Star Trek - Icicle - 05 von ulimann644 (Die Kriegslist des Admirals) ================================================================================ Kapitel 2: Jäger und Gejagte ---------------------------- Auf der Brücke der U.S.S. SIRIUS saß Captain Chris O´Donnell angespannt im Kommandosessel und machte ein grüblerisches Gesicht. Seit sie von STRATEGICAL STARBASE 71 aufgebrochen waren, um die flüchtende U.S.S. ICICLE abzufangen, sagte er sich, dass irgendetwas an der gesamten Sache nicht stimmen konnte. Einer der am höchsten ausgezeichneten Offiziere der Sternenflotte, der sich im Dominion-Krieg wiederholt verdient gemacht hatte, sollte ein Verräter sein – das konnte O´Donnell kaum fassen. Und das nicht allein deswegen, weil er mit Dherans Schwester zarte Bande geknüpft hatte. Was kann da passiert sein, überlegte der hochgewachsene, athletisch gebaute Captain. Dieser Andorianer spielt doch nicht plötzlich aus heiterem Himmel verrückt und versucht, den Admiral zu erschießen. Solche und ähnliche Fragen schossen dem blonden Mann durch den Kopf. Seine aquamarin-blauen Augen blickten sich auf der Brücke um und für einen Moment kam ihm der unsinnige Gedanke, die Anwesenden könnten erkennen, worüber er gerade brütete was natürlich vollkommen verrückt war. Die Stimme seines Ersten Offiziers, Commander Kim Il Yeon, riss ihn aus seinen Gedanken. „Glauben Sie wirklich, dass Captain Dheran ein Verräter ist?“ O´Donnell blickte in die fragenden, dunklen Augen des Koreaners. Wie immer verriet seine Miene nicht im Geringsten, was er selbst dachte. Eine Eigenschaft, die der Captain an seinem Commander am meisten schätzte war, dass er nie ein vorschnelles Urteil fällte. Sie taten nun schon seit fast vier Jahren Dienst mit einander. Früher war O´Donnell gelegentlich sehr schnell beim Fassen einer Meinung, doch seit er mit dem Koreaner zusammenarbeitete hatte dessen Art auf ihn abgefärbt – ja, ihn in gewisser Hinsicht reifen lassen. „Ich bin mir nicht sicher, Nummer Eins. Ehrlich gesagt: ich glaube es nicht.“ „Es scheint nicht nachvollziehbar“, stimmte Kim zu. „Aber Fakt ist, dass er auf den Admiral geschossen hat, und dass er die ICICLE entführt hat.“ „Manchmal sind die Dinge anders als sie scheinen, Mister Kim.“ „Kommen Sie mir nicht mit Weisheiten, von denen ich mich erinnern kann, dass ich sie Ihnen beigebracht habe, schmunzelte der drahtige Koreaner. Die beiden Männer, die neben einander auf der dunkelblau bezogenen Kommandobank, hinter der CON saßen, wurden abgelenkt, als Lieutenant Tinara Darex, eine vereinigte Trill mit langen dunkelbraunen Haaren und sphinxartigen, grün-grauen Augen, links hinter ihnen von der OPS meldete: „Sir, Captain Ariane Degenhardt von der HORNET ruft uns.“ „Auf den Schirm, Miss Darex.“ Auf dem Hauptschirm der SIRIUS entstand das Abbild einer energisch aussehenden, honigblonden Frau. Ihre dunkelbraunen Augen strahlten Willensstärke aus. Mit hinter dem Rücken verschränkten Armen stand sie vor ihrem Platz und sagte: „Captain O´Donnell, unser Verband ist zu langsam, um die ICICLE einzuholen. Ich bitte darum, dass sie mich und Captain Jez-Son vorausschicken. Unsere beiden Schiffe sind schneller, als die des Rests unseres Verbandes. Wir werden Dheran beschäftigen, bis sie mit dem Rest des Verbandes bei uns sind.“ „Negativ“, lehnte O´Donnell ab und erntete dafür einen kalt funkelnden Blick der blonden Frau, die die HORNET kommandierte. „Der Verband bleibt zusammen.“ „Captain, wir müssen den andorianischen Verräter daran hindern, dass er zu den Talarianern überläuft!“ Chris O´Donnell spürte eine irrationale Wut bei den Worten der resoluten Endvierzigerin, und scharf antwortete er: „Noch ist der Andorianer nicht des Verrats überführt worden, Miss Degenhardt. Und ich bleibe dabei: Der Verband bleibt zusammen.“ „Ich halte diese Maßnahme nicht für gut!“, explodierte die blonde Frau, und ihre dunklen Augen sprühten beinahe Funken. „Das können Sie für gut oder schlecht halten, Captain Degenhardt, hier erteile ich Order! O´Donnell, Ende.“ Er gab der Trill ein Zeichen, die Verbindung zu unterbrechen. Während er aufstand und einen Schritt auf die CON zu machte, spürte er die Blicke der Brückencrew auf sich ruhen. Fragend blickte er schließlich zu Commander Kim. Der Asiat lächelte dünn, enthielt sich jedoch eines Kommentars. Doch O´Donnell ahnte auch so, was der Koreaner dachte. Kim stand absolut loyal zu ihm, und solange er, Chris O´Donnell, nicht offensichtlich gegen die Interessen der Föderation handelte, würde Kim ihn unterstützen, so viel stand fest. Der Captain der SIRIUS nahm wieder in seinem Sessel platz. Kaum saß er, als Ensign Garrett McDermott, ein etwas beleibter, untersetzter Mann von der Erde, von der CON meldete: „Sir, die ICICLE wird plötzlich langsamer. Das Schiff fliegt nur noch mit Warp 9,65.“ Kim hakte ein: „Gibt es einen erkennbaren Grund für dieses Manöver, Ensign?“ „Nein, Commander. Keine erkennbaren Energiefluktuationen.“ „Erkennbare Schäden am Schiff selbst?“ Der Ensign nahm eine Einstellung der Langstreckenscanner vor. „Geringfügige Schäden an der linken Warp-Gondel, Sir. Vermutlich entstanden, als das Schiff das Panzerschott der Hngarsektion von STRATEGICAL STARBASE 71 touchierte.“ Kim wandte sich zu Captain O´Donnell. „Sieht ganz so aus, als habe die ICICLE auf ihrer Flucht einen strukturellen Schaden davongetragen, Sir.“ Der Blonde nickte knapp und wandte sich dann an den Ensign: „Wann wird unser Verband zur ICICLE aufgeschlossen haben, wenn Captain Dherans Raumschiff dieses Tempo beibehält, Mister McDermott?“ „In zwölf Minuten und siebenundvierzig Sekunden, Captain.“ Tinara Darex mischte sich in das Gespräch ein. „Captain, wir werden den Talarianische Raumsektor in etwa dreizehn-einhalb Minuten erreichen. Das wird sehr knapp.“ „Signal an den Verband!“, erwiderte der Captain. „Schiffe sollen Abfangformation-Theta-7 einnehmen.“ „Aye, Captain!“ Kim warf seinem Captain einen fragenden Blick zu. Er wusste, dass dieses Umstrukturieren des Verbandes der ICICLE beinahe eine ganze Minute zusätzlich verschaffen würde. Für einen Moment sah es so aus, als wolle der Koreaner den Befehl in Frage stellen, doch dann meinte er lediglich, so leise, dass nur der Captain ihn verstehen konnte: „Sie sind sich bewusst, was das bedeutet, Captain?“ O´Donnell erwiderte lediglich den Blick seines Ersten Offiziers, antwortete jedoch nicht auf die Frage. Er hatte eine Entscheidung getroffen, und wenn es nötig sein würde, so würde er diese Entscheidung vor Admiral Tarun verantworten. Allein.   * * *   Auf der ICICLE beobachtete Commander Mancharella das Näherkommen der RAG. Als der verfolgende Verband sich neu zu formieren begann, runzelte sie die Stirn. Mittlerweile trug sie, so wie alle anderen Teilnehmer dieses Unternehmens, wieder ihre normale Uniform. Die MACO-Anzüge hatte Lieutenant-Commander Tal´Inuray Filiz mittlerweile ins Depot zurück gebracht. Dheran, der dabei in ihre Richtung sah, richtete seine Antennen nach vorne und fragte: „Was gibt es, Commander?“ Die dunklen Augen der Spanierin erwiderten den fragenden Blick des Andorianers als sie nachdenklich antwortete: „Es ist seltsam, Captain. Der Verbandsleiter der RAG lässt den Verband nach Muster Theta-7 auffächern. Er muss wissen, dass er uns dadurch die Möglichkeit verschafft, möglicherweise den Talarianischen Raum zu erreichen, bevor seine Schiffe uns stellen können.“ „Was schließen Sie daraus?“ „Captain?“ Dheran verdrehte seine Augen. „Sie haben den Captain auf STRATEGICAL STARBASE 71 kennen gelernt, Commander. Hatten Sie den Eindruck, dass er dumm ist?“ Pasqualina Mancharella ahnte worauf der Andorianer hinaus wollte. „Nein, Sir. Möglicherweise will er, dass wir entkommen.“ Der Andorianer machte eine zustimmende Geste. Gleichzeitig verfinsterte sich sein Blick, als er nachdenklich zustimmte: „Auf diese Weise müsste er nicht auf den Bruder einer Frau schießen lassen, die er wohl offensichtlich sehr sympathisch findet.“ Er begann auf der Brücke herum zu wandern und fügte nach einer Weile hinzu: „Ich bin mir nicht sicher, ob ich O´Donnell deswegen mag, oder nicht.“ Die Spanierin unterdrückte ein Schmunzeln ob Dherans letzter Bemerkung. Mittlerweile kannte sie den Andorianer, bis zu einem gewissen Grad, und sie war sich sicher, dass er nicht halb so ungehalten wegen des Flirts seiner Schwester war, wie er vorgab. Dieses Poltern war eben seine Art, mit überraschenden Entwicklungen umzugehen. Sie „kitzelte“ den Captain etwas, indem sie meinte: „Solange es uns zum Vorteil gereicht...“ Der fragende Blick des Andorianers ließ nicht auf sich warten. Doch auch der Andorianer wusste mittlerweile die Spanierin besser einzuschätzen, und so verzogen sich seine Lippen schließlich zu einem schiefen Grinsen. „Sie sagen es, Commander.“ Dann marschierte er abrupt in Richtung des Bereitschaftsraums seines XO. Erst jetzt schien Doktor Leandros wieder das Sedativum einzufallen, dass sie von der Krankenstation mitgebracht hatte, und wortlos wollte sie sich dem Captain anschließen. Doch der hielt sie zurück, indem er zu ihr sagte: „Ich werde zunächst einmal versuchen, sie zum Mitmachen zu bewegen. Sie halten sich solange im Hintergrund. Sollte der Lieutenant sich unkooperativ zeigen, dann greifen sie ein und sorgen dafür, dass dieser Katastrophenmensch kein weiteres Unheil anrichtet.“ Victoria Leandros nickte amüsiert. „Aye, Captain.“ Dheran öffnete das Schott, und die beiden Offiziere traten ein. Die junge Inderin lag noch immer so auf der Couch, wie der Andorianer sie dort abgelegt hatte. Allerdings begann sie bereits sich wieder zu rühren. Auch die Augenbewegungen, unter den geschlossenen Lidern, nahm sichtbar zu. „Wir kommen gerade zur richtigen Zeit“, bemerkte Dheran und näherte sich langsam der Couch. Rania Singh-Badt gab ein undefinierbares Geräusch von sich und öffnete nach einer Weile langsam ihre Augen. Als sie Tar´Kyren Dheran erblickte sprang sie förmlich von der Couch auf und wollte sich auf ihn stürzen, doch die Inderin hatte die Reaktionsschnelligkeit des Andorianers unterschätzt. Der Captain packte blitzschnell ihre Handgelenke und schob sie zurück. An der Kante der Couch strauchelnd, plumpste sie rückwärts wieder auf die Polster, wobei sie ihren Vorgesetzten wütend anfunkelte. „Sie bleiben sitzen!“, herrschte Dheran die junge Frau an, die für einen Moment den Anschein erweckte, sich dem Befehl zu widersetzen. Doch dann blitzte sie ihn lediglich mit ihren dunklen Augen an und zischte leise: „Das ist Entführung, Sir. Dafür werden Sie sich vor einem Gericht der Föderation verantworten müssen. Dafür, und noch für Einiges mehr.“ „Schon möglich, Lieutenant, aber nicht heute. Und jetzt werden Sie mir gut zuhören, Lieutenant Singh-Badt. Wir befinden uns auf dem Weg in den talarianischen Raum. Sie können sich wohl gut vorstellen, dass wir jede Hand an Bord gebrauchen können.“ Ungläubig blickte die Inderin den Andorianer an, gerade so, als würde sie an dessen Verstand zweifeln. „Sie glauben doch wohl nicht, dass ich Sie und ihre Bagage bei dieser widerrechtlichen Handlung noch aktiv unterstütze?“ Der Captain wechselte einen schnellen, verschwörerischen Blick mit Lieutenant-Commander Leandros, bevor er antwortete: „Oh doch, genau das glaube ich. Sie sind dabei, Lieutenant, ob es Ihnen nun gefällt oder nicht. Auf STRATEGICAL STARBASE 71 hat man längst festgestellt, dass Sie nicht auf Harlings Geburtstagsfeier sind, und man wird, nicht ganz zu Unrecht, vermuten, dass sie zu uns gehören.“ „Das werde ich sofort aufklären, sobald wir wieder in Föderationsraum sind.“ Das siegessichere Lächeln des Andorianers brachte die Inderin etwas aus dem Konzept. Sie spürte instinktiv, dass er ein Ass im Ärmel hatte, dass er nun auszuspielen gedachte. „Nur damit Sie klar sehen, Lieutenant: Wir alle werden einen Eid schwören, dass Sie uns freiwillig begleitet und geholfen haben.“ Die Augen der Inderin weiteten sich bei den Worten des Captains und ungläubig starrte sie in dessen verschlossene Miene. Da sie seinem Gesichtsausdruck nicht entnehmen konnte, ob er seine Worte wirklich ernst gemeint hatte, blickte sie unsicher zu Victoria Leandros, die sich bislang im Hintergrund gehalten hatte. Die Griechin nickte bedeutungsvoll, mit todernster Miene und meinte finster: „Es ist so, wie der Captain es sagt. Sie können helfen, dass wir lebend aus diesem Schlamassel heraus kommen, oder aber Sie sterben mit uns. Wie auch immer: Man wird Sie keinesfalls rehabilitieren. Schon gar nicht, wenn wir bei diesem Abenteuer sterben.“ Fassungslos blickte die junge Inderin von Leandros zu Dheran. Noch während sie mit der Antwort zögerte, sagte der Andorianer beschwörend: „Ich habe keinerlei Hemmungen, Doktor Leandros anzuweisen, Sie für die Dauer unseres Fluges in Tiefschlaf zu versetzen. Sollten Sie sich jedoch dazu entschließen, uns mit ihrer ganzen Kraft zu unterstützen, dann werde ich Ihre Rolle bei diesem Unternehmen vor dem Kriegsgericht richtigstellen. Sollten Sie auf den Gedanken kommen uns zu sabotieren, dann werden wir bei der Version bleiben, dass Sie freiwillig mitgemacht haben. Ist das klar?“ In ohnmächtiger Hilflosigkeit blickte Rania Singh-Badt den Captain an. Ihre Gedanken jagten sich. Sie saß in der Falle, denn sie zweifelte keinen Moment daran, dass dieser blauhäutige Teufel seine Drohung wahr machen würde. Zwischen zusammengepressten Zähnen brachte sie schließlich wütend hervor: „Ich helfe Ihnen. Aber ich hoffe, dass man die ICICLE zuvor abfängt und in Stücke schießt.“ „Ihre Hoffnung ist unangebracht, denn Sie würden dabei ebenfalls den Tod finden“, konterte der Andorianer trocken. „Und nun ziehen Sie sich um, und melden sich dann auf der Brücke bei Commander Mancharella.“ „Aye, Sir“, zischte die Inderin wobei sie das Wort Sir besonders betonte. Dann erhob sie sich und stapfte in Richtung des Schotts. Mit den Augen bedeutete Dheran der Griechin, Rania Singh-Badt zu folgen. Sicher war sicher.   * * *   Als der Befehl zur Bildung von Abfangformation Theta-7 auf der HORNET einlief, stand Captain Ariane Degenhardt kurz vor einem Wutanfall. Ihre dunkelbraunen Augen sprühten förmlich Funken, als sie über die Schulter zu Lieutenant Arin Teniras, dem bajoranischen Lieutenant Senior-Grade an der Taktischen Station blickte. „Eine Blitzverbindung zur SIRIUS, Lieutenant!“, donnerte sie und schoss aus dem Sessel hoch. „Aye, Captain. Kanal ist offen.“ „Auf den Schirm!“ Bereits im nächsten Augenblick zeigte der Hauptbildschirm der HORNET das aufreizend gelassen Konterfei des australischen Captains der SIRIUS, und die auf Rigel VII geborene Frau, mit deutschen Wurzeln, begann ernsthaft daran zu Zweifeln, dass O´Donnell wusste, was er tat. „Was kann ich für Sie tun, Captain Degenhardt?“ Diese unschuldige Frage brachte Ariane Degenhardts Beherrschung noch näher an den Rand der Zerreißprobe. Sichtlich aufgebracht fauchte sie: „Wissen Sie eigentlich, was Sie mit diesem Formationsbefehl anrichten?“ „Ja, wir bringen den Verband in die beste Abfangformation.“ „NEIN! Verdammt, O´Donnell, dieser Befehl sorgt dafür, dass die ICICLE, und mit ihr der Verräter Dheran, entkommt!“ O´Donnell hob fragend seine Augenbrauen und erhob sich nun langsam aus seinem Sessel. „Ich habe Ihnen doch bereits zuvor schon...“ „Ich weiß, was Sie gesagt haben!“, fuhr Captain Degenhardt dem Australier in die Parade. „Und ich gewinne langsam den Eindruck, dass Sie mit dem Andorianer unter einer Decke stecken!“ Auf dem Hauptschirm der HORNET war zu erkennen, dass O´Donnell näher an den Bildschirm seines Schiffes heran trat. Langsam legte er seine Hände auf den Rücken und antwortete gefährlich leise: „Vielleicht spielen Sie mit dem wenig feinen Gedanken, die Kommandogewalt dieses Verbandes an sich zu reißen, Miss Degenhardt? Ich könnte mir vorstellen, dass man dies vor einem Militärgericht der Föderation wohl als Meuterei auffassen würde. Und die Nichtbeachtung eines direkten Befehls als Insubordination.“ Bei seinem letzten Satz bekam der Klang seiner Stimme eine schneidende Schärfe. Dann fügte er hinzu: „Ich schlage vor, dass Sie sich von nun an an meine Anweisungen halten, und die Kanäle für Notfälle frei halten. O´Donnell, Ende.“ Ariane Degenhardt stand eine Weile wie vom Donner gerührt da, bevor sie tief durchatmete und langsam wieder in ihrem Sessel Platz nahm. Dabei dachte sie erzürnt: Über diese Angelegenheit ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, Mister O´Donnell.   * * *   Auf der ICICLE meldete sich Rania Singh-Badt, nun in Uniform, bei Pasqualina Mancharella. Zunächst hatte sie vorgehabt, die Spanierin auf ihre Seite zu ziehen, doch die ernste, entschlossene Miene, mit der Commander Mancharella sie musterte, machte der Inderin die Aussichtslosigkeit einer solchen Aktion klar. Die XO des Schiffes deutete auf die Taktische Konsole. „Sie übernehmen, Lieutenant. Auf die Schnelle: Die RAG ist uns auf den Fersen und wird uns vermutlich mit Erreichen des Talarianischen Raumes einholen. Möglicherweise werden die Schiffe, ohne Vorwarnung das Feuer auf die ICICLE eröffnen. Sie werden in diesem Fall dafür Sorge tragen, dass die RAG-Schiffe zu Ausweichmanövern gezwungen werden.“ Rania Singh-Badt begann die gesamte Situation langsam für immer unwirklicher zu halten. Man erwartete tatsächlich von ihr, dass sie auf die eigenen Schiffe feuern sollte. Pasqualina Mancharella schien die Bedenken der Inderin zu erahnen und fügte ihren voran gegangenen Worten drohend hinzu: „Falls Sie mit dem Gedanken spielen sollten gegen uns zu arbeiten, so versichere ich Ihnen, dass ich in einem solchen Fall keine Hemmungen haben werde Sie niederzuschlagen, und selbst die Taktik zu übernehmen.“ Rania Singh-Badt funkelte ihre Vorgesetzte giftig an und nickte, mühsam beherrscht. Sie ließ ihre Finger über die Sensortasten der Konsole gleiten stellte die Abstände der RAG-Schiffe fest, und aktivierte, beinahe ohne darüber nachzudenken, die hinteren Zielscanner. Ab und zu warf sie dabei einen finsteren Blick zu den Offizieren der ICICLE, die sie bisher als ihre Kameraden angesehen hatte. Waren diese Leute plötzlich alle kollektiv durchgedreht? Wütend auf die Führungsoffiziere der ICICLE und wütend auf sich selbst checkte sie ganz automatisch die Feuerbereitschaft der Torpedolauncher. Mehr um sich selbst etwas abzulenken überprüfte sie die Unterprogramme für die Festlegung der Torpedosprengleistung. Sie kontrollierte routiniert den Code und wollte bereits wieder die Standard-Konfiguration der Konsole aufrufen, als ihr etwas merkwürdiges auffiel: Das Unterprogramm war erweitert worden. Hastig, dabei unauffällig prüfend, was die anderen Anwesenden auf der Brücke gerade machten, rief sie eine Programmsimulation auf, um zu prüfen, was dieses Unterprogramm nun bewirken konnte. Sie musste sich Gewalt antun, nicht entsetzt aufzustöhnen, als sie das Ergebnis angezeigt bekam. Alle Torpedos konnten mit diesem zusätzlichen Unterprogramm gleichzeitig zur Zündung gebracht werden. Nur einen Moment später schoss ihr durch den Kopf: Diese Wahnsinnigen sind drauf und dran einen Kamikaze-Einsatz zu fliegen! Rania Singh-Badt warf einen prüfenden Blick zu Dheran, der sich anschickte den Bereitschaftsraum des Captains zu entriegeln. Zusammen mit Pasqualina Mancharella betrat er den Raum, und die Inderin erkannte, dass dies DIE Gelegenheit war, diesen Wahnsinn zu verhindern. Immer ihre Umgebung im Auge behaltend begann die Inderin, sich dabei so wenig wie möglich anmerken lassend, damit das Unterprogramm aus allen Bereichen zu entfernen, was eine Weile in Anspruch nahm, da sie hektische Betriebsamkeit bewusst vermied. Sie hatte es gerade geschafft, das Programm endgültig zu eliminieren, als Dheran, Mancharella und der Talarianer die Brücke betraten. Keinen Moment zu früh schaltete sie die Konsolenkonfiguration wieder auf den Normalmodus, denn Pasqualina Mancharella hielt sofort auf sie zu um dicht neben ihr stehen zu bleiben. Es fiel Rania Singh-Badt nicht leicht, ihren Triumph für sich zu behalten. Dem Blick von Commander Mancharella ausweichend starrte sie auf ihre Anzeigen. Sie war als Pechvogel verschrien, doch diesmal hatte sie ganze Arbeit geleistet, und sie war sich sicher, dass der Admiral höchst persönlich ihr auf die Schulter klopfen würde, sobald er von ihrem Eingreifen an Bord der ICICLE erfuhr. Möglicherweise würde man ihr sogar eine Ehrenmedaille verleihen. Heute habe ich in bester Tradition der Sternenflotte gehandelt, und das sicherlich nicht zum letzten Mal. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)