Ihr Besuch im Sacred Fart von Kiajira ================================================================================ Kapitel 1: Ihr Besuch im Sacred Fart ------------------------------------ Ihr Besuch im Sacred Fart Der Regen fiel so schwer vom Himmel, dass das Ploppen der Apparation in dem Rauschen verschwand und Hermine Granger mehr oder weniger lautlos hinter einer Hecke am Rand eines Parkplatzes auftauchte. Kaum machte sie einen Schritt vorwärts, stolperte sie über einige Schrottteile, die bei näherem Hinsehen wohl einmal zu einem Motorroller gehört hatten. Sie runzelte die Stirn, machte einen großen Schritt darüber hinweg und sah sich dann um. Sie war genau dort gelandet, wo sie sollte, wie es schien. In der Akte hatte zwar gestanden, das Krankenhaus hieße Sacred Heart, doch irgendjemand hatte sich einen Spaß erlaubt und das Schild teilweise überklebt, sodass jetzt Sacred Fart zu lesen war. Kopfschüttelnd überquerte sie den Parkplatz und machte sich auf den Weg zum Hintereingang. Kaum war sie im Trockenen, wirkte sie mit verdecktem Zauberstab einen partiellen Trockenzauber, der ihre Haare noch leicht feucht ließ, aber die Kälte vertrieb. Sie orientierte sich kurz und ging dann den Korridor entlang zum Eingangsbereich des Haupteingangs. Dort herrschte Chaos, welches sie allerdings von diversen Krankenhausaufenthalten ihrer Eltern nach Skiunfällen mehr als gewohnt war. Rasch schlängelte sie sich zum Empfangsschalter hindurch. Eine kompakte, schwarze Schwester mit einer tiefen Stimme bediente die Leute, sie schien etwas knurrig, aber gutherzig zu sein. „Und was wollen Sie hier, Schätzchen? Sie sehen nicht krank aus.“ Hermine räusperte sich. „Ich bin auf der Suche nach Severus Snape. Er leistet hier Sozialstunden ab, und ich bin seine Bewährungshelferin.“ Die Schwester brummte. „Doktor Dorian!“ Ein junger Arzt mit gegelten, schwarzen Haaren und einem übereifrigen Lächeln tauchte in blauen Internisten-Scrubs neben ihr am Schalter auf. „Er wird sich um Sie kümmern“, meinte die Schwester kurz angebunden und wandte sich dem nächsten zu. Der Arzt streckte ihr eifrig seine Hand entgegen. „Hallo, ich bin John Dorian, Sie können mich gerne JD nennen. Wie kann ich Ihnen helfen?“ Hermine musste sich ein Lächeln verkneifen, während sie seine Hand schüttelte. „Mein Name ist Hermine Granger, ich bin die Bewährungshelferin von Mister Snape. Könnten Sie mich zu ihm führen? Ich würde gerne einen Tag lang zusehen, wie er hier zurechtkommt.“ JD lächelte und nickte enthusiastisch. „Natürlich, mit Vergnügen, Hermine. Ich darf Sie doch Hermine nennen?“ Hermine nickte amüsiert und folgte ihm in einen weiteren Flur. „Wissen Sie, Mister Snape arbeitet mit Doktor Perry Cox zusammen, meinem Mentor. Nun ja, eigentlich ist er nicht offiziell mein Mentor, aber das liegt nur daran, weil er zu stolz ist, zuzugeben, dass er mich mag.“ JD hielt vor einem Aufzug an und drückte den Knopf. Hermine zog interessiert die Augenbrauen nach oben. „Wie ist Doktor Cox denn sonst so? Kommt er mit Mister Snape zurecht? Er ist nicht gerade… jedermanns Liebling, wie Sie vermutlich bemerkt haben dürften.“ JD grinste, während sie den Aufzug betraten. „Das ist Doktor Cox auch nicht. Die meisten hier in der Klinik halten ihn für einen Arsch, um ehrlich zu sein. Aber das stimmt nicht. Er ist der beste Arzt, den ich kenne, und wenn man seine Beleidigungen überhört, auch einer der besten Menschen, die ich bisher getroffen habe.“ Jetzt musste Hermine doch glucksen. „Klingt nach gutem Umgang für Mister Snape.“ JD lachte. „Und wie. Die beiden sind gefürchtet!“ Er wedelte übertrieben mit den Armen und lachte. „Aber, Sagen Sie mal, sind Sie nicht etwas jung für eine Bewährungshelferin? Wenn wir sonst jemanden für Sozialstunden hier haben, kommen meist richtig alte Leute als Betreuer…“ Hermine legte den Kopf schief. „Ich war schon immer früh dran“, meinte sie kurz angebunden. Sie konnte ihm ja schlecht erzählen, dass sie entgegen ihrer Proteste einen Kriegshelden-Bonus bei den Beförderungen im Ministerium abbekam und daher tatsächlich zu jung für ihren momentanen Posten war. JD musterte sie jedoch weiterhin neugierig, als der Aufzug wieder aufging und sie in einen weiteren Flur einbogen, der sich kaum von dem im Erdgeschoss unterschied. Sie räusperte sich und beschloss, ihm doch ein klein wenig mehr zu erzählen. Er war schließlich nett. „Um ehrlich zu sein, ich war schon immer eine Art Streberin.“ JD klopfte ihr auf die Schulter. „Keine Sorge, da sind Sie hier in guten Händen. Wir Internisten sind alle irgendwo Nerds.“ Er stieß die Tür zur Intensivstation auf. „So, hier müssten die beiden eigentlich um die Uhrzeit irgendwo sein.“ Wie auf Kommando ertönten vom anderen Ende der Station ein schriller Pfiff und eine scharfe Stimme. „Flachzange!“ JD zuckte neben Hermine regelrecht zusammen, packte sie am Ellbogen und zog sie in Rekordgeschwindigkeit durch die Station. „Lassen Sie mich raten“, murmelte sie ihm im Laufen zu, „Doktor Cox nennt Sie so?“ JD nickte. „Entweder Flachzange oder-“ „Cinderella! Die Patienten heilen nicht davon, weil du flirtest!“ „-Mädchennamen.“ Hermine kicherte, während sie JD in ein Patientenabteil folgte. Doktor Cox war in etwa so groß wie JD, doch er schien durch sein Auftreten größer zu wirken. Seine Brust zeichnete sich selbst unter dem offenen, weiten Arztkittel deutlich ab, ebenso wie die muskulösen Oberarme. Sein Gesicht war lang und scharf, die Augenbrauen ausdrucksstark, doch die Falten rund um die Augen verliehen ihm etwas milderes, und die rotblonden Locken zerstörten das strenge Bild ebenfalls ein wenig. Er schnalzte ungeduldig mit der Zunge und tippte mit dem Daumen gegen seinen Nasenrücken. „Das wurde aber auch Zeit. Flachzange, Blut abnehmen. Und Sie sagen mir besser sofort, wieso Julie Sie auf die Intensiv mitschleppen musste, Lady, wenn Sie nicht sofort wieder hochkant rausfliegen wollen.“ Hermine verkniff sich jeden Kommentar über die Ähnlichkeit zwischen ihm und Snape, lächelte unverbindlich und streckte ihm die Hand entgegen. „Mein Name ist Hermine Granger, ich bin Mister Snapes Bewährungshelferin und werde ihn heute bei der Arbeit beobachten. Mit wem habe ich das Vergnügen?“ Cox schnaubte, doch er zog die blauen Nitril-Untersuchungshandschuhe aus und schüttelte ihre Hand. „Flachzange hat Ihnen das sicher schon verraten, aber wenn Sie darauf bestehen – Doktor Cox.“ „SIE sind meine Bewährungshelferin?“, ertönte mit einem Mal Snapes volltönender Bariton hinter Hermine. Sie wandte sich um. Er stand direkt hinter ihr, einen Infusionsbeutel in der Hand, und musterte sie leicht entsetzt. „Womit habe ich das verdient?“ Hermine schenkte ihm ihr breitestes Lächeln. „Alle Beschwerden an Kingsley, ich wasche meine Hände in Unschuld. Sie haben doch sicher nichts dagegen, wenn ich Ihnen heute ein wenig über die Schulter schaue?“ Snape schnaubte und drängte sich an ihr vorbei in das Patientenzimmer. „Wie Sie das bei Ihrer nicht vorhandenen Größe anstellen wollen, ist mir ein Rätsel, aber den Versuch würde ich gerne sehen.“ Hermine grinste und lehnte sich dann in den Türrahmen, um ihn bei der Arbeit zu beobachten. Er trug im Gegensatz zum restlichen Pflegepersonal immer noch schwarz, ein weites Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln und Scrubs-Hosen. Er musste sie magisch gefärbt haben. Seine Haut war immer noch blass, aber nicht mehr ganz so weiß, wie sie es in Erinnerung hatte, und seine Haare waren gewachsen und in einem kurzen Pferdeschwanz gebändigt. Außerdem schien er zugenommen zu haben. Er war immer noch dürr, sah aber nicht mehr komplett nach Vogelscheuche aus. Er sah insgesamt um einiges gesünder aus als bei ihrer letzten Begegnung – wobei das kein Wunder war, das war auf dem Schlachtfeld gewesen, und sie hatten sich mehr oder weniger gegenseitig vom Verbluten abgehalten. Während er sich Handschuhe überstreifte und dann unter Anleitung von JD die Infusionen auswechselte, pfiff Cox schon wieder. „Flachzange, der Sinn von Snape ist, dass ich keinen anderen mehr brauche, der mit mir von Raum zu Raum wuselt, mich mit uninteressantem Mist zutextet und immer nur im Weg steht, statt seine Arbeit zu machen. Bist du nicht auch Arzt und hast selbst Patienten? Wie wäre es, wenn du sie vom Sterben abhältst, bevor Pisshose über sie stolpert?“ JD rollte mit den Augen, zwinkerte Hermine zu und verließ das Zimmer. Hermine schnaubte. „Ich sehe schon, Sie beide nehmen sich nichts, was gute Umgangsformen angeht.“ Snape hob den Blick von der Infusion und zog eine Augenbraue nach oben. „Und Sie haben immer noch die Angewohnheit, offensichtliche Tatsachen laut aussprechen zu müssen.“ Cox verschränkte die Arme hinter dem Kopf und stöhnte laut vernehmlich. „Bitte, Snape, sagen Sie mir, dass sie weniger nervt als Cindy.“ Snapes zweite Augenbraue gesellte sich zu der ersten. „Bedaure.“ Cox knurrte durch zusammen gebissene Zähne. „Womit habe ICH das verdient? Eine ist schlimm genug.“ Hermine lachte. „Trösten Sie sich, immerhin hänge ich nicht Ihnen an den Hacken, sondern Mister Snape.“ Cox löste seine Arme und nickte langsam. „Das nenne ich zumindest ausgleichende Gerechtigkeit. Er hat sich die ganze letzte Woche viel zu gut amüsiert, wenn Cindy mir auf die Nerven gefallen ist.“ Snape hatte einen Ausdruck purer Unschuld aufgesetzt, während er seine Handschuhe abstreifte. „Ich weiß nicht, was Sie meinen.“ Die beiden Männer verließen das Zimmer in großen Schritten, und Hermine eilte ihnen hinterher. Cox schien genauso wie Snape ein Faible für große Auftritte zu haben, und sein weißer Kittel würde Snapes schwarzer Robe ernsthaft Konkurrenz machen, würde er sie tragen. An der Schwesternstation trafen sie JD wieder, der zusammen mit einer blonden Internistin, einem schwarzen Chirurgen und einer Latina-Schwester mit dichten Locken, die sogar noch kleiner als Hermine war, an einer Ecke stand und sich unterhielt. Er winkte Hermine fröhlich zu, und sie konnte förmlich sehen, wie Cox und Snape gleichzeitig mit den Zähnen knirschten. Amüsiert drängte sie sich an Snape vorbei und lehnte sich neben JD an den Tresen. Die blonde Ärztin musterte sie verwirrt und pustete sich eine Haarsträhne aus der Stirn. „Ich weiß nicht, wer Sie sind, aber Sie sehen eindeutig zu fröhlich dafür aus, dass Sie gerade dem Terror-Duo begegnet sind.“ Hermine wandte sich zu Snape um. „Terror-Duo? Sie sollen hier Sozialarbeit machen und nicht die gesamte Belegschaft einschüchtern!“ Er zog nonchalant die Schultern nach oben. „Ich tue, was ich kann.“ Er packte einen vorbeilaufenden, eindeutig verängstigt aussehenden Arzt mit einem schnellen Griff am Nacken und drückte ihm die Blutprobe in die Hand, die JD vorhin abgenommen hatte. „Labor, aber zackig.“ Der Arzt quietschte und stolperte davon. Das Bild erinnerte Hermine so an ihre Zaubertrankstunden und Neville, dass sie schlucken musste. „Manche Dinge ändern sich nie, was?“ Er verschränkte seine Arme vor der Brust und lehnte sich gegen die Wand, direkt neben Cox, der ebenfalls die Arme verschränkt hatte. „Wozu sollten sie? Never change a running system.“ Hermine lächelte und erwiderte, jetzt mit einer gewissen Härte in der Stimme: „Sie sind kein Lehrer mehr, Snape. Sie sind Assistent. Sie sind eigentlich derjenige, der die Arbeit machen sollte, nicht delegieren.“ Cox zog die Augenbrauen zusammen. „Hey, Missy. Snape tut uns damit einen großen Gefallen. Das war Pisshose. Er bringt die meisten seiner Patienten um, also ist es das effektivste, ihn als Dauerlaufburschen zu benutzen, dann kann er niemandem schaden. Und Sie haben gesehen, dass er ansonsten seine Arbeit macht.“ Hermine zog die Augenbrauen hoch. „Ja, für fünf Minuten. Glauben Sie ja nicht, dass Sie mich so einfach loswerden. Ich bin bis zum Ende der Besuchszeit heute Abend hier.“ Cox zog eine zähnefletschende Grimasse und wandte sich Snape zu. „Die Missy ist sowas wie Ihre Flachzange, oder?“ Snape nickte und musterte Hermine unergründlich. „Kann man so sagen.“ In diesem Moment piepte Cox‘ Pager. Er warf einen Blick darauf, zog eine weitere Grimasse und stieß sich von der Wand ab. „Missy, wir müssen auf eine isolierte Station, da können Sie nicht mit. Snape?“ Die beiden verließen die Schwesternstation in großen Schritten. Hermine sah ihnen einen Augenblick lang hinterher, dann wandte sie sich zu JD und seinen Freunden um. JD grinste breit. „Und damit hätten Sie schon Ihren ersten Spitznamen weg. Was wetten wir, dass es bis heute Abend mindestens drei sind?“ Hermine grinste. „Wenn man die unerträgliche Besserwisserin, Alleswisserin und nervtötende Gryffindor von Snape dazurechnet, sollte ich wohl lieber nicht wetten.“ Sie sah die anderen drei neugierig an. „Wie nennt Doktor Cox euch denn?“ Die blonde Ärztin rollte mit den Augen. „Barbie.“ Der Chirurg legte JD einen Arm um die Schultern. „Ghandi.“ Die Schwester schüttelte den Kopf. „Ihr seid süß, ehrlich.“ Sie wandte sich Hermine zu und musterte sie hart. „Er würde es nicht wagen, mir einen Spitznamen zu verpassen. Wer sind Sie überhaupt? Sie haben keinen Besucherausweis.“ Hermine räusperte sich. „Entschuldigung, ich fürchte, das sogenannte Terror-Duo hat mich etwas abgelenkt. Mein Name ist Hermine Granger, und ich bin Mister Snapes Bewährungshelferin.“ Der Chirurg nickte ihr zu. „Chris Turk.“ Die blonde Internistin schüttelte ihr die Hand. „Elliot Reed.“ Die Schwester nickte ebenfalls nur. „Carla Espinosa Turk.“ Hermines Blick wanderte zwischen ihr und Chris hin und her, und Turk hielt seine linke Hand mit einem Ehering hoch. Hermine lächelte den beiden zu. Jetzt beugte sich JD aufgeregt nach vorne. „Sagen Sie mal, Hermine, Sie haben etwas davon gesagt, dass Snape früher Lehrer war, und er hat gerade erwähnt, dass Sie sowas ähnliches für ihn sind wie ich für Doktor Cox. Hat er Sie unterrichtet? Welches Fach?“ Carla stöhnte und rollte mit den Augen. „Bambi, es ist gut. Wie oft sollen wir dir noch sagen, dass du dich da nicht so reinsteigern sollst?“ Turk boxte JD in die Seite. „Ja, Alter, du solltest doch langsam sehen, dass Cox dir immer nur eins auf den Deckel gibt.“ Hermine lächelte. „Er kommt mir bis jetzt wirklich so vor, als wäre er so ähnlich wie Snape, also kann er sicher mehr als nur austeilen. Und ja, Snape war mein Lehrer. Er hat die gesamte Klasse immer eingeschüchtert und schlecht gemacht. Wir hatten jemanden, der genauso große Angst vor ihm hatte wie – wie hieß der Arzt gerade, dem Snape die Probe gegeben hat?“ Elliot antwortete: „Das war Doug. Er ist hoffnungslos.“ Hermine schüttelte den Kopf. „Sagen Sie das nicht. Wie gesagt, wir hatten einen Klassenkameraden, der genau wie er war, nur Fehler gemacht hat und uns mehr als einmal in Gefahr gebracht hat. Aber er musste einfach nur sein Fachgebiet finden, um gut zu sein.“ Elliot blinzelte. „In Gefahr gebracht? Was hat Snape bitte unterrichtet?“ Hermine brauchte keine Sekunde, um über die Antwort nachzudenken. Es hatte auch seine Vorteile, an der Schnittstelle zwischen magischer und Muggelwelt zu leben, die Notlügen und kleinen Verdreher der Wahrheit gingen einem in Fleisch und Blut über. „Organische Chemie und für die oberen Klassen alternative Pharmazie. Wir hatten mehr als einmal explodierende Glaskolben wegen ihm.“ Elliot lachte. Hermine war sich nicht sicher, ob sie dieses aufdringliche Lachen mochte. „Ja, das klingt nach etwas, was Doug anstellen könnte.“ In diesem Moment gingen sowohl ihr als auch Turks Pager los. Sie fluchten simultan und rannten ohne ein weiteres Wort davon. „Viel los heute, hm?“, fragte Hermine. Carla verzog nur das Gesicht. „Massenkarambolage gestern Abend auf dem Highway. Warum begleiten Sie Bambi nicht bei seiner Runde? Sie scheinen ja einen genauso schlimmen Heldenkomplex mit Snape zu haben wie er mit Cox.“ JD schnappte theatralisch nach Luft. „Blödsinn! Er ist mein Mentor, das hat nichts mit Heldenkomplex zu tun!“ Carla wandte sich einem Stapel Patientenakten zu und warf noch einmal einen spöttischen Blick zurück. „Sicher.“ JD schnappte sich eingeschnappt Hermines Arm und hakte sie bei sich ein, und die beiden machten sich auf den Weg über den Flur. „Die haben alle keine Ahnung. Dabei sollte zumindest Carla Doktor Cox besser kennen, immerhin arbeitet sie schon seit mehr als zehn Jahren mit ihm zusammen!“ Er schnaubte. „Also, Sie waren noch nicht fertig, oder? Snape hat immer alle eingeschüchtert?“ Hermine lächelte. Sie mochte JDs einfache und offene Art. Und zudem schien er eine Menge Empathie zu besitzen, wenn er sich in Cox so offensichtlich festgebissen hatte und nicht akzeptieren wollte, dass nichts unter dieser rauen Schale steckte. „Ja, er war manchmal wirklich schrecklich.“ Sie seufzte, als die Erinnerungen wieder in ihr aufstiegen. „Wir waren auf einer Privatschule in Schottland mit verschiedenen Schulhäusern. Kennen Sie das britische Schulhäusersystem?“ JD nickte. „Mit den ganzen Fleißpunkten und Wettbewerben?“ „Genau das. Snape war Betreuungslehrer von einem der Häuser, das Haus, dessen Schüler meist für sich geblieben sind und eher gegen uns statt mit uns um Punkte gekämpft haben. Er war dafür bekannt, dass er seine Schüler bei der Punktevergabe immer bevorzugt hat– und ich war dummerweise in dem Haus, dem er immer am meisten Punkte für Blödsinn abgezogen hat. Außerdem war sein Unterricht der strengste und schwierigste von allen.“ Sie lachte leise. „Meine beiden besten Freunde waren der festen Überzeugung, dass er absichtlich alles tun würde, um uns das Leben schwer zu machen. Sie haben mich für verrückt erklärt, weil ich Jahr für Jahr so viel Energie in sein Fach gesteckt habe und immer besser werden wollte, um einmal ein Lob von ihm zu bekommen. Und sie haben nie verstanden, warum ich immer daran geglaubt habe, dass unter dem ganzen Theater ein Mensch steckt, der nicht nur weiß, was richtig und falsch ist, sondern auch immer das Richtige tun will.“ JD blieb stehen und starrte Hermine an. „Denken Sie, er könnte mit Doktor Cox verwandt sein?“ Doch bevor Hermine antworten konnte, hatte er seinen Kopf zur Seite geneigt und starrte schräg nach oben in die Luft. Hermine blinzelte. „JD?“ Er reagierte einige Sekunden lang nicht, dann schnappte sein Blick zu ihr zurück, und er meinte gedankenverloren: „Ich würde die Sendung gucken.“ Sie musste lachen. „Haben Sie gerade an so eine Familien-Zusammenführungs-Sendung gedacht?“ JD nickte eifrig. „Das wäre doch mal was, oder?“ Hermine grinste und zog ihn aus dem Weg, als ein Rollstuhlfahrer vorbei wollte. „Sie würden beide nicht kommen.“ „Stimmt.“ JD zog sie wieder auf den Flur und nahm ihre Runde wieder auf, während er im Vorbeigehen einen Blick auf seine Patienten warf. „Darf ich fragen, was passiert ist, dass er hier gelandet ist?“ Hermine seufzte schwer. „Ich kann Ihnen nicht viel sagen. Fassen wir es unter Jugendsünden, für die er inzwischen eigentlich längst genug getan hat, um sie auszumerzen, zusammen. Aber das Gericht hat das leider anders gesehen.“ JD nickte langsam. „Haben Sie inzwischen einmal ein Lob von ihm bekommen?“, wollte er nach einem Moment wissen. Hermine lächelte schwach. „Sie wissen vermutlich, wie ein Lob klingt, das in eine Beleidigung verpackt wurde, oder? So etwas schon ab und zu, aber ein reines Lob – nein. Aber mir reicht das, was ich bekommen habe. Es wäre ein Wunder, wenn wir uns nach dem hier überhaupt noch einmal über den Weg laufen.“ JD zog an ihrem Arm. „Kommen Sie, seien Sie nicht so pessimistisch. Ich bin sicher, Sie schaffen es, Snape in Zukunft regelmäßig zu sehen, auch wenn Sie nicht zusammen arbeiten. Geben Sie nicht auf, ohne es überhaupt versucht zu haben.“ „Versuchen Sie Granger gerade zu überreden, mich nach meinen Sozialstunden privat weiter zu belästigen?“, schnitt Snapes scharfe Stimme hinter ihnen die Luft entzwei. Hermine und JD wirbelten herum. Snape und Cox standen Schulter an Schulter, beide die Arme verschränkt und Todesblicke abschießend. „Wenn Sie Flachzange weiter gegen mich aufhetzen, dann können Sie was erleben, Missy“, knurrte Cox nicht weniger scharf. Hermine und JD warfen sich einen kurzen Blick zu. „Lauf“, raunte JD ihr zu, packte sie am Handgelenk und zerrte sie hinter sich den Gang entlang. Hermine lachte erstickt auf und rannte ihm hinterher. Sie glaubte kaum, dass Snape sich zu so etwas wie rennen herablassen würde, doch schon nach den ersten Schritten hörte sie hinter sich das Quietschen von Turnschuhen auf Linoleum, ein sicheres Zeichen, dass zumindest Cox sie verfolgte. Japsend und mit bester Laune folgte sie JD. Wie lange hatte sich schon nicht mehr etwas so kindisches getan, tun können, ohne Hintergedanken? Sie rannten durch Flure, Treppen, wieder einen Flur und noch eine Treppe – und landeten auf dem Dach, Snape schon auf sie wartete. Schliddernd bremsten die beiden ab, und Hermine warf Snape einen Todesblick zu. Sie war sich absolut sicher, dass er appariert war. JD stöhnte frustriert. „Wie machen Sie das immer? Manchmal habe ich das Gefühl, dass Sie überall sind!“ Hermine stemmte einen Arm in die schmerzende Seite. „Du glaubst nicht, wie nervig das früher nach Ausgangssperre war.“ In diesem Moment kam Cox hinter ihnen auf das Dach gepoltert. „Rachel! Missy!“ Doch niemand achtete auf ihn. Snape zog bloß eine Augenbraue nach oben. „Sie hatten nach Ausgangssperre auch nichts mehr außerhalb Ihres Gemeinschaftsraumes verloren!“ Hermine rollte mit den Augen. „Kommen Sie schon, erzählen Sie mir nicht, dass Sie damals immer brav alle Regeln befolgt haben.“ Snape verschränkte seine Arme. „Ich habe mich zumindest nicht dabei erwischen lassen, wenn ich sie gebrochen habe“, gab er aalglatt zurück. JD tippte sie an. „Weißt du, wie er das macht?“ Hermine lachte trocken. „Natürlich weiß ich das, aber ich werde den Teufel tun und es euch sagen. Ich hänge an meinem Leben.“ Snape kräuselte die Lippen. „Besser für Sie. Seit wann sind Sie eigentlich so kindisch geworden?“ Hermine seufzte schwer. „Ich musste zu früh damit aufhören, aber das wissen Sie verdammt noch mal ganz genau, also halten Sie die Klappe. Ich hab das gerade gebraucht.“ Er schnaubte, schwieg jedoch. Im nächsten Moment ging Cox‘ Pager erneut los. „Snape, kommen Sie. Missy, tun Sie, was sie nicht lassen können, aber Sie würden bloß im Weg stehen. Flachzange, das nächste Mal bist du fällig.“ Die zwei verließen mit schnellen Schritten die Dachterrasse, und Hermine strich sich die Haare aus dem immer noch etwas erhitzten Gesicht. „War das eine Drohung oder ein Versprechen?“, fragte sie JD übermütig. JD grinste. „Beides. Hast du Lust auf Mittagessen? Ich weiß, es ist noch etwas früh, aber heute ist Schnitzeltag in der Cafeteria, und wenn wir zu spät kommen, sind keine Schnitzel mehr da.“ Hermine nickte. „Klingt gut.“ Die beiden verließen das Dach und gingen in die Cafeteria, holten sich jeder einen Schnitzelteller und setzten sich dann an einen noch leeren Vierertisch am Fenster. Nach einigen Minuten Schweigen fragte JD leise: „Ich weiß, dass du vermutlich nicht allzu gerne darüber redest, aber – was hast du vorhin gemeint mit du musstest zu schnell erwachsen werden? Ich finde, das einzig erträgliche am Erwachsen sein ist, dass man immer noch kindisch sein kann, wann man will.“ Hermine lächelte freudlos. „Leben deine Eltern noch?“, fragte sie statt einer Antwort. JD seufzte. „Meine Mom schon, mein Dad nicht mehr.“ Hermine senkte den Blick. Es war nur ein kleiner Teil des Ganzen, aber es war einer der Teile, die am meisten geschmerzt hatten. „Meine Eltern hatten vor einigen Jahren einen Unfall mit Hirntraumata, die eine schwere retrograde Amnesie ausgelöst haben. Sie ist allerdings bei beiden partout nicht zurückgegangen, egal wie lange wir gewartet haben oder wie viel Therapie sie gemacht haben. Sie wissen nicht, wer ich bin, und werden es vermutlich auch nie mehr.“ Hermine brach ab und atmete tief durch, versuchte den Kloß in ihrem Hals hinunter zu schlucken. JD legte ihr eine Hand auf den Arm. „Retrograde Amnesien sind selten so hartnäckig, da haben Sie Recht, aber hören Sie nicht auf, daran zu glauben. Beim Heilungsprozess spielt Glück eine größere Rolle, als wir uns manchmal wünschen. Sie sollten die Hoffnung nicht aufgeben. Irgendwann werden sich Ihre Eltern an Sie erinnern, da bin ich mir sicher.“ In diesem Moment setzte sich Cox neben JD und Snape neben Hermine. Er neigte leicht den Kopf in ihre Richtung. „Der Kleine hat Recht. Und es war nicht Ihre Schuld.“ Hermines Kopf schnappte hoch, und Tränen stiegen ihr in die Augen. „Wie können Sie so etwas sagen?“, fauchte sie ihn an. „Wenn ich nur einmal vorsichtiger gewesen wäre, wenn ich nur einmal nicht so sehr von mir selbst überzeugt gewesen wäre, dass ich nochmal überlegt hätte, was ich tue-“ Sie wimmerte, sprang auf, drängte sich an ihm vorbei und rannte aus der Cafeteria. Snape seufzte, schob seinen Stuhl zurück und folgte ihr. JD wollte ebenfalls aufspringen, doch Cox hielt ihn am Arm zurück und drückte ihn wieder hinunter auf seinen Platz. „Lass die beiden“, brummte er. JD seufzte. „Sie haben vermutlich Recht.“ Dennoch war ihm der Appetit vergangen. Hermine stürmte ohne viel Federlesen zurück auf das Dach. Snape folgte ihr auf dem Fuß. Oben angekommen, wirbelte sie herum und fauchte: „Warum rennen Sie mir hinterher? Merken Sie nicht, dass Sie alles nur noch schlimmer machen?“ Snape verschränkte lediglich die Arme vor der Brust und hob eine Augenbraue. „Sie haben es offensichtlich immer noch nicht wirklich verarbeitet, also brauchen Sie jemanden, der damit anfängt, wenn Sie es schon nicht tun“, gab er ungerührt zurück. „Und wenn Sie anfangen, sich die Schuld dafür zu geben, dann werden Sie sich den Rest Ihres Lebens die Schuld für irgendeinen Blödsinn geben.“ Hermine zischte und wischte unwirsch die Tränen weg. „Und was interessiert SIE das?“ Snape löste seine Arme und atmete sichtlich tief durch. „Was meinen Sie, wie ich dahin gekommen bin, wo ich jetzt stehe? Was meinen Sie, warum ich mich den Todessern angeschlossen habe?“ Hermine schnappte nach Luft. „Was?“, wisperte sie erstickt. Snape drehte sich mit dem Rücken zu ihr, und sie trat neben ihn, blickte ihn jedoch nicht an. „Wissen Sie, dass mir schon immer die Schuld für alles gegeben wurde?“, begann Snape leise. „Von meinen Eltern, von meinen Erziehern, später von meinen Klassenkameraden, Hauskameraden, sogar von ein paar Lehrern.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich wollte nie etwas falsch machen, aber ich konnte es nie richtig machen. Immer war es zu wenig…“ Er schnaubte. „Wundert es dann noch irgendjemanden, dass ich auf das Versprechen nach Anerkennung herein gefallen bin? Es war das Eine, was ich nie in meinem Leben gehabt hatte.“ Hermine schluckte und schwieg, trat jedoch einen kleinen Schritt näher, sodass ihre Schulter seinen Oberarm streifte. Er wehrte sich nicht. „Wissen Sie, Granger, ich war einmal wie Sie. Ich war voller Erwartungen an Hogwarts, wollte immer alles richtig machen. Nur mit dem Unterschied, dass Sie nicht für jeden Fehler einen Schlag ins Gesicht bekommen haben. Es ist normal, Fehler zu machen. Niemand macht alles richtig. Und es ist mehr als Blödsinn von jemand anderem oder sich selbst zu erwarten, alles richtig machen zu können.“ Hermine seufzte schwer, doch sie spürte, wie seine Worte sie beruhigten. „Aber hätte ich den Fehler nicht irgendwann anders machen können?“, fragte sie sehr leise. Snape schüttelte den Kopf. „So funktioniert das nicht. Denken Sie nicht über den Fehler nach, denken Sie darüber nach, was Sie geschafft haben. In Ihrem Alter beherrscht kaum jemand die simpelste Okklumentik oder Legilimentik, und Sie haben einen selektiven Gedächtniszauber gewirkt, der so stark war, dass Ihre Eltern es tatsächlich geschafft haben, ihr komplettes Leben umzukrempeln. Sie haben ihnen damit vermutlich das Leben gerettet. Sie sollten stolz auf sich sein.“ Er zögerte eine Sekunde, setzte dann jedoch sehr leise hinterher: „Ich bin es jedenfalls.“ Hermine lachte zittrig auf und lehnte ihren Kopf für einen Bruchteil einer Sekunde gegen seine Schulter. „Danke, Sir.“ Sie zog energisch ein Taschentuch aus ihrer Handtasche, schnäuzte sich und nickte dann wieder etwas gefasster. „Wir sollten wieder nach unten gehen. JD macht sich sicher Sorgen.“ „Der Kleine macht sich immer Sorgen“, brummte Snape ungehalten, folgte ihr aber ohne Proteste wieder in die Cafeteria zurück. JD und Cox saßen immer noch da, waren allerdings fast fertig mit dem Essen. JD musterte Hermine besorgt. „Wie geht es dir?“ Hermine lächelte schwach. „Besser.“ Sie aß schweigend zu Ende, während JD über alles Mögliche plapperte, egal wie oft ihm Cox sagte, dass er die Klappe halten sollte. Während die beiden schließlich ihre Tabletts wegbrachten, warf Hermine Snape ein schnelles Lächeln zu. „Sie mögen die beiden, oder?“ Er brummte, antwortete jedoch ansonsten nicht. Hermines Lächeln wurde breiter. „Ich auch. Sind Sie hier glücklich?“ Diesmal schnaubte er. „Wieso sollte ich glücklich damit sein, zu einer Muggelkrankenschwester degradiert zu werden und Bettpfannen zu schrubben? Sie kennen noch nicht einmal die Hälfte der Irren, die hier arbeiten.“ Hermine seufzte. „Severus.“ Er wand sich einige Sekunden, dann murmelte er fast unhörbar: „Es könnte schlimmer sein.“ Hermine lächelte breit. „War das so schwer?“ Er schnaubte. „Wenn Sie mich noch einmal Severus nennen, hexe ich Sie bis zum Mars und zurück.“ Sie lachte bloß. Den Rest des Nachmittags verbrachte sie damit, Snape und Cox bei der Arbeit zuzusehen, und JD leistete ihr Gesellschaft, wann immer seine Patienten ihn nicht brauchten. Die beiden verbreiteten wirklich schlechte Laune, wohin auch immer sie kamen, Cox mit seinen endlosen Tiraden voller Beleidigungen, und Snape mit einer einzigen, bitterbösen, sarkastischen Bemerkung. Doch sie stellte fest, dass Cox Recht gehabt hatte –Snape benutzte wirklich nur Doug als Laufburschen und machte ansonsten jeden Handgriff selbst, auch wenn es unangenehme Dinge waren. Leicht erstaunt stellte sie irgendwann fest, dass er den ganzen Tag über noch nicht einmal die Beherrschung verloren hatte – ein verdammt gutes Zeichen. Doch bevor sie lange darüber nachdenken konnte, kreischte JD hinter ihr, hoch wie ein Mädchen. Die Mädchennamen kamen nicht von ungefähr, das hatte sie schon längst festgestellt. Grinsend drehte sie sich um – nur um entsetzt einen Hausmeister zu beobachten, der einen Sack davonschleppte, der zappelte und aus dem ein paar Turnschuhe herausragte. Sie schluckte, drückte den Zauberstab dicht an ihren Arm unter dem langen Ärmel, und verfolgte den Hausmeister vorsichtig. Was hatte Snape gesagt? Dass sie noch nicht einmal die Hälfte der Irren hier kennen gelernt hatte? Sie schaffte es, den Hausmeister bis in den Keller zu verfolgen, und stellte erschrocken fest, dass er in die Leichenhalle marschierte. Sie spähte gerade um die Ecke in den Raum, um zu sehen, wie er den zappelnden Sack in eines der Kühlfächer stopfen wollte. Sie holte tief Luft, überlegte sich blitzschnell, wie sie ohne offensichtliche Magie vorgehen sollte, und setzte schließlich Legilimentik ein. Eine Horde von ausgestopften Einhörnchen sprang ihr entgegen, und gleich als nächstes sehr viele ähnliche Begegnungen zwischen JD und ihm. JD hatte offensichtlich schon einmal im Wasserturm fest gesessen und als Fahnenmast hergehalten – neben vielen anderen Gelegenheiten, bei denen der Hausmeister ihn gedemütigt hatte. „Ist das Ihr Hobby?“, fragte Hermine kalt. „Ärzte kidnappen und den Adrenalinstoß genießen, den Sie dabei haben, wenn Sie sich überlegen, dass Sie jederzeit deswegen gefeuert werden könnten, aber immer noch hier sind?“ Der Hausmeister wirbelte herum und starrte sie düster an. „Dafür gibt es keine Beweise! Keiner glaubt dem Kleinen!“ Hermine lächelte schief. „Und was ist mit den Eichhörnchen? Ich wette mit Ihnen, dass ich sie innerhalb von einer Stunde finden kann.“ Er blinzelte. „Was für Eichhörnchen?“ Hermines Lächeln wurde breiter. „Genau das meine ich. Wo sind die Eichhörnchen hin?“ Der Hausmeister zog ein noch grimmigeres Gesicht und trat dicht vor sie. Hinter ihm strampelte JD sich leise aus dem Sack frei. „Hören Sie, Fräulein, ich habe Sie hier noch nie zuvor gesehen. Tun Sie nicht so, als hätten Sie eine Ahnung von den Dingen, die hier vor sich gehen. Die Eichhörnchen sind nicht verschwunden, hier gab es nie welche, klar?“ „Das behaupten Sie. Es gibt im gesamten Klimastreifen, in dem wir uns befinden, Eichhörnchen. Warum sollte es dann ausgerechnet hier um das Krankenhaus herum keine geben?“ JD hatte sich freigekämpft und schlich sich auf Zehenspitzen näher zur Tür. Hermine griff nach dem Arm des Hausmeisters, drehte ihn von JD weg in den Raum hinein und ließ sich auf einem Stuhl nieder, um die Bewegung zu erklären. „Also? Was haben Sie mit den Eichhörnchen gemacht?“ Der Hausmeister deutete mit einem Ausdruck purer Unschuld auf sich. „Ich? Wieso sollte ich etwas gemacht haben?“ Hermine zuckte gelassen mit den Schultern. Der Hausmeister war offensichtlich darauf aus, ihr das Wort im Mund herum zu drehen, doch damit würde sie fertig werden. Gegen Snape war er harmlos. „Vielleicht haben Sie ja ein Faible für ausgestopfte Eichhörnchen.“ Er knurrte. „Haben Sie meine ausgestopften Eichhörnchen geklaut?“ Sie hob beide Hände. „Wieso sollte ich so etwas tun? Es war bloß eine Vermutung.“ Er knurrte, und sie sah hinter ihm JD, der ihr verzweifelte versuchte zu signalisieren, dass sie den Mund halten sollte. „Wenn ich rauskriege, dass Sie meine Eichhörnchen geklaut haben, dann können Sie was erleben.“ JD ließ geschlagen die Schultern hängen. Hermine gab ihm mit einem Augenwinken zu verstehen, dass er verschwinden sollte. Er warf ihr noch einen zweifelnden Blick zu, dann nahm er die Beine in die Hand. Leise, aber nicht leise genug. Der Hausmeister knurrte und wirbelte bei dem Geräusch von quietschenden Turnschuhen herum, doch Hermine hielt ihn mit einem schnellen Sprung und einem Griff nach seinem Arm zurück. Er warf ihr einen düsteren Blick zu. „Sie sind also auf der Seite von diesem Idioten, der mir einen Penny in die Tür gesteckt hat?“ Hermine runzelte die Stirn. „Wieso sollte Ihnen jemand einen Penny in eine Tür stecken?“ „Das hat er mich auch gefragt. Aber ich krieg ihn noch dazu, es zu gestehen, ganz egal, ob Sie ihm helfen, verlassen Sie sich drauf.“ Hermine zog eine Augenbraue hoch und drängte sich an ihm vorbei zum Ausgang. „Wie Sie meinen.“ Einen Moment lang überlegte sie, ob er sie verfolgen würde, doch er schien es nicht zu tun. So schnell sie konnte lief sie wieder auf das Stockwerk mit der Intensivstation, wo JD, Cox und Snape arbeiteten. JD stand an der Schwesterstation vor einem kleinen Spiegel und versuchte, seine zerstrubbelten Haare wieder in Form zu bringen. Carla redete auf ihn, brach aber ab, als Hermine näher trat. „Haben Sie sich mit dem Hausmeister angelegt, um Bambi vor ihm zu retten?“, wollte sie mit hochgezogenen Brauen wissen. Hermine zuckte mit den Schultern. „Was ist dabei?“ JD wimmerte. „Du hast keine Ahnung, was du getan hast! Er wird dich jetzt genauso verfolgen und nie wieder in Ruhe lassen!“ Hermine lächelte. „Der soll ruhig kommen. Solange er keine Armee aus Killereichhörnchen aufstellt, sehe ich kein Problem.“ Sie hatte nicht wirklich Angst davor. Sicher, im schlimmsten Fall würde sie Magie einsetzen müssen und ihn obliviaten, doch sie hatte keinen Krieg er- und überlebt, um sich von einem rachsüchtigen Hausmeister ärgern zu lassen. Das konnte sie JD jedoch nicht sagen. „Redet ihr über den Hausmeister?“, fragte Cox‘ scharfe Stimme hinter Hermine. Sie wandte sich um. Er kam gerade gemeinsam mit Snape aus einem der Patientenzimmer und lief weiter den Flur entlang. JD heftete sich sofort an seine Fersen, und Hermine folgte. „Hermine hat mich vor dem Hausmeister gerettet“, plapperte JD sofort los. „Er wollte mich zu den Leichen sperren, aber sie hat ihn abgelenkt, bis ich abhauen konnte!“ Er wandte sich im Laufen zu Hermine um. „Woher wusstest du das mit den Eichhörnchen? Ich versuche seit Jahren, herauszukriegen, was er damit meint!“ Hermine tippte sich gegen die Nase und zwinkerte. „Frag nicht und ich erzähle dir keine Lügen.“ Snape neben ihr schnaubte. „Aber mir Vorwürfe machen“, murmelte er ihr sehr leise zu. „Ich hab Ihnen keine Vorwürfe gemacht“, wisperte sie zurück. „Sie hatten Recht, das ist ein Irrenhaus. Ein kleiner Vorteil wird uns nicht umbringen, solange niemand es mitbekommt.“ Snapes Lippen kräuselten sich. „Das sind ja fast slytherinsche Züge“, meinte er süffisant. Sie stieß ihm den Ellbogen in die Rippen und grinste. Die restliche Zeit bis zum Schichtwechsel am Abend verging relativ ereignislos, wenn man von einer kollabierenden Patientin absah, die Cox und JD allerdings erfolgreich wieder beleben konnten. Während die beiden mit Snape ihre letzte Runde für heute drehten, leistete Hermine den Schwestern Gesellschaft und füllte an der Schwesternstation ihr Protokoll für heute aus. „Nanu, Sie kenne ich ja noch gar nicht, Mäuschen, was machen Sie denn hier?“, fragte eine Stimme hinter ihr. Hermine wandte sich um. Ein kleiner, älterer Mann in einem Hemd mit Krawatte und Arztkittel darüber stand vor ihr. Ihr Blick huschte zu seinem Namensschild. Doktor Robert Kelso. Oha. Der Chef. Wie hatte sie nur vergessen können, sich bei ihm zu melden heute früh? JD und Cox hatten sie regelrecht überrollt, wie es aussah. Sie räusperte sich, ignorierte das ‚Mäuschen‘ und lächelte unverbindlich. „Mein Name ist Hermine Granger, ich bin Mister Snapes Bewährungshelferin. Entschuldigen Sie, dass ich mich bisher noch nicht vorgestellt habe.“ Er schüttelte ihre Hand mit einem breiten Lächeln, doch Hermine hatte das Gefühl, dass es ein wenig eingemeißelt aussah. „Das freut mich. Bob Kelso, Chefarzt. Wie kommt Mister Snape zu so einer hübschen jungen Bewährungshelferin?“ Hermine zog eine Augenbraue hoch. „Das müssen Sie meine Vorgesetzten fragen, ich mache hier nur meine Arbeit.“ „Hey, Bobo!“, ertönte Cox‘ Stimme, und er tauchte neben Hermine auf. „Haben Sie sich den ganzen Tag in Ihrem Büro verbarrikadiert, um mir nicht antworten zu müssen? Ich warte immer noch auf den neuen Tomographen!“ Kelso knurrte, warf Hermine einen argwöhnischen Blick zu und zerrte Cox dann ein Stück von ihr weg. Die beiden verfielen in eine halb geflüsterte, halb geknurrte und definitiv sehr geladene Diskussion. Snape lehnte sich neben Hermine an den Tresen. „Was halten Sie von Kelso?“, fragte er. Hermine seufzte. „Von den zwei Minuten, die ich ihn jetzt kenne? Ich weiß nicht Recht.“ Die beiden Ärzte beendeten die Diskussion, und diesmal sprach Kelso laut genug, dass Hermine ihn hören konnte. „Was hat zwei Daumen und scheißt auf Ihre Meinung?“ Er deutete mit seinen Daumen auf sich. „Bob Kelso, habe die Ehre.“ Dann setzte er ein falsches Lächeln auf, nickte Hermine zu und verschwand. Cox fletschte die Zähne und kam zu ihnen herüber. „Lassen Sie mich Ihnen eins sagen, Missy. Bob Kelso ist der Fürst der Finsternis. Lassen Sie sich bloß nicht von ihm auf die Dunkle Seit ziehen.“ Hermine zog eine Augenbraue nach oben. „Sagt der Arzt, den die meisten hier für einen Arsch halten – nichts für ungut.“ Cox tippte sich gegen die Nase und setzte ein falsches Grinsen auf. „Das ist immer noch besser, als den ganzen Tag mit einem Eitel-Sonnenschein-Grinsen herumzulaufen, allen zu sagen, wir wären eine Familie, die sich ja sooo lihihihieb hat, sich beim Aufsichtsrat einzuschleimen und dann das gesamte Budget für private Anschaffungen auszugeben statt für neue Geräte und jeden Patienten hochkant nach draußen zu kicken, der nicht versichert ist.“ Hermine blinzelte. Nun, das würde zumindest zu seinem eingemeißelt scheinenden Lächeln zu passen. Snape schnaubte. „Ihnen ist aber schon aufgefallen, dass er ausgerechnet vorgestern, als wir zwei unversicherte Patienten vertuschen mussten, sehr schusselig mit seinem Bürokram war, oder?“ Cox zog eine Grimasse und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Halten Sie die Klappe, Snape. Kelso ist der Teufel, und niemand wird mich vom Gegenteil überzeugen, klar? Seit wann stehen Sie eigentlich nur stumm daneben, wenn ich mit ihm diskutiere?“ Er schüttelte den Kopf und pfiff, und sofort kam JD heran gewuselt. Hermine blinzelte erneut. Es mag sein, dass er ein Muggel war, aber er schien regelrecht auf diesen Pfiff geeicht zu sein – und Cox musste wissen, dass er immer in der Nähe war, bevor er pfiff. Die beiden schienen wirklich wie ein gut geöltes Uhrwerk zu funktionieren. Faszinierend. „Flachzange, bring die Missy und Snape nach draußen, die Schicht ist vorbei.“ JD nickte. „Wie Sie wollen. Nacht, Doktor Cox.“ Er klopfte ihm kurz auf die Schulter. Cox fauchte und fletschte wieder die Zähne. „Fass. Mich. Nicht. An.“ JD zuckte zurück, als hätte er sich verbrannt. „Ist ja gut, ist ja gut.“ Er winkte Hermine und Snape, ihm zu folgen. Die drei gingen zum Hintereingang des Krankenhauses, wo Turk, Carla und Elliot offensichtlich auf JD warteten. „Hey, Vanillebär! Wir wollen etwas trinken gehen, kommst du mit?“ JD schien einen Moment zu zögern, dann fragte er Hermine: „Willst du mitkommen? Ich meine, wenn die anderen kein Problem damit haben.“ Turk grinste. „Alter, du weißt, dass deine Freunde auch meine Freunde sind.“ Carla zuckte mit den Schultern. „Von mir aus. Wenn ihr nicht den ganzen Abend über das Terror-Duo redet.“ Elliot nickte enthusiastisch. „Oh, ich bin sicher, wir finden viele andere Dinge, über die wir reden können!“ Hermine musste lachen und warf Snape einen Blick zu. Er musterte sie mit einem Blick, den sie nicht ganz deuten konnte, und nickte ihr dann zu. „Gehen Sie ruhig, ich brauche keinen Babysitter, der zwanzig Jahre jünger ist als ich. Ich nehme an, ich sehe Sie nächste Woche?“ Hermine nickte, auch wenn ein Teil von ihr sich noch nicht von ihm verabschieden wollte. „Exakt. Gute Nacht.“ Snape verschwand ohne ein weiteres Wort um die Ecke, das Ploppen seiner Apparation wurde von einem gerade anfahrenden Auto auf dem Parkplatz übertönt. JD lächelte Hermine erwartungsvoll an. „Also, kommst du?“ Hermine drängte das seltsame Gefühl in ihrem Magen zurück und erwiderte das Lächeln. Verdammt, sie sollte sich nicht wünschen, Snape hinterher zu gehen, nicht, wenn sie es hier endlich schaffen konnte, ein paar Freunde zu finden, die nicht genauso wie sie diverse Kriegstraumata mit sich herumschleppten. „Gerne.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)