Danger von Maya (-Only One Shot-) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Hallo ^^ Wie angekündigt noch zu Ostern das erste Kapitel von "Danger"! Ich möchte vorher noch einmal anmerken oder empfehlen, das Zwischenkapitel zu lesen, wo ich einiges zur koreanischen Mafia erkläre: http://www.fanfiktion.de/s/5515762a00049f992c7410fb/2/Danger-Only-One-Shot- Titel: Danger -Only One Shot- Teil: 2/? Warning: Alcohol/Drug Abuse, Violence, Sex (Yaoi), Sexual Abuse, Self-harm, Eating Disorder... Rating: PG18/MA (bei Warning aufgelistete Dinge werden z.T. später sehr grafisch dargestellt) Personen: Yongguk (B.A.P), Daehyun (B.A.P), Kim Minjun (Jun.K/2PM), Yoo Barom (Rome/C-CLOWN), Ha Joonyoung (E.Co/JJCC) und erwähnt Lee Changsun (LeeJoon/MBLAQ) Pairings: zu Beginn noch keines, später Yongguk x Daehyun und Rap Monster x V Disclaimer: Keiner der hier erwähnten Musiker gehört mir und ich verdiene kein Geld hiermit   Viel Spaß beim Lesen! Maya März 2015, irgendwo in Seoul Bang Yongguk starrte aus dem Fenster des Hotels. Die Nacht hatte sich über die Stadt gesenkt, doch die Lichter von Autos, Ampeln, Straßenbeleuchtungen und Hochhäusern funkelten in der Dunkelheit wie Sterne. Der Mond stand halbvoll am Himmel und sein milchiges Licht schien durch die Scheibe in das Zimmer, warf einen langen Schatten auf den Boden und das Bett in seinem Rücken. Ein nackter, schlafender Körper verbarg sich unter den Seidenlaken, doch Yongguk schenkte ihm keine Beachtung. Gedankenversunken sah er in die Ferne, vorbei an den Lichtern der Stadt und seufzte lautlos. Das Meeting vom Nachmittag ging ihm nicht aus dem Kopf. Für ein paar Stunden hatte er es aus seinem Gedächtnis verdrängen können, mit Party, Alkohol und Sex. Doch jetzt, ausgenüchtert und wach, war das Gespräch wieder präsent und beherrschte seine Gedanken. Flashback Yongguk strich sich die Anzugjacke glatt, rückte seine Krawatte zurecht und fuhr sich dann durch das Haar. Er saß auf dem Rücksitz seines geliebten Oldtimers, seinem weiß-schwarzen Packard, und wurde von seinem Chauffeur quer durch die vollen Straßen Seouls gefahren. Man erwartete seine Anwesenheit im Royal Hotel. Er hatte die Nachricht erst vor einer Stunde erhalten, doch er hatte sich ohne Fragen zu stellen auf den Weg gemacht, war in seinen Wagen gestiegen und hatte das Treffen mit seinem Abnehmer verschoben. Yongguk hasste es, seine Termine so kurzfristig abzusagen. Er wusste, dass er es sich nicht erlauben konnte, seine Kunden zu versetzen – Unzuverlässigkeit und Lieferverzögerungen wurden schnell zum Anlass genommen sich an einen anderen Anbieter zu wenden. Doch Yongguk wusste auch, dass keiner so guten Stoff hatte wie er. Sein Abnehmer würde ihm dieses eine Mal verzeihen. Der junge Mann in dem sündhaft teuren Maßanzug sah auf seine Armbanduhr und prüfte die Zeit. In zehn Minuten sollte das Meeting beginnen. Es musste wichtig sein, wenn die Chil Seong Pa ihn bei dem Treffen dabei haben wollte. Für gewöhnlich waren nur die Clanbosse zu solchen Meetings eingeladen; die Köpfe der verschiedenen Organisationen, verantwortlich für Geldwäsche, Prostitution, Menschenhandel, Schmuggelware wie Waffen und Plagiate, Erpressung und natürlich das Drogengeschäft. Er selbst stand zwar mittlerweile weit oben in der Rangordnung der Kkangpae, aber er war ein kleines Licht im Vergleich zu Kim Donghwan oder Lee Sihyuk. Nach dem Tod von Noh Doryeok war Yongguk zwar in der Hierarchie aufgestiegen, aber er hatte nicht seinen Platz eingenommen, wie er gehofft hatte. Kim Donghwan war stattdessen in diese Position befördert worden und Yongguk musste zehn Prozent seines Gewinns an ihn abgeben. Das ging ihm gehörig gegen den Strich. Es passte ihm gar nicht, dass Donghwan nun über ihm in der Chil Seong Pa stand und den Ton im Drogengeschäft angab. Er war bei weitem nicht so ein geschickter Verhandlungspartner wie es sein Vorgänger gewesen war und zudem litt er an mangelnder Impulskontrolle. Insgesamt war Yongguk der Meinung, dass er schlecht für das Geschäft sei und lieber wieder zurücktreten solle. Aber zu seinem Leidwesen hatte er darauf keinen Einfluss. Aus ihm unerfindlichen Gründen hatte Noh Doryeok nunmal Donghwan zu seinem Nachfolger ernannt. Und Shin Goomin, der letzte Überlebende der ursprünglich sieben Oberhäupter der Chil Seong Pa, hatte diese Entscheidung unterstützt und keine Kritik an ihr zugelassen. Genervt runzelte Yongguk die Stirn, als sein Wagen vor dem Royal Hotel hielt und er Kim Donghwan entdeckte. Yongguk schnaubte, ehe er seinem Fahrer dankend zunickte, der ihm die Tür aufhielt. Noch einmal fuhren seine Finger über den Kragen seiner Anzugjacke, bevor er sich in Bewegung setzte. Donghwan stand am Eingang des Hotels und unterhielt sich mit einem Mann, den Yongguk nicht kannte. Protzig sog sein Rivale an einer Zigarre, an einem Finger trug er einen altmodischen Siegelring aus Gold und sein eher plumper Körper steckte in einem dunklen Nadelstreifenanzug. Der Mittdreißiger stand auf alte Gangsterfilme, in denen die Mafiosi Maschinengewehre in Geigenkästen transportierten und er kopierte den Kleidungsstil bis hin zu den Schuhen mit den Gamaschen. Wahrscheinlich sah er sich selbst als eine Art koreanischer Al Capone. Erbärmlich. Als er näher kam, grinste Donghwan ihm schmierig zu und nickte grüßend, aber abschätzig. „Sieh einer an“, verkündete er und sein Gesprächspartner wandte sich zu dem Ankömmling um, „Bang Yongguk. Es überrascht mich, dass sie ausgerechnet dich eingeladen haben.“ Yongguk rang sich ein kleines Lächeln ab. „Und mich überrascht es, dass du dich in dem Aufzug auf die Straße traust. Wir haben schließlich kein Fasching.“ Donghwans Augenbraue zuckte, doch ehe er etwas erwidern konnte, ergriff der Unbekannte das Wort. „Aaah!“, strahlte er und sah Yongguk mit leuchtenden Augen an, „Bang Yongguk! Schön, Sie einmal persönlich zu treffen. Ich habe viel von Ihnen gehört! Die Geschäfte laufen gut, ja?“, er reichte dem Jüngeren die Hand und Yongguk ergriff sie, „Kim Minjun, freut mich sehr.“ Da dämmerte es Yongguk. Kim Minjun saß in der Leitstelle des Syndikats in Daegu. Da fragte er sich, ob auch Mitglieder aus Busan, dem Hauptsitz, bei dem Meeting anwesend sein würden. Und warum genau er eingeladen worden war. „Aber es wird Zeit“, meinte Minjun in dem Augenblick, „Lassen sie uns reingehen, die Gentlemen warten sicher schon auf uns.“ Also betraten die drei Chil Seong Pa Mitglieder das Hotel und wenig später den Fahrstuhl. Sie nutzten den VIP Lift, der ohne weiteren Zwischenhalt in den siebten Stock fuhr. Als sie dort den Konferenzraum betraten, konnte Yongguk einige bekannte, aber auch viele unbekannte Gesichter ausfindig machen. Wie vermutet waren die leitenden Köpfe der verschiedenen Geschäftszweige der Kkangpae in Seoul anwesend und Yongguk vermutete, dass die unbekannten Gesichter aus den Stellen Daegus, Incheons und Busans kamen. Donghwan gesellte sich zu Lee Sihyuk und Kim Minjun grüßte das Chil Seong Pa Oberhaupt Shin Goomin, der am Kopfende des langen Konferenztisches saß. Yongguk entdeckte Yoo Barom und war erleichtert. Der attraktive Mann war in seinem Alter und bekleidete einen ähnlichen Rang in der Kkangpae. Sie hatten schon des Öfteren Geschäfte miteinander abgeschlossen und Barom hatte ihm stillschweigend vor einigen Wochen bei einem Ärgernis mit einem Kunden geholfen, ohne es an die große Glocke zu hängen. Er wusste, dass Rufschädigung im Moment das Letzte war, was er gebrauchen konnte. Nachdem Yongguk sich neben ihm niedergelassen hatte und auch die restlichen Mitglieder auf ihren Plätzen saßen, ergriff Shin Goomin das Wort. „Gentlemen“, sagte er mit seiner tiefen Bassstimme und die versammelten Männer verfielen in Schweigen, „Ich freue mich, dass Sie alle so kurzfristig hier erscheinen konnten. Wie ich vor gut einer Stunde erfahren habe, gab es in Busan einen kleinen... Zwischenfall.“ Yongguk warf Barom einen Seitenblick zu und erkannte, dass auch er mit dieser Information nichts anfangen konnte. Doch ihr Oberhaupt fuhr nach einer kurzen Pause fort und klärte die Situation auf. „Die Hwan Song Seong Pa bricht auseinander; vor etwa zwei Stunden hat die Polizei den Hauptsitz gestürmt und die Bosse und viele ihrer Mitglieder verhaftet. Ein unwesentlicher Teil ist tot.“ Ein Raunen ging durch den Konferenzraum und auch Yongguk spürte eine Art Erregung durch seinen Körper zucken. Die größte Konkurrenz ihrer Organisation innerhalb der Kkangpae war die Hwan Song Seong Pa nicht, aber die Ssang Yong Pa – und die würde es bestimmt ebenfalls bereits wissen. Und das war allen im Raum klar. „Wenn wir schnell handeln“, übertönte Goomin die Stimmen seiner Kollegen, „können wir ihre Geschäfte infiltrieren und übernehmen – das Machtvakuum wird nicht lange anhalten. Die Mitglieder, die aktuell nicht in Busan vor Ort sind, werden in den nächsten Stunden versuchen die Lücken wieder zu schließen und die Situation unter Kontrolle zu bekommen.“ Sofort brach die Unruhe wieder aus und auch Yongguk wandte sich nach links zu Barom. „Wenn wir diese Lücke schließen, hätten wir fast ganz Südkorea in unserer Gewalt!“, zischte er und sein Nebenmann nickte zustimmend, „Unser Einfluss wäre enorm – die Ssang Yong Pa könnte kaum mehr mit uns konkurrieren und-“ „Wir müssen schnell sein“, stimmte Barom zu und nickte noch einmal bekräftigend, ehe Goomin wieder seine Stimme erhob. „Gentlemen, Gentlemen, bitte“, versuchte er wieder Ruhe und Ordnung zu schaffen, „Unsere geschätzten Kollegen aus Busan sind anwesend und haben ihre Instruktionen bereits erhalten. Ha Joonyoung hat noch vor seinem Aufbruch hierher zu uns erste Schritte in die Wege geleitet. Aber er braucht unsere Unterstützung, um die restlichen Mitglieder der Hwan Song Seong Pa ausfindig und unschädlich zu machen. Entweder sie schließen sich uns an oder werden beseitigt. Klar soweit? Joonyoung, bitte.“ Der junge Mann aus Busan nickte dem Oberhaupt dankend zu. „Vielen Dank, Boss Goomin. Und Gentlemen, ich bin froh heute hier zu sein und auf ihre Hilfe in dieser Angelegenheit zählen zu können“, begann er und warf einen Blick in die Runde, „Meine Männer haben bereits die Aufenthaltsorte einiger Hwan Song Seong Pa Mitglieder hier in Seoul ausfindig gemacht und einige hochrangige Mitglieder wurden vor wenigen Minuten in Daegu und Busan gefangen genommen. Aber es sind noch genug auf freiem Fuß und wir müssen noch heute so viele ausschalten wie möglich. Jedem hier untersteht ein bestimmter Stadtteil unseres Wirkungskreises und...“ Bang Yongguk hörte nur noch mit einem halben Ohr zu, während der Boss aus Busan, in dem schicken weißen Anzug, die Mitglieder über die genauen Standorte informierte und die weiteren Schritte besprochen wurden. Nur wenige Minuten nach dem Meeting hatten sich Bang Yongguk, Yoo Barom und alle anderen an die ihnen unterstehenden Mitglieder der Chil Seong Pa gewandt und ihnen die Standorte verraten. Im Laufe des Nachmittags wurden mehrere hundert Flüchtige des rivalisierenden Syndikats getötet oder gefangen genommen, einige schlossen sich ihnen an, andere wehrten sich und starben. Nur in wenigen Fällen stießen sie dabei auf Schläger der Ssang Yong Pa, die gezwungen wurden, sich zurückzuziehen. Aus Busan ging die Meldung ein, dass Lee Changsun, Ha Joonyoungs Stellvertreter, die Lage unter Kontrolle hatte. Innerhalb der nächsten Tage sollten die wichtigsten Geschäfte der Hwang Song Seong Pa in ihren Händen sein. Flashback Ende Yongguk trat von dem Fenster weg und drehte sich zum Bett. Der nackte Körper hatte sich in der Zwischenzeit nicht gerührt. Er ging näher heran und betrachtete die junge Frau. Sie war hübsch und unter Alkoholeinfluss hatte der Sex mit ihr Spaß gemacht, aber... jetzt im Nachhinein fühlte er sich so leer wie zuvor. In ein paar Stunden würde sie das Hotelzimmer wieder verlassen, er würde in seinen Packard steigen und in seine Wohnung zurückkehren, um die nächsten Schritte zu planen. In drei Tagen sollte erneut ein Meeting stattfinden; dieses Mal wieder nur die Clanbosse. Er erhoffte sich jetzt wieder Aufstiegschancen, immerhin wurden fremde Geschäftszweige übernommen, die geleitet werden mussten. Er bezweifelte, dass Donghwan sich ebenfalls die Drogengeschäfte der Hwan Song Seong Pa einverleiben würde. Der Mann war ja schon mit seinem Zweig in Seoul total überfordert. Yongguk war sich ziemlich sicher, dass auch Boss Goomin dies erkennen und einen anderen mit dieser Aufgabe betrauen würde; das wäre das Beste für die Organisation. Und Yongguk war der Beste in seinem Fach. Er hatte ein breit gefächertes Angebot, gut zahlende Stammkunden und Abnehmer, die horrende Summen für den hohen Reinheitsgrad seiner Ware hinblätterten. Er pflegte gute Kontakte zu seinen Lieferanten und Vertragspartnern und hatte einen guten Draht zu Seouls High Society. Anwälte, Bankiers, Ärzte und Manager schätzten seinen guten Umgangston und er war ein gern gesehener Gast in ihren Kreisen. Er war charmant und fair, aber hart und erbarmungslos, wenn jemand meinte, ihn über's Ohr hauen zu können. Der junge Mann in dem Oldtimer hatte sich Ansehen und Respekt in seinem Viertel erarbeitet und verteidigte sein Revier zur Not auch mit Gewalt, wenn Worte keine Wirkung zeigten. Kim Namjoon war sein bester Mann. Der Blonde mit der Lederjacke hatte zwar die Mitgliedschaft in der Chil Seong Pa akzeptiert, aber er war nicht aus auf eine höhere Position in Anzug und Krawatte. Er hatte zu ihm gemeint, dass er sich auf der Straße wohler fühlte, als in der Chefetage. Yongguk musste bei dem Gedanken an seinen Freund lächeln. Die jungen Ausreißer in seinem Viertel, die Straßen um den Bahnhof herum, liebten Namjoon. Er war zwar nur ein gewöhnlicher Dealer, aber er hatte ein großes Herz – ein paar Mal schon hatte er mitbekommen, wie der Blonde den Jungen am Bahnhof Sandwiches, Snacks, Getränke oder andere Kleinigkeiten vorbeibrachte und dafür sorgte, dass es ihnen an nichts fehlte. Und auch er hatte Namjoon in sein Herz geschlossen. Seit ihrer ersten Begegnung vor knapp drei Jahren, hatten sie mehrfach das Bett miteinander geteilt, aber auch weit mehr als das. Er vertraute ihm, sie verband eine tiefe Freundschaft und niemand kannte ihn so gut, wie Namjoon. Seufzend sah Yongguk ein letztes Mal aus dem Fenster, dann zu der Frau in seinem Bett, ehe er sich wieder neben sie legte und die Augen schloss. Er hatte anstrengende Tage vor sich und sollte wirklich versuchen zu schlafen. Doch die Ereignisse des Tages ließen ihn einfach nicht los. Schließlich spülte er eine Schlaftablette mit etwas Wodka hinunter, um endlich zur Ruhe zu kommen und in einen traumlosen Schlaf zu gleiten. April 2015, irgendwo in Busan Jung Daehyun lag reglos in seinem Bett. Er fühlte sich beschmutzt und er ekelte sich vor sich selbst. Während seine Mutter wieder einmal dabei war, sich bewusstlos zu trinken, lag sein Vater bei ihm im Bett und... 'liebte' ihn. In schlimmen Fällen, blieb sein Vater die ganze Nacht, schlief neben ihm ein und hielt ihn dabei in seinen Armen. Daehyun war ein Gefangener. Sein Körper gehörte nicht länger ihm und sein Vater beobachtete jeden Tritt und Schritt, den er tat. Jede seiner Bewegungen wurde von dem Mann Mitte vierzig mit den Augen verfolgt und er fühlte sich ihm schutzlos ausgeliefert. Sein Vater war ihm körperlich überlegen und er wagte nicht, sich zu wehren. Davon abgesehen, dass er sich psychisch dazu nicht in der Lage fühlte. Er konnte nicht. Er war am Ende. Am Ende seiner Kräfte. Daehyun wusste, wenn er nichts tat, würde sein Vater nie aufhören. Die einzige Möglichkeit war: Flucht. Er fühlte sich wie ein Häftling, der einen Ausbruch aus dem Gefängnis plante. Er überlegte, wann sein Vater nicht im Haus war und wann sein Verschwinden so spät wie möglich auffallen würde. Da seine Mutter so gut wie rund um die Uhr Zuhause war, musste er einen Moment abpassen, in dem beide abwesend waren und er sich unbemerkt hinausschleichen konnte. Doch das war leichter gesagt, als getan. Wenn sein Vater in der Firma war, war seine Mutter im Haus und wenn diese beim Friseur, im Schönheitssalon oder beim Einkaufen war, war es sein Vater, der das Haus nicht verließ. Selbst wenn er sich an einem der beiden vorbei nach Draußen schleichen und abhauen könnte, würde nach kurzer Zeit auffallen, dass er nicht mehr da war. Er wollte aber sicher gehen, dass er wenigstens einen Vorsprung von einigen Stunden hatte – falls sie auf die Idee kämen ihn zu suchen oder die Polizei zu rufen, wollte er bereits nicht mehr in Busan sein. Nur um auf Nummer sicher zu gehen, dass sie ihn nicht wieder aufgriffen. All diese Überlegungen kreisten in seinen Gedanken, während sein Vater nackt neben ihm im Bett lag und schlief. In den letzten Wochen war er jede Nacht bei ihm gewesen und hatte ihn benutzt. Daehyun ließ es über sich ergehen und tröstete sich mit dem Gedanken, bald verschwunden zu sein. Drei Tage später schließlich, sah Daehyun seine Chance gekommen. Seine Eltern waren zu einer Wohltätigkeitsveranstaltung eingeladen worden, waren also beide zugleich außer Haus. Normalerweise hätte er sie begleitet, doch er lag mit Fieber im Bett und sollte sich ausruhen. Kaum, dass seine Eltern weg waren, sprang er jedoch auf die Füße (wobei er kurz den Schwindel niederringen musste) und lief zu seinem Schrank. Sein Schädel pochte und ihm war heiß und kalt zugleich; das Fieber schwächte ihn. Doch so eine Gelegenheit kam so schnell nicht wieder, also kämpfte er gegen seine körperlichen Beschwerden an und schlüpfte in Jeans, T-Shirt und Pullover. Unten im Schrank hatte er eine gepackte Tasche versteckt, die er nun hervorzog und noch einmal den Inhalt prüfte, ehe er den Reißverschluss wieder zuzog. Er hatte nur die wichtigsten Sachen eingesteckt: Portemonnaie mit seinem Ausweis, etwas Bargeld und seiner Bank- und Krankenkarte, ein paar Hygieneartikel wie Zahnpasta und -bürste, Handy und MP3-Player mit den Aufladegeräten und einige Wechselklamotten wie eine zweite Jeans, T-Shirts, Socken und Unterwäsche. Sollte er noch weitere Pullover oder eine warme Jacke benötigen, würde er diese später kaufen – er wollte nicht zu viel Ballast mit sich schleppen. Kurz setzte er sich noch einmal auf sein Bett. Er hatte Kopfschmerzen und seine Beine zitterten, doch er wollte sich davon nicht aufhalten lassen. Er atmete tief ein und aus und dachte kurz daran, noch einen Schlafsack mitzunehmen. Hatte er noch einen? Zehn Minuten später verließ er das Haus durch den Vordereingang. Daehyun sah keinen Sinn darin dramatisch aus dem Fenster zu klettern – das war verschwendete Energie und würde nur unnötig Aufsehen erregen. Wie sah das denn auch aus, wenn er plötzlich die Weinreben hinunterkraxeln würde, wenn er in dem Haus wohnte und die Haustür benutzen konnte? Als er die Eingangstür hinter sich ins Schloss zog und den Schlüssel herumdrehte, überlegte er, ob er ihn stecken lassen sollte. Oder in einem Blumentopf verbuddeln. Er besah sich den Schlüsselbund in seiner Hand von allen Seiten und kaute auf seiner Unterlippe. Das Silber glänzte in der Frühlingssonne und lag kühl auf seiner Haut, fühlte sich aber nicht unangenehm, sondern vertraut an. Zwei Mal hatte er in seinem Leben den Schlüssel Zuhause vergessen und er war sich unheimlich nackt vorgekommen; so als ob ein wichtiger Teil von ihm fehlte. Kurzentschlossen ließ er den klimpernden Bund in die Jackentasche gleiten. Er drehte sich auf dem Absatz um und lief den hellen Steinweg entlang durch den Vorgarten, öffnete das Tor und verließ das Gelände. Während seine Füße ihn immer weiter von seinem Elternhaus fort trugen, ermahnte er sich in Gedanken daran, nicht zurück zu sehen. Nein, er würde weitergehen. So lange, bis er am Bahnhof angekommen war. Je weiter er lief, desto leichter fiel ihm das Atmen. Seine Schultern lockerten sich, sein Brustkorb schien sich zu öffnen, seine Lungenflügel entfalteten sich und ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Seine Schritte beschleunigten sich, er wurde immer schneller, bis er schließlich rannte. So lang ihn seine Beine trugen, rannte er weiter und immer weiter, ignorierte Stoppschilder und Passanten, sprang über Hindernisse hinweg und hielt erst an, als die Muskeln in seinen Oberschenkeln brannten. Er warf den Kopf in den Nacken und sah in den blauen Himmel, hechelte nach Sauerstoff und lachte unbeschwert. Ja. So fühlte sich Freiheit an! Den restlichen Weg bis zum Bahnhof legte er gemächlicher zurück. Er nahm sich dabei Zeit, seine Umgebung zu betrachten und in sein Gedächtnis zu brennen. Busan war seine Heimat. Er war hier geboren und aufgewachsen und liebte diese Stadt. Und jetzt würde er sie hinter sich lassen. Doch erst, als er im Zug saß, der sich mit einem Ruck in Bewegung setzte, wurde ihm für einen Moment das Herz schwer. Vielleicht... vielleicht würde er eines Tages zurückkehren. Aber jetzt im Augenblick musste er von hier fort. Daehyun wandte seinen Blick von der vorbeiziehenden Landschaft ab und sah hinunter auf die Fahrkarte in seinen Händen: Busan – Seoul. Der Neunzehnjährige hatte absolut keine Ahnung, was ihn in der Hauptstadt erwartete. Die ersten paar Tage konnte er sicher vom Preis her erschwinglich in einer Jugendherberge unterkommen oder zur Not auch noch günstiger einfach in einem Jjim Jil Bang. Dort musste er dann zwar voraussichtlich mit Fremden einen Raum teilen, die ihren Rausch ausschlafen wollten, aber es war warm und kostete nicht viel. Wenn er den Tag über unterwegs war und die Nacht für einige Won dort verbrachte, kam er sicher eine Zeit lang mit dem Geld hin, das er dabei hatte. Aber vielleicht sollte er es doch wagen, sein gesamtes Erspartes abzuheben, bevor sein Vater vielleicht auf die Idee käme, seine Karte sperren zu lassen. Allerdings war ihm unwohl bei dem Gedanken, so viel Bargeld mit sich rumzutragen... Na ja, abwarten, was auf ihn zukam. Bestimmt würden seine Eltern nicht als allererstes seinen Zugang zum Konto abwürgen. Hoffte er zumindest. Es befand sich kein Vermögen auf seinem Konto und sicher hätte seine Mutter die Hoffnung, dass er das Geld für Essen und eine Unterkunft ausgab. Und sobald es ihm ausging zurück käme. Aber das würde er nicht. Er würde sich so bald wie möglich um eine Arbeit kümmern, ein neues Konto bei einer Bank in Seoul eröffnen und sich eine Wohnung suchen, sobald er ein festes Einkommen hätte. Seufzend lehnte er seinen Kopf in das Polster seines Sitzes und schloss die Augen. Nach all der Aufregung kehrten seine Kopfschmerzen zurück und ihm wurde schwindelig. Wenn er erst einmal in Seoul angekommen war, würde er sich einen Platz zum Übernachten suchen und schlafen... PS: Yongguks Wagen http://cdn2.spiegel.de/images/image-392479-galleryV9-opek.jpg Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)