My lovely Valentine von Tamanna (Geschichtensammlung zum Valentinstag) ================================================================================ Kapitel 4: Sturmtief Tyson -------------------------- Max hatte Geburtstag und hatte alle seine Freunde aus Tokyo und China eingeladen. Selbst die Allstarz hatte er eingeladen. Kai war leider vorher schon nach Amerika geflogen. Als Ray, Kenny, Hilary und Tyson eintrafen, fiel ihr Blick als erstes auf einen teuren schwarzen Mercedes der nahe Max' Haus geparkt hatte. „Wem der wohl gehört?“, fragte sich Hilary laut. „Keine Ahnung. Wenn ich's nicht besser wüsste, würd' ich sagen, das ist Kais... Aber ich glaub nicht, dass der hier ist.“, sagte Tyson. „Egal, lasst uns reingehen. Max wartet sicher schon.“, meinte Ray. Gemeinsam gingen sie zur Tür, die auch gerade aufging. Emily stürmte hinaus. „Was machen die denn hier?“, fauchte sie. „Hey, da seid ihr ja!“, grüßte Max sie und wandte sich dann an Emily, die mürrisch knurrte. „Was ist los? Unseren Überraschungsgast hast du doch auch reingelassen. Wieso nicht auch Tyson und die anderen?“ „Bei ihm ist das ja auch was anderes...“, murmelte Emily und verschwand im Haus. Max lachte und bat seine Freunde herein. „Wie war die Reise?“ „Um Himmels Willen! Frag bloß nicht! Schrecklich!“, maulte Hilary. „Ganz gut.“, meinten stattdessen die Jungs hinter ihr. Max führte sie in den Partyraum, wo die Allstarz, Judy und – zur Überraschung der vier – Kai saßen. Als Tyson Kai sah, wurde ihm sofort warm ums Herz. Er mochte ihn. Seit er hier in Amerika ist, hat er sich zwar verändert, aber...nur zum Besten. Er hat eine ungemein erotische Anziehung... Okay, die hatte er vorher schon... „Hey Leute! Wisst ihr, wem der schwarze Mercedes draußen gehört?“, fragte Hilary. Keiner rührte sich, nur Kai stand als einziger auf, ging zum Fenster, sah hinaus und spielte dabei mit einem Schlüssel. „Du?“, fragte Hilary erstaunt. „Ganz recht. Der Wagen gehört ihm. Ich hab auch Augen gemacht, glaub mir.“, grinste Max Tyson staunte nicht schlecht. Ist nicht wahr! Das scharfe Teil da unten gehört Kai? Später am Abend brachte Judy ein paar Gläser und eine Sektflasche. „Max, du darfst den Sekt aufmachen. Das ist schließlich dein Geburtstag.“, sagte sie. Max nahm lachend die Flasche entgegen und öffnete sie mit einem lauten Knall... Stunden später war Tyson schon ziemlich angeheitert. „Komm schon, Kai. Trink mal 'n Schluck.“, sagte er fröhlich und hielt Kai ein Glas Sekt unter die Nase. „Nein, ich muss noch nach Brooklyn fahren, lass mich mit dem Zeug in Ruhe!“, fauchte Kai. Tyson stellte wacklig das Glas auf den Tisch und lehnte sich dann gegen ihn. „Was willst du denn in Brooklyn?“, fragte er. „Ich wohne da, du Holzkopf!“ „Achsooo, sag das doch gleich. Nimmst du mich mit?“ „Oh nein, Freundchen. Schlaf du mal schön in deinem Hotelzimmer! Bei mir nicht!“, erwiderte Kai. Tyson seufzte. „Du, ich muss dir was sagen...“, nuschelte er und bedeutete Kai, näher zu kommen, bis er nahe genug an dessen Ohr war. „Ich will bei dir sein. Ich liebe dich.“ Kai sprang auf. „Spinnst du!?“, fauchte er und entfernte sich von Tyson. Die anderen sahen zu ihnen. Und man deutlich die Gedanken lesen. Sie fragten sich, was los war und warum Tyson schon wieder Kai ärgerte. Tyson schaute Kai nach. Hab ich was falsch gemacht? Kai war dabei, das Haus zu verlassen. Idiot! Tyson ging ihm nach, während Max gerade einfiel, dass er seine Geschenke noch gar nicht ausgepackt hatte. „Kai?“, sagte Tyson vorsichtig. „Was?“, fauchte Kai. „Hilf mir mal... Kann ich das Max schenken? Ich meine, ich soll ihm von Ray das Buch hier schenken. Ich dachte mir, das sieht so einsam aus und hab den noch dazu gekauft.“, erklärte Tyson und hielt ein verpacktes Buch und einen hübschen Kugelschreiber in der Hand. „Kann Ray ihm das Buch nicht alleine schenken, oder warum sollst du das machen?“, fragte Kai. „Ja keine Ahnung, er könnte es ihm selber schenken, ja. Er wollte aber, dass ich das mache.“ „Dann gib es ihm wieder, er kann das selber machen. Und was dein Geschenk angeht... Armseliger ging's nicht, oder? Schenk ihm doch noch was Sinnloseres, 'n Bleistift!“, sagte Kai und verließ das Haus. Tyson sah ihm genervt nach. Hahaha... Sehr witzig. Ich will nicht wissen, was du ihm schenkst! Er sah wie Kai zu seinem Auto ging und rannte ihm dann hastig hinterher. Kai wollte noch sein Geschenk holen. Eigentlich waren es zwei. Zum einen wollte er Max eine neue Startertasche schenken, zum anderen hatte er eine Kette mit seinem Namen besorgt. Hinter sich hörte er Tysons Schritte. Oh Mann... Das ist das erste und letzte Mal, dass ich das tue! Mit beiden Geschenken drehte er sich zu Tyson um. „Pass auf, ich mach das nur einmal, klar! Hier, nimm das Geschenk und gib es Max. Das ist eine Kette mit seinem Namen.“, sagte er. Tyson sah ihn mit großen Augen an. „Das ist nicht dein Ernst? Und du?“, fragte Tyson. „Ist egal. Ich hab was. Also geh schon, oder willst du hier draußen noch erfrieren?“, meinte Kai und schon Tyson wieder die Treppe zum Haus hinauf. Max freute sich riesig, als er die Geschenke bekam. Vor allem über das Buch, aber er wusste genau, dass das nur von Ray kommen konnte, denn nur ihm hatte er davon erzählt. Die Kette von Tyson, beziehungsweise von Kai, erzielte ebenso ihre Wirkung. Eigentlich freute sich Max über alle Geschenke, sogar über Tysons Kugelschreiber. Es war mitten in der Nacht, als Max die Party schließlich beendete. Kai kam das gerade Recht, denn Tyson wurde schon wieder ziemlich aufdringlich. Sie brachten ihn noch zur Haustür, wo Tyson sofort ein Theater veranstaltete, kaum dass Kai überhaupt einen Fuß über die Schwelle gesetzt hatte. Er rannte die Treppe hinunter und klammerte sich an ihm fest. „Nimm mich mit!“ Kai knurrte grimmig. Emily stand geschockt daneben und die anderen zogen die Augenbrauen hoch. Ray konnte ein Grinsen nicht verkneifen, Kenny hielt sich eine Hand über die Augen und seufzte und Hilary verdrehte die Augen. „Du bleibst hier!“, sagte Kai. „Nein! Ich will aber nicht!“, jammerte Tyson. „Du bleibst hier!“ Kai schüttelte Tyson mühselig ab und ging zu seinem Auto. Tyson hingegen jammerte weiter, heulte, ja schrie fast und wollte unbedingt mit Kai nach Brooklyn. „Kai?“, rief Max ihm nach. Seufzend wandte sich Kai um. Tyson hockte heulend zu Max' Füßen. Oh bitte... Peinlicher geht es wirklich nicht mehr... „Nimm ihn bitte mit, sonst schreit er hier noch die ganze Nachbarschaft zusammen.“, sagte Max. „Das ist doch nicht Ernst? Das kannst du vergessen!“, meinte Kai. „Er wird mit dem Theater nicht aufhören, bis du ihn mitnimmst.“, sagte Ray. „Muss das denn sein?“, fragte Kai genervt. „Nun mach schon, Tyson hört sonst nicht auf.“ „Das kann ja heiter werden... Juhu.“, murmelte Kai. „Wenn's denn sein muss!“, fügte er laut hinzu und sofort sprang Tyson freudestrahlend auf und hüpfte die Treppe hinunter. Auf der letzten Stufe allerdings geriet er ins Stolpern. Kai hörte ihn bereits und drehte sich im rechten Moment um. Er fing ihn auf und Tyson sah ihn betreten an, wollte sich aber direkt an ihn schmiegen. „Wag es dir und du bleibst hier!“, zischte Kai ungerührt. „Ach Mann...“, maulte Tyson. „Zick hier nicht rum und steig ein!“ Fröhlich öffnete Tyson die Autotür. „Du sitzt hinten!“, blaffte Kai. Tyson ließ die Tür wieder zuknallen und stieg hinten ein, während Kai sich gerade vorn niederließ. „Kai... Ich krieg das mit dem Gurt nicht hin.“, sagte Tyson leise und fummelte an dem schwarzen Gurt herum. Genervt seufzend beugte sich Kai nach hinten und gurtete ihn an. „So und jetzt will ich keinen Mucks mehr hören, bis wir in Brooklyn sind!“ „Kannst du nicht alleine laufen? Musst du dich an mich lehnen? Du bist schwer!“, maulte Kai und ging mit Tyson zum Fahrstuhl des Wohnblocks in Brooklyn. „Ach komm.“, murmelte Tyson. Kai knurrte leise. „Okay... Du gehst die Treppe hoch. Zum 9. Stock!“ „Was? 9. Stock?“ „Ganz recht. Na los! Nur zu!“, sagte Kai und ließ Tyson stehen. „Hey!“ Kai drückte den Knopf am Fahrstuhl. Tyson schwankte auf ihn zu und ließ sich gegen seinen Rücken fallen. Die Fahrstuhltüren öffneten sich und Kai stolperte mit Tyson am Rücken klebend hinein. „Würdest du mich jetzt bitte loslassen?“, murrte Kai genervt. „Ich will kuscheln...“, murmelte Tyson. „Kuschel doch mit Hilary! Mit mir nicht!“, antwortete Kai. „Neeeeiin... Doch nicht mit der! Ich will nichts von Hilary.“ „Dann lass mich wenigstens in Ruhe!“ Der Fahrstuhl erreichte die neunte Etage und Kai schlüpfte mit Tyson am Arm hinaus und schlürfte zu seiner Wohnung. „Lass mich los!“ „Nein!“ „Ich kann sonst nicht aufschließen!“ „Oh, 'tschuldige...“ Tyson ließ ihn los und Kai schloss auf. Nachdem er sich und ihm die Schuhe ausgezogen hatte und Tyson auch die Jacke, verfrachtete er ihn auf das Sofa. „Bleib da sitzen!“, sagte er, warf seine Jacke auf den Sessel und ging in das Zimmer nebenan. Bleib doch noch hier! Gegen Kais Willen folgte Tyson ihm. „Kai...“ Kai zuckte zusammen. „Ich hab doch gesagt, du sollst auf dem Sofa bleiben!“, fauchte er. Halb ausgezogen wirbelte er zu Tyson herum, dem beinahe der Atem stockte. Wow! Ja, ich weiß wieder, warum ich ihn liebe!! „Na los! Raus!“, sagte Kai. „Och Kai!“, sagte Tyson und kam stattdessen näher. „Zieh Leine!“, schimpfte Kai. Doch Tyson ließ nur ein Schnurren hören. Kai schnappte sich eine Decke und warf sie Tyson ins Gesicht. „RAUS!“ Tyson maulte irgendetwas und hielt die Decke fest. Aufgebracht nahm Kai ihn an den Schultern, schob ihn hinaus und setzte ihn auf das Sofa. „Du schläfst da!“ „Ich will aber bei dir schlafen.“, jammerte Tyson. „Oh ja! Und am besten noch gleich mit mir, so wie du dich hier aufführst! Vergiss es!“, sagte Kai wütend, ging in sein Schlafzimmer und schlug die Tür zu. Tyson hörte, wie er auch noch abschloss. Schade... Aber 'ne gute Idee wär's ja... Aber ich glaube kaum, dass er da jetzt mitmacht... MIST!!! Widerwillig verkroch sich Tyson unter Decke und schlief ein. Nachdem Kai das Schlafzimmer tysonsicher gemacht hatte ließ er sich ins Bett fallen und seufzte. Endlich Ruhe... Was denkt der sich eigentlich? Zum Glück fliegt er morgen zurück... Immer noch etwas griesgrämig schlief auch er bald ein... Schwerfällig richtete sich Kai am nächsten Morgen auf. Ooh... Er hat gestern gesoffen und ich hab die Kopfschmerzen. Na super! Sie waren zwar nicht schwer, aber sie waren da und sie störten ihn gerade. Müde stand er auf und ging aus dem Zimmer. Tyson lag schlafend auf dem Sofa, die Decke lag auf dem Boden. „Du Idiot!“, murmelte Kai und legte die Decke wieder über Tyson. „Mmmh... Bleib hier...“, schnurrte Tyson und zog Kai zu sich. „Vergiss es!“, brüllte Kai und riss sich los. „Aua...“, murmelte Tyson. „Was denn jetzt noch?“ „Mein Kopf...“ Tyson stand auf lehnte sich gegen Kai. „Selbst Schuld! Was säufst du auch soviel!“ „Kai, kann ich hier bleiben? Ich hab dich lieb...“ Kai knurrte, doch Tyson verstand es offensichtlich falsch und kuschelte sich an ihn. „Das reicht! Raus!“, sagte Kai, befreite sich von ihm und schob ihn zur Tür. „Aber Kai! Ich muss dir doch noch was sagen!“, japste Tyson und hielt sich am Türrahmen fest. „Was?“, schnappte Kai. Tyson fiel ihm um den Hals. „Ich liebe dich!“ Wütend schubste Kai ihn raus. „Vergiss es! Zieh Leine! Flieg verdammt nochmal nach Hause! … Und glaub ja nicht, ich flieg dir hinterher!“, fauchte Kai und schlug ihm die Tür vor der Nase zu. „Liebeskrank!“, fauchte er und lehnte sich gegen die Tür. Flieg bloß wieder zurück nach Tokyo! Kai fuhr sich durch die Haare und ließ sich dann auf das Sofa fallen. Sein Blick fiel auf das Kissen neben ihm und somit auf Tysons Basecap. Auch das noch... Er starrte das Basecap an. Ob das so 'ne gute Idee war, ihn rauszuschmeißen? Ich hab mal wieder nicht nachgedacht... Wer weiß... Vielleicht bin ich ja der größere Idiot von uns beiden...? Es war bereits Abend, als Opa Granger Tyson, Hilary und Kenny vom Flughafen abholte. Er brachte die beiden noch nach Hause, doch währenddessen und während der Fahrt zu ihrem Dojo schwieg Tyson. Auch zu Hause ging Tyson sofort in sein Zimmer. Er hat mich überhaupt nicht erklären lassen! Er hat, wie immer, nicht nachgedacht! Nicht an andere gedacht! … Und... verdammt, das ist es doch, was mich an ihm so reizt! Seine Unnahbarkeit! Ich liebe ihn... Und er? Er schmeißt mich einfach raus! Eiskalt! Womit hab ich das verdient? Was hab ich ihm getan? … Ach soll er doch in New York schmoren! Wenn er nicht will, soll er doch da bleiben! Idiotischer Ignorant! Es dauerte nur eine Woche, bis Tyson sich wieder völlig normal verhielt. Als wäre nie etwas gewesen. Ganz im Gegensatz zu jemand anderem in New York. Kai saß anteilnahmslos im Lesesaal. Sein Kommilitone beäugte ihn schon. „Hey, Kai? Was ist los mit dir? In letzter Zeit bist du echt komisch.“ „Nichts. Ich bin mir nur nicht ganz sicher, ob ich bei jemandem einen Fehler gemacht hab oder nicht...“, meinte Kai. „Du klingst so, als hättest du deine Freundin rausgeworfen!“, flüsterte er und sein Grinsen war fast breiter als das der Grinsekatze aus dem Wunderland. „So in etwa...“, seufzte Kai. Nur das „sie“ ein „er“ war... Nämlich ein kleiner verrückter Wildfang namens Tyson, der wie ein Sturm alles völlig durcheinander gebracht hat. Und das mit nur drei Worten... Drei Worte mit solch einer Wirkung... Chris wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum. „Hey, Träumer! Der Alte ist da!“, sagte er. Der „Alte“, wie sein Kommilitone ihn so gern nannte, war der Professor des Philosophie-Kurses und der stand gerade neben Kai, die Fäuste in die Hüften gestemmt und trommelte mit mit einem Fuß auf dem Holzboden herum, sodass es der ganze Lesesaal hören konnte. „Mr. Hiwatari! Falls Sie sich daran erinnern, hatten Sie alle die Aufgabe, eine Lebensphilosophie aufzustellen! Ich höre!“, knurrte er. Kai sah ihn einen Moment musternd an. Hatte er das? Na wenn das so war. „Lebe und denke nicht an morgen. Ich hau ab, ich muss was wichtiges klären!“, sagte er dann, griff seine Tasche und verließ den Saal, die Blicke der anderen auf sich spürend. Sein Weg hatte ihn direkt zum Dekan geführt. Dem hatte er ein Heidentheater vorgegaukelt, nur damit er ihn rauswarf. Jetzt war er auf dem Weg nach Hause. Er packte die wichtigsten Sachen ein, was erstaunlicherweise nicht viel war und rief Max an. Der sollte seine Möbel abholen und bei sich im Keller lagern. Dass da unten Platz genug war, wusste er. Sein Auto brachte er noch am selben Tag zu einem Übersee-Spediteur der es nach Japan bringen sollte. Um die weitere Überführung zum Airport von Tokyo kümmerte er sich auch gleich. Das Schiff legte auch sofort ab, er hatte also Glück gehabt, dass sein Auto überhaupt noch mitdurfte. Kai selbst flog am Nachmittag des darauffolgenden Tages nach Tokyo. Der Flug war nicht lange, weshalb er nur wenig Zeit hatte, darüber nachzudenken, was er hier eigentlich tat. Ich muss doch echt verrückt sein, dass ich das hier tue! Ich hab das Studium geschmissen und meine Wohnung aufgelöst, nur um nach Tokyo zu fliegen! Mach ich das gerade wirklich, nur um mich bei ihm zu entschuldigen? … Oh Mann, da hätte ich doch anrufen können! Was mache ich hier eigentlich... Als er am Tokyoter Flughafen ankam, stand sein Auto bereits auf dem Parkplatz. Den Schlüssel holte er am Terminal ab, warf seine Taschen in den Kofferraum und auf die Rückbank und fuhr los. Vor dem Dojo der Grangers hielt er an. Sein Blick ging als erstes in den wolkenverhangenen Himmel. Ein kalter Wind wirbelte um ihn herum und ließ ihn frösteln. Es würde wohl doch bald schneien – und das nicht zu wenig, wie es aussah. Kai straffte sich. Na dann... Hoffentlich ist er auch da. Mit einem komischen Gefühl im Bauch betrat er das Grundstück. Als er um das Dojo herumkam, sah er Hilary an der Tür stehen. „Okay, bis dann“, sagte sie, drehte sich um und sah Kai mit großen Augen an. „Oh, ich glaube, du hast Besuch bekommen, Tyson!“, fügte sie hinzu, die Augen weiterhin auf Kai gerichtet. Er schluckte schwer und kam näher. „Ich geh dann jetzt.“, meinte Hilary und ging an Kai vorbei. Im selben Moment trat Tyson aus der Tür heraus. Er musterte Kai einen Moment lang. Kai kam es vor, als würde er ihn von oben bis unten ansehen, so als hätte er ihn noch nie in seinem Leben gesehen. „Was willst du denn hier?“, fragte er dann. „Was werde ich wohl wollen?“, fragte Kai zurück. Ich kann mir jetzt keine Schwäche erlauben... Besser gesagt, ich will es nicht. „Keine Ahnung. Du musst mir schon sagen, was du hier willst.“ Tyson klang kühl. Und dass er Kai halbwegs zitierte, war ihm nicht entgangen. Ja, er war sauer auf ihn, das merkte Kai. „Ich will mich bei dir entschuldigen.“ Tyson schaute ihn misstrauisch an. Dann segelte eine dicke Flocke vor Kais Gesicht zu Boden. Ihr folgten weitere und recht schnell standen sie beide im Schneefall. „Komm mit. Gehen wir in den Pavillon.“, sagte Tyson und drehte sich um. Kai folgte ihm durch einen Gang wieder hinaus in einen geschlossenen und vor allem angenehm beheizten Pavillon. Sie setzten sich gegenüber. „Wofür willst du dich entschuldigen?“ Kai schnaufte, schloss ganz die Augen und sah hinaus, wie der Schnee sachte eine weiße Decke auf den hübschen Garten legte. „Dafür, dass ich dich so fies rausgeschmissen habe. Tut mir Leid.“ Tyson lachte kurz. „Das fällt dir aber spät ein.“ „Jetzt mecker noch rum... Sei lieber froh, dass ich überhaupt hergekommen bin!“, sagte Kai. Er hatte bissig klingen wollen, aber irgendwie war es eher ein beleidigter Tonfall geworden. „Ja, schön. Da hättest du aber auch anrufen können. Wär' dich um einiges billiger gekommen!“, entgegnete Tyson. „Ich bin nun aber hergeflogen. Ist das so ein Problem für dich auf einmal?“ „Ja, ist es.“, sagte Tyson, als wäre das Ganze hier eine völlige Belanglosigkeit. „Wieso?“ Tyson schaute ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an. „Du fragst mich allen Ernstes, warum es für mich ein Problem ist, dass du jetzt auf einmal hergeflogen kommst, um dich für etwas zu entschuldigen, was du vor Tagen getan hast? Wo du auch locker mal eben hättest anrufen können? Es sofort hättest tun können? Ich glaub ich spinne! … Ich hab dir meine Gefühle preisgegeben und du hast mich abgewiesen! Abgewiesen als wäre ich ein verdreckter Straßenköter, der in deiner ach so sauberen Wohnung nichts verloren hat! Und das ohne es mir IRGENDWIE zu erklären! Findest du das fair?!“, wütete Tyson und wurde dabei teilweise richtig laut. „Nein... Deswegen bin ich ja hier.“, sagte Kai, bemüht, ruhig zu bleiben. Tyson zeigte ein Lächeln, dass nicht gerade wohlwollend gemeint war und sah zu dem Schneetreiben hinaus. „Du hast mir gesagt, was du fühlst. Dann kann ich das doch auch machen.“ Kai sah Tyson an, doch es kam keine Reaktion. „Hörst du mir überhaupt zu?“, fügte er hinzu. Tyson sah wieder zu ihm. „Dazu ist jetzt wohl zu spät. Du hast mir an dem Tag klar gemacht, dass es keinen Sinn hat. Überdeutlich.“, war seine Antwort darauf. Kai starrte ihn sprachlos an. Wie bitte? Zu spät? War das alles jetzt umsonst, oder was? Ich hab umsonst meine Wohnung aufgelöst und das Studium geschmissen? Nur um jetzt wie der letzte Depp dazustehen? Mit nichts?! Willst du mich verarschen? „Was? „Du hast mich schon verstanden. Du kommst zu spät!“, sagte Tyson. Wortlos und mit einem Kopfschütteln stand Kai auf, ging zur Tür, hielt dann aber doch noch inne. Er lachte trocken und legte den Kopf in den Nacken. „Und dafür hab ich alles hingeschmissen... Ich Idiot!“, sagte er und ging hinaus in das wilde Schneetreiben. Tyson runzelte die Stirn, dann stand er auf und lief ihm nach. „Wie meinst du das? Was hast du hingeschmissen?“, fragte er. „Alles... das hab ich doch grad gesagt.“, meinte Kai nur und ging vor das Haus in Richtung seines Autos. „Was heißt alles?“ Kai drehte sich ruckartig um, sodass Tyson beinahe in seine Arme gelaufen war. So nahe wie sie sich gerade standen, dachte Kai überhaupt nicht daran, den Abstand auch nur irgendwie zu verringern. Ganz im Gegenteil, er tat ein paar Schritte vorwärts, sodass Tyson letztendlich mit dem Rücken an der Haustür stand und sich gegen den Rahmen lehnte. „Mein Studium... Meine Wohnung... Meine Möbel stehen bei Max und mein Auto steht hier vor deiner Tür, im Kofferraum alles mögliche, was ich sonst noch besitze! Und warum?!“, sagte er mit einer tiefen Stimme. Tyson schluckte. Kai klang zwar wütend, aber er konnte eine gewisse Reue daraus hören. Weil er alles aufgegeben hatte, nur um hier abgewiesen zu werden? Oder etwa doch, weil er Tyson zu hart angefahren und rausgeworfen hatte? Er konnte es nicht sagen. Aber die Tatsache, dass Kai in New York alles hingeworfen hatte und mit Sack und Pack hierher gekommen war... Was sollte er dazu sagen? „Ich bin hergekommen, um mich dir zu erklären. Mich zu entschuldigen. Alles in der Hoffnung, dass du vielleicht immer noch so fühlst, wie zu Max' Geburtstag... Aber da hab ich mich wohl sehr getäuscht. Dann werde ich wohl von vorne anfangen müssen... Mach's gut...“ Er ließ Tyson einfach stehen und ging auf sein Auto zu. „Bleib stehen.“ Er hat das alles aufgegeben? Ich hätte nie erwartet, dass er das wegen mir tun würde... Dabei hat er gesagt, er würde mir nicht nachfliegen und so schien es doch auch... Ich versteh die Welt nicht mehr... Kai hatte es gehört, aber wozu noch reagieren. Was brachte das denn noch? „Bleib stehen! Sofort!“, rief Tyson und rannte ihm hinterher. Kai drehte sich um und sah ihn nur noch haltlos auf sich zustolpern. Im nächsten Moment lagen beide im frisch gefallenen Schnee. „'tschuldigung... Tut mir Leid. Ist alles okay?“, fragte Tyson. „Ja, schon gut.“, knirschte Kai und beide standen wieder auf. Tyson sah zu Boden. Kleine Schneesterne glitzerten in seinen Haaren und Kai konnte nicht anders als sie anzusehen und zu lächeln. „Ich... hab meine Gefühle für dich nicht vergessen. Ich war nur wütend.“, sagte Tyson betreten. „Können wir drinnen reden? Ich glaube mein Rücken wird gerade nass.“, entgegnete Kai, ohne auf Tysons Worte einzugehen. „Ja, natürlich...“, meinte Tyson und zusammen gingen zum Pavillion zurück. „Warum jetzt auf einmal? Du warst doch eben noch so abweisend?“, fragte Kai, als sie jetzt nebeneinander saßen. „Das fragst du mich noch? Du hast alles aufgegeben. Nur um hierher zu kommen und dich zu entschuldigen... Wie sollte ich da noch sauer auf dich sein?“, erklärte Tyson. „Schon okay... Ich hab das eigentlich auch gemacht, um dir etwas zu sagen. Du weißt schon, was ich meine.“, sagte Kai und flüsterte Tyson dann „Ich liebe dich“ ins Ohr. ~ Owari ~ Hosted by Animexx e.V. 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