Through the Seasons von Flordelis (Angela x Jin ~ Deine Tierparade One-Shot-Sammlung) ================================================================================ Frühling ~ Du wirst dich auch gut um ihn kümmern, oder? ------------------------------------------------------- Bevor Angela nach Kastagnette gekommen war, mit der Aussicht auf eine günstige eigene Farm, war sie bereits an vielen Orten gewesen. Jeder von ihnen war in gewisser Weise einzigartig gewesen, sei es wegen der Landschaft, dem Essen, den Festen oder natürlich den Einwohnern. Manche Orte waren auch Schnittmengen einzelner Qualitäten gewesen – aber noch keinem war es gelungen, wirklich alles zu vereinen, so wie es in Kastagnette geschah. Die Landschaft bot atemberaubende Ausblicke, mit dem Meer auf der einen Seite und den Bergen mit ihrem wunderschönen weißen Gestein auf der anderen. Das Essen bestand zum größten Teil aus Fisch, was sich mit dem Ozean natürlich anbot, aber Colleen, Yolanda und Chase kochten die leckersten Fischgerichte, die sie jemals irgendwo gekostet hatte. Die Feste schafften es auf überragende Weise sämtliche Einwohner vom Kantaten-Viertel und den Flöten-Feldern zusammenzurufen, auf dass sie alle lernten, eine Gemeinschaft zu werden und sich auch gegenseitig so zu betrachten. Jeder der Einwohner war freundlich gewesen und hatte sie mit offenen Armen aufgenommen – und selbst die wenigen Ausnahmen, bei denen es nicht so gewesen war, hatten sich ihr bald geöffnet. Die einzigen Ausnahmen bildeten die Besitzer der Korallen-Klinik, aber sie war auch noch nicht oft genug dort gewesen, um das zu ändern. Immerhin hatte man als Bäuerin normalerweise immer gut zu tun. An diesem Tag im Frühling nahm sie sich allerdings einmal die Zeit, auf dem Kirchplatz innezuhalten und die zart-rosa Blüten der umliegenden Kirschbäume zu betrachten. Es war ihr zweites Jahr in Kastagnette und damit war sie noch nicht so oft in den Genuss gekommen dass dieser langweilig werden könnte. Noch fühlte sie sich, als könne sie Stunden auf diesem Platz verbringen und nur beobachten, wie die Blüten zu Boden schneiten und dort einen wundervollen natürlichen Teppich bildeten. Gepaart mit den wärmenden Sonnenstrahlen und dem angenehmen warmen Windzug, fühlte sie sich wie in einem Paradies. Selbst der große weiße Pyrenäenhund, der auf dem Kirchplatz zu leben schien, bevorzugte es, zu schlafen, statt noch etwas zu machen. Doch die wunderbare Ruhe endete abrupt, als Angela ein leises Zwitschern hörte. Es klang nicht wie das normale Lied eines Vogels, sondern mehr wie das Klagen eines Jungtiers. Es gelang ihr nicht, dieses Leid zu ignorieren, also folgte sie dem Klang zu dem kleinen Friedhof an der Klippe hinab.Erst am Fuß der Treppe angekommen, löste Finn, ihr kleiner, persönlicher Erntewichtel, sich von ihrer Schulter, um einen genaueren Blick umherzuwerfen. „Ich dachte, ich hätte hier etwas gehört“, kommentierte er dabei. „Ich auch.“ Ihre Augen wanderten über die Grabsteine, die Bäume, das Gebüsch – und genau von dort erklang das klägliche Zwitschern noch einmal. Angela kniete sich vor das Gebüsch, schob einige der Zweige beiseite und stieß ein leises Seufzen aus, als sie den Vogel entdeckte, der dort lag. Es war doch kein Jungtier, sondern bereits ein ausgewachsenes Tier mit dunkelblauen Federn. Sein linker Flügel stand von seinem Körper ab und schien gebrochen. Er blickte sie mit großen schwarzen Augen an, ein wenig ängstlich vielleicht, aber gleichzeitig wusste er auch selbst, dass er allein nichts tun konnte. „Du armer kleiner Vogel“, sagte Angela sanft. „Kannst du nicht mehr fliegen?“ Finn schwebte um das Tier herum, dann setzte er sich wieder auf Angelas Schulter. „Wir sollten ihn in die Klinik bringen.“ Nach diesen Worten zog sie erst einmal die Augenbrauen zusammen. „Kümmern sich Irene und Jin überhaupt um Tiere?“ Bislang war sie davon ausgegangen, dass es eher Cains Spezialität war, immerhin war er doch der Besitzer der Horn-Ranch und von dort bekam sie auch stets Medizin, wenn eines ihrer Tiere krank wurde. „Finden wir es heraus“, schlug Finn vor. Sein Enthusiasmus ließ Angela ihre Vorbehalte vergessen. Da sie ihre Handschuhe bereits trug, hob sie den Vogel so vorsichtig wie möglich nach oben. Das Tier ließ es sich gefallen, aber sie spürte, wie heftig sein Herz schlug, weswegen sie sogleich beruhigend auf ihn einzusprechen begann. Das setzte sie fort, nachdem sie sich aufgerichtet hatte und sie den kurzen Weg in die Klinik zurücklegen konnte. Jin stand bereits im Empfangsbereich, wie üblich trug er seinen makellos weißen Arztkittel, sein schwarzes Haar war zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Er blickte mit strengem Gesicht auf sein Klemmbrett, während er mit einem Stift gleichzeitig etwas darauf schrieb. „Ich habe gleich Zeit für dich“, bemerkte er dabei, ohne Angela anzusehen. Sie wagte nicht, ihre Stimme zu erheben, immerhin war er der Arzt – und sie hatte normalerweise nicht sonderlich viel mit ihm zu tun. Auch der Vogel schwieg, als spüre er die angespannte Atmosphäre und wisse genau, was es zu bedeuten habe. Schließlich beendete Jin die Notizen, hob den Blick und sah Angela an. Durch seine Brille wirkte er stets noch um einiges strenger und unnahbarer als ohnehin schon. Sie musste erst schlucken und dann tief durchatmen, um ihr wild schlagendes Herz wieder zu beruhigen. „Ich habe diesen Vogel gefunden“, sagte sie rasch, als Jin bereits, scheinbar ungeduldig, den Mund öffnete. „Kannst du ihn untersuchen?“ Sie fürchtete, dass er gleich das Gesicht verziehen und ihr sagen würde, dass er kein Tierarzt sei und sie gefälligst mit dem Vogel den langen Weg auf die Flöten-Felder zurücklegen sollte – doch seine Miene wurde sogar sanft. „Bring ihn in den Behandlungsraum. Ich sehe ihn mir gleich an.“ Angela folgte dieser Anweisung und legte den Vogel vorsichtig auf einem der Betten ab. Jin folgte ihr bereits und begann auch sofort mit der Untersuchung, so dass ihr nur blieb, es zu beobachten. Zu ihrer Überraschung huschten Jins Finger äußerst sanft über den Körper des Vogels, fast schienen sie ihn gar nicht zu berühren, was Angela sich wundern ließ, wie es sein konnte, dass er ihn wirklich untersuchte. Aber zumindest schien das Tier sich sicher zu fühlen. Er wirkte nicht mehr so ängstlich wie noch zuvor. Aber selbst Angela fühlte sich nun wesentlich ruhiger in Jins Gegenwart, nachdem sie ihn bei dieser Untersuchung hatte beobachten dürfen. Vielleicht war er ja doch nicht so schlimm und unnahbar, wie sie bislang angenommen hatte. Aber nur vielleicht. Schließlich nickte Jin, vermutlich mehr für sich selbst, und wandte sich dann Angela zu. „Er hat sich den Flügel nur verstaucht. Ich behalte ihn heute Nacht hier. Kommst du morgen noch einmal vorbei?“ „Ja, natürlich“, sagte sie, zögerte dann noch einmal kurz und brachte dann doch ihre Besorgnis vor: „Du wirst dich auch gut um ihn kümmern, oder?“ Offenbar hörte er das nicht gern, denn er hob eine Augenbraue. Statt einer Predigt nickte er allerdings. „Natürlich. Ich kümmere mich immer gut um Patienten.“ Dass er sogar einen Vogel als seinen Patienten bezeichnete, ließ ihr Herz einen Sprung vollführen. Das hätte sie ihm auf jeden Fall nicht zugetraut. „Okay“, versicherte sie lächelnd. „Ich komme morgen wieder~.“ Wie versprochen fand sie sich am nächsten Morgen, um zehn Uhr, wieder in der Klinik ein. Eigentlich hätte sie das nicht mehr als Morgen bezeichnet, aber sie hatte sich erst um die Farm kümmern müssen, ehe sie sich wieder dem Vogel widmete. Irene, Jins Mutter, die am Empfang saß, musterte sie mit strengem Blick, auch als sie Angelas Begrüßung erwiderte. Glücklicherweise musste sie sonst keine Worte mit Irene wechseln, da Jin bereits aus dem Behandlungsraum kam – mit dem Vogel in seinen Händen. Er blickte aber nach wie vor neutral, fast ein wenig streng. „Guten Morgen, Angela.“ „Guten Morgen. Geht es ihm wieder gut?“ Der Vogel zwitscherte leise, als wüsste er genau, dass sie von ihm sprach. Vorsichtig strich sie ihm über den Kopf, was ihm zu gefallen schien. Dann widmete sie sich aber doch wieder dem Arzt, der auf ihre Frage hin nickte. „Ja. Wir sollten ihn wieder fliegen lassen.“ „Ist er schon bereit dafür?“, fragte sie erstaunt. Als wollte er das demonstrieren, flatterte der Vogel bereits probehalber mit den Flügeln. Sie funktionierten beide genau wie sie sollten. Es war also wirklich Zeit, ihn wieder zu entlassen. „Deine Pflege muss wirklich Wunder bewirkt haben~.“ Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte sie, einen Rotschimmer auf Jins Wangen zu sehen. Aber er war derart schnell wieder verschwunden, dass sie der Überzeugung war, es sich nur eingebildet zu haben. „Wir sollten ihn dann langsam gehen lassen“, beharrte Jin und ging auf die Tür zu. Draußen blieb er dann sofort wieder stehen. Zuerst glaubte Angela, er überlege noch, welchen Platz er sich aussuchen sollte, um den Vogel wieder freizulassen, aber stattdessen hob er die Arme und öffnete die Hände. „Na los, flieg nach Hause.“ Erst noch unsicher, blickte der Vogel sich in alle Richtungen um, zwitscherte noch einmal, was mit viel Fantasie Sicher? hätte bedeuten können. Angela nickte darauf direkt. „Wenn es dir wieder gut geht, solltest du zu deiner Familie zurück. Sie vermissen dich bestimmt schon.“ Und im Gegensatz zu ihr war er nicht in der Lage, Briefe mit seiner Familie auszutauschen. Der Vogel wagte einen Sprung an den Rand von Jins Händen, dieser wartete derweil mit einer erstaunlichen Geduld, es war weder zu sehen, noch zu spüren, dass er eigentlich lieber ganz andere Dinge täte. Dann fasste das Tier sich ein Herz und sprang in die Luft. Zuerst sackte er nach unten, Angela wollte ihn instinktiv auffangen, doch dann flatterte er mit den Flügeln, hielt sich so erst noch in der Schwebe und schaffte es schließlich zwitschernd fortzufliegen. Lachend winkte Angela ihm nach. „Mach's gut~!“ Sie winkte so lange, bis der Vogel nicht mehr zu sehen war und auch sein Zwitschern von der Meeresbrandung verschluckt wurde. Dann wandte sie sich Jin zu, der immer noch dastand, statt sofort wieder hineinzugehen. „Danke für deine Hilfe.“ Er wandte sich ihr zu, eine Augenbraue wieder leicht angehoben. „Hm?“ „Na, danke, dass du dem Vogel geholfen hast“, erklärte sie. „Was schulde ich dir dafür?“ Er winkte langsam ab. „Gar nichts. Ich habe gern geholfen.“ Nach diesem Satz brachte er sogar ein kleines Lächeln zustande, das ihr Herz seltsamerweise noch einen Sprung machen und auch ihr Gesicht erhitzen ließ. Aber sie hoffte, dass er nicht darauf achtete, jedenfalls nicht im Moment. Um das zu bewerkstelligen, sprach sie hastig weiter: „Dann danke ich dir sehr dafür. Wenn ich mal wieder einen verletzten Vogel finde, bringe ich ihn dir.“ „Du kannst auch gern selbst einmal zu einer Untersuchung vorbeikommen“, erwiderte er mit einem tadelnden und gleichzeitig besorgten Unterton. „Ich bin seit dem letzten Sommer hier, aber du warst noch kein einziges Mal in der Klinik. Jemand, der so hart arbeitet wie du, und so viel Verantwortung trägt, sollte ab und an auch mal auf seine Gesundheit achten.“ Der Blick, der diese Worte begleitete, sagte ihr, dass er es vollkommen ernst meinte und er noch dazu keinen Widerspruch akzeptierte. Also nickte sie sofort. „Okay! Das werde ich tun!“ Sie wollte ihm nicht erst erklären, dass sie bislang zu viel Respekt vor ihm und Irene besessen hatte, um dem wirklich nachzugehen, stattdessen blickte sie doch lieber in die Zukunft. Und nachdem sie nun wusste, dass auch er einen weichen Kern besaß, fiel die Berührungsangst nicht nur weg – sie wollte auch unbedingt mehr von dieser herzlichen Seite an Jin sehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)