Perfect little liars von Melora (wie wir waren und wie wir immer sein werden) ================================================================================ Kapitel 2: Ein kurzer Moment voller Ewigkeit -------------------------------------------- Beim waghalsigen Versuch die Geschäftsbücher der Southern Trade Company der Öffentlichkeit zuzuführen – und wir wussten ziemlich gut, worauf wir uns einliesen – kam es zu einigen schwerwiegenden Problemen. Okay, fast. ICH wusste, worauf ich mich einließ. Mit dem festen Entschluss, sie an sich zu reißen, waren sie bei Wind und Wetter unterwegs, im Kampf gegen das Böse. In einem erbitterten Kampf mit dem Mann, der sich selbst als der Tod bezeichnete. Nun gut, der Name war passend… Er läutete die Glocken des Todes in dieser Furcht erregenden Nacht. In einem einseitigen Kampf, einem Kampf um Leben und Tod. Was er bekam, das führte die Armee weiter. Einen geschwächten Zorro, der sich beim Sturz vom Dach glücklicher Weise nicht das Genick gebrochen hatte, aber einige Blessuren hatte er sich dennoch zugezogen. In einer solchen Kondition, ein leichtes zuzuschlagen. So war es immer, die Gunst der Stunde nutzend, egal wie schäbig es auch gewesen sein sollte… Dieses Mal war dieser Versuch von Erfolg gekrönt… Noch während des Fluges vom Dach durchforstete der Gedanke Zorros Kopf: Dieses Mal… UGH… Keuchend und benommen vom Aufprall biss er die Zähne zusammen, doch den Versuch sich aufzurappeln unternahm er nicht. Als sei alle Kraft aus dem Körper gewichen. Geradezu wie als wäre der Körper von etwas sehr Schwerem überrollt worden… Es musste der Aufprall mit dem Kopf gewesen sein, denn ihm schwirrte der Schädel. Noch im selben Moment hörte man das Geklapper der Pferdehufe, die sich näherten. Und der laute Schrei von Bernardo. „ZORRO!!“ Aufstehen, weg, flüchten… Der Körper unfähig sich zu rühren, kraftlos und schwarz vor Augen in diesem Moment. Das war’s… Ein Pfeifen. Erneutes Ertönen von Pferdehufen. Viento… Kaum fähig für einen weiteren Gedanken, erfasste ihn der linke Arm und etwas zog ihn mit sich. „DAS IST ZORRO!!“ Gonzales kam nicht umhin seine Erkenntnis lautstark mit einem Ruf zu verkünden. Durch Pfützen, durch Matsch, durch den tosenden Regen, den schneidenden Wind. Schüsse, die durch die Nacht hallten und in den Boden einschlugen. So nah und doch ungesehen. Und ein VOLLTREFFER. Oh verdammt! Der Schuss hatte gesessen. Ich konnte nicht mehr entsinnen, welche Todesangst in mich gefahren war. Der Schuss hatte sich tief in mein Fleisch gebohrt und ließ mir kaum einen Atemzug. Vor Schmerz blieb mir der Schrei im Hals stecken, die Luft ebenso. Ich merkte, wie alle Sinne verblassten und ich in eine tiefe Ohnmacht fiel, in Sekundenschnelle. So schnell, dass mir kaum Zeit blieb, mich meiner Liebsten zu entsinnen. Lo… Es war vorbei. Diesmal war es endgültig vorbei und ich würde alle Menschen, die ich lieben gelernt hatte, niemals wieder sehen… Diese unglaubliche Hoffnungslosigkeit, sie ergriff von mir Besitz, noch bevor ich in absolute Dunkelheit gehüllt wurde. Aber dieser unglaublich vernichtende Schmerz, der blieb mir erhalten. Ob ich wohl träumte kann ich heute nicht mehr sagen. Aber der Schmerz saß tief in meiner Brust und raubte mir sämtliche Luft zum Atmen. Ich konnte nichts sehen, aber ich konnte etwas schmecken. Einen ekelhaft bitteren Geschmack im Mund. Blut, was sich meine Kehle hinauf kämpfte. Hustend, halb bei Bewusstsein lieferten sie uns eine Verfolgungsjagd. Ich bekam längst nicht mehr mit, welchem glücklichen Umstand ich es zu verdanken hatte, dass sie mich nicht einkassierten. Und wie Bernardo es geschafft hatte, mich irgendwo in Sicherheit zu bringen. Wobei von Sicherheit nur indirekt die Rede sein konnte. So sehr verletzt war ich noch nie, dass ich nicht mehr wusste, wo mir der Kopf steht. Dieses Gefühl hatte ich bisher nur wegen einem anderen Umstand. Mir schwirrte der Kopf, ein jedes Mal, wenn ich an sie dachte… Und jetzt sollte alles vorbei sein. So wagemutig ich auch manchmal war, dieses Mal hatte ich Angst. Die Furcht davor, alles zu verlieren, was mir lieb und teuer war. Ich dachte nur an eines. Hoffentlich würde sie mich niemals zu Gesicht bekommen… Was fast ausgeschlossen war, falls Bernardo es irgendwie schaffte zu flüchten. Er würde es gewiss nicht ohne mich tun. Und dann würde sie mich finden… das war meine größte Angst. Es gab kaum etwas schlimmeres, als den geliebten Mann in einem solchen Zustand vorzufinden. Mehr tod als lebendig, denn wirklich lebendig kam ich mir nicht vor… Als das Gezerre an seinem Armgelenk aufgehört hatte und man ihn sanft auf dem Boden ablegte, war er bereits bewusstlos und doch spürte er all den Schmerz zweifellos, denn sein Gesicht sprach Bände. Obwohl er Bernardo nicht mehr hörte und dieser es kaum übers Herz brachte, ihn dort so liegen zu lassen, war dem kleinen Jungen bewusst, dass diese Sache eine Nummer zu groß für ihn war. Also entweder holte er jetzt sofort Hilfe von einer dritten Person, oder sein Bruder würde sterben. Und er tat das, was ihm als einziges gerade richtig vorkam… Er holte SIE… Und dabei sorgte er nicht einmal dafür, dass sein Freund und Bruder seine Maske wiederbekam, die beim Ritt irgendwo gelandet war. Das war ihm in dem Moment so egal, wie nichts auf dieser Welt… Das, was ich noch als den größten Alptraum bezeichnet hatte, das würde eintreten… Es war tiefste Nacht, als Bernardo den Tränen nahe und völlig verzweifelt vor ihrem Fenster stand. Wohl bewusst, dass Diego ihm den Kopf abreißen würde, wenn er es wüsste. Aber gerade konnte dieser gar nichts dergleichen tun. Und womöglich würde er nie wieder irgendetwas tun… Niemand konnte ihn von seinem Vorhaben abhalten. Er hatte so viel Angst um ihn, dass er alles vergaß, was er ihm versprochen hatte. Niemals mit einer Menschenseele darüber zu sprechen, was sie des Nachts taten. Bisher hatte er als treuer Freund sich immer brav an dieses Versprechen gehalten, doch heute würde er die einzige Person einweihen, die sie seit Jahren belogen, um sie zu schützen. Es war seine Entscheidung gewesen… ganz alleine seine. Bernardo hätte Lolita vom ersten Tag an alles gesagt. Aber Diego war stur wie ein Esel und wollte niemals Hilfe annehmen, dachte er könne alles alleine schaffen. Allerdings stimmte das nur teilweise. So oft schon hatte Lolita seine Wunden versorgt. Ohne jemals etwas zu ahnen. Leider… Doch in dieser Nacht änderte sich alles mit einem Schlag. Noch mit schlechtem Gewissen stand er unter dem Fenster der jungen Dame. Sein Gesicht gezeichnet von der unendlichen Trauer in seinem Herzen. Als sie ihn erstaunt anschaute und ihn mit Little Zorro ansprach, zog er die Maske runter und sah sie mit seinem flehentlichen Augen an. „Was ist denn passiert?“ Stille. „Bernardo? Was ist…?“ Unschlüssig, was er ihr sagen sollte sah er zu ihr hoch. In einem solchen Moment fehlten ihm die Worte, um diese einfache Frage zu beantworten. Und er musste sie schnell, kurz und knapp beantworten. „Zorro ist verletzt…“ Seine Augen wurden noch verzweifelter. „SCHWER verletzt! Du musst schnell kommen!“ Ein Blitz zuckte am Himmel, zeitgleich mit dem Zucken ihres Leibes. Kurz wurde alles in grelles Licht gehüllt und sie sah seine Gesichtszüge genauer. „WAS?!“ Sie besah das Zorro Kostüm des kleinen Jungen. Es brauchte keine weiteren Worte. Noch im selben Moment stürmte sie vom Fenster weg. Es fiel ihr wie Schuppen von den Augen. Wo Bernardo ist, da ist Diego nicht weit… Was sonst so kompliziert schien, um es zu verstehen, war plötzlich ganz simpel. Die Angst packte sie wie eine Hand im finsteren Nichts. Noch niemals in ihrem Leben hatte sie so schreckliche Angst, wie sie ihn wieder sehen würde. Wenn der Junge sagte schwer verletzt, dann meinte er wohl auch schwer verletzt. Sonst wäre Zorro gewiss bei ihm. Sie packte alles zusammen für den Ernst der Fälle. All ihre Utensilien. Decken, Tücher, Alkohol – hochprozentigen. Alles für eine ärztliche Notversorgung wie sie es in all den Büchern gelesen hatte. Lolita wusste, ihre Zuneigung zu tapferen Männern würde dieses Wissen irgendwann notwendig machen. Deswegen war sie so geschickt darin, sämtliche Wunden eines gewissen Idioten zu versorgen… Ja, der Idiot. Sie hatte große Lust, ihn zu verprügeln. Aber was wenn sie dazu nicht mehr käme? Sie hatte so schreckliche Angst um ihn. Ihren allerbesten Freund, ihren Gefährten, ihren Verlobten, ihren Geliebten. Er war all das von dem. Sie rannten zur Kutsche. Ein Wunder, dass ihre Eltern vom Lärm, den sie machte, nicht aufwachten. Sie hatten eben doch einen guten Schlaf… Sie hätte es ihnen nicht erklären können, oder gar dürfen. Sie hatte so viele überflüssige Fragen in ihrem Kopf. Warum er sogar ihr etwas vorschwindelte… Wieso er in Kauf nahm sie zu verlieren, wo er so offensichtlich in sie verliebt war… All das schien nun unnütz und unwichtig geworden zu sein. Dass ihm geholfen wurde, das war nun das einzig wichtige. Und sie musste tapfer sein, so wie er stets tapfer war. Es dauerte keine 15 Minuten, da hatten sie den nahe gelegenen Wald erreicht. Nun war es ruhig. Sie hatte sich nicht umsonst gesorgt, als sie die Schützen gehört hatte. Auf dem Pfad, den sie beschritten, wimmelte es nur so von Blut. Sie roch es und sie sah es. Ihr war schlecht, doch sie schluckte es herunter. Ganz tief hinab in ihre Kehle. Dem Blutpfad folgend, erreichten sie schließlich den Baum, an den er gelehnt lag. Lolita musste schlucken, nicht nur einmal. Es war einfach schrecklich. Ein Alptraum für alle Beteiligen. Sie schleppte den Korb mit den Decken, Tüchern und den Arzneien. Den Korb stellte sie ab und beugte sich langsam zu ihm nieder. Er war von oben bis unten mit Blut besudelt und sah aus, als sei er durch den Dreck gezogen worden. „Himmel…“, durchfuhr es sie und sie legte ganz vorsichtig ihre Hand an seine Wange. „…Z…Diego?“ Im letzten Moment entschied sie sich ihn nicht Zorro zu nennen, aber er antwortete nicht. „Er ist bewusstlos…“ Bei dem, was sie wohl mit ihm tun musste, war das wahrscheinlich sogar noch von Vorteil. Sie gab sich die größte Mühe, aber sein Anblick brachte sie beinahe um. Und sie hielt sich immer wieder an, tapfer zu sein. Tränen brachten in diesem Fall nichts, ihm nichts und ihr nichts. Sie würden das Kind nur noch mehr aufwühlen. Er war bereits so verzweifelt. „Ganz ruhig bleiben“, murmelte sie und sprach sich selbst Mut zu. Du schaffst das, du kannst das!! Sie hatte die Öl-Lampe mitgebracht und beleuchtete damit seinen Körper. Nur fadenscheinig konnte sie die Stellen ausmachen, die Verletzungen aufzeigten. Es war nun keine Zeit für falsche Scham. Lolita riss sein Hemd entzwei und legte damit bereits die erste schlimmere Wunde frei. Sie riss es ihm vom Leib, ohne jegliche Skrupel. Das Reißen von Stoff schnitt kurz die Nacht und der Wind blies einmal stärker um ihre Ohren. Zum Glück hatte es aufgehört zu regnen. Sie säuberte erst einmal oberflächlich seine Wunden mit klarem Wasser. Bevor sie mit dem Hochprozentigen an die Sache ging. Er zuckte nicht einmal… Aber seine stockende Atmung zeigte wenigstens, dass er am Leben war. Sie hätte sofort beim kleinsten Anzeichen, dass nicht atmete, durchgedreht, ganz sicher. Aber so blieb sie noch relativ ruhig und ging ernst an die Sache ran. Wahrscheinlich dachte man gerade über sie, sie sei herzlos. So ernst und auf ihre Sache fixiert, wie sie seine Wunden behandelte. „Du bist ein riesengroßer Vollidiot!“ Diesen Ausruf konnte sie sich nicht verkneifen, das war das Mindeste. „Das ist nur passiert, weil du deinen Dickschädel durchsetzen musst! Und meinst, alleine bist du am besten dran!“ Sie war wütend, aber nur weil sie so besorgt um ihn war. Er wusste wahrscheinlich nicht einmal was sein Tod bei ihr anrichten würde. Sie wollte nicht daran denken. Er war nicht tot. Er war am Leben… Noch… Lolita wollte den Teufel nicht an die Wand malen, aber es sah mehr als übel um ihn aus… Aber sie verzog nicht die Miene und machte ihre Arbeit so gut, wie sie es gelernt hatte. Eigentlich hatte er nicht einmal verdient, dass sie ihm Laudanum gab. Aber sie verabreichte ihm die passende Dosis, um ihn die Nacht über schlafen zu lassen. So spürte er hoffentlich nichts, oder wenigstens nicht so viel und sein Körper konnte ein wenig ruhen. Er brauchte alle Kraft, die ihm zur Verfügung stand, sonst würde er die Nacht niemals überstehen. Sie dankte ihre Großmutter, die ihnen ein Geheimrezept der Indianer da gelassen hatte. Der Ureinwohner Kaliforniens. Ohne diese wäre er bestimmt gestorben. Aber ihre Großmutter hatte schon das schlimmste Kriegsverletzten vor dem sicheren Tode bewahrt. Die ganze Nacht verbrachten beide an seiner Seite. Das schlimmste war wohl die Schussverletzung. Ehe sie die Versorgung abgeschlossen hatte, stellte sie keine Fragen, doch danach… „Wie ist es eigentlich dazu gekommen? Er war doch sonst immer viel zu flink, als dass eine Kugel ihn mehr als gestreift hätte?“ Sie saß neben Diego und hielt seine Hand in ihrer. Sie streichelte sanft darüber und die Wut schien wie verflogen. Jetzt wollte sie nur noch, dass er die Nacht überlebte, dann standen seine Chancen ziemlich gut. Sie hatte noch nie in ihrem Leben eine Kugel aus dem Fleisch eines Menschen entfernt. Doch irgendwann war immer das erste Mal. „Nachdem er mit diesem Monster gekämpft hat, kam die Armee. Der Sturz vom Dach ist schuld daran gewesen. Er ist nicht wieder aufgestanden, da habe ich ihn mit Viento einfach hinter uns hergezogen. Und diese feigen Hunde haben dann…“ Bernardo brach die Stimme und holte tief Luft. Auch er bewies, dass er keine Heulsuse war, obwohl ihm sehr wohl zum Heulen zumute wäre. „…haben sie geschossen… Mehrmals… Ich würde es als unglücklichen Treffer bezeichnen…“ „Diese feigen Schweine! Wahrscheinlich war dieser Gabriel wieder bei ihnen… Er war ihm doch von Anfang an ein Dorn im Auge… Weil ich…“ Lolita verstummte und blickte an sich hinab. Ich bin schuld daran. Ich habe seinen Hass auf Zorro ja schließlich sogar noch geschürt… Wie schrecklich… Er hat es auch meinetwegen auf ihn abgesehen… „Er gab den Feuerbefehl…“ Lolitas Gesicht huschte zur Seite zu Bernardo. Obwohl es sie nicht schocken durfte, war sie erzürnt. Am liebsten wollte sie… Ja sie wollte… Gabriel die gleiche Behandlung zukommen lassen. Ihn erschießen… „Dieser…“ Sie sah besorgt zu Diego hinab. „Nur was machen wir, wenn die Armee wieder kommt? Sie dürfen ihn auf keinen Fall finden… Wir können ihn erst einmal aber auch nicht bewegen. Er muss so bleiben… bis er sich erholt hat und bei Bewusstsein ist.“ Die Besorgnis wälzte sie fast nieder. Er wäre ihnen jetzt schutzlos ausgeliefert. „Lass uns einfach hoffen, dass ihnen dieser Kerl wichtiger als Zorro ist… Sie haben ja auch auf ihn geschossen und obwohl er verletzt war, von ihm abgelassen. Die haben nur Angst, dass alles rauskommt. Zorro ist denen gerade ziemlich egal.“ Es war ein Glück, sie durften sich darüber nicht beschweren. „Du solltest schlafen, Bernardo. Ich pass solange auf ihn auf…“ „Glaubst du im Ernst, dass ich auch nur ein Auge zubekomme? Nein, geteiltes Leid ist halbes Leid.“ In dieser unglückseligen Nacht kam es nicht nur einmal vor, dass die Arme wie der Teufel an ihnen vorbei ritt und ihnen die Angst in sämtliche Glieder fahren ließ. Sie suchten noch immer nach dem Spion. Aber sie suchten zum Glück nicht den Wald ab bis zum Morgengrauen. Aber eine ruhige Nacht war es nicht. Für keinen von ihnen. Und sie machten kein Auge zu, wie Bernardo gesagt hatte. Sie hielten den Verletzten im Auge. Mitten in der Nacht bekam er dann auch noch Fieber und sie mussten sich um dieses kümmern. Er machte ihnen ziemlich viele Sorgen. So verging die unruhige Nacht, bis zu den Zeitpunkt, indem ihr tapferer Held entschloss endlich die Augen zu öffnen… „Oh, er kommt zu sich…“ Diego glaubte es wahrscheinlich selbst nicht, aber er hatte wie durch einen Schleier Bernardos Stimme gehört, doch sehen konnte er ihn nicht gleich. Alles war verschwommen und trübe. „Ich hoffe, dass es ihm bald besser geht. Ich habe ihn nach einem Rezept, das ich von meiner Großmutter habe behandelt. Ich glaube er wird wieder gesund.“ Sein Kopf hob sich minimal, zu mehr war er gerade nicht im Stande. Er wandte sich etwas mit dem Kopf zur Seite und erfasste das engelsgleiche Gesicht, was ihn so sanft anlächelte. „Lolita…“ Er konnte sein Glück und sein Unglück zur gleichen Zeit nicht fassen. Nur zu deutlich spürte er, dass er die Maske nicht trug. Ein Blick abwärts seines Körpers verriet ihm, dass er ärztlich versorgt worden war. Aber er fühlte sich schwach. Zu schwach für eine Auseinandersetzung. „Du bist hier…“ Seine Stimme war genauso schwach, wie der Rest seines Körpers. Diese unendliche Schwere, die ihn gänzlich einhüllte. Sie nickte nur ganz zaghaft und sein Blick huschte hinüber zu Bernardo. Diego wusste einfach, dass es keine Ausflüchte mehr gab und er nicht mehr leugnen konnte. So ignorierte er für den nächsten Moment den tiefen Wunsch, sie um Verzeihung zu beten. „Konnte der Bursche fliehen…?“ fragte er stattdessen. Stets nur um seine Mission bemüht. Dazu verdammt, seine Gefühle hinten anzustellen. Auch dieses Mal dachte er an nichts anderes… „Die Soldaten haben noch bis zum Morgengrauen nach ihm gesucht… Er war wie vom Erdboden verschluckt…“ Diego nickte. Sein Blick erfasste erneut Lolita und seine Augen sahen sie mit diesem traurigen Schimmer an. Er wusste um seine Lage. Sein Blick bat sie bereits um Verzeihung. Es tat ihm wirklich Leid, obwohl er sich nie gewünscht hatte, dass sie es erfuhr. Er hatte sich ganz andere Dinge gewünscht. „Kannst du mir mein Geheimnis verzeihen?“ Die Frage kam todunglücklich über seine Lippen. Es gab nichts, was er mehr fürchtete, als dass sie ihm nicht verzeihen würde… So eine dumme Frage. Dafür möchte ich dich schlagen, mein Lieber… Lolita konnte nicht fassen, dass er so etwas wirklich fragte. Sie war eine Begnadete Schwindlerin und Schauspielerin. Schon als Kinder hatten sie ihre Eltern immer hinters Licht geführt. Diego glaubte eigentlich, dass sie nun überglücklich sein müsste. Er war ihr Held, den Mann, von dem sie immer geträumt hatte… Da war er natürlich mehr als nur überrascht und geschockt, als sie davon sprach, sich die Sache noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Da ging er schon fast drauf und sie wollte ihn noch weiter bestrafen. Aber eigentlich konnte er es ihr nicht verübeln, dass sie jetzt wütend auf ihn war. „Ich dachte immer, dass wir drei so was wie Freunde wären…“ Es machte ihn ungeheuer traurig, dass sie nicht die Notwendigkeit seiner Lüge sah. Dass sie nun sogar an ihrer Freundschaft zweifelte. Die Last der Trauer machte es schwer und die wog stärker als die Schmerzen kurz unterhalb der Brust, oder die in seinem Rücken. Und er fühlte sich nicht einmal danach, in Tränen auszubrechen. Aber es tat weh und das sagte sein Gesicht auch. „Das sind wir auch…“, antwortete er nur ganz schwach. Er konnte nicht verbergen, dass ihre Worte ihn traurig gemacht hatten. Doch nach ihren Worten, sah sie ihn butterweich an, sie konnte ihm beim besten Willen nicht böse sein. Du bist einfach ein unvergleichbarer Holzkopf… „Ach, sehr nett war es nicht, du hättest mir ruhig vertrauen können…“ Als wenn er das nicht wüsste. Darum ging es ihm ja auch gar nicht. Alles hätte so nett sein können. Wäre er nicht so schwer verletzt, wäre sie ihm wahrscheinlich um den Hals gefallen. Lolita versteht es immer noch nicht… Wahrscheinlich wird sie meinen Beweggrund auch nie gutheißen. Und sie wird ihre Meinung auch nie ändern. Sie ist ein solcher Sturkopf… Aber diesen Sturkopf, den liebe ich so sehr… Er hatte sie darum gebeten, es zu vergessen. Hatte sie darum gebeten, weiterhin so zu tun, als sei er der feige Diego. Weil es einfach zu gefährlich war, wenn sie ihre Gefühle nun so offen auslebte, wie sie es sich wahrscheinlich wünschte. Aber sie endeten nur damit, dass sie ihre Dominanz mal wieder unter Beweis stellte und ihm ihre Hilfe förmlich auf zwängte… Aber am Ende war er doch ganz froh darum, dass sie ihm in den Fall geholfen hatte. Es war ja doch ganz nett gewesen. Aber er hatte nicht vor, dies zu wiederholen… Diese Nacht würde ihnen ewig im Gedächtnis bleiben. Und auch danach wagte keiner von beiden auch nur zu hoffen, dass irgendetwas zwischen ihnen passierte. Obwohl sich mit einem Schlag alles verändert hatte, so versuchten sie sich nichts anmerken zu lassen. Übrig blieben nichts als unzählige Gedanken, die sie nicht wagten, einander mitzuteilen. Ein kurzer zärtlicher Moment, der schneller vorbeigegangen war, als die eigentliche Nacht. So vieles hatte er nicht mitbekommen. Auch jetzt denke ich noch daran. Nun, da das Abenteuer der Vergangenheit angehört. Natürlich hat sich der Kerl aus dem Staub gemacht und uns mit leeren Händen stehen lassen. Aber ich schwöre, ich werde den Kampf nicht aufgeben… Aber seine Gedanken gehörten nicht alleine Raymond und seinem Gefährten Gabriel, die eine wahre Gefahr darstellten. Es würde eine harte Zeit auf sie zukommen, das sei gewiss. Zwar hatte Lolita ihm das Leben gerettet. Aber das hatte nichts zu heißen. Verletzt war er noch immer und das würde er wohl auch eine Weile sein. Es blieb nur zu hoffen, dass nun vorerst Ruhe einkehrte, ansonsten war er dazu gezwungen einzugreifen… Hosted by Animexx e.V. 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