid, ich muss wohl wirklich in Gedanken gewesen sein. Könnte ich nun bitte meinen Zettel wiederbekommen?“ Joyce mochte es nicht, wenn jemand einfach ungefragt nach ihren Sachen griff und schon gar nicht wenn derjenige sie damit wieder in die Realität riss. Sie blickte Marie etwas wütend an und fragte sich wirklich manchmal wieso sie mit den beiden – Antoinette war momentan wegen Krankheit nicht anwesend – weiterhin Kontakt hielt. Joyce wurde nur von ihnen ausgenutzt, da sie die besseren Notizen hatte und so von ihnen ausgenutzt werden konnte. Eigentlich sollte es ihr egal sein, wie die beiden das Jahr bestehen würden, da es eine Art Kampf um die Stelle geben würde und sie sich sicher war, dass sie große Chancen hätte. Wieso sie gerade jetzt daran dachte, war ihr zwar schleierhaft, aber sie hatte es langsam genug. Marie hob skeptisch eine Augenbraue und nickte langsam. Dann sagte sie: „Wenn es ‚nichts weiter‘ ist, dann dürfte es dich nicht stören, wenn ich einen Blick darauf werfe oder?“ Sie machte Anstalten, den Zettel lesen zu wollen, doch Joyce hielt sie schnell davon ab. Wütend hielt sie die Hand fest, in dem der Zettel war und schüttelte langsam den Kopf. „Es hat nichts mit der Akademie und dem Lernstoff zu tun. Ich denke es interessiert dich herzlichst wenig, was ich für meine Mutter noch einkaufen muss?“ Sie nahm den Zettel mit einem Ruck an sich und hielt ihr dann – Joyce war schon immer gut darin Sachen auszutauschen – einen anderen Zettel hoch und zeigte ihr, dass es sich wirklich nur um eine Einkaufsliste handelte. Marie schnaubte nur kurz und machte dann auf dem Absatz kehrt. Sie sagte nichts weiter und Joyce war auch glücklich darüber. Es würde sowieso nichts daran ändern, denn den Zettel würde sie nun besser verwahren. Joyce würde schon gerne mit jemanden hier in der Akademie darüber reden, aber bis jetzt wusste nur Rocky – im entferntesten Sinne, immerhin hatte sie nicht wirklich mit ihr über Gengar geredet – dass das ‚verfluchte Lernzimmer‘ eigentlich ein Pokémon ist. Sie schüttelte den Kopf und ging dann zu der Treppe, die zur ersten Etage führte und freute sich darauf Gengar wiederzusehen. Eigentlich sah sie es täglich, aber es war immer wieder schön die vergnügte Seite von ihm zu sehen. Sicherlich würde es sich auch freuen, denn das Wochenende war zwischen ihrer letzten Begegnung und Joyce kannte nun die Essensvorlieben des Pokémons.   ~*~   Joyce öffnete die Tür und seufzte einmal kurz. Der Tag hatte heute schon so seltsam begonnen, da hoffte sie, dass es nun bei Gengar anders sein würde. Aber ein kalter Windhauch blies ihr beim Betreten ins Gesicht und sie blickte verwundert in das Lernzimmer. Sie fragte sich was los war und schloss die Tür langsam hinter sich. „Geng-“, fing sie an, doch stoppte mitten im Wort. Eine schaurige Aura ging von dem sonst so friedlichen Pokémon aus und es hatte ihr den Rücken zugekehrt. Joyce lief ein eisiger Schauer über den Rücken und sie ging langsam etwas weiter ins Zimmer hinein. Das Knirschen von zerbrochenen Glas schreckte sie und Gengar gleichzeitig auf. Die kalte, schaurige Aura schlug ihr nun entgegen und sie hatte das Gefühl, ihr bliebe die Luft weg. Gengar stand zwar immer noch am Fenster, doch sein Horrorblick ließ sie wie paralysiert auf der Stelle stehen. Sein langsam anschwellendes Lachen hallte im Zimmer wider und sie musste sich zusammenreißen nichts Unüberlegtes zu tun. Irgendetwas hatte das Pokémon verschreckt oder wütend gemacht, doch sie konnte im Moment nicht sehen, was es war, denn sie war paralysiert – auch wenn sie eher am Flüchten gehindert wurde. Sie schluckte schwer und wollte einen Schritt nach hinten wagen, doch ihr Körper war wie gelähmt. Gengar kam näher und sein Lachen wurde immer tiefer und dröhnte aus einer Tiefe, die sie wieder und wieder erschaudern ließ. Langsam lösten sich ihre Beine und sie stolperte nach hinten. Gengar stand plötzlich über ihr und lachte nun lauter, seine Augen waren weit aufgerissen und sein Mund zu einem breiten Grinsen verzerrt. Joyce zitterte am ganzen Körper, denn das Pokémon machte ihr Angst. Es kam immer näher und plötzlich sah sie, wie es seine Zunge langsam zwischen die Zähne schob und sein Lachen nur weiter anschwoll. Wie ein Karpador an Land öffnete und schloss sie ihren Mund, ohne dass ein Laut daraus hervor kam. Gengars Zunge kam immer näher und Joyce versuchte ihre ganze Kraft in ihre Kehle zu bekommen, damit ihre Stimme wieder zu ihr zurückfinden sollte. Sie atmete hektischer und versuchte immer wieder ein Wort zu bilden, doch es kam nie mehr als Luft heraus. Die Zunge wurde immer länger und ihr war es, als würde das Gengar wachsen. Es schien sie zu überragen und sein Lachen klang immer diabolischer und gefährlicher. Seine Augen glommen roter und die Schatten wurden dichter, dabei berührte seine Zunge leicht ihren Arm und sie verspürte ein unangenehmes Kribbeln darin. Sie wollte keinen Schlecker über sich ergehen lassen. Sie versuchte sich loszureißen und fand schlussendlich ihre Stimme wieder: „Gengar! Hör auf.“ Ein Ruck ging durch das Pokémon und das Lachen verstummte langsam, aber sicher. Joyce standen einige Schweißperlen auf der Stirn und sie strich sich zitternd über ihre fröstelnden Arme. Die Temperatur stieg langsam wieder an und Gengar machte sich wieder durchsichtig. Auf der einen Seite war sie froh, seiner zweiten Attacke ausgewichen zu sein, doch es schmerzte sie, das Pokémon so zu sehen. Sie musste zuerst wieder all ihre Kraft zusammenbringen, um überhaupt einen klaren Gedanken über das Geschehene machen zu können. Die ganze Anspannung löste sich und sie schlang ihre Arme um sich. Ein leichtes Schluchzen ergriff von ihrem Körper Besitz.   Einige Zeit später hatte sie sich soweit beruhigt, dass sie das Zimmer wieder genauer fokussieren konnte. Es war keines der Gläser in den Regalen zerbrochen und doch befanden sich einige Scherben auf dem Boden. Nach Hinweisen suchend schaute sie sich – auf dem Boden sitzend – um und erblickte inmitten der Scherben einen faustgroßen Stein. Verwundert runzelte sie die Stirn und stand langsam wieder auf. Mit leicht wackeligen Beinen ging sie auf die Stelle zu und beugte sich dann herunter, um zu sehen was es mit dem Stein auf sich hatte. Sie strich vorsichtig einige Scherben herunter und bemerkte, dass sich – mit einer dünnen Schnur – ein Blatt Papier um den Stein befand. Mit dem Stein in der Hand, stand sie vorsichtig wieder auf und ging zum Tisch. Den Stein legte sie zuerst zur Seite und kramte ihre Kisten heraus. Sie war zwar noch wütend und etwas verängstigt, aber sie war hier um dem Pokémon Essen zu bringen, also hob sie langsam den Deckel von der Kiste herunter und legte einige Beeren auf dem Tisch. „Du hast mir heute zwar übel mitgespielt, aber ich will dir helfen, deshalb… iss bitte.“ Ihre Stimme war leise und etwas belegt, deshalb räusperte sie sich kurz und schob einen Stuhl zur Seite. Wieder spürte sie einen leisen Windhauch und schaute sich verwundert um, denn von Gengar kam es nicht. Dafür wusste sie zu gut, wie sich die Kälte von ihm anfühlte. Ihr Blick blieb auf dem Fenster hängen und sie riss erschrocken die Augen auf. Dort fand sie auch den Grund für die vielen Scherben. Sie schüttelte kurz den Kopf, denn irgendwoher musste der Stein ja kommen und legte ihren Blick auf die Beeren. Gengar hatte sich etwas sichtbar gemacht, doch als sich sein Blick mit Joyces kreuzte, verschwand es wieder. Es war etwas seltsam eine schwebende Beere zu sehen, aber wenigstens nahm sich das Pokémon das Essen. Ihre Hand glitt zu dem Stein und sie entfernte vorsichtig die Schnüre. Das etwas zerknitterte Blatt ließ sich einfach vom Stein lösen und so rieb sie es vorsichtig glatt. Die Lettern waren etwas verwischt, aber das Meiste der Nachricht konnte sie entziffern.   Ich habe keine Ahnung wer Sie sind, aber ich weiß, dass Sie mein Pokémon haben. Ich will es zurück. Geben Sie es mir und ich bereite Ihnen keine Probleme. Kommen Sie um 14.00 in die kleine Gasse und machen Sie keine Dummheiten. xx <   Entrüstet las Joyce den kleinen Zettel und schüttelte wütend den Kopf. Das konnte doch wohl nicht der Ernst des Trainers sein?! Ein halbes Jahr lang ließ er sein Pokémon alleine und plötzlich wollte er es wieder? Oder sie, immerhin wusste Joyce ja nicht, um es sich beim Trainer um einen Jungen oder ein Mädchen handelte. Sie zerknüllte das Papier und legte es neben sich auf den Tisch. Gengar hatte sich wieder sichtbar gemacht und blickte etwas reuevoll in ihre Richtung, obwohl sie sich nicht ganz sicher war, ob dies ein anderer Gesichtsausdruck wie sein böser oder neutraler war. Sie lächelte sanft und legte wieder einige Beeren auf den Tisch. Gierig war Gengar nun wirklich nicht, aber es stopfte sich die Beeren genüsslich in den Mund und aß sie schmatzend. Ein keckerndes Lachen gab es von sich und schwebte recht vergnügt durch das Zimmer. Doch als sein Blick aus dem Fenster fiel, wurde es wieder wütend und die Temperatur fiel wieder um einige Grad. Joyce rieb sich leicht über die Arme und hätte sie nicht gewusst, dass Gengar ein Geist-Pokémon wäre, sie hätte glatt schwören können, es knurren gehört zu haben. „Was ist denn?“, fragte sie vorsichtig und stand schlussendlich auf. Was auch immer Gengar so wütend oder aufgebracht machte, fand draußen statt. Sie blickte kurzerhand aus dem Fenster und ihr Blick kreuzte sich mit der Person im Schatten. Als sie genauer hinschauen wollte, fand sie die mysteriöse Person nicht wieder, da diese einfach verschwunden war. Gengar war noch immer recht aufgebracht und verschwand wieder im Schatten des Zimmer, doch Joyce stand wieder vor neuen Fragen. War diese Person der Trainer von Gengar? Wenn ja, wie kam es, dass der Trainer erst jetzt den Kontakt zu ihr aufgenommen hatte? Würde sie die Antworten nachher um 14 Uhr vielleicht kriegen? Joyce war auf jedem Fall etwas mulmig zumute. Doch sie ließ sich nichts anmerken. Noch nicht. Kapitel 4: Folgenschwere Begegnung ---------------------------------- Joyce war noch nie so unkonzentriert gewesen wie heute, deshalb hatte sie sich entschuldigt und von einer nahenden Grippe gesprochen, da sie schlecht die Wahrheit sagen konnte. Gengar hatte sie versichert, dass sie keine unüberlegten Sachen tun würde, doch mit dem nahenden Treffen wuchs auch ihre Angst, dass bei der Sache irgendetwas schief gehen würde. Immerhin kannte sie den Trainer nicht und wusste deshalb nicht, wie sie darauf reagieren sollte. Seufzend blickte sie auf die Uhr und musste feststellen, dass es nur noch wenige Minuten dauern würde, ehe der Kurs beendet war. Sie saß noch im Studienzimmer, aber ihre Gedanken waren momentan teilweise bei Gengar, teilweise bei ‚xx‘. Sie konnte und wollte Gengar nicht abgeben, deshalb hoffte sie, dass sie freundlich mit dem Trainer reden und denjenigen dann überzeugen konnte, dass es besser für beide wäre, wenn Gengar dort bleiben würde, wo er gerade war. Sie hatte zwar in nur 2 Wochen maximal einige Stunden mit dem Pokémon verbracht, aber sie fühlte sich seltsamerweise für es verantwortlich. Auch wenn sie zugeben musste, dass sie mit dem Feuer spielte, immerhin war es ein gefährliches Geist-Pokémon und das hatte es ihr schon öfters zur Genüge gezeigt. Schauer liefen über ihren Rücken und sie musste sehr auf das Gesagte achten, damit ihre Notizen nicht zu viel unter ihrer Konzentrationslosigkeit litten. Das Signal ertönte, das andeutete, dass die Stunde vorüber war und Joyce atmete – zum ersten Mal in diesem Semester – erleichtert auf. Nun hatten die Anwärterinnen ihre Mittagspause und konnten, wenn sie wollten, außerhalb der Akademie etwas in einem der zahlreichen Cafés oder Restaurants essen gehen. Es gab dennoch viele, die dort blieben und die eigens zubereiteten Sachen aßen. Joyce gehörte auch zu denen, aber heute würde sie mit einer Notlüge aus der Akademie gehen, um sich ‚Medikamente kaufen zu gehen‘. Dass dieses ‚Medikamente kaufen gehen‘ in Wahrheit ein Treffen mit einem Trainer war, verschwieg sie jedem und so ging sie erhobenen Hauptes aus der Tür und schlug den Weg zur Apotheke ein, bog dann – außer Sichtweise der anderen – in die Seitengasse des Place Rose ein. Ihr Herz klopfte fest in ihrer Brust und sie war ziemlich aufgeregt. Ihre Hände waren auch etwas feucht und sie fragte sich ob sie zu früh da war, denn sie fand niemanden vor. So schien es jedenfalls. „Haben Sie es dabei?“, ertönte eine Stimme aus dem Schatten und Joyce zuckte erschrocken zusammen. Sie konnte sich gerade noch davon abhalten nicht vor Schreck auf zu quietschen und versuchte die Gestalt auszumachen, doch leider erkannte sie Niemanden. Alleine die Ansprache zeigte ihr, dass sie auch genauso gut etwas Illegales hätte tun können. „Entschuldigen Sie, aber meinen Sie mich?“, fragte sie nach, weil sie sich unwissend machen wollte und so vielleicht die Person erkennen konnte, obwohl sie die Einzige in der Gasse war. „Tun Sie nicht so unwissend, ich habe sie mit meinem Gengar gesehen“, fauchte ihr die Stimme entgegen und ein wütend dreinschauender junger Mann erschien aus dem Schatten. Seine Kleidung war schwarz, mit einem großen R darauf. Von irgendwoher kam ihr diese Kleidung bekannt vor. Auf seinen schwarzen Haaren saß eine schwarze Kappe und seine Beine stachen in grauen Schuhen und einer schwarzen Hosen. Abgerundet wurde die Kleidung mit grauen Handschuhen und einem Gürtel. Vielleicht sollte dieses rote R irgendetwas Spezielles bedeuten, aber ihr kam nicht sofort eine wirkliche Erklärung in den Sinn. „Wo ist er?“ Joyce wurde bewusst, dass der Junge kein Kalos-Bewohner war, da seine Aussprache fremd auf sie wirkte, auch wenn sie verstand was er sagte. Dennoch konnte er nicht von hier sein, zumal seine Kleidung auch darauf deuten ließ, dass er nicht in Illumina City wohnte. Plötzlich fiel ihr wieder ein, dass sie diese Kleidung schon einmal gesehen hatte, in einem ihrer Bücher, welches sie zu Hause hatte. Höchstwahrscheinlich gehörte dieser Junge der Verbrecherbande ‚Team Rocket‘ an, obwohl die – laut Informationen des Buches – schon länger aufgelöst sein sollte.  „Mir wäre es lieber, wenn Sie vielleicht etwas freundlicher nachfragen würden und die Bitte auch vervollständigen könnten.“ Joyce blieb weiterhin freundlich, immerhin konnte sie so den jungen Mann vielleicht etwas besänftigen. Doch ein Blick zu ihm verriet ihr, dass er nicht gewillt war, sich freundlicher zu benehmen. Schlimmer noch, seine Finger glitten über seine Pokébälle und Joyce ging einen Schritt nach hinten. Sie hoffte, dass dies nur eine reflexartige Bewegung von dem Rüpel gewesen war, denn sonst war sie in großen Schwierigkeiten. Sie schluckte, hob abwehrend die Hände vor sich und sprach: „Wissen Sie. Ich finde es schon etwas unverschämt von Ihnen, nach so langer Zeit plötzlich hier aufzutauchen und Ihr Pokémon zurückzufordern. Immerhin haben Sie es länger als 6 Monate hiergelassen.“ Joyce war wütend und wusste, dass es keine gute Idee war dem anderen so zu antworten, aber sie war wirklich wütend und wollte wissen wieso das ganze passiert war. „Ks! Hören Sie auf irgendwelches dummes Zeugs von sich zu geben. Denken Sie, ich werfe mein stärkstes Pokémon einfach so weg? Ihr seid doch alle dumm, wenn ihr das denkt. Ich liebe meine Pokémon und das kann mir keiner nehmen“, schrie der Rüpel und drückte auf einen seiner Pokébälle. „Jetzt haben Sie mich wütend gemacht. Los Arbok! Setz Giftblick ein!“ Mit einem rasselnden Geräusch erschien Arbok aus seinem Ball und ließ ein ‚Arrrrbok‘ verlauten. Joyce wich so weit sie konnte nach hinten aus und stieß mit der Schulter gegen die Hauswand und spürte wie ihr Herz immer schneller schlug. Der Blick von Arbok ließ sie erstarren und schwer atmen. Ihr ganzer Körper fühlte sich taub an, doch sie konnte nichts gegen die Paralyse tun. Arboks Zunge glitt zischelnd aus seinem Maul und es kam immer näher. Joyces Atmung ging stoßweise und hektisch, doch es schien keiner in der Umgebung zu merken, dass irgendetwas Eigenartiges in dieser Gasse vor sich ging. Sie hätte am liebsten um Hilfe geschrien, doch sie konnte keinen Laut über die Lippen bringen. Es war schlimmer als Gengars Horrorblick. „Arrrbok!“ Die Kobra kam immer näher und ihre Zunge verließ den Mund immer schneller und wilder. Joyce hörte ihr eigenes Blut in den Ohren rauschen und bekam nur am Rande mit, wie der Rüpel sie wieder ansprach. Seine Worte konnte sie nicht wirklich verstehen, aber das, was sie von seinen Lippen ablesen konnte, hieß nichts Gutes. ‚Es wird schon noch kommen, machen Sie sich da keine Sorgen‘ konnte sie lesen und Joyce bekam es immer mehr mit der Angst zu tun. Wenn dies alles nur passierte, um Gengar aus seinem Versteck zu locken und es sich wieder unter den Nagel zu reißen, dann musste sie unbedingt etwas dagegen tun. Sie versuchte ihre gelähmten Arme und Beine zu bewegen, doch wie ein Blitz zog sich die Paralyse über ihren ganzen Körper. Sie wollte vor Schmerz aufschreien, aber nur ein Keuchen entwich ihren Lippen. Sie wollte stark sein und nicht schon wieder in der Attacke eines Pokémons gefangen sein, doch ihr Körper ließ es zu, dass sie wieder gelähmt war. Die Umgebung kühlte rapide um einige Grad ab und Joyce riss ihre Augen perplex auf. Sie kannte dieses Gefühl, doch sie wollte es nicht wahrhaben. Es sollte nicht kommen! Das hier war doch sicherlich nur eine Falle des Trainers, um es wieder einzufangen. Mit aller Kraft versuchte sie ihre Paralyse zu überwinden, doch es gelang ihr nur halb. Zitternd stand sie da und drehte ihren Kopf zum Schatten hin, der sich bewegt hatte. Ihre Stimmte wollte noch immer nicht wie sie, deshalb konnte sie das Pokémon nicht warnen. Ein leises, langgezogenes Lachen schien in ihrem Kopf zu sein und sie fühlte sich immer unwohler. Sie kannte das Gefühl und es konnte nur etwas sein, das diese Gefühle in ihre auslöste. Gengar musste hier sein und kämpfen wollen. Zumindest wirkte es so auf sie. Das Lachen schwoll an und der Rüpel grinste triumphierend in Joyces Richtung, aber just in dem Moment schwebte Gengar mit seinem Schlecker auf das Arbok zu und hatte so die volle Aufmerksamkeit der beiden Menschen. Joyce, wie sie leicht erbost und ängstlich zuschaute und den Rocket-Rüpel, der wütend und genervt auf sein ehemaliges Team-Mitglied schaute. „Was soll das Gengar?! Erkennst du deinen eigenen Trainer nicht mehr? Los, zurück in deinen Ba-“, knirschte der Rüpel hervor, doch als er nach dem Pokéball von Gengar greifen wollte, war dort nichts. Fluchend ging er einen Schritt nach hinten und zeigte mit dem Finger auf Arbok. Ohne etwas sagen zu müssen, glitt das große Schlangen-Pokémon vor seinen Trainer, um ihn zu verteidigen und blickte konzentriert auf seinen ehemaligen Kumpanen. Das Zischeln wurde immer lauter und das Lachen immer grausiger und langgezogener. Beide machten keine Anstalten, als erster angreifen zu wollen, doch die Spannung, die in der Luft hing, war zum Greifen nahe. Man konnte die Anspannung in den Gesichtern der beiden Pokémon erkennen und auch die beiden Menschen, die dort standen, wirkten alles andere als entspannt. Joyce versuchte mit all ihrer Kraft gegen die Paralyse anzukämpfen, doch es trieb ihr nur den Schweiß auf die Stirn und ihr Herz raste immer schneller. Ihr Atem ging auch hektischer und sie hatte das Gefühl, die Schmerzen der elektrisierenden Paralyse würden sie in den Wahnsinn treiben. Der Rüpel beachtete sie überhaupt nicht, sondern feuerte sein Arbok an. Langsam formten sich bei beiden Pokémon Attacken. Gengar ließ einen Spukball auftauchen und Arbok präparierte alles für eine Matschbombe. Beide wollten zuerst angreifen, doch keiner hatte die Überhand. Zeitgleich griffen sie sich an und stoben dann wieder wütend auseinander. Beide waren verletzt worden und es zerriss Joyce das Herz. Es machte sie überaus wütend, nichts gegen den Kampf zu machen. Auch wenn sie keine Trainerin war und das Adrenalin, das in den Venen pumpt nicht nachvollziehen konnte, so hatte die Anspannung sie völlig im Griff. Sie spürte, wie die Paralyse langsam ihren Körper wieder losließ und fiel erst einmal vor Erschöpfung auf die Knie. Keuchend blickte sie zu Boden, weil die tanzenden Flecke vor ihren Augen ihr ein fokussiertes Sehen nicht ermöglichten. Die Kampfgeräusche hatten einige Schaulustige angelockt, aber keiner wollte eingreifen. Ihr Blick ging kurz umher, doch alles drehte sich und sie spürte, wie ihr übel wurde. „Los Arbok, setz Knirscher ein!“, hörte sie den Rüpel schreien. Wie in Zeitlupe drehte sie sich zu den beiden Pokémon um und sah wie Gengar der Attacke auswich. Es hatte sich etwas in seinem Blick verändert, doch Joyce konnte nicht genau erkennen um was es sich da handelte. Vielleicht setzte er auch nur Horrorblick ein. „Nicht… weitermachen…“ Ihre Stimme glich nur einem Flüstern und es fiel ihr noch immer schwer sich auf die Beine zu ziehen. Doch sie tat es um Gengar davon abzuhalten, weiter verletzt zu werden. Das Arbok hatte sogar auch ihr Mitleid, obwohl es ihrem Freund momentan wehtat. Langsam torkelte sie zum Kampfgeschehen und sah alles noch immer doppelt und dreifach. Der Rüpel hatte ihre Aufforderung nicht gehört und er attackierte sein eigenes Pokémon mit weiteren Attacken. „Stop“, versuchte es Joyce noch einmal und torkelte zwischen Arbok und Gengar. Sie hatte das Gengar hinter sich und bereute ihre Entscheidung keinen Moment. Durch die Punkte vor ihren Augen hatte sie nicht gesehen, dass das Gengar einen Angriff gestartet hatte und nun mit voller Geschwindigkeit in ihre Richtung stob. Das Arbok schlängelte zischelnd nach hinten und Joyce fragte sich im ersten Moment wieso. Doch dann verstand sie. Der Schmerz, der durch ihren Körper fuhr, zeigte ihr, dass sie von einer Attacke getroffen wurde. Sie versuchte zu ermitteln, um welche es sich handelte, doch sie konnte wegen dem kraftvollen und pochenden Schmerz keinen klaren Gedanken fassen. Geschwächt torkelte sie langsam zur Seite und spürte, wie sie von zwei Armen aufgefangen wurde. Der Rüpel hatte sie aufgefangen und blickte sie mit vor Schreck geöffneten Augen an. Sie wollte noch irgendetwas sagen, aber es kam wieder nichts über ihre Lippen. Der Blick in seinen Augen und die angsterfüllten Schreie um sie herum waren das letzte was sie hörte, ehe sie in ein dunkles Loch fiel. Epilog: Epilog -------------- „Schatz? Hast du den Brief schon fertig geschrieben?“, rief Jaidens Mutter hoch und ihrer Stimme klang ungeduldig. „Ja Maman, ich will ihn nur noch einmal überlesen“, rief er zurück und blickte auf das Blatt vor sich. Er hatte sich Mühe gegeben, schön zu schreiben und er las seine Worte noch einmal durch:   Liebe Joyce,   ich habe tolle Neuigkeiten für dich. Vor 4 Jahren hätte ich es nicht für möglich gehalten, aber ich habe meine Angst den Pokémon gegenüber nun vollständig überwunden. Das habe ich nur Papa, Maman, André und vor allem dir zu verdanken. Ich finde es etwas schade, dass ich dir das nicht direkt sagen kann, aber ich bin stolz dein kleiner Bruder zu sein. Ich weiß aber mit Sicherheit, dass dich die nächste Neuigkeit noch mehr freuen wird. Ich habe mein erstes Pokémon bekommen. Es ist noch ganz klein und gerade erst geschlüpft, aber ich habe es nach dir benannt. Es ist ein weibliches Mähikel und André hat mir geholfen es zu fangen. Ich habe es seit Tagen gestreichelt und geknuddelt und denke dabei ganz dolle an dich. Hab keine Angst, ich werde mit Mähikel keine Kämpfe bestreiten, sondern immer gut auf es aufpassen und pflegen. André hat sich auch der Aufzucht gewidmet und seinen Wunsch Champ zu werden auf den Nagel gehängt. Ich, nein, wir vermissen dich sehr und wir hoffen, dass es dir gut geht.   In Liebe, Jaiden   Jaiden nickte einmal bestimmt und wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. Er wollte nicht zu viele Gefühle zeigen, denn sonst würde Joyce sicherlich noch traurig oder wütend werden. Das Mähikel kuschelte sich währenddessen sanft an seinen Besitzer und beide trauerten stumm am vierten Todestag der echten Joyce. Doch Jaiden konnte die Tränen schlussendlich nicht mehr zurückhalten und weinte in das flauschige Fell seiner Joyce. Auch wenn das Mähikel nicht seine Schwester ersetzen konnte, so konnte er mit 'Joyce' trauern. ~*~   Möge sie in Frieden ruhen...   ~*~   ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)