Am Ende aller Tage von Rockstar ================================================================================ Kapitel 1: Blutregen -------------------- „Die Augen eines Dämonenjägers leuchten golden, wenn sie von rechtschaffender Vergeltung erfüllt sind. Woher die Farbe kommt? Ich kann es dir nicht sagen, Adrian. Vielleicht sind es die emporkochenden Gefühle, der Schrei nach Blutzoll, der Schmerz derer, die wir verloren haben und deren Feuer uns nun erfüllt.“ Die Luft stinkt. Es riecht nach Tod, es riecht nach Verfall, es riecht nach Blut und es riecht nach viel zu vielen Leichen. Es ist nicht das erste Mal dass ich diesen Geruch wahrnehme, aber er treibt mir immer noch die Galle in der Kehle empor. Ein ebenso gutes wie schlechtes Zeichen für Jemand meiner Zunft – abgestumpfte Nerven tendieren zur Selbstüberschätzung, aber zu viele Emotionen schwächen. Das Gleichgewicht waren zwischen Hass und Disziplin. Ein Jäger lernt dass früh, wenn die Beute sich als ein geflügeltes Wesen als der Hölle entpuppt, der einem die Schwester entreißt und einem deren abgetrennten Kopf vor die Füße wirft. Westmark weckt Erinnerungen – wie die schlafenden Toten, die nun angefangen haben, die Lebenden zu jagen. Doch an diesem Abend ist es beinah friedlich, als gönnten sich beide Seiten eine Verschnaufpause. Doch ich weiß, wer da hämisch lachend auf mich wartet. Nur Geduld, Beute. Der Jäger kommt… Meine Hände bewegen sich ein Stück näher in Richtung des kleinen Feuers, welches Eirena vor einigen Minuten entzündet hat. Es tut gut zu spüren, wie wieder Gefühl in meine Finger strömt, denn ich werde sie brauchen, sobald ich wieder auf die Jagd gehe. Die Wärme ist angenehm, prasselt und überdeckt einen Moment lang das Geräusch des Regens, der mit harten Trommeln auf den alten Boden des Innenhofes trifft. Ich mag das Geräusch nicht. Es erinnert mich an Verlust und Verfall –eigentlich müsste ich mich doch mittlerweile daran gewöhnt haben. Doch das tat ich irgendwie nie und als ich aufschaue und in all die müden, verdreckten Gesichter der Überlebenden blicke weiß ich, dass die Bewohner von Westmark den Regen auch nie mehr mögen werden. „Sorgt Euch nicht, das Licht wird den Seelen Eurer Toten gnädig sein.“ Kormac ist erneut dabei, den Leuten Trost und Mut zuzusprechen, doch ich sehe die Skepsis in ihren Augen und das wütende Funkeln, wann immer seine goldene Rüstung durch ihre Reihen geht. Die Kirche der Zakarum ist in diesen Tagen nichts, was Halt bieten würde – sie ist es schon lange nicht mehr und es ist bekannt, dass der Orden verderbt, von Dämonenzungen durchtränkt ist und man die Leute belügt und betrügt. Doch Kormac lässt es sich nicht anmerken, ist unermüdlich in seiner Hingabe und scheint immun gegen all die schlimmen Dinge, die sie hinter seinem Rücken über ihn und seinen Glauben sagen. Irrer. Mörder. Verräter. Dämonenlauscher. Auch meine Gemeinschaft kennt viele Namen. Die wenigstens davon sind schmeichelhafter Herkunft. Er wankt nicht. Ich beneide ihn dafür. Auch wenn ich manchmal nicht weiß, ob ich Lyndon nicht doch Recht geben soll wenn der meint, unser Freund in Stahl und Chrom wäre ein wenig naiv und gutmütig. „…es ist die Gnade die das Leben uns gibt und spricht von Verzeihen…“ Verzeihen? Nein, verzeihen wird das dem Himmel hier wohl niemand mehr. Dass ein Engel die Menschen angreift, erscheint wie ein Sakrileg. Man hat zu ihnen gebetet, hat auf eine Antwort gehofft, doch alles was am Ende als Antwort kam war ein Engel, der fiel und einer, der zum Tod wurde, um die die beten zu vernichten. Ich weiß bereits jetzt, dass sich die Totenkulte häufen werden. Es scheint, als wären meine „ruhigen Jahre“ von denen Myriam die ganze Zeit spricht noch in weiter, weiter Ferne. Ich werfe einen Blick zur Seite, über die Flammen hinweg und bemerke, dass Kormac immerhin einen Zuhörer gefunden hat, der nicht mit verächtlichem Schnauben seinem Weg ausweicht. Ein kleiner Junge, ein Knabe von jungem Alter, viel zu jungen Alter, dem ich ansehen kann, dass seine kleine Seele bereits jetzt schon mehr Narben trägt, als es zu ertragen wäre. Ich erinnere mich daran, dass ich einst genauso aussah, bevor mein Meister mich fand. Zerlumpt, ausgemergelt, bleich und hungrig. Hungrig auf Dämonenblut. Ich wollte ihn bluten sehen, diesen Abschaum. Ich wollte sie alle an ihrem eigenen Blut ertrinken sehen. „Ach, hält er schon wieder eine seiner gewichtigen Reden? Ich möchte wissen, wie man nur so stur sein kann. Er sagt selber, dass sein Orden korrumpiert ist bis ins Mark. Wisst Ihr, was er machen sollte? Eine Nacht im Wirtshaus mit einem hübschen Mädchen verbringen. Irgendwie habe ich die Vermutung, ihm drückt der Stahl und das Eisen auf gewisse Körperteile….“ Ich muss schnauben, als ich Lyndon’s Stimme direkt neben mir vernehme. Ein Blick in seine Richtung zeigt mir, dass er sich mittlerweile gewaschen hat, auch wenn die Wunden in seinem Gesicht übel aussehen. Eigentlich hatte ich gedacht, er wäre nun bitter, doch meinte er, Narben kämen bei den Damen noch besser an als ein glattes Gesicht. Der Kampf und todesstrotzender Edelmut – natürlich. Auch er schaut zu Kormac rüber, der mittlerweile dem kleinen Jungen mit feierlichen Ernst die Gebote seines Glaubens näher zu bringen versucht und als der Junge ihn fragt, ob die Gebote schon verfasst wurden als die Dämonen sich dort eingeschlichen haben, schauen Lyndon und ich uns gleichzeitig an. Ein Reflex wie Brüder. Und irgendwie sind wir das auch. Geworden. „Er wird immer wieder auf die Nase fallen.“, schnalzt Lyndon mitfühlend und ich muss abermals schnauben, denn obwohl sie eigentlich so verschieden sind, sind sie einander doch wieder so ähnlich. „Kormac wird es überleben. Wie so viel anderes auch.“, gebe ich zurück, ernte einen wissenden Blick und ein kurzes Schulterklopfen, ehe er sich zurück zu den anderen Überlebenden gesellt, unter denen Eirena begonnen hat, zusammen mit Myriam Suppe zu verteilen. Ich schaue Lyndon nach, dessen sonst so schleimiges Grinsen in dieser Nacht einem ernsten und erschöpften Ausdruck gewichen ist und die Falten in seine Stirn tiefer gräbt. Er geht zu den beiden Frauen rüber, die dankbar für die Hilfe zu sein scheinen, kommen sie doch bei den hungrigen Mäulern kaum wirklich nach. Die Vorräte sind knapp bemessen, der Angriff kam zu überraschend. Dass was aus den umliegenden Lagerhallen noch zu retten war wurde verstaut, doch alles in einem ist die Zuflucht in der alten Kirche keine dauerhafte Lösung. Wenn das Trinkwasser knapp wird, werden wir ernsthafte Probleme bekommen. Ich atme leise aus, als ich mir den schweren Gürtel um die Hüften schnalle und beginne, die Kettenglieder miteinander zu verknüpfen. Die erste Wache in dieser Nacht ist die meine – obwohl Tyrael sich angeboten hat, sie selbst zu übernehmen. Es ist erstaunlich, wie eifrig er dabei ist, diesen Menschen zu gefallen zu sein, doch sehe ich ihm an, dass er all das hier nur schwer erträgt – Müdigkeit, Hunger, Kälte. Ein Engel kennt keine Müdigkeit, kennt keinen Hunger, kennt keine Kälte. Doch Tyrael wollte fallen, um uns beizustehen. Er ist wohl unser größer Befürworter und Beschützer und doch erscheint es mir manchmal schleierhaft, was er gesehen haben muss, um seine Unsterblichkeit für uns zu opfern. Der kalte Stahl meiner Zwillingsarmbrüste ist ein vertrautes Gefühl, wie es ein Soldat bei seinem Schwert empfinden würde. Griffbereit schiebe ich sie in die Halterungsgurte an meinen Oberschenkeln, sicher und rutschfest und doch bei Bedarf sofort zu erreichen. Ein Jäger muss immer seine Waffe bei sich haben. Ansonsten wird aus dem Jäger wieder der Gejagte. Und das will ich nie wieder sein. Als ich hinaus in die Nacht treten will, mit dem Gefühl von kalten Regen auf meinen Lippen, höre ich hinter mir Schritte. Ich wende den Kopf nur ein wenig, erkenne ich doch die Schritte meiner Gefährten mittlerweile im Schlaf. Der Nachtwind der mir ins Gesicht bläst trägt klamme Kälte mit sich, als wäre ganz Westmark ein Grab geworden. Unaufhörlich prasselt Regen nieder, wäscht über aufgesprungen Stein und geborstenes Holz, manchmal mit roten Schlieren die nach Eisen riechen, als regne es Blut vom Himmel. „Ruht Euch aus. Die erste Wache übernehme ich.“, sage ich und nicke vielsagend, so dass unter meiner Kapuze ein paar lose, spröde Haarsträhnen hinaus fallen. Ich weiß noch, dass meine Schwester sie mir immer zurück gebunden hat. Sie hatte nicht meine dunklen Haare, sondern kam nach meiner Mutter. Sie wäre eine schöne Frau geworden, dessen bin ich mir sicher. Ich sehe, wie Kormac den Kopf einen Moment lauschend schief wiegt, als höre er auf den Regen, dann atmet er aus und es ist ein seltsam dumpfes, freudloses Geräusch, als wäre mit dem Regen auch sein nimmermüde Glaube versiegt. Ich schaue ihn einen ganzen Moment lang an, beobachte wie er sich entschlossen seinen schweren Schild über die Schulter hievt und dann seinen Speer aufnimmt. „Nein, Freund. Wir kämpfen zusammen, also wachen wir auch zusammen. Ich kann es mir nicht leisten, noch einen Bruder zu verlieren.“ Seine Stimme klingt ernst und ich senke für einen Moment den Blick, während meine Daumen leicht über die Laschen meiner Rüstung gleiten, bis ich die Halterungen meiner Armbrüste erreiche. Bruder. Brüder. Brüder im Krieg, Brüder im Frieden, Brüder im Tod. Ich wünschte wirklich, es wäre manchmal so einfach. Meine Lippen verziehen sich zu einem schmalen Grinsen und eigentlich möchte ich etwas darauf erwidern, ihn auch etwas freundliches sagen, doch der Regen trommelt so laut in meinem Ohr dass ich einen Moment lang denke, er schreit – ein Schrei wie von Krähen, wie von Blut, das vergossen wird und mich einen Narren schimpft, mich an nichts mehr zu klammern, denn meine Zunft überlebt nicht lange und hinterlässt nur Leid und Tod. Eine Hand auf meiner Schulter und diese Berührung fühlt sich anders an als die von Lyndon und als ich aufschaue, sehe ich das Kormac in die zerstörten Straßen hinein späht, die man von den Zinnen aus sehen kann. Seine Hand ist warm – und etwas Tröstendes geht davon aus, der Griff eines großen Bruders, der immer noch glaubt und vertraut, auch wenn alle anderen das längst nicht mehr tun. Das Licht scheint immer noch. Es ist so hell, dieses Licht. Und es macht den Schatten der hinter mich fällt, nur noch größer. „Ich kenne immer noch nicht Euren richtigen Namen, Freund.“, spricht er zu mir, wirft mit einem vielsagenden Blick aus einem zerfurchten Gesicht zu, doch dieses Mal schaffe ich es tatsächlich, ein sprödes, aber amüsiertes Geräusch von mir zu geben, ehe ich mir die Kapuze deutlicher ins Gesicht ziehe und beginne, von der Wehranlage hinab zu steigen. „Ihr gebt nie Ruhe deswegen, oder? Was ist denn an „Krähe“ für Euch so absonderlich?“ Ein heiseres Geräusch einer Stimme, die selbst wie Stahl und Eisen klingt, rau und kräftig, wie geschaffen dafür, über die Kriegswirren zu brüllen. „Nun, es ist kein Name, Freund. Es ist ein Tier.“ „Vielleicht bin ich ja das, ein Tier?“ „Nein, Ihr seid ein strahlendes Licht in der Finsternis und ich würde alles dafür tun, um Euch vor einem Fall zu bewahren.“ Ich weiß nicht, ob ich auf den Kommentar, der so ehrlich und ernst klingt, die Augen verdrehen soll oder ihm dankbar. Kormac würde so etwas niemals sagen, wenn es nicht von Herzen kommen würde. Soviel Ehrlichkeit ist erschreckend, doch vielleicht bin ich schon zu lange ein Jäger, als dass ich nicht mehr ein Leben kenne, indem man noch daran glaubt, dass alles gut wird. Am Ende schüttle ich nur den Kopf und ergreife eine der beiden Eisenketten, die das schwere Eichenholztor verschlossen hält, während Kormac’s gepanzerte Handschuhe nach der anderen greifen. Er sieht mich an, er, der an mein Schweigen ebenso gewöhnt ist wie er immer daran Not tut, Eirena vor Lyndon zu beschützen und ich hoffe, dass sie eines Tages nicht mehr nur den großen Bruder in ihm sieht, sondern auch eines jener letzten Lichter, die diese Welt noch erhellen. „Mein richtiger Name ist Adrian. Adrian Crow.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)