Wege des Schicksals von Saph_ira (Oder eine kleine Zusatzstory zu "Schicksalswege") ================================================================================ Kapitel 7: Im Wahn ------------------ Erneut brachte Philippe der Gefangenen das Essen. Diesmal hielt er seinen Blick nicht gesenkt und blieb auch nicht stumm. Er stellte das Tablett ab und nährte sich Emilie. Diese drückte sich unvermittelt an ihm und die Ketten um ihren Handgelenk und Fußfesseln klimperten leise. „Es tut mir leid...“, flüsterte sie.   Philippe schloss sie beherzt in seine Arme. „Es ist nicht Euer schuld...“, versuchte er sie zu beruhigen. „Es wird alles gut.“   Das klang tröstend und aufrichtig, aber Emilie hatte trotzdem einen gewissen Zweifel. „Woher wollt Ihr das wissen?“   „Ich war bei Eurem Großvater und hab ihm alles erzählt.“ Philippe schloss dabei seine Augen, atmete tief durch und öffnete sie. Emilie hatte ihren Kopf gehoben und sah ihn nun fragend ins Gesicht. Die Hoffnung, die dabei in ihr für einen Wimpernschlag aufglomm, schwand sogleich auch wieder. „Aber warum ist er nicht mitgekommen?“ War sie ihm etwa wirklich so gleichgültig, wie er es bei der Begegnung auf dem Markt vermittelt hatte?   Philippe tat sie noch mehr leid. „Ich denke, das hängt mit Euer Mutter zusammen...“ Sollte er ihr von der Begegnung mit ihren Eltern auch erzählen? Würde sie das noch trauriger machen? Oder vielleicht würde sie ihm ihren Aufenthaltsort in Paris verraten und wenn schon der General nichts mehr für sie tun wollte, dann würden ihre Eltern das sicherlich ganz bestimmt!   „Er kann ihr nicht verzeihen...“ Emilie verstand. Die Kluft zwischen ihrer Mutter und ihrem Großvater war anscheinend so groß, dass jegliche Versöhnung aussichtslos war. Sie seufzte trüb. „Was machen wir jetzt?“   „Ich werde eine Lösung finden.“ Jetzt oder nie! „Ich lasse es nicht zu, dass mein Patenonkel Euch bekommt. Ich bin Euren Eltern begegnet.“ Philippe merkte, wie Emilies Augen sich weiteten und dabei unzählige Fragen ins Gesicht schrieben. Ihr hatte es die Sprache verschlagen und Philippe sprach daher schnell weiter: „Sie waren beim General und Eure Mutter hatte sich mit Eurem Großvatter gestritten. Als ich etwas sagen wollte, sind sie fortgegangen. Aber ich kann sie aufsuchen, wenn Ihr mir verratet, wo sie sich aufhalten.“   Nichts lieber als das! Auch wenn sie mit ihrer Mutter gestritten hatte, wusste sie doch, dass sie von ihr nie im Stich gelassen wurde! Das war beruhigend und schien in derzeitigen Lage die beste Lösung zu sein! Emilie erklärte schnell, wo sie in Paris wohnten und ihr fiel dabei ein Stein von Herzen. „Wieso opfert Ihr Euch so sehr für mich?“, stellte sie anschließend die Frage – sie wollte es aus seinem Mund hören und Philippe ließ sie nicht lange auf die voraussehende Antwort warten. „Weil ich Euch liebe...“ Er strich ihr hauchzart über die Wange und senkte seine Lippen auf ihren Mund herab.   Der erste Kuss... So betörend und berauschend, dass die Lage um sie herum ihre Bedeutung verlor... Sie waren so sehr in ihrer Innigkeit vertieft, dass sie die Gefahr nicht kommen sahen und einfach alles herum um sich vergaßen... Die Tür ging auf und sie ließen erschrocken voneinander ab. Aber es war zu spät. Ein wutentbrannter Girodel stand in der Tür. „Ist das der Dank dafür, dass ich dich aufgenommen habe?! Das du es wagst mir meine Braut zu nehmen?!“   Philippe verdeckte schützend Emilie mit seinem Rücken. Wenn sie schon ertappt wurden, dann machte es keinen Sinn nach weiteren Ausflüchten zu suchen! „Sie ist nicht Euer Braut!“, knurrte er und da zog Victor seine Klinge. „Dann werde ich dich für deinen Verrat töten!“   „Wie bitte?“   Girodel konnte es nicht fassen! Der Bursche stellte sich ihm mit blanken Fäusten entgegen! Nun gut, wenn Philippe das so wollte... Er war ja nicht einmal sein Richtiger Sohn – er hatte ja ihn nur bei sich aufgenommen, weil sein Vater ein guter Soldat und Freund in der königlichen Garde war... Victor hatte ihm im Sterben versprochen, auf seinen Sohn aufzupassen und weil dieser mutterseelenalleine war... Nun wollte dieser undankbare Bengel ihm seine Braut stehlen?! Nein! Nicht noch einmal! Victor sah rot vor Zorn und hob sein Schwert, als sich unverhofft Emilie zwischen sie warf und ihn anflehte: „Nein, bitte nicht! Tötet ihn nicht! Ich werde Eure Braut, aber lasst ihn am Leben!“   Philippe schob sie erneut hinter sich. „Tut es nicht!“ und baute sich todesmutig vor seinem Patenonkel auf. Dieser lächelte hinterlistig. „Gut, Euch zu Liebe, meine werte Mademoiselle, werde ich es tun.“ Das Lächeln verschwand sogleich und er steckte sein Schwert ein. „Verschwinde aus meinen Augen, ich will dich hier nie wieder sehen!“, schrie er Philippe an, aber dieser zögerte.   „Bitte geht...“, flüsterte Emilie hinter seinem Rücken und Philippe verstand. Es widerstrebte ihm, seine Geliebte hier und jetzt im Stich zu lassen, aber so konnte er ihre Eltern ausfindig machen und das Schlimmste noch verhindern! Dennoch zögerte er eine kurze Weile, aber dann rannte er überstürzt aus dem Zimmer und Girodel schnippte gleich darauf in die Finger zu seinen Männern, die er an der Tür als Wachen postiert hatte. „Tötet ihn, wenn er außer Haus ist...“   „Nein!“ Emilie stürzte mit blanken Fäusten auf ihn zu. „Warum tut Ihr das?! Ihr habt es mir versprochen!“   Victor fing jedoch ihre Fäuste ab. Sie sah in ihrer Wut und Verzweiflung noch hinreißender aus! „Und ich halte mein Versprechen. Nicht ich werde ihn töten, sondern meine Männer. Ihr solltet Euch lieber ausruhen und Euch auf die Hochzeit vorbereiten. Ich komme später zurück und bringe Euch ein passendes Kleid – in dem ärmlichen Ding, das Ihr an habt, könnt Ihr doch nicht heiraten...“   Emilie versuchte ihre Handgelenke aus seinem Griff zu befreien. „Ihr seid ein Unmensch!“, spie sie ihm dabei mit all ihrer Verachtung die sie empfand ins Gesicht, aber Girodel lachte nur vergnügt. „Aber zu Euch werde ich sanft sein.“ Er stieß sie von sich und während sie sich noch aufrappelte, verließ er das Zimmer.           - - -           General Jarjayes fuhr gemächlich in der Kutsche zu seinem langjährigen Freund – er wollte nur wissen, was es mit dessen Heirat auf sich hatte. Als er auf dem Weg plötzlich die schlagenden Geräusche von Metall auf Metall und undefinierbare Stimmen hörte! Je näher er dem Geräusch kam, desto genauer erkannte er einen jungen Mann, der sich gegen drei Soldaten mit einem entwendeten Degen zu wehren versuchte. Es sah danach aus, als würde er nicht lange durchhalten und schon bald verlieren! Reynier ordnete seinen Männern sofort an, dem jungen Mann zu helfen! Der Kampf war somit schneller zu Ende und die Angreifer besiegt. „Philippe, was ist geschehen?! Wie siehst du denn aus?! Wer hat dir das angetan?!“ Der General wollte alles wissen und Philippe bestätigte ihm seine dunkle Vorahnung: „Mein Patenonkel...“, japste Philippe außer Puste und erzählte ihm alles. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)