Brüder von Traumschreiberin (Brother Hood (Robin Hood (BBC))) ================================================================================ Kapitel 4: ----------- .o°O°o. _____________________________ .o°O°o..O.o° °o.O¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯ O.o° °o.O. Brother Hood - Brüder Teil 04 Autor: TwilightDeviant Übersetzer: Lady Gisborne P16 Inhalt: Guy und Robin haben den Kampf gegen den Sheriff und die Zerstörung von Nottingham Castle überlebt, aber die Wunden, die sie davongetragen haben, bleiben dennoch nicht ohne Folgen… Warnung: [AU] [H/C] Disclaimer: Bei dieser Geschichte handelt es sich um eine autorisierte Übersetzung von TwilightDeviants englischer Originalstory Brother Hood. Alle bekannten Charaktere und Orte in dieser Geschichte gehören selbstverständlich der BBC bzw. Tigeraspect und der Inhalt ist frei erfunden. Ich verdiene mit dieser Story kein Geld, sondern schreibe nur aus Spaß an der Freude. ^^ Link zur Originalstory: (http://archiveofourown.org/works/1369813/chapters/2864251) http://archiveofourown.org/works/1369813/chapters/2864251 (http://archiveofourown.org/works/1369813/chapters/2864251) Anmerkung: Wie einige von euch vielleicht bemerken werden, habe ich mich bei der Übersetzung dieser Story ausdruckstechnisch etwas vom Original entfernt, was in diesem Fall aber beabsichtigt war. Zwar bemühe ich mich, wenn ich Geschichten übersetze, so nah wie möglich am Original zu bleiben, aber mir ist auch und vor allem wichtig, einen flüssigen und sinnvollen deutschen Text zu schreiben und die erwähnten Abweichungen habe ich in diesem Fall vorgenommen, weil ich hoffe, dass die Geschichte für euch dann „flüssiger“ ist und ihr mehr Spaß beim Lesen habt. ^^ .o°O°o. _____________________________ .o°O°o..O.o° °o.O¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯ O.o° °o.O. „Hört auf! Ihr hört sofort damit auf!“ Niemand schenkte Guys Befehlen auch nur die geringste Beachtung. Ebenso gut hätte er nahezu unsichtbar sein können, wie ein Geist, der vergeblich die Diener anschrie, die die verschiedensten Gegenstände aus dem Gästezimmer hinaustrugen, dass bis vor kurzem gelegentlich als Unterkunft für seine Wachen gedient hatte. Immerhin gelang es ihm, einem der Bediensteten mit seinem Kissen einen  Schlag gegen den Kopf zu versetzen, wodurch seine Wut beträchtlich gelindert wurde. „Hey! Diese Dokumente bringt ihr sofort zurück! Diese Sachen gehören mir.“ Natürlich wusste er, dass ihm niemand mehr zur Treue verpflichtet war, aber die unverhohlene Nichtachtung, die sie ihm und jeder seiner Anweisungen entgegenbrachten, zeigte ihm deutlich, dass nur ein einziger Mann für ihr Handeln verantwortlich sein konnte. „Robin!“ rief er. Gleich darauf kam der Blondschopf mit seinem wie gewohnt unerträglich frechen Grinsen die Treppe hinunter. „Ja, Gisborne?“ fragte er so unschuldig, als würde er den Tisch nicht sehen, der gerade an ihm vorbeigetragen wurde. „Ich verlange zu wissen, was das alles hier zu bedeuten hat“, befahl Guy und da Robin scheinbar nicht die Absicht hatte, sich umzusehen, deutete er auf den Aufwand, der um sie herum betrieben wurde. „Ach“, erwiderte dieser und warf nur einen flüchtigen Blick in den Raum, bevor er sich wieder dem Dunkelhaarigen zuwandte. „Nun, um dir die Wahrheit zu sagen, ich bin es leid, jedes Mal, wenn ich hier herunterkomme, dein hässliches Gesicht zu sehen.“ Guy beschloss, die Stichelei nicht weiter zu beachten. „Deshalb dachte ich, wir richten dir wohl besser ein richtiges Schlafzimmer ein. Wenn ich jedoch an deinen Zustand denke…“ „Was? Willst du damit sagen, weil ich ein Krüppel bin?“ unterbrach ihn Guy mit einem spöttischen Lächeln. „Ich dachte, es wäre einfacher, ein Zimmer hier unten auszuräumen, in Ordnung?“ Anscheinend war Robin stolz auf sich und die Anstrengungen, um Guys Leben im Herrenhaus bequemer zu machen und ihn nicht länger wie auf dem Präsentierteller liegen zu lassen. Guy hingegen schien das eine wie das andere recht wenig zu kümmern. „Und?“ fragte er mit einem boshaften Grinsen. „Schließt du mich alleine in einem Raum ein, damit du mich länger sehen musst?“ „Nein, ich…“ Für einen kurzen Moment wandte Robin sich ab, um sich mit einem verärgerten Knurren die Haare zu raufen. „Ich versuche nicht, dich loszuwerden, aber wenn du kein eigenes Zimmer mit einem schönen, weichen Bett haben willst, dann werde ich all der Aufregung hier sofort ein Ende setzen.“ „Tu, was du nicht lassen kannst“, erwiderte Guy, bevor er sich wieder auf das Bett zurücksinken ließ. „Aber meine Sachen bleiben in diesem Zimmer.“ Robin stieß einen Pfiff aus, um die Aufmerksamkeit der Arbeiter auf sich zu ziehen. „Ihr habt ihn gehört, Jungs. Lasst die Dokumente, den Schreibtisch und was ihr sonst noch habt dort drin. Mit dem Rest könnt ihr machen, was ihr wollt.“ Der Gedanke, dass die Entscheidung, was wichtig genug war, um in seinem neuen Zimmer zu bleiben und was nicht, den Bediensteten überlassen wurde, behagte Guy nicht und ganz besonders nicht, da sie alles, was übrig blieb, behalten durften. Trotzdem sagte er nichts, da er dem Gefallen, den Robin ihm erwies, kein allzu großes Interesse entgegenbringen. An diesem Abend trug ihn Archer nach dem Essen in sein neues Zimmer, das bequem am Fuß der Treppe lag. Angesehen von seinem Schreibtisch, seiner Kleidung und einem Bett befand sich nicht viel darin, aber für das Leben, dass er nun zu führen gezwungen war, brauchte er ohnehin nicht mehr viel. Archer half ihm dabei, sich auf das Bett zu legen, dessen Federmatratze sich nach den zwei Monaten, die er auf seinem schmalen Lager verbracht hatte, wundervoll in seinem Rücken anfühlte, sodass er ein zufriedenes Seufzen nicht unterdrücken konnte. Daraufhin lachte Archer belustigt auf, doch Guy konnte nicht einmal erahnen, was ihn so sehr amüsierte. „Was hast du? Was ist so lustig?“ „Du, würde ich sagen“, erwiderte sein Bruder. „Obwohl du der Älteste bist, benimmst du dich wie ein großes Baby.“ „Wie meinst du das?“ knurrte Guy. „Ich nehme nicht an, dass du dich bei Robin für dein neues Zimmer bedanken willst?“ wollte Archer wissen. „Warum sollte ich?“ entgegnete der Dunkelhaarige. „Schließlich habe ich ihn nicht darum gebeten.“ „Und genau das ist das Lustige daran“, erklärte Archer und klopfte ihm noch einmal auf die Schulter, bevor er ihn alleine ließ, damit er etwas schlafen konnte. O°O°O°O°O°O°O°O°OGuy saß lesend an seinem Schreibtisch, doch seine Lektüre war nicht von besonderem Interesse. Robin hatte lediglich geschätzt wie viele Steuern die Bewohner Locksley zahlen konnten und Guy sah es als seine Pflicht an, ihn für die bei weitem zu niedrigen Steuern, die er seinen Bauern abverlangte, zu kritisieren – obwohl er selbst es in Gedanken freundlich als ihn darauf aufmerksam machen bezeichnete, denn wenn dieser Wohltäter weiterhin tat, was er wollte, würden sie noch vor dem nächsten Sommer selbst am Hungertuch nagen. Zwar lebte er nun bereits seit einem Monat in seinem neuen Zimmer, aber noch immer war es ihm zuwider, sich selbst einzugestehen, welchen zahlreichen und nützlichen Vorteile es ihm einbrachte. So stand sein Schreibtisch nah genug neben seinem Bett, dass er sich ohne Hilfe in den Stuhl setzen konnte. Wieder zurück in sein Bett zu gelangen oder sich durch das Haus zu bewegen, war hingegen eine vollkommen andere Angelegenheit, für die er nach wie vor Hilfe brauchte, um die er jedoch nur äußerst ungern bat. Da er ohnehin seine eigene Gesellschaft bevorzugte und es sich für ihn nicht lohnte, darum zu bitten, hinausgetragen zu werden, verbrachte er die meisten Tage allein in seinem Zimmer. Außerdem ließ er Robin nur allzu gerne darunter leiden, dass dieser ihn mit seinem gefallen, den er ihm erwiesen hatte, gleichzeitig nur noch mehr von dem Leben im übrigen Haus abgeschottet hatte. Guy war nach wie vor in seine Berechnungen vertieft, als Archer ohne anzuklopfen in sein Zimmer platzte. „Tuck ist wieder da“, verkündete er. „Ich dachte, es würde dich vielleicht interessieren.“ An diesem Abend hatten sie beim Essen Gesellschaft. Robin nahm wie gewohnt seinen Platz am Kopf der Tafel ein, während Tuck ihm gegenüber am anderen Ende saß und zu seiner linken, direkt neben Archer saß ein fremder Mann, den Tuck als Priester vorstellte, der, nachdem sein Vorgänger Locksley überstürzt verlassen hatte, nun die heiligen Pflichten der Kirche übernehmen würde. Robin war über seine Ankunft mehr als erfreut und berichtete, wie er persönlich dabei geholfen hatte, den Wiederaufbau ihrer Kirche zu vollenden- Die neue war sogar noch schöner geworden als die vorherige und alles war bereit zum Gottesdienst. Das einzige, was ihr noch fehlte, war ein geistliches Oberhaupt. Sobald alle Höflichkeiten ausgetauscht waren, fragte Robin eindringlich nach Neuigkeiten aus der Welt jenseits seiner Ländereien. „Es gibt sowohl Gutes als auch Schlechtes zu berichten“, antwortete Tuck. „Da sich die Nachricht von King Richards Gefangenschaft mittlerweile in ganz England verbreitet hat, hat Prince nur die Wahl, entweder das Lösegeld zu zahlen oder sein Gesicht zu verlieren.“ „Er wird mehr als nur sein Gesicht verlieren, wenn der König nach Hause kommt“, stellte Robin fest. Und den Gerüchten zufolge, die ich gehörte habe, hat er aus diesem Grund vor, den größten Teil des eingetriebenen Geldes als Bestechungsmittel zu verwenden, damit der König weiterhin in Gefangenschaft bleibt. Aber das wird ihm nicht gelingen“, fügte Tuck hinzu. „Queen Eleanor persönlich sammelt für das Lösegeld und sorgt  dafür, dass auch Prince Johns Geld in die richtigen Hände gelangt.“ „Und ich wette, dass diese Lösegeldsammlung das Land inzwischen ausbluten lässt, nicht wahr?“ Diese Angelegenheit ärgerte und kränkte Robin gleichermaßen, doch es gelang ihm, seine Gefühle in Zaum zu halten. „Aber warum ist ausgerechnet Nottingham von dieser Besteuerung ausgenommen? Was hat der Prinz vor?“ „Ich denke, unsere Vorstellung in der Burg hat ihn das Fürchten gelehrt“, lachte Tuck. „Immerhin hast du auf einen Schlag Hunderte seiner Männer vernichtet und somit auch einen großen Teil seiner Truppen zerschlagen. Deshalb hat er das ganze Gebiet zu einem von Outlaws beherrschten Niemandsland erklärt und falls er einen Schlag gegen uns plant, so ist das ein wohlgehütetes Geheimnis.“ „Es besteht wohl keine allzu große Hoffnung, dass es lediglich wichtigere Aufgaben gibt, die seine Aufmerksamkeit erfordern, oder?“ fragte Archer grinsend, wobei er seinen Blick zwischen Robin und Tuck hin- und herschweifen ließ. „Ich würde niemals einen Mann davon abhalten, sich Hoffnungen zu machen“, erwiderte der Mönch, schien von diesem Gedanken jedoch selbst alles andere als überzeugt zu sein. „Mit etwas Glück wird der König bald freikommen.“ „Vielleicht ist er sogar bereits frei und wir haben es bislang nur noch nicht erfahren“, entgegnete Archer fröhlich. „Darauf trinke ich“, sagte Robin und hob seinen Kelch. Mit Ausnahme von Guy taten es ihm all Anwesenden gleich. „Warum seht ihr mich so an?“ fragte dieser unwirsch, denn ihm behagten die erwartungsvollen Blicke nicht, die sich mit einem Mal auf ihn richteten. „Erwartet ihr wirklich von mir, dass ich mich auf die Rückkehr eines Mannes freue, der sein Volk im Stich gelassen hat, um in einem Krieg, der nicht der unsere ist, sinnlos Blut zu vergießen?“ „Also wirklich, Gisborne“, seufzte Robin und trank einen Schluck, „wenn du dich jetzt ändern würdest, wäre ich zutiefst enttäuscht.“ „Nur durch die Gier dieses Mannes nach Ruhm war es Männern wie dem Sheriff erst möglich, die Macht an sich zu reißen.“ „Oh, und natürlich auch Männern wie dir, hmm?“ entgegnete Robin aufgebracht, setzte seinen Kelch ab und schaute Guy eindringlich an. „Na, na, Kinder“, rief Archer in dem Versuch aus, den drohenden Streit im Keim zu ersticken, denn solange es keine Konflikte gab, die sein Leben nur unnötig schwerer machten, fand er das Zusammenleben mit seinen Brüdern eigentlich recht erträglich. „Warum einigen wir uns nicht darauf, dass wir uns nicht einig sind, in Ordnung?“  Mit einem missmutigen Brummen stimmten ihm beide zu, die Angelegenheit ruhen zu lassen. „Tuck“, ergriff Robin nach einer Weile erneut das Wort, als das Essen bereits größtenteils verzehrt worden war, „du und dein Freund seid mehr als herzlich willkommen, hierzu bleiben, während ihr die Kirche herrichtet.“ „Ich danke dir für das Angebot, mein Freund“, entgegnete dieser. „Aber wenn der Bau tatsächlich bereits vollendet ist, bleiben wir, denke ich, lieber dort und geben ihr…den letzten Schliff.“ „Ganz wie du willst. Jedenfalls freue ich mich schon auf die Predigten.“ O°O°O°O°O°O°O°O°OWenn nur Robin, Archer und Guy am Tisch saßen, sprachen sie meistens über zwanglose, unbedeutende Dinge, wie zum Beispiel, wo sie während des letzten Wintermonats weitere Nahrungsmittel hernehmen konnten, denn alles, was darüber hinausging, zerstörte das zerbrechliche Gleichgewicht zwischen ihnen. Inzwischen war Archer bereits mehr als deutlich bewusst geworden, dass die Beziehung zwischen Robin und Guy noch niemals die beste gewesen war, wie er bei ihrer ersten Begegnung fälschlicherweise hätte glauben können. Anfangs waren die Auseinandersetzungen, die er zwischen den beiden miterlebte, nicht mehr als kleinliche Unstimmigkeiten zu sein, doch im Laufe der Zeit entpuppten sie sich als tiefe Risse in einem dünnen, aus Höflichkeit gewebten Schleier, unter dem ein alter, schwelender Hass verborgen lag. Kameradschaft war für die beiden etwas vollkommen neues und sie stellten sich in dieser Hinsicht so unbeholfen an, wie ein kleines Kind, das laufen lernt. Darüber hinaus hatten sie einander nicht viel zu sagen, da der Frieden, der nun zwischen ihnen herrschte, nach wie vor schwach und verwundbar war. In der einen Woche, die seit Tucks Rückkehr vergangen war, hatte Robin jedoch genug für sie alle drei geredet und mit jedem Tag, der verging, festigte sich auch seine Überzeugung, dass King Richard schon bald nach Hause zurückkehren würde. „Eigentlich gehört Locksley ohnehin bereits wieder mir“ sagte er eines Abends. „Wenn der König zurückkehrt, wird er mir meinen Titel zurückgeben und meinen Anspruch auf diese Ländereien in vollem Umfang bestätigen.“ Die anderen beiden Männer, besonders Guy, nahmen ihre Mahlzeit schweigend zu sich und ließen ihn wortlos fortfahren. „Und wenn dieser Tag kommt, wird mich nichts davon abhalten, die notwendigen Dokumente zu schreiben, um dir deine eigenen Ländereien zu geben, Archer.“ „Ländereien?“ fragte dieser mit skeptischem Gesichtsausdruck. „Für mich? Aber warum?“ „Weil sie ohnehin dir gehört hätten“, erklärte Robin und zerzauste ausgelassen das Haar seines Bruders, „wenn das Schicksal uns etwas freundlicher gesonnen gewesen wäre. Ich bin davon überzeugt, dass mein Vater…unser Vater dir eines der schönsten Flecken Erde in der ganzen Gegend gegeben hätte.“ „Ich werde darüber nachdenken“, antwortete Archer, der sowohl den materiellen Wert eigener Ländereien erkannte, als auch die Fesseln, die sie für ihn bedeuteten. „Das gilt auch für dich, Gisborne“, fuhr Robin fort, nachdem er sich einen Bissen Fleisch in den Mund geschoben hatte und deutete mit seiner Gabel auf den Dunkelhaarigen. „Wenn du deine Karten geschickt ausspielst, werde ich sogar die alten Gisborne-Ländereien wieder auf deinen Namen überschreiben.“ Mit einem grausamen Auflachen legte Guy sein Messer beiseite und schaute Robin mit dunklen Schatten unter den Augen und einem kalten, höhnischen Lächeln auf den Lippen an. „Warum?“ fragte er kaltherzig. „Bist du meine Gegenwart schon leid? Hast du genug davon, auf mich achtgeben zu müssen?“ „Nein“, seufzte Robin und schaute müde hinauf zur Decke. „Wie sehr du dich jetzt freuen musst“, fuhr Guy fort und deutete mit dem Finger auf seine beiden Brüder. „Bald werde ich nur noch das Problem der Dienerschaft sein und ihr seid mich endlich los.“ „Das habe ich damit überhaupt nicht sagen wollen“, widersprach Robin, der es hasste, wie Guy jede seiner guten Absichten verdrehte und ins Schlechte verkehrte. „Oh, du musst wissen, dass ich dir keinen Vorwurf mache“, sagte der Dunkelhaarige mit gespielter Freundlichkeit. „Ich an deiner Stelle würde mich selbst auch loswerden wollen.“ „Siehst du, genau das ist der große Unterschied zwischen uns, Gisborne“, rief Robin verbittert aus. „Ich lasse niemanden im Stich.“ „Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn du das getan hättest!“ schrie Guy ihn daraufhin an und fuhr wutentbrannt mit einem Arm über den Tisch, wobei er sowohl die Teller und Kelche als auch die Speisen zu Boden warf. „Du hättest mich sterben lassen sollen.“ Seine Worten waren voller Elend und Selbstmitleid, doch gleichzeitig schwang in ihnen auch all die ungebändigte Wut mit, die er dreieinhalb Monate lang unterdrückt hatte, während er auf diese Gelegenheit gewartet hatte. „Welchen Sinn hat mein Leben nun noch, da meine Rache vollendet ist und meine Beine mir ihren Dienst versagen? Was für ein Leben soll ich von nun an führen? Du“, brüllte er zornig, „hättest mich in dieser gottverlassenen Gruft zurücklassen sollen.“ Ein dumpfer, hohler Knall ertönte, als Robin mit einer Hand hart auf den Tisch schlug und seiner Handfläche dabei sicherlich einigen Schaden zufügte, doch er war nicht in der Stimmung, dergleichen zu bemerken, sondern stand auf und gab Archer ein Zeichen, dasselbe zu tun. „Greif dir seine Beine“, sagte er schlicht, woraufhin ihn die beiden anderen Männer nur verständnislos anstarrten, bis er seinen Befehl noch einmal deutlich lauter wiederholte. Im nächsten Moment zog er Guys Stuhl so heftig vom Tisch fort, dass der Dunkelhaarige beinah zu Boden fiel. Ohne zu zögern umschlang Robin ihn unterhalb der Schultern mit seinen Armen und hob ihn soweit hoch, wie es ihm bei einem so hochgewachsenen Mann möglich war. Als er sah, wie sehr sein Bruder sich abmühte, kam Archer ihm schließlich, nach wie vor verwirrt, zur Hilfe und ergriff Guys Beine. „Lasst mich los!“ brüllte der Dunkelhaarige. „Geht weg von mir!“ Gleich darauf holte er aus und traf Robins Auge mit seiner geballten Faust. Bedingt durch den ungünstigen Winkel war der Schlag zwar nicht sehr kraftvoll, führte aber dennoch dazu, dass Robin ihn beinah fallen ließ. Robin rief einem der Diener zu, dass er die Tür öffnen sollte und trug Guy gemeinsam mit seinem Bruder hinaus, während sich der Dunkelhaarige unaufhörlich gegen die beiden wehrte. Robin führte sie den schmalen Dorfpfad entlang und über die Brücke, bis sie schließlich das steile Ufer erreichten, an dem die tiefste Stelle des Teiches lag. „Robin“, fragte Archer sichtlich beunruhigt, „was hast du vor?“ „Wir werfen ihn hinein“, befahl Robin, wobei er Guys auf einmal panisch klingendem Flehen keine Beachtung schenkte. „Das Wasser muss eiskalt sein“, widersprach Archer. Liebevolle Strenge war eine Sache, aber einen Mann der seine Beine nicht bewegen konnte, in eisiges Wasser zu werfen, kam einem Mord gleich. „Dann ist das ein Grund mehr für ihn, das Ufer so schnell wie möglich zu erreichen, nicht wahr?“ fuhr ihn Robin daraufhin in einem Tonfall an, der keinen Widerspruch duldete. Seine Augen waren zu Schlitzen verengt, sein Blick ließ keinen Einwand zu und seinen Ohren schienen vor der Stimme der Vernunft verschlossen zu sein. Archer zweifelte ernsthaft daran, dass er den Mut aufbringen konnte, mit seinem Bruder über diese Angelegenheit zu streiten. „Wirf ihn hinein!“ In dem Wissen, dass er diese Tat bereuen würde, dass er es sogar bereits tat, schwang Archer Guy zwischen ihnen beiden vor und zurück, bevor sie ihn zusammen hinaus in das Wasser schleuderten. Wie ein Stein ging er unter, kämpfte sich jedoch schnell und nach Luft ringend zurück an die Oberfläche, wobei er seine ganze Kraft aufwenden musste, um über Wasser zu bleiben und selbst diesen Kampf schien er zu verlieren. „Robin!“ rief Guy verzweifelt. „Robin, bitte!“ „Auf dieser Seite ist das Ufer für dich zu steil, um hinaufzuklettern“, war alles, was Robin daraufhin zu sagen hatte. „Du wirst zur anderen Seite hinüberschwimmen müssen.“ „Das kann ich nicht!“ schrie Guy wasserspuckend zurück. „Archer! Bruder, bitte!“ Archer lief zum Ufer in der Absicht, ebenfalls hineinzuspringen, doch Robin holte ihn ein und hielt mit der Drohung zurück, dass er ihn niederschlagen würde, wenn er noch einmal so etwas versuchte. „Du hast zwei Möglichkeiten“, rief er Guy zu. Entweder gestehst du dir deine Niederlage ein wie ein Feigling und gehst unter oder du siehst hier und jetzt ein, dass dir noch zwei brauchbare Arme geblieben sind, dass du nicht nutzlos bist und schwimmst in Sicherheit. Das ist der einzige Weg, auf dem du aus dem Teich herauskommst.“ Erneut verschwand Guys Kopf unter Wasser, während er wild mit den Armen ruderte, um wieder an die Oberfläche zu gelangen. „Bitte!“ flehte er. Doch Robin weigerte sich noch immer, sich von der Stelle zu rühren. Ein weiteres Mal ging Guy unter und dieses Mal blieb er so lange verschwunden, dass sogar Robin begann, sich Sorgen zu machen. Weit und breit war keine Spur von ihm zu sehen, weder seine Arme noch sein Kopf oder auch aufsteigende Luftblasen. Robin war kurz davor, Archer zu erlauben, ihm nachzuspringen, als Guys Kopf ein ganzes Stück näher am gegenüberliegenden Ufer auftauchte und der Dunkelhaarige begann, langsam dorthin zu schwimmen. Ein noch immer etwas zittriges Lachen entfuhr Robin und er klopfte Archer hocherfreut auf den Rücken. So schnell sie konnten liefen sie über die Brück und machten sich bereit, Guy dort in Empfang zu nehmen. Als der Dunkelhaarige schließlich das Ufer erreichte, kamen ihm Robin und Archer entgegen und zogen ihn aus dem Wasser, wobei sie selbst bis auf die Haut nass wurden. Kurz darauf lagen alle drei auf dem trockenen Gras, mit einem heftig keuchenden Guy in der Mitte. Der Dunkelhaarige zitterte am ganzen Leib und seine Zähne klapperten, als er sich Robin zuwandte. „I-Ich hasse dich s-so sehr, Locksley“, brachte er mühsam hervor. Doch in diesem Moment konnten diese barschen Worte Robin nicht treffen. Er beugte sich einfach nur hinunter und drückte ihm einen freudigen Kuss auf das kalte, tropfnasse Haar des anderen Mannes. „Ja, aber wenigsten bist du einen Schritt weitergekommen auf dem Weg, dich selbst wieder zu lieben.“ Er ließ sich zurück ins Gras sinken und jauchzte laut hinauf in den Nachthimmel. „Kommt jetzt“, sagte Archer, als er sich schließlich erhob. „Wir sind all vollkommen durchnässt und du am schlimmsten von uns.“ Bei diesen Worten zeigte er auf Guy. „Ich denke, wir brauchen jetzt ein Feuer und ein heißes Bad.“ „Aber wir haben nur zwei Badezuber“, merkte Robin an. „Robin ist zuletzt an der Reihe“, sagte Guy daraufhin schnell. O°O°O°O°O°O°O°O°OEinige Tage später weigerte sich Guy zwar immer noch, Robin zu verzeihen, erlaubt ihm jedoch, sich wieder in einem Raum mit ihm aufzuhalten. Es war ein verregneter Tag, aber die Tatsache, dass kein Schnee fiel, zeigte deutlich, dass der Frühling in diesem Jahr sehr früh anbrechen würde. Guy sah aus dem Fenster und beobachtete die fallenden Regentropfen, von denen er sehr angetan zu sein schien, doch ein näherer Blick verriet, dass er tief in seine eigenen Gedanken versunken war. „Du solltest Französisch lernen“, sagte er schließlich langsam und fuhr fort, aus dem Fenster zu schauen, ohne jedoch wirklich wahrzunehmen, was dort draußen vor sich ging. „Ähm“, gab Archer gedehnt zurück und schaute von ihm zu Robin und wieder zurück. „Ich?“ Guy nickte stumm. „Warum sollte ich Französisch lernen wollen?“ fragte er mit einem belustigten Schnauben. „Um das Andenken an deine Mutter zu ehren“, antwortete Guy schlicht und wandte sich endlich seinem Bruder zu, um ihn anzusehen. „Fällt dir kein besserer Grund ein?“ Guy schwieg, während ihm tausend Gedanken auf einmal durch den Kopf schossen und er sich aufrichtig bemühte, sich eine Begründung einfallen zu lassen, die das Interesse seines Bruders weckte. „Es…wirkt sehr anziehend auf Frauen“, wagte er schließlich einen neuen Versuch. „Jede fremde Sprache wirkt anziehend auf Frauen“, mischte sich Robin nun ein, was ihm einen wütenden Blick von Guy einbrachte. „Hör nicht auf Robin“, entgegnete er mit einem spöttischen Lachen. „Er würde wollen, dass du die Sprache der Sarazenen lernst.“ „Und wer soll mir dieses Französisch beibringen?“ fragte Archer leise lachend, während er bereits mit dem Gedanken spielte. „Du etwa?“ Guy blinzelte und senkte verlegen den Blick. „So…hatte ich mir das jedenfalls gedacht.“ „Oh“, war alles, das Archer darauf erwidern konnte, denn der bloße Gedanke, dass Guy etwas sinnvolles tat, war ihm vollkommen unbekannt. Ein Teil von ihm wollte einwilligen, nur um zu sehen, wie sich Bruder bemühte, irgendetwas zu tun. Bei dieser Vorstellung fand ein auf richtiges Lächeln den Weg in sein Gesicht. „Also gut“, sagt er. „Ich werde darüber nachdenken.“ „Gut“, erwiderte Guy und nickte einige Male, während er so angestrengt nachzudenken und zu planen schien, als hätte Archer sein Angebot bereits angenommen. „Gut“, wiederholte er, bevor er seinen Blick erneut zum Fenster hinaus richtete. O°O°O°O°O°O°O°O°OLetztendlich hatte Archer keine Möglichkeit, dem Französischunterricht zu entkommen, denn die Aussicht auf eine neue Aufgabe, so klein sie auch sein mochte, schien Guy zuversichtlich zu stimmen und diese Zuversicht konnte Archer ihm nicht verwehren. Als die beiden Brüder gerade während einer ihrer Lehrstunden an dem großen Esstisch saßen, kam Robin mit schnellen Schritten die Treppen herunter. „Kommt mit“, rief er und verpasste Archer einen leichten Klaps auf den Hinterkopf, „wir müssen gehen.“ Archer ließ seine Schreibfeder fallen und griff nach seinem Schwert, das am anderen Ende des Tisches lag. „Nein“, hielt ihn Robin zurück, „das wirst du nicht brauchen.“ „Wohin gehen wir?“ fragte Archer misstrauisch. „In die Kirche natürlich“, gab Robin zurück, als wäre dies die offensichtlichste Antwort der Welt. „Komm schon, Gisborne. Du begleitest uns.“ Unübersehbar angewidert verzog Guy das Gesicht. „Dort will ich nicht hingehen“ lehnte er ab. „In der Kirche bin ich nicht mehr gewesen, seit ich ein kleiner Junge war.“ „Ich auch nicht“, stimmte Archer ihm zu und lehnte sich behaglich in seinem Stuhl zurück. „Und ich kann nicht behaupten, dass ich es vermisse.“ Robin schrak förmlich zurück und schaute die beiden mit vor Fassungslosigkeit offenstehendem Mund an. „Er Grund mehr, warum ihr beide mitkommen solltet. Also komm, steh schon auf, Bruder.“ Zögernd und offenkundig nachdenklich gehorchte Archer, worauf Robin seinen äußeren Gürtel öffnete, um ihm seine verwegen aussehende Weste über die Schultern zu streifen. Anschließend richtete er auch die Kleidung seines Bruders, damit dieser ein wenig ordentlicher aussah. „Warum ist das überhaupt so wichtig?“ stöhnte Archer, als Robin mit den Finger durch sein zerzaustes Haar fuhr. „Tuck hält eine Predigt für uns, bevor er wieder abreist“, eröffnete Robin den beiden. „Ein weiterer Grund, warum ich nicht mitkommen will“, ergriff Guy das Wort. „Dieser Mann verkündet nicht das Wort Gottes, sondern das Wort Robin Hoods.“ „Nun, heute ist es das Wort Gottes“, entgegnete Robin, sobald er mit Archers Aussehen ansatzweise zufrieden war. „Ich werde nicht zulassen, dass mein Name in der Kirche gepriesen wird, weil ich zuviel Angst davor habe, wegen Gotteslästerung bestraft zu werden.“ Bei diesen Worten konnte Archer ein Lachen nicht unterdrücken, während Guy lediglich die Augen verdrehte. „Dann unterhaltet euch gut“, sagte er nur. Robin stieß Archer einen Ellenbogen in die Seite, worauf diesem ein Stöhnen entfuhr, erriet er die Absicht des anderen doch allzu genau. Jeder der beiden näherte sich Guys Stuhl von einer anderen Seite und gemeinsam hoben sie ihn hoch, während Guy noch darin saß. „Was macht ihr da?“ schrie der Dunkelhaarige. „Lasst mich runter!“ Natürlich taten die Brüder nichts dergleichen trugen ihn wortlos durch den Raum und vor das Haus. Als sie die Brücke schon fast erreicht hatten. Lenkte Guy schließlich ein. „Also gut!“ willigte er ein. „Ich komme mit.“ Seine Einwilligung war zwar willkommen, gleichzeitig aber auch unnötig da alle drei zu diesem Zeitpunkt bereits wussten, dass er mitkommen würde, ganz gleich, was er sagte. „Lasst mich nur aus diesem Stuhl heraus.“ Daraufhin setzten die beiden ihn ab und schlangen jeweils einen Arm um seine Taille, während Robin den Stuhl zurück in die Richtung des Herrenhauses stieß. Dann legten sich beide jeweils einen von Guys Armen um die Schultern und legten so den Rest des Weges zurück. O°O°O°O°O°O°O°O°OVor den Türen der Kirche hatte sich bereits eine ansehnliche Menschenmenge versammelt, doch die Freude, die sich bei Robins Anblick aus ihren Gesichtern widerspiegelte, wandelte sich bald zu Unmut, sobald sie Guy neben ihm bemerkten. Der Dunkelhaarige hielt die ganze Zeit über den Kopf gesenkt, um ihren zornigen Blicken nicht begegnen zu müssen. Kurz darauf saß Robin stolz in der vordersten Kirchenbank, während Guy einen Platz zwischen ihm und Archer erhielt. Noch immer strömten die Menschen hinter ihnen in die Kirche, sodass schon bald der ganze Raum von ihrem unaufhörlichen, eintönigen Murmeln erfüllt war. Von ihren geflüsterten Gesprächen war kaum etwas zu verstehen, doch es wäre eine Lüge gewesen, hätten die drei behauptet, dass sie nicht von Zeit zu Zeit ein boshaftes Wort gehört hätten, das Guy galt. Als die Situation für ihn schließlich nicht länger zu ertragen war, klatschte Robin laut in die Hände und begab sich zur Kanzel hinüber, denn er fest entschlossen, den Anwesenden seine Meinung zu sagen, bevor Tuck bereit war, mit seiner Predigt zu beginnen. „Bürger von Locksley“, rief er, worauf sich ihm viele Blicke zuwandten, jedoch weitaus mehr weiterhin unbeirrt auf Guy gerichtet blieben. „Sicherlich habt ihr bereits bemerkt, dass Sir Guy of Gisborne dort vorne neben mir sitzt und dies ist weder ein Versehen noch ein Irrtum. Dieser Mann“, bei diesen Worten deutete er fast stolz in die Richtung des Dunkelhaarigen, „ist mein Freund. Er hat sein Leben riskiert, um meines zu retten und weil er das getan hat, kann er nun seine Beine nicht mehr bewegen. Ihm gehört, mein Vertrauen, mein Respekt und meine Liebe. Wenn ich auch nicht von euch verlange, freundlich zu ihm sein, da ich die Vorgeschichte kenne, die viele von euch mit ihm haben, erwarte ich dennoch von euch, ihn mit Höflichkeit zu behandeln, besonders hier, im Hause Gottes.“ „Schön gesagt, mein Freund“, grüßte ihn Tuck, der in diesem Moment den Mittelgang hinaufkam und klopfte Robin auf die Schulter, bevor dieser auf seinen Platz zurückkehrte. „Und ist nicht die Liebe eine schönere Botschaft als der Hass? Ist der Weg zur Vergebung nicht der schwerere, aber dafür auch lohnendere Weg?“ In dieser Weise fuhr er fort und begann, eine Predigt zu halten, die sorgfältig geplant oder ebenso gut frei aus dem Herzen hätte kommen können. Seine Worte waren so ergreifend und voller Leidenschaft, dass die Anwesenden bald jegliche Aufmerksamkeit von Guy abwandten. Guy selbst war hingegen nicht in die Worte vertieft, sondern durchdachte sie sorgfältig und versuchte, ihre Bedeutung und die Botschaft, die in ihnen mitschwang, zu ergründen. Was er nun erlebt, war vollkommen anders als die Gottesdienste, die er als kleiner Junge miterlebt hatte. Der Priester damals war ein außerordentlich freundlicher Mann gewesen, doch in dem Augenblick, in dem er vor seiner Herde gestanden hatte, hatte er nur noch von Feuer und Schwefel gepredigt und war mehr darauf bedacht gewesen, Angst und Schrecken unter den Anwesenden zu verbreiten, indem er ihnen Vergeltung für ihre Sünden androhte, als ihnen Hoffnung auf Erlösung und Vergebung zu machen. Aus diesem Grund hatte Guy die Kirche nie wirklich gemocht, doch nun bewirkten Tucks Worte, dass sich sowohl seine Gefühle als auch seine Sichtweise änderten. Mit einem Mal konnte er, wie er dachte vielleicht fälschlicherweise, daran glauben, dass auch seiner Sünden bereuen und Vergebung erlangen konnte, ohne die reine Seele eines anderen Menschen zu brauchen, die seine Vergehen hinfort wusch und das Böse in ihm verbarg. O°O°O°O°O°O°O°O°ONachdem Tuck seine Predigt beendet hatte und die Leute hinausströmten, um sich den restlichen Sonntag über zu amüsieren, blieb Guy regungslos sitzen und blickte starr geradeaus, während er darauf wartete, dass all anderen die Kirche verließen. „Komm“, sagte Archer schließlich und streckte Guy seine Hand entgegen, damit dieser sie ergreifen und Robin und Archer ihn zurück nach Locksley Manor bringen konnten. „Nein, ich…“ Guy verstummte und räusperte sich. „Ich möchte noch hierbleiben und mit Bruder Tuck sprechen. Allein“, zischte er, als die beiden sich nicht rührten und ihn nur verwirrt anstarrten. Robin nickte unsicher und hatte einige Mühe, seine Verwunderung zu überwinden. Kurz darauf schnippte er mit den Fingern, um Tuck auf sich aufmerksam zu machen und der Mönch kam zu ihnen herüber. „Tuck“, begann Robin zögernd, „wie es scheint…möchte Guy mit dir unter vier Augen sprechen.“ Tuck schien über diese nicht im Mindesten überrascht, sondern vielmehr erfreut zu sein., denn er erwiderte lächelnd: „Natürlich. Gebt mir nur einen kurzen Moment Zeit.“ Archer warf seinem Bruder noch einen fragenden Blick zu, bevor er schließlich mit den Schultern zuckte. „Dann…warten wir draußen auf dich.“ Guy bemerkte kaum, dass die beiden die Kirche verließen. „Nun“, begann Tuck, sobald er die Tür hinter ihnen geschlossen hatte und seine Stimme hallte in der stillen Kirche wider, wie Donner in den Bergen, „wie kann ich Euch helfen, Sir Guy?“ „Ich will die Beichte ablegen.“ Bei diesen Worten schaute Guy so beharrlich hinunter auf seine Füße, als würde er sich schämen. Tuck nickte ernst. „Und ich würde sie Euch abnehmen. Aber diese kleine Kirche“, er deutete auf den Raum, der sie beide umgab, „hat keinen richtigen Beichtstuhl. Wollt Ihr trotzdem fortfahren?“ „Das will ich.“ Daraufhin setzte sich Tuck auf die Kirchenbank genau hinter ihm, doch als er dessen Blicke im Rücken spürte, wurde Guy bald unbehaglich zumute. „Bitte“, sagte er kannst du nicht irgendwo anders sitzen?“ „Ihr meint, ich sollte besser neben Euch sitzen oder vielleicht auch, dass wir unsere Plätze tauschen und Ihr hinter mir sitzt?“ Guy, dem beide Möglichkeiten mehr zusagten, als ihre momentane Sitzordnung, nickt stumm. „Das Gefühl, beobachtet zu werden, behagt Euch nicht.“ Guy schüttelte als Antwort nur den Kopf. „Dann sagt mir, wie Ihr es fertigbringt, den allgegenwärtigen Blick des Herrn zu ignorieren.“ „Das…das weiß ich nicht. I-Ich“, stotterte Guy hilflos, als ihm keine Antwort auf diese Frage einfiel. „Wenn Ihr mich hinter Euch sitzen lasst, bedeutet das, dass Ihr mir vertraut und für den Herrn sollt Ihr dasselbe tun, Sir Guy, denn ohne dieses Vertrauen nützt es keinem von uns, hier zu sein. Und nun frage ich Euch noch einmal: wollt Ihr fortfahren?“ Guy nickte unterwürfig. „Sehr gut. Ist viel Zeit seit Eurer letzten Beichte vergangen, mein Sohn?“ „Viele Jahre“, antwortete Guy gedehnt und seine Worte klangen schwach und müde. „Zu viele, um sie zu zählen.“ Ein nahezu ewig anmutendes Schweigen senkte sich über die beiden und erst, als der Mönch es brach, wurde Guy bewusst, dass er vielleicht noch etwas anderes hätte sagen sollen. „Wollt Ihr, dass ich den hiesigen Priester hole?“ fragte Tuck freundlich. „Vielleicht ist es einfacher für Euch, mit einem Fremden zu sprechen.“ „Nein, ich wollte gerade aus dem Grund mit Euch sprechen, weil Ihr für mich kein Fremder seid“, lehnte Guy ab. „Ihr kennt mich und Ihr wisst, was ich…was ich getan habe.“ Er stockte und hielt für einen Moment inne. „Jedes unaussprechliche Unheil, das ein Mensch nur anrichten kann, habe ich unzählige Male und voller Stolz über andere Menschen gebracht.“ Erneut verfiel er in Schweigen, als jedes schreckliche Vergehen, dass er sich hatte zuschulden kommen lassen, sich erneut vor seinem geistigen Auge abspielte und entsetzliche Schreie in seinen Ohren widerhallten. „Ich habe gelogen, gestohlen, das Andenken an meine Eltern beschmutzt, ich bin stolz, selbstsüchtig und ich habe…getötet. Durch meine Hände, diese Hände, sind viele Menschen gestorben“, fuhr er fort und streckte eben jene verfluchten Gliedmaßen von sich. „Ich bin ein Ungeheuer, das Leben zerstört und Familien ins Verderben stürzt.“ „Das ist wahr“, bestätigte Tuck einen Moment, nachdem Guy geendet hatte. „Ihr habt schreckliche Dinge getan, mein Sohn, aber im Gegensatz zu vielen anderen Männern, deren Hände mit so viel Blut und Tränen befleckt sind wie die deinen, bereust du deine Taten und daran musst du immer denken, denn das ist der erste Schritt.“ „Der erste Schritt wohin?“ fragte Guy verzweifelt. „Der erste Schritt, Vergebung zu erlangen, natürlich. Ist es nicht das, was du suchst?“ „Ich weiß nicht, was ich suche.“ Noch immer starrte Guy hinunter auf seine Füße und wünschte sich sehnlichst, sie bewegen zu können. Außerdem wollte diese Diskussion, dieses Gespräch, das nur böse Erinnerungen in ihm wachrief, so schnell wie möglich beenden. Die Beichte abzulegen, war eine furchtbare Idee gewesen und er konnte nicht mit Bestimmtheit sagen, was er sich eigentlich dabei gedacht hatte. „Wisst Ihr, wo Euer Problem liegt, Sir Guy?“ Als Antwort hob Guy lediglich die Schultern, denn Probleme hatte er beinah zu viele. „Ihr seid, Eurer körperlichen Stärke zum Trotz, ein schwacher Mann.“ Während Tuck sprach, schlich sich zu Recht ein Anflug von Enttäuschung in seine Stimme. „Allzu leicht lasst Ihr Euch von dem Willen anderer Menschen leiten. Sagt mir, was so schrecklich daran ist, Euer eigener Herr zu sein.“ Guys müdes Seufzen zeugte deutlich von den grüblerischen Gedanken, die ihm durch den Kopf gingen. „Ich besitze weder die Stärke, mir ein eigenes Leben aufbauen, noch die Weisheit, dieses Leben zu führen.“ „Deshalb seid Ihr lieber ein Bauer im Spiel anderer Menschen?“ schrie Tuck ihn an. „Wenn Ihr wissen wollt, was Euer größter Fehler ist, Sir Guy, so ist es Eure Schwäche.“ „Wenn ich meinem eigenen Willen folge“, verteidigte der Dunkelhaarige sich, „geschehen furchtbare Dinge. Ich habe meine Schwester an einen jungen Mann verkauft, dem ich erst kurz zuvor zum ersten Mal begegnet war. Ich habe…Marian getötet, die Frau, die ich geliebt habe… Nein, die Frau, die ich liebe.“ „Und wollt Ihr für all diese Taten um Vergebung bitten?“ fragte Tuck, wobei er sein Gegenüber in Gedanken beschwor, er möge zustimmen. „Das will ich“, flüsterte Guy. „Aber…“ „Verdammt sei Euer Stolz!“ fluchte der Mönch. „Was hat er Euch jemals Gutes eingebracht? Nennt mir nur eines.“ Guy schwieg und schien aufrichtig bemüht, auch nur ein einziges Beispiel zu finden, flüsterte nur einen Moment später jedoch resigniert: „Das kann ich nicht.“ „Und aus genau diesem Grund ist Euer Stolz eine Sünde“ erklärte Tuck ihm daraufhin. „Ihr solltet einigem abschwören, mein Sohn, aber zuerst und vor allem Euren Stolz.“ „Wie könnte ich?“ wollte Guy wissen, der sich noch nicht sicher war, ob er es tun würde oder nicht, doch sollte er sich wirklich dazu entschließen, diesen Weg zu gehen, wollte er ihn wenigstens kennen. „Ihr könnt damit anfangen, dass Ihr zugebt, dass Ihr Unrecht getan habt und Eure Fehler soweit wiedergutmacht, wie Ihr nur könnt.“ Tuck beugte sich zu ihm hinüber und legte in einer aufmunternden Geste seine Hand auf Guys Schulter. Ihr musst zu den Menschen gehen, zu denen Ihr grausam gewesen seid und sie um Verzeihung bitten, wenn Ihr nichts anderes für sie tun könnt. Öffnet Euch diesen Menschen und gesteht vor ihnen und auch Euch selbst ein, dass Ihr im Unrecht wart.“ „Was geschehen ist, ist geschehen und niemand würde auch nur ein Wort der Entschuldigung von mir hören, geschweige denn annehmen wollen“, widersprach Guy höhnisch, denn der bloße Gedanke, dass Worte all das Leid auslöschen konnten, das er verursacht hatte, erschien ihm geradezu lächerlich. „Das werdet Ihr erst erfahren, wenn Ihr es versucht.“ Als Tuck sich erhob, wollte Guy ihn aufhalten und noch mehr von seiner Zeit und seiner Weisheit in Anspruch nehmen, doch gleich darauf wurde ihm bewusst, dass es nur noch wenig mehr gab, das er hätte sagen können. Der Mönch öffnete die Türen der Kirche wieder und erlaubte Robin und Archer, hereinzukommen, um den Dunkelhaarigen abzuholen. Als die beiden sich der Kirchenbank näherten, in der er saß, schien Guy seltsam erleichtert zu sein, obwohl er gerade eine ebenso große Last aufgebürdet bekommen hatte, wie ihm kurz zuvor genommen worden war. Ein gedankenverlorener Ausdruck lag auf seinem Gesicht, doch seine Schultern waren entspannt und er schien guter Dinge zu sein, als hätte sich dadurch, dass er seine Verfehlungen und seine Missetaten eingestanden hatte, etwas in seinem Innersten verändert. „Hast du dich gut unterhalten?“ fragte Robin grinsend. „Kommt jetzt“, entgegnete Archer. „Lasst uns gehen. Ich bin schon halb verhungert.“ „Wir sollten draußen zu Mittag essen“, Überlegte Guy laut, woraufhin ihm die beiden anderen Männer einen seltsamen Blick zuwarfen. „Wir sollten was?“ wollte Robin verunsichert wissen. Archer hob skeptisch eine Augenbraue. „Ein Picknick?“ fragte er nachdenklich. „Oder sehnst du dich nur nach einem weiteren Ausflug zum Teich?“ fragte Robin schelmisch. „Nein“, fuhr Guy ihn an, hatte sein Temperament jedoch sofort wieder unter Kontrolle. „Wir könnten die Pferde nehmen und irgendwohin reiten, wo es einsam und ruhig ist.“ Archer und Robin sahen einander fragend an. Zugegebenermaßen war dies ein seltsamer Wunsch, doch das Wetter, das im Vergleich zu dem Frost der vergangenen Monate angenehm warm war, schrie förmlich nach einem Ausflug und zufälligerweise kannte Robin genau den richtigen Ort, um die sanften Strahlen der Sonne zu genießen. „Warum nicht?“ willigte er mit einem Grinsen ein und klatschte in die Hände. O°O°O°O°O°O°O°O°OKeine halbe Stunde später waren die drei bereits unterwegs. Robin hatte ein Bündel mit Verpflegung darin am Sattel seines Pferdes befestigt, während Archer Guy auf seinem Pferd mitnahm. Da er seine Beine nicht an die Flanken des Pferdes drücken konnte, um sich auf diese Weise festzuhalten, schlang der hochgewachsene Mann seine Arme locker um die Taille seines Bruders. Als sie den kleinen Flecken des Paradieses gefunden hatten, der tief genug im Sherwood Forest verborgen lag, um ein Geheimnis geblieben zu sein, sprang Robin zuerst aus dem Sattel und begann, das hochgewachsenen, trockene umzuknicken und die hartnäckigeren Pflanzen mit seinem Schwert zu zerhacken. „Wenn meine Klinge davon stumpf wird“, rief er zu den beiden anderen hinüber, „dann wirst du sie schärfen, Gisborne.“ „Wenn dein Schwert von dieser Arbeit stumpf wird“, rief Guy zurück, „dann ist es deine eigene Schuld, denn schließlich warst du es, der diese überwucherte Lichtung ausgesucht hat.“ Nun sprang Archer ebenfalls vom Pferd und streckte seine Arme aus, um Guy auffangen zu können. Als er das Bild einer geretteten Maid und ihres Ritters sah, das die beiden abgaben, konnte Robin ein Lachen nicht unterdrücken, wofür er sich jedoch zwei einander überraschend ähnelnde erzürnte Blicke einfing. „Vorsicht“, sagte Robin in warnendem Tonfall und nickte Archer zu. „Wenn du das machst, dann siehst du wirklich wie er aus.“ Archer hob die Schultern, so gut es ihm mit zwei so schwer beladenen Armen möglich war. „So schlimm ist das doch gar nicht, oder? Immerhin ist er mein Bruder.“ „Nein“, stimmte ihm Robin kopfschüttelnd zu, „ überhaupt nicht so schlecht.“ Er atmete tief durch und fuhr mit seiner leichten Arbeit fort, die ihn so sehr erschöpfte und durch die er so sehr außer Atem geriet, wie es noch vor einem Jahr, vor seiner Vergiftung und der mit ihr einhergehenden Krankheit, die ihn schwächte, nicht der Fall gewesen wäre. Wenn Robin auch niemals ein Lob dafür zu hören bekommen würde, war es ein schöner Ort, den er ausgesucht hatte. Ganz in der Nähe lag ein schmaler Bach, der in seinem felsigen Bett gerade genug Wasser führte, um ein leises, plätscherndes Geräusch ertönen zu lassen. Noch waren an den Bäumen keine Blätter zu erkennen, doch sie standen so dicht beieinander, dass sie trotzdem ausreichend Schatten spendeten. Auch die Pferde waren inzwischen von ihren Lasten befreit worden und konnten frei auf der trockenen Wiese umherlaufen und grasen. Archer ließ Guy auf die kleine Lichtung sinken, die Robin geschlagen hatte und setzte sich dann ihm gegenüber auf einen flachen Felsen, von dem aus er den Bach überblicken konnte. Keiner von ihnen sprach ein Wort und das einzige Geräusch, das die Stille durchbrach, war das leise Summen der erwachenden Natur. Robin setzte sich mit ihrer Verpflegung ebenfalls hin und löste den Stoff, in den diese eingewickelt war. Er warf Guy ein Brötchen zu und dieser fing es sogar ohne vorherige Warnung auf. Sofort begannen die drei ihre Mahlzeit und blieben solange ungestört, bis einer von ihnen seine Znge nicht länger in Zaum halten konnte. „Du hättest das nicht tun müssen“, murmelte Guy. „Vorhin in der Kirche. Es war mir gleichgültig, dass mich alle angestarrt und über mich gesprochen haben. Du hättest nichts sagen müssen.“ „Selbst wenn es dich nicht gekümmert hat“, entgegnete Robin, „hat es mich dennoch geärgert. Aber mach dir keine Gedanken. Ich erwarte keinen Dank oder so etwas.“ Einen kurzen Moment lang herrschte Schweigen zwischen ihnen, bevor Guy ein zögerndes „Danke“ flüsterte und dies schien für ihn das schwierigste Wort zu sein, das er jemals ausgesprochen hatte, denn es klang schwer und geradezu ermüdend, als müsste es seiner Kehle mit großer Kraft entrungen werden. Die Fassungslosigkeit stand Robin deutlich ins Gesicht geschrieben, als er Archer einen fragenden Blick zuwarf, um sicherzugehen, dass er richtig gehört hatte und sein Bruder nickte. „Nun…gern geschehen“, erwiderte er unsicher. „Ganz gleich, was du denken magst, ich verspreche dir, dass ich stets nur versuche, das Beste für dich zu tun.“ „Ich weiß“, gab Guy schlicht zurück und dieses Eingeständnis war eine weitere Überraschung. Für Guy schien es beinah eine Demütigung zu sein, denn er weigerte sich beharrlich, vom Boden aufzuschauen. „Schließlich bist du Robin Hood, nicht wahr?“ „Oh, er möchte nicht länger als Hood bezeichnet werden“, mischte sich nun Archer an Robins Stelle ein. „Ich werde es mir merken“, bestätigte Guy mit einem Nicken, bevor er sich einen Bissen gepökeltes Rindfleisch in den Mund schob. „Da wir uns nun alle einig sind, dass meine guten Taten nichts weiter sind, als genau das“, fuhr Robin fort, wobei er sich aus Höflichkeit seine Hand vor den halbvollen Mund hielt, „würde ich gerne noch einmal auf die Verteilung der Ländereien zu sprechen kommen, wenn ihr erlaubt.“ Mit einem spöttischen, leicht überheblichen Lachen verdrehte Guy die Augen und schaute hinauf in den blauen, wolkenlosen Himmel. „Oh Gott“, stöhnte er, „nicht das schon wieder.“ „Warum sträubst du dich so dagegen, dass dir die Gisborne-Ländereien zurückgegeben werden?“ fragte Robin erschöpft. „Ist es nicht das, was du immer wolltest und dadurch auszugleichen versucht hast, dass du ganz Locksley an dich gerissen hast? Warum wehrst du dich nun so sehr gegen mich? Und komm mir nicht mit der Antwort, dass du ein Krüppel bist, der in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist. Wir wissen alle drei, dass du stark und stur genug bist, um diese Ländereien, wenn es sein muss, von einem Stuhl aus zu verwalten. Warum also…“ „Weil niemand unter meiner Herrschaft dort bleiben würde!“ schrie Guy ihm wütend und niedergeschlagen zugleich die trostlose Wahrheit ins Gesicht. „Nicht, wenn sie auch in die sichere und freundliche Umarmung ihres zurückgekehrten Lord of Locksley fliehen können. Sie würden meine Ländereien im Stich lassen und ich will nicht mitansehen müssen, wie der Stolz meines Vaters durch mich zerstört wird.“ Robin seufzte und schwieg lange, denn er wusste nur zu gut um die Wahrheit, die Guys Worten innewohnte. Solange es eine andere Möglichkeit gab, würden viele Menschen tatsächlich nicht bleiben wollen, wenn er ihr Lord war. Um ihrer beider Willen bemühte er sich jedoch um freundlichere und hoffnungsvollere Worte. „Sag doch so etwas nicht“, widersprach er mit so viel Zuversicht, wie er nur irgendwie aufbringen konnte, „einige werden mit Sicherheit bleiben, das schwöre ich dir. Immerhin haben sie ihr ganzes Leben lang auf diesen Ländereien gelebt und wenn du die Menschen gut behandelst und ihnen Respekt entgegenbringst, werden sich noch viele weitere um dich scharen.“ „Das glaube ich kaum“, höhnte Guy. „Marian“, fuhr Robin unbeirrt fort und sprach somit das verbotene Wort aus, das wie ein vorläufig ruhendes Schlachtfeld zwischen ihnen lag und das aus Furcht,  erneut Zorn und Blutdurst zu wecken, unausgesprochen geblieben war. Verständlicherweise unsicher zwang sich Robin, seinen angefangenen Gedankengang fortzuführen. „Sie hat immer gesagt“, gestand er stockend, „dass es in dir etwas Gutes gibt. Er hat ein Gewissen. Er hat gute Eigenschaften. Er handelt nur deshalb so, wie er handelt, weil ihm die Liebe versagt wurde.“ Robin hielt inne und kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe herum. „Ich nahm immer an, dass sie sich Dinge einredete, die in Wahrheit nicht existierten,…aber jetzt sehe ich es auch, wirklich. Ich wünschte nur um ihretwillen, dass ich es früher erkannt hätte.“ Guy starrte den Jüngeren eindringlich und mit unverhohlener Verwunderung weit aufgerissenen Augen an und seine Lippen, durch die er unhörbar atmete, waren leicht geöffnet. Es war offensichtlich, dass ihn diese ermutigenden Worte, die obendrein von einem ehemaligen Feind kamen, unerwartet getroffen hatten und ihn zutiefst berührten. Mit einem Mal schien er nicht mehr fähig, Worte zu finden, geschweige denn zu formen und brachte bis auf ein unbeholfenes Stammeln keine Erwiderung zustande. Guy hätte nicht einmal sagen können, ob er ihm danken oder nur irgendetwas Schmeichelhaftes hatte sagen wollen und er würde es auch niemals herausfinden, da Robin ihm ins Wort fiel und neckend sagte: „Vielleicht hätte ich es früher erkannt, wenn du nicht so ein Dummkopf gewesen wärst, nicht wahr?“ Daraufhin stieß der Dunkelhaarige eine Mischung aus Knurren und Schnauben aus und stieß den anderen Mann zu Boden. Robin hörte nicht einen Moment auf zu lachen und rollte sich schließlich auf den Rücken, verschränkte sehnsüchtig seine Arme hinter dem Kopf und blickte sehnsüchtig zum Himmel hinauf. „Ich liebe dich, Guy of Gisborne“, sagte er mit einem Mal vollkommen ernst und aufrichtig. „Gott stehe mir bei, das tue ich wirklich.“ Auch Archer entfuhr nun ein leises, aber fröhliches Lachen, das tief aus seiner Brust kam. „Gott stehe uns beiden bei“, sagte er lächelnd. „Ich nehme an, ich liebe euch auch, sogar mit einem Schwert an meiner Kehle.“ Nun fand Guy endgültig keine Worte mehr, denn er war sich seiner eigenen Gefühle, was diese Angelegenheit betraf, noch nicht sicher. Er wusste, dass er für die beiden sterben würde und hatte seine Entschlossenheit in dieser Hinsicht auch bereits unter Beweis gestellt, doch er konnte nicht sagen, ob er aus Liebe tat oder um auf irgendeine Art Buße zu tun. Auf der anderen Seite wusste er, dass ihre Gegenwart beruhigend und deshalb auch keineswegs unerwünscht war. Der Gedanke, erneut allein auf der Welt zu sein und niemanden mehr zu haben, beunruhigte ihn zutiefst. „Und du?“ fragte er deshalb an Archer gewandt, wobei er Liebesbekundungen zugunsten von Treueversprechen beiseite warf. „Würdest du hierbleiben?“ „Oh, das weiß ich noch nicht“, antwortete sein Bruder und ließ seine Hände auf den warmen Felsen sinken, um sich mit ihnen abzustützen. „Locksley ist mir inzwischen irgendwie ans Herz gewachsen, obwohl ich es liebe, die Welt zu entdecken und ihre Geheimnisse zu erforschen. Vielleicht könntest du die Ländereien, von denen du gesprochen hast, für mich vormerken?“ Nun richtete sich auch Robin wieder auf und schaute seinen Bruder aufmerksam an. „Ich weiß nicht, ob mir der Gedanke gefällt, dass du irgendwo hingehst, wo ich dich nicht im Augen behalten kann“, erwiderte er. „Denn du hast ein Talent dafür, in Schwierigkeiten zu geraten.“ „Das sagt gerade der Richtige“, hielt Archer dagegen. „Ich würde sagen, das liegt in der Familie.“ Bei diesen Worten nickte er kurz in Guys Richtung. „In beiden Familien.“ „Weshalb du doppelt erblich belastet bist!“ rief Robin lachend aus. „Nur aus diesem Grund bin ich so gut darin geworden, aus einer misslichen Lage zu entkommen“, entgegnete Archer fast hochmütig, als wäre stolz auf diese Tatsache. „Ja“, stimmte Guy zu. „Unser Bruder, der Ausbruchskünstler.“ „Guy, du schmeichelst mir mit solchen Bezeichnungen“, grinste Archer. „Aber ein Künstler bin ich in der Tat.“ Schon im nächsten Moment wurde er jedoch wieder ein wenig ernster, als er sich an Robin wandte. „Und was wird aus dir? Was machst du, wenn du es endlich geschafft hast, uns alle loszuwerden? Wirst du dann ganz alleine und voller Stolz in deinem riesigen Anwesen sitzen?“ Robin lachte leise auf und hob seine Hände, als wäre er bei etwas Verbotenem ertappt worden. „Um ganz ehrlich zu sein, ich habe darüber noch nicht wirklich nachgedacht.“ Er ließ seine Hände wieder sinken und hob die Schultern. „Ich denke selten an etwas anderes als daran, für die Menschen zu sorgen, die mir wichtig sind.“ „Hier hast du deinen scheinheiligen Wohltäter, Archer“, spottete Guy. „Er gibt und gibt, bis für ihn selbst nichts mehr übrig ist.“ „Du denkst wahrscheinlich, dass ich lieber so selbstsüchtig sein sollte sie du, nicht wahr? Dass ich versuchen sollte, alles zu bekommen, denn das scheint immer ein gutes Ende zu nehmen.“ Sobald er spürte, dass sich eine Auseinandersetzung anbahnte, die den schönen Ausflug zu verderben drohte, mischte sich Archer ein, indem er ausrief: „Bitte, meine Damen.“ Herablassende Worte schienen immer der schnellste Weg zu sein ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und voneinander abzulenken und da beide interessanterweise unfähig zu sein schienen, ihm lange böse zu sein, war es außerdem die beste Möglichkeit, jeden Streit zwischen ihnen zu beendeten. „Es gibt doch keinen Grund, warum ihr nicht beide Recht haben könnt. Meiner Meinung nach wäre es die beste Möglichkeit uns alle zufriedenzustellen und vor allem würde es mir und meinen Plänen sehr entgegenkommen, wenn wir in Locksley Manor bleiben und von Robins Gastfreundschaft leben. Warum sollten wir das aufgeben?“ „Damit hat er nicht ganz Unrecht“, räumte Robin ein. „Vielleicht gefällt mir der Gedanke nicht, auf dein Mitleid und deine Nächstenliebe angewiesen zu sein“, fuhr Guy ihn an. „Dann nimm endlich die Ländereien an, die ich versuche, dir zurückzugeben“, rief Robin verzweifelt aus. „Entweder das eine oder das andere, Gisborne.“ „Ich werde es mir überlegen“, antwortete Guy gedehnt, wobei er bereits begann, eingehend über die Angelegenheit nachzudenken. Kurz darauf erhob sich Archer, um sich ausgiebig zu strecken. „Wenn ihr damit fertig seid, euch wie ein altes Ehepaar zu strecken“, sagte er, was ihm von beiden einen zornigen Blick einbrachte, „sollten wir uns jetzt auf den Heimweg machen.“ Wieder sprach er das Wort Heim aus, dem das Versprechen innewohnte, dass sowohl der Ort an dem sie lebten als auch die Menschen, mit denen sie diesen teilten, eine Stimmung schufen, die diesen liebevollen Kosenamen verdiente. „Wir haben keine Eile“, entgegnete Robin, stand jedoch ebenfalls auf. „Der Tag hier draußen ist schön und der Wind angenehm und die Pferde sind ganz in der Nähe. Es ist schon eine ganze Weile her, dass ich nur zum Vergnügen geritten bin.“ Archer zuckte lediglich mit den Schultern, denn ihm war es gleich und auch Guys Antwort fiel ähnlich. „Also gut. Gisborne“, erwiderte Robin scherzhaft, „bemüh dich nicht, aufzustehen. Wir satteln die Pferde.“ Guy lachte nur kurz und freudlos auf. Sobald die Pferde bereit waren und Guy auf eines von ihnen gehoben worden war, schwangen sich auch Archer und Robin in den Sattel. „Bruder“, sagte Robin schlicht und fragte so den anderen, ob er bereit war. „Bruder“, erwiderte Archer mit einem Nicken und verstärkte seinen Griff um die Zügel. Die Pferde stampften unruhig mit den Hufen auf den Boden und waren bereit loszutraben, als leise hinzufügte: „Brüder.“ Seine Äußerung war nicht ganz fehl am Platz, aber vor allem fiel den beiden auf, dass Guy die Mehrzahl gebraucht hatte und so auch Robin eingeschlossen hatte. Irgendeine Kraft, deren Namen er nicht kannte, hinderte Guy daran, dem Blondschopf zu sagen, dass er ihn liebte, selbst wenn er es nur tat, um das Geständnis des anderen zu erwidern, aber er konnte ihn seinen Bruder nennen. Diesen Titel konnte er ihm verleihen. Einen Moment lang schaute ihn Robin überrascht an, doch dann lächelte er. „Bruder“, antwortete er glücklich. Ende .o°O°o. _____________________________ .o°O°o..O.o° °o.O¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯ O.o° °o.O. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)