Kaizoku no Kokoro von Rajani (Das Herz des Piraten) ================================================================================ Kapitel 11: Kara yoru made yoake -------------------------------- Katsuragi stand im Hof, als Chosokabe und Nobuchika zurückkamen. Es war dunkel, bis auf die wenigen Lichter, die aus vereinzelten Zimmern schienen. „Wo wart ihr? Ich habe euch gesucht!“, begrüßte er sie grimmig. „Tut mir Leid, ich hab Nobuchika meinen Lieblingsplatz während es Hanami gezeigt.“ „So lange? Aniki, ich hab euch beide gesucht, seit sie das Sakura-Lied aufgeführt haben!“ „Warum regst du dich so auf? Ich kann doch auf mich allein aufpassen.“ Katsuragi seufzte. „Ja kannst du... Aber darum allein geht es mir nicht, Aniki.“ Chosokabe stutzte. „Um was dann?“ „Kümmere dich erstmal um Nobuchika, er sieht ziemlich müde aus. Danach können wir reden.“, meinte Katsuragi mit einem Seitenblick auf Nobuchika. In dessen Haaren sah er Kirschblütenblätter und er ahnte, was tatsächlich so lange gedauert hatte. Chosokabe hingegen berührte Nobuchika an der Schulter und schob ihn sanft ins Innere der Burg. Katsuragi folgte ihnen und blieb vor den Shoji stehen, die ihn von Chosokabes Zimmer trennten. Er erwartete, dass es eine Weile dauern würde, doch der Fürst kam erstaunlich schnell zu ihm zurück. „Was ist denn nun passiert?“, fragte Chosokabe. Katsuragi legte eine Hand auf seinen Arm. „Komm mit. Nicht hier auf dem Flur.“ Chosokabe runzelte die Stirn, folgte ihm aber bis in dessen Zimmer. Er war überrascht wie akkurat Katsuragi alles zu liegen hatte, was er besaß, was in der Tat nicht viel war. Hier gab es keine unnütze Dekoration, keine Banner mit Weisheiten, bis auf eines, welches ein Zitat aus dem Bushido war. In der Mitte stand ein niedriger Tisch mit einem Kissen auf der Seite, von wo aus der Blick auf das Banner gerichtet war. Neben den Shoji zu der Terrasse mit einem winzigen Stück Garten stand eine rundliche Laterne. Alles war im Mondlicht, dass durch die Shoji hindurch drang, gut erkennbar. Katsuragi ging zum Schrank, fischte ein Kissen hervor und legte es neben das bereits vorhandene. Dann setzte er sich und bat Chosokabe neben sich. „Also... Was ist nun?“, fragte der Fürst. Katsuragi sah ihm einen Moment in die Augen. „Bevor ich darauf zu sprechen komme... Hast du... mit ihm...?“ Chosokabe schaute einen Augenblick lang verwirrt, doch dann verstand er. „Warum ist das auf einmal wichtig? Was wäre denn, wenn ich es getan habe?“ „Vergiss, dass ich gefragt habe... Viel wichtiger ist, was ich erfahren habe, bevor ihr verschwunden seid.“, entgegnete Katsuragi. „Was hast du erfahren?“ „Mori ist wieder an der Küste aufgetaucht.“ „Schon wieder? Will er sich wieder eine Kanonenkugel einfangen?“ „Wohl nicht, er ist nicht nur mit einem Schiff gekommen. Mir wurde zugetragen, dass er mit mehreren Schiffen vor Anker liegt.“, berichtete Katsuragi. Chosokabe sah nachdenklich zur Seite. Dorthin wo die Laterne stand. „Was hat das wieder zu bedeuten? Er hätte doch keinen Grund, jetzt anzugreifen... Und warum hast du kein Licht angemacht?“ „Das erkläre ich dir gleich. Mich hat die Nachricht nämlich auch verwundert. Entweder ist es Mori selbst, weil er etwas sucht oder es ist einer seiner Söhne, weil sie Anspruch auf Shikoku erheben.“ „Seine Söhne? Aber wenn es einer von ihnen, oder von mir aus auch beide wären, dann würde es ja bedeuten, dass Mori entweder krank ist, im Sterben liegt oder schon tot ist...“ „Dachte ich mir auch, aber all das ist noch nicht das, was mich am meisten überrascht hat.“ „Sondern?“ „Ich habe obendrein noch erfahren, dass an der Nordküste, also gar nicht weit weg von hier, ein kleines Boot gelandet ist. Ich könnte schwören, dass es mit Moris Flotte zusammenhängt, aber das konnte mir keiner sagen...“ Chosokabe sah nachdenklich aus. „Ein Boot... Wann?“ „Das weiß ich nicht, vielleicht ist es schon ein oder zwei Tage her. Der Weg von dort ist nicht weit bis hier her. Ein Ninja oder Bote könnte den Weg in wenigen Stunden schaffen. Ich wüsste nur nicht, was er suchen sollte...“, sagte Katsuragi. Aber ich habe da eine Ahnung... „Ich weiß es auch nicht... Es war mir schon ein Rätsel, dass Mori mitten im Winter mit nur einem Schiff aufgetaucht ist. Ich nehme an, er wollte sich herantasten oder etwas herausfinden. Ich frag mich nur was...“ Katsuragi räusperte sich, stand auf und überprüfte das gesamte Zimmer sowie den Garten, bevor er sich wieder setzte. „Ich will dir nicht zu nahe treten, Aniki, aber denk mal genau nach. Eine Sache gäbe es, auch wenn ich nicht weiß, welchen Sinn es für Mori hat.“ Er sah Katsuragi fragend an. „Wie meinst du das?“ „Nun ja, mir schien es so, als wäre Mori nur mitten im Winter herangekommen um uns auszukundschaften. Im Nachhinein betrachtet, könnte er das aber jederzeit tun und soweit ich mich erinnere, ist es wohlbekannt, dass an unserer Küste genau dort wo er hätte landen können, eine Wehrburg steht. Wenn er das doch wusste, warum dann? Und warum dieses fremde Boot jetzt an der Nordküste, während eine Flotte wie aus dem Nichts, ohne Kriegserklärung, auftaucht? Es bleibt nur eins: Entweder sucht er etwas oder er will etwas zurück haben... Und letzteres scheint am ehesten Sinn zu machen.“ Chosokabe sah ihn im Dunkeln an und Katusragis Gesicht war nur schemenhaft im fahlen Mondlicht zu sehen. „Willst du mir allen Ernstes sagen, dass sich hier zum einen ein Spion oder Ninja von Mori herumtreibt und ich zum Anderen etwas habe, dass er haben will? … Aber was habe ich ihm denn...“ Katsuragi sah ihn ausdruckslos an, während Chosokabe offenbar ein Licht aufging. „Du meinst also... Weil ich vom Schlachtfeld einen Soldaten mitgenommen habe, der sich nicht erinnern kann, wer er ist, ist Mori jetzt gegen uns ins Feld gezogen? Wegen eines Mannes, von dem wir uns nicht sicher sein können, zu wessen Seite er gehört?“ „Aniki... Keiner von unseren Leuten kennt ihn. Kisho hat von Anfang an gesagt, dass der Junge zum Feind gehört... Sieh es ein, Nobuchika ist ein Soldat in Moris Sold.“ „Aber er weiß es doch nicht! Und überhaupt, warum sollte Mori sich für einen Soldaten in solchem Maße einsetzen??“ „Das frage ich mich ja auch... Entweder er ist neuerdings übermäßig sozial oder aber, Nobuchika ist nicht einfach nur ein Soldat.“ Chosokabe stöhnte verärgert auf. Dann erinnerte sich an eine Eingebung, die sich nach Moris erstem Auftauchen in ihm geregt hatte. Damals hatte er tatsächlich für einen Moment gedacht, dass es dem alten Mann vom Festland um den Unbekannten gehen könnte. Aber es war so abwegig gewesen, dass er es sofort wieder vergessen hatte. „Meinst du... Nobuchika ist kein Soldat? Aber was dann? Wer dann, dass er solchen Aufwand von Fürst Mori erwarten kann?“ „Ein Soldat ist er ganz sicher nicht, ich habe ihn mir in den letzten Tagen genauer angesehen, ihn etwas beobachtet. Für einen Soldaten hat er zu feine Züge. Er ist zu sanftmütig. Meiner Meinung nach ist er weder Soldat noch General. Wenn er denn überhaupt etwas mit Waffen zu tun hat...“ Chosokabe fuhr sich seufzend mit der Hand über das Gesicht. „Nein... Ich sag dir, es geht um die Insel... Ich glaube nicht, dass es mit Nobuchika zu tun haben soll. Vielleicht ist es wirklich so, dass einer seiner Söhne die Flotte führt...“ „Glaubst du das selbst? Glaubst du wirklich, dass dieser fremde Mann in deinem Zimmer, der sich an nichts erinnern kann, nicht der Grund für das alles ist? Damit hat doch erst alles angefangen. Erinnere dich an den angeblichen Bettler! Er hat nach ihm gefragt! Ich sage dir, der weiß, was hier los ist! Wer er ist!“, fluchte Katsuragi leise und deutete mit der Hand in Richtung von Chosokabes Zimmer. Der schaute ihn nur an. Aber warum... Wer ist Nobuchika wirklich, dass es diesen Aufwand rechtfertigt? Katsuragi seufzte und legte eine Hand auf Chosokabes Arm. „Du willst nicht, dass er zu Mori gehört, oder?“ „Würdest du es denn wollen?“, murrte Chosokabe. „Wenn ich an deiner Stelle wäre... nein.“ Es herrschte für eine Weile Schweigen im Zimmer. Katsuragis Hand lag noch immer auf Chosokabes Arm. Chosokabe spürte die Wärme, die von ihr ausging. Doch dass Katsuragi im Gegensatz dazu ein elektrisierendes Kribbeln empfand, das konnte er nicht wahrnehmen. Katsuragi hingegen gab sich für diesen einen Augenblick dem Gefühl hin. „Weißt du was... Solange wie keiner von uns weiß, wer Nobuchika wirklich ist, will ich mir darüber auch nicht den Kopf zerbrechen. Wir werden sehen, was Mori tut.“, sagte Chosokabe und stand auf. „Schlaf jetzt lieber... Wenn Moris Flotte tatsächlich an unserer Wehrburg vorbeikommt, dann sollten wir gewappnet sein.“ Katsuragi nickte und Chosokabe verließ sein Zimmer. Seufzend holte er sein Bettzeug aus dem Schrank und legte sich hin. Er ist verliebt... Er sieht nicht, dass Nobuchika gerade zur Gefahr für uns alle geworden ist... Er will es nicht sehen. Wieder seufzte er und legte einen Arm über seine Augen. Unter diesen Umständen... wie soll ich da je eine Chance haben... Es war mitten in der Nacht, als es an Okimotos Kajütentür leise klopfte. Knurrend drehte er sich um und bat den nächtlichen Gast herein. Es war sein Ninja Genjiro. Wortlos bedeutete er ihm, ihm in einen Nebenraum zu folgen. Er hatte ihn vom Schiff aus vor drei Tagen schon ausgeschickt, weitere Erkundigungen einzuholen und erwartete nun gespannt seinen Bericht. „Was hast du herausgefunden?“ „Euer Bruder wohnt tatsächlich zur Zeit in Chosokabes Burg. Offenbar weiß er nicht, wer er ist. Er wird dort Nobuchika genannt. Es ist höchst interessant, wie er zu dem Piratenfürsten steht.“ „Berichte.“ „Sie haben ein Verhältnis. Ich habe sie beobachtet.“ „Sehr interessant...“, murmelte Okimoto. „Allerdings weiß man in der Burg bereits, dass Moris Flotte an der Küste landet.“ „Das ist nicht wichtig, ich habe nichts anderes erwartet. Hier dein Lohn.“, sagte Okimoto und holte aus einer Schublade einen kleinen Lederbeutel, den er Genjiro zuwarf. So leise, wie Genjiro gekommen war, verschwand er wieder. Okimoto hingegen blieb in dem kleinen Raum stehen. Ein Verhältnis... das kommt mir ja sehr gelegen... Und dann auch noch Gedächtnisverlust... Es wird mir ein Vergnügen sein, dir deine Erinnerung wieder in den Kopf zu dreschen, kleiner Bruder! Ein überlegenes Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht. Gerade das spielte ihm jetzt erst recht in die Hände. Und die Angelegenheit mit ihrem Vater würde er auch noch regeln müssen. Er warf einen Blick in die zweite Schublade, die er aufschloss. Dort lag ein kleiner Beutel. Er war sich sicher, dass er ihn zugebunden hatte, doch selbst wenn er es nicht getan hatte, so war doch die Schublade abgeschlossen gewesen. Der Inhalt war ein silbergraues Pulver. Er band das Beutelchen wieder zu, schloss die Schublade ab und ging zurück zu seiner Frau. Sano wanderte früh am Morgen über Deck. Es war etwas neblig, aber die Wehrburg an der Küste hob sich deutlich sichtbar darüber hinweg. Er warf einen Blick zu den Kajüten. Ein Diener brachte eine Teekanne in Okimotos Kajüte, aber sonst war nichts zu sehen. Aber es war ungewöhnlich für Okimoto, Tee zu trinken. Vor allem um diese Zeit. Und wieder fand sich Sano darin bestätigt, was er bereits ahnte. Okimoto war Schuld an Fürst Moris Zustand, welcher sich immer weiter verschlechterte. Er lag nur noch im Bett. Sano wusste nicht, was genau es war, aber er wusste, dass es im Tee sein musste. Immer wenn der Tee gebracht wurde, war es einer von Okimotos Dienern. So auch heute, als er gerade zu Fürst Mori in die Kajüte ging. Der Tee wurde gerade abgestellt und der Diener huschte wieder hinaus. Sano warf einen Blick in die Tasse. Es sah aus wie Tee und es roch auch so. Kopfschüttelnd wandte er sich dem Fürsten zu. Er wusste inzwischen, dass Okimoto ein eigenartiges Pulver bei sich verwahrte. Er hatte einen der Diener bestochen, damit er bei Okimoto heimlich herumschnüffelte. Zum Glück hatte es auch Erfolg gehabt. Allerdings hatte Sano noch keine Zeit gehabt, sich Gedanken darüber zu machen. Fürst Moris Zustand hatte seine Zeit und die einiger Diener sehr in Anspruch genommen. Da der Fürst nur noch im Bett lag und sich fast nur noch bewegte, wenn er von Krämpfen und Schmerzen geschüttelt wurde, blieb es nicht aus, dass sie ihn immer wieder sauber machen mussten. Sano setzte sich an die Seite des Fürsten. Dessen Haar sah so dünn aus, seine Haut war aschgrau und sein Atem ging wie rasselnde Ketten. Sano seufzte. Es war nur noch eine Frage der Zeit. „...Mein Tee...“, krächzte der Fürst. „Mein Fürst, ich bitte Euch. Nicht...“ „Gib mir den Tee...“ „Aber...“ Der Fürst drehte sich um. „Sano...“ Ergeben seufzend brachte Sano ihm die Tasse und beobachtete traurig, wie er trank. Und dann fiel es ihm ein. Das Pulver wurde natürlich mit dem Tee gemischt. Sencha war normalerweise nicht so dunkel, wie der Tee, den der Fürst ständig bekam. Es blieb nur eine Möglichkeit, um was es sich handeln konnte. „Blei...“ „Was?“, fragte Fürst Mori verwirrt. „Blei. Gebt mir den Tee!“ „Blei? Wovon sprichst du?“, fragte Fürst Mori mit verlangsamter Stimme. „Davon, dass Euer Sohn Okimoto Euch mit Blei umbringen will! Um Himmels Willen, es geht Euch zusehends schlechter und Euer ältester Sohn ist Schuld!“, brauste Sano auf. Fürst Mori sah ihn verständnislos an. „Sano, was redest du da?“ Wütend sprang Sano auf und verließ die Kajüte. Er lief unruhig über das Schiff und ließ sich eine Weile lang nicht blicken. Stattdessen dachte er darüber nach, was passieren würde, wenn der Fürst starb. Verflucht, Okimoto hat für alles einen Plan... Wenn der Fürst stirbt, übernimmt er vorläufig die Klanfolge, weil der junge Herr Motonari nicht da ist. Er wird sehr wohl wissen, dass ich davon weiß, was er getan hat, also wird er mich auch umbringen. Auf welche Weise auch immer. Und meine Tochter... Itsuko... und Megumi... er wird sie nicht frei lassen. Sano schüttelte traurig den Kopf. Er wird sie töten, wie den Fürsten... Ja und dann wird er Motonari töten... Oh Chosokabe... warum konnte ich nicht bei unserem letzten Aufeinandertreffen schon sterben? Er atmete tief durch und ging zurück zur Kajüte des Fürsten. „Mein Fürst, bitte verzeiht mir... Ich wollte Euch nicht anschreien.“, sagte er leise und trat näher. Doch der Fürst reagierte nicht auf ihn. Sano trat näher und hockte sich neben ihn. Er ahnte es bereits, doch er wollte sicher gehen. Er hielt die Hand unter die Nase des Fürsten und wartete einen Augenblick. Er wartete noch ein paar Sekunden länger, doch dann ließ er die Hand wieder sinken. Er seufzte schwer. „Und ich war nicht bei Euch...“ Dann stand auf. Er musste mit Okimoto sprechen. Auch wenn er ihn nicht mochte, ihn sogar hasste, wenn man es genau nahm, so war er doch der Sohn des Fürsten und er hatte das Recht es zuerst zu erfahren. Motonari konnte er es nicht sagen, er war nicht hier. Also straffte Sano sich und ging hinaus auf den Gang. Auf der gegenüberliegenden Seite, etwas weiter den Gang entlang lag Okimotos Kajüte. Davor holte er noch einmal tief Luft und klopfte an. Ein genervt klingendes Geräusch bestätigte ihm, dass er eintreten durfte. Langsam ging er hinein. „Was gibt es denn am frühen Morgen?“, knurrte Okimoto. Sano verneigte sich, dann sprach er. „Mein Herr... Euer Vater-“ Okimoto richtete sich auf. „Was ist mit meinem Vater?“ „...Er ist soeben...“, begann Sano, sprach das Unvermeidliche jedoch nicht aus – Okimoto verstand ihn auch so. Seine Frau hob erschrocken die Hand vor den Mund und sah Sano mitleidig an. Okimotos Blick hingegen verdunkelte sich wie bei einer Raubkatze, die die Witterung aufgenommen hatte. Er wusste, was dies bedeutete – er war seinem Ziel einen weiteren großen Schritt näher gekommen. Nun fehlte nur noch eines. „Ich will ihn sehen.“, sagte er mit rauher Stimme. Sano nickte und wusste zugleich, wie viel Schauspielkunst er in diese Stimmlage gelegt hatte. Gemäßigten Schrittes führte er Okimoto zur Kajüte des verstorbenen Fürsten. Kaum, dass sie allein dort waren, ging Okimoto zum Leichnam und prüfte, ob wirklich kein Atem und kein Puls mehr zu spüren waren. Als er sicher war, erhob er sich wieder und sah Sano durchdringend an. „Sag den Männern, sie sollen sich bereit machen. Wir werden angreifen. Du wirst dich um meinen Vater kümmern, einer meiner Diener wird bei dir bleiben und dir helfen. Wenn du fertig bist – und ich rate dir, dich zu beeilen! - dann kommst du sofort zu mir. Du wirst mich begleiten!“, sagte Okimoto ernst und tief und rauschte aus der Kajüte. Sano stand betreten da, den Blick auf den toten Fürsten gerichtet. Als der Diener eintraf, stand er noch immer so da. „Meister...“, erinnerte der Diener Sano daran, was getan werden musste. Sano seufzte noch einmal, dann ging er um den Futon herum. „Wir tragen ihn ins unterste Deck, da ist es kühl.“ Der Diener nickte und gemeinsam brachten sie den toten Fürsten so gut es ging in den Futon und ein Leinentuch gewickelt in den Schiffsbauch. Der Diener war fast sofort wieder verschwunden und Sano ging von Deck zu Deck und trommelte die Soldaten zusammen. Zuletzt klopfte er erneut an die Tür von Okimotos Kajüte. „Komm rein!“ Sano gehorchte und trat ein. Okimotos Frau war nirgendwo zu sehen, dafür Okimoto und ein Diener, der ihm dabei half seine Domaru anzuziehen. Das Metall glänzte dunkelgrün, fast schwarz. Wie die Wälder in Aki. „Sind die Männer bereit?“, fragte Okimoto, ohne ihn anzusehen. „Sie sind bereit und warten auf Eure Befehle.“ Okimoto nickte, dann war er fertig und wandte sich ihm zu. „Sehr gut. Die Kanoniere fangen an. Sie schleifen die Burgmauern. Die Soldaten setzen seitlich über, dann haben Chosokabes Leute nur wenig Zeit. Du kommst mit mir und einer weiteren Gruppe Soldaten, wir gehen weiter entfernt an Land. Für uns werden dort Pferde bereitstehen.“ Sano runzelte die Stirn. „Was habt Ihr vor?“ Sein Gegenüber sah ihn mit einem boshaftem Lächeln an. „Das wirst du sehen... Es wäre ja keine Überraschung mehr, wenn ich es dir verraten würde! Jetzt zieh deine Rüstung an und dann komm an Deck!“ Sano nickte und verschwand. Es war noch mitten in der Nacht, als Motochika in sein Zimmer zurückkehrte. Was Katsuragi gesagt hatte, nagte an ihm. Natürlich war ihm auch aufgefallen, dass Nobuchika wenig soldatische Züge an sich hatte. Aber er hatte es verdrängt. Immerhin hatte er ihn auf dem Schlachtfeld in einer ziemlich ramponierten Domaru gefunden. Leise betrat er das Zimmer, doch seine Gedanken verflogen sofort. Er hörte Nobuchikas Atem, der ganz und gar nicht nach einem ruhigen Schlaf klang. Er setzte sich neben ihn und beobachtete ihn. Nobuchikas Augen wanderten wild umher unter ihren Lidern. Ihm standen kleine Schweißperlen auf der Stirn die mit jedem Ruck seines Kopfes beiseite geschleudert wurden. Motochika legte vorsichtig eine Hand auf Nobuchikas Arm. „Wenn ich wüsste wovon du träumst...“ Nur Sekunden später saß Nobuchika heftig atmend aufrecht. Motochika berührte ihn ein weiteres Mal am Arm. „Ist alles in Ordnung?“, fragte er. Nobuchika ließ sich in die Arme Motochikas sinken und nickte. „Was hast du geträumt?“ „Wie vor kurzem... Nur diesmal habe ich noch einen alten Mann und ein Lazarett gesehen. Und meine Domaru. Wo ist die eigentlich?“ „Deine Domaru? Oh... die haben wir entsorgt, weil sie völlig unbrauchbar war. Zerfetzt und verbeult.“, erklärte Motochika. Ein Lächeln stahl sich auf Nobuchikas Gesicht. „So eine Domaru will glaub ich niemand mehr...“ „Nein. Definitiv nicht.“, bestätigte Motochika. „Weißt du denn, wer der alte Mann war, den du diesmal im Traum gesehen hast?“ „Ich weiß nicht... er kam mir bekannt vor, aber ich weiß es einfach nicht.“ Motochika strich ihm durch das Haar. „Das wird kommen... Jetzt lass uns noch schlafen. Morgen werden wir etwas probieren, bevor wir noch einmal auf das Fest gehen.“ „Was denn?“ „Das siehst du morgen...“, flüsterte Motochika und gab ihm einen sanften Kuss. Nobuchika genoss ihn und statt doch noch einmal danach zu fragen, legte er sich in Motochikas Arm und schlief rasch wieder ein. Diesmal jedoch ruhiger, da Motochika ihn fest umschlungen hielt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)