Wege des Schicksals von Saph_ira (Oder eine kleine Zusatzstory zu "Schicksalswege") ================================================================================ Kapitel 9: Frei --------------- Es war vorbei, sie war wieder frei und nun sollte alles gut werden! Emilie zog die sommerliche Luft tief in ihre Lungen auf, ließ sie sehnsüchtig in sich wirken, bevor sie ausatmete und das wunderbare Gefühl mit all ihren Sinnen genoss. Dennoch schlug ihr Herz immer aufgeregter, als sie und ihre Begleiter in den Hof des Hauses ihres Großvaters einfuhren. „Meine Eltern...“, flüsterte sie und da blieb die Kutsche stehen. Ein Empfangsdiener kam gleich an und öffnete die Tür. „Ihr habt Besuch, Monsieur General.“, teilte er mit und senkte seine Stimme: „Sie wollten nicht gehen und beharrten darauf hier auf Euch zu warten.“   Reynier stieg als erster aus. „Ich regle das.“, brummte er dabei und hinkte leicht auf seinem Gehstock auf sie zu. „Oscar...“ Sie wagte es, ihn erneut zu stören! Aber diesmal sollte es anders verlaufen als beim letzten Mal und schon alleine wegen Emilie, konnte er sie nicht fortschicken. Nun gut, es würde sich noch zeigen, was sie zu sagen hatte und dann würde er entscheiden, wie es weitergehen würde.   „Vater...“ Die Angesprochene straffte ihre Schultern und sah noch ernster aus, als bei ihrem letzten Besuch. „Ich habe doch gesagt, dass wir wiederkommen und ich halte mein Wort!“ Hinter ihr stand ihr Mann und hielt zwei Pferde an den Zügeln. „Wir wollen wirklich keinen Ärger mit Euch, Monsieur, wir wollen nur...“ Die Zügel glitten ihm aus der Hand, seine Augen weiteten sich und seine Füße setzten sich sofort in Bewegung. „Emilie!“   „Papa!“ Emilie schürzte ihre Röcke und rannte mit Freudentränen in den Augen auf ihn zu. André fing sie mitten im Rennen ab und drückte sie beherzt an sich. „Gott sei dank! Wo warst du? Was ist geschehen?“   „Das ist eine lange Geschichte...“ Emilie klammerte sich fest an ihn und wollte gar nicht loslassen. „Es tut mir so leid... Es ist alles meine Schuld...“   „Schon gut, du bist jetzt wieder bei uns und das ist die Hauptsache.“, sagte André beruhigend und ließ sie los, damit auch seine Frau sie umarmen konnte. Diese allerdings stand noch da und wagte keinen ersten Schritt. Emilie dagegen schon. Schuldbewusst blieb sie vor ihr stehen und senkte ihren Blick. „Mutter, es war falsch was ich gesagt habe... du hattest recht, Paris ist gefährlich...“   „Es freut mich, dass du das einsiehst...“ Oscar zögerte, bewahrte ihren ernsten Gesichtsausdruck, aber dann hielt sie es nicht mehr aus und zog ihre Tochter an sich. „Ich verzeihe dir... Wir sind alle glücklich, dass du wieder da bist. Jetzt lass uns nach Hause gehen und alles in Ruhe besprechen.“   Ein Räuspern unterbrach die rührende Zweisamkeit. „Verzeiht die Störung...“   „Ihr?“ Natürlich erinnerte sich Oscar an den jungen Mann, dem sie aber bei letzter Begegnung keine sonderliche Beachtung geschenkt hatte. Nun war sie aber auf der Hut. Was hatte er mit dem Verschwinden ihrer Tochter zu tun?!   Die Antwort bekam sie, als Emilie sich an seiner Seite stellte und sie aufklärte. „Das ist Philippe. Sein Patenonkel hat mich gefangen gehalten und wollte mich zu Heirat zwingen, aber Philippe und mein...“   So war das also! „Und Ihr habt nichts davon gesagt?!“, brauste Oscar auf und erdolchte ihn mit einem eisigen Blick, der Philippe einen kalten Schauer über den Rücken jagte. „Sprecht!“, verlangte Oscar immer ungeduldiger und hatte Mühe die Fassung beizubehalten.   „Du hättest ihn auch nicht zu Wort kommen lassen.“, mischte sich Reynier unverzüglich ein und nach einem verblüffen: „Vater...“ von Oscar, fuhr er sachlich und kurz mit seiner Rede fort: „Nach deinem Besuch, war Philippe aber gesprächiger gewesen und hat mir von Emilie erzählt. Anscheinend konnte Girodel dich nicht vergessen und wollte sich deiner Tochter bemächtigen als Ausgleich für deine Abweisung...“   „Girodel?“ Oscars Kopf arbeitete und suchte nach einem Zusammenhang. Er hatte also auch die Revolution überlebt? Auch André erinnerte sich missmutig an den Grafen, der ihm vor langer Zeit seine Oscar nehmen wollte...   „Richtig.“ Reynier stellte zufrieden fest, dass es seiner Tochter anscheinend die Sprache verschlagen hatte. „Aber wir sind noch rechtzeitig gekommen und nun hast du deine Tochter wieder.“, beendete er und auf ihre nächste, perplexe Frage: „Wo ist er jetzt?“, erwiderte er nur schlicht: „Er ist tot.“   „Tot?“   Reynier verdrehte beinahe entnervt die Augen. Musste er jetzt etwa bis zur kleinste Detail vorkauen?! „Ich habe ihn mit dem Tode bestraft, weil er gerade dabei war, sich an meiner Enkelin zu vergehen...“   „Wie bitte?“ Nun holte diese schreckliche Erkenntnis Oscar aus der Verblüffung und ihr Gemüt geriet in Rage.   „Wir stehen zu tiefst in Eurer Schuld, General und wir danken Euch von Herzen...“, sagte André und rettete sie damit vor dem nahenden Ausbruch.   Reynier musste unwillkürlich schmunzeln. Der Abtrünniger, der es damals gewagt hatte sich gegen ihn zu stellen und den er zu Vogelfrei erklärt hatte, schien Oscar gut im Griff zu haben, so dass diese sich zu beherrschen wusste. „Dankt nicht mir, sondern Philippe, er war so versessen Emilie zu retten und für sie sogar sein Leben zu opfern.“   Wie aufs Stichwort trat Philippe sogleich etwas vor. „Das stimmt. Und ich bitte Euch um die Hand Eure Tochter.“   „Wir haben sie gerade erst zurück bekommen und sollen sie wieder verlieren?“, empörten sich André und Oscar gleichermaßen.   „Ich liebe sie.“, gestand Philippe.   „Und ich liebe ihn.“, offenbare Emilie.   Die stauende Gesichter währten lange. „Nun...“ André war der erste, der sprach. „...gegen Liebe kann man nicht ankämpfen... Mein Segen zu eurem Glück habt ihr, aber mit der Heirat müsst ihr allerdings noch warten – bis zum nächsten Jahr.“   Oscar musste ihm recht geben. „Ich schließe mich an.“   „Wir haben Zeit.“ Emilie lächelte breit. „Und bis dahin können wir Großvater helfen, den Prozess zu gewinnen.“   „Was für ein Prozess?“ Oscar und André wechselten einen verwirrten Blick miteinander.   „Das ist nicht nötig.“ Reynier überhörte die Frage – Emilie würde es ihnen schon erklären. Er legte kurz die Hand auf die Schulter seiner Enkelin. „Genieße die Zeit bei deinen Eltern.“   „Ich werde Euch begleiten.“, erbot sich Philippe bereitwillig: „Ich darf ja meine Braut sowieso bis zu Hochzeit nicht sehen.“   „Da hast du wohl recht, mein Junge. Also gut, wenn der Prozess zu Ende ist, dann feiern wir eure Hochzeit.“ Reynier warf einen versöhnlichen Blick auf seine Tochter und ihren Mann. „Aber zuvor lasst uns ins Haus gehen.“, meinte er und machte sich schon selbst auf den Weg.   Oscar und André wechselten wieder einen Blick miteinander, dann nickten sie zustimmend und später am Tisch fand sich endlich die Gelegenheit, all die Geschehnisse zu erzählen.           - - -           Im nächsten Jahr war Emilie eine der glücklichsten Braut an ihrem Hochzeitstag. Vor einer Woche war der Prozess gegen ihren Großvater vorbei und er wurde nur mit einer Geldbuße bestraft. Ihre Eltern, besonders ihre Mutter, tolerierten sich gegenseitig. Es würde zwar kein enge Familienband daraus, aber wenigstens hatten sie sich versöhnt und würden zu einander stehen, falls es nötig sein würde. Emilie dachte daran, während sie durch die Kathedrale von Notre Dame zu ihrem Bräutigam schritt und sich dabei überglücklich fühlte. Vor ihr lag eine neue Zukunft und eine neue Zeit, die sie mit ihrem Mann zusammen von nun an beschreiten würde und darauf freute sie sich schon jetzt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)