Wege des Schicksals von Saph_ira (Oder eine kleine Zusatzstory zu "Schicksalswege") ================================================================================ Kapitel 4: Verhängnis --------------------- Es war töricht daran zu glauben, dass man der Vergangenheit entfliehen konnte... Früher oder später würde sie jedem einholen und nicht einmal die verborgene Existenz ihrer selbst würde daran etwas ändern können...   Oscar und André waren langsam verzweifelt, denn von Emilie fehlte noch immer jede Spur... Bernard hatte auch nichts herausfinden können – das verschwundene Mädchen war niemandem seiner Anhänger und Freunden aufgefallen. Und auch im Gasthof am Rande der Stadt, tauchte Emilie noch immer nicht auf...   Verängstigt und mit den Tränen in den Augen musste Catherine zum wiederholten Male Rede und Antwort stehen... Sie konnte nichts dafür, das wussten alle, aber dennoch wurde sie von Emilies Eltern aufs Neue mit Fragen durchlöchert – sie wollten alles und bis ins kleinste Detail wissen.   „So kommen wir nicht weiter.“ Oscar vergrub ihren Kopf in den Händen, als sie mit ihrem Mann nach Catherines Befragung unter sich waren. „Was mache ich nur falsch?“ Sofort spürte sie tröstende Arme, die sie innig an eine breite Brust zogen und ihr meistens Geborgenheit spendeten, aber nicht jetzt... „Nichts.“, hörte sie ihn flüstern und spürte seinen warmen Atem auf ihrem Scheitel, als er seine Nase in ihrem Haar vergrub. „Du kannst doch nicht nur dir die Schuld geben. Zu so einer Sache gehören immer zwei und wir beide sind vom Schicksal für einander bestimmt.“ André plagten die gleiche Verzweiflung und Gewissensbisse wie seine Frau. „Wir werden sie finden, Oscar, das schwöre ich dir!“   „Ach, André...“ Oscar schmiegte sich an ihn noch mehr, ohne seine Umarmung richtig genießen zu können. „Wenn wir bis morgen sie nicht finden, dann werde ich meinen Vater aufsuchen...“           - - -           Emilie sah sich in der Empfangshalle des Grafen um und verglich ihn im Geiste mit dem elterlichen Haus in Aquitanien. Das kleine Anwesen des Grafen Girodel war etwas größer und etwas geschmückter ausgestattet. Es war nicht so schlicht und deutete daraufhin, dass hier wohlhabende Menschen wohnten.   „Gefällt es Euch hier, Mademoiselle?“   Emilie kehrte augenblicklich in die Wirklichkeit zurück und konnte nicht verhindern, dass ihre Wangenknochen sich mit roten Farbe überzogen. „Ja, Monsieur Philippe.“ Das stimmte zwar nicht ganz, aber eine bessere Antwort fiel ihr nicht ein. Philippe verübte eine Wirkung auf sie, die sie verlegen machte und vielleicht war auch diese Anziehungskraft zu ihm, weshalb sie noch zusätzlich einverstanden war in die Kutsche zu steigen und hierher zu kommen.   Philippe lächelte – auch seine Wangen waren leicht gerötet. „Das freut mich.“ Anscheinend wusste er nicht wie man mit jungen Damen umging oder ihnen Aufwartungen machte. „Auch wenn der Adel in der heutiger Zeit viel von seinem Glanz verloren und nicht mehr viel zu sagen hat, durften wir unseren Titel behalten und dann, als die Revolution vorbei war, wurde uns ein Teil unserer Besitztümer zurückerstattet.“   „Schön.“   Philippe merkte Emilies Desinteresse bei diesem Thema rasch und rieb sich verlegen den Nacken. Was konnte er ihr denn noch erzählen? Dass sie schön war und er sich womöglich von ersten Augenblick an in sie verguckt hatte? Und wie würde sie reagieren, wenn sie davon wüsste?   „Ich habe einen Boten ausgeschickt den General zu benachrichtigen. Bis er eintrifft, seid bitte mein Gast und trinkt mit mir eine Tasse Tee, Mademoiselle Emilie.“ Girodels Erscheinen rettete alle beide aus ihrer Verlegenheit. Er lud die junge Dame ein, ihn in sein Salon zu begleiten und während er sie höchstpersönlich geleitete, wurde besagter Tee bereits zubereitet.   „Danke.“ Das war zwar aus reiner Höflichkeit gegenüber Girodel gemeint, aber ihr Denken galt dennoch Philippe und ihren Gefühlen, die immer stärker zu ihm wurden je mehr er sich in ihrer Gegenwart aufhielt. Bis sie in dem Salon Platz nahmen und Girodel sie mit einer direkten Frage vor den Kopf stieß: „Ihr seid also wirklich die Tochter von Lady Oscar?“   „Ich...“   Victor lächelte geheimnisvoll. „Ihr müsst nichts sagen, wenn Ihr nicht möchtet. Ihr seid Lady Oscar wie aus dem Gesicht geschnitten und das sagt schon mehr als alle Worte.“   War das wirklich so offensichtlich? Dass sie so sehr ihrer Mutter ähnelte, wusste Emilie eigentlich seit sie denken konnte, aber es so gradlinig zu hören zu bekommen, war sie nicht gewohnt. Nicht von jemanden, den sie gar nicht kannte, aber der anscheinend ihre Mutter umso besser in Erinnerung hatte. Ein Diener kam herein und brachte den Tee auf einem Tablett. Die Tassen waren bereits gefüllt als der Mann sie ihnen servierte. Emilie war für die Ablenkung dankbar und nahm einen Schluck von der aromatisch duftenden Flüssigkeit. Das verschaffte ihr bei der nächsten Wortwahl einen gewissen Mut. „Könntet... könntet Ihr mir wohl mehr über General Jarjayes erzählen, Monsieur Girodel?“   Wie hinreißend sie doch war! Zwar erschien sie eine Spur zu schüchtern, um an Oscar Francois de Jarjayes zu reichen, aber nichtsdestotrotz war sie ihre Tochter. Diese alleinige Tatsache genügte Girodel und er verstärkte sein Lächeln. „Natürlich. Was möchtet Ihr wissen?“   „Alles was Ihr über ihn wisst...“ Der Graf wurde Emilie unbehaglicher - nur die Anwesenheit von Philippe beruhigte sie. Sie nippte immer wieder an der Tasse, hörte Girodel die ganze Zeit dabei zu und er erzählte ihr mit Vergnügen immer mehr von und über Reynier de Jarjayes – alles was er wusste, wobei er auch ihre Mutter hin und wieder erwähne. Emilie hörte ihm mit Interesse zu und trank ihren Tee. Sie erfuhr von ihm, wie ihre Mutter in ihrer Jugend den Grafen herausgefordert hatte und dann der Kapitän der königlichen Garde geworden war. Auch wie gern er ihr als Untergebener an ihrer Seite immer stand. Bis sie dann in die Söldnertruppe gewechselt hatte. Weshalb wusste er anscheinend nicht oder wollte nicht darüber sprechen – so vermutete zumindest Emilie. Ihr kam so vor, als würde er überwiegend über ihre Mutter erzählen und nicht über ihren Großvater. Über diesen hatte Girodel nur erwähnt, wie sie beide nach der Hinrichtung des Königspaares ins Ausland geflohen waren und erst zehn Jahre später, als die Revolution und Terrorherrschaft vorüber waren, zurückkehren konnten. Dann überkam sie plötzlich Müdigkeit und als sie sich verabschieden wollte, knickten ihr die Knie ein.   „Mademoiselle, Emilie!“ Philippe fing sie auf und hielt sie in seinen Armen. „Was ist mit Euch?“   „Sie schläft.“, erklärte Girodel und grinste hämisch. Eine gewisse Menge Schlafmohn konnte doch nützlich sein und Wunder wirken. „Schaff meine Braut ins oberste Zimmer und sorge dafür, dass sie nicht flieht, wenn sie aufwacht!“, ordnete er an und rieb sich zufrieden die Hände.   „Wie bitte?“ Philippe war entsetzt, er erkannte seinen Patenonkel kaum wieder.   „Da ich ihre Mutter nicht bekommen konnte, nehme ich mir nun eben ihre Tochter. Sie wird meine geliebte Lady Oscar hervorragend ersetzen können...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)