Bioshock Continuum von TheGreenArrow (Akt 1: Renaissance - Akt 2: [REDACTED] - Akt 3: [REDACTED]) ================================================================================ Akt 1: Renaissance - Episode 1: Grausiges Erwachen - Kapitel 1: Erinnerungen ---------------------------------------------------------------------------- Die Welt um Robin war dunkel. Seine Augen waren zwar geschlossen, aber er konnte die Dunkelheit, die ihn umgab, förmlich spüren. Angst stieg in ihm auf. Wo war er? Warum fühlte er sich so schwach? Warum traute er sich nicht, die Augen zu öffnen? Unzählige Fragen schossen ihm durch den Kopf, doch sein Geist ließ ihm keine Zeit, auch nur im Ansatz nach Antworten zu suchen. Wie eine bedrohliche Wolke vernebelten die Fragen seinen Verstand, während sich die Furcht immer weiter in ihm ausbreitete. Robin spürte, dass er kurz davor war, in Panik zu geraten, weshalb er mit letzter Willenskraft all seinen Mut zusammennahm und begleitet von einem stummen Schrei die Augen aufriss. Und plötzlich war alles ganz still. Robin lehnte an etwas, wusste jedoch nicht, um was es sich handelte. Er blickte nach vorne und stellte fest, dass sich etwa zehn Zentimeter vor seinem Gesicht eine beschlagene Glasscheibe befand, deren Ränder vereist waren. Erst jetzt spürte er die Kälte, die von seinem ganzen Körper Besitz ergriffen hatte. Es kam ihm vor, als stehe er in einer Gefrierkammer. Robin versuchte, mit seinem rechten Arm das Glas zu erreichen, wodurch er bemerkte, dass er in einem engen, abgeschlossenen Kasten eingesperrt war. Es kam ihm fast wie ein Sarg vor und er fühlte, wie sein Herz bei dem Gedanken einen Satz machte. Er konnte seinen erhöhten Puls und die Schweißtropfen auf seiner Stirn deutlich spüren. Das Pochen an seiner Schläfe war fast unerträglich. Er schloss die Augen und atmete so langsam und gefasst er nur konnte. "Ganz ruhig, Robin. Alles unter Kontrolle", sprach er sich selbst Mut zu. Dann öffnete er die Augen wieder und wischte über das Glas, das sich erstaunlich warm anfühlte. Als er den Arm wieder wegnahm, stellte er fest, dass das Eis zu schmelzen begonnen hatte. Er blickte durch sein kleines Fenster, sah aber nichts als eine dunkle Wand, an der sich hin und wieder das Licht einer flackernden Lampe abzeichnete. Robin rieb sich über die Stirn und trocknete seine schweißnasse Hand so gut es ging an seiner Jeans ab. Er wollte gerade nachforschen, warum es auf einmal so warm um ihn wurde, als ihn ein lautes Zischen zusammenschrecken ließ. Einzelne Lichtstrahlen schimmerten durch kleine Spalten an der Front seines Gefängnisses hindurch, während die kalte Luft nach außen hin entwich. Robin wusste noch immer nicht, was hier eigentlich vor sich ging, aber die Möglichkeit, dass er gleich frei sein würde, beruhigte ihn spürbar. Nach einer gefühlten Ewigkeit glitt die Tür vor ihm zur Seite weg und er konnte den Raum, in dem er sich befand, genauer betrachten. Zunächst wollte er jedoch aus seinem Metallsarg entkommen. Seine Muskeln fühlten sich an, als er hätte er sie jahrelang nicht benutzt. Doch woher sollte er wissen, dass es nicht Jahrzehnte gewesen waren? Robin griff nach der Kante seines Gefängnisses und nutzte alle Kraft, die er aufbringen konnte, um sich heraus zu hieven. Fast augenblicklich presste er seine linke Hand an den Kopf, um das fast schon schlagartige Pochen an seiner Schläfe überhaupt nur irgendwie ertragen zu können. Seine Kopfschmerzen waren mittlerweile fast unerträglich geworden, weshalb er sich mit den Fingern über die Augen rieb. Robin zögerte kurz. Was war mit ihm los? Er erinnerte sich zwar noch an seinen Namen, Robin Dirge, aber alles andere lag hinter einer dicken Nebelwand. Er wusste, dass da noch mehr war, aber er konnte beim besten Willen nicht sagen, um was es sich handelte. Robin torkelte durch den Raum direkt auf eine große Tür mit einem Rad an Stelle eines Griffes zu, über der ein leuchtendes 'Exit'-Schild angebracht war. Auch wenn seine Sicht noch etwas verschwommen war, so konnte er an den Wänden weitere Kammern wie seine erkennen, die jedoch alle leer standen. Robin betrachtete neugierig die Cryokammern und fragte sich, wie lange er wohl eingefroren war. Als er die Schäden an einigen der Maschinen bemerkte, war er erfreut, dass seine Kammer nicht zu den zerstörten Geräten gehörte. Wieso wusste er eigentlich, was eine Cryokammer ist? Anstatt Antworten zu finden, sammelte er nur mehr und mehr Fragen. Robin spürte ein Stechen in seiner Stirn und rieb sich mit den Händen übers Gesicht. Alles in allem war er jedoch froh, dass er sich überhaupt an etwas anderes als seinen Namen erinnern konnte. Er meinte, irgendwo einmal gelesen zu haben, dass man nach dem Cryoschlaf oftmals an temporärer Amnesie litt. Es konnte aber auch gut sein, dass sich sein Geist das nur zusammenreimte, um ihn zu beruhigen. Robin zuckte mit den Schultern und hoffte auf das Beste. Er betrachtete sein Spiegelbild in einem der Fenster der Cryokammern und staunte nicht schlecht. Normalerweise behauptete man ja immer, dass man schlimmer aussah als man sich fühlte, doch als er in die Reflektion seines Gesichts blickte, musste er sich eingestehen, dass es sich dieses Mal umgekehrt verhielt. Seine dunklen Haare waren zwar ein Stück weit zerzaust, aber das war aufgrund seiner Locken schon immer der Fall gewesen. In seinen blaugrauen Augen konnte Robin nicht die Spur von Müdigkeit erkennen, auch wenn ihm seine Kopfschmerzen ein anderes Bild zu vermitteln versuchten. Sein Bart schließlich sah aus wie immer, von der Länge her irgendwo zwischen Drei- und Sieben-Tage-Bart. Robin wendete sich wieder von der Kammer ab und ging in Richtung Ausgang. Dort angekommen atmete er tief durch und machte sich daran, die Verriegelung zu öffnen. Er drehte das etwas schwerfällige Rad bis zum Anschlag und drückte die massive Tür von sich weg. Vor ihm lag ein Verbindungstunnel, der bis auf den Boden komplett aus Glas bestand und in etwa 50 Metern Entfernung mit einem Hochhaus verbunden war. Robin ging ein paar Meter in den Glastunnel hinein und schaute sich um. Er brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass er komplett von Wasser umgeben war. Er zuckte kurz und wartete, bis sich sein Blick wieder klärte. „Ich erinnere mich!“, platzte es lauter, als er es geplant hatte, aus ihm heraus. Er befand sich in Rapture, Andrew Ryans Unterwasser-Utopia. Robin stellte sich direkt an die Wand des Übergangs und blickte nach draußen. Er konnte mehrere Hochhäuser erkennen, die mit leuchtenden Werbeschildern vollgepflastert waren. Er wusste nicht, woran es lag, aber die Stadt kam ihm anders vor, als er sie in Erinnerung hatte, wobei er seinem Gedächtnis momentan nicht allzu sehr traute. Allerdings war er sich sicher, dass er noch nie in diesem Teil von Rapture gewesen war. Wie war er hierhergekommen? Und wo genau war hier überhaupt? Er ging auf die Tür am anderen Ende des Tunnels zu und hoffte, dass er bald jemanden traf, der ihm weiterhelfen konnte. Kapitel 2: Hindernisse ---------------------- Robin schaute erneut durch das Glas nach draußen und ließ die Kulisse auf sich wirken. Wie kam man bloß auf die Idee, eine Stadt unter Wasser zu errichten? Er hatte zwar schon einiges erlebt, vor allem seit er das erste Mal nach Rapture gekommen war, aber die Stadt selbst, wie sie seelenruhig in der Tiefe des Meeres thronte, war stets das Beeindruckendste gewesen. Und so auch jetzt. Er schaute nach oben, konnte aber nichts als Dunkelheit erkennen, weshalb er seinen Blick erneut auf die Stadt richtete. Robin kam hier alles sonderbar verlassen vor und nicht so belebt, wie er es in Erinnerung hatte. Bei dem Gedanken musste er lachen; das erste Mal seit er in der Cryokammer erwacht war. Er war sich immer noch nicht über alles im Klaren und selbst dem, was er zu wissen glaubte, traute er noch nicht. Er suchte vergeblich nach einer Erklärung, denn es scheiterte bereits daran, dass er nicht einmal wusste, wo in Rapture er sich überhaupt befand; geschweige denn wann. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn sich die Bewohner der Stadt gerade auf das neue Millennium vorbereiteten. Er kratzte sich am Kopf und ging den Tunnel weiter entlang, bis er schließlich die Tür erreichte, die ein genaues Gegenstück zu der war, durch die er den Übergang betreten hatte. Robin streckte seine Arme von sich und machte sich daran, die Tür zu öffnen. Er konnte nur hoffen, dass sie genauso gut wie die andere funktionierte. Er versuchte, das Rad in Bewegung zu setzen, doch es rührte sich nicht. Robin spürte ein leichtes Ziehen in seinen Armen, als er den Krafteinsatz erhöhte. Er fluchte innerlich und versetzte seinen Körper in Schräglage, um noch mehr Kraft aufbringen zu können. Dann zog er, so fest er konnte, an dem Rad, während er sich mit Schreien motivierte, bis der Verschlussbolzen in der Tür endlich knackte. Mit einmal mal ließ sich der Griff ohne große Anstrengung bewegen, was Robin die Chance gab, sich ein wenig auszuruhen. Er drehte das Rad, bis es einrastete, und zog die Tür dann in seine Richtung. Das Quietschen der Scharniere drang an seine Ohren und ließ ihn zusammenzucken, während sein Herz zu Rasen begann. Als die Tür endlich offenstand, legte Robin eine kurze Pause ein, um wieder zu Atem zu kommen. Erste Schweißflecken hatten sich auf seinem schwarzen Shirt gebildet. Das Pochen an seiner Schläfe konnte er abermals deutlich spüren. Schließlich trocknete er sich die Stirn und rückte seine olivgrüne Jacke zurecht, von der er nicht mehr sicher war, wie sie überhaupt in seinen Besitz gekommen war. Die Bewohner von Rapture hatten ihn immer verwundert angeschaut, wenn ihr sie getragen hatte. Manche hatten vermutet, dass er ein Mitglied des Militärs gewesen sei, weil die Jacke Ornamente auf den Schultern besaß. Er wusste zwar, dass ihr Schnitt und das verwendete Material äußerst ungewöhnlich waren, aber irgendwie mochte er sie. Er spürte, dass er verstehen würde, warum das so war, sobald er sich nur an ihre Herkunft erinnern konnte. Er ging ein paar Schritte und stellte fest, dass er sich in einer Art Schleuse aufhielt. Vor ihm befand sich eine weitere Stahltür, über der Atrium geschrieben stand. Neben den Buchstaben waren zwei Lampen angebracht, eine grüne und eine rote. Ihm kam es wie ein schlechter Scherz vor, als er das rote Leuchten bemerkte. Doch bevor er sich darüber aufregen oder nach einer Lösung suchen konnte, schoss ihm eine ganz andere Frage durch den Kopf. Wieso zum Teufel war er eigentlich in einer verfluchten Cryokammer aufgewacht? Er spürte ein leichtes Kribbeln in seiner linken Hand und hob sie an. Sein Blick war leicht verschwommen und dennoch konnte er deutlich erkennen, dass sie zitterte. Er vermutete, dass sich sein Körper wohl noch immer an das Auftauen gewöhnen musst, und hielt sich den Kopf, weil ihn ein leichtes Schwindelgefühl überkam. Robin stützte sich an der Wand ab, bis er sich wieder besser fühlte. Er wischte sich über die Stirn und spürte den kühlen Schweiß auf seinem Handrücken. Er hoffte, dass sich das ganze bald legen würde und betrachtete dann das Innere der Schleuse. An einem der Seitenwände war ein Bildschirm angebracht, auf dem 'Warnung: Außentür geöffnet. Zutritt zum Atrium verwehrt.' geschrieben stand. Daneben befand sich ein Kontrollpanel, mit denen die Türen ferngesteuert werden konnten. Einen Versuch war es allemal wert, denn er hatte ohnehin nichts zu verlieren. Er drückte den Knopf zum Schließen der Außentür und entgegen seiner Erwartung glitt die offenstehende Tür tatsächlich zurück in Richtung Rahmen, was Robin lächeln ließ. Als die Bewegung abgeschlossen war, drehte sich das Rad, bis es einrastete, woraufhin die rote Lampe erlosch und die grüne zu leuchten begann. Robin schaute erneut auf die Anzeige an der Wand: 'Außentür geschlossen. Zutritt zum Atrium freigegeben.' Er drückte einen weiteren Knopf und wartete. Zu seiner Überraschung begann das Licht zu flackern und einige Funken sprühten von der Wandkonsole. Robin sprang zurück und fluchte leise vor sich hin. Nach einigen Sekunden war das Licht wiederhergestellt und der Funkenregen hatte aufgehört. Die Konsole allerdings war von einer großen Rauchwolke umgeben. Er kehrte zu der Anzeige zurück und las dort: 'Automatisches Türsystem beschädigt. Manuelle Bedienung erforderlich.' „Klasse“, seufzte Robin und ging zur Atriumstür. Er griff nach dem Rad und vermutete das Schlimmste, stellte aber freudig fest, dass sich der Griff deutlich einfacher drehen ließ. Als er ihn nicht weiterbewegen konnte, zog er an ihm, wodurch sich die Tür allmählich öffnete. Ein helles Licht durchflutete die Schleuse und als er zur Türschwelle ging, konnte er wegen der blendenden Helligkeit zunächst nichts von dem erkennen, was vor ihm lag. Kapitel 3: Grausiges Erwachen ----------------------------- Robin rieb sich die Augen und ging ein paar Schritte ins Atrium. Als er sich endlich an die hellere Umgebung gewöhnt hatte, stellte er fest, dass das Atrium selbst gar nicht viel heller als der Rest von Rapture war. Einzig die Lampe über dem Ausgang hatte sich von der Wand gelöst und hing nun direkt vor der massiven Tür. „Also alles wie …“ Robin verschlug es die Sprache, als er den großen Platz vor sich sah. „Immer?“ Ungläubig trottete er vorwärts, bis er das Geländer der Empore, auf der er sich befand, erreichte und sich daran klammerte. Vor ihm lag ein Ort der Verwüstung, dem die Beschreibung Schlachtfeld nicht gerecht wurde. Statt eines belebten Ortes, glich das Atrium jetzt mehr einer vor Jahren verlassenen Geisterstadt. Robin schaute sich um, doch egal wohin er blickte, konnte er nichts als Zerstörung erkennen. Die Fenster der einzelnen Geschäfte waren beschmiert und verdreckt, wenn sie nicht bereits in Scherben auf dem Boden lagen. Die Türen waren teilweise aufgebrochen oder wurden, wie es schien, mit roher Gewalt aus den Scharnieren gerissen. Was war hier nur vorgefallen? Irgendeine Katastrophe, dessen war sich Robin bewusst, aber wie war es dazu gekommen? Wer waren die Verantwortlichen, falls es überhaupt welche gab? Er ging am Geländer entlang und beschloss, sich nur kurz umzusehen. Ihm gefiel die Situation ganz und gar nicht und eigentlich wollte er nur schleunigst von hier verschwinden. Er war so sehr in seine Gedanken vertieft, dass er gar nicht mehr darauf achtete, was sich vor ihm befand, bis er Bekanntschaft mit einem der vielen Schlaglöcher im Boden machte. Er spürte noch, wie sein rechter Fuß wegknickte, als er auch schon nach vorn stolperte. Mit einem Mal war Robin wieder vollkommen fokussiert, während das Adrenalin seine Wirkung entfaltete, so dass er sich im letzten Moment an das Geländer klammern und seinen Sturz noch abfangen konnte. Sein Herz raste in einem Tempo, das Robin gar nicht für möglich gehalten hatte, weshalb er sich dazu entschloss, noch einen Augenblick am Geländer hängen zu bleiben, während sein Fuß weiter im Schlagloch verharrte. Robin lachte, als er sich vorstellte, wie ihn jemand dabei beobachtete, während er an dem Geländer baumelte. Es war mit Sicherheit ein amüsanter Anblick gewesen. Er zog sich wieder hoch und beschloss, ab jetzt besser aufpassen, da ihm der Boden wie ein einziges Minenfeld vorkam. Er strich den Stoff seiner schwarzen Jeans glatt und erinnerte sich an die kuriosen Umstände, unter denen er an die Hose gekommen war. Als Arbeiter hatte er die meiste Zeit Blue Jeans getragen, die recht schnell mit allen möglichen Ölen und Schmiermitteln versaut waren. Eines Tages war er in einen Vorfall verwickelt gewesen, an dessen Ende seine ganze Hose komplett in Öl getränkt war. Doch anstatt sich aufzuregen, hatte ihm die neue Optik so sehr gefallen, dass er noch am selben Abend zu einem Schneider gegangen war und eine schwarz eingefärbte Jeans geordert hatte. Seit diesem Tag trug er in seiner Freizeit so gut wie immer sein neuestes Kleidungsstück, auch wenn andere Leute ihn oftmals komisch anschauten. In gewisser Weise hatte ihn diese Erfahrung auf die Reaktionen, die seine Jacke hervorrufen würde, zumindest ein Stück weit vorbereitet. Als Robin bemerkte, dass sich die Schnürsenkel seines rechten Schuhs geöffnet hatten, kniete er sich hin und band sie wieder fest. Nachdem er seinen schwarzen Arbeiterstiefel wieder ordnungsgemäß verschnürt hatte, stütze er sich auf seinem Oberschenkel ab, richtete sich auf und betrachtete seine Umgebung. Robin entdeckte eine Treppe, die zum Atrium hinab führte, und machte sich erneut auf den Weg. Während er am Geländer entlangging, stets darauf bedacht Schlaglöchern auszuweichen, erblickte er einen Kiosk in der Mitte des Atriums, der wie ein alter Passagierwagon geformt war. Das Dach war schwarz von Ruß, das Feuer das hier einst gewütet hatte, war schon lange erloschen. In eine seiner Wände war ein riesiges Loch gesprengt worden, daneben lehnte etwas. „Gott!“, platzte es aus Robin heraus, als er realisierte, dass es sich um eine Leiche handelte. Erst jetzt bemerkte er, dass das ganze Atrium voll von Toten war. Ein Schwindelgefühl setzte ein und Robin spürte, wie sein Magen begann, sich umzudrehen. Er schloss schnell die Augen und glitt am Geländer herunter, bis er auf dem Boden saß. Er rieb sich mit den Händen übers Gesicht, die Lider noch immer fest zusammengekniffen, während er seine Atmung verlangsamte. Nach einer kurzen Pause öffnete er seine Augen wieder und atmete tief durch, bevor er sich aufrichtete. Seine Beine waren noch immer etwas zittrig, aber Robin fühlte sich bereit dazu, seinen Weg zur Treppe fortzusetzen. Dort angekommen bemerkte er eine Vielzahl von Patronenhülsen, die auf den Stufen lagen, und ein mulmiges Gefühl überkam ihn. Er stieg die Treppe hinab und machte sich auf den Weg zum Zentrum des Atriums. Stand man direkt darin, schien das Ausmaß der Zerstörung noch um einiges gravierender zu sein. Robin hatte keine Idee, wie es dazu gekommen war oder wie das Atrium überhaupt noch stehen konnte. Er wusste nur, dass er nicht länger als unbedingt nötig hierbleiben wollte. Beim Kiosk angekommen, warf er einen kurzen Blick auf den Toten. Die teils kaputte Maske, die er trug, war das erste, was Robin auffiel. Irgendwo hatte er so etwas schon einmal gesehen, aber er konnte sich nicht daran erinnern. Die Kleidung des Mannes war in keinem besseren Zustand als der Rest der Umgebung. An vielen Stellen zerrissen und zerfleddert, triefte das bisschen Stoff, das noch übriggeblieben war, von Blut. Ob es nur von dem Toten stammte, konnte und wollte Robin gar nicht feststellen. In der Jacke des Mannes sah er etwas funkeln. Behutsam näherte er sich ihm, immer mit der Angst, dass ihn der Tote gleich anspringen würde. Er zog sich seinen eigenen Ärmel über die Hand und öffnete langsam die Jacke des Fremden. In der Innentasche war ein Revolver verstaut, auf dessen Griff ein silbernes Logo das schummrige Licht des Atriums reflektierte. Robin hoffte, dass er die Waffe nicht brauchen würde, während er sie aus der Tasche zog und in Augenschein nahm. Doch er wollte kein Risiko eingehen, denn wer auch immer für dieses Chaos verantwortlich gewesen war, könnte sich nach wie vor in der Nähe befinden. Er war erstaunt, dass sich der Revolver in einem recht guten Zustand befand, und öffnete die Trommel. Robin stellte erfreut fest, dass die Waffe mit sechs Patronen vollständig geladen war, und steckte sie in seinen Hosenbund. Er konnte es gar nicht erwarten, endlich von hier zu verschwinden. Er setzte seinen Weg durchs Atrium fort, bis er in der Ferne eine große Metalltür entdeckte, die den anderen ähnelte, denen er bisher begegnet war. Ein Glücksgefühl stieg in ihm auf, als er bemerkte, dass es sich um den Eingang zu einer Transitstation handelte. Mit den darin befindlichen Tauchkugeln konnte er zur Bathyspherestation gelangen und das war sein Weg aus der Stadt und in die Freiheit. Sein Weg nach Hause. Er erhöhte unbewusst seine Geschwindigkeit, bis er fast schon lief. Als er bei der Tür ankam, stellte er fest, dass sie komplett vereist war, was seiner Euphorie einen gehörigen Dämpfer verpasste. Robin kam das wie ein schlechter Witz vor. Kaum hatte er einen Hoffnungsschimmer, wurde ihm dieser auch schon wieder genommen. Es schien, als hätte sich die Welt gegen ihn verschworen, als versuchte sie ihm ein Hindernis nach dem anderen in den Weg zu legen. Er fluchte leise in sich hinein, während er mit seiner Hand über Mund und Hals rieb. Wo kam das verdammte Eis überhaupt her? Kapitel 4: Fähigkeiten ---------------------- Robin näherte sich der zugefrorenen Tür und suchte weiterhin vergeblich nach dem Ursprung des Eises. Von Minute zu Minute wurde ihm Rapture noch fremder als es das ohnehin schon war. Komplette Verwüstung, Leichen, beschädigte Computersysteme und Eis, das scheinbar aus dem Nichts kam. Was war aus der einstigen Glanzmetropole geworden? Er konnte sich einfach keinen Reim darauf bilden. Aber er hatte ohnehin andere Probleme. Er musste einen Weg finden, die Tür frei zu bekommen, um zu den Tauchkapseln zu gelangen. Er konnte nur hoffen, dass sie das Chaos überstanden hatten. Robin stand nun direkt vor dem kleinen Eisberg, der ihm den Weg versperrte. Er konnte die Kälte, die ihm entgegen strahlte, deutlich in seinen Knochen spüren. Zögerlich streckte er seine linke Hand aus und hatte dabei das Gefühl, dass der Frost wie ein Geist in ihn eindrang und langsam von ihm Besitz ergriff. Doch bevor er diesem Gedanken weiter nachgehen konnte, berührten seine Fingerspitzen das Eis. Mit einem Kreischen riss Robin seine Hand weg und begann, sie mit aller Kraft zu schütteln. Sie fühlte sich an, als hätte er in flüssiges Metall gegriffen. Er rieb sie, so schnell er konnte, an seinem schwarzen Shirt auf und ab, doch die Schmerzen wurden nicht weniger. Und mit einem Mal war das Brennen zu einem leichten Kribbeln geworden. Robin konnte den Schweiß auf der Stirn spüren, als er keuchend seine linke Hand betrachtete. Sie kribbelte noch immer und hatte nun zu zittern begonnen. Würde das denn nie aufhören? Plötzlich spürte er, dass seine Hand deutlich kälter geworden war. Es schien fast so, als wäre sie vom Rest der Körperwärme abgeschottet. Für einen Moment stellte er sich vor, wie er seine verstümmelte Hand mit einer Axt trennte, verwarf diesen Gedanken unter Schaudern aber so schnell es ging. Er betrachtete erneut seine Hand und konnte mit ansehen, wie sich seine Haut bläulich verfärbte. Für einen kurzen Moment erschien Robin eine Art Flasche vor seinem geistigen Auge, die er jedoch nicht identifizieren konnte. Mittlerweile wuchsen kleine Eiszapfen aus seiner Hand, die zu seinem Erstaunen weder schmerzten noch bleibende Schäden anzurichten schienen. Er wunderte sich allgemein darüber, dass sich seine offensichtlich gefrorene Hand bis auf das Kribbeln völlig normal anfühlte. Dass die Eiszapfen ständig schmolzen, um sich an anderer Stelle neu zu bilden, war nur ein weiteres Detail unter vielen, für die er keine Erklärung fand. Schlagartig wurde es ihm bewusst. Wie konnte er das nur vergessen haben? Plasmide! Das war mit ihm geschehen. Verschiedenste Fähigkeiten, die man sich aneignen konnte, wenn man nur das nötige Kleingeld für die Flaschen besaß. Und den Mumm hatte, sich die modifizierten Stammzellen in die eigene DNS zu splicen. Aber sie waren so verlockend und nützlich, wie hätte er widerstehen sollen? Winter Blast! Das war der Name des Plasmids, das für das Spektakel auf seiner Hand verantwortlich war; und vermutlich auch für die vereiste Tür, die ihm den Weg versperrte. Sicherlich hatte er auch eines erworben, das ihm nun behilflich sein würde. Mit einem Mal verschwand das Eis von seiner Hand, die nun wieder völlig normal aussah. Damit hatte Robin nicht gerechnet. Er hatte so sehr darauf gehofft, dass er womöglich ein paar nützliche Fähigkeiten in petto hatte, doch scheinbar war er erneut in einer Sackgasse angelangt. Er schrie ins leere Atrium, beruhigte sich aber wieder, um nicht in einem Wutausbruch noch jegliche Kontrolle zu verlieren. Er atmete ein paar mal tief durch und stellte dabei erstaunt fest, dass eine kleine, verbeulte Konservendose über seiner Handfläche schwebte. „Doch nicht so nutzlos“, sagte Robin zu sich selbst und grinste. Er besaß also das Telekineseplasmid. Es half ihm in seiner momentanen Situation zwar nicht weiter, doch könnte es sich später, falls es ein später gab, als hilfreich herausstellen. Er schnickte leicht mit seiner Hand und verfolgte mit seinem Blick die Dose, die quer durch den Raum flog, von einem der Schaufenster abprallte und scheppernd zu Boden fiel, wo sie schließlich zur Ruhe kam. Robin war erleichtert, dass er noch wusste, wie er die Telekinese anzuwenden hatte. Doch es wurde höchste Zeit, dass er etwas gegen das Eis unternahm. Er spürte erneut ein Kribbeln in seiner linken Hand und rechnete bereits damit, erneut eine Eislandschaft darauf vorzufinden. Schockiert, aber auch erleichtert, bemerkte er, dass sich auf seinem Handrücken ein roter Fluss, Lava nicht unähnlich, gebildet hatte, während um seinen Daumen und Mittelfinger blaue Flammen loderten. Für einen Moment begutachtete er das Schauspiel auf seiner Hand, bis er vom Feuer, das plötzlich um sie herum ausbrach, wachgerüttelt wurde. Bevor er jedoch wirklich darauf reagieren konnte, waren die Flammen wieder verschwunden. Incinerate, die Lösung seines Eis-Problems! Vieles war ihm zwar noch nicht klar, doch die Wiedererlangung der Plasmide erfüllte ihn mit neuem Mut und Tatendrang. Er fühlte sich nahezu unbesiegbar. Robin dachte nicht lange nach und richtete seine Hand auf die Tür. Er atmete einmal tief durch und schnipste mit seinen Fingern. Eine kleine Flamme sprang von seiner Hand auf den Eisblock, breitete sich dort aus und begann, das Eis zu schmelzen. Nach kurzer Zeit war nichts als eine große Pfütze übrig; der Weg zu den Tauchkapseln war endlich frei. Robin ging zur Tür, deren zwei Teile von alleine zur Seite wichen und trat hindurch. Es hatte zwar gedauert, hier her zu kommen, am Ende war es in seinen Augen dennoch ein Kinderspiel gewesen. Er durchquerte den Eingangsbereich, bis er eine metallene Figur erblickte, die an die Wand gelehnt war. Er näherte sich behutsam und begutachtete seinen Fund. Es schien sich um einen Menschen zu handeln, der in eine riesige Rüstung gesteckt worden war. Er trug schwere Metallstiefel und -knieschützer, einen orangefarbenen Overall sowie Arbeitshandschuhe; beides aus Material gefertigt, das sehr belastbar aussah. Auf dem Rücken trug er einen Tank, was auch immer er darin transportierte, und auf dem Kopf einen Helm, der wie eine Mischung aus einem Taucherhelm und der Schutzmaske eines Schweißers aussah. Was war das nur für eine Monstrosität? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)