Kaizoku no Kokoro von Rajani (Das Herz des Piraten) ================================================================================ Kapitel 4: Fukai ni ryoko ------------------------- Ein weiterer Tag war an Bord vergangen. Ein Tag an dem Chosokabe auf den jungen Soldaten aufgepasst und ihm immer wieder die Lippen befeuchtet hatte, damit er Flüssigkeit bekam. Und trotzdem fand er, dass es zu wenig war. Aber etwas anderes konnte er nicht tun, solange der Jüngere noch nicht bei Bewusstsein war. Chosokabe hatte sich eine weitere Nacht an die Wand gelehnt und recht unruhig geschlafen. Ein Klopfen riss ihn aus seinem leichten Schlaf. Murrend ließ er den Störenfried eintreten. „Katsuragi kann die Küste bereits erkennen!“ Chosokabe setzte sich auf. „Ich komme gleich.“, sagte er und warf einen prüfenden Blick auf den Jüngeren. Seine Augen zuckten unter den Lidern wild umher. Chosokabe hoffte, dass er bald aufwachen würde. Zumindest hatte er dieses Augenzucken bisher noch nicht getan. Vielleicht war das ein gutes Zeichen. Er strich ihm ein paar feuchte Haare aus dem Gesicht und ging dann an Deck zu Katsuragi. Der stand oben vor dem Ruder und sah durch ein Fernrohr zu der noch weit entfernten Küste, die mit bloßem Auge noch nicht sichtbar war. „Wann werden wir da sein?“, fragte Chosokabe. Katsuragi schob das Fernrohr zusammen. „Ich denke, wir werden Yu ni kori heute Abend erreichen. Vielleicht schon früher, wenn das Wetter sich hält.“ „Sehr gut. Ich freue mich schon auf die heißen Quellen.“ Katsuragi grinste. „Oh ja, das glaube ich. Wie geht es deinem Gast?“ „Mir scheint, er erlangt langsam sein Bewusstsein zurück. Zumindest hoffe ich das.“ „Du hoffst...?“ Chosokabe sah Katsuragi mit einem boshaften Grinsen an. „Kisho hat prophezeit, ich würde ihn nach wenigen Stunden tot über Bord werfen. Dem werd' ich's zeigen! Kisho werden die Augen rausfallen, wenn er ihn auf meiner Burg umherlaufen sieht!“ „Und wenn er doch unser Feind ist?“ „Das werde ich sehen, wenn er aufwacht und es mir sagt. Bis dahin steht er unter meinem Schutz! Dass mir das jede Landratte hier auf meinem Schiff weiß!“, fauchte Chosokabe, gab Katsuragi ein freundschaftliches Schulterklopfen und ein Lächeln und ging zurück in die Kajüte. Sein Patient lag noch immer ruhig auf seinem Lager. Er betrachtete ihn einen Moment, dann setzte er sich neben den Futon. „Wer bist du...“, fragte er ins Leere. Die Lider des Jüngeren zuckten wieder. Chosokabe saß daneben und beobachtete ihn. Wacht er etwa auf? Er tränkte das Tuch erneut in der Wasserschale und tupfte die Lippen des Fremden ab. Sah er gerade richtig? Er öffnete den Mund ganz leicht! Chosokabe schluckte, drückte aber noch etwas mehr Wasser aus dem Tuch. „Komm... Wach auf...“, sagte Chosokabe angespannt. Wie ein Flackern bewegten sich die Lider in dem hübschen Gesicht und Chosokabe hoffte darauf, dass er aufwachte. „Komm schon...“ Mit dem feuchten Tuch wischte er ihm über die Stirn und die Haare blieben auf der Haut kleben. Mit der Hand schob er sie weg und prüfte gleichzeitig die Temperatur. Sie war zum Glück nicht erhöht. Ein Grund mehr zu hoffen, dass er aufwachte. Doch das Flackern erstarb wieder und Chosokabes Patient lag völlig ruhig da. Als würde er schlafen. Chosokabe seufzte, tupfte noch einmal mit dem feuchten Tuch über die Lippen des Jüngeren und erhob sich. Ich brauch frische Luft... Und er vermutlich Ruhe vor mir... Nachdenklich lehnte er sich über die Reling und warf einen Blick auf das eisgraue Einerlei vor sich. Zwischen Meer und Horizont konnte man kaum unterscheiden. Das war einer der Gründe, warum Katsuragi am Ruder stand. Mit diesem Wetter hatte er eindeutig die besseren Erfahrungen als Chosokabe. Die Heimatinsel war bereits deutlich erkennbar, dafür brauchte man kein Fernrohr mehr. Er freute sich auf die Heimat, auch wenn er das Meer und das Leben auf dem Schiff noch mehr liebte. Aber was soll's, jedes Schiff braucht einen Hafen und ich freue mich, mal wieder zu Hause zu sein. Nur... Er sah zurück zur Kajüte. Um nach Hause auf seine Burg nach Tosa zu kommen, müssten sie noch einen mehrstündigen Ritt hinter sich bringen. Die Wehrburg an der Küste war jedenfalls nur spärlich eingerichtet und entsprechend ihrer Funktion eher mit Waffen als mit einer Dienerschaft ausgerüstet. Aber mit dem Verletzten in der Kajüte dürfte der Ritt deutlich erschwert sein. Zumindest wenn er nicht aufwachte. Er wollte nicht darüber nachdenken und ging eilig zu Katsuragi hinauf. „Und? Was macht der arme Kerl?“, fragte Katsuragi grinsend. „Ach hör auf... Ich dachte grad, er wacht auf...“ „Wäre praktisch. Wir werden bald ankommen, wenn der Wind so bleibt.“ „Ist mir auch klar. Ich kann ihn allerdings schlecht wachrütteln!“, knurrte Chosokabe sarkastisch. „Natürlich nicht. Mir scheint, du hast dir darüber schon Gedanken gemacht, Aniki.“, sagte Katsuragi und sah ihn an. „Immerhin ist die Wehrburg hauptsächlich mit Waffen bestückt und nicht sonderlich komfortabel.“ „Ich weiß. Wir werden demzufolge nach Tosa reiten.“ „Mit ihm?? Du bist verrückt...“ Chosokabe sah ihn mit einem breiten Grinsen an. „Wenn ich das nicht wäre, hätten wir Shikoku doch schon längst verloren.“ Katsuragi lachte laut los. „Oh ja, das hätten wir wohl!“ Sie lachten eine Weile, dann sahen sie wieder ernst auf das tosende Meer vor ihnen. Vereinzelt flog eine Möwe an ihnen vorbei, manchmal setzten sie sich auf die Reling und stießen ihren Möwenschrei aus. Währenddessen sprang das Meer an den Planken hinauf und klatschte dann wieder auf die Wasseroberfläche. „Und du meinst, das klappt, Aniki?“, fragte Katsuragi. „Es muss. Ich hoffe, er wacht auf, bevor wie anlegen. Aber egal wie es steht, wir werden reiten. Allerdings nicht alle. Nur du, ich und der Junge und ein paar Leute, die du aussuchst. Ich will nicht, dass wir mehr als sechs Pferde brauchen.“ Der Mann am Ruder musste wieder lachen. „Sei ehrlich, es sind gar nicht mehr Pferde in der Wehrburg!“ Chosokabe klopfte ihm lachend auf die Schulter. „Und ob da noch mehr Pferde sind! Aber wie sieht das für unsere Landsleute aus, wenn ein ganzes Heer Landratten durchs Land streift? Belassen wir es dabei, wir reiten zu siebt vor, der arme Tropf in meiner Kajüte wird bei mir mitreiten. Die anderen können ja Stück für Stück nachkommen. Diesen Winter werden wir jedenfalls nicht nochmal in See stechen. Jedenfalls nicht mit diesem Schiff.“ „Wie du meinst. Dann geh mal nachsehen, ob der arme Tropf da unten mal langsam aufwacht.“ Sie grinsten sich an und Chosokabe verließ das Deck wieder um einen Blick in die Kajüte zu werfen. Sein Patient war noch immer ruhig, er tupfte ihm erneut die Lippen feucht und streifte dann über sein Schiff. Er konnte nicht ständig auf ihn aufpassen. Aber nun gut, einen Blick auf seine eifrige Mannschaft zu werfen, dauerte ja auch keine Ewigkeit. Schmerz... Ihm tat alles weh... Warum? Der Rücken schmerzte ihm schrecklich und der Kopf tat ihm auch weh. Er bekam die Augen nicht richtig auf, doch das was er gelegentlich erkennen konnte, kam ihm alles unbekannt vor. Und es war auch recht dunkel. Es roch jedoch angenehm. Dennoch täuschte es nicht darüber hinweg, welche Schmerzen ihn quälten. Plötzlich nahm er Licht war, eine Tür die geschlossen wurde und es war wieder dunkler. Dann hörte er Schritte, das Rascheln von Stoff und ein Seufzen. Er konnte seinen Kopf nicht bewegen, nur seine Augen, deren Lider ihm noch immer nicht gehorchen wollten, versuchten etwas zu erkennen. Aus dem Augenwinkel nahm er eine Gestalt war. Sie schien auch etwas zu sagen, doch er nahm es nicht richtig wahr. Plötzlich spürte er etwas kühles auf seinen Lippen und die Flüssigkeit war angenehm. Er hatte Durst, seine Kehle schmerzte und fühlte sich so trocken an, wie der Feldsand im Hochsommer. Der Schmerz drang wieder vor und es fiel ihm schwer, sich auf die Umgebung zu konzentrieren. Und er war müde... zu müde, um sich auf die Person neben ihm zu konzentrieren... „Nein... Nicht wieder einschlafen. Bleib wach!“, sagte Chosokabe. Gerade als er seinen Rundgang an Bord beendet hatte und in die Kajüte gekommen war, hatte es den Anschein, als würde der Fremde aufwachen. Die flackernden Lider und der Versuch die Augen zu öffnen waren ein deutlicher Fortschritt. Chosokabe träufelte noch einmal Wasser auf seine Lippen, doch es gelang dem Jungen nicht aufzuwachen. Enttäuscht strich er ihm über die Haare. „Du solltest langsam aufwachen...“ Es war bereits Abend geworden, als Chosokabe und Katsuragi zusahen, wie die Mannschaft ihre Habe zusammenpackte und sich für die Landung bereit machte. Katsuragi war wie Chosokabe einer der wenigen, die kaum etwas Persönliches mitnahmen, wenn sie das Schiff betraten. „Aniki? Ist dein Schützling schon wach?“, fragte Katsuragi, als der Anker in Position gebracht wurde. „Ich hoffe es. Vorhin hatte er ganz kurz die Augen offen. Ich gehe gleich und hole ihn, ob er nun wach ist oder nicht.“ Katsuragi nickte und Chosokabe ging nach ein paar Sekunden zur Kajüte zurück. Leise ging er hinein und nahm noch ein wenig von dem verbrannten Eukalyptus wahr. Er setzte sich neben den Futon und beobachtete das Gesicht des Jüngeren. Seine Augen bewegten sich und hin und wieder öffnete er sie für eine Sekunde. „Na los, wach auf.“, sagte Chosokabe und träufelte wieder etwas Wasser auf die Lippen des Fremden. Er schien zunehmend wacher zu werden. Die Sekunden, in denen er die Augen offen hielt, wurden immer länger. „Ja gut so!“ Die dunklen Augen schafften es endlich, Chosokabe zu fixieren und mit wenigem Blinzeln den Blick zu halten. „Na endlich...“, seufzte Chosokabe erleichtert. „Gerade rechtzeitig.“ Er bekam jedoch keine Antwort. Nur die Mandelaugen sahen ihn an. „Du hast bestimmt Durst.“, sagte er und hob die Schale mit dem Wasser in das Blickfeld des anderen. Die Mandelaugen blinzelten einmal. „Ja?“, hakte Chosokabe nach und er blinzelte er erneut. Chosokabe griff in den Nacken des Jüngeren und hob ihn ein wenig an, was ein schmerzverzerrtes Gesicht zur Folge hatte. Trotzdem wollte er trinken, also hielt Chosokabe ihm die Schale an die Lippen und sah zufrieden zu, wie er trank. „Gut so.“, freute er sich und stellte die Schale beiseite. „Leider muss ich dich weiter ärgern. Wir müssen das Schiff verlassen und dazu muss ich dich irgendwie hier rauskriegen.“ Erschöpft sah der Jüngere ihn an und blinzelte dann einmal. Chosokabe nickte und holte zunächst einmal wärmere Sachen aus seinem Schrank, die er seinem Patienten überzog. Er selbst warf sich nur einen Mantel über, dann setzte er sich nachdenklich neben den Futon. „Gut... Wie mach ich das am besten...“, überlegte Chosokabe laut. Sein Blick fiel auf die langen Tücher die auf der anderen Seite des Raumes lagen. „Du wirst noch nicht so viel Kraft haben, dich an mir festzuhalten... da bleibt mir nur eins.“, sagte er und holte sich eines der Tücher. Damit band er die Handgelenke des Fremden in einem gewissen Abstand zueinander mit dem Tuch zusammen. „Keine Angst, dass ist nur, damit ich dich tragen kann.“ Dann hob er den Oberkörper das anderen an, legte sich seine Arme mit dem Band zwischen den Handgelenken über den Kopf und hob ihn auf die Arme. Wieder wurden die Mandelaugen zusammengekniffen und das Gesicht schmerzlich verzogen. „Tut mir Leid, anders geht es nicht. Ich hoffe, du frierst nicht so schnell, draußen ist es kalt.“, sagte Chosokabe und irgendwie gelang es ihm, die Kajütentür zu öffnen. Die Mannschaft draußen warf ihm überraschte Blicke zu und er spürte ganz deutlich Katsuragis Blick über sich. „Anlegen und an Land gehen! Katsuragi, du hilfst mir. Ich bin grad etwas eingeschränkt.“, sagte er laut und die Anweisung an Katsuragi mit einem breitem Grinsen. „Geht klar, Aniki.“, tönte Katsuragi über ihm. Die Mannschaft ging von Bord, Katsuragi und Chosokabe mit seinem Patienten waren die letzten. Katsuragi steuerte die kleine Nussschale auf das Land zu während er Chosokabe und den Fremden musterte. „Und?“, fragte er nur. „Das kriegen wir schon hin. Hast du dir schon überlegt, wer uns begleitet?“ „Habe ich. Ich hab sie als erstes losgeschickt, damit sie schon alles vorbereiten können und es nicht so lange dauert, Aniki.“ Chosokabe nickte zufrieden. „Gut. Ich habe mir überlegt, dass der Rest der Mannschaft zur Sicherheit doch hier bleibt. Ich weiß nicht, aber ich glaube, Mori wird das kalte Wetter wohl nicht stören...“ „Das würde ich eher dir zutrauen als dem alten Mori. Aber sicher ist sicher.“, sagte Katsuragi. Der nasse kalte Sand knirschte unter dem kleinen Boot, als sie den Strand erreichten. Die Wehrburg war sofort zu sehen und sie hatten sie recht schnell erreicht. Die sechs Pferde waren bereits gesattelt und die anderen vier Männer packten gerade die Taschen mit Proviant voll, als Chosokabe und Katsuragi mit dem Verletzten ankamen. Auch sie sahen den Fürsten verwirrt an. Dass er einen überlebenden Soldaten von Oshiba-shima mitgenommen hatte wusste ja das ganze Schiff, aber dass er es tatsächlich bis jetzt überstanden hatte und der Fürst ihn auch noch mitnehmen wollte, das wussten sie nicht. Und schon gar nicht, wie er das anstellen wollte. „Alles bereit?“, fragte Chosokabe. „Ähm... Ja, Aniki... aber wie...“, setzte einer von ihnen an. „Das wirst du gleich sehen. Katsuragi! Hilf mir mal.“, antwortete Chosokabe. Katsuragi folgte ihm zu seinem Pferd. Chosokabe setzte den Jüngeren auf die Füße, hielt ihn aber an der Hüfte fest. Katsuragi band dessen Handgelenke los und Chosokabe übergab den Fremden kurz an ihn. Dann stieg er auf sein Pferd und Katsuragi half ihm, den Fremden vor sich in den Sattel zu heben, möglichst ohne ihm Schmerzen zu bereiten. Chosokabe band ihn an sich fest und befahl den anderen ebenfalls aufzusitzen, damit sie losreiten konnten. Es würde nicht gerade leicht werden, denn der junge Soldat mit den schönen Mandelaugen war wieder bewusstlos geworden. Dennoch ritten sie los. Sie würden ungefähr einen halben Tag brauchen, aber da sie mit einem Verletzten reisten, würde es etwas länger dauern. Außerdem ritten sie erst jetzt am Abend los und würden bald einen Rastplatz finden müssen. Katsuragi hatte dafür bereits einen der Männer vorausgeschickt um einen Bauernhof zu finden, der sie aufnehmen konnte. Sein Blick ging derweil zu Fürst Chosokabe und dessen Schützling hinüber. Der Kopf des armen Jungen hing schlaff an Chosokabes Schulter, der ihn mit einem Arm über dem Oberkörper festhielt und mit der anderen das Pferd lenkte. Das Haar des jungen Soldaten war etwas zerzaust, demnach musste es Chosokabe doch am Hals kitzeln. Doch der Fürst ließ sich davon jedenfalls nichts anmerken. Sie ritten in gemäßigtem Tempo los, damit sie nicht zu sehr durchgeschüttelt wurden, was dem Verletzten sicher nicht gut bekäme. Nach einer Weile erreichten sie mithilfe des vorausgeschickten Mannes einen Hof, wo sie übernachten konnten. Die Sonne war gerade untergegangen, als sie dort ankamen. Genau rechtzeitig also. Allerdings mussten sie sich mit Pferdestall abfinden. Bei den Leuten, die dort wohnten war kein Platz und der Stall war der einzige Ort, der einigermaßen annehmbar war. Also stellten sie ihre Pferde dort unter und während einer von ihnen Wache hielt, legten sich die anderen ins Stroh. Kalt war es jedenfalls nicht, von den Pferden ging genügend Wärme aus. Chosokabe breitete seinen Mantel aus, damit das Stroh seinem Patienten nicht in die Wunden stach. Er selbst legte sich dicht daneben. Früh am nächsten Morgen ritten sie weiter, damit sie am Nachmittag die Burg in Tosa erreichten. Während des Ritts aßen sie ein paar getrocknete Pflaumen als Frühstück. Kurz darauf schien Chosokabes Schützling wieder aufzuwachen. Er bewegte den Kopf und blinzelte. Trotz des langsamen Tempos schien ihn jeder Schritt des Pferdes zu schmerzen. Aber noch langsamer konnten sie nicht reiten. „Hast du Durst?“, fragte Chosokabe. Ein Murren war die Antwort, was Chosokabe als ja auffasste. Er fischte aus der Satteltasche eine Art Flaschenkürbis in dem Wasser war und hielt sie ihm an den Mund. Langsam trank der Jüngere. Nachdem Chosokabe das Wasser wieder verstaut hatte sah er zurück zu dem Haarschopf an seiner Schulter. Er atmete hörbar aus und ließ seinen Kopf mit dem Gesicht zu Chosokabe an die Schulter sinken. „Katsuragi. Schick einen der Männer vor, damit wir bald Pause machen.“ „In Ordnung.“ Es war bereits später Nachmittag als sie endlich die Burg erreichten. Sie hatten alle Hunger. Bei der letzten Pause hatten sie jeder einen getrockneten Fisch gegessen und noch einmal einige Pflaumen. Mit Mühe hatte Chosokabe den jungen Soldaten dazu bekommen, wenigstens an einer Pflaume zu knabbern. Obwohl das mehr ein Lutschen war, als alles andere. Scheinbar war er noch zu schwach. Eigentlich kein Wunder, wenn man seit fast drei Tagen nichts gegessen hatte und dazu noch mit Verletzungen flach gelegen hatte. Es war also nur allzu verständlich, dass Chosokabe unbedingt Essen aufgetischt haben wollte, nachdem sie angekommen waren. Die Pferde waren bereits untergebracht und die Männer saßen zusammen um einen niedrigen Tisch, Chosokabes Schützling saß an dessen Seite. Währenddessen tischten die Diener heiß dampfende Misosuppe, gegrilltes Gemüse, gedünsteten Fisch und gebratenes Fleisch mit Soßen und Reis auf. Die Suppe konnte der Fremde gut essen, sodass er davon wenigstens einigermaßen satt wurde, wie Chosokabe es sich erhofft hatte. Nachdem der Hunger gestillt war, brachte Chosokabe den Jungen in seine Räume. Er richtete seinen Futon her und einen zweiten, wo der Fremde schlafen sollte. Dort legte er ihn nieder und setzte sich daneben. „Geht es dir besser?“, fragte er dann. Ein Nicken. „Meinst du, du kannst schon reden?“ Ein Krächzen kam als Antwort. Doch nach einigem Räuspern klang die Stimme bereits klarer. Sie war angenehm. Ein wenig tiefer als seine eigene. „Hast du starke Schmerzen?“ „Es... geht.“, brachte der Fremde hervor. Chosokabe nickte. „Wie heißt du?“ Der andere sah ihn einen Moment an, dann sah er auf seine Hände. „Ich... weiß nicht...“ Chosokabe sah verdutzt drein. „Wie? Du weißt nicht? Weißt du denn wenigstens, was passiert ist? Warum du verletzt bist?“ Wieder schaute der andere ihn nur an. „Nein. Warum?“ „Oje...“, seufzte Chosokabe. „Was ist denn?“, fragte der Fremde und sah Chosokabe fragend an. „Wir waren in einer Schlacht. Du hast es gerade so überlebt.“ Darauf erhielt Chosokabe keine Antwort, nur einen starren Blick. Er berührte die Schulter des Jüngeren. „Du hast es überlebt. Du bist hier in Sicherheit.“ Später am Abend ging Chosokabe zu Katsuragi. Der saß gerade in einem der kleineren Gärten. Er ließ sich neben dem Mann nieder. „Aniki... Du hier? Solltest du nicht bei deinem Schützling sein?“, fragte Katsuragi. „Er schläft. Und ich hab ein kleines Problem.“, antwortete Chosokabe. „Das da wäre?“ „Er weiß nicht, wer er ist. Er weiß auch nicht, warum er so verwundet ist.“ Katsuragi sah ihn perplex an. „Oje! Auch das noch!“ „Und was mach ich jetzt? Hast du eine Idee?“ „Gib ihm einen Namen. Früher oder später wird er sich hoffentlich an seinen richtigen Namen erinnern. Bis dahin...“ Chosokabe nickte. Was anderes würde ihm wohl nicht übrig bleiben. „Wie wäre es mit Nobuchika?“ Katsuragi warf ihm ein breites Grinsen zu. „Da weiß man doch sofort, wo er hingehört!“ Chosokabe lachte. Er blieb noch eine Weile bei Katsuragi sitzen, trank noch etwas Sake mit ihm und ging erst sehr spät zurück zu dem Fremden. Dem jungen Soldaten, der ab jetzt Nobuchika heißen sollte, bis er sich an seinen richtigen Namen erinnerte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)