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I would control the moon for you!

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Meine erste BangDae Fanfiktion.
Dies soll ein größeres Projekt werden - und versuche wöchentlich, wenn nicht sogar mehr, neue Kapitel zu veröffentlichen.
Hoffe der erste Vorgeschmack macht auch Lust auf mehr.
Ganz viel Spaß ~ Jazz. Komplett anzeigen

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"Even if the sun falls and it gets dark, keep running - Scream it"

“Wenn du auch nur noch ein einziges Mal schnarchst, reiße ich dich in Stücke”, jammerte Youngjae so laut, dass Daehyun mit einem kleinen Zucken aus seinem nicht wirklich tiefen Schlaf erwachte. Er hatte wie immer nichts davon mitbekommen, irgendwelche verdächtigen Geräusche gemacht zu haben.

Nicht das Youngjae, sein Zimmergenosse, sich nicht immer wieder die Mühe machen würde, ihn daran zu erinnern. Ihn deswegen beinah jedes Mal im Schlaf zu ersticken. Daehyun musste wirklich mit der Angst ins Bett gehen, kaum war er eingeschlafen, ein Kissen auf seinem Gesicht zu spüren.

Youngjae ging sich etwas zu dramatisch durch die kurzen, roten Haare und setzte sich vorsichtig in seinem Bett auf. Schaltete sogar das Licht an, obwohl es laut Daehyuns digitalen Wecker, der neben ihm auf dem kleinen Nachtisch stand, erst 6 Uhr morgens war.

“Leg dich wieder schlafen, Yjae…”, war er nun an der Reihe zu jammern, wie ein kleiner Junge der nicht in die Schule wollte. Doch sein Gegenüber schien sich das nicht einmal eine Sekunde lang durch den Kopf gehen zu lassen. Demonstrativ stand er auf, streckte seine Glieder unter einem kleinen Grummeln und zog mit einer schnellen Bewegung die Rollläden, des einzigen Fensters nach oben.

Für Daehs müde Augen eine reine Folter.

“Jetzt bin ich wach und wenn ich wach bin, hast du eben Pech gehabt”. Ein kleines sadistisches Lächeln wanderte über seine Lippen und brachte einer seiner spitzen Reißzähne zum Vorschein.

Richtig. Reißzähne. Einleitung. Daehyun sollte damit anfangen zu erklären, was mit seiner Welt nicht stimmte.

Oh und nehmt es ihm nicht übel, doch dieser dumme Vampir-Vergleich wie er im Buche stand und in Filmen gezeigt wurde, ging ihm fürchterlich auf die Nerven. Wie viele Bücher und Filme hatte es schließlich schon über Vampire und Vampir-Schulen gegeben? Zu viele, für seinen Geschmack.

Er hatte sich sogar einmal selbst dabei erwischt, Eines zu lesen. Leider hatte auch Youngjae es in seinem kleinen, weißen Nachttisch gefunden und ihn wochenlang damit aufgezogen. Obwohl Youngjae ihn mit beinah allem aufzog. Er könnte seine Zahnbürste auf dem Waschbecken liegen lassen und er würde einen Grund finden, ihn für so eine stupide Sache zu schikanieren.

“Der Unterricht fängt so oder so in einer Stunde an, also schwing dich aus dem Bett”, holte Yjae ihn wieder aus seinen Gedanken, durch die er schon beinah wieder in einen unruhigen Schlaf gefallen und wahrscheinlich wieder wie ein Ochse geschnarscht hätte (Wenn er Youngjaes Beschreibung Glauben schenken konnte).

Doch auch jetzt grunzte er undefiniert auf, als er versuchte seine müden Augen wieder zu öffnen und seinen Körper in eine aufrechte Position zu hieven.

Es war also wahr, er befand sich genau in diesem Moment und auch in jedem anderen Moment in einem Internat für Vampire.

Vampire die nicht wie in den Büchern Blut tranken und Menschen fressen (Okay, vielleicht etwas übertrieben). Vampire mit Reißzähnen und… sowas wie Magie. Vielleicht war das noch schwerer zu erklären wie das Trinken von Blut, doch es war weniger grausam.

Stellt euch also einen Haufen Vampire und ihre unterschiedlichen Magie-Kunststücke vor, die an einem Tisch sitzen und wie jeder andere, ganz normales Essen essen.

Und jetzt stellt euch zwischen all diesen coolen Leuten, mit ihren coolen Kräften, Daehyun vor. Dessen Kraft darin bestand… zu singen.

Richtig, singen. Einfaches, unnützes singen. Ohne große Wirkung. Das Einzige das er einmal (nach wochenlangem Training, wohlgemerkt) erreicht hatte war, den kleinen Kaktus auf seiner Fensterbank wachsen zu lassen. Er hatte also eine Stunde lang seinen grünen Kaktus angesungen und hatte zugesehen wie er gewachsen war.

Ja, so talentiert war er. Und bescheuert sah es auch aus.

“Hey! Du hast schon wieder deine Zahnbürste auf dem Waschbecken liegen gelassen!”. Es kam ein entsetztes Schnauben aus dem Bad und sofort ließ sich Daehyun mit einem tiefen Seufzen wieder auf sein Bett fallen. Er antwortete schon gar nicht mehr darauf, viel zu deprimiert war er von seinen Gedanken an den bescheuerten Kaktus. Der ihn auch jetzt spöttisch von der Fensterbank aus anlachte.

Youngjae war, auch wenn Daehyun es so gut wie nie zugab, so viel talentierter als er. Seine Magie und seine Aura hatte etwas warmes, fast wie Feuer oder das Gefühl der heißen Sonne im Sommer. Ein helles gelb und Feuer war genau das, was seine Magie ausmachte. Daehyun hatte ihn Feuerschlangen um seinen Körper balancieren, kleine Flammen-Männchen in seiner Handfläche sitzen sehen und er hatte einmal seine Hand für eine viertel Stunde in die Flamme einer Kerze gehalten, ohne sich dabei auch nur im geringsten zu verbrennen. Youngjae kontrollierte das Feuer, als hätte er nie etwas Anderes gemacht - für ihn war das Training reine Zeitverschwendung.

Naja, zumindest aus Daehyuns Blickwinkel betrachtet, sah es bei Yjae so viel einfacher aus.

Aber er musste auch keine Kakten ansingen.

“Bist du bald fertig da drin?”, er klopfte noch immer deprimiert und jetzt mehr als hungrig gegen die Badezimmertür, doch im selben Moment konnte er das Geräusch des Wassers hören, wie es laut und provozierend auf den Boden prasselte. Wieder seufzte er, lauter als gemusst, doch er wollte das Youngjae ihn hörte.

Der sich nicht wirklich aus der Ruhe bringen ließ - wie immer.

“Ich geh frühstücken, beeil dich”. Wieder keine Antwort, doch Daehyun gab sich unwillkürlich damit zufrieden. Er verließ das - viel zu kleine, unaufgeräumte - Zimmer und trat auf den schmalen Korridor hinaus. Er musste nicht wirklich erklären, wie es hier aussah. Eben ein stinknormales Internat, Tür an Tür, Nummer an Nummer und das Geräusch der überfüllten Gemeinschaftsbäder am Ende des Ganges. Er hatte sich immer gefragt, wer freiwillig auf sein eigenes Badezimmer verzichtete und dieses benutze. Da drinne roch es immer nach Clor und eine komische Mischung aus (nicht wirklich gut riechender) Seife und Klo-Reiniger.

Doch es wurde selbst unter den Jungs geschnattert ohne Ende, was wahrscheinlich der einzige Grund dafür war, warum sich darin Menschen (oder strenggenommen Vampire) aufhielten.

“Belegt Youngjae wieder das Badezimmer?” Daehyun kam bereits ein bekanntes Gesicht auf der Treppe entgegen, sachte zuckte er zusammen, da sein Blick konzentriert unter ihm auf den Stufen gelegen hatte. Doch er konnte im nächsten Moment nicht anders, als mit einem Augenverdrehen einzustimmen.

Zelo stand eine Stufe unter ihm, blinzelte mit dunkel-grauen Augen zu ihm herauf und schüttelte dann nur leise lachend den Kopf. Soweit Daehyun sich erinnern konnte, war er zwei Klassen unter ihm, er wusste es nicht ganz genau, da sie meistens nur zwischen Tür und Angel miteinander redeten. Und dann ging es meistens um Dinge, die mal wieder nicht liefen wie sie wollten, oder den Unterricht, der wie immer langweilig und Nervenaufreibend war.

Zelo hatte schwarzes Haar, aus irgendeinem Grund ließ er es hinten im Nacken immer ein Stück länger wachsen, als vorne. Er hatte sogar mal eine Phase gehabt, in der ihn drei goldene Zähne gemückt hatten (Daehyun musste zugeben, irgendwie war es cool gewesen). Doch nach ein paar Wochen hatte er sich wieder von ihnen getrennt.

Seine Aura war ein sanftes blau, beinah Baby blau, wenn Daehyun es genau beschreiben müsste. Es tänzelte verspielt um ihn herum, schmiegte sich an ihn wie ein liebevoller Freund. Und seine Magie war etwas, worauf wahrscheinlich viele mehr als neidisch waren (alleine auf den Grund dass er die Erlaubnis hatte, einen Hund namens “Mochi” halten zu dürfen, weil seine Magie ihm erlaubte, mit Tieren zu reden).

Es wunderte Daeh dass er ihn jetzt nicht bei sich hatte, normalerweise folgte ihm der Hund auf Schritt und Tritt und Zelo flüsterte ab und zu etwas in seine Richtung, als wäre es ihm peinlich wenn es jemand mitbekam.

“Naja, Mochi wartet im Zimmer auf mich”, meinte Zelo jetzt, fast als hätte er die aufkommende Verwunderung über seinen Hund in Daehs Augen gelesen. Mit einem kleinen Grinsen legte er eine Hand auf seine Schulter und zwinkerte ihm aufmunternd zu. Daehyun nickte lediglich sachte und stolperte im nächsten Moment die weiteren Treppenstufen nach unten, um mit auffälliger Erleichterung den Speisesaal zu betreten.

Er war viel zu riesig, ähnelte mit den hohen goldenen Kronleuchtern an der Decke eher weniger einer normalen Schulkantine.

Naja, was war auch schon normal. Es hätte niemanden gewundert, wenn Fackeln an den Wänden gehangen und komisch riechende Butler durch die Gegend geschlurft wären, die immerzu unverständliche Dinge vor sich hin nuscheln. Wenn Daehyun es sich recht überlegte, war er durchaus froh darum, dass das nicht der Fall war.

Er stolperte etwas zu glücklich zur Küchenfrau herüber, die hinter dem glänzenden Glas der Theke stand und ihn mit müden Gesicht musterte. Daehyun nahm sich lediglich eines der Schüsseln mit Müsli und lächelte etwas nervös, als ihr Blick ihm folgte. Sie sagte nichts, wirkte nur wie eine Hexe aus den Kinderbüchern - die er damals immer vorgelesen bekommen hatte - mit den grauseligen schwarzen Haaren (die unter einem gelblichen Haarnetz hervorlunsten) und ihrem faltigen, alten Gesicht. Die dünnen Lippen hatte sie sich mit rotem Lippenstift verziert.

Machte die Sache nicht wirklich besser.

Er füllte seine Schüssel mit Milch, die ganz am Ende der Theke gestanden hatte und seine Augen musterten aufgeregt den Raum, suchten nach Jemanden, den er kannte.

Doch es waren gerade mal ein Haufen von Leuten hier und allesamt waren so konzentriert auf ihr Essen, das wahrscheinlich nichts sie aus der Ruhe gebracht hätte. Somit setzte sich Daehyun an einer der freien Tische, allein und löffelte aufgeregt sein Müsli, als wäre er am verhungern gewesen.

Eines musste man diesem Internat lassen, so etwas wie eingeschriebene Tischgruppen wie die “Coolen” und die “Loser” gab es so gut wie gar nicht. Generell lief alles jeden Tag auf eine komisch friedliche Weise ab. Beinah etwas zu friedlich, wenn man bedachte, dass diese Schule aus Vampir-Magiern bestand die sich allesamt bekriegen oder die Welt zerstören könnten. Vielleicht war aber auch genau das der Grund.

So cool und aufregend sich das Ganze auch anhören mag, es war eine Verantwortung, die getragen werden musste. Und diese Verantwortung war nicht gerade klein.

Daehyun konnte sich noch genau an die ersten Anzeichen erinnern, die dafür gesorgt hatten, dass seine Eltern völlig aus Angst erstarrt waren. Nicht das seine Magie auf eine komische Weise sichtbar geworden wäre, wie bei Youngjae, der Flammen berühren konnte, ohne sich zu verbrennen. Doch wenn deinem Kind Reißzähne wachsen, war es ziemlich klar, um was es sich handelte. Damals hatte er keine Ahnung gehabt, was los war, er war vielleicht 5 oder 6 gewesen. Seine Mutter wollte ihn wie jeden Morgen in den Kindergarten bringen, doch Daehyun konnte sich noch an den Schmerz erinnern, den ihn die Nacht davor wach gehalten hatte. Er hatte geweint und getobt und seine Mutter hatte noch gedacht, er hatte sich beim Spielen weh getan oder ihm würde ein wackeliger Zahn heraus fallen. Eben Dinge, die für einen kleinen Jungen normal waren.

Reißzähne gehören irgendwie nicht dazu.

Seit diesem Tag, war er von Einrichtung zu Einrichtung gereicht worden. Versteht ihn nicht falsch, es gab sogar Kindergärten für Vampire wie ihn. Nur das die ganz anders waren, als das was er davor gekannt hatte.

Und da seine Magie so gut wie gar nicht vorhanden gewesen war, hatte er auch keinen Spaß daran gefunden, sich im Sommer mit herbeigezauberten Schneebällen zu bewerfen oder sich beim Verstecken unfairer Weise unsichtbar zu machen.

“Wovon träumst du wieder?”, Daehyun konnte schon sagen das es Youngjae war, ohne auch nur zu gucken. Der unterschwellige Spott, sprach Bände. Er drehte sich nicht um, konnte sehen das Yjae sich mit nassen, frisch gewachsenen Haaren und einem weißen Handtuch um die Schultern vor ihn setzte. Er stellte ebenfalls eine Schüssel Müsli auf den Tisch und musterte ihn mit neugieriger Miene. Daehyun war froh das er nicht wie vorhin, vor Schreck zusammengezuckt war. Auch wenn sein Herz trotzdem aufgeregt gegen seine Brust hämmerte.

“Ich träume nicht, ich esse”, meinte er nur abwesend, auf eine komische Weise fühlte er sich ertappt.

“Und schön das ich mal wieder nicht zum duschen komme”, fügte er grimmig hinzu, nur um gleich demonstrativ einen viel zu großen Löffeln von seinem Müsli zu nehmen. An dem er sich am Ende auch noch fast verschluckte.

“Wenn ich dich nicht geweckt hätte, hättest du so oder so verschlafen”. Er zuckte die Schultern, ließ sich von Daehyuns tausendster Ansprache nicht begeistern zu lassen. Er stocherte einen Moment in seinem Müsli herum, wartete bis die Haferflocken weich und breiig geworden waren.

Wenn Yjae Müsli aß, sah es immer eher aus wie Brei. Haferbrei. Obst-Haferbrei.

“Ich sage dir, wegen sowas hast du keine Freundin, Yjae”, meinte Daeh nur leise und musterte mit Ekel den Inhalt seiner dunkelblauen Schüssel.

“Wollen wir wirklich über Beziehungen reden?”, meinte Youngjae mit einem kleinen Lächeln, der Sarkasmus sprang ihm wie gewohnt mit aller Leichtigkeit von der Zunge. Daeh wusste somit sofort worauf dieser kleine Wicht anspielte und verdrehte schon im Voraus, zur Sicherheit die Augen.

“Keine Sorge Daeh, jeder landet irgendwann einmal bei Jemanden. Mach dir keinen Stress, irgendwann klappt es”, Wieder ein Schulterzucken, doch diesmal konnte Daehyun nicht anders, als ungläubig in sich hinein zu lachen. Fast als wüsste er nicht, wie er sonst reagieren sollte. In aller Öffentlichkeit, beim Frühstück über seine Jungfräulichkeit zu reden war nicht wirklich der richtige Zeitpunkt. Es war nie der richtige Zeitpunkt mit Youngjae über seine Jungfräulichkeit zu reden. Was soll auch schon schlimm daran sein? Er hatte eben noch nie jemand getroffen, mit dem er zusammen gekommen war.

“Spar es dir Yjae”, meinte er gespielt viel erschöpfter, als er eigentlich war, hatte nicht bemerkt wie er trotzig die Arme vor der Brust verschränkt hatte und sich viel kleiner machte, als er war.

Doch Youngjae schien überraschenderweise selbst das Thema fallen zu lassen, ohne noch einen weiteren sticheligen Kommentar darüber zu verlieren. Und das obwohl Daehyun ihm eine nur zu gute Vorlage gegeben hatte.

“Hast du den Aufsatz für EG geschrieben?”, wollte er wissen und unter einem erschrockenen Seufzen ließ Daehyun sofort wieder die Arme sinken. Dabei traf er aus versehen seinen Löffel, der aufgeregt klirrend nach oben und wieder nach unten sprang und ihm einen kleinen Milchfleck auf sein schwarzes T-Shirt spritze.

“Warum sagst du mir das erst jetzt? Himchan wird mich töten”, jammerte er, legte das Gesicht in die Hände, als könnte er sich somit vor der Verantwortung retten, das er es mal wieder vermasselt hatte. Doch leider hatte er nun mal nicht die magische Kraft sich unsichtbar zu machen.

Im nächsten Moment stand er mit seiner noch halb vollen Schüssel Müsli auf - voller Tatendrang, bis er mit einem Blick auf die Uhr bemerkte, das er keine Chance hatte, ihn jetzt noch zu schreiben. Himchan, ihr EG-Lehrer (Bedeutet soviel wie Entstehungsgeschichte, öde wie sonst was) hatte ihm schon beim Letzten Mal eine Abreibung verpasst. Doch das war die Woche gewesen in der er wie besessen seinen Kaktus angesungen und sich von Youngjae dafür verspotten gelassen hatte.

Dieses mal… hatte er es schlicht und einfach vergessen.

“Wie überlebst du in dieser Schule?”, lachte Yjae, der das Ganze etwas zu witzig zu finden schien. Doch auch wenn Daehyun wusste, dass er keine Chance hatte, sich aus dieser Situation zu retten, stolperte er zur Geschirrrückgabe, kaute sich nervös auf der Lippe herum und dachte dabei an die vielen verschiedenen Bestrafungen die ihn erwarten könnten.

Er feuerte seine Schüssel in den kleinen, schwarzen Wagen auf eines der Tablets - nur um sofort einen gruseligen Blick der Küchenfrau zu kassieren.

“Ich sage einfach, dass es deine Schuld ist. Ich meine wegen dir kann ich morgens nicht ins Bad, weshalb ich schon morgens mit Stress aufwache. Somit bin ich den ganzen Tag unausgeglichen und unkonzentriert. Also ist das alles eigentlich nur deine-”, Daeh wollte seine kleine empörte und vollkommen erfundene Ansprache zu Ende bringen, Youngjae über irgendwas nicht existierendes Vorwürfe machen. Doch fast war es bei seinem Rückwärts-Sprint in Richtung Jungen-Trakt vorhersehbar gewesen, dass er mit voller Wucht gegen etwas rannte.

Nur das dieses Etwas, Jemand war.

Daehyun drehte sich um, hatte schon verteidigend die Hände in die Luft gehoben, doch aus irgendeinem Grund wollte ihm die geplante Entschuldigung nicht über die Lippen kommen. Der Mann vor ihm, war komplett in schwarz gehüllt, musterte ihn mit starren genauso schwarzen Augen, als würde er direkt durch sie hindurch in seine nervöse Seele blicken. Schwarze Haare schmiegten sich um ein blassen, markantes Gesicht. Volle Lippen zusammengepresst zu einem dünnen Schlitz.

Daehyun fühlte sich kindisch, tollpatschig ihn anzustarren, als wäre er etwas das nicht von dieser Welt kam.

Doch noch nie zuvor hatte er eine so starke Aura gesehen. Tiefrot. Stechend beinah. Wie Peitschenhiebe zischten sie um ihn herum und verschmolzen mit der Luft. Erst dachte Daehyun an das rot einer Rose, doch aus irgendeinem Grund kam ihm im nächsten Atemzug der Gedanke an Blut. Blutrot.

“Pass auf”, murmelte der Fremde im tiefen Bass, so dunkel das Daehyun es beinah nicht verstanden hätte. Doch noch bevor er die eigentlich Entschuldigung über die Lippen zwingen konnte, war der Mann an ihm vorbei gelaufen. Schenkte ihm nicht einmal mehr einen Blick.

“Ich hab von dem Neuen gehört… doch das er so gruselig ist, hätte ich nicht gedacht”, flüsterte Youngjae plötzlich, als würde er sicher gehen wollen, dass er sie auf keinen Fall hörte. Daehyun erwischte sich noch immer, dieser tiefroten Aura zu folgen, sie in sich aufzunehmen, als wäre es etwas Kostbares. Doch wie Youngjae es gesagt hatte, war es auch auf eine komische Weise gruselig.

“Neuer?”, stammelte er endlich. Dabei ließ er sich viel zu sehr anmerken, dass ihm dieser Zusammenstoß aus dem Konzept gebracht hatte. Was ihn selbst wunderte, schließlich hatte er schon viele Auren gesehen und gespürt, er wusste nicht was diese anders machte. Er konnte Youngjaes spöttische Worte schon in seinen Ohren hören, machte sich schon innerlich darauf gefasst. Doch aus irgendeinem Grund schien Youngjae nicht einmal bemerkt zu haben, wie unsicher Daehyun geklungen hatte. Sein Blick folgte ebenfalls dem Fremden Mann, der sich stumm alleine an einer der Tische gesetzt hatte.

“Bang Yongguk heißt er glaub ich… naja, ich hab auch nur Geflüster gehört”, erneut ein Schulterzucken, Yjae schien ebenfalls zu versuchen, sich seine Nervosität nicht anmerken zu lassen. Also erging es nicht nur Daehyun so - irgendwas war anders als sonst.

“Genau dein Typ oder?”, kam es urplötzlich hinter einem Grinsen hervor und damit fing er sich den wohlverdienten Stoß gegen die Schulter ein, den ihn ein paar Schritte nach hinten stolpern ließ und er auf jede Fälle schon den ganzen Morgen verdient hatte.

Und somit riss Daeh auch endlich seinen Blick von der energiegeladenen Aura, die er auf eine komische Weise noch immer zu spüren schien, auch wenn Youngjae und er längst den Speisesaal verlassen hatten.

Wie ein Echo. Eines das ihn nicht mehr loslassen wollte.

"Remember the endless sweat and memories - Our one and only story"

Wie vorhergesehen, bekam Daehyun den grausamen Zorn des Himchans zu spüren.

Vor der gesamten Klasse.

In einer Lautstärke, dass selbst die Klassenzimmer neben ihnen es hören würden.

Dabei war es immer wieder so eine Ironie zu sehen, was für eine zierliche Gestalt Himchan eigentlich war. Naja, nicht zierlich wie Mädchen zierlich. Eben zierlich für einen Mann seiner Größe. Das stechende Erdbeerrot seiner Haare biss sich fürchterlich mit dem pink seiner Aura, die in diesem Moment wütend wabbelte, als würde sie sich vor Zorn krümmen (Daehyun nannte Youngjae und ihn immer die Erdbeer-Gang, einer der wenigen Dinge mit denen er ihn wirklich aufziehen konnte). Mal ehrlich, er konnte doch selbst sehen, dass diese zwei Farben so gar nicht zusammen passten. Neben den welligen, roten Haaren, war sein Gesicht spitz und markant. Schmale, flache Nase, doch runde (eigentlich) freundliche graue Augen. Die ihn gerade anstarrten, als würde sie ihn am liebsten in der Luft zerfetzen.

Einer der schlechten Eigenschaften von Himchan war, dass er sich eher wie ein beleidigter bester Freund verhielt, dem man ein Geheimnis nicht anvertraut hatte, als wie ihr Lehrer. Was daran liegen könnte, dass er vielleicht gerade mal in Daehyuns Alter war.

Doch man sollte ihn und seine Schweinchen-pinke Aura nicht unterschätzen. Schließlich bestand seine Magie darin, in die Vergangenheit, sowie Zukunft blicken zu können (Es gab sogar Gerüchte dass er in die Vergangenheit reisen konnte, doch nie konnte es jemand beweisen und Himchan streitete es bis heute ab).

Also war es leicht zu erklären, warum er schon in diesem Alter als Lehrer für Entstehungsgeschichte eingeschrieben war, wahrscheinlich wusste er mehr, als jeder andere Lehrer in diesem Schuppen.

Daehyun biss die Zähne zusammen, hielt für eine weitere gefühlte Ewigkeit Himchans abwärtigen Blick aus und wusste dabei, dass - wenn er nichts sagte - es schneller vorbei gehen würde. Auch wenn er ihm mit aller Liebe an den Kopf schmeißen wollte, dass es sich hier nur um dumme Hausaufgaben und nicht das Ende der Welt handelte.

Doch Himchan war neben seinem beängstigenden Wissen auch noch ein Kontrollfreak wie er im Buche stand. Perfektionist. Klugscheißer. Alles auf einmal. Er nahm seinen Job viel zu ernst.

Aber das auch noch dieser komische Neue, Bang Yongguk, nur drei Plätze weiter zu seiner Rechten saß und mit düsteren Blick das Szenario beobachtete, machte es nur noch unangenehmer.

Brachte Daehyun aber wenigstens dazu, wirklich den Mund zu halten.

“Du schreibst ihn bis übermorgen, du bist selbst Schuld, die vorherigen Wochen nicht genutzt zu haben”, meinte Himchan gerade, schon dabei sich wieder umzudrehen und mit langsamen, demonstrativen Schritten an seinen Pult zurück zu wandern. Okay, es war ein Haufen an Arbeit, alleine der Gedanke sich stundenlang an seinen Schreibtisch zu setzen und etwas auf Papier zu kritzeln, ermüdete ihn. Doch es war immer noch besser, ein Protokoll des gesamten Unterricht zu schreiben - so wie es letztes Mal als Bestrafung auferlegt bekommen hatte.

Himchan konnte Glück haben, das beinah alle Schüler einen heiden Respekt vor ihm hatten, sonst hätte Daehyun schon längst selbst gegen sein impulsives Selbst protestiert.

Aber so würde er wohl oder übel bis übermorgen einen Bericht über die große Göttin Evana schreiben.

Die Göttin der Liebe und des Wassers. Nicht mal halb so interssant, wie es sich anhörte (und dazu erinnerte Daehyun der Name Evana immer nur an Wall-E).

“Ich helfe dir nicht”, meinte Youngjae neben ihm nur, der sich die ganze Ansprache gerade mit übergroßer Freude angesehen hatte. Zurückgelehnt in seinem Stuhl und die Arme vor der Brust verschränkt.

Himchan war jetzt dabei irgendeine Seitenzahl an die Tafel zu schreiben, die - nachdem sie Daehyun aufgeschlagen hatte - mal wieder über die ersten Vampire und ihre Gesetze ging. Ja, es gab Gesetze für Vampire. Nichts anderes, als es bei Menschen auch war (und genauso langweilig).

Man sollte seine Magie nicht für böse Zwecke einsetzten, sie nur ihm gesichterten Rahmen benutzen und so weiter. Man sollte eben kein Arschloch sein, sondern sich richtig verhalten (Keine Ahnung warum sie über sowas ganze zwei Schulstunden verschwendeten).

“Wann hast du mir auch schon mal geholfen?”, wollte Daeh jetzt wissen und widmete dem Buch nur halbherzig seine Aufmerksamkeit. Dagegen wanderten seine Augen immer wieder zu seiner Rechten, erwischten sich dabei, den Neuen interessiert zu mustern. Der ziemlich unverdächtig auf seinem Stuhl saß, die Nase stumm in seinem Buch versunken und die schwarzen, leicht gewellten Haare fielen ihm ins Gesicht. Legten es in dunkle Schatten. Seine rote Aura schien weicher geworden zu sein, schlängelte jetzt eher um ihn herum, doch das tiefe rot faszinierte Daehyun auch beim zweiten Mal.

“Tu nicht so, ich hab dir öfter geholfen als jeder Andere”, Youngjae hob die Hand und zählte an seinen Fingern ab, “bei den Hausaufgaben, Putzen, das du hier nicht verloren gehst, Mädchen-”, er wollte weiter machen, doch Daehyun funkelte ihn von der Seite aus an.

“Ist doch so”, Youngjae zuckte die Schultern.

Die Schulstunde ging trotz der Ansprache die Daeh kassiert hatte, relativ angenehm und schnell vorüber. Himchan hatte nicht wie sonst noch weitere Kommentare gemacht, die ihn provozieren oder, wie er es immer nannte, “motivieren” sollten.

Doch auch im Thema Bang Yongguk hatte Daehyun nichts mehr Verdächtiges entdeckt - auch wenn er ihn wie ein kleiner Junge immer wieder beobachtet hatte.

Was hatte er auch erwartet? Dass er aufspringen und kryptische Worte schreien würde? Das Zimmer sich in dunklen Nebel hüllen würde und er sich als der Antichrist herausstellte? Daehyun wusste, dass es bescheuert gewesen war, doch seine Augen hatten wie von alleine gehandelt.

Doch nicht nur Daehs Blick hatte auf ihm gelegen, wenn er es genau beschreiben müsste, war es jeder Einzelne gewesen. Es war ein Wunder dass er die gesamte Stunde mit diesen neugierigen und teilweise abfälligen Blicken in seinem Nacken überstanden hatte. Doch dieser Yongguk schien nicht wie Jemand zu wirken, der sich etwas auf die Meinung anderen Leuten machte.

“Also, du kannst später in die Bibliothek gehen und dir die drei Bücher ausleihen”, meinte Youngjae gerade und schob ihm einen kleinen weißen Zettel über den Tisch (sie saßen wieder im Speisesaal, beide eine Portion komisch aussehender Nudeln vor sich), auf dem die Titel von alten Geschichtsbüchern standen. Daehyun wusste, was Yjae gerade noch im Unterricht gesagt hatte und konnte nicht anders als sachte zu lächeln. Ja, neben den ganzen Schikanen und dem Spott, war Yjae immer noch sein bester Freund. Und auch wenn er es selbst nicht zugeben konnte, er konnte nicht anders als ihm zu helfen.

Daeh stocherte währenddessen genervt in seinen Nudeln herum, doch er hatte zu viel Hunger um es vor Frust einfach stehen zu lassen. Langsam und unzufrieden mit der gesamten Situation schob er sich eine Gabel voll in den Mund.

“Du kannst ihn ja für mich schreiben, dann wäre er innerhalb einer Stunde fertig”, brabbelte er mit vollem Mund vor sich hin, dabei wusste er, dass das - auch wenn er es sich wünschte - auf keinen Fall passieren würde.

Youngjae zog ebenfalls nur skeptisch die Brauen in die Höhe, als würde er von Anfang an nicht glauben, dass er es Ernst gemeint hatte.

“Auch wenn ich das als Kompliment sehe - Nein. Hol dir einfach die Bücher und bring es hinter dich, Daeh”, meinte er streng, tippte demonstrativ und fast schon gereizt auf das weiße Papier, das immer noch vor seinem Teller auf dem Tisch lag und ihn böse anlächelte. Wie ein Versprechen das heute ein grässlicher Tag werden würde.

Und wie erwartet erfüllte sich dieses Versprechen schon in den nächsten Schulstunden, die sie damit verbringen mussten, zu trainieren.

Magie-Training (Zwingt Daehyun nicht, wieder mit der Kaktus Geschichte anzufangen). Wie vorhergesehen war ihre Lehrerin Fr. Lee schon mit einem sanften Lächeln zu ihm gekommen und hatte ihm aufbauend eine Hand auf die Schulter gelegt, als die anderen bereits damit beschäftigt waren sich auf den Trainingsmatten in den Schneidersitz zu setzen und die Augen zu schließen.

Daehyun bekam zwar viele Komplimente für seine Singstimme, selbst die Jungs in seiner Klasse schienen ihm gerne zuzuhören. Doch das war eben nicht wirklich das, was er erreichen wollte - er wollte mit seiner Magie etwas bezwecken und nicht nur mit dem Fakt leben dass er gut singen konnte (Vielleicht sollte er einfach einer Band beitreten und das Vampir und Magier Dasein an den Nagel hängen - vielleicht wäre das wirklich das Beste für ihn).

Doch auch wenn das Training wie immer verlaufen war, sie eine gefühlte Ewigkeit auf dem kalten Boden gegessen und Energie gebündelt hatten, jeder versuchte einen neuen Trick vorzuführen, als sich eigentlich auf das Wesentliche zu konzentrieren, Daehyun wie immer eher dafür da war, die Klasse ruhig zu halten und ihnen ein Ständchen zu singen, fiel ihm erst ganz am Ende der Stunde auf, das dieser komische Neue, garnicht da gewesen war.

Es fiel ihm auf, als der letzte in der Runde eine kleine Statue der Wassergöttin Evana (was ein Zufall, nicht wahr?) aus Eis vor sich auf den Boden zauberte und dafür auch noch ein riesiges Lob von Fr. Lee bekam. Doch in diesem Moment bemerkte Daehyun lediglich, das Yongguk nicht mit ihnen im Kreis saß und von Anfang an gefehlt hatte.

Beinah fuchste ihn dieser Gedanke mehr, als er erwartete hätte, kaum hatte er es sich vor Augen geführt. Er wollte wissen, was er mit dieser zischenden Aura anstellen konnte, ob er wirklich der Antichrist war oder doch nur heiße Luft um gar nichts. Irgendwie wollte er es wissen - irgendwie unbedingt.

“Ihr könnt aufstehen”, drang es in sein Bewusstsein, welches für wenige Sekunden ganz woanders gewesen war und vorsichtig erhob er seine steif gewordenen Glieder von dem kalten Boden. Doch er dachte sofort schon wieder daran was der Grund sein könnte dass dieser düstere Neue schon in der zweiten Schulstunde fehlte und sich scheinbar keiner deswegen zu wundern schien. Irgendwie kam Daehyun die ganze Sache plötzlich noch komischer vor, als davor schon.

“Denk dran Bibliothek”, meinte Youngjae hinter ihm, während Daehyun dabei war, seine Schulsachen neu in seiner Tasche zu ordnen, auch wenn er keinen Grund dafür hatte. Wahrscheinlich wollte er sich unterschwellig doch davor drücken, in die Bibliothek zu laufen und seiner Verpflichtung nachzugehen. Viel lieber würde er sich nach dem nervenaufreibenden Morgen wieder in sein Bett legen und den Rest des Tages damit verbringen extra laut zu schnarchen. Vielleicht davor auch noch eine ganze Stunde singend zu duschen.

“Jaja, ich bin ja schon auf dem Weg. Und renn mir nicht hinterher als wärst du meine Mutter”, meinte Daeh mit viel zu müder Miene, als das es echt sein könnte und drängelte sich extra nah an Yjae vorbei nach draußen, um ihm am Ende einen kleinen Stoß verpassen zu können. Er hörte ihn leise hinter sich lachen, doch er drehte sich nicht mehr zu ihm um. Viel zu sehr war er bereits dabei, seinem Schiksaal entgegen zu treten und sich mental auf die nächsten langweiligen Stunden an seinem Schreibtisch vorzubereiten. Doch zu aller Erst war er Youngjae dankbar, ihm den ersten Anstoß gegeben zu haben und er nicht noch die gesamte Sammlung an Büchern aus der Bibliothek durchsuchen musste. Das hörte sich zuallererst nach etwas Positivem an.

Doch nur so lange, als er die leere und fürchterlich gruselig stille Bibliothek betreten und durch die staubigen Regale geschaut hatte. Das erste Buch auf Youngjaes Liste wog mindestens eine Tonne, hatte einen komisch roten Umschlag mit goldener massiver Schrift darauf. Die anderen zwei Büchern waren nicht anders, viel zu dick und alt, wirkten eher wie ein uraltes Lexikon, als etwas das vielleicht am Ende interessant und lohnenswert zu lesen war. Tief seufzte er, was sich in dem stillen Raum viel lauter anhörte als gedacht - doch es war so oder so keiner hier, den er hätte stören können.

Er ging eine kleine Treppe herunter, in den untersten Stock. Während oben noch ein kleiner Empfang für das Ausleihen der Bücher gestanden hatte (an dem aus irgendeinem Grund nicht mal Jemand gesessen hatte) war der unterste Raum wirklich nur noch eine Ansammlung von Regalen und nach Staub riechenden Büchern. Er hatte das Glück sich mit Niemanden um den kleinen Tisch streiten zu müssen, der in der hintersten Ecke hinter weiteren Regalen stand und auf den Daehyun - diesmal extra laut - seine Bücher fallen ließ. Gefolgt von einem weiteren dramatischen Seufzen.

Er holte seinen zerfledderten Block heraus und einen der losen Stifte, die er morgens einfach in seine Tasche geworfen hatte und ging sich schon jetzt genervt über die gerunzelte Stirn. Er durchblätterte das erste Buch, das sich tatsächlich als ein Lexikon herausgestellt hatte und wurde auf Anhieb nicht wirklich fündig.

Er brauchte eine gefühlte Ewigkeit, bis endlich das Gesicht der Wassergöttin Evana auf einer der Seiten auftauchte und ihn sanft anlächelte. Es war ein Ölgemälde, welches sie mit einer blauen Meerjungfrauenfloße und einem Kelch in der Hand zeigten. Sie hatte langes goldenes Haar, schimmernde blaue Haut und ihr Kopf schmückte ein kleines Diadem. Wenn Daehyun ehrlich war, hatte er noch nie wirklich viel von ihr gehört. Ja, sie hatten im Unterricht bei Himchan schon einmal über sie geredet, doch scheinbar hatte Daehyun nicht wirklich zugehört, als er lesen konnte, für was sie alles stand. Neben dem Fakt dass alle Vampire mit Wasser oder Eis Magie sich mit ihr verbunden fühlten.

Womit die Frage, woher Vampir und ihre Magie eigentlich kamen, schon fast beantwortet war. Es gab tausende Götter, abertausende um ehrlich zu sein. Alle mit der Kraft, ihre Magie an jemand Würdigen weiterzugeben, der bestimmt war sein Erbe weiterzutragen. Keiner wusste wann genau es passierte, oft wurde man schon im Kindesalter geprägt (Wie schon erzählt, Daehyun wuchsen auch urplötzlich Reißzähne), es gab aber Fälle in denen auch Erwachsene oder sogar alte Menschen noch geprägt wurden.

Daehyun war schon immer eher abgeneigt gegen diesen Fakt. Er mochte die Vorstellung nicht, dass es Götter gab, die über seinen Kopf entschieden was mit ihm passierte und auch noch verlangten, dass er die Welt zu einem besseren Ort machte.

Was so oder so nicht passieren würde. Das war vielleicht damals der Fall gewesen, als noch Krieg und Hunger geherrscht hatten - doch sie lebten im 21. Jahrhundert. Heute geht es lediglich darum, wer das schönste Kunststück aufführen und die coolste Magie zu Tage brachte.

Doch auf der anderen Seite konnte er sich auch nicht dazu bringen, nicht an sie zu glauben. Er mochte sie nicht, aber er hatte zu viel gesehen und erlebt, als dass er nicht an etwas Höheres Machtvollen glauben konnte. Er und die Anderen waren der lebende Beweis dafür, dass diese Götter wohl gerne herum spielten.

Es gab sogar Gerüchte, dass Vampire bei ihrer Prägung mit ihrem Gott geredet hatten, er ihnen ein Art “Gute Reise” gewünscht hatte.

Wieder seufzte er leise, wollte gerade seinen Stift ansetzten, um etwas zu schreiben, als sich weiter in alten Erinnerungen zu verlieren. Doch er zuckte plötzlich zusammen, quietschte sogar leise, wie ein Meerschweinchen, als hinter ihm ein dumpfer Knall ertönte. Als er sich umdrehte konnte er ausmachen, woher der erschreckende Ton gekommen war. Es war eines der schweren Bücher gewesen, die auf den mit dunkelblauen Teppich belegten Boden gefallen war. Doch es war nicht das Buch, das plötzlich dafür sorgte, dass seine Handflächen feucht wurden und sein Herz noch immer gegen seine Brust hämmerte.

“Tut mir Leid…”, kam es aus Yongguks Mund, in dem selben dunklen Bass, wie zuvor. Er schien Daehyun nur einen kurzen Blick zu schenken, nüchtern, fast schon etwas eingerostet. Seine rote Aura wirkte auf eine komische Weise aufgekratzt, knisterte ungeduldig, wie Blitze oder wie das Zischen einer Schlange. Er hob das Buch wieder auf, stellte es in das Regal zurück und seine schlanken Finger wanderten über den dunklen Buchrücken, als wollte er sicherstellen dass es kein zweites Mal herunter fiel. Daehyun konnte unter dem langen schwarzen Pullover ein silbernes Armband hervorschauen sehen.

“Schon… okay”, brachte Daehyun es nach einer Ewigkeit über die Lippen, auch wenn dieser Yongguk schon wieder dabei war, durch die Regale zu blicken, auf der Suche nach dem, warum er scheinbar eigentlich hergekommen war. Daehyun konnte also nur noch umständlich einen Blick auf sein Gesicht erhaschen, durch die kleine Lücke zwischen den Büchern und dem Regal.

Er musste zugeben, in diesem leeren, stillen und so oder so schon suspekten Ort mit ihm alleine zu sein, jagte Daehyun einen eiskalten Schauer über den Rücken. Mit der blassen Haut und dieser roten Aura wirkte er eher wie ein Poltergeist. Doch jetzt wo er lediglich sein Gesicht zwischen dieser Lücke erkennen konnte, wirkten seine Augen auch auf seine eigene Art sanft, sie waren zwar ebenso dunkel, wie alles an ihm, doch sie waren nicht böse oder abweisend.

“Brauchst du Hilfe?”, wieder ein tiefes Brummen und erschrocken hatte Daehyun bemerkt, das er viel zu lange gedankenverloren in seine Richtung gestarrt hatte. Und scheinbar auch noch auf frischer Tat ertappt wurde.

Yongguk nickte in Richtung seines aufgeschlagenen Buches, das auf dem Tisch lag und kam ein paar vorsichtige Schritte auf ihn zu. Daehyun biss sich aufgrunddessen zu fest auf die Zunge, beinah musste er wegen des Schmerzes den er sich selbst zugefügt hatte, zusammenzucken.

“Naja, eigentlich sollte ich zurecht kommen… also ich meine ich kann lesen- also ich meine natürlich kann ich lesen. Nur das ich keine Lust habe alles zu lesen… Hausarbeiten sind nicht wirklich mein Ding. Aber du hast ja Himchan gesehen, er wird mich töten, wenn ich nicht mindestens 8 Seiten schreibe. Und ich will eigentlich nicht sterben - zumindest jetzt noch nicht”, Daehs Worte kamen so schnell aus seinem Mund geschossen, das er nicht einmal aufhalten konnte, sich zum größten Idioten der Geschichte zu machen. Er brabbelte es einfach vor sich hin, viel zu nervös als ihm eigentlich erlaubt war. Dabei bemerkte er im ersten Moment und nachdem er endlich die weiteren Worte aufhalten konnte, die ihm von der Zunge springen wollten, nicht einmal, das Yongguk ihn nicht wie geplant auslachen würde, sondern ihn mit dunklen Augen anschaute.

Einfach nur anschaute, er sagte kein einziges Wort. Als würde er warten, ob Daehyun sich noch etwas von der Seele sprechen wollte.

“Ja… ich sollte weiter machen”, sagte Daeh deswegen kleinlaut und beschämt, spürte wie der Schauer erneut über seinen gesamten Körper wanderte, als er Yongguks Blick viel zu lange auf sich spürte. Der sich auch jetzt wieder so anfühlte, als würde er mit dieser roten Aura in seine Seele blicken und jeden einzelnen Gedanken lesen, der vor seinem inneren Auge herum sprang. Nur wollte er seine komischen Gedanken manchmal selber nicht hören - geschweige denn wollte er das Yongguk wusste, was er dachte.

Er hatte eigentlich erwartet dass der sich zurück seinen Büchern widmen würde, den komischen Braunhaarigen, brabbelnden, viel zu nervösen Daehyun an seinem Tisch alleine sitzen ließ.

Doch er zog tatsächlich einen Stuhl heran, ließ sich darauf nieder und blickte in das aufgeschlagene Buch. Super, wahrscheinlich dachte er nach Daehs toller Ansprache, dass er nicht mal einen gescheiten Satz aufs Papier bringen könnte, zumindest nicht ohne Hilfe. Und da Youngjae nicht hier war, schien der Neue “Ich und meine tolle rote Aura” sich dafür verantwortlich zu fühlen.

Trotz das er das Buch auf dem Tisch nicht bewegt hatte, saß er verdächtig weit von Daeh weg, als wollte er ihm auf keinen Fall zu nah kommen. Kein Wunder, Daehyun war ein Freak (Nach heute, ganz offiziell).

Doch er wirkte auch nicht, als wolle er länger so sitzen bleiben, eigentlich wirkte er eher als würde ihn irgendwas in dieser Situation Überwindung kosten.

“Hast du Ahnung von der Wassergöttin?”, schaffte es Daeh dann endlich, diese komische Stille, in der Yongguk die Seite bis aufs Genaueste studiert hatte, zu brechen und ein weniger peinliches Gespräch zu beginnen.

Auch wenn Yongguk das gleich wieder zunichte machte, indem er die Schultern zuckte und nicht einmal eine Sekunde seinen Blick von dem bescheuerten Buch löste. Daehyun wollte seufzen, doch er konnte es sich verkneifen.

“Warum warst du heute nicht im Magie-Training?”, versuchte er es verzweifelt erneut und Yongguk schien tatsächlich das Lesen zu unterbrechen und ihm einen kurzen Blick zu schenken.

“Ich war hier”, brummte er trocken. Daehyun lachte nervös, als hätte er Angst ihn auf eine komische Weise verärgert zu haben. Weshalb ihm auch nur ein viel zu hohes “Cool” über die Lippen stolperte.

“Du solltest ein Anderes lesen”, sagte er dann.

“Hm?”

“Du solltest ein anderes Buch nehmen… das geht nur auf die Jahre nach Christus ein”, erklärte Yongguk, so vollkommen ernst, das Daehyun das Lächeln wieder herunter schluckte und lediglich nickte. Er erhob sich wieder, doch seine schlanken Finger gingen über das abgebildete Bild auf der rechten Seite, das Ölgemälde von Evana. Fast als wollte er seinen Respekt zeigen.

“Das Gemälde ist auch nach Christus gemalt worden… von einem Anonymen Künstler. Ich frage mich, warum sie es verwendet haben”, murmelte er leise vor sich hin, redete eher mit sich und dem Bild vor sich, als mit Daehyun.

“Interessierst du dich für Kunst?”, kam es Daeh etwas unpassend über die Lippen. Doch in seinen Augen konnte man sehen, dass er wusste, wovon er da redete. Er wirkte beinah wie Himchan, der ebenfalls immer zu schlaue Sachen vor sich hin sagte, als wäre es Nichts. Daeyhun stand nur immer daneben und hasste ihn dafür. Auch jetzt kam etwas wie Neid in seiner Brust auf, doch er wurde von allem anderen überschattet.

Yongguk nickte seine Frage lediglich ab.

“Nehm das Buch von “Rotus Talen”, da solltest du alles finden”, sagte er dann.

“Ist das nicht einer der ersten Vampire?”, wollte Daehyun wissen, doch Yongguk hatte ihm schon den Rücken zugedreht, war schon fast hinter den Regalen verschwunden, wie ein nie dagewesener Schatten und laut und langsam atmete Daehyun aus.

Dieser Aura für so lange, so nah zu sein, hatte ihn mehr ausgelaugt, als er gedacht hätte. Und mit einem dumpfen Ton ließ Daehyun die Stirn auf sein Buch fallen, dabei in dem Wissen, dass er sich jetzt wahrscheinlich noch weniger konzentrieren konnte.

"Just do as I wish!"

Kapitel 3
 

Es war seit dem komischen Gespräch zwischen Daehyun und Yongguk in der Bibliothek schon fast eine ganze Woche vergangen. Daeh hatte seinen bescheuerten Aufsatz tatsächlich fertig bekommen, doch auch nur da das Buch, welches Yongguk ihm vorgeschlagen hatte, eine reine Goldgrube gewesen war. Himchans Blick nach zu urteilen war er ebenfalls überrascht darüber gewesen, das Daeh ihm tatsächlich 8 volle Seiten am versprochenen Termin auf das Pult geknallt hatte (Was Daehyun irgendwie als Beleidigung aufgenommen hatte, schließlich war er nicht so dumm, wie ihn Himchan zu sehen schien).

Irgendwie hatte er bis heute das Gefühl, sich dafür bei Yongguk bedanken zu müssen. Doch es war nicht so einfach mit ihm zu sprechen, wenn er in den meisten Schulstunden zu fehlen schien und ansonsten, kaum war der Unterricht vorbei, wie vom Erdboden verschluckt zu sein.

Außerdem schien er noch immer mit Niemanden zu reden. Hatte die Nase vollkommen konzentriert in den Büchern stecken, kritzelte die ganze Stunde aufmerksam in seinem Block herum und horchte jedem Wort das die Lehrer ihm erzählten. Während Daeh seine Zeit damit verschwendete ihn zu beobachten.

Was nicht einmal schwer war, da er nie den Blick auch nur ein einziges Mal in eine andere Richtung lenke, als nach vorne.

“Erde an Daehyun!”, Youngjae fuchtelte zu allem Überfluß mit der flachen Handfläche vor Daehs Gesicht herum und traf ihn fast an der Nase. Die Beiden hatten die vier Schulstunden schon hinter sich gebracht und hatten somit den Rest des Tages frei, saßen draußen an einer der steinernen Tische. Das Außengelände war riesig, hinter ihnen erstreckte sich mindestens eine Fläche mit der Größe zweier Fußballfäder. Die Gärtner taten ihm Leid, die sich die Mühe machen mussten diesen Rasen zu pflegen und zu schneiden.

Und nur bis einer wieder auf die Idee kam, mit seiner Feuer Magie Löcher in den Rasen zu brennen.

“Also, bist du heute Abend dabei, oder willst du wieder nur beleidigt in deinem Zimmer sitzen, obwohl du nicht mal einen Grund dazu hast?”, wollte Youngjae jetzt wissen, nippte an seinem kleinen Trinkpäckchen, das er sich vorher noch aus der Kantine geholt hatte. Er liebte diese kleinen Multivitamin Päckchen, doch hatte Daeh keine Ahnung warum. Sie schmeckten mehr nach Wasser als nach Multivitamin.

“Du stellst es hin als wäre ich der langweiligste Mensch auf dieser Erde”, hielt Daeh etwas beleidigt dagegen und legte den Kopf auf seinen Armen ab, schielte von der Tischplatte aus zu ihm herauf. Youngjae zog nur genervt die Brauen nach oben, als wollte er ihn auch ohne Worte dazu auffordern, ernst zu bleiben.

“Also nochmal, was ist das heute Abend?”, fragte er deswegen noch einmal nach und gab somit zu, das er vorher kein Stück zugehört hatte. Doch Yjae schien sich nicht damit aufzuhalten, sich darüber zu echauffieren.

“Die 7. und 8. Klassen wollen die Halloween-Party nachholen, die wegen dem Technik Ausfall letzten Monat ins Wasser gefallen ist. Sie haben selbst einen DJ organisiert. Der Rektor hat zwar keinen Alkohol zugelassen aber ich dachte es wäre eine gute Möglichkeit mal etwas Anderes zu sehen, als die vier Wände unseres Zimmers”, erklärte er.

“Ist das nicht jedes Jahr, etwas…. klischeehaft?”, Daehyun rümpfte die Nase und hob langsam wieder den Kopf. Streckte im nächsten Moment seine Arme, konnte gerade noch ein Gähnen unterdrücken.

“Du musst dich ja nicht wie Himchan als Vampir verkleiden”, meinte er schulterzuckend und sofort entkam Daehyun bei der Erinnerung ein kleines Lachen. Es war ein Fest gewesen ihm in den letzten Jahren dabei zuzusehen, wie er immer wieder versuchte dieses Kostüm legitim zu verkaufen. Mit seinem Kunstblut und dem schwarzen Dracula-Umhang. Doch er war jedes Jahr so voller Tatendrang, das man es irgendwie nicht übers Herz brachte, sich über ihn lustig zu machen.

“Also bist du dabei oder nicht?”, drängelte Youngjae schon fast.

“Schon gut, bin dabei. Aber denke nicht dass ich mich verkleide - das sollen die Kleinen aus der 7. und 8. machen”, grummelte er nur, Youngjae zerdrückte gerade sein kleines Trinkpäckchen mit einer Hand und ließ es unter einem knisternden Geräusch in seiner Hand verbrennen. Bis nur noch die schwarze Asche in der Luft tänzelte.

“Ja, weil du auch ein Spielverderber bist”, lachte er dann, schwang einer seiner schlanken Beine von der Bank. Doch aus irgendeinem Grund drehte er sich noch einmal zu ihm um, ein komisches Grinsen auf den Lippen.

Was auf keinen Fall etwas Gutes verheißen konnte.

“Vielleicht ist Yongguk ja auch da”, meinte er. So sehr Daehyun versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass er sich ertappt fühlte, musste er erschrocken die Braunen ins Gesicht ziehen. Scheinbar hatte Youngjae bemerkt, dass er ihn im Unterricht regelmäßig anstarrte.

“Na und?”, zischte er viel zu aufgewühlt.

“Ich meine er bräuchte sich nicht mal zu verkleiden. Er geht ganz gut als etwas Gruseliges durch”, Yjae zuckte die Schultern und irgendwas in Daehyuns Magengrube zog sich sachte zusammen. Hatte er wirklich gerade das Gefühl ihn in Schutz nehmen zu müssen? Tief atmete er aus, verhinderte somit, dass ihm etwas Verdächtiges über die Lippen kam. Etwas das Youngjae den ganzen Abend dafür verwenden würde, ihm auf die Nerven zu gehen.

“Wer weiß, doch ich denke nicht dass er der Typ für Partys ist, meinst du nicht?”, er schaffte es seine Stimme nüchtern und unbeeindruckt klingen zu lassen. Wodurch auch Youngjae die Lust daran zu verlieren schien ihn damit zu ärgern.

“Du hast auch gemerkt das er im Magie-Training immer fehlt, richtig? Doch keiner der Lehrer scheint sich dafür zu interessieren”, skeptisch senkten sich Yjaes Brauen, dabei stand er immer noch mit einem Bein auf jeder Seite der Bank. Natürlich hatte es Daehyun bemerkt. Und genau die selben Dinge fragte er sich jeden Tag, wenn er im Kreis auf dem Boden saß und keiner ein Wort darüber verlor, das Yongguk nicht anwesend war. Naja, bis auf das genervte Getuschel der anderen Schüler auf den Fluren und im Speisesaal, die Yongguk scheinbar jetzt schon auf die imaginäre schwarze Liste gesetzt hatten.

Daehyun brannte immer noch darauf zu sehen, was er mit seiner Magie tun konnte. Ob es Eis, Feuer, Erd, Luft oder irgendeine andere Art von Magie war.

“Wenn jeder Lehrer sich um jeden Schüler kümmern würde, der sich vom Unterricht drückt, gäbe es wahrscheinlich gar kein richtigen Unterricht mehr - ich denke nicht dass es etwas zu bedeuten hat. Die werden sich außerhalb des Unterrichts schon um ihn kümmern”, sagte Daehyun nüchtern und realistisch, auch wenn er nicht wusste, warum er Youngjae nicht einfach erzählte, dass ihm diese Zweifel auch schon gekommen waren (Ihn jetzt schon eine ganze Woche verfolgten). Doch er zuckte nur nachträglich die Schultern, konnte in Yjaes Augen und an seiner gelben, zuckenden Aura sehen, das er nicht wusste, ob er das Thema einfach fallen lassen sollte.

Doch er schien sich Daehs Worte zu Herzen zu nehmen und nach einem langen Moment der Stille nickte er.

“Hast Recht. Nur das alles an diesem Kerl komisch wirkt… vielleicht sollte ich ihn nicht genauso verurteilen wie die Anderen”, meinte er dann, klang fast bedacht, etwas Nettes zu sagen (Als hätte Yoo Youngjae jemals ein schlechtes Gewissen). Doch trotzdem schien er sich Mühe zu geben seine letzten Worte wieder gerade zu biegen. Daehyun wusste nur nicht genau warum.

“Egal, ich muss in den Speisesaal - hab versprochen, bei der Deko zu helfen”

“Die Kleinen tun mir jetzt schon Leid”, lachte Daehyun leise, blickte Yjae mit einem kleinen Lächeln hinterher, während der mit leicht, getänzelten Schritten zur Eingangstür herüber ging und dahinter verschwand. Ja, Youngjae war 80 Prozent der Zeit ein sarkastischer Kommentare-Spucker. Doch wenn es darum ging Jemanden zu helfen oder Etwas zu organisieren konnte er seine Finger einfach nicht davon lassen. Nur meistens ließ er sich dann auch bei Nichts mehr hineinreden, wahrscheinlich würde er sich nach kürzester Zeit schon die ganze Party an den Nagel reißen.

Daehyun war ehrlich, eigentlich war er nicht der Typ für solche Partys. Er mochte es unter Menschen zu sein, das schon, doch solche Partys waren nicht der beste Ort um sich mit Jemanden zu unterhalten. Sie waren eher dafür da zu tanzen und auf dumme Ideen zu kommen - was der Teil war, mit dem man ihn nicht wirklich begeistern konnte.

Genau wie er schon jetzt sagen konnte, dass die 10. Klässler, auch wenn es nicht erlaubt war, Alkohol in die Getränke mischen würden. Und betrunkene Vampire, waren viel anstrengender als Menschen (Es war noch nie Jemand zu Schaden gekommen, ein Wunder, doch den Anderen Streiche zu spielen, war wesentlich einfacher, wenn du magische Kraft benutzen konntest. Soweit sich Daehyun erinnern konnte, hatte vorletztes Jahr ein Mädchen die Gedanken ihrer Freundin gelesen und sie vor der gesamten Mannschaft damit bloßgestellt, dass sie laut darüber gelacht hatte dass ihre Freundin seit Jahren tierisch in Himchan verknallt gewesen war. Es war ein Drama geworden, welches sich Youngjae und er nur kopfschüttelnd aus der Ferne angeschaut hatten).

Er wollte nicht wissen, was es dieses Jahr werden würde. Vielleicht veranstalten sie auch wieder bescheuerte Magie-Wettkämpfe auf dem Außengelände (worunter wie gesagt immer der Rasen und die Bäume leiden mussten). Vielleicht sollte Daehyun seinen Kaktus mitnehmen und mitmischen.

Leise musste er bei diesem Gedanken lachen, kicherte beinah nur leise in sich hinein, während er ebenfalls nach drinnen verschwand und sich auf den Weg zum Jungen-Trakt machte. Er hatte nicht vor sich zu verkleiden, doch er wollte auch nicht mit verwaschenen und nach Langweile riechenden Klamotten dort auftauchen.

“Was ist so lustig, Papagei?”, die Stimme die in sein Ohr drang, war so dunkel, dass sein Herz voller Erwartung gegen seine Brust hämmerte. Doch er erkannte in den folgenden Sekunden den Spitznamen, der ihn schneller wieder auf den Boden brachte, als er wollte.

“Was willst du, Yoongi?”, meinte er nur, konnte sehen dass der Mann mit katzenartigen, grünen Augen zu ihm herüber schaute. Er stand zwischen zwei Klassenzimmern neben der Treppe, Daehyun hatte schon den Fuß auf die erste Stufe gestellt, als er stehen blieb.

“Suga, wie oft noch… Yoongi klingt - kindisch”, brummte er unzufrieden, ging sich mit blassen Fingern durch die Mint-grünen Haare, die so absolut perfekt zu seiner ebenfalls grünen Aura passten. Nur war sie etwas dunkler, eher ein Patinagrün.

Yoongi - oder Suga, wie er es bevorzugte - war schon seit Ewigkeiten in seiner Parallelklasse, fing immer mal wieder ein Gespräch mit ihm an, funkelte ihn manchmal nur mit spitzen Augen an und erfand immer mehr komische Spitznamen für ihn.

Doch Daehyun hatte bis heute noch nicht herausgefunden, was er eigentlich von ihm wollte.

“Was willst du?”, fragte er deswegen noch einmal, diesmal weniger bissig. Suga stemmte sich von der Wand ab, an der er lässig mit einem Fuß gelehnt hatte und kam einen kleinen Schritt auf ihn zu. Seine Augen zuckten nicht einmal, sein Blick war genauso starr wie Yongguks, nur ging seiner nicht so sehr durch Mark und Bein.

Yoongi war etwas kleiner als er, nicht viel, doch Daeh wusste dass es einer seiner Schwachstellen war (Was auch nur fair war, schließlich war sein blasses, spitzes Gesicht makellos und die grünen Katzenaugen passen nur allzu perfekt hinein. Die Mädchen in seiner Klasse rissen sich förmlich um ihn).

“Bist du heute Abend auch da?”, wollte er plötzlich wissen, zuckte, kaum war er fertig schon die Schultern, auch wenn er noch gar keine Antwort auf seine Frage bekommen hatte. Daehyun blinzelte verwundert, ehe er leise zu lachen begann.

“Spar es dir Yoongi, spiel deine Scherze mit Jemand anderem”, meinte er nur und hievte sich die weiteren Treppenstufen herauf. Es wunderte ihn, dass Yoongi nicht noch einmal ein Kommentar über seinen Namen gemacht hatte, eigentlich hatte Daeh vorgehabt ihn damit zu provozieren. Doch als er sich am Ende der Treppe tatsächlich noch einmal umdrehte, konnte er sehen, dass er wieder unbeeindruckt an der Wand lehnte und in ein kleines Buch starrte, das er scheinbar in der Tasche gehabt hatte.

Weshalb Daehyun seine Skepsis wieder fallen ließ. Wenn Yoongi ihm heute Abend einen dummen Streich spielen wollte, war er jetzt auf jeden Fall vorgewarnt (Wobei er sich da auch hinter Yoo Youngjae anstellen musste, der ihm letztes Jahr als er nicht hingesehen hatte seinen Punch so stark erhitzt hatte, dass er sich sofort die Hand am Keramik verbrannt hatte). Keine Ahnung warum diese Idioten Halloween immer mit dem ersten April verwechselten.

Die Zeit ging ab diesem Zeitpunkt und nach Daehyuns Geschmack viel zu schnell um. Er schaffte es gerade mal zu duschen, sich für eine Stunde aufs Bett zu legen und (ganz vorbildlich) das aufgetragene Kapitel für die nächste Stunde Kunst zu lesen und sich in frische Klamotten zu schmeißen, als im nächsten Moment schon Youngjae mit einem fetten Grinsen im Türrahmen stand.

“Dieses Jahr wird ein voller Erfolg!”, meinte er enthusiastisch. Ging mit aufgeregten Schritten an seinen Kleiderschrank, um nervös darin herum zu kramen.

“Das sagst du jedes Jahr”, sagte Daehyun nur. Er setzte sich wieder aufs Bett zurück und ging sich durch die noch feuchten Haare, die ihm immer wieder lästig in die Stirn fielen und dort kleben blieben.

“Hab ich dir nicht gesagt du sollst nicht so ein großer Spielverderber sein?”, Youngjae schien wirklich stolz darauf zu sein, was sie unten im Speisesaal vorbereitet hatten. Er war zumindest schneller gereizt als sonst, warum sich Daehyun die kleine “Um genau zu sein hast du nur gesagt ich bin ein Spielverderber und nicht das ich keiner mehr sein soll”-Ansprache sparte. Stattdessen schenkte er ihm ein kleines Lächeln.

“Hast Recht… vielleicht wird es ja lustig”, sagte er. Auch wenn er nicht wirklich davon überzeugt war (Jetzt wo selbst Yoongi es sich wieder zur Mission gemacht hatte, ihm auf die Nerven zu gehen). Er schenkte Yoongi normalerweise nicht wirklich viel Aufmerksamkeit, wofür er einen nur zu guten Grund hatte. Yoongi war nicht unbedingt Jemand, den man als vertrauenswürdig beschreiben konnte - kalt und unnahbar vielleicht.

“Natürlich wird es lustig, schließlich hab ich das Ganze mitorganisiert”, lachte Yjae überzeugt und sofort schüttelte Daehyun ungläubig den Kopf.

“Selbstlob stinkt, das weißt du oder?”, meinte er nur.

“Na und, ich weiß eben wo meine Qualitäten liegen”, Youngjae war dabei sich vor Daehyuns Augen bis auf die Boxershort auszuziehen, um in sein tolles Piraten-Kostüm zu schlüpfen (Was lediglich aus einem weiten weißen Hemd mit langen Ärmeln und einer schwarzen Jeans bestand, von wegen Daehyun war der Spielverderber).

Der konnte in diesem Moment nicht anders, als wegzuschauen. Sich wieder für ein paar Momente in das Kunstbuch zu flüchten, das noch aufgeschlagen auf dem Nachttisch gelegen hatte.

Ja, sie waren beste Freunde, doch trotzdem war es Daeh unangenehm, ihn halbnackt zu sehen. Fragt ihn nicht warum, er mochte es einfach nicht. Youngjae dagegen, schien das nicht mal mehr zu beachten. Am Anfang hatte er sich noch die Mühe gemacht, sich im Badezimmer umzuziehen, doch das wurde ihm mit der Zeit zu umständlich.

“Was ist mit dir? Bist du fertig?”, meinte er jetzt - wohlgemerkt wieder angezogen - und fragend warf Daehyun ihm einen Blick zu, als würde das auf der Hand liegen. Er hatte ein weites schwarzes T-Shirt übergeworfen und sich nach langen wieder für eine hell-blaue zerrissene Jeans entschieden. Seine Haare waren zwar noch leicht feucht von der Dusche, doch das war ihm relativ egal.

“Bin bereit”, meinte er deswegen, einen letzten (beinah sehnsüchtigen) Blick in das dumme Buch werfend, als würde es ihn daran erinnern, dass er tief in sich drin keine Lust hatte, die Treppe herunter in den Speisesaal zu laufen. Youngjae hielt ihm die schwarze Augenklappe entgegen, als er aufstand und zur Tür hinüber lief.

“Sicher dass du dich nicht doch verkleiden willst?”, lachte er leise, weil er die Antwort darauf bereits wusste.

“Zieh sie doch selber an, du bist der Pirat”, meinte Daehyun nur kopfschüttelnd, doch auch Yjae schien das komische Ding in seine Hosentasche zu stecken und das Thema ganz schnell wieder fallen zu lassen. Woraufhin Daeh ihm einen leichten Schlag gegen den Hinterkopf verpasste.

Okay, Daehyun musste zugeben, dass der Speisesaal so gar nicht mehr nach einem Speisesaal aussah. Eher wie die Bat-Höhle. Die Dekorationen hatten schon an den Treppengeländern angefangen, riesige Spinnennetze und Gummi Insekten sowie zwischen den Klassenzimmern grinsende Skelette standen. Da Halloween eigentlich schon einen ganzen Monat zurück lag, wirkte es auf den ersten Moment komisch, so in der Zeit zurück geschmissen zu werden.

Doch wirklich, Youngjae und die Anderen hatten sich Mühe gegeben und das konnte man sehen. Die riesigen Fenster waren mit schwarzen Stoff abgedeckt, die Tische bis an den Rand geschoben, sodass eine mehr als große Tanzfläche in der Mitte frei wurde. Einige der Tische dienten als Buffet, riesige Schüsseln mit Salaten und roten Punch standen darauf. Sowie andere Sachen in silbernen Behältern, deren Inhalt Daehyun jedoch nicht ausmachen konnte.

Im Hintergrund lief leise das Lied “Thriller” von Michael Jackson durch die Lautsprecher der Kantine, da der DJ noch dabei war, seine Technik an sein Pult anzuschließen.

“Und was sagst du?”, wollte Youngjae wissen, war dabei immer näher ans Buffet gelaufen und hatte sich einen Käsewürfel-Trauben Spieß in den Mund gesteckt. Daehyun beobachtete in der Zwischenzeit mit einem kleinen Lächeln die 6. Klässler, wie sie im hinteren Eck des Raumes standen und ein Bild mit einen der Skelette machten.

“Gute Arbeit”, meinte er dann nur trocken, doch Youngjae schien diese Aussage schon zu reichen, um sich in seiner Annahme, dass er so oder so der Beste war, bestätigt zu fühlen. Sie liefen zu den, an den Rand geschobenen, Tischen neben der kleinen Bühne und setzten sich auf die zurecht gerückten Stühle. Es war beinah als würde man von der Bar aus auf die Tanzfläche schauen.

Die sich schneller füllte, als Daehyun erwartet hätte. In einem Moment war es noch staubig leer gewesen und ihm Anderen dröhnte laute Electro Musik aus den Boxen und eine kleine Masse von Tänzern hatte sich in der Mitte zusammen gefunden. Die 10. Klässler, einige Gesichter kannte Daehyun, hatten sich ebenfalls erst am Rand gefunden, eher skeptisch auf die Tanzfläche blickend.

“Ich hol uns was zu trinken”, rief Youngjae laut, das Daeh ihn neben der lauten Musik überhaupt verstand. Daehyun nickte stark, dabei versuchte er so wenig wie möglich wie ein Idiot durch die Gegend schreien zu müssen.

Er blieb sitzen, schaute immer noch auf die Tanzfläche und die schwitzenden Körper herüber, wie sie sich zu der hektischen Musik bewegten. Er erblickte sogar ganz in der Ferne, ziemlich nah am Eingang, Himchan (er war tatsächlich wieder mit seinem Dracula Kostüm aufgetaucht) wie er sich mit einem der anderen Kollegen unterhielt. Soweit er es sehen konnte war es Fr. Schmidt. Eine Austauschlehrerin aus Amerika, die noch nicht allzu lange bei ihnen war. Den Gerüchten zufolge hatte Himchan schon länger ein Auge auf sie geworfen. Auch jetzt stand er verdächtig nah bei ihr, ein viel zu charmantes Lächeln auf den Lippen.

“Willst du nicht tanzen?”, meinte plötzlich eine vertraute Stimme neben ihm, selbst bei dieser Lautstärke schaffte Daeh es, sich zu erschrecken. Vielleicht aber auch, weil Zelo sich tief zu ihm herunter gebeugt und ihm trotzdem fast ins Ohr geschrien hatte. Er trug ebenfalls kein wirkliches Kostüm, hatte sich lediglich ein kleines Holzschwert um die Hüfte gebunden, als wäre das alles gewesen, was er beisteuern konnte.

“Nicht so mein Ding”, antwortete Daehyun und Zelo ließ sich mit einer kleinen Bewegung neben ihm auf dem Stuhl nieder, rückte ein Stück an ihn heran, um nicht so laut schreien zu müssen. In dem Moment kam Youngjae mit zwei roten Bechern zurück und schenkte dem Jüngeren ein breites Grinsen, als würde er sich freuen, ihn zu sehen.

“Hätte ich das gewusst, hätte ich dir auch was mitgebracht”, meinte er dann, zog einen dritten Stuhl heran und reichte Daehyun einer der roten Becher. Zelo hob nur schnell die Hände in die Luft und schüttelte den Kopf, als solle sich Yjae keine Gedanken darüber machen. Daehyun drehte seinen Becher einen kleinen Moment in der Hand, bis er schlussendlich einen großen Schluck davon nahm.

Nur hatte er mit süßem Punch gerechnet und nicht damit den brennenden Geschmack von Wodka in seiner Kehle zu spüren.

“Youngjae?!”, rief er nur aufgebracht, viel mehr entrüstet darüber, dass er ihn nicht vorgewarnt hatte. Yjae zuckte nur grinsend die Schultern, als wüsste er nicht mal, wovon er redete (Oh er wusste es, entweder er hatte vor sich wirklich zu betrinken, oder es war wieder nur einer seiner dummen Scherze gewesen).

Daehyun verdrehte die Augen.

“Mach dich locker, mehr als für zwei Becher konnte ich so oder so nicht rein schmuggeln”, dann drehte er sich mit einem strengen Blick in Zelos Richtung, der unschuldig blinzelte, als würde er nicht ganz verstehen, worum es gerade ging.

“Wehe du verrätst mich!”, meinte Yjae dann, doch Zelo lachte lediglich, als wäre ihm diese ganze Sache mehr als gleichgültig und Youngjaes besorgter Blick würde ihn amüsieren. Er hatte auch keinen Grund sich einzumischen.

Daehyun gab sich zufrieden, mit dem Wissen, dass es nur der eine Becher sein würde und wagte einen weiteren Schluck. Es war Ewigkeiten her, dass er Alkohol getrunken hatte, weshalb er im ersten Moment grässlich schmeckte. Er wollte nicht mal wissen, wie Youngjae da ran gekommen war. Die meistens ließen es sich am Besuchstag hinein schmuggeln, doch Youngjaes Familie war nicht wirklich die Sorte von Menschen, die ihm Alkohol als Geschenk mitgeben würden.

Daehyun hatte ehrlich keine Ahnung ob es eine gute Idee war, dass er den Becher nicht sofort an Jemand anderen weitergegeben hatte, an Jemanden der wusste das er dieses Zeug vertrug. Doch er hatte auch keine Lust, mal wieder als der Spielverderber beschimpft zu werden.

“Habt ihr Himchan gesehen? Die arme Frau Schmidt scheint immer noch nicht zu merken, dass er total in sie verknallt ist”, meinte Youngjae jetzt und laut musste Daeh darüber lachen, da es so offensichtlich war. Auch Zelo schien es bemerkt zu haben, denn sein breites Grinsen schien nicht überrascht zu wirken.

“Man kann es ihm nicht übel nehmen, sie sieht nicht schlecht aus”, meinte er dann, die perfekte Vorlage für Youngjae, sich darauf zu stürzen wie ein wildes Tier. Mit einer schnellen Bewegung riss er seinen Blick von Himchan und wendete sich Zelo zu.

Die Musik war mittlerweile zu einem Rock-Lied gewechselt und die Tanzfläche füllte sich rapide, die drei konnten den Eingang schon fast nicht mehr erkennen.

“Pass auf dass du dich nicht mit Himchan in die Haare bekommst”, die nächsten Worte setzte er mit den Fingern in Anführungszeichen, “er hat sie zuerst gesehen”.

Alle drei lachten viel zu lang darüber, Daehyun nahm einen weiteren Schluck von seinem Punch und spürte nach dem mittlerweile vierten Schluck, wie ihm langsam die Hitze in die Wangen stieg.

“Ich meins Ernst, wir gehen da jetzt rüber”, meinte Youngjae plötzlich und hatte Zelo am Handgelenk gepackt. Daehyun hatte den Schlachtplan nicht mitbekommen, doch scheinbar schien er daraus zu bestehen, die beiden Turteltauben auf irgendeine Weise zu stören. Es wunderte ihn dass Zelo überhaupt ohne Einwände einwilligte. Doch er schien es ebenfalls viel zu lustig zu finden.

Daehyun merkte erst ein paar Momente später, dass er ganz alleine zurückgelassen worden war. Mit seinem noch halb vollen Becher Punsch in der Hand, schaute er grinsend zu Himchan und den Anderen herüber. Zelo hatte tatsächlich Frau Schmidt in ein Gespräch verwickelt, schaute sie mit so unschuldigen Augen an, das es beinah unfair war. Youngjae hatte eine Hand über Himchans Schulter liegen, der wirkte, als würde er wieder jeden Moment an die Decke gehen (Das Lustige war nur, das er es scheinbar vor Frau Schmidt nicht zeigen wollte, weswegen er künstlich lächelte, als wäre alles kein Problem).

Daehyun erwischte sich, eine Weile leise darüber zu lachen, ehe er auch den Rest seines Getränks hinunter gekippt hatte. Seine Wangen schimmerten bestimmt in diesem Moment rosa, wenn nicht sogar rot. Er ließ sich langsam von seinem Stuhl gleiten und spürte jetzt auch das komische, schwammige Gefühl in den Knien.

Doch es war noch anzunehmen, er konnte ohne Probleme laufen, nur fühlte sich sein Kopf ein wenig benebelt an. Wie gesagt, er vertrug es nicht und viel zu lange hatte er keinen Alkohol mehr getrunken. Umso glücklicher war er darüber, dass es nach dem einen Becher auch wieder vorbei war.

Er trug sich nach draußen, ging dabei so nah an Himchan und den Anderen vorbei das er hören konnte, wie schadenfroh Yjae lachte. Sie schienen Daeh nicht zu beachten, weshalb er das kleine Schauspiel auch nicht unterbrechen wollte.

Draußen in der Empfangshalle war die Luft sehr viel besser als drinnen im Speisesaal, weshalb sich etwas von dem Nebel in seinem Kopf lichtete, auch wenn er immer noch spürte, dass seine Wangen vor Hitze brannten. Und waren somit das Einzige was sich an seinem Körper nicht abkühlen wollte.

Er hatte wirklich gedacht, lediglich ein paar Minuten nach Luft zu schnappen, doch wie aus dem Nichts tauchte schon wieder Yoongis Gesicht vor ihm auf. Die Hände in den Hosentaschen und mit schimmernden grünen Aura.

“Wie siehst du denn aus?”, wollte er wissen und etwas zu schnell und hektisch ließ Daehyun seine Hände hinauf schnellen und legte sie über seine geröteten Wangen.

“Es ist warm drinnen”, meinte er nur, merkte sofort, dass seine Stimme sich viel schwammiger anhörte, als er wollte. Yoongi grinste lediglich schadenfroh.

“Richtig”, zog er das Wort viel zu lang und verteidigend verdrehte Daehyun die Augen.

“Willst du nicht rein gehen?”, wollte er dann wissen, da Yoongi eigentlich genau dahin auf dem Weg war. Er zuckte aber aus irgendeinem Grund die Schultern.

“So wie du aussiehst, kann man dich ja nicht einfach alleine lassen, Papagei”, meinte er trocken, viel zu ernst, als Daehyun es auf Anhieb glauben konnte. Was zur Hölle?

“Das ist nicht dein Ernst oder?”, lachte er deswegen etwas verwundert, doch Yoongi zuckte erneut die Schultern.

“Was denn? Du tust so als wäre ich der Teufel…”, meinte er dann, die Hände noch immer in der Hosentasche und beinah eine beleidigte Miene aufgelegt.

“Weißt du, eigentlich machst du immer nur dumme Kommentare und gehst mir auf die Nerven… also ja, ich mag dich nicht wirklich”, kam es Daehyun ehrlicher über die Lippen, als er es eigentlich vorgehabt hatte. Ja, er mochte ihn nicht. Doch er war eigentlich nicht einer dieser Typen die Jemanden sowas ins Gesicht sagten.

Suga wollte noch etwas erwidern, seine Brauen hatten nervös gezittert, sowie seine dunkelgrüne Aura Wellen geschlagen hatte.Wenn Daehyun es nicht besser gewusst hätte, hätte man beinah denken können, das er verlegen war.

Doch mit einem viel zu lauten Geräusch stürmte im nächsten Moment Youngjae und Zelo hinter ihnen durch die Tür.

“Da bist du ja! Ich hab dich überall gesucht”, er war viel zu laut, schrie beinah durch den ganzen Korridor, sodass seine Worte wie ein Echo wieder von den Wänden zurückgeworfen wurden. Yoongi schien seine Worte mit einem Mal wieder herunter geschluckt zu haben.

Daehyun lachte leise, als er sehen konnte, wie die Beiden sich in den Armen lagen, wobei es eher aussah, als würde Zelo ihn stützen, damit der nicht Hochkant aufs Gesicht fiel (Er hatte garantiert mehr als einen Becher gehabt, dieser Verräter).

“Yongguk ist drinnen! Ich sag dir - warum hab ich ihn nicht vorher gesehen?”, rief er genauso laut und aufgeregt, das Daehyun ihm am liebsten den Mund zugehalten hätte. Yoongi sollte nicht denken, dass ihn das auf irgendeine Weise interessierte.

“Er ist bestimmt durch die Küche rein oder er kann sich unsichtbar machen”, lachte Yjae jetzt laut und löste sich aus Zelos schützenden Griff, nur um Daehyun am Handgelenk nach drinnen zu zerren.

Yoongi blieb hinter ihnen im Korridor stehen und schien ihnen auch nicht zu folgen. Irgendwie bekam Daehyun ein schlechtes Gewissen, auch wenn er nicht mal genau wusste wofür eigentlich. Schließlich konnte er sich nicht vorstellen, dass Jemand wie Suga sich sowas zu sehr zu Herzen nahm.

Außerdem hatte er nicht wirklich Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, da Youngjae ihn beinah wie besessen zum Buffet herüber zog.

Wo Daehyun tatsächlich Yongguks schwarze Siluette erkennen konnte. Er stand mit dem Rücken zu ihnen, ein schwarzes Tablet in der Hand, auf dem er dreckiges Geschirr und Gläser abgeladen hatte. Er wischte die Reste von den Tischen und im nächsten Moment machte er sich wieder zurück auf den Weg in die Küche. Kein Wunder dass er ihn bis jetzt nicht bemerkt hatte. Yongguk wirkte auch nicht wie der Typ dafür, das Tanzbein zu schwingen und sich zu verkleiden.

Er hätte es auch nicht geglaubt, wenn er ihn nicht mit eigenen Augen gesehen hätte.

Daehyun konnte Yjae gerade noch aufhalten, ihn nicht mit voller Wucht gegen ihn rennen zu lassen. Yongguk hatte sie nicht bemerkt, viel zu sehr darauf konzentriert die leeren Teller und das Tablet zu balancieren.

“Jetzt komm runter Yjae”, jammerte er, löste sein Handgelenk aus seinem Griff und musterte ihn verärgert. Naja, eigentlich hämmerte nur sein Herz wieder wie verrückt gegen seine Brust, als er diese knisternde Wärme gespürt hatte, die von seiner Aura ausging. Und das wollte er auf jede Fälle verstecken.

“Ach komm Daeh, ich weiß wie du ihn fast schon anstarrst, wenn er im Unterr-”, Daeh hielt ihm mit aller Kraft den Mund zu, er hatte schon geahnt das er es bemerkt hatte, doch er wollte nicht das Zelo, der immer noch unschuldig lächelnd neben ihnen stand, es ebenfalls wusste.

“Na schön, keine Ahnung was du von mir willst aber…”, Daeh war jetzt wirklich wütend und wahrscheinlich betrunkener als er zugeben wollte. Denn ohne Grund warf er die Tür zur Küche auf, die er gerade mehr als zu meiden versucht hatte und zu der er eigentlich gar keinen Zutritt hatte. Starrte dabei Youngjae wütend an.

Fast als würde er ihn nur mit seinen Augen fragen “War es das was du wolltest?”.

Zu allem Überfluß grinste Yjae nur zufrieden und mit einem kleinen Geräusch schloß sich die Tür hinter Daeh, nur leider stand er tatsächlich in der Küche und nicht davor. Für wenige Momente hüllte sich der gesamte Raum in Stille, selbst die Musik schien leiser zu werden und Daehyun spürte, dass es einer der dümmsten Aktionen der Welt gewesen war.

Er biss sich fest auf die Lippe, als er sich langsam umdrehte.

“Hi”, presste er beschämt heraus, als Yongguk ihn mit verwunderten Augen anschaute, gerade dabei das dreckige Geschirr in die Spülmaschine einzuräumen. Wenigstens war er alleine und es kam nicht die gruselige Küchenfrau um die Ecke, die ihn erschlagen wollte.

“Gibt es Ärger?”, wollte er wissen.

Kein Wunder, Daehyun hatte die Tür aufgerissen, als wollte er Jemanden damit erschlagen. Vorsichtig kam er einen kleinen Schritt auf ihn zu, doch er merkte schnell, dass er sich keine passende Geschichte ausdenken konnte, die nicht mindestens genauso dumm klingt, wie die Wahrheit.

“Nein, alles gut”, meinte er deswegen lediglich trocken und Yongguk schien sich auch wieder uninteressiert seiner Arbeit zuzuwenden.

“Ich wusste nicht, dass du in der Küche hilfst”, meinte Daehyun dann, war mit langsamen Schritten um den Herd, der mitten im Raum stand, zu ihm herüber gekommen. Lehnte sich etwas nervös neben der Spülmaschine gegen die Küchenablage und beobachtete ihn, wie er ein Spülmaschinentab in die Maschine warf.

Es war komisch ihn bei sowas zu sehen. Als wäre sowas Normales für ihn irgendwie… nicht normal.

“Fr. Lee hat mich darum gebeten…”, wieder nur eine knappe Antwort, er wirkte so abweisend das Daehyun beinah einfach wieder in den Saal zurück gelaufen und ihn unter eine Entschuldigung alleine gelassen hätte. Doch gerade als er sich in Bewegung setzen wollte, schenkte ihm Yongguk einen Blick.

“Hat dir das Buch geholfen?”, wollte er plötzlich wissen, trocknete seine Hände an eines der Handtücher. Daehyun fiel wieder ein, das er deswegen schon längst mit ihm hatte reden wollen.

“Ja das Buch… ich wollte mich nochmal bedanken. Dank deiner Hilfe hat Himchan mich nicht umgebracht”, er grinste leicht bei der Erinnerung an Himchans verdutzten Gesichtsausdruck, welcher auf jeden Fall eine Genugtuung für ihn gewesen war. Auch Yongguk schien zum ersten Mal sachte zu lächeln, etwas zögerlich, doch es war tatsächlich nicht nur eine Fata Morgana.

Daehyun erwischte sich dabei, ihn deswegen viel zu lange anzustarren, so lange, das Yongguk schon wieder eine ernste Miene aufgelegt und ihn verwundert an blickte, als würde er warten, bis irgendwas sinnvollen aus Daehs Mund kam.

Angestrengt riss der seinen Blick los und klatschte ohne Grund in die Hände, als wäre er froh, dass “Sich bei Yongguk bedanken” von seiner imaginären To-Do Liste streichen zu können.

“Naja, dann… lass ich dich mal mit deinem Geschirr alleine”, meinte er leise lachend, auch wenn der Witz nur halb so lustig war, wie er zu meinen schien und versuchte sich an der geöffneten Spülmaschinen Tür vorbei zu drängeln.

Doch nicht das es nicht schlimm genug war, das Daehyun sich schon von Anfang an zum Deppen gemacht hatte, blieb er aufgrund seiner nicht ganz geraden Wahrnehmung mit der Spitze seines Schuhs daran hängen und stolperte einen gefährlichen Schritt nach vorne.

Doch das war nicht das was ihn bis in die Knochen erstarren ließ.

Es war Yongguk kalte Haut, die ihm am Oberarm festhielt, ihm vom Fallen abhielt und ihm gleichzeitig tausend Stöße verpasste, als wäre sein ganzer Körper unter Strom. Doch es war nicht nur das, er konnte eine komische Stimme in seinem Kopf hören, es war Yongguks, dabei bewegte er seine Lippen kein Stück. Beinah wie ein verführerisches Flüstern, dabei konnte Daehyun die Wörter nicht identifizieren, es war wie das zischen einer Schlange, welches sein Opfer hypnotisierte.

Erschrocken riss Yongguk seine Hand weg, schien von hier auf gleich viel zu nervös zu sein.

“Du solltest gehen”, meinte er streng, wirkte nicht, als würde er es ein zweites Mal sagen. Doch Daehyun fühlte sich wenige Moment wie benebelt und spürte einen komischen Drang, diese knisternde Haut erneut zu berühren.

“Was war das?”, flüsterte er leise, hatte die Hand bereits nach ihm ausgestreckt, auch wenn er seinem Gehirn nie befohlen hatte, sich zu bewegen.

Yongguk schien hektisch, beinah hilflos und ohne das sich Daehyun darauf vorbereiten konnte, hatte er seine Hand erneut um seinen Oberarm gelegt. Erneut durchströmten ihn tausend Blitze, das verführerische Flüstern tauchte vor seinem inneren Auge auf.

Doch diesmal hörte er was diese komische, rote Gestalt in seinem Kopf ihm sagte.

Es sagte ihm dass er verschwinden sollte.

Und aus irgeneinem Grund reagierte Daehyuns Körper wie von alleine, seine Füße trugen ihn nach draußen, befolgte genau das, was diese komische Stimme, die sich wie Yongguks anhörte, gesagt hatte.

Und er versuchte seinen Kopf herum zu drehen, in Yongguks Augen eine Antwort auf all das zu finden, doch selbst das wollte sein Körper nicht mehr für ihn tun.

"Lost without light in this darkness"

Daehyun fühlte sich, als wäre seinem Gehirn der Platz in seinem Kopf plötzlich viel zu klein und es würde protestierend und schmerzhaft gegen seinen Schädel drücken, um sich nach draußen in die Freiheit zu flüchten.

Kurz gesagt: Er hatte die fürchterlichsten Kopfschmerzen, die er jemals in seinem Leben gehabt hatte.

Er versuchte die Augen zu öffnen, konnte im Hintergund das leise Geräusch der Dusche vernehmen und stellte nach wenigen Sekunden fest, dass er in seinem Bett in Youngjae und seinem Zimmer lag. Angestrengt blinzelte er gegen das helle Licht, das durch das kleine Fenster drang und ihn darauf aufmerksam machte, dass es draußen bereits heiligster Tag war. Panisch warf er deswegen einen Blick auf den Wecker, der ihm “12:03 Uhr” anzeigte und sorgte dafür dass er sich hektisch aufrichtete.

Nur damit ein weiterer Schmerz durch seinen Kopf zischte und ihm mit einem mal wieder daran erinnerte, was heute für ein Tag war. Es war Samstag.

Der Samstag nach der Halloween-Party.

Daehyun blinzelte erneut angestrengt, versuchte seine Schläfen mit einer Massage zu beruhigen und sich vorsichtig vors Auge zu führen, was gestern passiert war. Doch es war schwer, es zusammen zu fügen.

Er konnte sich an Youngjaes und Zelos Streich an Himchan erinnern, das komische Gefühl des Alkohols in seinen Knien und dass er aus irgendeinem Grund auf dem Korridor mit Yoongi geredet hatte. Doch ab diesem Moment wurde es immer schwerer durch den dichten Nebel in seinem Kopf zu blicken, der sich aus irgendeinem unerklärlichen Grund dort aufgebaut hatte.

Die Badezimmertür öffnete sich, in der Stille wirkte es wie ein viel zu lautes Geräusch und erschrocken zuckte Daehyun zusammen da es schmerzhaft in seinen Ohren klingelte.

“Du bist wach”, Youngjae hatte ein Handtuch um die Hüfte gebunden, trocknete mit einem Anderen seine roten Haare. Irgendwie klang er besorgt.

“Warum hast du mich nicht geweckt?”, wollte Daeh wissen, nebenbei hektisch dabei, seine Gedanken zu ordnen, sie in eine sinnvolle Reihenfolge zu packen. Youngjae ließ sich vor ihm auf seinem eigenen Bett nieder und legte das nasse Handtuch, welches er für seine Haare benutzt hatte, neben sich. Er schien ihn lange zu mustern, seine goldbraunen Augen betrachteten jeden Zentimeter seines müden Gesichtes, als würde er darin nach einer Antwort auf Etwas suchen.

“Ich hab’s vergeblich versucht… kurz dachte ich dass du ohnmächtig oder tot bist”, auch wenn er versuchte es in einem Scherz zu verpacken, ihm ein kleines Lächeln schenkte, wirkte es leblos und gezwungen. Daehyun spürte dass seine Brust sich für wenige Sekunden zusammen zog.

“Hör zu, ich hätte den dummen Wodka nicht einschmuggeln sollen… tut mir Leid Daeh”, Youngjae stand wieder auf, nur um direkt vor Daehyun in die Hocke zu gehen, ihm freundschaftlich und entschuldigend eine Hand auf die Schulter zu legen. Der ihn nur für wenige Sekunden verwundert mustern konnte, als wäre sein Geist noch nicht komplett anwesend.

“Warum bist du gestern eigentlich, nachdem du mit Yongguk geredet hast, einfach abgehauen? Yoongi kam heute morgen her und hat nach dir gefragt, er sagte du warst ziemlich neben der Spur. Seit wann redest du eigentlich mit Min Yoongi?”, wollte Yjae dann alles auf einmal wissen, seine Stimme war wieder etwas weicher geworden, noch etwas unsicher und starr, doch er schien sich Mühe zu geben, sein schlechtes Gewissen nicht die Überhand gewinnen zu lassen.

“Mach dir keine Sorgen Yjae. Ja war ‘ne dumme Idee mich Alkohol trinken zu lassen, ich vertrag das Zeug eben echt nicht gut”, es kam ein nervöses Lachen aus seiner Kehle und angestrengt versuchte er, seinen Gefühlszustand besser zu verstecken, “aber du hast mich ja nicht gezwungen es zu trinken”. Er stand auf, versuchte so angestrengt wie möglich seine weiße, knisternde Aura wieder zu beruhigen, die Youngjae sofort verraten würde, das Daehyun nicht die Wahrheit erzählte. Oder sich zumindest davor drückte.

Er konnte sich plötzlich wieder erinnern. Kaum war sein Name gefallen.

Er konnte sich an das Gespräch mit Yongguk erinnern, den Fall, die kalte Haut an seinem Oberarm.

Selbst jetzt schien das Gefühl an der Stelle wieder zu kommen, unbemerkt schnellte seine eigene Hand dorthin, bedeckte sie, als hätte er Angst die Stromstöße könnten ebenfalls wieder kommen. Und das Gefühl des vollkommenen Kontrollverlustes.

“Bist du sicher?”, hakte Yjae nach, richtete sich langsam wieder auf, da auch Daehyun mitten im Raum stand. Er atmete tief durch, wusste selbst nicht, warum er Youngjae, seinem einzigen und besten Freund, nicht erzählte was passiert war.

Doch irgendwas in seinem Kopf sagte ihm, dass es Niemand wissen durfte - er wollte nicht, dass es Jemand wusste.

“Ganz sicher. Ich hab gestern gemerkt das es keine gute Idee gewesen wäre, noch länger zu bleiben. Der Alkohol ist mir mehr zu Kopf gestiegen als ich dachte - das ist alles. Und Yoongi hat sich nur wieder über mich lustig gemacht, weshalb ich nicht wirklich mit ihm geredet habe”, korrigierte er und zuckte die Schultern, wunderte sich selbst über den rationalen Ton, den er über seine Lippen bringen konnte, obwohl jedes Wort davon gelogen war. Youngjaes Aura wurde sichtlich ruhiger, verlor ein kleines bisschen an Farbe, was Daehyun zeigte, dass er ihm tatsächlich glaubte.

“Das nächste Mal sagst du mir, wenn du einfach abhaust und nimmst mich mit. Ich hab gestern fast zwei Mädchen dazu gebracht sich zu prügeln”, endlich entkam seiner Kehle ein vertrautes Lachen, etwas schadenfroh, als wäre er tief in sich drin eigentlich außerordentlich amüsiert darüber. Daehyun wollte seiner Geschichte wirklich Aufmerksamkeit schenken, er gab sich Mühe, doch seine Hand lag immer noch auf der Stelle an seinem Oberarm und es zuckte so plötzlich ein komischer Schmerz durch seine Glieder, das er unkontrolliert die Luft einziehen musste.

“Tut mir Leid Yjae, ich muss mal an die Luft. Mein Kopf explodiert”, es war eine schlechte Ausrede, das wusste er, doch das Brennen an seinem Oberarm wurde schlimmer und es war zu diesen Zeitpunkt beinah übmöglich den Schmerz zu verstecken oder nicht einfach seine Hand wegzureißen und preiszugeben, was auch immer sich darunter verbergen würde. Youngjae schaute ihm nur stirnrunzelnd dabei zu, wie er zur Tür herüber stolperte, zu perplex ihn aufzuhalten.

Er krallte sich einer seiner grauen Sweatshirts und warf mit einem “Bin sofort wieder da” die Tür hinter sich zu, stellte zu seiner Erleichterung fest, dass er auf der anderen Seite alleine im Korridor stand. Doch er stolperte zum Gemeinschaftsbad herüber, stellte auch hier sicher, dass ihn Niemand beobachtete. Doch es war still in dem weißen, hallenden Raum und Daehyun stellte sich vor einer der kleinen Spiegel vor dem Waschbecken.

Seine Finger zitterten, als er seine Hand bewegte, beinah stieg Panik in ihm auf, darüber, was er darunter entdecken würde. Doch der Schmerz hatte nachgelassen, war wie eine Schockwelle über ihn herein gebrochen und jetzt wieder abgeklungen.

Er zog erneut die Luft ein, erschrocken darüber, was er am Ende vorfand.

Seine Haut schimmerte leicht, wie eine frische Wunde, die ihm gerade erst Jemand zugefügt hatte. Rot und gereizt, fast wie eine Verbrennung.

“Was zur-?”, wollte er anfangen, doch er konnte verdächtig laut Schritte von draußen hören und hektisch und unter einem leichten Schmerz zog er sich das Sweatshirt über. Er hatte wirklich das Gefühl als wäre seine Kehle zugeschnürt, als er das Badezimmer wieder verließ, mit dem Wissen das er mit Yongguk reden musste.

Er versuchte angestrengt seinen viel zu schnellen Atem unter Kontrolle zu bringen, doch sein Herz zuckte trotzdem aufgeregt und schmerzhaft in seiner Brust. Das Gefühl keine Kontrolle über seinen Körper zu haben, war eine Sache, doch das Brennen an seinem Oberarm und die rote Stelle die er hinterlassen hatte, war eine ganze Andere.

Was zur Hölle war gestern passiert?

“Hey, Papagei!”, Daehyun hatte es gerade Mal geschafft die Treppe herunter zu stolpern, als dieser bescheuerte Name und Yoongis dunkle Stimme wieder in sein Ohr drang. Er war wie eine Zecke, ein Stalker. Überall wo er war, war auch Yoongi.

“Hast du kein Zimmer? Oder was zu tun?”, meinte er ungeduldig, viel zu aufgewühlt und unter Strom, als sich darauf zu konzentrieren, nicht bissig zu klingen. Yoongi zog die Brauen ins Gesicht, sichtlich ebenso genervt, doch Daeh versuchte sich an ihm vorbei in den Korridor zu drängeln. Er hatte kein Ahnung in welchen Zimmer Yongguk lebte, wo er suchen sollte, weshalb die Bibliothek das Erste war, das ihm in den Sinn kam.

“Jetzt warte doch mal…”, meinte er eindringlich, packte Daeh ausgerechnet an der Stelle an seinem Oberarm, die immer noch schmerzte, sodass er erschrocken zurück zuckte und scharf die Luft einzog. Yoongi schien nicht zu wissen was los war, beinah entschuldigend blinzelte er, die Hand immer noch in der Luft hängen, bis er sie schlussendlich langsam wieder sinken ließ.

“Was ist los?”, wollte er wissen, der sanfte Ton passte nicht zu ihm, geweige denn das besorgte Zuckten seiner Aura. Daehyun wollte sich wundern, doch im spuckten zu viele Sachen durch den Kopf.

“Nichts, es ist alles okay!”, meinte er eindringlich, zischte es beinah nur ungeduldig heraus und machte somit eigentlich nur noch mehr klar, dass alles eben doch nicht so okay war, wie er es zugab. Doch Yoongi schien seinen verärgerten und nervösen Blick richtig gedeutet zu haben und fragte nicht noch einmal nach.

Er ließ ihn endlich gehen und Daehyun blickte auch nicht zurück, als er hinter einer der Glastüren neben der Treppe verschwand.

Er hätte beim besten Willen nicht damit gerechnet, fündig zu werden. Eigentlich hatte er sich bei jedem Schritt schon darauf vorbereitet vollkommen hilflos von Neuem anzufangen.

Doch er betrat die stille Bibliothek, auch jetzt saß Niemand am Empfang. Es war Samstag, also war es nicht verwunderlich. Nervös und rastlos wanderten seine Augen über die Regale und die Bücher, über jeden Zentimeter den er erblicken konnte.

Er stolperte die Treppe herunter, als er sehen konnte dass sich Niemand im obersten Stock aufhielt.

Und fast als hätte er auf ihn gewartet, saß Yongguk an dem selben kleinen Tisch, an dem sie zuallererst miteinander geredet hatten. Seine Finger wanderten über die Seite eines Buches, doch auch wenn er Daehyuns laute, energischen Schritte gehört haben musste, blickte er ihn nicht einmal an. Schloß sogar für wenige Sekunden die Augen, als würde er sich innerlich auf etwas gefasst machen.

“W-Wir müssen reden…”, Daehyuns Atem ging immer noch viel zu schnell, jetzt sogar noch unkontrollierter als zuvor.

“Es ist okay”, meinte Yongguk leise, klappte vorsichtig das Buch zu und richtete sich auf. Begegnete Daehyuns Blick das erste Mal.

“Was ist okay? Gar nichts ist okay!”, stammelte er wütend, wusste nicht wohin mit seinen Armen, seinen Händen, ob er auf und ab laufen oder einfach starr stehen bleiben sollte. Yongguks Blick heftete sich auf ihn, seine Aura schien dunkel und kraftlos zu wirken und als Daeh bemerkte, dass etwas in seinen Augen anders war, versuchte er sich zu beruhigen. Seine Gedanken zu ordnen, bevor er sie laut aussprach.

Denn es war Traurigkeit, die er sehen konnte.

So tiefe und pure Traurigkeit, das Daeh es beinah nicht fassen konnte. Er spürte es an der Kälte, wo vorher diese knisternde Wärme gewesen war, die Art wie Yongguk stand, die Schultern kraftlos und das Gesicht blass und müde.

“Wirst du mir erklären, was gestern los war?”, er schaffte es, ruhiger zu sprechen. Geordnet und vernünftig, wo vorher noch Wut und Angst gewesen war. Als Yongguk ihm nicht antworten wollte, zog er sich das Sweatshirt über den Kopf, deutete auf die rote Stelle an seinem Oberarm, auf dem jetzt ganz deutlich der Abdruck seiner Hand zu erkennen war. Jeder einzelne Finger, selbst den silbernen Ring.

Yongguk löste seinen Blick, wirkte plötzlich so viel schwächer und unsicherer, als vorher. Ja machte sich fast schon klein und ergeben vor Daehyun, indem er den Blick senkte.

“Ich hatte nicht vor dir… wehzutun”, presste er zwischen den Zähnen hindurch, von hier auf gleich peitschte seine rote Aura vor Wut um sich, so laut, das Daehyun beinah einen Schritt zurück trat, aus Angst sie würde ihn treffen.

Jeder vernünftige Mensch, wäre gegangen.

Wäre vielleicht sogar gerannt. Sich von dieser komischen Gestalt ferngehalten, die in diesem Moment so gar nicht mehr wie Yongguk aussah. Es war zwar sein Gesicht, doch es lag in dunklen Schatten, so hart und eisig, als wäre es aus Stein.

Doch Daehyun machte einen kleinen Schritt auf ihn zu, konnte sich einfach nicht dazu bringen, ihn alleine zu lassen. Irgendwas war da, irgendwas Tiefes, Verborgenes in seinen Augen, als hätte er diese Situation nicht nur einmal erlebt. Als würde er sie immer und immer von Neuem erleben müssen und er konnte seine Wut darüber nicht mehr unter Kontrolle halten. Er wirkte so einsam… so verzweifelt.

“Yongguk?”, flüsterte er vorsichtig und ging einen weiteren Schritt vorwärts. Yongguk hob den Kopf, sichtlich darüber geschockt, das er noch hier war. Warum er nicht einfach umgedreht und gegangen war.

“Alles okay?”, wollte Daeh wissen, er konnte Yongguks schweren Atem sehen, ihn in der Stille des Raumes hören. Seine Brust hob und senkte sich angestrengt. Es dauerte eine ganze Weile bis er sich beruhigt hatte, bis sein Blick weniger glasig geworden und seine Aura aufgehört hatte starke und laute Wellen zu schlagen.

“Hör zu… ich hab nicht vor-”, Daehyun unterbrach sich selbst, atmete erneut tief durch, als ihm die Erinnerung an gestern noch einmal durch den Kopf schoß. Genau wie auch die Erinnerung an den Schmerz es ihm nicht einfach machte, Yongguk neutral gegenüber zu treten.

Doch er hatte sich entschieden, ihm zuzuhören. Vielleicht konnte er erklären, was das alles zu bedeuten hatte.

“Ihr habt es euch doch alle gefragt… was meine Magie anrichtet. Du siehst es doch”, flüsterte er dann erschöpft, fast als würde er ahnen das es das war, was Daehyun von ihm verlangte. Dass er es laut aussprach und er sich sicher sein konnte.

Auch wenn Daeh die Antwort schon beinah klar gewesen war, wusste er nicht, was er sagen sollte.

Es traf ihn, als würde er es zum aller ersten Mal hören.

“Das ist… grausam”, zögerlich blickte er erneut an seinem Arm herunter, musterte die rote Wunde, die bereits aufgehört hatte zu glänzen. So sah sie beinah aus, als wäre sie bereits zu einer Narbe geworden. Er begriff es nicht, oder wollte es ganz einfach nicht verstehen.

Welcher Gott, oder welche Göttin würde Jemanden einen solchen Fluch auferlegen? Welcher Gott, oder welche Göttin wäre so grausam, so besitzergreifend so unverständlich?

Es war ein Fluch und keine Magie. Der Fluch niemals Jemanden berühren zu können, ohne ihm wehzutun.

Plötzlich machte die Traurigkeit und die Verzweiflung in Yongguks Augen einen Sinn und Daehyun fühlte sich, als würde er in ein noch viel tieferes schwarzes Loch fallen.

Er hatte keinen Zweifel mehr, das Yongguk nicht vorhatte ihm weh zu tun.

“Daehyun?”, es war wieder nur ein leises Flüstern, doch ihn das erste Mal seinen Namen sagen zu hören, ging ihm kalt durch Mark und Bein. Auch, weil es entschlossen und endgültig klang.

“Du wirst dich von mir fernhalten”.

"We're trapped in a box called reasons"

Daehyun hielt sich daran.

Nicht, weil er glaubte, das Yongguk ihm etwas antun wollte, doch weil die Ereignisse der vergangenen Zeit ihm viel zu sehr die Luft zum Atmen genommen hatten. Er wusste nicht wo ihm der Kopf stand, viel zu sehr dachte er darüber nach, was das alles zu bedeuten hatte. Er war aus der Bibliothek verschwunden, in dem Wissen, das Yongguk genau das von ihm erwartet hatte. Doch was hätte er tun sollen? Er kannte Yongguk kaum, hatte keine Ahnung was hinter diesen schwarzen Augen in seinem Kopf vorging und wusste nur, dass er aus irgendeinem Grund immerzu an ihn denken musste.

Er konnte sich einfach nicht dazu bringen, Angst vor ihm zu haben. Trotz der Erinnerung an die Schmerzen, an das komische Gefühl in seinem Kopf, nicht mehr Herr über seinen eigenen Körper zu sein.

Trotz, dass er eine Nabe seiner Hand auf seinem Oberarm trug. Etwas das ihn für immer zeichnen würde, war aus irgendeinem Grund so vollkommen unwichtig für ihn.

Er hatte auch Youngjae davon überzeugen können, dass sein Verschwinden wirklich nur damit zu tun gehabt hatte, dass er durch den Wind gewesen war. Auf der Suche nach frischer Luft und nicht, um sich heimlich mit Yoongi zu treffen oder anderen mysteriösen Dingen nachzugehen (Youngjae hatte eine ziemlich blühende Phantasie an den Tag gelegt). Schließlich hatten mit der Zeit auch die skeptischen Blicke aufgehört.

Auch Yoongi hatte bis heute nicht mehr mit ihm geredet, manchmal hatte er das Gefühl, seinen Blick in seinem Rücken zu spüren, scharf und durchbohrend wie immer. Doch er konnte es nicht sicher sagen, da er nicht die Kraft hatte, sich darum zu kümmern.

Er versuchte sich dafür im Unterricht zu konzentrieren, an etwas Anderes zu denken, als an den einsamen Blick in diesen schwarzen Augen und an die rote wütende Aura in der Bibliothek. Die ihm gesagt hatte, dass er sich fernhalten sollte - Jetzt und am besten für immer.

Doch jeden Abend, wenn Youngjae neben ihm endlich eingeschlafen war, schob er den langen Ärmel seines Pullovers nach oben und musterte die rote Stelle, die er so angestrengt vor allen Anderen zu verstecken versuchte. Er ging mit der Hand über die glatte Haut, wunderte sich jedes Mal, wie es sein konnte, dass Jemand solch eine grausame Macht besaß.

Nur um danach eine weitere Nacht wach zu liegen, sich dabei sehnsüchtig den Morgen herbei zu wünschen, an dem er sich wieder anderen Dingen zuwenden konnte.

Seine Kopfschmerzen waren bereits ein stetiger Begleiter geworden, immer wieder musste er Youngjae eine andere Ausrede dafür auftischen, dass er die Zeit lieber in seinem dunklen Zimmer verbringen wollte, als mit ihm und Zelo etwas zu unternehmen.

Doch auch Yongguk schien immer weniger den Unterricht zu besuchen. Verbrachte scheinbar umso mehr Zeit in der Bibliothek. Daeh erhaschte nur selten einen Blick auf ihn, einmal hatten sich ihre Blicke getroffen, leer und starr, als wüsste keiner der Beiden, ob sie es sich erlauben durften, dem Anderen die Wahrheit zu zeigen.

So waren ganze zwei Wochen vergangen, ohne das Daeh das Gefühl hatte, wirklich Abstand zu bekommen. Es war eher, als würde er mit jedem Tag tiefer hinein rutschen, immer mehr ein Teil dieser ganze Sache werden und er war schlussendlich an dem Punkt angekommen, an dem er das Gefühl hatte nicht mehr flüchten zu können. Er wusste Etwas, das sonst Niemand wusste. Somit hatte er eine Verantwortung.

“Daehyun, hast du das verstanden?”, Himchans Stimme drang in sein Bewusstsein und angestrengt riss sich Daeh aus seinen düsteren Gedanken. Selbst wenn er nicht wusste, über was er gerade noch geredet hatte, nickte er. Sorgte dafür dass selbst Himchan ihm einen zögerlichen Blick schenkte, als wüsste er nicht, ob er noch einmal nachfragen sollte.

Stattdessen wanderte er ans Pult zurück, schrieb wie immer eine Seite an die Tafel und die nächsten Sekunden wurden von dem lauten Geräusch von Papier und das Kritzeln der Stifte erfüllt.

“Mal im Ernst, wo bist du die letzte Zeit mit deinen Gedanken?”, flüsterte Youngjae, da Himchan angefangen hatte, etwas über Vampire im Mittelalter zu erzählen und er nicht riskieren wollte, dass er ihn hörte. Daeh atmete tief, wie immer wenn er versuchte, seine Laune, wenn auch nur gespielt, nach oben zu treiben.

“Alles ist gut, ich bin nur… müde”, meinte er unter einem kleinen Lächeln, doch Yjae schien nur leise zu seufzen. Als würde er seine Ausreden zwar nicht glauben, es aber respektieren, dass er nicht mit ihm darüber reden wollte. Trotzdem machte er sich Sorgen. Daehyun wusste, das es nicht einfach war, ihn zu verstehen. Schließlich hatte er von Anfang an verschwiegen, um was es wirklich ging. Er hatte schon angefangen zu lügen, als es nur um die bescheuerten Geschichtsbücher gegangen war. Nie hatte Yjae herausgefunden, dass er gar nicht seine, sondern Yongguks Buch benutzt hatte.

Eine dumme Kleinigkeit - doch hier war er jetzt. Log über die Halloween-Party, darüber dass Yongguk seinen Körper und seine Gedanken kontrolliert hatte, über alles. Und das obwohl Youngjae sein bester Freund war.

Nur hatte er aus irgendeinem Grund Angst davor. Was war, wenn er es nicht verstand?

“Wie du meinst”, sagte er leise, Daeh konnte hören dass er enttäuscht war, doch war auf der anderen Seite erleichtert, das er das Thema nicht noch einmal aufrollen wollte. Daehyuns Erklärungen wurden mit der Zeit immer dünner, somit hätte er nicht gewusst, was er dieses Mal gesagt hätte.

Himchan redete noch eine ganze Weile weiter, während Daehyun sich schlussendlich voll und ganz in seinen Unterlagen verlor. Er schrieb eine ganze Weile mit, bis zu dem Punkt an dem er den Faden verlor, anfing komische Dinge auf die Ecken seines Blocks zu kritzeln. Nur so lange, bis er die erlösenden Worte hören konnte, mit denen Himchan den Unterricht schloß.

“Zelo hat versprochen mir mit den Biologie Hausaufgaben zu helfen”, Youngjae war bereits aufgestanden, hatte seine Tasche schneller gepackt, als das es Daehyun im ersten Moment richtig realisieren konnte. Doch er bremste sich in seiner Bewegung, schaute Daeh lange an und schien leise auszuatmen.

“Kommst du zurecht?”, wollte er sanft wissen. Daeh schenkte ihm ein Lächeln, diesmal sehr viel ehrlicher, als zuvor. Dabei, die losen Blätter wieder in seinen Block zu stecken und in seiner Tasche zu verstauen.

“Klar, geh ruhig”, meinte er sachte, schaffte es, das Youngjae nicht wieder seufzte, als wäre er ein hoffnungsloser Fall von Depressionen, ehe er mit den Anderen hektischen Körpern aus der Klassenzimmertür verschwunden war. So schlecht sich Daeh fühlte, doch er war erleichtert, wieder für den Rest des Tages alleine zu sein. In dieser Zeit musste er wenigstens nicht aufpassen, was er sagte, oder ob sein Blick wieder düster anstatt hell und motiviert aussah.

“Daehyun, kann ich kurz mit dir reden?”, Himchan stand angelehnt an seinem Pult und mit verschränkten Armen da, die Miene ernst verzogen, weshalb Daehyun sich schon jetzt auf eine Ansprache gefasst machte. Er warf sich die Tasche über die Schulter und kam langsam die wenigen Schritte zu ihm herüber - atmete auf dem Weg schon tief aus, als könnte er sich so mental darauf vorbereiten, was jetzt folgen würde.

Sie waren die Einzigen im Raum, binnen Sekunden war das Klassenzimmer leer gefegt, als würden alle sehnsüchtig zum Mittagessen rennen. Daehyun hatte jedoch nicht wirklich Appetit, noch ein Grund mehr, sich keinen Stress zu machen.

“Ist alles okay mit dir?”, wollte Himchan wissen, wirkte dabei irgendwie knapp und kurz angebunden, als würde er mit dem eigentlichen Thema nicht sofort rausrücken. Daehyun konnte sich ein Seufzen verkneifen, da er diese Frage in den letzten Tagen schon viel zu oft hatte beantworten müssen.

“Klar”, er zuckte lediglich die Schultern und Himchan schien erleichtert zu sein, das zu hören. Er wippte fast ungeduldig von einem Fuß auf den Anderen und brauchte einen Moment, bis er die nächsten Worte endlich heraus rückte.

“Kann ich dich um einen Gefallen bitten?”, wollte er wissen.

“Klar… worum geht’s?”, Daehyun wusste, das es vielleicht keine gute Idee war, nicht einmal nachzufragen worum es ging. Er hatte keine Lust das es am Ende auch noch um den Unterrichtsstoff gehen würde. Doch er war zu erleichtert darüber, das Himchan nicht über seinen Gefühlszustand reden wollte.

“Wie dir wahrscheinlich aufgefallen ist, kommt Yongguk fast gar nicht mehr zum Unterricht”, er machte eine Pause, lange genug, das Daehyun spürte, wie sich etwas in seiner Magengrube zusammen zog.

“Und?”, schaffte er es nüchtern heraus zu pressen, ohne zu überrascht zu klingen. Himchan zuckte die Schultern.

“Ich hab versucht mit ihm zu reden, doch auf mich und die Anderen scheint er nicht zu hören. Da ist mir eingefallen das ihr auf der Halloween-Party miteinander geredet habt”, wieder eine Pause, Daeh hätte ihm am liebsten ungeduldig an den Schultern geschüttelt, bis er endlich mit der Sprache rausgerückt war. Stattdessen nickte er lediglich, verstränkte die Arme vor der Brust.

“Er hat scheinbar Niemanden sonst, mit dem er redet… und wenn ihr befreundet seit, dachte ich du könntest ihm einmal ins Gewissen reden”, brachte er es endlich zu Ende. Nur um Daehyun blinzelnd und starr zurück zu lassen.

Warum jetzt? Warum ausgerechnet, wenn Daeh keine Ahnung hatte, wie er überhaupt mit ihm reden sollte? Nicht, das er es in den letzten Tagen nicht schon versucht hatte. Doch immer hatte ihn der Mut verlassen, wenn er vor der Bibliothek gestanden hatte.

“Auf mich wird er genauso wenig hören”, flüchtete er sich deswegen feige.

“Ach komm schon. Du musst ihn ja nicht belehren - ihm nur sagen, das er Probleme bekommen wird, wenn er so weiter macht. Ich möchte vermeiden, dass der Rektor sich einschalten muss. Er soll nicht denken, das ich meine Schüler nicht unter Kontrolle habe”, meinte Himchan eindringlich und so verdammt stolz, das Daeh fast die Augen verdreht hätte.

“Oder gibt es irgendein Problem?”, hakte er dann nach, zog tief die Brauen ins Gesicht.

“Nein… nein, kein Problem”, Daehyun wirkte viel zu ertappt, als das man ihm glauben könnte.

“Gut, es ist schön zu wissen, dass er wenigstens einen Freund hat”, meinte er. Selbst wenn Daehyun noch einmal versucht hätte, zu widersprechen, war Himchan bereits vollkommen davon überzeugt, dass er ihm helfen würde. Er hatte seine schwarze Ledertasche gepackt, die eher wie ein Aktenkoffer aussah und hatte sie sich unter den Arm geklemmt. Ließ Daehyun absichtlich keine Wahl und sein Lächeln war viel zu selbstsicher, als er sich auf den Weg nach draußen machte.

Und Daehyun endlich laut seufzen konnte, so laut, dass er das Gefühl hatte all die komischen Gefühle in seiner Magengrube verscheucht zu haben. Er ging sich über das Gesicht, fühlte sich aus irgendeinem Grund plötzlich viel kleiner und dümmer als er war.

“Jetzt reiß dich zusammen, Dummkopf”, ermahnte er sich selbst, als wäre er ein kleiner Junge, den man noch belehren musste. Auch blieb er viel zu lange in dem leeren, stillen Raum stehen, fast als würden seine Beine nicht so wollen, wie er.

Doch er tat es wirklich, ging sich auf dem Weg zur Bibliothek viel öfter als sonst über die rote Stelle unter seinem schwarzen Pullover, als würde sie bei dem Gedanken mit Yongguk zu reden, wieder anfangen zu schmerzen. Nur bildete er sich dass lediglich ein.

Er wollte es hinter sich bringen, Himchans dummen Gefallen Folge leisten. Dabei redete er sich selbst ein, dass er das Richtige tun wollte und nicht, weil der Gedanke ihn wieder zu sehen, ihn auf eine komische Weile erfüllte. Fast als hätte er auf so eine Gelegenheit gewartet - einen Vorwand, um nicht wieder umzudrehen und die Bibliothek nicht zu betreten.

Die Korridore waren viel voller als sonst, hektische Schüler mit ihren Taschen, schnatternde Mädchen, als hätten sie sich schon seit Jahren nicht mehr gesehen und mussten sich jedes kleinste Detail ihres Tages erzählen. Daehyun schlich sich unauffällig an ihnen vorbei, wurde wie erwartet einfach ignoriert.

Umso komischer war es zu sehen, dass die Bibliothek wie immer, fast wie leer gefegt war. Im obersten Stock saß nun eine rothaarige Lehrerin mit schwarzer Brille am Empfang, gerade mal 2 Schüler standen zwischen den Regalen und unterhielten sich mehr, als das sie nach etwas suchten. Es war komisch, das Daehyun schon das Gefühl hatte, das Yongguk da sein würde, als er die Treppe herunter lief. Es war wie als würde er ihn schon jetzt spüren. Er war sich auch mehr als sicher gewesen, wieder hierher kommen zu müssen, als Jemanden zu fragen, in welches Zimmer er gehen musste. Doch er schüttelte dieses komische Gefühl wieder ab, ließ auch wieder seine Hand sinken, die wie von alleine an seinen Arm gewandert und dort festgefroren war.

Der unterste Stock war so viel kühler und dunkler als der erste, Daeh konnte einen weiteren Schüler zwischen den Regalen erkennen, doch er hatte sich weiße Kopfhörer in die Ohren gesteckt und war dabei, eines der Bücher zu durchsuchen, welches er aus dem Regal gezogen hatte.

Yongguk saß nicht wie letztes Mal am Tisch, Daeh konnte ihn auch nicht auf Anhieb entdecken. Er wanderte immer weiter in den Raum hinein, fast hatte er das Gefühl wieder umdrehen zu müssen, doch nach wenigen Sekunden konnte er seine Aura zwischen den Regalen schimmern sehen. Wie ein kleines Licht, das ihm den Weg wies.

Daehyuns Herz schlug viel zu schnell, als es normal gewesen wäre. Er spürte wie seine Handflächen erneut feucht wurden, wie immer, wenn es um ihn ging. Tief atmete er ein und wieder aus, wahrscheinlich laut genug, dass er es gehört hatte.

Yongguk hatte ebenfalls ein Buch in der Hand, es ruhte aufgeschlagen in seiner Handfläche und mit ruhigen, dunklen Augen studierte er die Seite vor sich. Seine schwarzen Haare lagen wie immer wellig um sein blasses Gesicht. Daeh konnte dunkle Ringe unter seinen Augen erkennen und plötzlich fragte er sich, ob er die letzten zwei Wochen genauso schlecht geschlafen hatte, wie er.

“Hi…”, meinte er leise, versuchte ihn nicht zu erschrecken. Er zuckte trotzdem sachte, hatte ihn scheinbar nicht kommen gesehen und das obwohl er fast genau neben ihm gestanden hatte. Daehyun fühlte sich sofort komisch dabei, so nichtssagend vorbei zu schauen, als wäre rein gar nichts zwischen ihnen passiert. Doch er wusste auch nicht, was er hätte sonst tun sollen.

“Daehyun”, erwiderte er, seine Stimme schien für wenige Sekunden zu zittern, doch es war so sachte, das Daeh es sich auch nur eingebildet haben könnte. Er schien etwas rastlos zu sein, wusste nicht, ob er das Buch vor sich zuklappen oder Daeh gleich wieder verschwinden würde.

Doch der konnte nicht ignorieren, wie er sich genau in diesem Moment fühlte. Er verschwendete keinen Gedanken daran, wieder schnell zu verschwinden, eher sprangen ihm immer mehr Erklärungen und Ausreden durch den Kopf, die erklären würden, dass er viel länger als gemusst hier in der Bibliothek bleiben wollte.

“Hab ich nicht gesa-”

“Gesagt das ich mich fernhalten soll? Hab schon verstanden. Nur bin ich schon wieder auf Mission Himchan unterwegs, du würdest mir also einen Gefallen tun mich mal wieder vor dem Tod zu retten”, Daehyun lächelte sachte, als er die nächsten Worte hinzu fügte, ahmte seine eigene Stimme nach, “und schließlich will ich nicht sterben- zumindest noch nicht Jetzt”.

Daehyun hätte eher damit gerechnet, dass Yongguk ihn trotz dessen mit einer ernsten Ansprache abweisen, ihm sagen würde dass es ihm egal war und ihn wegschicken würde. Doch stattdessen drang einer der beruhigendsten und melodischsten Geräusche in sein Ohr, die er in der letzten Zeit gehört hatte.

Yongguk lachte leise, versteckte seine weißen Zähne hinter einer Hand, als wollte er sich selbst nicht ganz erlauben, es amüsant zu finden. Seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen, ein Anblick den Daehyun wahrscheinlich nicht wieder so schnell vergessen würde. Und ohne es zu merken, hatte auch er zu grinsen angefangen. Niemals hätte er gedacht Yongguk einmal zum Lachen bringen zu können.

Ab diesem Moment schien die Stimmung besser zu werden, Yongguk klappte das Buch zu, welches er noch immer in der Hand gehalten hatte und stellte es in das Regal zurück. Nur um sich ohne Worte und mit langsamen Schritten auf den Weg in die andere Ecke des Raumes zu machen, wo er sich langsam wieder an den Tisch nieder ließ, den Daehyun jetzt schon mehr als gut kannte. Es war als würde alles Wichtige an diesem Tisch passieren.

Der andere Junge mit den Kopfhörern schien verschwunden zu sein, Daeh hatte ihn zumindest nicht mehr zwischen den Regalen entdeckt.

“Wegen was schickt dich Himchan?”, wollte Yongguk plötzlich wissen, Daeh war beinah enttäuscht darüber, dass sein Ton wieder rational und nüchtern klang. Viel lieber wollte er noch einmal sein Lachen hören, oder ein Lächeln auf seinen Lippen sehen.

Doch er schüttelte diesen Gedanken wieder schnell von sich, als könnte man ihn aus seinen Augen lesen.

“Er macht sich Sorgen, da du nicht mehr zum Unterricht kommst”, Daehyun spürte, dass es sich so viel dümmer anhörte, als er es laut ausgesprochen hatte. Als wäre er seine Mutter, oder würde nicht verstehen, was der Grund dafür war, dass es so gekommen war. Sie wussten es Beide und Daeh wünschte sich, anders angefangen zu haben.

Wie erwartet zog Yongguk die Brauen ins Gesicht, schien genauso verwirrt zu sein, wie sich Daehyun gerade fühlte.

Tief atmete er durch, als er keine Antwort bekam.

“Hör zu, ich weiß es ist komisch das ich mit sowas zu dir komme… doch Himchan hat gesagt ich wäre der Einzige der mit dir redet. Außerdem… hatte ich auch so vor zu kommen - irgendwann...”, er konnte sich gerade noch verkneifen, naiv wie er war, die Schultern zu zucken und der ganzen Sache irgendwie nicht die nötige Ernsthaftigkeit zu schenken. Dabei war es ihm mehr als ernst.

Yongguks Miene wurde plötzlich sanfter, seine Brauen entspannten sich und langsam ließ er die Luft aus der Lunge entweichen.

“Ich hab nicht mit dir gerechnet…”, sagte er plötzlich leise, fast wie Etwas, das er sich selbst sagte. Auch sein Blick war jetzt auf die Tischplatte geheftet, seine Aura ruhig und entspannt. Es war so ganz anders, als sie das letzte Mal miteinander geredet hatten.

“Es war schwer...”, fing er wieder nur mit dem Bruchteil einer Erklärung an, sodass Daeh noch immer nicht verstand, was er meinte. Yongguk hob den Blick, schien die Verwunderung ohne Probleme in seinen Augen zu lesen.

“Es war schwer nicht mit dir zu reden… ich weiß nicht mal warum”, sagte er dann, sorgte dafür dass Daehs Herz so heftig zu pochen anfing, das er Angst hatte er würde es hören.

“Nachdem ich dir das… angetan habe… Hätte ich nicht gedacht das du noch einmal mit mir redest”, dieses Mal versteckte er nicht das Gesicht hinter seinen Haaren, oder starrte auf die Tischplatte. Er schenkte ihm einen durchdringlichen, ehrlichen Blick, als wollte er, das Daeh diesmal lesen konnte, was hinter seinen schwarzen Augen vor sich ging.

“Und du scheinst nicht mal Angst zu haben”, es war eher wie eine verwunderte Feststellung, die ihn schon die ganze Zeit durch den Kopf gegangen war. Daeh wusste, eigentlich war er Derjenige der redete, während Yongguk der war, der zuhörte, knappe Antworten in den Raum warf oder gar nichts sagte.

Doch dieses Mal war er es, der zuhörte und nicht wusste, was er sagen soll.

Yongguk wartete auf eine Antwort, auf Etwas das ihm bei diesem Gedanken bestätigen würde, doch Daeh musste einen ganzen Moment die Wörter in seinem Kopf in eine sinnvolle Reihenfolge ordnen.

“Es ist nicht so, dass mich das Ganze nicht verfolgt hätte…”, fing er an, sorgte dafür das etwas von Yongguks Überzeugung aus seinen Augen zu weichen schien. Weswegen er seine nächsten Worte hektischer sprach, als er wollte.

“Doch ich glaube einfach nicht daran, das du das extra gemacht hast… oder das du böse, der Antichrist oder eine andere böse Kreatur bist, was auch immer”, leise seufzte er, versuchte sein Tempo zu bremsen und seine Worte bedachter zu wählen.

“Der Antichrist?”, kam ihm Yongguk jedoch zuvor, ein kleines Grinsen auf den Lippen und seine Aura tänzelte amüsiert um ihn herum.

Daehyun konnte nicht anders, als sachte zu lächeln, als ihm wieder einfiel, das es das war, was er über ihn in der ersten Woche gedacht hatte. Oder das ihm dieses Wort zumindest verdächtig oft durch den Kopf geschossen war.

“Müssen wir noch länger darüber reden?”, meinte er dann und sachte schüttelte Yongguk den Kopf.

“Du kannst Himchan sagen das ich das nächste Mal da sein werde”, versicherte er ihm mit einem kleinen sanften Lächeln und langsam löste sich Daeh von seinem Stuhl. Stand genauso langsam und nachdenklich auf, als wüsste er nicht, ob er einfach gehen sollte. Es schossen ihm viele Dinge auf einmal durch den Kopf, Dinge die auf den ersten Anhieb gar keinen Sinn machten und tatsächlich drehte er sich noch einmal um, ehe er ihn einfach still dort an dem Tisch sitzen ließ.

“Darf ich dich morgen wieder besuchen kommen?”, fragte er, durfte das allererste Mal in das leicht errötete Gesicht von Bang Yongguk blicken, welches plötzlich so sanft und so viel weniger dunkel und starr wirkte, als sonst.

Aber er nickte, gab Daehyun offiziell die Erlaubnis, sich nicht mehr von ihm fernhalten zu müssen.

“Keine Sorge, ich komm dir auch nicht zu nah, du weißt schon”, meinte Daeh unter einem Schulterzucken, doch Yongguk blinzelte ihn nur trocken an.

“Zu früh für Scherze?”, fragte er deswegen kleinlaut.

“Auf jeden Fall zu früh”, bestätigte Yongguk.

Und mit einem letzten, eher zurückhaltenden Lachen, ließ Daehyun ihn alleine. Fühlte sich so viel besser, als die Tage davor, hatte das Gefühl wenigstens einem kleinen Teil der schweren Gedanken Luft gemacht zu haben.

Es hatte die Narbe nicht ungeschehen gemacht, doch Daeh hatte ein Anrecht darauf, den Mann kennen zu lernen, der ihn ungewollt gezeichnet hatte. Auch wenn der nicht zu verstehen schien, dass die Verantwortung nicht mehr nur auf seinen eigenen Schultern lag.
 

In der kommenden Zeit schien die Bibliothek wie ein geheimer Treffpunkt geworden zu sein. Es war nicht bei dem einen Treffen geblieben. Fast jede Woche, manchmal öfter, schaffte Daehyun es, Youngjae etwas auftischen zu können, was ihn sich von ihm losreißen ließ.

Und immer saßen sie am selben Tisch, manchmal Bücher vor ihnen, manchmal redeten sie lediglich darüber, was den Tag über passiert war. Meistens war es dann Daehyun, der hektisch vor sich hin redete, als würde es kein Ende finden, als würde er kein Punkt und kein Komma kennen. Er redete über Himchan, über das Magie-Training welches noch immer nicht erfolgreich für ihn verlief, über Youngjaes kleine, nervenaufreibende Aktionen. Dass er ihn morgens immer noch nicht duschen ließ, er fast jeden Morgen das selbe Müsli aß und er fast immer zu spät zum Unterricht kam. Er redete über jedes dumme kleine Detail, während Yongguk ihm nur ein aufmerksames Lächeln schenkte, als wollte er ihn unter keinen Umständen unterbrechen.

Nur wenn es um Kunst ging, war Yongguk an der Reihe aufzublühen. Fast jeden Künstler und jede Bedeutung wusste er, konnte ihm sagen, aus welcher Zeit die Bilder aus den Büchern kamen, welche er schon beinah alle gelesen hatte. Egal welches Buch Daehyun aufschlug, Yongguk kannte es bereits.

Das waren die einzigen Momente, in denen Yongguk viel mehr redete als sonst, sich fast schon ein wenig darin verlor, um dann immer mit einem kleinen Kopfschütteln festzustellen, dass er viel zu energisch bei der Sache war.

Daehyun mochte es. Wenn er viel redete.

Er redete sonst nicht wirklich über sich, wisch Daehs Fragen aus, wenn es darum ging, dass er etwas über seine Vergangenheit erfahren wollte. Lenkte in diesen Momenten das Thema nur wieder auf Daehyun, als würde der nicht merken, dass seine schwarzen Augen sich verschlossen, fast wieder wurden, wie am Anfang.

Er drängte ihn nicht, doch er hatte nach diesen vielen Wochen das Gefühl, mehr über ihn erfahren zu wollen.

“Ich glaube Fr. Lee hat längst die Hoffnung in mich verloren”, meinte Daeyhun gerade deprimiert, hatte sich tief und beinah trotzig in den hölzernen Stuhl gelehnt und blickte beleidigt zu Yongguk herüber, der mit schwungvoller Schrift seine Hausaufgaben für morgen korrigierte. Er blickte fragend zu ihm herauf und stoppte für ein paar Sekunden was er tat.

“Egal was ich tue… es bringt nichts. Ich weiß langsam nicht mal mehr, ob da auch nur ein Funken Magie in mir steckt” Daehyun wusste, dass es viel zu hart war, so über sich selbst zu urteilen. Doch er war deprimiert, beinah schon mutlos und erschöpft. Er hatte das Gefühl nutzlos zu sein, irgendwie den eigentlich Sinn nicht erfüllen zu können, der ihn schließlich eigentlich erst hier her gebracht hatte.

Yongguk legte sorgfältig seinen Stift neben seinen Block, lehnte sich plötzlich ein kleines Stück zu Daeh herüber.

“Dafür glänzt deine Aura viel zu sehr”, er hatte eine Hand nach ihm ausgestreckt, ließ etwas von der weiß, schimmernden Masse durch zwei seiner Finger gleiten, fast als würde er sie wirklich auf seiner Haut spüren. Dabei war seine Stimme dunkel und ruhig wie immer. Daehyun wusste, dass er Yongguks Haut nicht berühren durfte, unter keinen Umständen. Doch die Wärme die von seiner Hand ausging war so greifbar, dass er es beinah vergessen hätte. Direkt neben seiner Wange, als würde er ihm beruhigend darüber streicheln.

Erstarrt blickte er ihm in die Augen, wusste selbst nicht, was als nächstes passieren würde. Viel zu hoch war sein Puls, viel zu stark klopfte sein Herz, als wäre er einen imaginären Marathon gelaufen. Doch was zur Hölle war das? War es Angst? Daehyun wusste, dass er keine Angst hatte. Doch er wusste nicht, was es sonst war.

“Warum zeigst du es mir nicht?”, fragte Yongguk jetzt, hatte seine Hand wieder langsam von ihm entfernt und sofort war auch die Wärme wieder verschwunden, die durch seinen ganzen Körper gestrahlt hatte. Yongguk hatte ihn noch nie singen gehört. Was daran lag, dass er das Magie-Training immer noch nicht besuchte.

Etwas, das neben den ganzen Anderen Dingen jetzt ebenfalls Sinn machte.

“Willst du mich noch mehr deprimieren?”, wollte Daeh wissen, ein kleines nervöses Lächeln auf den Lippen, als müsste er noch immer verstecken, das sein Herz gnadenlos gegen seine Brust hämmerte. Yongguk schüttelte sachte den Kopf, nahm den Stift wieder in die Hand und schenkte ihm einen kleinen Blick.

“Nein, ich will es nur hören”, meinte er bedacht.

Daehyun hatte fast das Gefühl, sich nicht gegen seine Bitte wehren zu können. Auch, weil es das erste Mal überhaupt war, das Yongguk um etwas bittete.

Er atmete tief, konnte sehen dass er wieder anfing etwas auf sein Papier zu schreiben, geduldig, als wollte er Daehyun nicht in Verlegenheit bringen.

Seine Stimme war viel zu leise, als er die vertrauten koreanischen Worte des einen Liedes über die Lippen brachte, welches seine Mutter ihm damals immer vorgesungen hatte, als sie ihn ins Bett gebracht hatte. Es war das einzige Lied, das er gerne sang. Es besaß nicht viele Worte, eher eine gesungene Melodie.

Nur zögerlich wurde er lauter, so laut, sodass die Melodie von den staubigen Büchern und dem stillen Raum wieder zu ihnen zurück geworfen wurden. Er hatte fast das Bedürfnis die Augen zu schließen und sich zu erlauben, sich für wenige Minuten im Moment zu verlieren. Doch er konnte sehen, dass Yongguk für wenige Sekunden stoppte etwas zu schreiben, starr auf sein Papier blickte, als würde ihn dieses Lied an etwas erinnern.

Auch als er ihn ansah, hörte Daeh nicht auf zu singen, die Verlegenheit und die Nervosität war in diesem Moment wie weggefegt, als wäre sie nie da gewesen.

“Hör nicht auf”, flüsterte er plötzlich, brachte Daeh beinah aus dem Rhythmus, doch er gehorchte, brachte eine weitere Melodie über die Lippen, auch wenn das erste Lied bereits vorbei war.

Aus irgendeinem Grund streckte er erneut die Hand nach ihm aus, doch dieses Mal kam sie ihm so viel näher als davor, war nur noch einen Millimeter von seiner Wange entfernt. Daehyun spürte die Angst in seiner Brust, wie eine kleine Flamme die erneut aufzuleuchten schien. Doch er erinnerte sich an seine Worte, dass er nicht aufhören sollte und irgendwas in Yongguks Augen wirkte, als wüsste er, was er tat.

Er starrte auf die Stelle an seiner Wange, mit so viel Entschlossenheit, ihn zu berühren, das Daehyun beinah vor Erwartung die Augen schloss.

“Daehyun?”, Yongguks Hand schnellte zurück, Daehyuns Lied verstummte mit einer solchen Wucht, dass sein Atmen schwer und kontrolliert ging. Er starrte die Treppe hoch, versuchte auszumachen, woher die störende Stimme gekommen war und er stellte nur mit tiefster Unzufriedenheit fest, dass es Min Yoongi war, der mit erschrockenen Augen zu den Beiden herüber blickte, als hätte er einen Mord beobachtet.

"I can't stop now"

“W-Was machst du hier?”, stammelte Daehyun, dabei hörte er sich so sehr ertappt an, das es beinah auf der Hand lag, dass es nicht “Nichts” war, was gerade zwischen ihm und Yongguk passiert war.

Yoongis Augen zitterten heftig, seine Brauen zogen sich zusammen und es bildeten sich kleine verärgerte Fältchen dazwischen.

“Das… könnte ich dich auch fragen”, zischte er so wütend, das Daeh nicht einmal wusste, was er darauf erwidern sollte. Sein Blick wanderte auf Yongguk, so verachtend und hasserfüllt, das Daehyun sich beinah dazwischen gestellt hätte. Doch Yoongi drehte sich um, rannte die Stufen wieder hoch, die er nicht mal bis unten hinter sich gebracht hatte.

Der Raum war so lange, auf eine so komische Weise still, das Daehyun das Gefühl hatte, innerlich zu explodieren.

“Willst du nicht hinterher?”, wollte Yongguk plötzlich wissen, dabei hörte er sich so ruhig und gelassen an, als würde er über das Wetter reden. Irgendwie konnte sich Daehyun daran festhalten.

“Ich… weiß es nicht”, meinte er ehrlich. Im nächsten Moment jedoch dennoch dabei, aufzustehen. Fast als würden seine Beine schneller handeln, als sein Geist es ihnen befohlen hatte.

“Bin...gleich wieder da”, meinte er unsicher, nicht ganz davon überzeugt, die richtige Entscheidung zu treffen. Doch er wollte wenigstens versuchen, Licht ins Dunkel zu bringen. Warum Yoongi sich schon von Anfang an so komisch verhalten hatte, ihm immer wieder einen Grund gegeben hatte, sich zu wundern. Irgendwas stimmte nicht, doch er konnte beim besten Willen nicht sagen, was es war.

Er rannte die Treppe in demselben Tempo nach oben, fühlte sich komisch Yongguk in dem stillen Raum alleine zu lassen. Doch er war viel zu aufgewühlt, um sich zu lange Gedanken darüber zu machen.

Er verließ die Bibliothek mit schnellen Schritten, konnte gerade noch erkennen, wie Yoongi stürmisch hinter der Glastür zu seiner Linken in der Empfangshalle verschwunden war.

Er riss die Tür als Nächstes auf, spürte kühle Luft nach innen strömen.

“Yoongi, warte!”, rief er aufgebracht, wurde langsam wütend darauf, dass er nicht stehen bleiben wollte, obwohl er seine lauten Schritte hinter sich gehört haben musste.

“Was ist dein Problem?”, zischte er aufgebracht, schaffte es, Yoongi am Arm zu packen und ihn zu sich umzudrehen.

“Suga! Ich hab gesagt ich heiße Suga!”, seine Stimme stieg fast zu einem Brüllen an, so wütend über eine in diesem Moment unwichtige Sache. Daehyun wusste, das es nicht darum ging, zog dennoch verwirrt die Brauen zusammen.

“Was zur Hölle ist falsch mit dir?”, wollte er wissen. Ein Schüler war nichtsahnend von draußen in die Halle gekommen, musterten sie jetzt neugierig, als gäbe es etwas Spannendes zu sehen. Daehyun musterte ihn nervös, ließ seinen Arm wieder sinken, der immer noch Yoongis Oberarm umschlungen hatte und versuchte ihn angestrengt mit den Augen aufzufordern, zu verschwinden. Doch Yoongi ließ sich scheinbar viel weniger davon stören, dass sie Jemand hören konnte.

“Was mit mir nicht stimmt? Das sollte ich dich fragen!”, seine Pupillen zuckten heftig, das grün seiner Aura schien fast zu einem dunklen Grau zu werden. Daehyun konnte es einfach nicht begreifen, er begriff nicht, woher diese ganze Wut kam. Plötzlich kam Yoongi einen schnellen Schritt auf ihn zu, heftig packte er ihn am Ärmel seines schwarzen Pullovers und Daehyun versuchte sich panisch daraus zu befreien.

“Ich hab es gesehen! Ich hab es gesehen und gehört, was du unter diesem bescheuerten Pullover versteckst! Er war es, richtig?!”, er riss an dem dünnen Stoff herum, versuchte aggressiv den Ärmel nach oben zu schieben, der die Narbe zum Vorschein gebracht hätte, von der er eigentlich gar keine Ahnung haben dürfte. Er musste ihm gefolgt sein, musste Yongguk und ihn beobachtet haben, es lag so klar auf der Hand das Daehyun spürte, das es ihm die Luft abschnürte. Heftig versuchte er sich zu wehren, doch es wurde ein vergeblicher Kampf um die Oberhand.

“Du dürftest gar nicht mit ihm reden! Ich sollte eigentlich der sein, mit dem du redest. Ich sollte der sein, den du liebst!”, Yoongi stiegen wütende, glasige Tränen in die Augen, nicht mehr wirklich Herr über sich selbst, doch Daehyun war viel zu panisch als das er es realisieren konnte. Er versuchte immer noch, sich zu befreien, doch Yoongis Griff wurde immer fester und mit jedem Moment der verstrich fühlte sich Daehyun machtloser und schwächer. Liebe? Über was redete er?

Plötzlich schaffte er es den Ärmel nach oben zu schieben. Daehyun hielt die Luft an, seine Augen zuckten um sich, innerlich bereit, das sein Geheimnis, welches er so lange versteckt hatte, plötzlich der Öffentlich preisgegeben wurde.

Doch gerade in dem Moment, an dem er weit genug herauf gewandert war, tauchte eine weitere Hand auf. Sie stoppte ihn rapide und mit enormer Kraft. Fest und entschlossen legte sie sich um Yoongis Handgelenk, um die blasse, blanke Haut. Daehyun erkannte den silbernen Ring und das kleine Armband und er wusste das diese Hand dort auf keinen Fall liegen durfte.

“Fass ihn nicht an, verstanden?”, Yongguks Stimme war eisig, dunkel, so dunkel dass sie voller Macht von den Wänden wieder zurückgeworfen wurde, wie Etwas das über ihr Schicksaal entschieden hatte. Daehyun befreite sich, konnte die nächsten Sekunden nur viel zu langsam in seinem Gehirn verarbeiten.

Er konnte Yoongis panische Augen sehen, wie sie Yongguk anstarrten, dessen Griff immer fester zu werden schien. Beide wussten nur zu gut, was diese Berührung zu bedeuten hatte.

Aus dem einen Schüler, waren plötzlich mehr geworden, sammelten sich an den Eingängen und auf der Treppe. Sie fingen zu tuscheln an, alle nicht wirklich eine Ahnung was wirklich passierte.

“Yongguk, lass ihn los”, sagte Daehyun eindringlich, flehte ihn beinah an, als er sehen konnte, dass seine rote Aura erneut vor Wut peitschte, dieses Mal sogar noch viel mächtiger als zuvor. Daeh hatte nicht mal eine Ahnung, ob Yongguk ihn hören würde - ob er noch er selbst war. Seine Züge waren aus Stein, sein Blick starr und undurchsichtig und

Yoongis Augen wurden blass, beinah, als wäre da nichts mehr an Leben darin, keine Seele. Daehyun wusste das Yoongi in diesem Moment die Stimme in seinem Kopf hören konnte, die ihm in diesem Moment hätte alles befehlen können. Er würde Folge leisten.

Verzweifelt umfasste Daehyun Yoongis Oberarm, versuchte ihn mit eigener Kraft aus Yongguks Griff zu befreien.

Doch Yongguk schien sich mit jeder Sekunde zu beruhigen, kaum konnten seine Augen Daeh erblickten, wie ein Schlag in die Magengrube, eine Erinnerung an seine Vernunft. Beinah ergeben ließ er seine Hand sinken, ließ Yoongi endlich frei. Er stolperte nach hinten, starrte Yongguk mit verzweifelten Augen an und schüttelte immer wieder den Kopf, er konnte nicht glauben, dass es wirklich passiert war.

“Ihr seid krank... ihr Beide!”, zischte er so angewidert, das Daehyuns Brust sich heftig zusammen zog, hektisch wanderten seine Augen zwischen den Beiden hin und her. Nicht mal in der Lage, etwas zu sagen.

Yoongi stand auf, versuchte sich plötzlich so schnell wie möglich nach draußen zu flüchten, als er sehen konnte das Yongguk einen bedrohlichen Schritt auf ihn zumachte. Daeh schnappte hektisch nach Luft, nicht in der Lage durch seine eng zugeschnürte Brust zu atmen.

“Warum hast du das getan?”, flüsterte er verzweifelt in Yongguks Richtung, hatte sich vor ihm aufgebaut, als hätte er Angst, er würde einfach umdrehen und verschwinden. Die anderen Schüler standen noch immer da, doch einige schienen das Interesse zu verlieren, machten sich auf den Weg, wo auch immer sie eigentlich hin wollten.

Yongguks Augen sahen müde aus, erschöpft, doch konnte Daeh nicht einmal etwas wie Reue darin erkennen.

“Du wirst Schwierigkeiten bekommen! Warum hast du das gemacht?”, fragte er erneut, hatte angefangen mit einer Faust auf seine Brust zu schlagen, auch wenn er sich nicht sicher war, ob der Stoff seines T-Shirts die Berührung abdämpfen und er keine Verbrennungen erleiden würde.

Es war ihm egal. Er war so wütend und verzweifelt zur selben Zeit, seine Hände zitterten als er daran dachte, das Yoongi das alles nur getan hatte, weil er die ganze Zeit in ihn verliebt gewesen war. Liebe, Daeh wusste nicht mal, was das bedeutete.

Alles was in Daehyuns Kopf war, war Yongguk. Alles was ihn beschäftigte war, ob er in Schwierigkeiten kommen würde. Seine Schläge wurden schwächer, zeigten nicht mal eine Wirkung.

“Daeh…”, flüsterte Yongguk. Daeh konnte sich endlich dazu bringen, mit den nutzlosen Schlägen aufzuhören und schaute zu ihm herauf. Yongguk packte ihn mit den Händen an den Schultern, dort wo der Stoff seine Haut vor seiner Berührung schütze.

“Wenn ich könnte… würde ich sogar den Mond für dich kontrollieren. Also frag mich nicht, warum ich das getan habe”, sagte er leise und ruhig, Daeh spürte wie sein Herz für wenige Sekunden stehen blieb, nur das es dann mit langsamen, heftigen Schlägen wieder zu schlagen begann.

“Und wenn ich dich nicht wirklich berühren kann… dann darf es auch kein Anderer”, Yongguk ließ ihn los, ließ seinen Blick über die wenigen Vampire gleiten, die immer noch in ihrer Nähe standen, schenkte ihnen ein so eindringlichen Blick, das sie von alleine zu verschwinden schienen.

Daehyun war verwirrt, so sehr verwirrt, dass er nicht wusste, was er tun oder sagen sollte. Er spürte es in seiner Brust, dieses komische Gefühl der Erfülltheit. Das es richtig war, alles daran war irgendwie richtig.

“Wir müssen gehen”, meinte er hektisch, doch seine Stimme war alles andere als ein Zögern. Er wusste, dass es nicht lange dauern würde, bis Yoongi zum Rektor gegangen, ihm erzählt oder gar gezeigt hatte, was passiert war. Er war wütend und verzweifelt, Daeh wusste, dass er ihm schaden wollte.

Yongguk fragte nicht einmal nach, als Daehyun zur Eingangstür hechtete, dabei ignorierte er vollkommen, dass die Schüler draußen sie genauso verwirrt musterten, als wüssten sie nicht, wovor sie wegrennen.

“Daeh…”, stoppte ihn Yongguk, kurz bevor er durch das hohe metallene Tor laufen konnten, welches sie die Grenze endgültig überschreiten ließ. Es war Niemand hier, der das Tor bewachte - wozu auch? Sie durften das Internat verlassen. Nur wusste Niemand, dass Daehyun nicht vorhatte wieder zurück zu kommen.

“Tu das nicht…”, meinte Yongguk plötzlich, nervös und ungeduldig zog Daeh die Brauen ins Gesicht.

“Was soll ich nicht tun? Yongguk, wir müssen gehen - wenn die Lehrer herausfinden, dass du deine Magie gegen einen anderen Schüler gewendet hast…”, er stoppte sich selbst, seine Hand wanderte langsam seinen eigenen Arm hinauf.

“Gegen zwei Schüler…”, fügte er sachte hinzu.

“Was ist mit Youngjae?”, meinte Yongguk bedacht, als wüsste er schon jetzt, was Daehyun vorhatte. Das es hier nicht darum ging, für wenige Stunden das Schlachtfeld zu verlassen. Dass er wirklich abhauen wollte.

Daehyun hatte nicht an Youngjae oder irgendjemand Anderen gedacht, viel zu hektisch waren die letzten Minuten vergangen, von denen sein Herz immer noch zu schnell schlug und das Adrenalin immer noch heftig durch seine Adern floß.

Er blickte auf das graue, riesige Gebäude vor seinen Augen, musterte es länger als gemusst. Denn er wusste bereits, was er tun musste. Was er bereit war zu tun.

“Wir müssen gehen”, sagte er erneut.

"Wake me up and open my eyes"

Mit neunzehn sollte man sich Gedanken um Mädchen, Geld oder den eigenen dummen Stolz machen. Darüber, dass die Schule nervt und die Lehrer unfreundlich sind.

Doch man sollte mit neunzehn nicht abhauen und sich Gedanken darüber machen, wie man entkommen konnte. Naja, vielleicht war das auf einer richtigen Schule so. Unter Menschen. Menschen die ihre Magie nicht gegen andere Vampire eingesetzt hatten.

Yongguk hätte Daehyun niemals verraten, dass sein Herz viel schneller schlug als es sollte. Dass er hinter seiner ernsten Fassade für ein paar Minuten so gar nicht gefasst gewesen war. Daeh war vor ihm her gerannt, so lange, bis sie endlich weit genug von der Schule weg gewesen waren, um ihren Schritt zu verlangsamen.

Vielleicht würde sie keiner suchen, bis die Lehrer morgen merken würden, dass sie Beide nicht zum Unterricht gekommen und auch nicht in ihren Zimmern waren. Das würde ihnen sehr viel mehr Zeit verschaffen.

Doch leider war da immer noch Yoongi. Dessen Augen mehr danach ausgesehen hatten, als wollte er Yongguk noch an Ort und Stelle hinrichten.

Min Yoongi.

Yongguks Magengrube zog sich alleine bei dem Klang seines Namens zusammen, noch viel mehr bei dem Gedanken daran, dass er Daehyun gegen seinen Willen berührt hatte. Ihn zu etwas hatte zwingen wollen.

“Alles okay?”, meinte der plötzlich, Yongguk hatte nicht bemerkt, dass sein Schritt immer langsamer geworden war. Daehyun hatte sich zu ihm umgedreht und seine braunen Augen musterten ihn sorgsam.

“Ja… alles okay”, meinte er nur, wusste, das er sich seine Unsicherheit auf keinen Fall anmerken lassen durfte. Doch diese Unsicherheit wurde unwillkürlich mit jedem Schritt zu Angst. Nicht, weil er Angst vor der Strafe hatte, die ihn erwarten würde, wenn sie geschnappt wurden - Angst, weil Daeh ein Teil davon war.

Doch er war so entschlossen, so vollkommen ohne Zweifel gewesen.

Yongguk hatte dieses Gefühl schon so lange nicht mehr gespürt. Dieses warme, zarte Gefühl wenn Jemand einem vertraute. Die meisten hatten ihn verabscheut, ihn gemieden - behauptet er wäre der Teufel.

Daehyun war anders. Daehyun war, warum auch immer, anders als alle Anderen.

“Wir sollten einen Platz finden, wo wir schlafen können”, meinte Yongguk sachte, hatte den Abstand wieder aufgeholt der zwischen ihnen gelegen hatte und Daeh schien immer noch zielstrebig durch die Straßen zu hechten.

Doch plötzlich entkam ihm ein kleines, zaghaften Lachen.

“Es ist wie, als wären wir in einer schlechten Folge Law and Order”, sagte er vorsichtig, fast, als wollte er sich langsam an den Witz herantasten und schauen, ob Yongguk ihn genauso witzig finden würde wie er.

Tat er nicht.

Um ehrlich zu sein, fand Yongguk seine Witze grauenvoll. Jeden Einzelnen davon. Doch er mochte es, Daeh lachen zu sehen.

Zaghaft lächelte er, als wollte er nicht den einen Funken verstören, der die Stimmung seit den letzten zwei Stunden endlich etwas aufgelockert hatte.

Sie waren schon seit zwei Stunden unterwegs, waren durch das gesamte Vampir-Viertel der Stadt gelaufen und hatten kaum ein Wort verloren.

Die Spannung war viel zu greifbar, als würde sie sich auf die Lunge legen und einem das Reden verbieten. Umso mehr war Yongguk die letzten Stunden in seinen Gedanken gefangen gewesen, weshalb er es begrüßte, das Daeh versuchte ein Gespräch zu beginnen.

“Ich weiß wohin wir gehen…”, meinte Daehyun fest, als hätte er diesen Plan schon von Anfang an im Kopf gehabt. Das hätte den zielstrebigen Blick erklärt, der schon die gesamten zwei Stunden auf seinem blassen Gesicht gelegen hatte.

“Ich… habe eine Oma, im Menschen-Viertel”, meinte er dann viel vorsichtiger, als zuvor und Yongguk spürte, dass seine Fingerspitzen zu kribbeln anfingen.

“Ist das peinlich?”, wollte er dann wissen, drehte seinen Kopf in Yongguks Richtung und löste seinen konzentrierten Blick für wenige Sekunden von der hell asphaltierte Straße. Die wenigen, unwichtigen Gestalten die ihnen entgegen kamen, wichen ihnen stumm aus, ignorierten sie genauso, wie man eben einen Fremden auf der Straße ignorierte.

“Warum?”, fragte Yongguk nur.

“Keine Ahnung… sie, ist die Einzige die ich habe, die… keine Ahnung, es ist meine Oma. Omas sind immer peinlich”, stammelte er dann, dabei sanken seine Brauen immer weiter in sein Gesicht, als würde er sich dafür hassen, zu reden wie ein kleiner Junge.

Noch etwas, das Yongguk mochte. Er war… süß, wenn er das tat. Auf seine eigene Weise.

“Daeh?”, meinte er ruhig, fragend machte der es ihm gleich und blieb für wenige Sekunden stehen, genau vor einem hohen weißen Hochhaus, welches die orangene Abendsonne in den vielen Fenstern reflektierte und auf die Straße warf.

Somit waren die Beiden in weiches, orangefarbenes Licht gehüllt.

“Ist es wirklich okay?”, wollte er wissen. Daehyun hatte scheinbar nicht mit einer solchen Frage gerechnet, fast als hätte er sich über sowas noch gar keine Gedanken gemacht. Für wenige Sekunden schien er unsicher zu blinzeln, sich unterbewusst auf der Lippe herum zu kauen, doch er fing sich wieder.

“Bestimmt… ich meine wir sollten es versuchen. Bevor wir unter der Brücke schlafen müssen und verhungern”, meinte er kleinlaut, zuckte schnell die Schulter und schaffte es das Yongguk ein kleines Lachen entkam.

“Denk dran… wir sind nicht wirklich in Law and Order”, erinnerte er ihn, ging mit zwei großen Schritten an ihm vorbei und forderte ihn so auch ohne Worte dazu auf, sich wieder in Bewegung zu setzen.

Er trottete eher hinter ihm her, wie ein Hund, der kein Leckerlie bekommen hatte.

Eigentlich war die Sache so viel weniger lustig, als die zwei es versuchten zu übertünchen. Yongguk war auf der Flucht, nicht nur vor den Lehrern, sondern vor dem Gesetz.

Er wusste nicht, welche Strafe ihn erwarten würde - doch er wusste, dass man ihn wegsperren, ihn härter bestrafen würde als Andere. Weil seine Magie viel zu mächtig und unberechenbar war.

“Es ist eine Ewigkeit her, dass ich hier war”, meinte Daehyun vor ihm leise, gerade laut genug, das Yongguk es neben den lauten Autos und dem Rauschen der Bäume verstehen konnte. Er spürte selbst, wie sich sein Herz vor Erwartung zusammen zog, als er das riesige, aus Stein erbaute Tor hinauf blickte, das sich vor ihnen erstreckt hatte.

Das Tor war gigantisch und offen, somit eher ein Torbogen und eine breite Straße zog sich hindurch. Die Türen wurden vor Jahren bereits entfernt. Auch die angeschlossene Mauer zog sich viele Meter bis in den anliegenden Wald zu ihrer Linken und Rechten, war aber schon lange nicht mehr so massiv und abschottend, wie früher.

Es war eher ein Überbleibsel aus der Zeit, in der Vampire von Menschen verstoßen wurden. Zu dieser Zeit war das Tor geschlossen gewesen, hatte auch keinen Weg hinaus geboten.

Doch jetzt konnte man das Menschen-Viertel ohne Probleme betreten. Ebenso konnte man eindeutig die breiten Buchstaben auf dem Stein lesen, die sagten “You leave the vampire-district”.

Yongguk und Daehyun wagten die wenigen Schritte hindurch, neben ihnen fuhren laute Autos hin und her und dunkle Schatten legten sich über ihre Köpfe.

Yongguk war sicher es sich nur einzubilden, doch es war wie, als würde die Sonne auf der anderen Seite der Mauer viel heller scheinen, als wäre der Asphalt heller, die Häuser weißer und alles ein Stück mehr aufgeweckter, als auf der anderen Seite.

Dabei sah es alles gleich aus, die selben Häuser und die dieselben Straßen. Nur für Yongguk schien es wie eine komplett neue Welt zu wirken. Die Welt die er sich schon immer gewünscht hatte.

“Ich… war noch nie hier”, meinte er sachte, sagte es eher zu sich selbst, während sein Blick fasziniert zur Mauer zurück fiel, als wollte er sich versichern, dass er wirklich hindurch gegangen war.

Daehyun beobachtete ihn lange, fast als würde er warten, ob Yongguk von alleine noch Etwas sagen würde.

“Was ist mit deinen Eltern?”, wollte er dann wissen, sorgte dafür das Yongguks Brust sich kühl zusammen zog und er seinen Blick wieder stur geradeaus richtete.

“Was soll mit ihnen sein?”, fragte er nach, auch wenn er schon jetzt wusste, was Daehyun wissen wollte.

“Leben sie nicht hier? Oder… sind sie auch Vampire?”, hakte er nach, war extra sanft und vorsichtig, als wollte er sicherstellen, keinen wunden Punkt zu treffen. Yongguk wusste, dass er dieser Frage schon einmal ausgewichen war, auch wenn er sie wirklich beantworten wollte. Doch die Wahrheit war unwichtig, unbedeutend. Er wollte Daeyhun nicht damit belasten.

“Ich kenne meine Eltern nicht”, sagte er. Sorgte dafür das Daehyuns Miene sich verdunkelte, als wüsste er nicht, ob es richtig gewesen war, nachzufragen.

Sie liefen weiter nebeneinander her, Yongguk folgte Daeh blind, legte seine Augen immer wieder auf die weißen Häuser neben ihm. Er konnte mit der Zeit sehen, dass die Straßen immer dünner besiedelt wurden. Es folgten mehr Bäume, weniger asphaltierte Straße und mehr dunkle Erde unter ihren Füßen. Sie schleppen sich einen flachen Berg hinauf, soweit, dass die Häuser hinter ihren Rücken fast verschwunden und kleine, einzelne und unscheinbare Häuser vor ihnen sichtbar wurden. Umschlossen von Feldern aus Grün, wie ein Bauernhof.

“Da oben ist es…”, meinte Daehyun bestätigend, als Yongguk ihm einen kleinen Seitenblick zugeworfen hatte. Es war das Größte, der drei Häuser hier auf dem Berg. Rotes, mit Efeu bedecktes Dach. Auch die weiße Fassade des Hauses war fast komplett hinter dem Efeu verschwunden, lediglich die Fenster wurden frei geschnitten. Ein kleiner weißer Holzzaun erstreckte sich um einen kleinen Vorgarten, mit Tomaten und den verschiedensten Kräutern. Es war wie das Haus aus den Märchen, die sich die Menschen öfter erzählten.

Daehyun hatte das weiße Tor des Gartenzauns geöffnet und ging die drei kleinen Stufen hinauf, die sie noch von der Klingel trennten. Die Sonne war nun fast ganz untergegangen, nur noch sachte wurden sie von der kompletten Dunkelheit bewahrt.

“Bereit?”, drehte er sich zu Yongguk um, der stumm hinter ihm auf der zweiten Stufe stand und sachte nickte. Daehs Finger senkte sich über der Klingel, man konnte draußen die Melodie hören, die er damit ausgelöst hatte. Ein Glockenspiel, das viel zu lange zu bimmeln schien.

Trotzdem wirkte es, als hätte man sie überhört. Trotz das es Licht durch die, mit bestickten Vorhängen geschmückten, Fenster schien, dauerte es eine Ewigkeit, bis sich etwas hinter der geschlossen Tür tat. Wenn sie nicht in einer solchen Situation gekommen wären, hätte Yongguk vielleicht mehr Geduld gehabt.

Daehyun wippte nervös von einem Fuß auf den Anderen, bis endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, Jemand die Tür öffnete. Wie erwartet war es eine alte Dame, in weißen langen Nachthemd und braunen, flachen Hausschuhen an den Füßen. Sie umschloss graues, geflochtenes Haar, welches sich in einem langen Zopf über ihre Schulter legte. Sie war groß und schlank, kaum Falten im Gesicht.

Yongguk fühlte sich komisch zu denken, dass sie Daehyun auf eine komische Art ähnlich sah. Sie hatte die selben freundlichen, weichen Augen.

“Daehyunnie?”, entkam es geschockt ihren Lippen.

“Oma…”, zischte er vorwurfsvoll, Yongguk konnte nicht anders, als leicht über den Spitznamen zu lächeln.

“Was machst du hier?”, wollte sie wissen, ihre schlanken Finger legten sich um seine Handgelenke, zogen ihn ein Stück an sie heran und ihre Augen musterten ihn nervös, als wollte sie sicherstellen, dass er nicht verletzt war. Sie war ein herzensguter Mensch, das konnte Yongguk alleine in ihren Augen sehen. Sie waren so ruhig und tief wie das Meer.

“Lange Geschichte… dürfen wir reinkommen?”, wollte Daeh wissen, ohne zu zögern nickte sie, trat ein Stück zur Seite und ihre Augen legten sich als nächstes auf Yongguk.

“Bang Yongguk”, mit einer kleinen Bewegung beugte er den Kopf, ehe sie ihm ein einladendes Lächeln schenkte und er Daeh bis ins kleine, dunkle Wohnzimmer folgen konnte. Er kam an einer kleinen Treppe gegenüber der Haustür vorbei, die scheinbar ins Schlafzimmer führte. Der enge Flur war weiß und mit einzelnen Bildern von grünen Landschaften geschmückt.

Im Wohnzimmer war der Fernseher eingeschaltet, ein kleines cremefarbenes Sofa stand davor, mitten im Raum, trennte es vom Rest des Zimmers.

Sie schien alleine hier zu leben, Yongguk konnte Niemanden sonst entdecken.

“Also, was ist los, ‘Yunnie?”, wollte sie noch einmal wissen, hatte Daehyun langsam in die kleine angeschlossene, offene Küche geführt, in die man vom Wohnzimmer aus blicken konnte. Ihr Ton wirkte immer noch sanft, wenn auch ein wenig nervös.

Yongguk schenkte den Beiden einen Blick, entschied sich aber dazu, sie für wenige Sekunden alleine zu lassen. Wenigstens einen kleinen Abstand zu halten, um sich nicht unnötig aufzudrängen.

Er wanderte hinter das Sofa, konnte ein hohes Bücherregal erkennen, welches zwischen der Wand und dem Fernsehtisch eingeklemmt war. In manchen Regalen standen Bilderrahmen - er konnte sich nicht verkneifen, einen Blick darauf zu werfen.

Er konnte Daehyun im Hintergrund leise reden hören, es war beinah nur ein Flüstern, aber er schaffte es, die Worte auszublenden.

Eines der Bilder zeigte Daeh und seine Oma am Strand. Daehyun trug einen weiß, rot gestreiften Badeanzug, war vielleicht gerade mal 3 Jahre alt. Ein kleiner fröhlicher Zwerg in den Armen seiner Oma, ein breites Grinsen auf den Lippen und die Wange an ihre gedrückt. Yongguks Herz schmolz bei dem Anblick. Es war lebendig, echt, es war so normal, wie es nur sein konnte. Die Schwimmflügel um seine Oberarme, waren viel zu groß, beinah größer als sein mit braunen, nassen Haaren umschlossener Kopf. Sie saßen auf einer sandigen blauen Picknick-Decke und Daehs goldbraune Haut schimmerte von einer Schicht Sonnencreme.

“Wir können nach oben gehen”, erschien Daehs Stimme viel lauter hinter ihm, sorgte dafür dass sein Herz vor Schreck heftig zu schlagen begann. Er hatte das Wohnzimmer mit einem kleinen Lächeln betreten, seine Oma stand neben ihm, mit ruhigen Händen war sie dabei, die Decke vom Sofa in die Hand zu nehmen und zu ihm herüber zu laufen.

“Es ist nicht groß, aber es sollte reichen”, meinte sie mit sanfter Stimme, schenkte ihm ein kleines Lächeln, welches Yongguk für wenige Sekunden zögern ließ. Er konnte ihre weichen Augen sehen, ihr normales Lächeln, das nicht von spitzen Reißzähnen geschmückt wurde und plötzlich hatte er das Gefühl, vor Dankbarkeit zu ersticken.

“Ich… werde keinen Ärger machen”, sagte er ruhig, nahm die dünne, beige Decke in die Hand und drückte sie unbewusst an seine Brust.

Daehyun und er gingen die kleine Treppe in den zweiten Stock hinauf, Daehyun hatte seiner Oma eine gute Nacht gewünscht, ihr erneut gedankt und Yongguk hatte die Decke immer noch wie einen Anker umschlossen. Sie kamen in einen kleinen, zweiten Flur, das Treppengeländer war aus hellem Holz und hoch genug, dass einem nicht schwindelig wurde. Daehyun öffnete die Tür ganz am Ende des Ganges, nickte ihn mit einem kleinen Lächeln herein.

Es war genauso schlicht und gemütlich wie unten. Ein Doppelbett an der rechten Seite des Zimmers, gegenüber der Tür ein kleines Fenster mit einem Blick auf die kleinen Felder und die dichten Bäume des Waldes, umschlungen von weißen, ebenfalls bestickten Vorhängen. Es wirkte, als hätte hier lange Niemand mehr geschlafen, die Tapeten wurden langsam gelblich, waren an einer Ecke schon leicht von der Wand gelöst. Auf dem Bett lag nur eine Decke, jetzt wusste Yongguk, warum er seine noch in der Hand hielt.

Ein hoher Schrank und ein kleiner gewebter Stuhl neben dem Fenster.

Yongguk legte vorsichtig seine Decke auf dem Bett ab, nur um sich langsam auf der Kante nieder zu lassen, sich selbst zu erlauben den Schmerz zu lindern, der langsam durch seine Füße gezuckt war.

Daehyun setzte sich auf den Stuhl, ging sich lange und unter einem kleinen Seufzen über die gerunzelte Stirn. Seine weiße Aura war noch immer unruhig, als würde ihn noch immer etwas beschäftigen.

“Können wir darüber reden?”, wollte er plötzlich wissen, dabei war seine Stimme müde und ruhig, dennoch leicht angespannt. Yongguk schenkte ihm einen Blick über den Raum, atmete tief, als ihm klar wurde, was er meinte.

“Du… warst nicht du selbst”, schaffte er es zu sagen, Yongguk stand auf, hatte plötzlich wieder das Bedürfnis sich in Bewegung zu setzen. Im Laufen war es einfacher gewesen, zu reden, jetzt hier in diesem engen Raum, schien es so viel schwerer zu sein.

“Ich wusste was ich getan habe…”

“Warum hast du es dann getan?”, hakte er nach, seine Stimme war plötzlich viel eisiger, als davor.

“Das hab ich dir schon gesagt, Daeh”, meinte er trocken, schaffte es, seinen aufgekratzten Körper wieder auf die Bettkante zu zwingen und verschränkte die Finger auf seinem Schoß miteinander.

“Du verstehst mich nicht Yongguk, du hast ihn verletzt… er wird die selbe Narbe tragen wie ich - und dir tut das nicht mal Leid”, Yongguk wusste nicht, was ihn dazu brachte, genau jetzt damit anzufangen. Warum er Stunden lang kein Wort darüber verloren hatte, nur um jetzt, wo sie endlich Ruhe hatten, darüber reden wollte.

Yongguk konnte nicht anders, er wurde lauter als er wollte, überrannt davon, was in Daehs Stimme mitschwang.

“Denkst du ich weiß das nicht?”, rief er aufgebracht. Daehyun schien nicht damit gerechnet zu haben, sachte zuckte er, verkrampfte stark die Finger zu einer Faust. Doch er schwieg, als wüsste er, dass er nicht an der Reihe war, zu reden.

“Denkst du ich weiß nicht, dass ich scheinbar dazu geboren bin, allen Menschen die mir wichtig sind wehzutun? Denkst du nicht, das ich weiß dass dieser einfache Griff um sein Handgelenk nach einem Tag aussehen wird, als hätte ich ihm weitaus schlimmere Dinge angetan? Denkst du wirklich ich weiß das nicht?”, Yongguks Atem ging schwer, seine Kehle tat weh unter der Wucht seiner Worte, doch er konnte nicht aufhören.

“Daeh, ich war wütend… ich wollte dich beschützen. Doch selbst das macht mich zu einem Monster”, seine Stimme verlor an Kraft, langsam versuchte er auszuatmen, die Wut die aus seiner Kehle gesprochen hatte, wieder zu beruhigen. Doch er fühlte sich so rastlos, als würde die Verantwortung seiner Handlung plötzlich mit voller Wucht auf ihn einfallen.

“Sag das nicht…”, meinte Daeh leise, er war aufgestanden und hatte sich langsam neben ihm auf dem Bett niedergelassen.

“Ich habe nicht gesagt dass du ein Monster bist”, stellte er klar.

“Doch man hört es in deiner Stimme, du hast Angst vor mir… Jetzt auch du”, meinte Yongguk leise, es schmerzte noch viel mehr, es laut auszusprechen. Er konnte ihn nicht ansehen, er löste seinen Blick von seinen braunen Augen und heftete sie an die Wand, neben ihnen. Starte gegen die kahle, kühle Wand.

“Das ist komplett gelogen”, Daehyuns Stimme war eindringlich, er wollte ihn auffordern ihn wieder anzusehen, doch Yongguk gehorchte schon, bevor er es aussprechen konnte.

“Ich habe keine Angst vor dir… Ich hab Angst, das dir etwas passiert”, sagte er sanft, viel zu sanft, als das Yongguk sich darauf vorbereiten könnte. Er heftete seine schwarzen Augen auf seine, versuchte alleine darin zu lesen, ob er die Wahrheit sagte.

Doch er tat es. Er sagte die Wahrheit.

Vorsichtig, zögerlich lächelte Yongguk, hätte nichts lieber getan, als wieder seine Hand auszustrecken und ihn gegen alle Regeln zu berühren. Nur noch mehr wurde ihm klar, wie sehr er es hasste, es nicht zu können.

“Mich muss man nicht beschützen, Daeh”, flüsterte er.

“Du sagtest das… mich Niemand berühren darf”, Daehyuns Wangen wurden zart rosa, seine Hand wanderte auf die Stelle an seinem Oberarm, die immer noch unter einem schwarzen Pullover verborgen war.

“Das Gleiche gilt für dich… Ich…”, er stoppte erneut, schaffte es Yongguk in die Augen zu sehen.

“Ich soll der Einzige sein, der von dir gezeichnet ist”, schaffte er es beinah heiser über die Lippen zu bringen, Yongguk spürte wie sein Herz zu frostigen Eis wurde, es schmerzte in seiner Brust, bei dem Klang seiner Worte in seinem Ohr. Es war eiskalt und heiß zur selben Zeit, er wusste nicht, wie er mit einem solchen Gefühl in der Nähe seiner Lunge atmen sollte oder ob sein Herz jemals wieder normal zu schlagen begann.

“Ist es komisch… weil wir zwei Männer sind?”, flüsterte Daeh leise, die Unsicherheit schien sich wie ein Lauffeuer in seinen Augen breit zu machen und Yongguk hasste es, ihn nicht in den Arm nehmen zu können. Er legte seine Hand auf die Stelle seines Oberarms, nur sachte, unter dem Schutz des dünnen Stoffes.

“Nein… nein, ist es nicht”, sagte er ernst und ruhig zur selben Zeit.

Lange war es still zwischen ihnen, Daeh blickte auf Yongguks Hand hinunter, die er nach dieser langen Zeit wieder sinken ließ, als hätte er Angst, dass er sonst Schaden nehmen würde.

“Wir sollten etwas schlafen… wir wissen nicht, wann sie wirklich nach uns suchen”, meinte Daeh dann leise, es war beinah, als wüssten Beide, das sie nicht noch etwas sagen mussten.

Es war genug für Yongguk, um schlafen zu können. Um dieses warme Gefühl für eine ganze Weile in seiner Brust gefangen zu nehmen und in sich aufzunehmen.

“Ich… schlaf auf dem Boden”, meinte er ruhig, nahm sich seine Decke zur Hand und stellte sich auf. Daehyun schien nicht damit gerechnet zu haben, auch wenn es eigentlich auf der Hand lag.

“Du… das ist… ich fühle mich schlecht wenn ich”, stammelte er nervös, wusste nicht, was er ihm sonst anbieten sollte. Yongguk lachte sachte, legte die Decke auf den Boden vor dem Bett und schenkte ihm einen sanften Blick.

“Geh schlafen, Daeh”, meinte er entschlossen, Daehs braune Augen wirkten zwar dankbar, doch immer noch unsicher. Er legte sich trotzdem unter die Decke, löste seinen Blick von der Decke auf dem Boden und kauerte sich leicht zusammen, als wollte er sich beschützt fühlen.
 

Doch Daehyun konnte nicht schlafen. Nicht mal ansatzweise wurde er unter der warmen Decke müde. Er hörte Yongguks langsamen, ruhigen Atem und versicherte sich, dass er wirklich schlief. Langsam und vorsichtig richtete er sich im Bett auf, hatte bestimmt schon zwei Stunden wach darin gelegen und sich hin und her gewälzt.

Er konnte nicht anders, als daran zu denken, was er Yongguk gesagt hatte. Dass sie auf der Flucht waren, das seine Oma nicht einmal wusste, dass sie sich versteckten.

Er ließ die Füße aus dem Bett fallen, stellte sie vorsichtig auf den kalten Boden und blickte erneut prüfend auf Yongguks dunklen Körper auf dem Boden. Seine Brust hob und senkte sich schwer, versicherte ihm, bis er auf dem kühlen Flur stand, das er seine Schritte nicht gehört hatte.

Daehyun konnte immer noch Licht aus dem Wohnzimmer sehen, das leise Geräusch des Fernsehers drang in sein jetzt noch wacheres Ohr. Er seufzte leise, jetzt wo er nicht befürchten musste, Jemanden aufzuwecken.

Er schlich die Treppe herunter, konnte mit einem kleinen Blick ins Wohnzimmer und unter einem kleinen Lächeln feststellen, dass seine ‘ma auf dem Sofa eingeschlafen war. Leise lief die Folge eines Krimis, doch Daehyun konnte nicht identifizieren welcher es war.

Er zog sich keine Schuhe an, als er nach draußen ging. Nicht mal eine Jacke, das Wetter war warm genug, um so herum zu laufen.

Er stolperte die kleinen Treppenstufen herunter, schlich durch den dunklen, kleinen Garten und öffnete das kleine Gartentor. Es war still, es wehte nicht mal ein kleiner Wind und in den anderen beiden Häusern in der Nähe waren auch die Lichter aus.

Er hörte eine Grille im Hintergrund, ganz leise und wie ein komisches Nebengeräusch.

“Was tust du nur?”, fragte er sich selbst, ging ein kleines Stück auf den Wald zu, gerade so weit, dass er vom Berg fast auf die Stadt herunter blicken konnte. Er meinte nicht dass er hier draußen war, eher, was er zur Hölle mit seinem Leben tat.

Der Wald hinter ihm war dunkel und eisig, doch er hatte aus irgendeinem Grund keine Angst. Es war heimlich, vertraut.

Es war lange her, dass er in Ruhe hier in der Natur gesessen hatte, langsam ließ er sich auf den trockenen, grasigen Boden nieder. Es war weicher, als er erwartet hatte und fest zog er die Knie an den Körper. Seine Hände vergrub er vorsichtig in dem hohen Gras, spürte das Kitzeln an seiner Handfläche und Unterarm und schenkte sich selbst ein kleines Lächeln.

Er hatte viel Zeit hier auf diesem Berg verbracht, als er noch klein war.

Seine Oma war immer wie eine zweite Mutter für ihn gewesen.

Sie hatte den Garten gepflegt, einen braunen Sommerhut getragen, während Daehyun um sie herum gesprungen war. Im Winter hatten sie vor dem Kamin gegessen, wenn seine Mutter mal wieder ein Wochenende für sich gebraucht und ihn dort abgeliefert hatte. Daehyun war ehrlich, es hatte ihn nie wirklich gestört. Er konnte sich an dieses naive kindliche Denken erinnern, doch auch an die Leichtigkeit in seinem Handeln, welches er sich mehr als alles andere wieder zurück wünschte.

Er streichelte beinah das Gras, ließ die Halme seine Handfläche berühren und langsam und leise stimmte er das selbe Lied an, welches er immer sang. Es wirkte nicht zu laut in der weiten, Stille, nahm eher der Luft die Schwere, die sich mit jeder Sekunde wieder auf seine eigentlich müden Schultern legen wollte.

Er fühlte sich besser, viel ausgeglichener als sonst.

“Na endlich!”, Daehyun zuckte so stark zusammen, das abrupt das Lied wieder stoppte und erschrocken fuhr er herum. Seine Augen suchten jeden Zentimeter ab, doch er konnte Niemand erkennen, von dem die Stimme ausgegangen war.

“Hallo?”, fragte er vorsichtig, hörte seine eigene Stimme durch die dicken Bäume hallen. Doch er spürte, wie seine Lunge auf das kleinste zusammen schrumpfte, als er sehen konnte dass einer der Bäume sich bewegte.

Er öffnete zwei braune, holzige Augen und blickten ihn müde an.

“Was... was”, stammelte er, rutschte wenige Zentimeter zurück, als der alte Baum seine Äste zu strecken schien und auf ihn zukam. Seine Schritte waren laut und dumpf und mit einem kleinen Blick schaute er auf die Häuser herunter.

“Tschuldigung”, meinte er nur, als wollte er Niemanden aufwecken. Seine Stimme war dunkel, mächtig und vibrierte durch das gesamte Feld.

“Du… bist ein Baum, der redet”, sagte Daehyun nur stumpf, blinzelte zum hundertsten Mal, als würde er feststellen, nur einer Fata Morgana begegnet zu sein.

“Du hast lange auf dich warten lassen, Meister Daeh”, die Krone des Baumes beugte sich zu ihm herunter, die Äste schlugen neben ihm auf dem Boden auf und ängstlich schaute Daehyun dem Baum tief in die hölzernen, grünen Augen. Sie waren wie in den Stamm geritzt, die Äste waren wie Arme, die Wurzeln wie Füße. Er war mindestens 15 Meter hoch, Blätter einer Birke.

“Du… kennst mich?”, schaffte es Daeh zu sagen, versuchte, seinen viel zu schnellen Herzschlag wieder zu beruhigen. Er hatte schon verrücktere Sachen gesehen, doch ein sprechender Baum war neu für ihn.

“Ob ich dich kenne? Frechheit… du hast mich endlich aufgeweckt und fragst mich ob ich dich kenne! 16 Jahre hast du mich warten lassen”, seine Stimme wurde lauter, Daeh schüttelte den Kopf energisch, wollte nicht dass Jemand mitbekam, was vor sich ging.

“Schon gut, schon gut, beruhige dich”, meinte er schnell, der Baum schien erzürnt zu blinzeln, doch er gehorchte ihm. Er hob seine Baumkrone wieder, richtete seinen dicken Stamm auf und mit einem lauten Rascheln, fielen einzelne Blätter von seinen Ästen und legten sich um Daehyun auf den Boden.

“Du kannst dich wirklich nicht erinnern, Meister Daeh?”, fragte er, seine Stimme war so dunkel, dass es beinah angsteinflößend war.

“Ich bin Oneandén Avalarion Féeri”

“Das ist ein Name?”, lachte Daeh unsicher.

“Machst du dich etwa über meinen Namen lustig?”, wollte der alte Baum wissen, schüttelte entrüstet seine Äste und Daehyun richtete sich endlich auf, musste jedoch immer noch den Kopf heben um ihn in die Augen sehen zu können.

“Nein…”, beschwichtigte Daehyun ihn. Er kam einen kleinen Schritt auf ihn zu, versuchte etwas zu entdecken, das er kannte. Doch in seiner Erinnerung war nichts dergleichen vorhanden.

“Warte… du meintest ich hätte dich aufgeweckt?”, fragte er noch einmal nach.

“Das Lied, du hast es endlich wieder gesungen”, meinte Oneandén zufrieden, als wäre es das Normalste der Welt.

“D-Das… ist meine Magie gewesen?”, Daehyun konnte es nicht fassen, seine Hände legten sich auf seine Lippen, als könnte er nicht fassen, dass es seine Stimme war, die diesen alten, riesigen Baum aufgeweckt hatten.

“Aber warum…?”, er schaffte es nicht, seinen Satz zu Ende zu bringen, viel zu viele Fragen schossen ihm durch den Kopf.

“Warum erst jetzt? Ich habe immer gesagt dass man Jemanden mit deiner Magie nicht in ein Haus einsperren darf”, er lachte entrüstet, der dunkle Ton vibrierte durch die Luft.

“Du gehörst hierher, in die Natur, Meister Daeh - so wie damals”, meinte Oneandén, wieder schüttelte er seine Blätter, die Äste knackten aufgeregt und halten durch den Wald hinter ihm.

“Ich konnte das schon immer?”, Daeyhun erinnerte sich an das starke Gefühl in seinen Fingerspitzen, in die Kraft die durch seine Adern geströmt war, als er den Wald und die Erde hatte riechen können.

Es war so… einleuchtend und einfach.

“Aber in der Schule… da war auch, Natur”, stammelte er weiter. Der Baum lachte so laut, dass es beinah in den Ohren weh tat. Daehyuns Blick zuckte wieder hinter ihn, doch er stellte erleichtert fest, dass die Lichter im Haus immer noch ausgeschaltet waren.

“Eingemauerter Rollrasen und dünne Bäume… eine Beleidigung”, meinte er, als wäre es eine Schande so etwas auch nur als Natur zu bezeichnen.

“Du musst dich entfalten, wachsen wie ein Baum, dann kannst du auch solche Orte kontrollieren”, seine Wurzeln bewegten sich auf ihn zu und langsam beugte er sich wieder zu ihm herunter, Daeh hatte ab diesem Zeitpunkt keine Angst mehr, dass die Äste ihn treffen würden.

“Doch ein Wald ist wie eine Energiequelle, verstehen sie das, Meister Daeh?”, fragte er.

“I-Ich denke schon…”, flüsterte er leise, immer noch viel zu viele Dinge in seinem Kopf, aus der anderen Seite so vollkommen ruhig und entspannt, wie er es niemals gedacht hätte. Er spürte es in seinen Knochen, in seinen Adern, hatte es vorher beinah nicht bemerkt. Nicht darauf geachtet.

“Daeh?”, eine weitere Stimme tauchte hinter ihm auf, doch diese kannte er nur gut genug. Der Baum hob seinen Kopf, das laute Rascheln durchströmte die Nacht und beinah kam sich Daehyun kindlich dabei vor, Yongguk ein Grinsen zu schenken, der den wachen Baum anstarrte, wie er selbst noch vor wenigen Momenten.

“Das ist One… Onedralien”, meinte er.

“Oneandén, Meister Daeh, merken sie sich das”, entrüstet ließ er sich auf seinen Stamm fallen, hatte sie Wurzeln wieder unter sich im Boden versunken.

“Daeh das ist…”, Yongguk kam wenige Schritte zu ihnen herauf, konnte sehen dass Daehs Blick immer müder und erschöpfter wurde.

“Ruhen sie sich aus, Meister Daeh” meinte der Baum hinter ihnen, schloss die Augen. Für wenige Momente wartete Daehyun darauf, dass er noch etwas sagte, das er sich rührte. Doch er war wieder ein ganz normaler Baum.

Ohne es richtig zu merken, sank Daeh auf die Knie und spürte, wie seine Aura erschöpft um ihn herum schwebte.

“Alles okay?”, wollte Yongguk wissen. Daeh schaute mit einem Lächeln zu ihm herauf.

“Hast du das gesehen?”, wollte er wissen.

“Das war ich… das war… meine Magie”, flüsterte er leise, konnte kaum noch seine Augen offen halten. Yongguk stütze ihn vorsichtig an der Schulter und schenkte ihm ein kleines, lächelndes Kopfschütteln.

“Ich wusste, das du stark bist”, meinte er leise, doch Daeh schien ihn schon fast nicht mehr zu hören.

"The first vampire"

“Wie geht’s dir?”, drang die dunkle Stimme von Yongguk in Daehyuns Ohr, welcher angestrengt versuchte die Augen zu öffnen. Sein Kopf schmerzte, aber er fühlte sich nicht ausgelaugt und vollkommen energielos, wie gestern. Vorsichtig hob er den Oberkörper, blinzelte Yongguk an, welcher neben ihm auf der Bettkante saß und auf ihn herab blickte. Nach einer gefühlten Ewigkeit wurde die Sicht vor Daehs Augen endlich scharf genug, das er sich nicht mehr schlaftrunken fühlte.

“Wie lange habe ich geschlafen?”, wollte er wissen und vorsichtig lächelte sein Gegenüber.

“Es ist gerade Mal 10, mach dir keine Sorgen”, meinte er langsam, sorgte dafür das Daeh seinen Körper noch einmal ins Bett fallen ließ und langsam seine schmerzende Stirn massierte.

“Ist das gestern wirklich passiert?”, fragte er sich selbst, flüsterte es lediglich, da seine Kehle sich noch müde und rau anfühlte und blickte an die weiße Decke. Er konnte die Bilder von Oneandén vor seinem inneren Auge, wie einen Film, vorbeiziehen sehen.

“Was ist genau passiert?”, wollte Yongguk wissen, seine schwarzen, tiefen Augen wirkten beinah, als hätte er sich darüber schon den ganzen Morgen den Kopf zerbrochen.

Daeh richtete sich wieder auf, stemmte seinen Körper nach hinten, um sich mit einer kleinen Bewegung an die kühle Wand zu lehnen, die ihn ein wenig aufzuwecken schien. Er ging sich durch die verknoteten Haare und atmete tief ein und aus.

“Ich konnte nicht schlafen weil…”, er stoppte für wenige Sekunden, entschied sich, jetzt nicht unbedingt wieder mit dem gefühlvollen Gespräch von gestern anzufangen, welches ihm immer noch stark im Kopf herum schwirrte, “ich weiß auch nicht genau warum. Aber ich bin auf den Berg um frische Luft zu schnappen. Doch als ich das Lied gesungen habe, ist plötzlich dieser Baum hinter mir aufgewacht”. Daeh konnte nicht anders, als leise und überfordert zu lachen. Es war schwach und halbherzig, doch es war schwer die ganze Geschichte auch wirklich ernsthaft zu begreifen.

Yongguk hingegen, hatte rein gar nichts zu lachen. Er war viel zu ernst, durchbohrte ihn mit einem undurchdringlichen Blick, als wartete er darauf, dass Daeh fortfuhr.

“Was hat er gesagt?”, fragte er nach, als Daehyun lediglich die Schultern zuckte.

“Er hat behauptet ich kenne ihn… dabei erinnere ich mich an rein gar nichts-”, Daehyun konnte einen dunklen Schatten in seinem Augenwinkel sehen, er drehte den Kopf und stellte erleichtert fest, dass es seine ‘ma war, mit einem kleinen weißen Tablett in den Händen, welches sie vorsichtig auf den braunen Nachttisch stellte. Es standen zwei Tassen Kaffee und Brötchen mit Käse und Schinken darauf.

“Du hast wieder mit ihm geredet?”, wollte sie dann wissen, sie hörte sich beinah allwissend und weise an, sorgte dafür dass Daehyun eine Gänsehaut über den Rücken fuhr.

“Was meinst du ‘ma?”, fragte er hektisch, auch Yongguk legte seinen Blick nur mehr als gespannt auf die schlanke Gestalt seiner Großmutter, die mit einem kleinen, ruhigen Lächeln zu ihnen herüber blickte.

“Du hast schon damals immer mit ihnen geredet… mit den Pflanzen. Deine Mutter hat dir das nie geglaubt… naja, bis die Reißzähne nicht mehr zu übersehen waren”, beinah entkam ihr ein kleines, trauriges Seufzen.

“Du hast sehr oft über Oneandén erzählt, es wundert mich, dass du dich nicht erinnerst”, vorsichtig ließ sie sich auf der Bettkante nieder und ihre schlanken Finger legten sich für wenige Sekunden auf Daehs müde Wangen, über die ein Lächeln huschte, als er spürte, wie vertraut diese Berührung war.

“Aber wahrscheinlich hat auch er sich verändert, so wie du”, meinte sie dann, ließ ihren Arm wieder sinken und blickte zwischen den Beiden hin und her. Daehyun war die Stärke seiner ‘ma schon immer ein Rätsel gewesen. Sie war ein Mensch, doch so viel mutiger und stärker als andere Vampire die er bereits kennengelernt hatte.

“Danke ‘ma”, flüsterte er sanft, doch vorsichtig schüttelte sie den Kopf.

“Frühstückt etwas, ich möchte nicht dass Jemand in meinem Haus verhungert”, meinte sie mit heller, warmer Stimme und war bereits dabei, sich wieder zu erheben. Sie nahm das kleine Tablet und stellte es vorsichtig zu ihnen ins Bett, beinah genau vor die Nase, als wollte sie nicht, dass sie sich unnötig bewegen mussten.

“Ohne Frühstück kann man nicht richtig nachdenken, das war schon immer so”, meinte sie, blickte ihm Türrahmen nicht nochmal zurück, ehe sie die Tür vorsichtig hinter sich schloss und man leise die Schritte durch das dunkle Holz hören konnte.

“Sie ist wie du…”, entkam es Yongguk gedankenverloren, sein Blick immer noch auf die Tür geheftet.

“Was meinst du?”, wollte Daeh wissen, einer seiner Hände griff dankbar nach der dampfenden Kaffeetasse.

“Ich meine sie ist genauso herzlich”, seine schwarzen Augen rissen sich von der Tür los und legten sich auf Daehyun, der mit zwei Händen seine Tasse umschlang, als wäre es ein Anker an dem er sich festhalten konnte. Es war genau wie gestern, Daeh wollte sich darin verlieren, doch auf der anderen Seite wusste er nicht, was er tun sollte. Ob es Scham war, welcher seinen Magen herauf wanderte, wenn sie solche Dinge zueinander sagten.

“Danke…”, flüsterte er deswegen leise, wollte gerade einen Schluck von seinem Kaffee nehmen, als sie das leise Glockenspiel im untersten Stock hören konnten.

Lange starrten sie sich an, wussten nicht, ob die Panik bekommen oder ruhig bleiben sollten.

Doch Daehs Herz hämmerte gnadenlos gegen seine Brust und hektisch wurde er die Tasse los, um sich zu erheben. Yongguk hatte bereits die Tür einen Spalt geöffnet und versuchte so gut wie möglich, etwas zu verstehen.

Daeh stand mitten im Raum, viel zu panisch, als sie es vielleicht sein mussten. Er starrte zu ihm herüber, innerlich hoffte er, dass es sich lediglich um Nichts handelte.

Doch Yongguks Augen, verriehten ihm, das es kein Besuch seiner ‘ma war, der vor der Tür stand. Es fragte Jemand nach ihnen.

“Wir müssen verschwinden”, zischte er leise.

“Meine ‘ma weiß nichts davon, sie wird ihnen sagen, dass wir hier oben sind”, flüsterte Daeh angestrengt, seine Augen suchten nach einem Ausweg, doch die einzige Möglichkeit, war das Fenster hinter ihnen. Doch sie würden nicht einfach so aus dem zweiten Stock springen können, zudem mussten sie an einem der Wohnzimmerfenster vorbei.

“Verdammt”, zischte Yongguk wütend.

“Was ist mit Oneandén, kann er uns helfen?”, wollte er wissen, doch Daehyun musste sofort den Kopf schütteln.

“Sie würden ihn bemerken, er ist viel zu laut”, meinte er.

Sie konnten Schritte auf der Treppe hören, Daehs Herz schien in seiner Brust immer kleiner zu werden. Yongguk drehte den Schlüssel, auch wenn es ihnen nicht wirklich viel Zeit verschaffen würde.

“Was ist mit den anderen Dingen, deine ‘ma hat gesagt du kannst auch mit den Anderen reden”, flüsterte er hektisch, ging einen ganzen Schritt von der Tür weg und starrte aus dem Fenster, als würde er etwas entdecken, das sie retten würde.

“Ich weiß nicht ob ich das-”, fing Daeh an, doch es klopfte an der Tür. Yongguk riss das Fenster komplett auf, starrte dann zurück zu Daeh.

“Du schaffst das, okay? Das Efeu - versuchs mit dem Efeu”, meinte er bissig, das Klopfen an der Tür wurde immer lauter und panisch stolperte Daeh zu Yongguk ans Fenster herüber.

Seine Stimme brach, war heiser und vollkommen aus dem Takt. Er versuchte die Worte schnell zu sprechen, dabei ging beinah alles der Melodie verloren. Einer seiner Hände berührte das Efeu, er versuchte so angestrengt wie möglich daraus Kraft zu ziehen, doch es war ganz anders, als die Erde unter sich zu spüren.

Yongguk starrte immer wieder nervös auf die Tür zurück, jetzt war es seine ‘ma, die verwundert dahinter Fragen stellte.

Doch Daeh konnte sehen, wie das Efeu sich bewegte.

“Yongguk”, meinte er deswegen hektisch, angestrengt umklammerte er es weiterhin, als hätte er Angst, dass es wieder verschwinden würde.

Tausende kleine, hohe Stimmen tauchen in seinem Ohr auf, wie tausende kleine Wichtel, die ihm Fragen stellten. Sie quietschen und summten alle gleichzeitig.

“Ihr müsst uns helfen”, stammelte er deswegen nur angestrengt, konnte hinter sich hören, wie der Schlüssel aus dem Loch fiel.

“Wir müssen-”, wollte Yongguk anfangen, doch Daeh stand bereits halb auf der Fensterbank. Er starrte nach unten, sich nicht sicher, ob er das Efeu unter sich weit genug unter Kontrolle hatte.

Doch er schenkte Yongguk einen Blick, kaum hatte er ihm das Signal gegeben, sprang er. Er schloss die Augen angestrengt, aus irgendeinem Grund war er kurz davor zu glauben, dass sie es nicht schaffen würden.

Doch ihr Sprung wurde tatsächlich abgefedert.

“Du hast es geschafft”, meinte Yongguk leise, war bereits dabei sich aus dem Netz aus Efeu zu befreien, das sich unter ihnen aufgebaut und sie weich und sicher aufgefangen hatte. Daehyun machte es ihm nach, verlor keine Zeit noch einmal zurück zu blicken, sondern rannte mit aller Kraft in Richtung Wald.

Sie waren nicht weit davon entfernt, schafften es, Schutz in den Schatten der Bäume zu finden. Sie rannten einen gefühlten Kilometer, hörten die Äste unter ihren Füßen brechen und den Schmerz in ihren Knöcheln.

Doch sie blieben erst stehen, als sie sich sicher waren, dass ihnen Niemand folgte.

“Es wird nicht lange dauern, bis sie uns eingeholt haben…”, keuchte Daehyun angestrengt, doch er konnte seinen Körper nicht weiter dazu zwingen, um sein Leben zu rennen.

Obwohl Oneandén nicht gelogen hatte, die Kraft die ihm im Wald umschloss, war beinah grenzenlos. Er fühlte sich, als könnte er jede kleine Pflanze, jedes kleine Lebewesen spüren, welches über den Boden lief.

“Lass uns einfach weitergehen”, meinte Yongguk, schleppte sich weiter gerade aus, auch wenn er selbst viel langsamer war, als er scheinbar wollte.

“Was machen wir jetzt?”, fragte Daehyun, auch wenn er wusste, dass es darauf keine richtige Antwort gab. Doch Yongguk drehte sich um, aus irgendeinem Grund lächelte er ruhig und gelassen, blieb sogar für wenige Momente stehen.

“Wir sind im Wald, hier wird uns Niemand finden”, meinte er entschlossen. Daehyun brauchte viel zu lange, um zu begreifen was er meinte auch wenn es beinah auf der Hand gelegen hatte.

“So… stark bin ich noch nicht”, meinte er kleinlaut, spürte den Druck und die Erwartung auf seinen Schultern und hatte das Gefühl darunter zu versinken.

“Daeh…”, fing Yongguk an, stellte sicher, dass er ihn ansah.

“Du bist stärker als du denkst. Du bist jetzt am richtigen Ort”, meinte er ruhig, blickte auf die vielen, dicken und dünnen Bäume um sie herum, wie sie dort standen, als würden sie nur auf etwas warten.

Vielleicht hatte er Recht, vielleicht war es so.

Doch er hatte Jahre lang trainiert, hatte Jahre lang in seinem Bett gesessen und sich gefragt, was mit ihm nicht stimmte. Hatte gedacht das er klein und schwach war, hatte so lange Wörter vor sich hin gesungen, bis seine Kehle taub geworden war.

Es war nie etwas passiert.

Und jetzt konnte er plötzlich mit riesigen, alten Bäumen reden, Efeu kontrollieren und fühlte sich, als würde die Kraft der Erde direkt in seine Adern strömen.

Er wusste nicht wie er mit dieser Kraft umgehen sollte, es war viel zu surreal.

“Wir sollten mit ihm reden, vielleicht hat er eine Idee”, meinte Yongguk dann, er musste Oneandéns Namen nicht aussprechen, damit Daehyun wusste, was er tun sollte.

“Na schön…”, seufzte er leise, wusste nicht einmal, ob er ihn hören würde, oder auf der anderen Seite des Waldes aufwachen und sie verraten würde.

Doch kaum hatte er die erste Strophe hinter sich gebracht, bewegte sich etwas in seinem Augenwinkel und hektisch fuhr er herum.

“Meister Daeh”, halte es durch die kühle Luft und heftig vibrierte der Boden, als er erneut seine Äste und Wurzeln strecke, als wäre er aus einem wohltuenden Mittagsschlaf erwacht.

“Du musst leise sein”, zischte Daeh ungeduldig und verwundert blinzelten seine hölzernen Augen. Scheinbar stimmte es wirklich, dass die Bäume alle mit einander verbunden waren, Daeh konnte sich sonst nicht erklären, wie er hier sein konnte und nicht mehr dort, wo er zuletzt gestanden hatte.

“Wie kann ich helfen?”, wollte er wissen, sein Blick fiel prüfend auf Yongguk, der immer noch leicht nervös hinter sich blickte, als könnte genau in diesem Moment Jemand auftauchen.

“Wir werden verfolgt… könnt ihr sie nicht-”, Daeh überlegte, kaute sich nervös auf der Lippe herum.

“In die Irre führen, oder so?”, meinte er dann und Oneandén senkte laut krachend und raschelnd den riesigen Kopf, um Daeh ein kleines hölzernes Lächeln zu schenken.

“Du musst es ihnen nur befehlen, Meister Daeh”, meinte er dann, doch seine zwei grünen Augen zuckten zurück zu Yongguk, musterten ihn, als wäre ihm Etwas suspekt.

“Hey Junge”, brummte er mächtig, streckte einer seiner Äste aus und schlang ihn in einer schnellen Bewegung um Yongguks Handgelenk.

“Was tust du?”, meinte Daeh hektisch, doch er konnte das kleine silberne Armband erkennen, welches zum Vorschein kam, unschuldig an Yongguks schlanken Handgelenk herunter hing und hin und her baumelte.

“Woher hast du das?”, wollte der alte Baum wissen, irgendwas in seiner Stimme schien zu zittern. Yongguk senkte die Brauen, starrte das kleine Ding genauso verwirrt an, wie Daehyun.

“Von… meinem Vater”, meinte er leise. Oneandén riss den Kopf herum, seine Äste protestierten laut, seine Augen huschten nervös hin und her.

“Vergesst die Anderen… wir haben ein größeres Problem”, meinte er mit dunkler, ernster Stimme und jagte Daehyun kalten Schweiß auf die Stirn.

“Was meinst du?”, schaffte er es zu sagen.

“Er darf euch nicht finden”, sagte er nur wieder, seine Augen schienen noch immer keine Ruhe zu finden. Es wehte ein kühler Wind, sorgte dafür dass die Bäume um sie herum laut und krachend hin und her schwangen.

“Na na, ist es nicht unhöflich einen alten Freund so hinter seinem Rücken schlecht zu machen, Oneandén?”, Daehyun fuhr herum, konnte den Mann ausmachen, von dem die fremde Stimme gekommen war. Er stand hinter Yongguk in schwarzer Robe, feurige Augen lächelten zu ihnen herüber. Beinah hatte er das Gefühl, die Luft würde immer dicker werden, der Himmel würde ihm aus irgendeinem Grund auf den Kopf fallen.

“Rotus Talen…”, flüsterte er schockiert, mit brüchiger Stimme. Vor ihm stand einer der ersten Vampire, einer der Vampire, die seit Jahrhunderten tot waren.

Daeh konnte sehen, wie Yongguk die Fäuste ballte, er drehte sich nicht einmal um. Oneandén stellte sich bedrohlich vor Daehyun, beinah verlor er das Gleichgewicht, als er die Wucht seiner Wurzeln auf dem Boden spürte. Es ging alles viel zu schnell, Daeh wusste nicht einmal, was passierte.

Der Fremde Mann bewegte sich einen Schritt auf sie zu, seine Haut war blass, glichen beinahe einem toten Weiß. Oneandén holte mit einer seiner Äste aus, mit enormer Geschwindigkeit schnellte er auf ihn zu, doch der Fremde hob nur lächelnd die Hand, sorgte dafür dass seine Bewegung in der Luft hängen blieb, er war nicht mal mehr imstande sich zu bewegen.

Daehyun spürte seine Aura so mächtig und kalt in seine Adern fließen, das er kaum Luft bekam. Er konnte sie nicht sehen, doch sie war so tot und kalt wie seine Augen.

“Vater…”, zischte Yongguk nur wütend.

“Es wurde Zeit dass du kommst, mein Sohn”.

"The only thing left"

Die Luft war wie Eis. Jede Minute erschien wie eine Stunde. Daehyun konnte sich nicht regen, nicht einmal ein bisschen. Er konnte Oneandén sehen, der genauso erstarrt neben ihm stand, doch weitaus weniger überrascht wie er. Als hätte er es alleine an dem Armband erkannt.

Daehyun konnte sehen wie sich Yongguks Lippen bewegten, doch die Wörter brauchten viel länger um bei ihm anzukommen.

Rotus Talen war am Leben und Yongguk sollte sein Sohn sein. Das konnte einfach nicht möglich sein.

“Meister Daeh, wir müssen gehen”, drang die laute Stimme nervös in sein Ohr und beinah zerstörte es mit einem heftigen Zucken die Schutzblase die er um sich herum aufgebaut hatte. Die Geräusche der Bäume und die Stimmen drangen wieder ungeschützt in sein Ohr und brachten ihn unsanft wieder in die Realität zurück.

“Yongguk”, schaffte er es erbärmlich schwach und leise über die Lippen zu bringen. Sein Gesicht war wie ein Anderes, als er sich ihm zuwendete, wieder genauso starr und kalt wie früher. Fast als würden sie sich wieder zum ersten Mal in der Bibliothek sehen.

“Du solltest gehen, Daeh”, meinte er. Doch auch wenn Rotus Aura wie Terpentin in seinen Adern brannte und seine Brust sich schmerzhaft zusammen zog, schüttelte er heftig den Kopf.

“Was ist hier los?”, wollte er wissen, war der Einzige, der nicht zu wissen schien, was vor sich ging.

“Verschwinde schon, Daeh!”, rief Yongguk so kalt, das Daeh spürte, wie seine Kehle trocken und taub wurde, seine Augen brannten, genauso wie der Rest seines Körpers. Rotus stand hinter ihm, die schwarze Robe bewegte sich leise und ruhig im Wind, seine roten Augen schienen genauso gelassen und vergnügt wie vorhin. Er musterte Daeh, fast wurde die Luft noch kühler, als seine Augen sich auf ihn legten.

Oneandéns Äste legten sich schmerzhaft fest um Daehyuns Unterarme, hielten ihn davon ab, einen Schritt auf den Schwarzhaarigen zuzumachen. Er wollte ihn an den Schultern packen, ihn fragen was los war.

Daeh hatte Angst, die Energie die von Rotus ausging war kein Vergleich zu Yongguks mächtigen Aura, an die er es sogar geschafft hatte, sich zu gewöhnen. Doch er konnte nicht gehen. Seine Füßen bewegten sich nicht, seine Augen hefteten Yongguk fest, als wäre es eine dumme letzte Bitte ihm verdammt noch mal zu erklären, was das alles zu bedeuten hatte.

Er wusste dass etwas nicht stimmte, er spürte es jetzt sogar in den Strömen die durch Oneandéns Äste wanderten.

“Lass mich los”, zischte er wütend. Man konnte seinen Blick sehen, er versuchte sich dagegen zu wehren, doch er stand immer noch unter seiner Kontrolle. Mit lauten, krachenden Geräuschen zuckten die Äste wieder zurück.

“Willst du mich denn nicht vorstellen, hm?”, war es plötzlich Rotus, der das Wort ergriff, ein schiefes, beinah schadenfrohes Lächeln auf den Lippen, aus dem man etwas zu lesen vermag - doch man wusste nicht war es war, was sich hinter diesen roten, leuchtenden Augen abspielte. Seine Stimme war beinah ein zufriedener Singsang.

Yongguk biss sich auf die Lippe, konnte sehen wie Rotus langsame, bedachte Schritte auf Daeh zumachte, der ihn mit erstaunlicher Entschlossenheit anstarrte. Er wirkte wie eine Raubkatze, geschmeidig, beinah lautlos schwebte er über die trockenen Äste.

“Du scheinst furchtloser zu sein als du aussiehst, Junge”, meinte er, beugte sich so tief zu Daeh herunter, das er seinen kühlen Atem auf seiner Haut spüren konnte. Er ballte die Hände zu Fäusten, versuchte dieses starke Verlangen, die Flucht zu ergreifen, zu unterdrücken. Auch wenn jede Pore seines Körpers es verzweifelt zu schreien versuchte.

“Ich gehe mit dir… aber lass ihn in Ruhe”, meinte Yongguk plötzlich, binnen Sekunden schien Rotus sich abgewendet zu haben, schenkte seinem Sohn ein zufriedenes Grinsen, dessen Blick wütend in seine Richtung schnellte. Er streckte ihm die Hand entgegen, Daeh hielt aus irgendeinem Grund die Luft an, als Yongguk ihm einen Blick schenkte.

Seine schwarzen Augen waren kalt, doch Daeh konnte es sehen. Diese tiefe Traurigkeit, diese Verzweiflung, die über die Wochen in seiner Nähe immer weniger geworden zu sein schien.

Doch Yongguk nahm Rotus Hand. Plötzlich verschmolzen sie mit der Luft, waren wie vom Erdboden verschluckt, lösten sich vor Daehs Augen in Luft auf.

Er schüttelte den Kopf.

“Nein… wo sind sie hin?”, er rannte zur Stelle, wo sie gerade noch gestanden hatten, riss die Blätter zur Seite, hoffte irgendwas zu finden, was ihm einen Anhaltspunkt geben würde, doch selbst der Wind war verschwunden. Er riss seinen Blick los, heftete ihn wütend auf Oneandén.

“Wo sind sie?!”, brüllte er.

“Meister Daeh…”, seine Stimme war fest, mächtig und erwachsen wie immer. Doch Daeh schüttelte weiter den Kopf, es konnte nicht sein, das er einfach so verschwindet.

“Du weißt etwas, wo sind sie hin?”, presste er angestrengt zwischen seinen Zähnen hindurch, seine Reißzähne bohrten sich in seine eigene Lippe. Doch er ignorierte den Schmerz.

“Meister Daeh”, fing er erneut an, diesmal weitaus eindringlicher als zuvor, “sie haben gesehen, welche Macht der erste Vampir besitzt… warum wollen sie ihm dennoch folgen?”, wollte er wissen. Seine hölzernen Augen waren schockiert, als hätte Daehyun entschlossen, seinem eigenen Selbstmord entgegen zu laufen. Er ballte seine Hände so fest zu Fäusten, das seine Gelenke schmerzten.

“Ich muss… Yongguk ist…”, presste er es hervor, doch der Blick in seinen Augen tauchte erneut vor ihm auf, brannte sich in sein Gedächtnis. Er fühlte sich rastlos und verwirrt, wusste nicht, was vor sich ging.

Doch auch Wut zerrte an seinen Gliedern, er spürte wie seine Aura sie in sich aufnahm, als wäre es neben allem Anderen eine weitere Energiequelle. Er ging wenige Schritte zurück, stand vor dem kleinen Weg, den Yongguk und er erst hier her gelaufen waren. Er wusste dass sie immer noch verfolgt wurden, doch finster blickte er in die Richtung aus den die Verfolger kommen würden. Oneandén war still, konnte spüren, dass Daehyun angestrengt Macht aus dem Strom der Erde, aus den Wurzeln und den Pflanzen zog.

“Meister Daeh…”, sprach er leise. Doch Daehyun legte mit aller Kraft seine Hand auf den Boden, spürte, wie Hitze ihn umschloss, als die Pflanzen und Zellen sich veränderten, sich immer weiter verflochten, sich höher und höher hinauf trugen. Er schuf Etwas, so hoch wie das Tor, durch das er und Yongguk gelaufen waren.

Er würde nicht wieder zurück gehen und er würde auf keinen Fall gefunden werden. Sein Körper legte sich in Schatten, die Hecke baute sich vor ihm auf, mächtig und undurchlässig, wie eine Mauer aus Stein. Zitternd stellte er sich auf, spürte wie sein Atem schwer und flach ging, doch er schaffte es, sich auf den Beinen zu halten.

“Wir hätten zurückgehen sollen”, seufzte Oneandén tief, doch seine Augen hefteten sich beinah bewundernd auf die Hohe Mauer aus Dornen und Efeu. Daeh schenkte ihm einen Blick, er alleine hätte alles sagen müssen, was er wissen musste, doch er wollte das es alle hörten. Jede Zelle dieses Waldes sollte auf seine Befehle hören.

“Wir werden Yongguk wieder zurück holen, das ist alles, was wir tun”, zischte er.

“Meister Daeh, er hat sich entschieden”, versuchte er es erneut, doch Daeh funkelte ihn warnend an.

“Und ich mich ebenfalls”.
 

Yongguk spürte das selbe schwindeleregendes Gefühl in seinen Organen, als Rotus ihn an der Hand packte, seine Aura heftig durch seine Adern strömte, sein Blut unter Feuer setzte. Er stand an der genau selben Stelle, doch der Wind war verschwunden, Daehyun und Oneandén ebenfalls.

Der Wald war still, viel zu still, als gäbe es auf dieser Seite der Welt, kein Leben mehr.

“Ich dachte nicht, dass es so einfach sein würde, dich zu überzeugen”, meinte Rotus gerade, er ging sich zufrieden mit den langen, schwarzen Nägeln durch das genauso schwarze Haar, doch Yongguk folgte ihm nicht, als er sich wieder in Bewegung setzte.

“Ich sagte ich gehe mit dir… nicht das ich darauf höre was du mir zu sagen hast”, drohte er, ein wütender, scharfer Blick schnellte in seine Richtung. Yongguk war die Kälte gewöhnt, sein Vater konnte ihm keine Angst einjagen.

Rotus atmete tief, schien mehr als sonst darauf bedacht zu sein, seine Wut herunter zu schlucken.

“Du wirst auf mich hören… früher oder später”, meinte er nur entschlossen, setzte seine federleichten Glieder wieder in Bewegung und fest biss sich Yongguk auf die Lippe. Sie schmerzte extrem, doch es war ihm egal. Es lenkte ihn davon ab, welche Entscheidung er getroffen hatte.

“Nun komm”, drangen seine Worte in sein Ohr und angestrengt riss er seinen Blick wieder von der Stelle los, an der Daehyun gerade noch gestanden hatte. Wahrscheinlich war er noch immer dort, nur auf der anderen Seite, vollkommen unerreichbar für ihn.

Er hasste sich dafür, er hasste den Gedanken sich von ihm zu trennen. Seine braunen Augen, wie sie entschlossen um ihn gekämpft hatten, obwohl er spüren konnte, das Rotus viel zu mächtig gewesen war. Die ihn nicht hatten loslassen wollen.

Und sie taten es auch jetzt nicht. Er spürte sie noch immer auf sich, wie einen prüfenden Blick, wie die verzweifelte Frage, warum er es getan hatte.

Aber Yongguk musste es tun.

Denn er wusste nur zu genau, das Rotus sogar den Mann umbringen würde, den er liebte.

Und somit folgte er ihm, stumm, wie ein dummer Hund, der seinem Herrchen folgte. Sie gingen denselben Weg zurück, doch es war nicht mehr wie davor. Der Wald war nicht mehr voller lebendiger Geräusche, es huschten keine Lebewesen mehr über den Boden, die Luft war kalt und tot. Die Bäume waren kahl und dünn, die Blätter lagen leblos auf dem Boden um ihre Füße.

Er konnte das Haus erkennen, aus dem Daehyun und er geflohen waren, in dem seine ‘ma friedlich vor sich hin gelebt hatte. Doch auf dieser Seite war das Haus eine halbe Ruine. Das Dach war in sich zusammengefallen, graue Asche erfüllte die Luft, legte sich auf Yongguks Haut, wie eine Versprechung für das, was noch kommen würde. Sie verließen den Berg, mit jedem Schritt den sie näher kamen, wusste Yongguk, das es ihn erneut in der Magengrube treffen würde, ihn innerlich genauso zerreißen würde, wie es jeden Tag seiner Kindheit gewesen war.

Unter ihnen lagen die hohen, alten Gebäude, einer komplett neuen Stadt. Neugierige Massen starrten zu ihnen herauf, als hätten sie sie bereits erwartet. Leuchtende, Augen und Auren labten sich in der Luft, gierig und bereit in Beifall auszubrechen.

Die Straßen rochen nach etwas Bitterem, legte sich wie eine Schicht auf Yongguks Zunge. Das hohe, gigantische Tor existierte nicht mehr, genauso wenig wie die Menschen. Rotus lief vor ihm, sein breiter Rücken streckte sich voller Stolz und angestrengt versuchte Yongguk langsam zu atmen, unter all den Augen und Blicken die sich auf sie legten. Keiner sagte ein Wort, nicht mal ein Flüstern, kein Atemzug füllte die Luft. Er hörte lediglich seine eigenen dumpfen Schritte, auf dem dunklen, mit Asche bedeckten Asphalt.

Sein Blick wanderte in eine dunkle Gasse, weitere Vampire schielten zu ihm herüber, rote, schmierige Flecken um die zu einem Grinsen verzogene Lippen.

“Majestät”, ein kleiner Mann, mit grauem Haar und grünen Augen verbeugte sich tief, beinah löste es den Beifall aus, denn Yongguk schon seit der ersten Sekunde erwartet hatte. Das Wort “Majestät” zischte durch die Luft, tausende Stimmen machten es dem kleinen Mann nach, senkten den Kopf, als hätten sie nur darauf gewartet sich zu unterwerfen.

Es hätte sich die Schulmauer vor ihnen aufbauen sollen, das laute Gelächter unbeschwerter Schüler, hitzige und unschuldige Auren die nichts davon ahnten, wie die Welt wirklich war.

Doch es war nicht die Schule, die an dem Ort stand, wo sie hingehörte. Es war das gigantische, alte Schloss des Königs der Vampire.

Rotus Talen.

Yongguk spürte, wie es ihm die Luft raubte, der Titel seines Vaters war wie ein weiterer sadistischer Einfall des Schicksaals. Er öffnete die Tore, die Vampire hinter ihnen drängelten sich an die Mauer, versuchten einen letzten Blick auf ihn zu erhaschen, gierige Augen, als würden sie Kraft aus ihm ziehen.

Sie betraten das Gelände, noch immer fielen keine Worte zwischen ihnen, beinah war die Erwartung alleine in der Luft zu spüren. Yongguk wusste, was sein Vater wollte, doch er wusste auch, dass er ihm dieses Verlangen niemals erfüllen konnte.

Der Garten war genauso voller Asche, wie die Straßen, kahle, schwarze Bäume ragten aus dem Boden, wie ein letzter Versuch der Natur, sich am Leben zu halten. Die goldenen Türen wurden von zwei Gestalten, in schwarzen Roben geöffnet, tief beugten auch sie den Kopf.

Die Stille war unerwartet wohltuend. Kein ungeduldiges dumpfes Geräusch von tausenden Vampiren, die ihre Füße nicht stillhalten können. Der Korridor war mächtig, unter Yongguks Füßen erstreckte sich das tiefe Rot eines altmodischen Teppichs, auf dem man seine Schritte nicht einmal mehr zu hören schien. An den Wänden, in goldenen Bilderrahmen, unter dem Licht 4 gigantischer Kronleuchter aus Glas, hingen die Gesichter der 5 ersten Vampire. In prächtigen Roben, Tierpelzen und mit starren, toten Augen.

“Kleide dich, wir werden bald verkünden, dass du zurück bist”, hörte man Rotus Stimme von den Wänden hallen, wie etwas das über seinen Kopf über das Schicksaal entschieden hatte. Yongguk konnte bereits die seelenlosen Gestalten erkennen, die ihn in sein Zimmer geleiten wollten.

“Warum bist du gerade jetzt gekommen? Warum hast du mich nicht früher wieder zurück gebracht… du hattest immer die Möglichkeit, nicht wahr?”, wollte Yongguk jedoch wissen, sofort erfüllte sich der Raum mit einem amüsierten Lachen, so schrill und herzlos, wie es nur sein konnte. Sein Vater wandte sich ihm endlich zu, seine Mundwinkel zuckten immer noch amüsiert.

Dieser Mann war so kalt und tot, wie man nur sein konnte. Mehr ein Peiniger, als ein Vater.

“Wie war es eigentlich… diesen kleinen, unschuldigen Jungen zu berühren?”, schnurrte er leise, ging mit seiner kalten Hand über Yongguks Oberarm, hinterließ rote Striemen mit seinen Fingernägeln. Yongguk biss die Zähne zusammen, versuchte die kochende Wut in seiner Kehle wieder herunter zu schlucken, die ihn beinah die Fassung verlieren ließ.

“Jung Daehyun richtig?”, wollte Rotus wissen, ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen.

“Nimm seinen Namen nicht in den Mund”, zischte Yongguk.

“Oh, nicht doch. Schließlich hab ich auf ihn gewartet. Jung Daehyun war genau das, was ich gebraucht habe”, schnurrte er, wie eine Raubkatze, die voller Ruhe ihr Opfer erwählt und auf den letzten Sieges Stoß wartete. Yongguk spürte die Wucht, mit der seine Aura peitschte, als würde sie den Druck seiner Wut nicht mehr standhalten.

“Du wirst ihm nichts tun”, schaffte er es zu sagen.

“Ober Yongguk, ich bin dein Vater, natürlich tue ich ihm nichts”, meinte er nur, doch Yongguk glaubte ihm nicht ein Wort, welches über seine dünnen, blassen Lippen kam.

“Ich werde dir lediglich beweisen, dass es für dich keinen Platz in dieser Welt gibt. Dein Platz ist hier, du bist der nächste König der Vampire, mein Fleisch und Blut”, seine Miene verfinsterte sich, mit einem festen, schmerzenden Griff umklammerte er Yongguks Oberarm.

“Jung Daehyun ist schwach, du wirst sehen, das nicht mal er - obwohl du glaubtest dass er dich zu lieben scheint - nach dir suchen wird”, er löste seinen Griff, Yongguk schnappte angestrengt nach Luft, hustete unerbittlich, als die Kälte um sein Herz wieder verschwunden war.

“Das war schon immer deine dumme Schwäche gewesen”, keuchte Yongguk angestrengt, war beinah zusammen gesackt, konnte sich mit einem Knie abfangen. Sein Körper war wie ausgesaugt, doch er schenkte seinem Vater ein Lächeln.

“Du denkst dass alles was auf dieser Welt zählt, Macht ist. Du wirst nie wissen wie es ist, Jemanden zu lieben”, zischte er. Rotus beugte sich ein letztes Mal zu ihm herunter, nicht einmal ansatzweise davon beeindruckt, was Yongguk ihm an den Kopf geworfen und geglaubt hatte, besser zu wissen.

“Selbst wenn Jung Daehyun es auf irgendeine Weise schafft, auf diese Seite zu kommen, was denkst du wird passieren? Wenn er sehen kann, wie die Welt aussieht, in der aufgewachsen bist - wo du hingehörst? Denkst du wirklich, seine Liebe wäre groß genug um darüber hinwegzusehen, dass du ein Monster bist?”, zischte er entschlossen, schaffte es, das Yongguk seinen Blick senkte, sein Herz sich fühlte als wäre es aus Stein.

Egal wie er es sich wünschte, egal wie sehr er daran glauben wollte, das Daehyun ihn liebte, wusste er, dass sein sadistischer Vater Recht hatte. Selbst wenn Daeh ihm folgen würde, würde er wirklich glauben, dass er der selbe war wie früher?

“Sehr gut, du hast es verstanden. Mach dir keine großen Hoffnungen, er wird diese Welt nicht betreten können”, meinte Rotus zufrieden, richtete seinen Körper auf und entfernte sich von ihm, als wäre es egal, was als nächstes passieren würde. Er wusste das Yongguk ihm folgen würde - er hatte keine andere Wahl.
 

“Essen sie das, Meister Daeh”, meinte Oneandén sanft, er hatte seine Wurzeln fest im Boden versunken, somit fiel es auch Daeh einfacher, ihn wach zu halten. Seine Äste schoben einen beachtlichen Haufen an Früchten und Nüssen zu ihm herüber.

“Danke…”, flüsterte Daehyun erschöpft, seine zitternden Finger griffen gierig danach. Das errichten einer Mauer, hatte seine Magie fast vollkommen ausgelaugt, er schaffte es nur mit der letzten kleinen Flamme, Oneandén wach zu halten. Auch wenn es umschlossen, von der starken Erde und den Bäumen längst nicht mehr so schwierig war, wie das erste Mal.

Doch er musste immer noch mit ihm reden, hatte sich kein Stück von der Stelle gelöst, an der Yongguk und Rotus verschwunden waren. Er saß auf einem Baumstamm in der Nähe und starrte darauf herüber, als würde sich jeden Moment etwas regen.

“Fühlen sie sich besser?”, wollte er wissen.

“Mir geht’s gut… keine Sorge”, meinte Daeh leise und trocken, kaute lange auf seinen Nüssen herum, konnte nicht verbergen, dass er am verhungern gewesen war. Auch wenn er fast gar keinen Appetit hatte.

Sein Magen war ein riesiger großer Knoten, der sich mit jeder Minute fester zu ziehen schien. Scharf und auffordernd schnellte Daehyuns Blick auf Oneandén zurück, dessen Äste unbewegt in der leichten Brise hin und her schwankten.

“Wirst du mir erzählen was du weißt?”

“Wenn nicht, würden sie mir es befehlen, Meister Daeh. Ich fürchte ich habe keine andere Möglichkeit”, sagte er unter einem kleinen Seufzen, brachten Daeh fast dazu, erneut Wut in seiner Kehle hinaufsteigen zu spüren, doch er konnte durch die Erde unter seinen Füßen die Angst in den Strömen seiner Äste spüren und erwartungsvoll zog sich seine Brust zusammen.

“Doch ich weiß weniger, als sie zu denken vermögen”, sein Blick wanderte auf die Stelle zurück, die Daehyun energisch beobachtet hatte und tief atmete er ein, entzog dem Wind seine Kraft.

“Alles was sie hier sehen, ist nicht das Einzige, was in dieser Welt existiert”, meinte er dann plötzlich, mit tiefer, verletzter Stimme. Daehyuns Blick schnellte in seine Richtung und verwirrt zog er die Brauen ins Gesicht.

“Als Baum lebt man viele Jahre, Jahrzente wenn es sein muss, ist mit der Erde und all ihren Erinnerungen verbunden. Vielleicht erscheint es ihnen unbegreiflich, aber ihre Macht ist größer, als sie es zu glauben scheinen”, machte er weiter, seine grünen Augen legten sich auf Daeh, der sich nicht mal traute, ihn zu unterbrechen, auch wenn er alles am liebsten viel schneller aus ihm heraus bekommen hätte.

“Rotus Talen ist vielleicht in dieser Welt gestorben, doch sein Schatten lebt weiterhin. Ein Produkt der anderen Welt, mit der er sich verbunden hat, kurz bevor er seinem Tod im ersten Krieg entgegen gesehen hat”.

“Du sagst, es gibt neben dieser Welt, noch eine Weitere?”, wiederholte Daehyun zitternd, die Worte waren wie ein großer Fluß aus Verwirrtheit in seinem Kopf.

“Er ist nicht das einzige Wesen, welches auf der anderen Seite lebt. Über die Jahre hat er es auf unbeschreibliche Weise geschafft, weitere Seelen auf seine Seite zu ziehen und sie zu Vampiren heran wachsen zu lassen. Doch sie sind nicht wie die Vampire, die wir heute kennen. Sie stehen am Anfang der Evolution, es dürstet ihnen nach Blut”, Oneandén stoppte sich, musterte vorsichtig Daehyuns Miene, als müsste er sicher gehen, dass er ihm weiterhin folgte. Die Äste um sie herum schienen sich zu krümmen und laben, als wollten die Wesen im Wald diese Geschichte nicht hören.

“Und vor 19 Jahren bekam er einen Sohn… In einer Welt in der lediglich tote Vampire leben. Ich kann mir das bis heute nicht erklären”, flüsterte er nur.

“Yongguk”, schaffte es Daehyun zwischen seinen Zähnen hindurch zu pressen, sein Herz raste, seine Finger fingen erneut zu zittern an, als er sich ihn vor seinem inneren Auge vorstelle. Wie er seinen Vater angeblickt und ihm ohne zu zögern die Hand gegeben hatte.

“Dieser Junge ist nicht das was er vorgibt zu sein… wenn er in dieser Welt aufgewachsen ist, müssen wir davon ausgehen, dass er gefährlich ist”.

“Nein… nein das glaube ich nicht”, zischte Daehyun, richtete sich auf und schüttelte energisch den Kopf.

“Ich kenne ihn, er ist nicht wie sein Vater…”, Daeh ballte die Fäuste zusammen, hatte keine Ahnung wie er all diesen bedrückenden Gefühlen Luft machen sollte, unter denen er mit der Zeit immer weniger atmen konnte.

“Er ist nicht böse…”, flüsterte er schwach, wusste nicht, wie er sich davon selbst überzeugen sollte. Er wusste es, er wollte es wissen, doch er konnte nicht sagen, wie es auf der anderen Seite aussah.

Er musste damit klar kommen, das alles was er wusste, eine Lüge war. Das Rotus Talen am Leben und das Yongguk mit ihm auf der anderen Seite war. In einer Welt in der Vampire Blut tranken, mit toten Seelen in ihren Schädeln, die das gesamte Gleichgewicht der Welt zerstört hatten.

Doch wenn er eins wusste, dann war es das er Yongguk liebte.

Er wusste, das es alles war, worauf er vertrauen musste.

“Gibt es irgendeinen Weg auf die andere Seite zu kommen?”, er drehte sich mit einer wuchtigen Bewegung um, Oneandén zog die Brauen ins Gesicht, wirkte erschöpft und wütend zugleich. Doch es war nicht wegen seiner Entscheidung, er wusste es ganz einfach nicht.

“Bäume leben ein Jahrhundert, eine ganze Ewigkeit”, fing er plötzlich an.

“Doch eine solche Liebe kommt so selten vor, dass ich beinah vergessen habe, wie es sich anfühlt, sie durch meine Äste strömen zu spüren”, seine tiefe Stimme zitterte vor Erregung, sein Lächeln war vorsichtig, aber Daeh konnte spüren, dass er entschlossen war.

“Sie müssen mit Albion reden, er ist der älteste Baum in diesem Wald”, versicherte er ihm.

"The ceremony"

Der bittere Geschmack legte sich erneut auf Yongguks Zunge, nur Sekunden nachdem er den breiten, kalten Balkon betreten hatte. Er atmete tief, versuchte sich an die dicke, aschige Luft zu gewöhnen, die es ihm nicht leichter machte, zu atmen. Rotus stand an dem goldenen, breiten Geländer - legte langsam und bedacht seine blassen Hände darauf. Neben den Türen standen weitere schwarze Gestalten, mit toten Augen und blasser Haut, als würden sie sich selbst hier in Gefahr befinden.

Wahrscheinlich war es eher das demonstrieren seiner Macht und ein weiterer Beweis dafür die Vampire unter seiner alleinigen Kontrolle standen.

Yongguk spürte wie der hohe Kragen der schwarzen, langen Robe unangenehm eng um seinen Hals lag, ihm das Gefühl gab, dass einer Rotus kalter Hände sich selbst darum gelegt und ihm die Luft abdrückte. Das Gewand hüllte ihn bis zu den Knöcheln ein, ein schwarzer, mit goldener Brosche verzierter Umhang darüber gelegt. Die Brosche zeigte eine goldene Schlange, eng schlang sie sich um einen schwarzen, kahlen Baum, einer, wie er wahrhaftig genau unter ihnen stand. Sie ruhte an seiner Brust, die sich heftig hob und senkte, als er die letzten Schritte an die Seite seines Vaters trat und die vertraute Masse erneut erblickte.

Doch die Tore waren geöffnet, Vampire kämpften um die letzten Plätze in diesem gigantischen, kahlen Hof, als wollten sie dieses Spektakel aus nächster Nähe beobachten. Yongguk hatte das Gefühl, sie konnten seinen schweren Atem sehen, seine Nervosität und seine Wut riechen, es aus seinen unruhigen Augen lesen.

“Beruhigt euch, meine Kinder”, halte Rotus Stimme durch die Luft, wurde vom Wind in jede Ecke getragen und nur Sekunden später, waren alle Stimmen, jedes Geflüster verstummt. Ohne Widerrede starrten sie zu ihnen herauf, bereit die Zeremonie stattfinden zu lassen.

Yongguks Magen zog sich zusammen, Übelkeit stieg ihm die trockene Kehle hinauf, doch er schaffte es ruhig ein und auszuatmen.

Rotus baute sich stolz vor diesen Gestalten auf, seine Hände hoben sich zu einer einladenen Geste in die Luft, als wollte er allen zeigen, dass sie in diesem Moment etwas zu feiern hatten. Seine Stimme war dunkel und mächtig, sie vibrierte in den Eingeweiden.

“Der Tag ist endlich gekommen, das mein Sohn zurückgekehrt ist. Viel zu lange haben wir alle auf diesen Moment gewartet”, er wendete sich ab, einer seiner Arme schien sich um Yongguks Schulter zu legen, doch alleine die Kälte die seinen Rücken durchfuhr ließ ihn einen Schritt nach vorne machen, in die einzelnen Gesichter unter sich blicken.

Sie waren starr und leer, als würden sie sich erst freuen, wenn sie die Erlaubnis dazu bekommen hatten.

Sie stellten keine Fragen, hatten keine Einwände - alles was sie waren, waren tote Soldaten. Die Rotus als seine eigenen Kinder bezeichnete.

Yongguk biss die Zähne zusammen, wusste nicht, wie lange er es aushalten würde, weiter herunter zu schauen.

Doch er wusste, dass es noch längst nicht vorbei war.

“Das Schicksaal steht schon seit langem nieder geschrieben, meine Söhne und Töchter. Mein eigen Fleisch und Blut ist zurückgekehrt, um die Prophezeiung zu erfüllen”, Rotus lachte, so mächtig und selbstsicher, so überglücklich, das Yongguk die Übelkeit erneut spürte, die seine Kehle hinauf wanderte. Sein Magen drehte sich um, zog sich zu einem engen Knoten zusammen, als er die zufriedenen Grimassen unter sich sehen konnte. Wie sie sich auf diesem engen Raum aneinander rieben. Die schwarzen Gestalten hinter ihnen, entzündeten die Fackeln am Ende des Geländers, zu ihrer Rechten und Linken. Die Hitze traf ihn heftig, wie eine Schockwelle durch den Körper. Er wusste, was als nächstes passieren würde.

“So trinkt! Schließt den Pakt, meine liebsten Kinder”, Rotus Kehle wirkte rau, beinah erregt. Außer Kontrolle. Genauso wie die plötzlich hektischen Körper unter ihnen.

Yongguk starrte darauf herunter, wusste nicht, ob er im nächsten Moment erbrechen würde oder ob sein Magen es länger aushalten würde. Es waren nur Sekunden und die Luft füllte sich mit dem stinkigen Geruch von Blut.

Es war nicht, als hätte er es nicht schon einmal gesehen. Wie Vampire instinktiv voneinander Blut tranken, nicht mal darauf achteten, wer es war, in den sie ihre Zähne versenkten.

Doch die Masse, war grausam.

Der Anblick war grausam.

Yongguk hatte dieses Leben hinter sich gelassen, er hatte die Brosche schon vor Monaten abgelegt, hatte das Massaker nicht länger mit ansehen können.

Doch dort war es nun, direkt unter ihm, er war der Grund, warum sich Vampire aneinander verköstigen, als wäre diese Zeremonie heilig für sie, als gäbe es keine andere Bestimmung für sie, als das.

“Ich werde mir das nicht länger ansehen”, zischte er heftig, kehrte mit rauer Kehle und brennenden Augen um, schaffte es, seinen zitternden Körper nach drinnen zu schleppen. Das goldene Geländer und die blutige Masse unter sich aus seinem Blickfeld, aber nicht seinen Gedanken, zu verbannen.

Rotus schien nicht verärgert, eher genauso siegessicher, wie immer. Seine Stimme war ein Singsang, die Art von Singsang, die Yongguk nur noch mehr das Verlangen verschaffte, ihn auf der Stelle zu töten.

“Aber aber, das ist der beste Teil der Zeremonie”, meinte er unter einem amüsierten Lachen, als Yongguk ihm einen scharfen Blick über die Schulter zuwarf, nicht im Stande, sich erneut zum Balkon und der Erinnerung dieser Bilder umzudrehen.

“Ich sage es noch einmal Rotus, ich bin mit dir gekommen - doch ich werde nicht tun, was du mir befiehlst. Diese Prophezeiung wird nicht in Erfüllung gehen”, zischte er, ließ sich auf einer der schwarzen Sofas nieder, die ganz in der Nähe in Mitten des Raumes gestanden hatte. Vor ihm war ein weiteres, in der Mitte ein kleiner Tisch aus Glas, Zigaretten und ein Weinkrug stand darauf.

Auch wenn es nicht Wein war, welches das Glasgefäß füllte.

Rotus ließ sich gelassen und ruhig ihm gegenüber nieder, legte die Beine übereinander und seine verschränkten Hände darauf.

“Du weißt fast nichts über diese Welt, wolltest nie etwas darüber wissen”

“Wer würde schon etwas über diese Welt wissen wollen?”, stellte Yongguk die Frage, die Jeder, der nicht genauso entstellt war wie Rotus, gestellt hätte.

“Du wirst es nie verstehen. Weil du blind für die Wahrheit bist”, er schnalzte mit der Zunge, erhob seine schlanke Gestalt und lief mit langsamen Schritten zu dem gigantischen Bücherregal herüber. Seine blassen Finger streiften über die dunklen, alten Buchrücken - es wunderte Yongguk, das er manche Titel wiedererkannte.

Er schwieg, versuchte angestrengt die Geräusche von draußen zu verdrängen, die viel zu penetrant in sein Ohr drangen. Er wusste, Rotus würde ihm nicht erlauben, den Raum zu verlassen - so war er gezwungen, ihm zuzuhören.

“Du hörst auf das, was die Lehrer dir in deiner hübschen Schule erzählen, glaubst ihnen jedes Wort, welches über ihre verräterischen Lippen kommt. Dabei sind sie lediglich eine Lüge, alles was sie sind, alles was sie sagen, alles was sie ausmacht”, er durchbohrte Yongguk mit einem Blick, “ist eine dreckige Lüge”.

“Du wirst es niemals verstehen”, schaffte es Yongguk, über seine trockenen Lippen zu bringen. Rotus Nägel bohrten sich in einer der Bücher, er riss es aus dem Regal und massiv schlug es vor Yongguks Füßen auf dem Boden auf. Seine Aura war unruhig, Yongguk spürte die Wucht, mit der sie sich um seine Eingeweide schlang.

“Du denkst diese Welt ist eine Lüge, Yongguk?”, Rotus Hand legte sich heftig um sein Kinn, seine Nägel waren kurz davor sich in seine Haut zu bohren, doch er zwang ihn lediglich, ihm in die roten, feurigen Augen zu sehen.

“Du hast den Krieg nicht erlebt…”, flüsterte er, “Du hast keine Ahnung, wie viele Vampire gelitten haben, wie es ist, wenn die Luft nach Verwesung stinkt. Du bist jung und dumm, denkst das es eine Möglichkeit gibt, neben diesen Menschen zu leben”, der Griff wurde fester, mit einer kleinen Bewegung hob er Yongguks Kopf ein weiteres Stück an. Er wollte sich wehren, doch sein Blut war wie eingefroren, er hatte keine Chance.

“Ich habe es geschafft diese Welt zu schaffen, ich habe dem Tod in die Augen gesehen. Warum denkst du ist mir das gelungen, wenn es nicht vorbestimmt war, das es eine Welt geben wird, in der Vampire ihrer Natur nachgehen können?”, zischte er, ließ Yongguk mit einer schnellen Bewegung wieder los, auch wenn sich seine roten Augen noch immer nicht von ihm lösten. Yongguks Hand schnellte automatisch an seinen Kiefer, versuchte angestrengt den Schmerz zu lindern.

“Und ihre Bestimmung ist es, tot zu sein, um am Ende hier zu landen?”, schaffte es Yongguk zu sagen, das taube Gefühl in seinem Kiefer ließ schneller nach, als gedacht. Rotus lachte herzlos auf, scheinbar amüsiert darüber, dass Yongguk noch immer nicht zu verstehen schien, was er ihm sagen wollte.

“Die Seele ist ein interessantes Instrument, gerade wenn sie kurz davor ist, den Körper zu verlassen”, meinte er, sein Blick auf den Balkon und die Gestalten gerichtet, die mit der Zeit immer leiser darunter wurden.

“Denkst du ich habe diese Seelen gezwungen, diese Welt zu betreten?”, wieder ein herzloses Lachen, Yongguk biss die Zähne zusammen.

“Warum sollten sie sonst hier sein?”, zischte er.

“Weil sie durch die Hand eines Freundes gestorben sind. Nur diese Wut und dieser Verrat verleiht der Seele eine solche Macht. Ich habe sie lediglich bei der Hand genommen und hier her geführt - in die richtige Welt”, Rotus rote Augen zuckten unruhig, der Knoten in Yongguks Magen wieder da, machte es ihm schwer, richtig zu denken.

Hinter ihnen öffnete sich die Tür, doch keiner der Beiden rissen den Blick voneinander los.

“Ein Mensch hätte gar nicht…”

“Du denkst hier geht es nur um die Menschen? Wie naiv du doch bist…”, langsam atmete Rotus aus, als hätte er keine Geduld mehr für seine unreifen Fragen, dafür das er so starrsinnig war. Langsam kam er zu ihm herüber, sein Blick lag auf dem, was hinter ihnen durch die Tür gekommen war, doch seine kühle Hand lag auf seiner Schulter.

“Diese Vampire auf der anderen Seite sind genauso wie sie. Lehnen das Trinken von Blut ab, das ich nicht lache. Es war schon immer ihre Stärke dir das Gefühl zu geben, das sie dir vertrauen-”, er machte eine atemlose Pause.

“Um dir dann den Dolch in den Rücken zu rammen”, flüsterte er, seine Hand löste sich, Yongguk konnte sehen wie seine schwarze Gestalt aus seinem Augenwinkel verschwand. Yongguk erhob sich, spürte dass seine Knie viel schwächer waren, als er es erwartet hatte. Langsam drehte er sich um, konnte Rotus neben einer Rothaarigen Gestalt stehen sehen, ein sicheres Lächeln auf den Lippen. Es war eine Frau, gerade mal durch ein dünnes Seidenkleid bedeckt. Ihre braunen Augen schauten erwartungsvoll zu ihm herüber.

“Die Prophezeiung wird sich erfüllen, sobald die Mondfinsternis beginnt”, versicherte er.

“Geht es dir also nur um deine eigene dumme Rache an den Menschen und denen die Fehler begangen haben?”, zischte Yongguk aufgebracht, konnte sich nicht auf die Rothaarige konzentrieren, die plötzlich einen weiten Schritt auf ihn zugekommen war.

“Es ist das Gleichgewicht der Welt, Yongguk”, brüllte er scharf, seine Worte halte bestimmend von den Wänden wieder, stark zuckte Yongguk zusammen unter der Wucht, mit der seine Stimme aus seiner Kehle kam.

Er atmete tief, versuchte sich sichtlich wieder zu beruhigen - als hätte es einen Unterschied gemacht.

“Du wirst mich und die Götter noch verstehen, mein Sohn”, sagte er dann gefasst, doch fest biss sich Yongguk noch immer auf die Lippe.

“Seit wann hörst du auf die Götter?”, wollte er unter einem suspekten Lächeln wissen, doch Rotus schaute ihm unbemüht direkt in die Augen.

“Seit Luzifer selbst dich geprägt hat, dir bestimmt hat die Prophezeiung zu erfüllen”, zischte er erregt, die Worte schmerzen in Yongguks Ohren, er spürte wie sein Herz sich erneut eisig zusammen zog.

Er erinnerte sich daran, an die dunklen Augen dieser Gestalt, die sich Luzifer genannt hatte - die ihm in dem kleinen Zimmer besucht hatte, als er gerade mal 3 Jahre alt gewesen war.

Er hatte ihm den Fluch auferlegt, niemals im Leben einen anderen Menschen, einen anderen Vampir berühren zu dürfen - er war lediglich dazu da, die Prophezeihung zu erfüllen.

Plötzlich war es klar, plötzlich machte es Sinn warum Rotus alles dafür gab, diese beiden Welten zu vereinen, die Menschen zu vernichten.

Es war nicht sein Plan - es war von Anfang an Luzifers gewesen.

“Und jetzt stärke dich, auch du hast ein Mahl verdient”, meinte Rotus leise lachend, schon dabei den Raum wieder zu verlassen und ihn und die Rothaarige alleine zurück zu lassen. Er ging sich zufrieden durch die schwarzen Haare, ihm entkam ein erleichtertes Seufzen, als fühlte er sich in Allem was er gesagt hatte, erneut bestätigt.

“Ich werde kein Blut trinken…”, presste Yongguk angestrengt durch seine zusammen gebissenen Zähne hindurch.

“Wie unhöflich”, lachte Rotus nur leise, doch Yongguk drängte sich an ihm vorbei, noch vor ihn in den Korridor, Hauptsache weg von ihm, weg von dem Balkon und der Stimme von Luzifer, die wie ein Mantra wieder in seinem Kopf aufgetaucht war. Rotus machte sich nicht mal die Mühe, ihn aufzuhalten.
 

Du wirst es verstehen, du wirst wissen wofür du bestimmt bist, kleiner Yongguk.

Kleiner, unschuldiger Yongguk.
 

Yongguk riss die Tür zu seinem Schlafgemächern auf, schickte die schwarzen Wachen an den Türen unter eisiger Stimme fort, war erleichtert darüber, dass sie seinen Befehlen ohne Widerrede Folge leisteten. Er war erschöpft, zerrissen, leer und aufgewühlt zur selben Zeit. Schwer seufzte er, spürte jedoch, dass es nicht die wohltuende Wirkung gezeigt hatte, die er sich erhofft hätte. Er riss sich den schwarzen, schweren Mantel vom Leib und öffnete die obersten Knöpfe des hohen Kragens.

Luzifers Name war wieder aufgetaucht, nach diesen vielen Jahren, in denen er versucht hatte zu vergessen, das er der Gott war, der ihn geprägt hatte.

Doch war er kein Gott, er war Satan, verstoßen von Gott, genauso wie Yongguk immer ein Verstoßener gewesen war.

Fest schüttelte er den Kopf, versuchte diese Gedanken nicht tiefer in seinen Geist eindringen zu lassen, wo sie sich festsetzen und ihn verzweifeln lassen würden.

Er ließ sich auf seinem Bett nieder, atmete tief und ging sich vorsichtig über die erhitzte Stirn.

Die Mondfinsternis war zum greifen nah, es machte Sinn das Rotus ihn genau jetzt wieder zurück geholt hatte.

“Die Prophezeiung…”, flüsterte er mit zittriger Stimme, hatte plötzlich das Gefühl sich nicht mehr gegen all diese Dinge wehren zu können, die Rotus gesagt hatte.

Getötet von einem Freund, getötet im Krieg, Verrat und Verzweiflung.

Was hatte das zur Hölle alles zu bedeuten?

Yongguk hatte keine Ahnung was passieren würde, was der Welt die er kannte gegenüber stand. Was Daehyun gegenüber stand.

Fest biss er sich auf die Lippe, als er seine braunen Augen erneut vor sich sehen konnte, sein süßes, unschuldiges Lachen, als hätte er nichts zu fürchten. Als wäre sein Leben unbeschwert und federleicht.

Das Verlangen diese Leichtigkeit erneut zu spüren, sie in sich aufzunehmen, riss an seinen müden Gliedern, brachten seine Augen zum brennen. Er fühlte sich schwach und machtlos, so wie jeden Tag seiner Kindheit.

Er fühlte sich, als wäre alles wie früher.

"Albion"

Daehyun spürte wie seine Knöchel schmerzten, wie sein Magen schmerzhaft an seinem Verstand zog, als würde er vor Hunger bald in sich zusammenfallen.

Doch Daeh konnte nicht stehen bleiben, er hatte ein Ziel vor Augen, wieder Hoffnung, etwas ändern zu können. Oneandéns Gesicht wanderte von Baum zu Baum, immer wieder öffneten sich seine Augen in der Ferne in einem neuen Stamm, schauten ihn nüchtern an und wollten ihm so den Weg weisen.

“Wir können eine Pause einlegen, Meister Daeh”, meinte er jetzt, konnte sehen wie Daehs Schritte immer langsamer und sein Atem angestrengter wurde. Doch er schüttelte energisch den Kopf, hasste sich dafür, schon nach so kurzer Zeit an Kraft zu verlieren.

“Wie weit ist es noch?”, wollte er stattdessen wissen, konzentriert darauf, trotz Allem nicht stehen zu bleiben und zu riskieren, dass sein Hunger schlussendlich die Oberhand gewann. Seine Magie war noch nicht vollkommen regeneriert, doch er hatte nicht noch länger dort sitzen und warten können.

Er ging um Yongguk. Seinen Yongguk.

“Warum kommt Albion nicht zu mir, so wie du?”, sagte er leicht außer Atem, als der Boden immer unebener und steiler unter seinen Füßen wurde. Oneandén lachte, überraschenderweise.

“Albion ist ein alter Kauz, noch viel sturer als ich”, meinte er, schaffte es, Daeh für wenige Sekunden ein zaghaftes Lächeln über die Lippen zu jagen. Doch es war nur von kurzer Dauer.

“Doch auch er müsste auf mich hören, oder?”, wollte er wissen, hielt sich angestrengt an einer der Bäume in der Nähe fest, um nur für wenige Sekunden Luft zu schnappen, ehe er sich wieder in Bewegung setzte.

“Ich denke, so weit ist ihre Kraft noch nicht, Meister Daeh”

“Was soll das heißen?”, Daeh zog verwirrt die Brauen ins Gesicht, konnte sich nicht vorstellen, warum es eine so große Sache war. Doch Oneandén stieß plötzlich die Wurzeln aus dem Boden, Daeh konnte sehen, wie sich vor ihm zwischen den dunklen Bäumen plötzlich eine kleine Lichtung aufbaute. Er konnte nur das Licht erkennen, blinzelte stark dagegen an, da die Sonne ihn bis jetzt nicht wirklich begegnet war.

“Wir sind da”, meinte Oneandén nur in dunkler Stimme und mit jedem Schritt den Daehyun machte, konnte er spüren, wie der Hunger verschwand, wie sein Herz immer schneller schlug, als er sehen konnte, was sich vor ihm aufbaute.

Er wusste, warum er viel zu schwach war, um Albion auch nur einen einzigen Befehl zu erteilen. Der helle, weiße Stamm war 100 Mal dicker als Oneandéns, erstreckte sich beinah Meter lang zu seiner Rechten und Linken. Er konnte kaum den Anfang und kaum das Ende entdeckten.

Er musste den Kopf komplett nach oben reißen, um die gigantischen, dicken Äste sehen zu können, die alles wieder viel zu schnell in Schatten legten.

Er war so hoch wie ein Hochhaus, höher, breiter und anmutiger als alles was Daehyun jemals in seinem Leben gesehen hatte.

“Wie soll ich…?”, meinte Daeh leise, eingeschüchtert von der gigantischen, prächtigen Erscheinung vor ihm. Er passte so gar nicht zu den anderen Bäumen, seine Äste und der Stamm waren hell, beinah weiß, die Blätter aus leuchtenden Orange. Daehyun meinte zu wissen, dass er einen solchen Baum, noch nie in seinem Leben gesehen hatte.

“Wenn er aufwachen will, wird er es tun… sparen sie also ihre Kräfte”, meinte Oneandén plötzlich, Daeh verstand noch immer nicht, was er meinte. Wie konnte er aufwachen, ohne das?

“Meister Daeh, zerbrechen sie sich darüber nicht den Kopf”, meinte er, als hätte er die Fragen aus seinen unruhigen Augen gelesen. Er war eingeschüchtert, keine Frage. Doch es war tiefer, endloser Respekt der plötzlich durch seine Adern floß, als er dieses Monstrum vor sich stehen sah, als wäre er nur ein mickriges Puzzleteil.

Albion musste über unheimliche Weisheit und Macht verfügen.

Plötzlich bewegte sich Etwas, der Wind wehte eisig kalt um Daehyuns nackte Arme, ließen ihn vor Erwartung und Ehrfurcht erstarren. Der Stamm knackte, vibrierte förmlich im Boden, durch jede Zelle von Daehs Körper und er konnte sehen, wie Albion seine Augen öffnete. Jedes mindestens so groß wie er selbst, braun und weise schauten sie auf ihn herab, musterten ihn genau.

“Es stimmt was man sagt”, fing er an, schwer musste Daeh das Gleichgewicht halten, war kurz davor sich die Ohren zuzuhalten, als der tiefe Bass durch seine Brust vibrierte, “Pflanzen sich lebendig, also wozu brauche ich dich?”, meinte er spöttisch.

Er schien nicht begeistert darüber, ihn zu sehen. Seine Brauen zogen sich tief nach unten, seine hölzernen Augen schienen verärgert.

Daehyun musste nach Luft schnappen, ehe er es schaffte, etwas über seine Lippen zu bringen.

“Albion, wir brauchen deine Hilfe”, war es Oneandén, der ihm zuvor kam.

Ein lautes, herablassendes Lachen schnellte durch die Luft, ließ die Vögel in den Bäumen die Flucht ergreifen. Daehyun konnte sie verstehen, er hatte das Gefühl sich kein Meter bewegen zu können, doch dennoch flehte sein Körper ihn an, ebenfalls die Flucht zu ergreifen. Die Energie und Macht die durch die Wurzeln unter dem Boden strömten, war unbegreiflich. Er wunderte sich, sie nicht schon über Kilometer gespürt zu haben.

Es war wie, als wäre er das Zentrum dieses ganzen Waldes.

“Meine Hilfe? Warum sollte ich kleinen Vampiren helfen?”, fragte er nur, viel zu entschlossen, als das Daehyun es ertragen könnte.

“Hör mich erst einmal an”, flehte er, hasste sich dafür, erneut wie ein schwacher kleiner Junge zu klingen. Doch er war schwach, wenn er die Macht spürte, die durch diesen Stamm strömte, erinnerte es ihn daran, wie schwach er war.

“Wage es nicht, mir Befehle zu erteilen, Vampir”, rief er aufgebracht, schaffte es beinah, das Daehyun sein Gleichgewicht verlor, als eine Schockwelle durch die Erde zuckte, wie ein Erdbeben. Oneandén schien zu zögern, als Albions Äste sich wütend krümmten.

“Rotus Talen… er ist am Leben”, schaffte es Daeh über die Lippen zu bringen, doch es war witzlos zu denken, das Albion das nicht schon längst wusste. Er starrte Daeh an, nichts an seinen Augen änderte sich oder zeigte auch nur das Geringste an Verwunderung. Doch er schien wenigstens für eine weitere Sekunde zuzuhören.

Angestrengt nutze Daehyun die Gelegenheit.

“Er hat meinen Freund entführt, ich muss ihn wieder zurück holen”

“So wie ich das sehe, hat er sich freiwillig für die andere Seite entschieden”, korrigierte Albion unter weiterem Spott, als würde er sich von Niemanden zum Narren halten lassen. Daehyun spürte, wie seine Brust sich zusammen zog und seine Handflächen feucht wurden.

“So ist das nicht…”, wollte er sagen, doch wieder zuckten seine Äste wütend und aufgebracht hin und her und seine laute Stimme hallte durch den Wald.

“Willst du etwa behaupten, ich habe mich geirrt?”, rief er brüskiert und Daeh schüttelte vorsichtig den Kopf, ballte fest die Hände zu Fäusten. Wenn er ihm wenigstens zuhören würde.

“Es war Rotus, der ihn dazu gezwungen hat”, meinte er entschlossen, doch auch das schien Albion nicht umzustimmen.

“Oneandén, in Zukunft wünsche ich, dass du keine weiteren solcher Störungen zu mir bringst - ich denke damit habe ich mich klar genug-”, Albion wollte weiter sprechen, schenkte Daeh schon gar keinen Blick mehr, der vor Wut zu kochen angefangen hatte.

“Jetzt hör mir zu!”, brüllte der aufgebracht. Er spürte wie Entrüstung durch Albions Äste strömte, doch er schwieg, als wollte er abwarten, was sich dieser kleine Zwerg sonst noch leisten würde.

“Ich muss auf die andere Seite, koste es was es wolle! Und du musst mir dabei helfen”, flehte er wütend, schenkte ihm einen starren Blick, der ihm sagte, das er nicht einfach verschwinden würde. Dass er nicht umsonst gekommen war.

“Du kannst die Vampire hassen, von mir aus. Doch es geht hier um meinen Freund - ich muss ihm helfen”, machte er weiter, selbst Oneandén starrte ihn an, hatte nicht damit gerechnet, dass er vor ihm die Stimme erheben würde.

Doch es war wie bei Rotus, selbst wenn diese Energie ihm die Kehle zuschnürrte, er wusste dass er rein gar nichts auszusetzen konnte, sich nicht wehren konnte. Er konnte nicht einfach nichts tun.

Albion schwieg eine ganze Weile, schaute skeptisch auf ihn herab. Daeh hatte beinah das Gefühl diese gefühlte Ewigkeit die Luft angehalten zu haben, seine Lunge wurde mit jedem Moment kleiner und enger. Er zog die Brauen ins Gesicht, seine Äste schienen ruhiger geworden zu sein.

Doch sein Blick hatte sich nicht verändert.

“Verschwindet von hier”, meinte er nur, Daeyhun wollte einen Schritt nach vorne machen, er wusste zwar nicht, was es geändert hätte, doch er konnte ihn nicht mehr aufhalten, die Augen zu schließen.

Er war verschwunden, das Holz war wieder wie vorher, Daeh stand lediglich vor einem einfachen Baum, dessen Äste ruhig und leise rauschend im Wind wehten.

“Ich werde hier bleiben, bis du verstehst, um was es hier geht! Ich werde nicht einfach verschwinden”, schrie er den hellen Stamm an, in dem Wissen dass er ihn ganz bestimmt hören konnte, auch wenn die mächtige Energie wie vom Erdboden verschluckt war.

“Meister Daeh…”, flüsterte Oneandén neben ihm, doch Daeh hatte einen Entschluss gefasst. Heftig drehte er sich zu ihm um, schenkte ihm einen starren Blick.

“Wir bleiben hier, er wird mit helfen”, meinte er scharf, ließ seinem Gegenüber keinen Raum für ein Gegenargument. Auch wenn Oneandén nicht wirkte, als wollte er ihm davon abbringen wollen.

Er wirkte besorgt, darüber welche Wut und Unruhe in seinen Augen lagen.

“Albion hat sich noch nie von einer Entscheidung abbringen lassen…”, meinte er eindringlich, wollte Daeh davor warnen, was er sich dabei war, auf die Schultern zu laden.

“Dann wird jetzt das erste Mal sein”, zischte er durch zusammengebissene Zähne hindurch und ließ sich erschöpft an einem der nahe stehenden Bäume nieder. Zog die Beine an den Körper und starrte auf den hellen Stamm herüber, registrierte jede kleinste Bewegung, jede Veränderung des Windes.

Es hatte eine Ewigkeit gedauert, bis er sich endlich dazu überwinden konnte, etwas zu essen. Nüsse und Beeren wie vorher, doch es waren genug gewesen, um seinen Magen zufrieden zu stellen. Seine Augen lösten sich auch währenddessen nicht von Albions Stamm, doch er hatte nicht aufhalten können, das seine Augen schwerer geworden waren. Die Sonne war bereits untergegangen, der Wald kühl und vertraut um ihn herum. Er riss sie immer wieder auf, zwang sich mit immenser Kraft, wach zu bleiben. Doch er schaffte es nicht.

Sein Kopf ruhte auf seinen Knien und er sank in seinen schweren, schwarzen und leeren Schlaf.

“Er wird nicht aufgeben, oder?”, Oneandén hatte nicht erwartet, die Stimme erneut zu hören, oder das er wach blieb, obwohl Meister Daeh vor ihm in einen dunklen Schlaf gerutscht war. Doch es wurde ihm schneller bewusst, als er Albions zuckenden Energie Strom in seinen kurzen Wurzeln spürte.

“Es ist noch nie vorgekommen, dass du dich von einer Entscheidung hast abbringen lassen”, meinte er verwundert, doch vorsichtig lächelte er, sich daran erinnernd, dass er und Albion schon lange in demselben Wald lebten, wusste, dass er ein Dickkopf war.

“Die Mondfinsternis wird bald kommen, Oneandén, wir haben nicht mehr viel Zeit”, wenn Oneandén es nicht besser gewusst hätte, dann hätte er glauben können, dass er unsicher klang. Etwas war in seinen Augen, etwas war nicht wie sonst.

Mit einem nervösen Blick in Richtung Daehyun, bewegte er sich einen Schritt auf ihn zu, stellte sicher, dass er nicht wach wurde. Seine Wurzeln schmerzten, er war viel zu lange wach gewesen.

“Warum willst du uns dann nicht helfen?”, drängte er, hoffte, dass er Albion nicht sofort wieder verärgern würde. Doch er schien ruhiger, es hatte etwas zu bedeuten, das er erneut das Gespräch suchte, anstatt zu warten, bis Daeh aufgegeben hatte.

Seine Augen wanderten in Daehs Richtung, ruhig hob und senkte sich seine Brust, man konnte die Erschöpfung auch jetzt in seinem angespannten Gesicht ablesen.

“Es wäre besser wenn er es aufgeben würde”, flüsterte er.

“Albion, weißt du wie man auf die andere Seite kommt?”, versuchte es Oneandén erneut, wollte keine Chance für Daeh ungenutzt lassen, ihm zu helfen. Albion seufzte tief und lange, löste seinen Blick scheinbar nur angestrengt von der kleinen, zusammen gekauerten Gestalt.

“Man zahlt einen hohen Preis, Oneandén. Der Grund warum ich nicht einwillige, zu helfen”, sprach er mit machtvollen Worten, doch trotzdem war da etwas, was Oneandén nicht aufgeben ließ. Albion wusste es, er wusste wie gefährlich Rotus war.

“Was meinst du damit?”, wollte er wissen.

“Denk nach, Oneandén. Die Antwort lag schon die ganze Zeit vor euren Füßen, von Anfang an”, meinte er eindringlich, als wollte er, dass er es verstand. Selbst dafür sorgen würde, das Daehyun seinen Plan aufgeben würde - auch wenn das niemals auch nur eine Option für Daehyun war.

“Du meinst doch nicht etwa…?”, fing er an, der Gedanke daran, ließ ihn verstummen. Albion konnte sehen, wie Daeh sich bewegte, wie sich sein Kopf langsam hob, die Augen müde und verwirrt blinzelten. Doch er schaute ihn an, bedacht, dass er ihn hören würde.

Daehyun realisierte schnell, schaffte es nervös seinen Körper in eine aufrechte Position zu hieven.

“Die einzige Möglichkeit, die andere Seite zu betreten, ist es…”, er stoppte sich selbst, starrte in die braunen, entschlossenen Augen dieses kleinen Jungen vor sich, wie er schon jetzt die Fäuste ballte, als wäre er bereit jeden Preis zu zahlen.

“Zu sterben…”, flüsterte Oneandén zittrig.

"The chosen one"

“Es muss eine andere Lösung geben… irgendwas!”, rief Oneandén aufgebracht, nicht im Stande auch nur eine Sekunde länger in Daehyuns erstarrten Augen zu blicken. Er spürte, was in seiner Brust vor sich ging und er zog es tatsächlich in Erwägung.

“Es geht um Yongguk…”, flüsterte er vor sich hin, vollkommen in Gedanken versunken, als wollte er die Realität nicht wahrhaben, aber Oneandén dennoch erklären, warum dieses Szenario tatsächlich durch seinen Kopf spuckte.

Die Realität war da, genau vor ihnen, unverblümt und grausam.

“Was ist das in deinen Augen, Junge?”, wollte Albion wissen, seine sonst so starre Stimme, wirkte hörbar verwundert. Daeh richtete seinen Blick auf, sah ihn an, doch er wusste im ersten Moment nicht, wie er es ausdrücken sollte. Das Gefühl das durch seine Adern strömte.

“Du würdest es tun, für einen Freund?”, fragte er, die Stimme plötzlich voller Ehrfurcht, beinah verwirrt, als wäre es das Letzte gewesen, was er erwartet hatte. Oneandén schüttelte sich, seine Äste verloren rapide an Blättern.

“Meister Daeh, das ist keine Option!”, rief er hektisch, versuchte ihn endlich zur Vernunft zu bringen. Sichtlich nervös zuckten seine Wurzeln, als wüssten sie nicht, wohin. Daehyun wurde auf eine komische Weise ruhig, fast schon gelassen, als er sich bewusst machte, was es bedeuten würde.

“Es geht um Yongguk”, sagte er erneut, diesmal eindringlicher und überzeugter, als müsste es als Grund reichen.

“Ich werde nicht zulassen, dass sie sich selbst töten!”, zischte Oneandén eindringlicher, als zuvor, als würde Daeh um Gottes Namen nicht verstehen, was er da sagte.

Und vielleicht tat er das nicht.

Es war wie zuvor, alles was ihm durch den Kopf ging war Er.

Sein blasses Gesicht, seine schwarzen, welligen Haare, seine dunklen Augen, in denen diese Traurigkeit lag, als würde er nie davon heilen.

Und Daehyun spürte wie seine Brust brannte, seine Hände zitterten, als er spürte, dass er alles dafür tun würde, ihn wieder für sich zu haben.

“Wenn es keine andere Möglichkeit gibt…”, flüsterte er.

“Was bringen sie ihm, wenn sie tot sind?!”, rief Oneandén wütend, schaffte es Daehyun endlich aus seinen dunklen, erdrückenden Gedanken zu holen und erschrocken blinzelte er ihn an.

“Du verstehst es nicht oder?”, zischte er dann, spürte wie das Adrenalin durch seine erhitzen Adern floß.

“Nein, sie haben Recht, ich verstehe es nicht…”, schaffte es Oneandén über die hölzernen, angespannten Lippen zu bringen. Er war enttäuscht, wütend darüber dass Daehyun sich bereits aufgegeben hatte - der Mann, den er geschworen hatte zu dienen. Ihn zu beschützen. Doch am meisten war es dieses brennende Gefühl, das Oneandén durch ihre Verbindung durch seine Äste strömen spürte - es raubte ihm beinah die Luft.

Plötzlich war es Albion der mit einem lauten Geräusch seiner sonst so ruhigen Äste die Aufmerksamkeit auf sich zog. Daeh warf ihm einen ungeduldigen Seitenblick zu, nicht im Stande die richtigen Worte zu finden, die Oneandén erklärt hätten, wie es in ihm aussah.

Er war zerrissen, es schmerzte so sehr, dass er beinah den Verstand verlor. Er wusste nicht wohin mit sich, wie er es abstellen konnte.

Plötzlich halte Albions Stimme durch den Wald, wie eine vibrierende Melodie, Daehyun spürte es durch alle seine Zellen zucken.

“Wenn die Mondfinsternis die Welten in Dunkelheit stürzt, das Licht vor aller Augen zu Schatten wird, wird die Vernunft verwelken, wie die Pracht der Blüte des Lebens”, seine Augen starrten Daehyun so eindringlich an, das er das Gefühl hatte, jedes einzelne Wort auf seiner Haut zu spüren, es in sich aufnehmen zu können. Er verstand ihre Bedeutung nicht, doch er hatte das Gefühl, diese Worte schon einmal gehört zu haben.

“Was soll das bedeuten?”, wollte Oneandén mit zittriger Stimme wissen. Albions Blick lag immer noch auf Daehyun.

“Sie haben mir etwas bewiesen, Meister Daehyun”, loderte Albions Stimme durch die Luft, Daehyun spürte, wie die Energie unter seinen Füßen sich zu regen schien, er spürte wie sie durch seinen gesamten Körper strömte, so viel mächtiger als zuvor. Doch es war der Blick in seinen Augen, ein tiefer Respekt, die Ehrfurcht gegenüber diesem kleinen Jungen.

Er hatte ihn als seinen Meister akzeptiert.

“Es gibt einen Weg”, meinte er dann fest, so entschlossen das Daeh spürte, wie diese Flamme in seiner Brust noch weiter entfachte.

“Sie werden sterben Meister Daeh… doch es gibt eine Möglichkeit, sie wieder zurück zu holen”, meinte er langsam und bedacht darauf, das Daehyun jedes kleinste Wort verstand.

“Was muss ich tun?”, wollte der nur wissen. Ein kleines Lächeln huschte über Albions starres Gesicht.

“Sie sind mit dem Wald verbunden, Meister Daehyun. Und dieser Wald lebt, jede kleinste Zelle. Vielleicht wird es mir möglich sein, sie wieder ins Leben zurück zu holen - doch ihnen wird nicht viel Zeit bleiben”, noch bevor Daehyun etwas sagen konnte, bevor er sich bewusst machte, was es zu bedeuten hatte, hatte er bereits entschieden.

“Ich muss es tun”, flüsterte er.

“Was ist mit Rotus? Er ist Wächter der anderen Welt, er würde bemerken, wenn Jemand eindringt”, versuchte Oneandén das Unausweichliche zu verhindern, Daehyun dazu zwingen, noch einmal nachzudenken. Albion zögerte tatsächlich, wenn auch nicht lange.

“Du solltest mich nicht unterschätzen, Oneandén, mein alter Freund. Rotus ist mächtig, doch auch er unterschätzt die Macht, die durch das Leben fließt”, wieder legte sich sein Blick auf Daehyun, plötzlich rumorte etwas in seinem Stamm, so laut und bestimmend, das Daeh nach Luft schnappen musste.

Das Holz teilte sich, wie lange, schwere Arme breitete es sich vor ihm aus, machte ein schwarzes Loch sichtbar. Es war seine Entscheidung, sein menschlicher Sarg.

“Wir wissen nicht ob es Albion gelingt, Meister Daeh, Bitte. Was wird passieren wenn er sie nicht wieder zurück holen kann, wenn es bereits zu spät ist?!”, flehte Oneandén verzweifelt, vollkommen machtlos. Daeh schenkte ihm einen Blick, versuchte ihm zu zeigen, dass es keinen Sinn mehr hatte.

Er hatte so etwas noch nie gespürt. Noch nie in seinem Leben. Plötzlich musste er wieder daran denken, an sein Zimmer, an seinen Kaktus, die Sorgen die er sich gemacht hatte, daran, was Youngjae in diesem Moment zu ihm sagen würde. Doch egal wie oft er diesen Gedanken zu sich durchdringen lassen wollte - war da Er.

Es war immer er.

Wie sollte Daehyun ohne ihn leben?

“Wenn ich es nicht schaffe… wie sollte ich ohne ihn leben können?”, flüsterte er schwach, seine Stimme war brüchig und jämmerlich. Oneandén wollte etwas sagen, weiter auf ihn einreden, bis er es sich anders überlegte.

Doch er spürte es wie eine Schockwelle durch seine Wurzeln strömen. Diese tiefe Traurigkeit, dieses Gefühl sein Leben vollkommen verschrieben zu haben und es schnürte ihm die Luft ab. Er war nicht mehr im Stande, etwas zu sagen.

Daehyun spürte das Zittern in seinen Knien, als er seine Füße zwang, sich in Bewegung zu setzen. Jeder Schritt schnürte ihm mehr die Brust zu, sorgte dafür, das Yongguks Gesicht immer klarer vor seinem inneren Auge sichtbar wurde.

Doch er zögerte nicht mehr, kein einziger Gedanke zuckte mehr durch seinen leeren Kopf, alles was er spürte, war Leere, Entschlossenheit - Gelassenheit.

Langsam ließ er sich in dieses endgültige Loch sinken, atmete tief, als er spürte, wie das kalte Holz durch seinen Rücken zuckte. Seine Augen warfen einen letzten Blick auf Oneandén, als sich Albions Äste um seinen winzigen, schwachen Körper schlangen und er spürte, wie seine Macht durch seine Glieder strömte.

Er spürte sie um seine Arme, seine Beine, wie sie weiter bis zu seinem Brustkorb hinauf wanderten, sich fest um seine Glieder schlangen. Bis sie schließlich seinen Hals und Kopf erreicht hatten.

“Meister Daeh”, hörte er Oneandén flüstern, doch die nächsten Sekunden konnte er nicht mehr richtig wahrnehmen. Er spürte einen stechenden Schmerz in seiner Brust, das Gefühl von endloser Kälte, er schaffte es seinen Kopf zu senken, auszumachen, woher der Schmerz kam.

Das Letzte was er erblicken konnte, bevor er von Albion verschlungen und in Dunkelheit ertränkt wurde, war das Loch in seiner Brust.

Das Gefühl einer kalten Hand um sein Herz, das mit jedem Schlag langsamer wurde - bis es schlussendlich aufhörte, zu schlagen.

“Suchen sie den Weg, Meister Daehyun. Sie sind bestimmt, die Prophezeiung aufzuhalten”, halte es so laut durch die Luft, doch Daeh spürte nichts, kaum etwas.

Es war kalt, dunkel, für wenige Minuten spürte er noch immer den Schmerz. Doch es dauerte nicht lange und alles war verschwunden.

Unter seinen Füßen verschwand der harte Boden, sein Körper schien zu schweben, wenn nicht sogar zu fallen.

Doch Daeh konnte nicht einmal mehr sagen, ob er seinen Körper noch spürte, oder ob es lediglich sein Geist war, der durch die ewige Dunkelheit schlängelte.

Er konnte ein Licht sehen, das so rapide grell und leuchtend wurde, dass er das Gefühl hatte, darauf zuzulaufen. Doch er spürte nicht wie er die Schritte machte, nur Sekunden später hatte ihn das Licht vollkommen verschlungen.

Und dann öffnete er die Augen.

Es war hell, vertraut, er konnte plötzlich die große, breite Treppe vor ihm entdecken, leise murmelnde Stimmen um sich herum. Er blinzelte stark, spürte, dass seine Füße und sein Körper wieder da war. Er bildete sich ein, dass sein Blut wieder durch seine Adern floß, sein Herz wieder ruhig und vertraut in seiner Brust schlug.

Und er konnte die Klassenzimmer sehen, das weiche, orangene Licht, welches durch die geöffnete Eingangstür drang.

Er war wieder in der Schule, doch alles war so viel wärmer, so viel weicher in seinen Augen. Er versuchte einen Schritt zu laufen, doch auch wenn er wieder festen Boden unter seinen Füßen hatte, spürte er ihn kaum, er schien wie zu schweben, nicht wirklich da zu sein. Der Gedanke an Albion und Oneandén zuckte durch seinen Kopf, die Erinnerung daran, was passiert war, doch sie schien verschwommen, nicht mehr richtig greifbar zu sein. Er machte weitere Schritte, schaffte es, sich an dem Geländer der Treppe festzuhalten und mit jeder Sekunde schien die Schwäche in seinen Gliedern zu schwinden.

“Jetzt komm schon Zelo, tu nicht so als würdest du nicht eigentlich total in sie verknallt sein”, die gläserne Tür neben der Treppe wurde mit einer schnellen Bewegung aufgerissen, Daeh spürte, wie seine Brust eng und schwer wurde, als er Youngjae entdecken konnte, wie er Zelo gerade einen heftigen Stoß gegen die Schulter verpasste. Doch es war nicht nur Youngjae, Yoongi lief ebenfalls neben ihnen her, grinste kopfschüttelnd in sich hinein.

Doch es war keine Aura zu sehen, keine Reißzähne, ihre Haut war nicht blass.

“Youngjae…”, flüsterte er angestrengt, die Erinnerung an alles was passiert war, brach wie eine riesige Welle auf ihn herein. Doch Youngjae blinzelte ihn nur unbeeindruckt an, schenkte ihm nach wenigen Sekunden ein Lächeln.

“Daeh! Ich dachte du bist heute den ganzen Tag bei deinem Geliebten”, das letzte Wort sprach er abwertend, als hätte er sich ganz einfach einen Witz erlaubt. Doch Daeh wusste nicht, was zur Hölle er meinte. Er spürte einen Stoß gegen die Schulter, so wie Zelo gerade den selben abgekommen hatte.

“Oder willst du doch mit in den Kiosk kommen?”, wollte er wissen. Daehyun spürte etwas in seiner Brust, die Erwartung, was wäre wenn?

“Nein… ich muss”, stammelte er, setzte seine zitternden Füße in Bewegung und riss die Tür, aus der die drei gerade noch gekommen waren, mit einer heftigen Bewegung auf. Er konnte Youngjaes kleines Lachen leise in seinem Ohr hören.

Was wäre wenn er hier war?

Daehyun hatte keine Ahnung was los war, was mit diesem Ort nicht stimmte, doch er spürte mit jedem Schritt, wie die Erinnerung ein weiteres Stück dunkler wurde, der Boden unter seinen Füßen immer lebendiger - als wäre er tatsächlich hier.

Er atmete heftig, als er vor der Bibliothek stehen blieb, er konnte die Empfangsdame sehen, wie sie ihm ein aufgewecktes Lächeln schenkte. Alles was so hell und lebendig, die Bibliothek war voller Schüler, sie war nicht mehr staubig und alt, wie er sie kannte.

Er krallte sich am Geländer der kleinen, metallenen Treppe fest, spürte mit jedem Schritt, wie sein Herzschlag sich wieder zu beruhigen schien. Als wäre das hier sein Schicksaal.

Seine Füße spürten den weichen Teppich unter seinen Füßen, die endlose Erwartung in seiner Brust, als er den kleinen Tisch entdecken konnte. Seine Augen brannten, heiße Tränen liefen ihm die kalten Wangen herunter, als er die schwarze Gestalt dort sitzen sah. Den Blick in einem Buch versenkt, die schwarzen Haare hinter ein Ohr geklemmt.

“Yongguk…”, schluchzte er leise, seine Kehle spürte sich beinah heiß und eng an, als sich seine schwarzen Augen auf ihn legten.

Er schien verwundert, blinzelte verwirrt, als er Daehyun erblickte.

“Warum weinst du?”, wollte er im dunklen Bass wissen, irgendwas in seinen Augen zuckte aufgeregt, sie waren voller Sorge. Daehyun konnte nicht anders. Seine Stimme zu hören, wie sie sich vertraut um seine Glieder legte und ihn nicht mehr losließ, brachten ihn dazu immer mehr heiße Tränen zu vergießen. Er wollte darin ertrinken, nie wieder etwas anderes hören, als seine Stimme.

Er stand auf, es war nichts als sein schlanker Körper, alles was Daeh sah, war er. Keine rote Aura, keine Erinnerung daran, was geschehen war.

“Ich war gerade mal einen Tag weg”, meinte er plötzlich, gefolgt von einem kleinen, verwunderten Lachen, welches sich wie eine wohltuende Melodie um Daehs Geist legte. Daehyun spürte, wie seine Füße schwerer wurden, sein Atem immer langsamer. Er flogen ihm Fetzen durch den Kopf, Erinnerungen daran, was Yongguk gemeint hatte.

Doch er schien zu vergessen, warum er hier war.

Er spürte, wie Yongguk eine Hand um sein Handgelenk legte, er wollte zusammen zucken, aus Angst, dass etwas passieren würde. Doch er hätte fast erneut geschluchzt, als er es spürte. Dort war nichts, außer seine weiche, warme Haut auf seiner.

“Hast du mich etwa so sehr vermisst?”, lachte er erneut, Daeh schaute ihn sein blasses Gesicht, welches er so traurig und zerrissen in Erinnerung gehabt hatte. Doch seine Züge waren weich, seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, eines das Daeh immer von ihm hatte sehen wollen.

Es war alles was er gewollt hatte - das Yongguk glücklich war.

Yongguks schlanken Hände legten sich um seinen Hals, so sanft und liebevoll, das Daehyun spürte, wie sein Herz brannte. Es fühlte sich an, als wäre alles um ihn herum egal, er spürte nicht einmal, das Albion zu schwinden schien, die Erinnerung an seinen Tod und sein Leben davor schien zu verschwinden.

Es gab nur ihn und Yongguk, für immer.

Ihre Lippen berührten sich für einen kurzen Moment, Daeh hatte das Gefühl nicht atmen zu können, als er spürte, dass sein Körper noch nie lebendiger war, als hätte er nie gelebt, nie überleben können, wenn er Yongguks Lippen nicht auf seinen gespürt hätte. Er machte einen Schritt nach vorn, seine Hände legten sich auf seine Unterarme, befielen Yongguk seine Hände nicht sinken zu lassen.

Und er vertiefte den Kuss.
 

“Wir verlieren ihn”, hörte Oneandén die mächtige, aufgeriebene Stimme durch den Wald peitschen. Albions Äste bewegten sich heftig, Oneandén konnte die Hitze in seinen Wurzeln spüren, die Gesichter der Bäume wurden lebendig, sie waren längst nicht mehr die Einzigen, die auf das kleine Gesicht von Daehyun blickten. Wie sein Körper leblos in den Albions Ästen hing, die Augen geschlossen.

Für Oneandén war der Anblick des tief in seiner Brust steckenden Astes, fast nicht zu ertragen.

“Was meinst du damit?”, zischte Oneandén panisch, versuchte eine Antwort aus Albion heraus zu bekommen, doch er schloss die Augen, knirschte so laut mit seinen Hölzernen Zähnen, das es in den Ohren weh tat.

“Er ist dabei ins Licht zu gehen”, zischte er heftig, Oneandén hatte das Gefühl, nicht mehr klar denken zu können. Er starrte Daehyuns kleinen Körper an, mit lauten, dumpfen Tönen schleppte er sich zu ihm herüber, nahm seinen leblosen Kopf in zwei seiner Äste, auch wenn er keine Hoffnung hatte, dass er ihn hörte.

“Meister Daeh, halten sie durch, verstanden?!”, rief er wütend. Wütend darauf, ihn gehen gelassen zu haben, ihn diese Entscheidung erlaubt zu haben - seinen Meister nicht beschützt zu haben.

“Tu doch was!”, schrie er Albion an.
 

Daehyun spürte, wie sein Atem langsam und flach ging, völlig überwältigt von dem Gefühl, welches seine Glieder wie Benzin unter Feuer gesetzt hatte. Yongguk ließ die Arme sinken, seine Lippen trennten sich von Daehs, der sich ohne sie plötzlich kalt und verlassen fühlte. Als wäre er nicht mehr komplett.

“Also doch, du hast mich vermisst”, lächelte Yongguk zufrieden, leise und benebelt lachte Daehyun, fast dabei, ihn nicht einmal mehr loszulassen, als er sich auf den kleinen hölzernen Stuhl setzen wollte.

“Ich muss das noch fertig machen… Hausaufgaben für morgen”, brummte er unzufrieden, ließ seinen schlanken Körper auf den Stuhl sinken und Daehyun vor ihm alleine stehen. Er wollte einen Schritt nach vorne machen, sich ihm gegenüber setzen und in der Leichtigkeit versinken, die ihn beinah komplett verschlungen hatte.

Er konnte glücklich sein, zusammen mit Yongguk.

Doch es zuckte ein stechender Schmerz durch seinen Kopf, eine dunkle Stimme tauchte verschwommen in der Ferne auf, doch Daeh konnte die Worte nicht richtig wahrnehmen. Er blickte in Yongguks lächelndes Gesicht, wie er eine Hand nach ihm ausstreckte.

Die Erinnerungen zuckten durch seinen Kopf, nahmen plötzlich keine richtige Reihenfolge mehr ein. Er konnte sehen, wie er und Yongguk sich gestern verabschiedet hatten, er für einen Tag bei seinem Familie zu Besuch eingeladen war. Wie er an der Eingangshalle gestanden und Youngjae die Augen verdreht hatte, das sie sich beinah nicht mehr loslassen wollten. Doch zwischen dieser Erinnerung, die Daehyun versuchte krampfhaft festzuhalten, zuckte das Bild von Rotus feurigen, stechenden Augen auf, durchströmten ihn wie ein Messerstich durch den Magen.

“Alles okay?”, wollte Yongguk wissen, seine Stimme dunkel und sanft.

Daeh spürte das Gefühl von Ruhe, die Sorgen über den Unterricht, über Dinge, die so normal und einfach waren, das es ihm den Atem nahm. Doch der Schmerz in seiner Brust, Albions Namen zuckte durch seinen Kopf.

Fest drückte er gegen seine schmerzenden Schläfen, spürte wie seine Tränen erneut heiß in seiner Kehle kochten. Yongguk hielt ihm immer noch die Hand entgegen, Daeh versuchte danach zu greifen, doch seine Finger zitterten, als es ihm plötzlich klar wurde.

“Meister Daeh, halten sie durch, verstanden?!”, halte es diesmal laut durch seinen Schädel, wiederholte sich wie ein Echo immer wieder in seinem Bewusstsein. Doch dieses Gefühl des Glücks wollte ihn nicht loslassen, das Verlangen nach Yongguks Hand zu greifen, war so stark, das er die Worte beinah verdrängt hatte.

“Lassen sie sich nicht täuschen! Seien sie stark”, kam es erneut, es schien nur er zu hören, Yongguks Lächeln schwand nicht, eher wollte er ihn weiter dazu verführen, bei ihm zu bleiben, seine Hand näherte sich ihm. Daeh spürte wie seine Brust eng und schwer wurde, er angestrengt zu atmen versuchte. Seine Tränen wurden stärker, wieder schenkte ihm Yongguk einen verwunderten Blick.

“Es ist alles gut, Daeh… du musst nur meine Hand nehmen”, flüsterte er sanft, langsam hatte er sich aufgerichtet. Daeh schluchzte erneut, suchte einen Ausweg, versuchte so angestrengt wie möglich sich an der Realität festzuhalten.

Doch die Realität schmerzte.

Die Realität war grausam und kalt. Er fühlte sich so alleine, so leer und ausgelaugt dass er das Verlangen nur noch mehr spürte, seine Hand zu nehmen.

“Yongguk…”, flüchtete er verzweifelt, wieder schenkte er ihm ein Lächeln.

“I-Ich… liebe dich”, schluchzte Daeh leise, nichts in Yongguks Augen schien sich zu verändern, er war ruhig und gelassen, sein Gesicht so sanft und weich, das Daeh es nie wieder vergessen würde.

“Ich weiß Daeh…”, meinte er sanft, doch stark schüttelte Daeh den Kopf, spürte das brennen in seiner Brust, die ewige Kälte, die er beinah nicht ertragen konnte.

“Und deswegen kann ich nicht hier bleiben”, fest biss Daeh die Zähne zusammen, schnappte flach nach Luft, als der Raum um ihn finster und kalt wurde, das Bild vor seinen Augen zu zerbrechen schien. Die Decke über ihren Köpfen bröckelte, Beton und Steine schlugen neben ihm auf dem Boden auf, der Tisch hinter Yongguk fiel in ein schwarzes, dunkles Loch im Boden.

“Yongguk…”, schaffte es Daeh erneut zu sagen, doch er konnte sehen, wie Yongguks schwarze Augen, sich in Rotus feuerige Augen verwandelten, wie seine Züge finster und dunkel wurden. Daehyun spürte die unendlich Angst in seiner Brust, er konnte seine rote Aura sehen, wie sie plötzlich in seine Richtung schnellte.

Er presste die Augen zusammen, machte sich auf den Schmerz gefasst, der seinen Körper durchströmen würde, wenn er ihn hingerichtet hatte.

Doch alles was er spürte war wie plötzlich jegliche Luft aus seiner Lunge gesaugt wurde und wie er angestrengt und panisch wieder nach Sauerstoff rang, als er die Augen öffnete. Es war der Bruchteil einer Sekunde gewesen, in der sein Herz wie Eis gefroren gewesen war.

Er hustete heftig, seine Hände legten sich auf seine schwere Brust.

Der schwarze Boden unter ihm war verschwunden, wie das erste Mal als er die Augen geöffnet hatte, konnte er plötzlich etwas Vertrautes entdecken. Graue leblose Blätter unter seinen blassen Händen, er lag auf allen Vieren auf dem Boden, immer noch heftig atmend.

Er schaffte es aufzuschauen, konnte das Haus sehen, welches sich als eine Ruine vor ihm aufbaute, welches ihn seine ganze Kindheit begleitet hatte. Die Asche legte sich auf seine Haut, die Luft roch nach Staub und etwas Süßlichem, wie Blut.

Alles lag auf seinen Schultern, die Erkenntnis, die Traurigkeit, die Verzweiflung. Es war nichts mehr übrig von der Leichtigkeit, des Kusses oder der Erinnerung eines glücklichen Lebens.

Er war auf der anderen Seite.

"The god of death"

Yongguk wurde beinah schwindelig und übel, davon wie stark seine Gedanken in seinem schmerzenden Schädel kreisten. Er saß auf der Bettkante, dieses viel zu pompösen, kreisförmigen Bettes mit rotem Deckenbezug und starrte aus dem Fenster. Auf der Fensterbank standen drei silberne Kerzen, sie hätten, wie alles andere, den Raum heimlich gemacht, wenn Yongguk das nicht nur als reine Provokation empfinden würde. Er fühlte sich eingesperrt, in einer Zelle voller schöner Möbel und teurem Dekorationen.

Hinter ihm öffnete sich wie erwartet die Tür, Yongguk schaute erneut auf seine schwarze Robe herunter, den Mantel mit der Brosche wieder über die schweren Schultern gelegt. Er fühlte sich flau und schwach, hatte noch immer nicht verkraftet, was vor ein paar Stunden passiert war - das Luzifers Name gefallen war.

Doch Rotus verlangte seine Präsenz, immer und am besten überall.

Es wurde zu allem Überfluß ein Ball organisiert, als Abschluss dieser ganzen, grässlichen Zeremonie.

Yongguk fühlte sich falsch, zu feiern und Sekt zu trinken, aus den Gläsern, in denen andere Blut tranken, sich dabei amüsierten und tanzten, als wäre die Verdammnis dieser Welt und seines Lebens ein Grund dafür.

Er richtete sich auf, war bereit seinem Vater unter die Augen zu treten, doch mit einem Mal spürte er die grässliche Präsenz seine Knöchel hinauf krabbeln, langsam und frostig seine Beine hinauf wandern. Er krallte sich in den schwarzen Stoff seines Mantels, hatte das Gefühl sich nicht bewegen zu können. Seine Glieder waren aus Stein, seine Lunge zog sich schmerzhaft zusammen und ließen ihn angestrengt nach Luft schnappen. Die Scheiben in den Fenstern knackten aufgeregt, Yongguk konnte die dünne frostige Schicht darauf erkennen. Yongguk zitterte als er seine dunklen Augen auf die befürchtete Gestalt hinter ihm legte, die ihn ruhig und gelassen anlächelte.

Er war seinem Vater ähnlicher, als Yongguk selbst zugeben wollte.

“Luzifer…”, flüsterte er mehr brüchig, als selbstsicher und stark, wie er es gehofft hatte. Luzifer trug ein dunkelblaues Kostüm, graue Weste und schwarze Bundfaltenhose. Seine rabenschwarzen Haare waren mit einem weißen Band im Nacken zu einem kurzen Zopf zusammen gebunden. Yongguk starrte in dieses bleiche Gesicht, welches sich über so viele Jahre in sein Gedächtnis gebrannt hatte. Er erinnerte sich an die dunklen, dichten Brauen, die spitzen, katzenartigen Augen mit goldener, leuchtender Iris, die dünnen, schmalen Lippen und seine schlanke Nase.

Alles.

Er erinnerte sich an die Kälte um seine Knöchel und das Gefühl in seiner Nähe nicht atmen zu können. Luzifers Aura war nicht zu sehen, wie Rotus, versteckte er sie. Yongguk wollte sich das Ausmaß nicht vorstellen, diese Aura einmal zu Gesicht zu bekommen.

Er war der Ursprung von Allem.

Er war Schuld, dass sein Leben eine Qual geworden war.

“Du starrst wie beim ersten Mal, gewöhn dir das endlich ab, Junge”, lachte Luzifer herzlich und amüsiert, sorgte dafür dass seine spitzen Augen sich in kleine Schlitze verwandelten und seine runden silbernen Ohrringe wild hin und her schwangen.

“Was willst du hier?”, zischte Yongguk kühl, schaffte es jedoch noch immer nicht, seinen Worten den nötigen Nachdruck zu verleihen. Er hatte vielleicht vor seinem Vater keine Angst, bei Luzifer spannte sich jeder Muskel in seinem Körper an, vor Angst und grässlichen, ungewollten Respekt.

Luzifer schloss die Tür hinter sich, lehnte sich nur wenige Zentimeter daneben gegen die Wand, seine Hand griff nach einem leeren Wiskeyglas, welches neben ihm auf einem kleinen silbernen Tisch stand, um sich daraufhin etwas aus den bereitgestellten Glasgefäßen einzuschenken, die Yongguk gewollt nicht angerührt hatte.

Er nahm einen Schluck der dunkelroten Flüssigkeit, um dann angewidert das Gesicht zu verziehen.

“Scheußlich…”, meinte er nur, Yongguk konnte seinen schwarzen Mantel nur noch fester umklammern, bohrte sich seine eigenen Fingernägel in die Handfläche. Luzifer stellte das Glas wieder ab, rieb sich zufrieden die Hände und schenkte Yongguk einen Blick.

“Also, kommen wir zu dem, warum ich hier bin”, meinte er gelassen. Wenige, langsame Schritte kam er auf ihn zu, dabei musterten ihn seine goldenen Augen. Eine kalte, blasse Hand legte sich unter Yongguks Kinn, Luzifer hob seinen Kopf an, musterte ihn beinah mit zufriedener Miene. Einer seiner Daumen strich langsam und sanft über seinen Kiefer, Yongguk hatte beinah das Gefühl, vor Übelkeit in die Knie zu sacken.

“Wie groß du geworden bist, kleiner Yongguk”, er lächelte süffisant, noch immer fühlten sich Yongguks Stimmbänder festgefroren, er brachte kein Wort heraus.

Luzifers Hand senkte sich wieder, mit anmutigen Schritten ging er an ihm vorbei zum Fenster, blickte für wenige Momente hinaus, als würde er nach den richtigen Worten suchen. Yongguk wusste, jemand wie Luzifer musste nicht nach den richtigen Worten suchen, es war eher, als wollte er seinen Puls mit jeder Sekunde weiter in die Höhe treiben.

“Schade, das du immer noch Groll gegen mich hegst”, meinte er plötzlich, seine Finger griffen nach einer der Kerzen, ohne Grund hob er sie in die Luft und drehte sie beobachtend hin und her. Musterte sie genauer, als es angebracht wäre, bis er sie schließlich wieder an ihren Platz sinken ließ und sich zu Yongguk umdrehte. Der immer noch erstarrt in mitten des Raumes stand, versuchte angestrengt ruhig ein und aus zu atmen.

“Jetzt sag schon… warum bist du hier? Ich glaube nicht dass du Smalltalk halten willst”, kam es endlich laut genug aus seinem Mund, sodass er sich selbst nicht mehr komplett unter einer dicken Schicht von Luzifers Energie ersticken sah.

Der erneut lachte, amüsiert und viel zu gelassen.

“Ich werde euren Ball beiwohnen, als Feier des Tages. Doch vorher wollte ich einen Blick auf meine schönste Schöpfung werfen…”, er war wieder näher zu ihm heran gekommen, Yongguk spürte die Kälte an seinem Rücken und seinen feuchten Atem an seinem Ohr.

Fest spannte er jeden Muskel seines Körpers an, konnte sich gerade noch zurückhalten, nicht wie ein kleines Kind die Augen zusammen zu kneifen und zu warten bis es vorbei war. Luzifers Hand legte sich auf seine Schulter, wanderten seinen Hals hinauf, als wollte er überprüfen, ob seine sogenannte Schöpfung, auch makellos geblieben war.

“Ich habe gesehen, wie du deinem Vater sehr viel Ärger bereitest… haben wir uns nicht darauf geeinigt, dass wir uns gegen unser Schicksaal nicht wehren, mein kleiner Yongguk?”, seine Hand war erneut an seinem Kiefer angekommen, mit einem festen Griff packte er zu, Yongguk keuchte vor Schmerz auf, versuchte sich vergebens aus seinem Griff zu befreien. Er musste nicht viel Kraft aufwenden, das eisige Gefühl seiner Aura auf seiner Haut schmerzte schon so unheimlich.

“Euer Plan… w-wird nicht in Erfüllung gehen”, schaffte es Yongguk zwischen zusammen gebissenen Zähnen zu sagen, es war ein schmerzerfülltes Zischen, doch Luzifer hatte verstanden. Für einen kurzen Moment wurde der Schmerz in Yongguks Aders beinah unerträglich, doch fast ruckartig löste sich Luzifers Berührung.

“Du hast dich verändert”, meinte er dann, seine Miene in keinster Weise beeindruckt, von Yongguks offener Kriegserklärung. Als müsste er sich so oder so keine Sorgen darum machen. Angestrengt rieb Yongguk die schmerzende Stelle, ehe er ihm einen Blick schenkte, versuchte sich von den leuchtenden, irrealen Augen nicht einschüchtern zu lassen, die auch so jeden Gedanken mit einem Blick lesen konnten.

Luzifer hatte zwar die Erscheinung eines Vampirs, doch er war immer noch ein Gott.

“Ich bin kein Kind mehr…”, sagte Yongguk, versucht seinem Blick standzuhalten.

“Das bist du nicht… doch immer noch genauso naiv”, Luzifer lächelte ruhig, ging sich durch die schwarzen Haare, strich die Haare hinters Ohr, die sich aus dem weißen Band gelöst hatten.

“Und jetzt lass uns gehen”, meinte er dann.

“Du bist nicht hier um mich davon zu überzeugen, dass diese Welt die einzig Wahre ist?”, Yongguk biss sich auf die Lippe, konnte die Worte von Rotus noch immer in seinem Ohr hören. Fast kroch ein komisches Gefühl in seiner Brust hoch, etwas von Verständnis gegenüber seinem Vater - der dafür auserwählt wurde, Luzifers Plan in die Tat umzusetzen. Doch es hielt nicht lange an, war eine unbedeutende Sekunde der Schwäche in ihm, bis er sich wieder daran erinnerte, dass Rotus gierig darauf war, sich Luzifer zu unterwerfen.

Er war schon viel zu lange verloren gewesen.

Wieder ein kleines Lachen, beinah hätte Yongguk den Verstand verloren, Luzifer dabei zuzusehen, wie jedes Wort amüsant zu finden schien.

“Ich brauche es dir nicht erklären, du wirst es früh genug verstehen”, meinte er, sagte das selbe, wie er immer hörte, sorgte dafür dass Yongguk schwach den Kopf schüttelte.

Sie waren alle davon überzeugt, alle glaubten sie zu wissen, was richtig war.

Wie eine Welt auszusehen hatte. Was das Leben und den Tod ausmachen.

Doch Luzifer hatte keine Ahnung vom Leben, er war der Gott der Hölle und des Todes, wie sollte er wissen, wie es ist, zu leben?

Er war eine leere Hülle ohne Herz und glaubte zu verstehen, wie Yongguk sich füllte.

Der jeden Schritt den er tat, nur wegen Jemanden einzig und alleine tat.

Ja, er hatte sich verändert. Hatte herausgefunden, dass die Welt nicht nur voller Hass und Verzweiflung war, dass es Wesen gibt, die ihn lieben konnten.

Dass er im Stande ist, zu lieben.

“Du solltest deine Augen sehen”, meinte Luzifer zufrieden, lächelte sanft und bestätigend in sich hinein, als hätte er jeden Gedanken verfolgt, der Yongguk durch den Kopf geschossen war.

“Du wirst das niemals verstehen”, zischte Yongguk bissig, dabei war Luzifer längst auf dem Weg nach draußen, hatte die Tür geöffnet, ohne sie auch nur mit einer Hand berührt zu haben. Seine Hände ruhten tief in seinen Taschen, es bildete sich etwas schwarzes an seinem Rücken, wie Tinte, die sich langsam zu dem selben Mantel formte, den auch Yongguk um die Schultern trug.

“Nun komm”, meinte er streng, schenkte Yongguk keinen weiteren Blick mehr.
 

Es war das Gefühl, gelandet zu sein, in einer Welt, die man nicht kennen wollte.

Eine Luft zu atmen, die einem das Gefühl gab, daran zu ersticken.

Die Augen fühlten sich wie glasige Spiegel, versuchten verzweifelt das Gesehene wieder zurück zu werfen, anstatt es in das Bewusstsein eindringen zu lassen.

Daehyun atmete langsam und bedacht. Worauf bedacht, wusste er nicht.

Es war wie, wenn er zu viel von dem säuerlichen, gleichzeitig süßlichen Geruch einatmen, er regelrecht das Ausmaß auf seiner Zunge schmecken würde.

Er hatte Angst, als er auf die aschfarbene Stadt herunter blickte, die ihn anlachte, als würde sie darauf warten, ihn zu verschlingen.

Er stand neben dem Haus seiner Großmutter und blickte darauf herunter, machte sich innerlich darauf gefasst, was kommen würde.

Er hatte keine Ahnung, was in diesem Moment in ihm vorging. Es war wie, als würde jede einzelne Entscheidung vor seinem inneren Auge vorbei huschen - ihn nur noch einmal daran erinnern, wie sein Leben zu Ende gegangen war.

Oneandéns Gesicht war das Erste, welches er sehen und seine Stimme beinah hören konnte. Wie er in angesehen und angefleht hatte, es nicht zu tun.

Es war schwer, zu begreifen, wie es sich anfühlte, mit allen diesen Lebewesen verbunden zu sein - ihre Angst zu spüren, den Kummer, gar die Verzweiflung. Doch in dieser Welt gab es nur ihn, er spürte nichts unter seinen Füßen, keine zuckende Energie in seinen Adern - alles war tot und kalt um ihn herum. Er hatte längst vergessen, wie es sich all die Jahre ohne sie angefühlt hatte.

Er zwang sich weiterhin, an Oneandén zu denken, auch wenn Yongguk das Zweite war, was sich in seinen Verstand drängte. Wie eine Drohung, eine Aufforderung.

Und aus irgendeinem Grund hatte er plötzlich Angst davor.

Diese kleine Welt, die er hinter sich gelassen hatte, diese Wärme, die Möglichkeit ihn zu berühren, das Gefühl keinen Kummer mehr spüren zu müssen.

Es tat weh.

Die Realität war genau hier, dort unten in dieser nach Blut riechenden Stadt. In einer Welt von der er keine Ahnung hatte. Dinge, die immer eine Lüge gewesen waren.

“Wenn die Mondfinsternis die Welten in ewige Dunkelheit stürzt… wird die Vernunft verwelken...”, flüsterte er leise, konnte hören wie seine Worte von der Asche durch die Luft getragen wurden. Er wollte wissen was diese Worte zu bedeuten hatten - die sich so vertraut und richtig in ihm anfühlten.

Tief atmete er durch den Mund, verhinderte so erneut, den stechenden, ungewohnten Geruch in der Nase liegen zu haben.

Er riss sich schlussendlich von dem kleinen Haus los, was wie der letzte Anhaltspunkt für ihn gewesen war, dieser komischen Welt nicht zu erliegen.

Doch er war nicht ohne Grund hier.

Er hatte keine Zeit, sich in sich selbst zu verlieren, dieser Welt den Gefallen zu tun, vor ihr in die Knie zu gehen, ohne erst in den Kampf gezogen zu sein. Er setzte sich in Bewegung, der Boden unter ihm schien viel härter und kühler zu sein, als auf der anderen Seite. Alles hier war dunkel und trostlos, Daehyun vermisste schon jetzt den Geruch des Grases und der Bäume - spürte für wenige Sekunden einen traurigen Schmerz durch seine Brust zucken.

Seine Füße fanden festen Grund, er stand auf einer kaum belebten Straße, hatte beinah das Gefühl, sich wie ein bunter Hund auf dem Präsentierteller zu stellen. Die Häuser, warfen tiefe Schatten auf die Straße, Daehyun schaffte es, gerade, bevor zwei murmelnde Vampire an ihm vorbei zogen, seine dünne, graue Kapuze über den Kopf zu ziehen. Er spürte ihre Aura, obwohl sie auf der anderen Straßenseite gestanden hatte und Daeh nicht einmal einen Blick darauf geworfen hatte.

Sie fühlte sich an wie Yongguks, nur kälter, wie Oneandén es gesagt hatte, fühlten sie sich tot an. Jedoch tot und sehr viel mächtiger, als er es erwartet hatte.

Die Angst wollte erneut seine Glieder hinauf wandern, sich um sein kaltes, erstarrtes Herz legen, doch er schaffte es, sich auf das Laufen zu konzentrieren - darauf, nicht aufzufallen. Er hatte nicht viel Zeit, auch wenn er keinen einzigen Anhaltspunkt hatte, an dem er sich festhalten konnte.

Er lief stur gerade aus, folgte der Straße, die er zwar kannte, aber kaum noch wiedererkannte. Die Häuser waren nicht alle aus Stein, manche wirkten alt und brüchig, Holzhütten mit kaputten Dächern. Keine funkelnden Hochhäuser, die das warme Licht reflektierten. Stinkende, schmutzige Straßen und komische Gestalten in jeder Ecke.

Daehyun wollte weitergehen, doch sein Blick fiel zur Seite, er hatte ein komisches Geräusch ausgemacht und seine Augen hatten wie von alleine gehandelt.

Es wusste, das es passierte, doch er war nicht darauf vorbereitet gewesen, es mit eigenen Augen zu sehen. Zwei Gestalten standen fest umschlungen an einer Wand, zwischen zwei Häusern, gehüllt in Schatten - doch Daehyun konnte viel zu genau erkennen, wie die Zähne des Blondhaarigen in den Hals einer Frau verschwanden, rote Striemen Blut hinunter liefen.

Sie stöhnte auf, beinah dachte Daeh es wäre Schmerz, welcher aus ihrer Kehle sprach, doch nur Sekunden später erkannte er, dass es Erregung war.

Er wollte seine Augen losreißen, viel zu übel und schwindelig wurde es ihm bei dem Anblick und der Stimme in seinem Ohr, die immer lauter zu werden schien.

Er atmete heftig, schaffte es endlich, sich wieder in Bewegung zu setzten, die komischen Geräusche und das dunkle Rot ihres Blutes hinter sich zu lassen - doch es brannte sich rasend schnell in seinem Bewusstsein ein.

Er wollte vorbereitet sein, doch er hatte nicht erwartet, dass es so sehr an seinem Verstand zerren würde. Den Anblick würde er nicht das letzte Mal ertragen müssen und das war das Schlimmste daran.

Das hier war Yongguks zu Hause.

Fest biss er sich auf die Lippe, schaffte es, seinen Schritten mehr Kraft zu verleihen, wanderte weiter stumm und vorsichtig die Straße hinauf. Er hatte erwartet das Tor zu entdecken, wenigstens klein in der Ferne, doch er konnte schon von hier ausmachen, das es nicht dort stand, wo es hingehörte.

“Das Kleid ist für den Ball, falls du das schon vergessen hast”, ertönte eine fremde Stimme leise neben ihm, automatisch duckte Daeh sich noch tiefer in seine Kapuze, suchte vorsichtig hinter einem schwarzen Karren Schutz. Es fuhren keine Autos, im Gegenteil, Daehyun konnte alte Kutschen auf der anderen Straßenseite sehen, jedoch wurde sie von keinen Pferden geführt. Er stand neben dem Karren, schielte vorsichtig zur Seite, langsam versenkte er die Hände in den Taschen, um so wenig nervös wie möglich zu wirken.

Sein Blick legte sich auf die Gestalt, von der die Stimme ausgegangen war. Es war eine Frau, mit braunen, langem Haar und einem auffälligen Muttermal im Gesicht, über einem ihrer grünen Augen.

Sie hielt einen, ebenfalls grünen, Stoff in ihren Händen, musterte ihn mehr als genau, hielt es gegen die dunkle Sonne, die nicht einmal genug schien, als dass es einen Unterschied gemacht hätte.

Sie legte ihn jedoch im nächsten Moment wieder ab, hatte sich damit scheinbar nur die Zeit vertrieben, den ein alter Mann kam an ihre Seite, mit einer schwarzen Hülle aus weiterem Stoff. Sie standen unter einer kleinen Überdachung aus Stroh, es wirkte wie ein alter Mark aus dem Mittelalter. Trotz das es so ein kleiner Stand war, schien er mit edlen Stoffen ausgerüstet. Daehyun wusste nicht, warum er stehen blieb, sie interessiert beobachtete.

“Perfekt für eine Dame wie sie, der Prinz wird hin und weg sein”, lächelte der alte Mann, scheinbar mehr als genau darauf achtend, die richtigen Worte zu finden, um die hochgewachsene, schlanke Frau nicht zu verärgern. Daeh hatte sich wieder in Bewegung setzen wollen, als er das Gefühl hatte, ohne aufzufallen weiter zu gehen, doch als er hörte, dass er von einem Prinzen redete, hielt er schlagartig inne.

“Halten sie den Mund”, zischte sie dennoch, hielt den schwarzen Stoff fest umschlossen, in dem scheinbar das besagte Kleid verstaut war, von dem sie gerade noch gesprochen hatte. Sie legte ihm ein goldenes Säckchen auf die Theke, für ihn nicht mal mehr einen Blick übrig und lief viel zu nah an Daehyun vorbei. Er senkte angestrengt den Blick, versuchte erneut einfach nur unauffällig am Straßenrand zu stehen. Ihr Blick legte sich für wenige Sekunden auf ihn, er begegnete ihren Augen nur für den Bruchteil einer Sekunde.

Daehyun konnte sehen, wie sie die Straße entlang verschwunden war, ehe er seine graue Kapuze vom Kopf striff und wenige Schritte auf den alten Mann zumachte.

“Von welchem Ball hat sie gesprochen?”, kam es ihm viel hektischer über die Lippen, als er sich vorgenommen hatte. Der alte Mann sah zwar ungefährlich aus, doch trotzdem hatten seine Augen plötzlich etwas Scharfes an sich, musterten ihn ganz genau. Fest spannte Daehyun die Muskeln an.

“Sie wissen nichts von dem Ball? In welcher Ecke haben sie sich verkrochen, das sie nicht wissen das der König einen Ball gibt?”, zischte er spöttisch, so abweisend, als würde er all die Wut über die unfreundliche Frau an Daehyun auslassen.

“Machen sie sich nicht lächerlich…”, schaffte es Daeh zu sagen, sehr wenig überzeugend, weshalb sein Herz heftig zu schlagen begann.

“Sie sah nur nicht wirklich aus, als könnte sie auf diesen Ball gehen, so wie sie sich aufspielt”, Daehyun nickte in Richtung der Frau, die längst verschwunden war und viel zu lange war es still zwischen ihm und dem fremden Mann.

Er konnte erst wieder aufatmen, als er endlich lachte, als hätte er Daehyuns gelogenen Witz verstanden und zu seiner Erleichterung sogar anfing ihn zu genießen.

Trotzdem fühlte sich jedes Zucken und jeder Blick an, als hätte man ihn entlarvt.

“Diese Weiber, denken immer sie wären etwas Besseres”, kicherte er dunkel, schüttelte dabei den Kopf und war dabei den grünen Stoff wieder zusammen zu legen, der zerknittert auf der Theke gelegen hatte.

“Wollen alle dem Prinzen gefallen, dabei sind sie verdorben bis aufs Blut”, murmelte er weiter vor sich hin, seine braune unauffällige Aura, schien plötzlich fast schon traurig hin und her zu schwanken. Daehyun erinnerte sich wieder daran, was Oneandén gesagt hatte, das Rotus all diese Vampire geschaffen hatte - wofür sollte er einen alten Mann brauchen?

Er schüttelte den Gedanken ab, keine Zeit sich länger damit zu beschäftigen.

“Sie gehen nicht auf den Ball?”, wollte er wissen, noch immer nicht hundert Prozent sicher, auf der richtigen Fährte zu sein. Doch der alte Mann schenkte ihm einen Blick, ruhig und gleichzeitig verärgert - sagte den Namen, den Daehyun hören wollte.

“Ich bin nicht in der Verfassung König Rotus und seinem Sohn unter die Augen zu treten, dummer Junge”, meinte er, scheuchte ihm im nächsten Moment mit einer Handbewegung fort, wollte an die Stoffe, vor denen Daehyun wie erstarrt gestanden hatte.

Also war es wahr.

Ohne sich zu verabschieden, machte er sich wieder blind auf den Weg, der Mann hinter ihm schien nicht noch einmal ein Wort an ihn zu verlieren, nicht bemerkt zu haben, das Daehyun vollkommen fremd war. Vorsichtig striff er sich erneut die graue Kapuze über. Er wusste, er könnte sich auch so nicht vor diesen Gestalten verstecken, doch es gab ihm ein komisches Gefühl von Sicherheit, die Dinge in seinem Augenwinkel wenigstens ein bisschen auszublenden.

Doch in der nächsten Sekunde raste plötzlich sein Herz viel mehr, als vorher, seine Sicht wurde für wenige Sekunden schwach vor seinen Augen und für einen Wimpernschlag lang, sah er erneut das Licht am Ende des Tunnels, schüttelte heftig den Kopf um die Bilder wieder los zu werden. Es war wie ein Film, der sich vor seinem inneren Auge abspielte und machte ihm klar, wie wenige Zeit er wirklich hatte.

Er biss sich auf die Lippe, schaffte es, das komische Gefühl wieder abzuschütteln, doch seine Schritte waren automatisch langsamer geworden - fest drückte er eine Hand gegen seine schmerzende Schläfe.

“Ich bin noch nicht fertig…”, flüsterte er sich selbst zu, zwang sich, dem brennenden Verlangen standzuhalten, welches ihm sagte, das er aus dieser Welt verschwinden sollte. Er musste auf diesen Ball.

Dort würde er Yongguk finden.

Seine Füße hatten sich zwar in Bewegung gesetzt, doch noch immer wusste er nicht wirklich, wo lang er gehen musste. Seine braunen Augen zuckten immer wieder hin und her, konnte weitere Vampire sehen, mit pompösen Kleidern, wie sie sich in die nicht gezügelten Kutschen setzen. Ihre Auren verschmolzen, formten sich zu seelenlosen, augenlosen Pferden aus dichtem Nebel und trugen sie somit durch die Straßen.

Daehyun versuchte ihnen zu folgen, doch egal wie schnell er lief, verlor er sie wieder. Schwer atmete er, als erneut eine schwarze Kutsche verfolgt und gleichzeitig wieder verloren hatte. Sie war in einer heftigen Geschwindigkeit hinter dem Nebel aus Asche verschwunden, der sich, je später es wurde, dichter vor ihm aufbaute.

Er wusste in welche Richtung er laufen musste, doch alle Häuser waren fremd, die Straßen veränderten sich immer mehr, je weiter er in die Stadt hinein lief und die Sonne ging langsam unter.

Hüllte ihn in schreckliche Dunkelheit. Er hatte keine Zeit, sich irgendwo niederzulassen, auch wenn seine Glieder brannten, er das Gefühl hatte, dass die Bilder des Paradies ihn immer öfter einholten. Doch er durfte nicht ins Licht gehen, er hatte nicht vor, wirklich zu sterben.

Nicht bevor er Yongguk nicht wieder zurückgeholt hatte.

“Komm schon…”, zischte er sich selbst an, schleppte sich weiter voran und konnte eine weitere Kutsche neben sich vorbei brettern hören, hatte Glück sich merken zu können, dass sie um die Ecke gebogen war. Es wurden mit der Zeit immer mehr und mehr, die Straße war plötzlich laut und dröhnten in den Ohren, das Holz krachte auf die harte Straße und die Geräusche halten durch die stillen Häuser, in denen fast gar kein Licht mehr brannte. Es war wie, als würden alle auf diesen Ball gehen, Daehyun hatte somit noch mehr eine Chance, den Weg zu finden und sich schlussendlich unbemerkt hinein zu schleichen.

Wobei er sich das wahrscheinlich viel zu einfach vorstellte. Er trug keine aufwendige Robe, geschweige denn war seine Aura stark genug, um mit den Anderen mitzuhalten.

Er würde auffallen.

Trotzdem folgte er weiter den Kutschen, konnte erkennen, dass eine kleine Gruppe vor ihm zwischen dem Nebel sichtbar wurde, scheinbar zu Fuß unterwegs. Auch sie trugen schwarze Kostüme und lange Kleider, sich laut über etwas unterhaltend. Ebenso lautes Gelächter erfüllte sie Straßen.

Daehyun folgte ihnen unauffällig, versuchte den immer stärker werdenden Kopfschmerz aufzuhalten und die dunkle Stimme zu verdrängen, die durch seinen Schädel halte. Er durfte nicht schwach werden, nicht daran denken, das er einfach hätte Yongguks Hand nehmen müssen - oder immer noch musste, um einfach von hier zu verschwinden.

Doch all die Gedanken, die ihm plötzlich durch den Kopf gewandert waren, verstummten, als er bemerkte, wo er gerade war. Seine Füße hatten ihn weiter getragen, seine Augen auf die kleine Gruppe vor ihn gerichtet, auch wenn sie schnell von etwas anderen abgelenkt wurden.

Als er sehen konnte, wie sich das riesige graue Gebäude vor ihm aufbaute, wie eine Versuchung, wieder an sein altes Leben zu denken, spürte er, wie seine Lunge erneut kleiner wurde, als das er richtig atmen könnte.

Es war die Schule. Seine Schule sollte hier stehen.

Doch stattdessen war es ein altertümliches Schloss, Fackeln brannten aufgeregt an dem hohen massiven Stahltüren und schafften so einen Blick durch den dunklen Nacht-Nebel. Warum war ihm der Weg nicht schon vorher bekannt vorgekommen?

Es war genau der selbe gewesen, es hatte keinen Unterschied gegeben. Fest ballte Daeh die Hände zu Fäusten, spürte die massive, einengende Energie, die an diesem Ort zusammen lief. Hunderte mächtige Auren, verschmolzen zu einem heftigen, dichten Schwall, der Daehyuns Handgelenke hinaufwanderte und ihm die Luft zum atmen nahm.

Doch zwischen all dieser Angst, die aufflammte, bevor er es aufhalten konnte, schien er sich einzubilden, auch seine Aura zu spüren.

Yongguks Aura zwischen all diesen toten zu erkennen, obwohl er Meterweit von dem Schloss entfernt, in dem Schatten eines kleinen Hauses stand, darauf bedacht, dass ihn keiner der edlen Leute bemerkte.

Hinter ihm war es still, Mülltonnen und eine kleine Feuertreppe zwischen dem Spalt zweier Häuser. Doch plötzlich spürte er etwas Kaltes, Frostiges und rapide drehte er sich um. Starrte in den Schatten hinter sich und riss seinen Blick von den Fackeln und den grauen Steinen los, die sich zum Schloss des Königs auftürmten. Er blinzelte in die Dunkelheit hinein, nicht fähig, etwas auszumachen, was die Kälte um seine Arme und Beine erklärt hätte.

“Wer ist da?”, stammelte er, seine Stimme zitterte stark, auch wenn er versuchte, es zu unterdrücken.

“Jung Daehyun”, ertönte es ruhig, Daehyun spürte, wie seine Kehle sich zuschnürte und sein Herz heftig gegen seine Brust hämmerte. Zwei goldene Augen blitzen im Schatten auf, eine schwarze Gestalt kam langsam und gelassen auf ihn zu. Automatisch wollte Daehyun nach hinten weichen, die Flucht ergreifen, doch diese Kälte von vorhin, hatte sich um seine Knöchel geschlungen und erlaubten ihm nicht, sich zu bewegen.

Er hielt die Luft an, als ein blasses Gesicht sichtbar wurde, tiefe Schatten unter den Augen, die Hände ruhig hinter dem Rücken, als er noch immer auf ihn zu kam.

Daehyun wollte es nicht wahrhaben - doch er kannte dieses Gesicht.

Himchan hatte es erzählt, er hatte Bilder gesehen, Geschichten gehört - Geschichten die er alle für Mythen gehalten hatte, egal wie naiv es gewesen war.

“Hades…”, flüsterte Daeh mit zitternder Stimme.

“Nenn mich Luzifer, Hades ist ein so alter Name, meinst du nicht?”, ein kleines, kaltes Lächeln stohl sich auf seine schmalen, toten Lippen und eine blasse Hand streckte sich nach Daehyun aus. Es war wie zuvor, es war wie, als würde sein Herz langsamer werden, die Stöße schwächer und der Schwindel setzte rapide schnell in seinem Kopf ein. Nur wurde er nicht ohnmächtig oder konnte sich in die unendliche Dunkelheit stürzen - er war gezwungen ihm in die goldenen Augen zu sehen.

Seine Hand legte sich unter sein Kinn, schob es zur Seite, musterte es von allen Winkeln.

“Ich habe dich erwartet… nur hab ich mir dich etwas”, er machte eine überhebliche Pause, starrte Daehyun beinah amüsiert in die braunen Augen, “eindrucksvoller vorgestellt”, meinte er dann.

“Ich bin bereits tot… was willst du mir also antun?”, zischte Daeh verzweifelt, der Meinung sich so von der Angst abzubringen, die ihm den Verstand vernebelte. Es war keine Angst mehr, es war pure Panik.

Luzifer lachte laut auf.

“Aber aber… Ich bin nicht hier, um dich zu foltern, du wirst mir noch nützlich sein”, meinte er ruhig, seine grässlich kalten Hände wanderten seinen Oberarm hinab, rissen mit einer schmerzenden Bewegung den Ärmel seines grauen Pullovers auf, nur um seine rote Narbe zu begutachten. Sie lächelnd zu beäugen.

“Also stimmt es”, flüsterte er zufrieden, Daehyun spürte wie ihm heiße Tränen in die Augen stiegen, die Kälte und die Angst raubten ihm den Verstand. Er zwang sich, aufzuhören, doch es war Luzifer, der vor ihm stand. Die Tränen brannten auf seinen kalten Wangen, war das einzige bisschen Wärme, was in diesem Moment dort war.

Rotus war mächtig. Er hatte keine Chance gegen ihn gehabt.

Doch Luzifer war Unsterblich, ein Gott, was sollte Daehyun gegen ihn anrichten?

“Die Mondfinsternis wird beginnen… solange wirst du mit mir kommen, Jung Daehyun”, sagte er mit frostiger Stimme und kaum hatte Daeh in seine leuchtenden goldenen Augen geblickt, spürte er das selbe komische Gefühl in seinen Gliedern, das Gefühl für Raum und Zeit zu verlieren, alles um ihn herum wurde schwarz und unscharf.

Und erneut fiel er in ein dunkles Loch.

"Your love as a fulfillment of the prophecy"

Daehyun wusste nicht, wo er war, was dieses tropfende Geräusch war, was stetig in sein rechtes Ohr drang und sich für ihn beinah wie das Ticken einer Uhr anhörte.

Es war dunkel, schwarz vor seinen Augen, doch trotzdem brannten sie, als er vorsichtig versuchte sie zu öffnen. Er blinzelte stark, doch es machte keinen Unterschied zu vorher.

Er konnte nichts sehen, nur hören, wie das Tropfen weiter machte. Seine Handgelenke schmerzten, fühlten sich aufgerieben und kalt an. Solange bis er bemerkte, dass es nicht seine Hände waren, von denen alleine die Kälte ausging.

Erbittert riss er seine Arme nach vorne, konnte das Klirren von Ketten hinter sich hören und ein weiterer Schmerz zog durch seine Handgelenke. Er schluchzte panich auf, riss wie wild daran herum, doch sie rührten sich kein Stück.

Obwohl er nichts sehen konnte, riss er seinen Kopf zu allen Seiten, versuchte wenigstens einen kleinen Anhaltspunkt zu finden. Die Angst zerrte an seinem Inneren und sein ganzer Körper begann zu zittern.

Er wollte nach Hilfe rufen, doch seine Kehle war spröde und rau, es war nur ein kleines Krächzen, welches das Tropfen zur seiner Seite für wenige Sekunden übertönte.

Und plötzlich konnte er das Klicken eines Schlosses hören, wie ein Hoffnungsschimmer drang es in sein linkes Ohr, doch gleichzeitig zog sich sein Magen so schmerzhaft zusammen, das ihm Übelkeit in die Kehle stieg.

Seine Augen brannten heftig, als das Licht von draußen diesen kleinen Raum Gestalt verlieh. Er konnte die kalten, nassen Steinwände sehen. Die Ketten die neben ihm auf dem Boden lagen, aus massiven, dunklen Stahl.

Rostig und kalt.

Sein Blick legte sich ängstlich und hysterisch auf die schwarze Gestalt, die im Türrahmen stand, mit einem Fingerschnippen, eine der Fackeln anzündete, die ihm gegenüber an der Wand hingen.

“Was willst du von mir?”, schluchzte er verzweifelt in Luzifers Richtung, der mit langsamen Schritten zu ihm herüber kam, sich mächtig vor ihm aufbaute. Erneut die Hände hinter dem Rücken, versteckt unter einem schweren schwarzen Mantel, die rabenschwarzen Haare lagen ihm offen und strähnig über die Schultern.

Er lächelte, sorgte dafür dass Daehyun erneut versuchte, an den massiven Ketten zu ziehen. Seine Beine und Finger schmerzen vor Kälte, beinah konnte er sie kaum noch spüren, es war ein schmerzhafter Grad zwischen wohltuender Taubheit und dem stechenden Schmerz.

Er versuchte dieses Gefühl von vorhin erneut hervor zu rufen, die Bilder des Paradies oder an Albion heraufzubeschwören, doch es rührte sich nichts, es war beinah, als wäre er in dieser Welt gefangen - endgültig.

“Mach dir nicht zu viel Mühe, deine Freunde werden dich nicht hören”, meinte Luzifer ruhig, kniete sich langsam vor ihm nieder, seine goldenen Augen durchbohrten seine müde Seele. Wieder wollte seine Hand sich nach ihm ausstrecken, doch Daehyun riss ausweichend den Kopf zur Seite, biss so stark er konnte die Zähne zusammen.

Einer der Ärmel seines grauen Pullovers hing zerrissen an seinem linken Arm herunter - Luzifer schien sich viel zu sehr für diese rote Narbe zu interessieren. Musterte sie auch jetzt mit einem kleinen Lächeln.

“Tut mir Leid, das ich dich unter so schlechten Umständen unterbringen musste…”, Luzifer packte seinen Kiefer mit einem heftigen Griff, zwang Daehyun ihn anzusehen.

“Glaub mir, ich hätte es dir lieber bequemer gemacht, wo wir doch so viel zu bereden haben”, flüsterte er sanft, so heuchlerisch, das Daeh beinah seine Angst unter der aufsteigende Übelkeit und Wut vergessen hätte.

“Was willst du von mir?”, zischte er angestrengt, jagte Luzifer ein kleines Lächeln über die Lippen. Seine Hand löste sich, seine langen spitzen Nägel gingen durch seine braunen Haare, ließen zwei Strähnen durch seine Finger gleiten.

“Ihr seid euch so ähnlich”, stellte er fest, sorgte dafür, dass Daehyun unter seiner Berührung flüchtend die Augen schloss. Luzifer richtete sich langsam auf, stellte sich genauso wie vorhin vor ihn, mächtig und überheblich und Daehyun wusste, das alles hier, von ihm abhing.

Er blinzelte vorsichtig, als er die Augen wieder öffnete und Luzifer einen Blick schenkte.

“Ich bin hier, um dir etwas über diese Welt zu erzählen, Jung Daehyun”, meinte er dann plötzlich, immer noch ein zufriedenes, ruhigen Lächeln auf den schmalen Lippen.

“Warum solltest du das tun?”, flüsterte Daehyun nachgiebig. Luzifers lautes Lachen halte grässlich laut von den Steinwänden wieder.

“Warum denkt ihr immer ich verfolge eine böse Absicht? Vielleicht möchte ich dir helfen, Jung Daehyun”, er glaubte sich selbst nicht, machte sich lustig über Daehyun, der kleinlich und schwach vor ihm im Dreck auf dem Boden gekettet saß und keine Möglichkeit hatte, zu flüchten.

“Es gibt etwas, das du nicht weißt”, meinte Luzifer ruhig, seine Stimme hörte sich plötzlich auf eine komische Weise freundschaftlich an, als würde er mit seinen Worten tatsächlich keine Absicht verfolgen - doch Daehyun wusste, das es nicht stimmte.

“Die Prophezeiung wird sich bald erfüllen, selbst du kannst das nicht aufhalten - selbst wenn du der Auserwählte bist, lieber Daehyun”, er kniete sich erneut zu ihm herunter, durchbohrte ihn mit einem Blick, als würde er auf etwas warten, auf eine bestimmte Reaktion, doch Daeh hatte keine Ahnung, was er damit bezwecken wollte - warum er ihm das alles erzählte.

“Weißt du etwas darüber?”, wollte er dann wissen, Daehyuns Lippen zitterten, sachte schüttelte er den Kopf, wusste nicht, ob es richtig war, die Wahrheit preis zu geben. Doch er wusste, dass er sie vor Luzifer nicht verstecken konnte.

Luzifer richtete sich auf, ging sich durch die schwarzen Haare, atmete auf eine komische Weise langsam aus, als würde er sich selbst auf das gefasst machen, was als nächstes kommt.

“Denkst du wirklich, es war Zufall, das du und Yongguk euch getroffen habt? Das ihr nicht anders könnt, als euch voneinander angezogen zu fühlen?”, er knirschte laut mit den Zähnen.

“Es ist reine Ironie des Schicksaals, würde ich sagen”, atemlos lachte er, so leise, dass es eher einem Schnaufen gleich kam. Daehyun versuchte wieder ein Gefühl in seinen Fingern zu spüren, seinen Körper zu bewegen, doch er schaffte es nicht.

“Was hat das zu b-bedeuten?”, schaffte er es, mit zittrigen Lippen zu sagen. Luzifer schenkte ihm einen Blick, mit seinen leuchtenden goldenen Augen, fast, als wäre er von seinem Verhalten enttäuscht.

“Deine und Yongguks Geburt, war von Anfang an vorbestimmt. Ihr seit bestimmt die Prophezeiung zu erfüllen. Er als Nachkomme von dem Gott des Todes, Luzifer. Du ein Nachfolger des Erzengels Michael”, seine Worte nahmen Gestalt in Daehyuns Kopf an, setzten sich schwer und kalt auf seine Glieder, schnürten ihm für wenige Sekunden die Kehle zu.

“W-Was…”, wollte er anfangen, doch Luzifer schüttelte den Kopf. Er lehnte sich zu ihm herunter, seine Hand ruhte an der Wand hinter ihm, sein blasses Gesicht viel zu nah an Daehyuns.

“Eure sogenannte Liebe, wird niemals eine Zukunft sehen. Die Prophezeiung wird sich erfüllen, dafür werde ich persönlich sorgen. Die Welten die den Schatten und das Licht trennt, muss endlich wieder vereint werden - so wie es immer bestimmt war”, er machte eine Pause, Daehyun hatte angefangen den Kopf zu schütteln.

“Ihr heuchelt euch vor, auf der anderen Seite den wahren Feind besiegt zu haben, den Teufel und den Hass verbannt zu haben - in eine Welt, die nur der Tod betreten kann”, flüsterte er machtvoll, sorgte dafür, dass es in Daehyuns Zellen eintrat.

“Aber… Rotus”, stammelte Daehyun machtlos, erneut ertönte ein Lachen.

“Rotus Talen ist lediglich eine Schachfigur, auf dem großen Feld. Denkst du wirklich er hätte die Macht eine solche Welt zu erschaffen? Ich ließ ihm in dem Glauben, Macht war schon immer das beste Instrument um Vampire und Menschen zu kontrollieren. Diese Welt ist nichts weiter als der natürliche Ausgleich der Welt, eine Ironie des Schicksaals, wie ich bereits sagte”, Luzifer stemmte sich von der Wand ab, starrte auf Daehyun herunter, der nicht mehr im Stande war, etwas zu sagen. Die Ketten an seinen Handgelenken schmertzen, die Worte dröhnten ihm in den Ohren.

“Ich dachte du würdest das verstehen, Michael. Wo du es doch warst, der diese Seelen in die Verdammnis gestürzt hat”, sagte Luzifer mit so kalter Stimme, das Daehyun spürte, wie sein Herz stehen blieb. Er spürte ein brennen in seinen Augen, heftig schüttelte er den Kopf, wollte kein weiteres Wort mehr hören.

Das konnte nicht wahr sein, nichts davon.

Doch da war plötzlich etwas in seinem Kopf, eine komische Kraft, eine Flamme ganz tief im Hintergund unter Dunkelheit versteckt. Daehyun riss an den Ketten, schüttelte weiter den Kopf, versuchte zu verhindern, das Luzifers Worte zu tief in sein Bewusstsein drangen, doch plötzlich hielt er inne.

Seine Lippen wurden zu einem Lächeln, seine weiße Aura färbte sich golden, so leuchtend wie Luzifers Augen. Wieder riss er an den Ketten, mit einem lauten, ohrenbetäubenden Geräusch sprangen sie auf.

“Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich einmal wieder sehen werde, Luzifer”, es war nicht Daehyuns Stimme, die über seine Lippen kam, nicht sein Wille, etwas zu sagen. Er richtete sich auf, ging sich mit einer kleinen Bewegung über die schmerzenden Handgelenke. Es war wie, als hätte er die Kontrolle verloren, er konnte alles sehen, alles hören, doch er konnte nicht mehr bestimmen, was mit seinem Körper passierte.

“Endlich kommst du, Michael”, lächelte Luzifer zufrieden. Daehyun füllte sich wie in Dunkelheit gehüllt, sein Wille war nicht mehr an Ort und Stelle, es war Jemand anderes, der über seinen Körper herrschte.

Er versuchte zu schreien, doch seine Worte fanden keinen Halt, seine Lippen bewegten sich nicht.

“Du hast dir Zeit gelassen”, meinte Luzifer.

“Es gab keinen Grund mich zu zeigen, wo du doch so schön alles vorbereitet hast. Es wird nicht mehr lange dauern und dein Plan wird sich im Sand verlaufen”, Michaels Stimme war dunkel, mächtig hallte sie über Daehyuns Lippen von den Wänden wieder. Luzifer lachte herzlos auf.

“Dieser Krieg wird sich schon bald entscheiden, sei nicht so überheblich. Das hat dir noch nie gestanden”, Luzifer machte sich auf den Weg zur halb geöffneten Steintür, machte sich nicht einmal die Mühe, sie hinter sich zu schließen, als er hindurch lief. Er warf einen letzten lächelnden Blick in Michaels Richtung, ehe er eins mit dem Schatten wurde.

Daehyun spürte wie sich schmerzhaft seine Brust zusammen zog, heftig hustete er, einer seiner Hände krallte sich in den grauen Stoff seines Pullovers. Es war wie, als würde ihm Jemand die Kraft entziehen. Seine Augen konnten sie goldenen Aura erkennen, wie sie sich schmerzhaft wieder von seiner löste, sich vor ihm zu einer menschlichen Gestalt formte.

Er schnappte angestrengt nach Luft, hatte das Gefühl und seinen eigenen Willen wieder, konnte spüren dass seine Glieder sich auf seinen eigenen Befehl bewegten.

“Jung Daeyhun”, ertönte eine Stimme, Michael stand vor ihm, mit glänzendem blonden Haar, genauso lang wie Luzifers, lag es ihm über die Schultern. Sein goldener, leuchtender Körper baute sich vor ihm auf, breite in weißen Stoff gehüllte Schultern.

Daehyun spürte die brennenden Tränen erneut, heftig schüttelte er den Kopf, wisch so lange zurück, bis er die Wand hinter sich spürte.

“Bleib weg von mir… ihr alle. Was zur Hölle hat das alles zu bedeuten?”, stammelte er schluchzend vor sich hin, seine Augen suchten einen weiteren Anhaltspunkt, etwas was Michaels Erscheinung erklärt hätte, dabei war es ihm bereits klar.

Doch er wollte das alles nicht glauben - kein Wort davon.

Er war hier, um Yongguk wieder zurück zu holen.

Er wollte den Mann wiedersehen, denn er liebte.

Es sollte Krieg geben, Krieg zwischen den Erzengeln der Geschichte, Daehyun und Yongguk sollten Nachfolger dieser mächtigen Gestalten sein. Alles sollte vorbestimmt sein - ihr Treffen, ihre Geschichte.

Daehyun spürte, wie seine Brust kleiner und kleiner wurde, bei dem Gedanken, dass seine Liebe ebenfalls vorbestimmt sein könnte.

“Daehyun, beruhige dich”, Michaels Stimme floß wie Seide durch die Luft, war sanft und stark zur selben Zeit. Daehyun hatte nicht bemerkt, das er viel zu schnell atmete, seine Fingerspitzen bereits zu zittern begannen. Er fühlte sich, als würde er jetzt und an dieser Stelle erneut zu Grunde gehen.

“Atme ruhig, Daehyun”, war es wieder Michael, streckte seine schimmernde Hand nach ihm aus und sanft legte sie sich auf seinen Oberarm. Trotz des Gefühls das diese Macht seinen Körper bestimmt hatte, nur Sekunden vorher, er so schwach und klein war, im Gegensatz zu dieser goldenen Aura, beruhigte sich sein Atem langsam. Seine Kehle war schmerzhaft trocken und rau.

“Sehr gut…”, flüsterte Michael. Seine caramel-farbenen Augen legten sich auf Daehyun, schenkte ihm ein vorsichtigen Lächeln.

“Dir kann nichts passieren”, meinte er leise, doch Daehyun schüttelte den Kopf, verstand nicht, warum er es nicht verstehen wollte.

“Nichts ist gut, das sollte alles nicht passieren! Nichts davon sollte passieren! Ich wollte ihn doch nur wieder sehen, ich wollte das alles so wie früher wird! Ich kann diese Prophezeiung nicht erfüllen - ich bin nicht der, für den ihr mich haltet!”, fest biss sich Daehyun auf die Lippe, die Tränen hatten noch immer nicht aufgehört zu laufen.

“Ich möchte doch nur… das alles so wie früher wird. Ich möchte in der Bibliothek sitzen, ihm dabei zusehen, wie er in seinem Buch liest. Ich möchte in seiner Nähe sein, möchte das er nicht mehr traurig sein muss…”, schluchzte er so erbärmlich, dass er beinah das Gefühl hatte, das Michael den Respekt vor ihm verlieren könnte.

Doch es schmerzte so sehr.

Es tat so schrecklich weh in seiner Brust.

“Ich möchte ihn wiedersehen… es soll alles so wie früher werden”, Michael schwieg, ließ ihm Zeit, seine Gedanken laut auszusprechen, das Gefühl daran zu ersticken, wenn er es nicht tun würde, zu lindern.

“So war es nicht vorbestimmt, Daehyun”, sagte er dann, schaffte es Daeh schlagartig zum schweigen zu bringen, doch seine Worte hörten sich beinah wie eine Entschuldigung an. Fest ballte er die Hände zu Fäusten, drückte seinen schwachen Körper gegen die kalte Wand.

“Luzifer hatte Recht, ich habe diese Welt geschaffen... Es wird immer Böses geben, Daehyun. Ich wollte es dir schon früher sagen, dir erklären, wozu du geboren bist-”

“Ich gehöre dir nicht, ich gehöre Niemanden! Meine Geburt war nicht nur eine dumme Lücke, die gefüllt werden musste”, zischte Daeh.

“So habe ich das auch nie gesehen. Ich habe versucht, dein Leben so einfach wie möglich zu machen, ich habe versucht deine Kräfte im Zaum zu halten…”, meinte Michael, seine goldene Aura war viel zu ruhig, machte Daehyun nur noch wütender.

“Also war das auch gelogen? Also hat Oneandén gelogen?”, wollte er wissen, starrte Michael entsetzt an.

“Du musst das verstehen, Daehyun. Wir wollten dich beschützen..”, Michael versuchte einen Schritt auf ihn zuzumachen, doch Daehyun riss den Kopf zur Seite, machte ihm klar, dass er nicht näher kommen sollte. Er schwieg, leise seufzte Michael.

“Als ich gesehen habe, dass ihr euch liebt… habe ich gedacht es würde einen anderen Weg geben. Das sich das Schicksaal nicht wiederholen würde”, er machte eine Pause, doch Daehyun gab ihm mit einem eindringlichen Blick zu verstehen, dass er weiter sprechen sollte.

“Luzifer und meine Geschichte hat viel Hass über diese Welt gebracht. Es war nicht immer so - er war nicht immer so. Ich habe ihn einst genauso geliebt, wie einen Bruder, vielleicht sogar mehr als das”, seine hellen Augen senkten sich.

“Das Böse und das Gute werden nie ohne einander auskommen, doch Luzifer und ich waren damals zu dumm, um das zu erkennen. Wir haben uns bekriegt, uns verstoßen. Doch du bist nicht so unreif wie wir damals. Du hast dein Leben gegeben, obwohl du wusstest, in welcher Welt Yongguk lebte - obwohl du längst gewusst hast, dass du ihn nicht zurück holen kannst. Du machst nicht den selben Fehler wie ich damals…”, seine Augen zitterten, Daehyun spürte, wie seine Wut zu schmelzen begann, als er etwas wie Traurigkeit in seinen Augen lesen konnte.

“Du hast…”, wollte er anfangen.

“Luzifer geliebt? Mehr als alles andere”, Michael starrte ihm direkt in die Augen, beinah konnte Daehyun seine Geschichte in seinen hellen Augen lesen, die Schatten und den Krieg in ihnen vorbei ziehen sehen.

“Alles was in Luzifer übrig geblieben ist - ist Hass”, sagte er. Daehyun fing an den Kopf zu schütteln.

“Das muss nicht wahr sein”, schaffte er es zu sagen, doch Michael schenkte ihm ein ruhigen Lächeln.

“Für uns ist es bereits zu spät, schon sehr lange. Ich war damals derjenige, der Luzifer in diese Welt verbannt hat, ich habe dafür gesorgt, dass es nur noch Hass gibt, welcher ihm am Leben hält”, er machte eine Pause, langsam und ruhig atmete er aus. Daehyun hätte fast einen Schritt auf ihn zugemacht, ihn an den Schultern genommen und ihm klar gemacht, dass seine Ansicht falsch war.

“Und jetzt wiederholt sich diese Geschichte. Luzifer wird alles dafür tun, das Yongguk genauso von diesem Hass verschlungen wird”, seine Miene änderte sich, wurde hart und streng, als wüsste er bereits, was er zu tun hatte. Doch Daehyun konnte noch immer nicht anders, als den Kopf zu schütteln.

“Das ist nicht wahr…”, flüsterte er zittrig.

“Yongguk und ich… wir werden uns nicht bekriegen. Wir sind nicht wie ihr”, zischte er erneut, das Gefühl keine eigenen Entscheidungen treffen zu dürfen, machte ihn in dieser kurzen Zeit rasend vor Wut.

“Du hast gesagt ich mache nicht den selben Fehler wie damals! Also wird sich diese Geschichte auch nicht wiederholen”, meinte er fest, doch Michaels Aura schien nicht an Härte zu verlieren. Er machte einen Schritt auf ihn zu, diesmal ließ es Daehyun zu, dass er eine warme Hand auf seine Schulter legte, er sich für einen kurzen Moment in der Wärme dieses flüssigen Goldes verlor. Es taute seine kalten, toten Glieder wieder auf.

“Du hast Recht, du bist nicht wie ich, du hast dich nicht gegen die Liebe entschieden. Doch selbst das wird zwecklos sein, solange Luzifer die Kontrolle über ihn hat. Wir müssen den Krieg ein für alle mal beenden. Der einzige Grund, warum wir auf dieser Welt wandeln, ist der Grund eurer Nachfolge - doch wenn Yongguk stirbt, wird das Gleichgewicht aus den Fugen geraten. Vampire wandeln wieder auf der Erde und Götter wieder im Himmel, so wie die Prohezeihung es vorhersagt”, Daehyun ließ Michaels Worte schon gar nicht mehr zu sich durchdringen, viel zu geschockt und starr war er bei dem Gedanken, dass er es wirklich ernst meinen könnte.

“Ich werde Yongguk nicht… nicht töten”, flüsterte er angestrengt.

“Diese Geschichte muss ihr Ende finden, es ist nicht vorbestimmt, das Götter sich in das Leben der Menschen und der Vampire einmischen-”

“Hör schon auf! Du redest von Liebe und dem Guten! Das das Böse nicht ohne das Gute bestehen kann, dabei hast du vor, den Mann zu töten, den ich liebe! Wo zur Hölle hat das etwas mit dem Guten zu tun? Du bist nicht besser als Luzifer, ihr seid beide von Hass geblendet - nur du kannst es nicht zugeben, tust so, als würdest du es für das Wohl der Welt tun! Die Welt ist mir egal, euer Schicksaal ist mir egal, es ist mein Leben über das du sprichst! Ich werde mich nicht dem beugen, was für mich vorbestimmt sein sollte!”, mit jedem Wort stieg Daehyun Stimme an, es war beinah ein Brüllen, sorgte dafür dass er außer atmen nach Luft schnappte.

“Dein Leben ist nicht normal, Daehyun. Du kannst nicht mehr denken, das es alleine um dich geht! Du trägst eine andere Verantwortung - du und Yongguk”, zischte Michael wütend, doch Daehyun ließ sich von seiner zuckenden Aura nicht beeindrucken, viel zu sehr sah er rot vor seinen brennenden Augen.

“Ich werde nicht wie du wegrennen, ich werde nicht da stehen und zusehen wie du den Mann tötest, den ich liebe. Du hast Recht, dieser Krieg wird ein Ende finden, doch es wird nicht so ausgehen, wie Luzifer und Du es euch zurecht gelegt habt”, zischte Daeyhun entschlossen, seine Angst schien sich in etwas Anderes verwandelt zu haben, seine Gedanken brannten heftig in seinem Kopf und eine komische neue Kraft strömte durch seine Adern.

“Kann es sein…?”, flüsterte Michael plötzlich zittrig, starrte an die Wand hinter Daehyun, erst jetzt bemerkte er, dass dieses komische Gefühl in seinen Adern dort seinen Ursprung fand. Er hob die Hände, bemerkte das es nicht die Wand war, die Michael anstarrte, es war seine weiße Aura, die sich zischend in ein dunkles Schwarz tränkte.

Er schaute Michael an, der bewegungslos vor ihm stand, einen Schritt nach hinten wich. Sein Blick zuckte plötzlich in Richtung der geöffneten Tür, konnte sehen wie das Licht sich zu verdunkeln schien.

“Die Prophezeiung…”, flüsterte er.

“Was ist damit?”, wollte Daehyun wissen, musste sich an die neue Macht gewöhnen, die seinen Körper wie eine heiße Welle durchströmte. Der Raum wurde beinah schwarz, doch Daehyuns Aura leuchtete so stark, das er Michaels Umrissen dennoch erkennen konnte.

“Du hast die Prophezeiung geändert”, sprach er mit zittriger Stimme.

“Die Mondfinsternis hat bereits begonnen”, stellte er fest, sorgte dafür dass Daehyun spürte, wie sein Herz vor Erwartung und Kälte pochte.

“Was wird jetzt passieren?”, wollte er wissen, schleppte sich zur Tür hinüber, er hatte erwartet dass seine Beine schmerzen würden, doch die Schwäche war verschwunden, hatte sich durch das brennende Bild von Yongguk ersetzt, welches wie ein Mantra vor seinem inneren Auge aufgetaucht war.

Plötzlich lachte Michael hinter ihm schwach und Daehyun warf ihm einen verwunderten, verärgerten Blick zu.

“Ich verstehe…”, sagte er leise, ein breites, müdes Lächeln auf den Lippen.

“Was? Was verstehst du?”, wollte Daehyun wissen, ungeduldig die Klinke der Tür umschlossen, um sie in jedem Moment aufzureißen und nach draußen zu stürmen. Michael hob den Kopf, starrte an die Decke, als würde er seine nächsten Worte an Jemanden ganz bestimmtes richten.

“Wie dumm ich mal wieder war zu glauben, dass du mich nicht ebenfalls unter die Probe stellen würdest, Vater”, Michaels Augen legten sich auf Daehyuns strenge Miene.

“Ich habe rein gar nichts gelernt, Jung Daehyun”, Daehyun spürte etwas in seiner Brust, plötzlich berührte ihn etwas in Michaels Lächeln, welches so einsichtig und ruhig war.

Plötzlich sank er auf die Knie, senkte den Kopf, seine goldene Aura zischte aufgeregt.

“Wirst du mir verzeihen, Jung Daehyun? Erzengel Jung Daehyun?”, sagte er mit starker Stimme, wie ein Schwur halte es von den Wänden und Daehyun hatte das Gefühl, die Worte förmlich greifen zu können.

Langsam schüttelte er den Kopf.

“Nein…”, sagte er mit klarer Stimme und erschrocken und mit zittrigen Augen legte sich Michaels Blick auf ihn.

“Ich weiß ich habe einen Fehler gemacht, doch ich will daraus lernen”, sagte er, beinah verzweifelt. Immer noch schüttelte Daehyun den Kopf, streckte ihm eine Hand entgegen - beinah verwirrt starrte Michael darauf.

“Man muss kein Engel sein, um sich für das Richtige zu entscheiden. Ich bin ein einfacher Junge, habe ein Familie, ein einfaches Leben, also hast du keinen Grund, deinen Kopf vor mir zu senken”, sagte Daehyun klar, es war wie, als würden ihm die Worte wie von alleine von den Lippen kommen, als wüsste er, dass sie richtig waren.

Michael starrte ihn an, sein Blick zuckte zwischen ihm und seiner ausgestreckten Hand hin und her, ehe er sie vorsichtig mit seiner eigenen nahm.

Doch er erhob sich noch nicht, starrte weiterhin auf ihre verflochtenen Hände.

“Du verstehst nicht, ich muss-”

“Du musst gar nichts, nicht vor einem einfachen Jungen wie mir. Ich habe mir dieses Schicksaal nicht ausgesucht, geschweige denn bin ich furchtlos, ein Krieger oder ein Engel. Ich habe eine Heidenangst vor dem was kommen wird - das einzige was ich weiß ist, das ich bin wer ich bin. Vielleicht bin ich vorbestimmt diese Welt zu retten, doch das ist mir egal-”

“Aber-”, wollte Michael erneut anfangen, doch Daehyun unterbrach ihn.

“Aber es ist mir nicht egal, was aus Yongguk wird, das ist alles was ich weiß. Und ich weiß das es reicht”, meinte er fest, sorgte dafür, dass Michael weiterhin wie erstarrt in seine braunen Augen blickte.

“Ist deine Liebe wirklich so groß?”, wollte Michael wissen.

“Und selbst wenn, ich würde auch einen Freund nicht vor meinen Augen sterben lassen. Wie sollte ich mit mir selbst leben können?”, meinte Daehyun ruhig, wusste noch immer, dass jedes Wort bedacht gewählt war. Und Michael schien endlich zu verstehen. Sachte lächelte er und mit einem Ruck stemmte er sich auf die Füße.

Sein Blick war noch immer gesenkt und vorsichtig schüttelte er den Kopf.

“Du bist wahrlich weiser als ich, Jung Daehyun”, meinte er leise, doch Daehyun löste seine Hand aus seiner und riss die Tür hinter sich mit einem Ruck komplett auf.

“Das werden wir erst wissen, wenn es vorbei ist”, meinte er entschlossen, atmete tief und ruhig aus, versuchte sich an der neuen Kraft festzuhalten, die wie Adrenalin durch seine Adern zuckte. Doch wie er es gesagt hatte, er war kein Engel wie Michael, kein Auserwählter oder Retter - er hatte Angst, wie jeder Andere an seiner Stelle gehabt hätte. Und das kalte Bild von Luzifer zuckte durch seinen Schädel.

“Ich werde an dich glauben”, meinte Michael, ein letztes Mal drehte sich Daehyun zu ihm um, bereits bereit den Raum zu verlassen, doch nun war es Michael der seine Hand nach ihm ausstreckte.

“Nimm sie, ich werde dir so viel Macht zu Verfügung stellen, wie ich kann”, meinte er mit klarer Stimme, der komische Ausdruck in seinen Augen war verschwunden. Daehyun zögerte, konnte sich erneut daran erinnern, dass Michael die Kraft hatte, seinen Körper komplett zu beherrschen.

Doch er wollte an seine Worte glauben, daran dass er es verstanden hatte.

Vorsichtig streckte er die Hand aus, mit der ersten Berührung spürte er, wie die Wärme durch seine Glieder strömte, unendliche Kraft in seinen Körper überging. Seine schwarze Aura vermischte sich mit dem leuchtenden Gold, wurde zu einer überlaufenden Masse. Daehyun hatte noch nie gesehen, das eine Aura zwei Farben besaß. Seine Haare wurden von einem Braun, zu einem seidenen Gold, seine Augen leuchteten genauso hell wie Michaels und seine Haut schimmerte sachte.

Er spürte seine Präsenz in seinem Kopf, doch er hielt sich im Hintergrund, beinah wie eine kleine Flamme löste er sich von seiner eigenen Kraft, stellte sie Daehyun komplett zu Verfügung.

“Was wird passieren, wenn die Mondfinsternis vollkommen eingetreten ist?”, wollte Daeh wissen, hatte das Gefühl dass Michael ihm antworten würde. Er hörte seine Stimme laut in seinem Kopf, ruhig und sachlich.

Er machte sich auf den Weg nach draußen, zu seiner Verwunderung konnte er keinerlei Wachen erkennen, einen engen, nassen Korridor und eine kleine Wendeltreppe am Ende des Ganges. Daehyun hechtete in die Richtung und stolperte die Treppenstufen herauf. Auch hier draußen war kein Stück Licht, seine Aura war das Einzige, welches ihm den Weg wies. Es war beinah, als wollte Luzifer, das Daehyun entkommen konnte.

“Wenn die Sonne und der Mond sich verdunkeln, ist die Verbindung zwischen den beiden Welten am stärksten, sie laufen parallel, beinah im Einklang. Luzifer wird durch Yongguks Blut dieses Tor aufreissen”, halte Michaels Stimme durch seinen Kopf, Daehyun war noch immer dabei, die Stufen herauf zu hechten. Er hatte viel weiter im Boden versunken gelegen, als er dachte.

Wenn es nicht so gekommen wäre, hätte ihn niemals Jemand gefunden.

“Was hat Yongguks Blut damit zu tun?”, wollte er wissen, schnappte nach Atem, als er endlich einen Ausgang entdecken konnte. Er riss die Tür auf, wunderte sich erneut, dass sie nicht einmal verschlossen gewesen war. Er fand sich auf einem weiteren Korridor wieder, unter seinen Füßen erstreckte sich plötzlich ein roter, weicher Teppich. Er blickte hinter sich, konnte erkennen, dass die Tür, die er gerade geöffnet hatte, ein Gemälde an der Wand gewesen war.

Er musste ihn Rotus Schloss sein.

“Yongguks Mutter war ein Vampir in dieser Welt, sie war wie du am Rande des Todes, Luzifer hatte von Anfang an vorgehabt, ein Kind zu erschaffen, welches das Blut beider Welten in sich trägt. Seine Mutter wurde wieder ins Leben zurück geholt, sie gebar ihr Kind in dieser Welt, doch ihr Körper wandelte ab diesem Zeitpunkt wieder auf der anderen Seite. Deswegen kann sich Yongguk unbegrenzt auf beiden Seiten aufhalten - er muss nicht sterben, wie du. Doch auch nicht wie Rotus unheimlich viel Kraft aufwenden, um auf die andere Seite zu gehen. Rotus hat auf der anderen Seite nicht viel Macht - da seine Seele immer noch mit dem Tod und dieser Welt verbunden ist. Yongguk hingegen-”

“Ist halb tot und halb am Leben”, flüsterte Daehyun zittrig, hektisch stellte er sich in den Schatten eines der Gänge, als er leise Stimmen hören konnte.

“Doch warum hat Luzifer das nicht bei allen gemacht? Er hätte die Möglichkeit gehabt, beide Welten zu verbinden”, meinte Daehyun leise, als die schwarzen Gestalten ruhig an ihm vorbei gezogen und er sicher sein konnte, dass ihn Niemand hörte.

“Du vergisst, dass wir nicht die einzigen Engel und Götter auf dieser Welt sind. Yongguks Geburt verstößt gegen die Natur - Luzifer hat einen hohen Preis dafür gezahlt”, fest biss sich Daehyun auf die Lippe, als er ihn reden hörte, als wäre Yongguk lediglich ein Schatten in dieser Welt, der niemals hätte entstehen durfte. Doch er versuchte ruhig zu bleiben, trat aus dem Schatten wieder auf den Korridor und folgte dem schwachen Licht, welches immer dunkler wurde.

“Welchen Preis?”, fragte er dann.

“Luzifer war Wächter der Unterwelt, der toten Seelen. Doch seine Kraft ist geschwächt, er kann sich nur noch mit einer Hülle auf dieser Welt bewegen. Ohne Yongguk verbindet Luzifer und diese Welt rein gar nichts mehr”, sagte Michael eindringlich, fast hörte er sich an, als würde er erneut an Daehyuns Plan zweifeln, als wäre die wahre Lösung, Yongguk und somit Luzifer für immer von dieser Welt zu verbannen.

Daehyun spürte, wie es sein Herz für wenige Sekunden gefrieren ließ.

Wie sollte er es schaffen, Luzifer von ihm zu trennen?

“Ich verstehe es immer noch nicht…”, Daeh musste innehalten, erneut versteckte er sich in dem Schatten eines dicken, roten Vorhangs, als eine Gestalt vor ihm, durch den Korridor striff. Auch wenn seine Aura so auffällig leuchtete, schien er für sie beinah kaum sichtbar zu sein.

Daehyun bemerkte schnell, mit einem Blick auf seine eigene Hand, das seine Gestalt auf eine komische Weise durchsichtig war, er war selbst nur ein Schatten, wie ein Geschenk seiner neu errungenen Kraft. Mit einem erleichterten Seufzen trat er aus seinem Versteck und konnte sich somit eher darauf konzentrieren, was Michael ihm zu sagen hatte.

Daehyun hatte noch rein gar nichts verstanden - viel zu verstickt und durchflochten war alles um ihn herum, scheinbar auch sein und Yongguks Leben.

“Du sagtest durch Yongguks Tod würde alles aus den Fugen geraten. Doch welche Rolle spiele ich in all diesen Dingen? Ich bin bereits gestorben”, sagte Daeh mit knirschenden Zähnen, fühlte sich dumm dabei, es nicht selbst zu verstehen. Doch auf eine komische Weise berührten ihn seine eignen Worte kaum noch, obwohl es um ihn und seinen Tod ging. Zu viel war in den letzten Stunden, Minuten und Sekunden passiert - seine Entscheidung Albion sein Leben zu lassen, wirkte wie ein kleines Opfer in diesem unerbittlichem Kampf um die richtige Entscheidung.

“Ich habe nicht auf alles eine Antwort, Jung Daehyun. Ich kann dir lediglich sagen, was mir auf den Weg gegeben wurde - du bist das Gegenstück, ihr seid wie ich und Luzifer damals”, sagte er ruhig, irgendwas in seiner Stimme wirkte, als hätte er darauf bereits selber eine Antwort gesucht. Doch Daehyun hatte keine Zeit mehr, um sich Gedanken darum zu machen, er konnte die Dunkelheit sehen, wie sie durch die geöffnete Tore strömte. Daeh beschleunigte seinen Schritt, fest hielt er sich an dem eisernen Tor fest, als er den Kopf in den Nacken legte, erkennen konnte, wie sich der Mond komplett vor die Sonne schob, den Tag in schreckliche, kalte Finsternis hüllte.

Seine Kraft schien schwächer zu werden, fest legte er eine Hand auf seine Brust, sein Atem ging schwerer als gerade noch.

“Meine Kraft ist ohne die Sonne geschwächt”, zischte Michael durch seinen Kopf, sorgte dafür das Daehyuns Angst erneut seine Eingeweide hinauf kroch.

Fast fiel es ihm erst jetzt auf. Der Garten war durchströmt mit einer dichten Masse aus Vampiren, die Blicke hoch in die Lüfte gerichtete, die Augen leuchtend und gierig.
 

Daehyun hatte nicht gedacht, ihn so wiederzusehen.

Er stand dort oben, neben Luzifer und Rotus, sein Gesicht so starr und kalt, das Daehyun ihn fast nicht wiedererkannt hätte. Sein Blick schweifte ins Leere, die Hände sachte auf das Geländer gelegt.

“Yongguk…”, flüsterte Daeh schwach, konnte nicht anders, als für ein paar Sekunden zu vergessen, warum er hier war, was es war, was sich um sie herum anbahnte. Daeh konnte sehen, wie Rotus die Hände hob, seine Lippen bewegten sich, ein scharfes, sichelförmiges Messer ruhte in einer seiner Hände.

Doch Daehyun konnte die Worte einfach nicht in sich aufnehmen. Michael rief seinen Namen, doch selbst das drang nicht richtig zu Daehyun durch.

Yongguk stand da oben.

All die Worte, all die Geschichten zerrten an Daehs Verstand. Der Mann den er liebte, war das Produkt von Luzifer und seinem unendlichen Hass gegen die Welt, gegen Michael. Wie sollte Daeh es schaffen, ihn davon zu befreien, wie sollte er es schaffen, das Yongguk glücklich sein konnte?

“Daehyun, konzentriere dich!”, schrie Michael angestrengt, erschrocken blinzelte Daeyhun, spürte dass er sich selbst in seine gefährliche Trance versetzt hatte. Rotus hatte Yongguks Handgelenk umschlossen, hob das Messer an, welches so gefährlich in seiner Hand blitze, das Daehyuns Herz zu hämmern began.

“Warum tut er nichts?”, wollte er verzweifelt wissen, er riss sich aus seinem eigenen Versteck, starrte in Yongguks leere, seelenlose Augen. Heftig schubste er die Körper von sich weg, die ihm angestrengt den Weg versperrten. Seine Augen lösten sich nicht von Yongguks, der ihn nicht zu sehen schien.

Rotus hatte das Messer bereits angesetzt, Luzifer starrte zu Daehyun herunter, erblickte ihn ohne Probleme in der Masse, doch es lag etwas Zufriedenes in seinen Augen - erstarrt blieb Daeh stehen, sammelte all seine Kräfte, als er zu schreien begann.

“Warum tust du nichts?!”, wollte er wissen, die Körper die ihn beinah erstickt hatten, wischen vor ihm zurück, als seine gold-schwarze Aura um sich schlug.

Yongguks tote Augen legten sich auf ihn, er schien geschockt, zog sein Handgelenk zurück.

“Daeh…”, flüsterte er mit zittriger Stimme, doch Daehyun konnte noch immer sehen, wie seine Pupillen vollkommen verschwunden waren. Seine Augen waren nichts als eine schwarze Masse.

“Du… lebst”, meinte Yongguk plötzlich, es schien sich etwas in seinen Augen zu regen, doch plötzlich war es Luzifer, der nah an seiner Seite stand, eine Hand auf seine Schulter legte, etwas in sein Ohr flüsterte.

Hektisch rannte Daehyun weiter nach vorne, versuchte näher an ihn heran zu kommen.

“Natürlich lebe ich, du Idiot! Ich bin hier um dich nach Hause zu holen”, schrie er weiterhin, Yongguks Augen zitterten, starrten ihn voller Entsetzten an, doch gerade als sich etwas darin veränderte, zuckten seine Augen auf sein goldenes Haar, seine schwarz-goldene Aura und plötzlich verwandelte sich seine Miene in etwas so dunkles, das Daehyun erschrocken die Luft anhielt.

“Michael”, zischte er so verachtend, das Daeh den Kopf schüttelte. Die Gestalten um ihn herum, schienen zu zischen zu beginnen, hektisch riss Daehyun den Blick herum, konnte sehen, wie sie immer näher kamen.

“Seine Augen…”, war es plötzlich Michael, der in Daehyuns Kopf zu sprechen begann. Daehyun atmete heftig, versuchte seine Angst herunter zu schlucken, vor Yongguks fremden Zügen und den Vampiren, die mit gefletschten Zähnen immer näher auf ihn zukamen.

“Daehyun ist… ist tot”, flüsterte Yongguk leise, krallte sich mit einem grässlichen Geräusch in das Geländer des hohen Balkons. Luzifer lachte auf, seine schwarzen Haare wehten dramatisch im Wind und plötzlich wurde Daehyun klar, was los war.

Luzifer wollte das Yongguk ihn sehen konnte - er wollte das Yongguk Michaels Aura sehen konnte.

“War das von Anfang an dein Plan gewesen?!”, schrie Daehyun mit rauer Kehle in seine Richtung, konnte sehen, wie seine wütende Aura die Gestalten aufhielten, die bedrohlich nah an ihn heran gekommen waren.

Wieder lachte Luzifer, es war nicht nur Daehyuns Verachtnung, die durch seine Adern floß, auch Michaels Verzweiflung traf ihn so heftig, dass er beinah blind auf ihn zugestürmt wäre. Yongguk stand neben ihm, seine rote Aura peitschte heftig, sein Gesicht war so blass und tot, das Daeh nur noch Luzifer darin entdecken konnte.

Er schien sie nicht einmal mehr zu hören.

“Für Yongguk ist Jung Daehyun bereits tot! Alles was du bist, ist ein Versuch Michaels, ihn von der einzig wahren Entscheidung abzubringen”, lachte Luzifer, Daeh konnte sehen, wie Yongguk den Arm hob, Rotus setzte das Messer an und dicke, rote Tropfen quollen aus einer frischen Wunde.

“Was hast du mit ihm gemacht?”, zischte Daehyun verzweifelt.

“Ihm die Wahrheit gezeigt. Jung Daehyuns toten Körper in den Ästen eines seiner süßen Kreaturen”, Daehyun hatte das Gefühl, nicht atmen, nicht fühlen, nicht denken zu können.

Das durfte nicht wahr sein.

Yongguk konnte nicht wirklich glauben, das…

Luzifer streichelte Yongguks blasse Wange, dessen Augen in ein unendliches Nichts gefallen waren und zufrieden, legte Luzifer seine Stirn gegen seine Schläfe, liebkoste ihn, bis Daehyun so übel wurde, dass er das Gefühl hatte, sich zu erbrechen.

“Es war so einfach, ihm seinen Willen zu nehmen… Wo du doch alles warst, was er hatte”, kicherte Luzifer dunkel und fest unterdrückte Daehyun seine schwachen Tränen.

“Ich lebe! Verdammt noch mal, ich bin hier!”, schrie er in Yongguks Richtung, doch seine Augen schienen sich nicht mehr zu bewegen, seine Miene war festgefroren zu einem ernsten, leeren Ausdruck.

“Er kann dich nicht hören”, meinte Luzifer so selbstgefällig, das Daehyun die Zähne unter Schmerzen zusammen biss. Luzifer ließ Yongguk nicht los, nein, es war wie bei Michael und ihm, ihre Auren verschmolzen plötzlich, etwas rotes blitze in Yongguks Augen auf, er griff nach dem sichelförmigen Messer, drückte es mit eigener Kraft fester in seinen Arm. Sein Blut tropfte in ein Gefäß aus Glas, Daehyun spürte, wie sein Herz zu rasen begann.

Doch Luzifer schien noch nicht fertig zu sein, Daeh konnte sehen, wie sich seine Wunde schloss, zischend trat Dampf auf, als würde sich seine Haut erneut zusammen schweißen.

Daehyun wisch zurück, konnte sehen, wie Yongguks Körper von diesem hohen Balkon stürtze, mit einem dumpfen Geräusch auf beiden Füßen landete.

“Dieser Krieg ist verloren, Michael”, ertönte Yongguks dunkle Stimme, fest schüttelte Daehyun den Kopf, es war klar, dass es nicht er war, der es sagte.

Michael wollte etwas erwiedern, doch Daehyun verwehrte es ihm, konzentrierte sich darauf, in Yongguks rote Augen zu blicken.

“Ich werde nicht gegen dich kämpfen”, sagte er mit schwacher Stimme, konnte sehen wie er mit jedem, langsamen Schritt näher kam. Und plötzlich schief lächelte.

“Dann wirst du noch hier sterben”, meinte er gelassen, sein Körper schnellte nach vorne, flog mit enormer Kraft durch die Luft und Daeh fing angestrengt den Angriff ab. Seine Unterarme schmerzten, unter dem Druck seines Schlages, seine Hand stoppte einen Zentimeter vor seinem schweiß getränkten Gesicht. Daehyun hatte die Augen geschlossen, wusste nicht, ob es vorbei war, oder er es geschafft hatte. Doch es war Michaels Aura, die sich um seine Arme geschlossen und den Angriff abgedämpft hatte. Yongguk wich zurück, bewegte sich leichtfüßig, berührte kaum den Boden.

Wieder schnellte er nach vorn, startete einen weiteren frontalen Angriff, Daehyun schaffte es gerade noch, zur Seite auszuweichen. Doch der nächste Schlag traf ihn an der Rippe, heftig keuchte er auf, als er die Wucht spürte, mit der er getroffen wurde. Er verlor beinah das Gleichgewicht, spürte wie Luzifer ihn am Hals packte.

“Du willst wirklich so erbärmlich sterben?”, wollte er wissen.

“Daehyun, du musst dich wehren!”, schrie Michael, doch selbst jetzt rührte er sich nicht.

“Du wirst nichts tun!”, brüllte er Michael an, Luzifer schien sichtlich belustigt und mit einer heftigen Bewegung warf er ihn zur Seite, sorgte dafür, dass Daehyun unter Schmerzen auf dem Boden aufkam.

Er hustete heftig, der Dreck und Staub legte sich auf seine trockene Lunge. Seine Knie zitterten, als er versuchte sich wieder aufzurichten, nur um den nächsten Schlag sofort einzustecken. Yongguk traf ihn mit einer Hand in der Magengrube, Daehyun bekam keine Luft, heftig spuckte er Blut. Michael wollte sich losreißen, sich vor ihn stellen, doch Daehyun verkrampfte jeden Muskel in seinem Körper.

“Du wirst nichts tun!”, brüllte er ihn an, sorgte dafür dass Michael ehrfürchtig schwieg.

“Ich habe gesagt, dieser Krieg wird auf meine Weise enden… und ich werde nicht gegen Yongguk kämpfen”, sagt er entschlossen, obwohl der Schmerz seine Stimme zittern ließ, er das Gefühl hatte, vor Schwindel und Übelkeit in eine Art Trance zu fallen. Die Angst zerrte so stark an seinen Gliedern, mit jeder Bewegung die Luzifer machte, wollte sein Körper ihn zwingen, zurück zu schlagen.

Er musste es tun.

“Yongguk ist tot, genauso wie du”, meinte Luzifer überheblich, seine rote Aura schloss sich um seinen Arm, erneut schnellte er nach vorne, direkt auf sein Gesicht zu. Das Rot reflektierete sich stechend in Daehyuns Augen, der Schlag hätte das Ende bedeutet. Es brannte wie Feuer auf Daehyuns Haut, er schloss die Augen, war bereit auch diesen Schlag einzustecken.

Doch es passierte nichts.

“Was…?”, zischte Luzifer entrüstete, nur einen Millimeter vor Daehyuns Auge hatte seine Bewegung gestoppt, fest biss er sich auf die Zähne. Er senkte den Blick, sein Arm zitterte heftig.

“Daehyun…”, zischte seine Stimme leise, Daeh presste die Zähne aufeinander, legte seine Hand um sein brennendes Handgelenk, keuchte unter Schmerzen auf, doch er schaffte es, das Yongguk den Arm sinken ließ.

“Ich werde nicht gegen dich kämpfen”, sagte Daehyun erneut, diesmal eindringlicher, bestimmender als zuvor. Yongguks Augen schienen für ein paar Sekunden die alten zu sein, traurig und verzweifelt schaute er ihn an.

Daehyun wollte einen Schritt auf ihn zu machen, doch plötzlich brannte das Rot erneut auf, tiefer, stechender als zuvor und sein Gesicht verzog sich zu einer wütenden Fratze.

“Denkst du wirklich es ist so einfach?!”, zischte Luzifers Stimme durch die Luft, Daehyun spürte die Wut, spürte die Hitze in der Luft und beinah wirkte es, als wäre es Traurigkeit, als wäre es Luzifers Verzweiflung.

Daehyun riss die Augen auf, konnte sehen, wie Yongguks Arm sich erneut hob, er holte mit einer solchen Kraft aus, das die Luft wie ein Schwall um sie tobte. Daehyun war sich sicher gewesen, das Yongguk ihn nicht töten würde, dass er ihn erreichen würde, doch er konnte sein Gesicht sehen, Luzifers Hass spüren und er wusste, dass es zu Ende gehen würde.

Er schloss erneut die Augen, atmete tief ein.

“Nein!”, brüllte plötzlich Jemand, erschrocken und entsetzt riss Daehyun die Augen auf, als er merkte, dass der Schlag ihn nicht traf, wie er sollte. Michaels goldene Gestalt hatte sich von ihm gelöst, Daehyun hatte all die Spannung losgelassen, konnte sehen wie die rote Aura ein Loch in seine Brust gerissen hatte.

“M-Michael…”, flüsterte Daehyun angestrengt, wusste nicht, warum ihm so rapide Tränen in die Augen stiegen. Dort war kein Blut, keine Anzeichen des Todes, doch seine Aura wurde schwächer, sie löste sich auf, tänzelte wie Goldstaub durch die Luft.

“Luzifer, du dummer Narr”, keuchte er angestrengt, beinah hörte es sich wie ein schwaches Lachen an. Einer seiner Hände legte sich um Yongguks Arm, hielt sich daran fest, um nicht in Knie zu sinken. Luzifers Miene veränderte sich nicht, doch beinah schien seine Hand zu zittern sowie das Rot in seinen Augen.

“Musste es so weit kommen, dass einer von uns durch die Hand des Anderes stirbt?”, flüsterte er leise, die Welt um sie schien zu verschwimmen, Luzifers Augen schienen zu schwanken. Er starrte auf seine Hand, auf Michaels Brust und plötzlich löste sich Yongguks Körper von ihm, wie ein Schatten fiel er nach hinten, wie eine zweite Haut stand Luzifer noch immer dort, seine Hand in Michaels Brust versunken.

Daehyun stolperte nach vorne, an Luzifer vorbei, warf sich neben Yongguk auf die Knie. Nahm seinen Kopf vorsichtig in seine Hände.

“Was ist los? Fühlt es sich nicht so an, wie du es erwartet hattest, mich zu töten?”, wollte Michael wissen, Luzifers Miene zuckte, langsam senkte er den Blick, zischte mit den Zähnen.

“Halt den Mund!”, brüllte er, doch Michaels Lächeln verschwand nicht. Seine Aura löste sich weiter auf, legte sich wie ein goldener Regen auf ihre Köpfe. Doch Daehyun erstarrte erst, als er sehen konnte, wie Michael den Moment nutze, den Luzifer zu zögern schien. Er versenkte seine Hand durch Luzifers Brust, dessen Blick erstarrt nach oben schnellte, Michael genau in die Augen schaute. Beide sackten in die Knie, ihre Köpfe berührten sich, an der Stirn, beide schauten leer auf den Boden vor ihnen.

“Lassen wir das Schicksaal ruhen”, flüsterte Michael. Luzifer biss sich auf die Lippe, versuchte sich verzweifelt aufzurichten, doch er musste einsehen, dass es das Ende war.

“So werde ich nicht sterben!”, zischte er wutentbrannt, doch Michael legte eine Hand auf seine Wange, ehe auch sie sich in goldenen Staub verwandelt hatte.

Luzifer schwieg.

“Wann wirst du dir endlich selbst verzeihen?”, wollte er plötzlich wissen und Daehyun glaubte nicht, was er sehen konnte.

Luzifers Augen zuckten heftig, einzelne Tränen liefen seine Wange herunter.

“Ist das wirklich das Ende?”, wollte er mit zittriger Stimme wissen und sachte nickte Michael, auch Luzifers Aura löste sich auf, wie schwarze Tinte schien sie zu verlaufen.

“Du hast gewartet, bis ich ihn loslassen würde. Bis du mich schlussendlich töten kannst, nicht wahr?”, zischte er dann unter einem ungläubigen Lächeln, Daehyuns Blick fiel auf Yongguk zurück, der langsam zu blinzeln begann. Plötzlich machte es einen Sinn.

“Ich hab vergessen wie es sich anfühlt”, lachte Luzifer atemlos, es war lediglich sein Kopf, der noch nicht von der Unendlichkeit verschlungen wurde.

“Nicht zu hassen”, halten seine letzten Worte durch die Luft, ehe er und Michael von der Dunkelheit verschlungen wurden, eins mit dem Nichts wurden. Daehyun starrte auf die Stelle herüber, konnte die Tränen nicht aufhalten, die ihm wie von alleine von der Wange liefen, das Gefühl in seiner Brust, Luzifers Worte in seinen Ohren.

“Daehyun…”, ertönte Yongguks brüchige Stimme und hektisch riss Daehyun seinen Blick los und schaute zu ihm herunter. Lächelnd schluchzte er auf.

“Yongguk… alles ist gut, es ist vorbei”, lächelte er, legte seine Stirn auf seine, umklammerte sein kaltes Gesicht, bis er endlich das Gefühl hatte, dass er nicht einfach wieder verschwinden würde. Yongguk atmete heftig, versuchte sich aufzurichten. Auch ohne Worte stemmte Daehyun ihn mit einer Hand, sorgte dafür, dass er aufstehen konnte.

“Nichts ist vorbei, ihr törichten Gören”, zischte es plötzlich über ihren Köpfen und heftig traf Daehyun die Erkenntnis, als er seinen Blick auf Rotus warf.

Er hatte das gläserne Gefäß in seiner Hand, die dunkelrote Flüssigkeit schlug ruhig darin Wellen.

“Rotus…”, zischte Yongguk angestrengt, wollte einen Schritt nach vorne machen, doch seine Glieder sackten in sich zusammen. Daehyun biss die Zähne aufeinander, ohne Michaels Aura, hatte er keine Chance, etwas auszurichten.

“Ich hätte nicht gedacht, dass Luzifer so ein Schwächling ist”, schrie er wütend, umklammerte das Gefäß so fest, dass seine Knöchel sich weiß färbten.

“Tu das nicht”, flehte Daeh verzweifelt, doch er konnte sehen, wie Rotus seine Lippen ansetze, wieder versuchte Yongguk einen Schritt nach vorne zu machen, doch es war bereits zu spät.

Rotus verschlang das dickflüssige Blut mit einem gierigen Schluck.

Der Mond schien zu zittern, der Boden bebte heftig unter ihren Füßen und Rotus Augen schienen sich in etwas zu verwandeln, was nicht mehr von dieser Welt war.

"The war"

Aus irgendeinem Grund war es plötzlich still um sie herum.

Daehyun öffnete die Augen, weißes, warmes Licht strahlte ihm in die Augen.

Und sonst nichts.

Es war nur weiß, unendlich weiß und leer um ihn herum. Er drehte den Kopf, versuchte sich daran zu erinnern, was genau passiert war.

Was das Letzte war, woran er sich erinnern konnte.

“Yongguk”, keuchte er auf, riss den Kopf in alle Richtungen. Seine schwarze Gestalt lag wenige Meter hinter ihm auf dem Boden, langsam aber sicher kam auch er wieder zu Bewusstsein.

Daehyun hechtete zu ihm herüber, half ihm, sich aufzurichten.

“Was ist passiert?”, flüsterte er erschöpft, Daeh hätte ihm eine Antwort gegeben, doch Yongguk schien seine Unwissenheit aus seinen unruhigen Augen zu lesen.

“Wo sind wir?”, wollte er wissen, fragte mehr sich selbst, als das er von Daeh eine klare Antwort erwartet hätte. Das Weiß stach in den Augen, es machte Daehyun schreckliche Angst, diese Unendlichkeit des Nichts zu sehen, welches sich erschreckend gefährlich vor ihm aufbaute.

Yongguk hatte es geschafft sich aufzurichten, er stütze sich leicht gegen Daehs Schulter und langsam aber sicher wurden seine Beine sicherer. Doch selbst als Daehyun einen Schritt nach vorne machen wollte, ohne wirkliches Ziel oder Richtung vor Augen, blieb Yongguk steif neben ihm stehen und mit einem kleinen Rückschlag, wurde seine Bewegung gestoppt.

“Ich… kann dich berühren. Ich kann es wieder kontrollieren...”, ertönte es plötzlich aus seiner Richtung, Daehyun starrte beinah erschrocken auf Yongguks blanke Haut, sein Arm berührte seinen.

Genauso ruhig und leer wir das Weiß um sie herum.

Er blickte Yongguk ins Gesicht, fühlte sich dumm dabei, in diesem Moment alles Andere zu vergessen.Es war wie, als wären sie für einen kurzen Zeitpunkt in ihrer eigenen Welt. Alles fühlte sich richtig an, gut, friedlich. Daeh war es egal, ob er es sich nur einbildete, oder ob es die Angst war, die mit ihm spielte.

Und das Schicksaal um sie herum in den Abgrund stürtze.

Daehyun wollte diese wenigen Sekunden eine Auszeit nehmen, wollte aufhalten, das die Angst und die Einsamkeit ihn zerstörte.

Ohne es zu merken, schluchzte er leise auf, erinnerte sich an die vielen male, in denen er geweint und sich klein gefühlt hatte.

“Du hast mich einfach alleine gelassen…”, warf er ihm vor. Daehyun wollte wegsehen, plötzlich so ohne Grund wütend auf ihn, doch Yongguk nahm sein Gesicht in seine Hände.

Seine schwarzen Augen zitterten, er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch er schaffte es nicht sofort.

“Daeh es… es tut mir so Leid”, fing er an, doch es rührte sich etwas unter ihnen, Daehyun sank für wenige Sekunden in die Knie, als der Boden so stark vibrierte, das er das Gleichgewicht verlor. Und in nur wenigen Sekunden seine Gedanken wieder in die Realität zurückholte - stark und schmerzhaft.

“Was passiert hier?”, schaffte er es zu sagen, doch das helle, weiße Licht um sie herum, schien plötzlich eine komisch vertraute Gestalt anzunehmen. Daehyun musste blinzeln, konnte nicht verhindern, für wenige Momente die Augen zu schließen.

Er fühlte Yongguk noch immer nah neben sich, er hatte eine Hand um sein Handgelenk geschlossen, als wollte er, was auch immer passieren würde, nicht zulassen, dass sie sich trennen.

Und plötzlich konnte Daehyun ihre Schule erkennen, erst verschwommen baute sie sich vor ihm auf. Dunkler, fast schwarzer Himmel erstreckte sich über ihren Köpfen und sie standen plötzlich auf kalten, harten Asphalt.

Das Weiß war wieder verschwunden.

Die Bäume verloren so schnell an Blättern, als wäre es ein eisiger Sturm, der in nur einer Sekunde den ewigen Winter über sie gebracht hatte.

Daehyun spürte die Kraft in seinen Adern, konnte die Verbindung zur Natur erneut hören, doch sie war lächerlich klein.

Schwach und ausgelaugt.

Es schmerzte ihm in der Brust, er hörte Hilferufe, spürte ihre Angst in seinen Adern und erschrocken riss er den Kopf herum, als er ein lautes Geräusch hinter ihnen ausmachte.

Yongguk stellte sich näher an ihn heran, beinah war es, als würde er sich schützend vor ihn stellen.

“Rotus hat es tatsächlich…”, stammelte Daehyun ängstlich, blickte zum blutroten Mond hinauf, der die Nacht in fürchterliches rotes und stechendes Licht tränkte. Die Stadt schien zu bluten, die Häuser sich zu krümmen, die Luft wurde wie Eis.

“Meister Daehyun”, blitze es durch seinen Kopf, er konnte Albions Stimme hören, erst jetzt wurde ihm klar, dass sein Körper bis jetzt noch in seiner Obhut gewesen war.

“Albion”, flüsterte er erstarrt, Yongguk schenkte ihm einen erschrockenen Blick.

“Sie sind am Leben?”, fragte er plötzlich, Daehyun fasste sich an die Schläfe, wusste nicht, was er meinte.

“Es scheint so, ich bin an der Schule”, dachte er laut in seinem Kopf. Er konnte Albions letztes erleichtertes Lachen hören, Oneandéns lautes Seufzen, doch er hatte keine Zeit zu fragen - es ertönte ein komisches Geräusch genau vor ihnen.

“Komm”, zischte Yongguk aufgebracht, es waren die Schatten, in denen plötzlich rote Augen aufblitzen, stechend und gefährlich.

Daehyun stolperte hektisch nach hinten, folgte Yongguk hinter das Schultor, schloss es mit einer schweren Bewegung hinter ihnen und seine blassen Finger schienen unerbittlich zu zittern.

“Was hat das zu bedeuten?”, sagte Jemand hinter ihnen, Himchans Gestalt tauchte vor ihm auf, seine Augen starrten hinauf und Daeh konnte nicht anders als mit schnellen Schritten zu ihm herüber zu stolpern. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit und wie eine mickrige kurze Zeit, zugleich an.

Seine Hände legten sich auf seine Schultern, das starke Gefühl ihn in die Arme schließen zu wollen, überkam ihn wie ein heißer Fieberschub. Doch sie hatten keine Zeit.

“Hör zu, wir sind in Gefahr…”, stammelte er aufgebracht, verwirrt und gleichzeitig ahnend, blickte Himchan ihm in die Augen.

Er schien zu zögern, schien nicht zu wissen was los war. Doch sein Blick legte sich auf den blutroten Mond. Er legte die Brauen ins Gesicht, so ruhig und konzentriert, das Daehyun es ihm vor Neid vom Gesicht reißen wollte. Er blickte auf die Masse zurück, die sich aufgeregt auf den Hof gedrängt hatten.

“Bringt Park Jimin her!”, rief er streng. Blicke wurden ausgetauscht, keiner wusste was er tun sollte. Jeder murmelte nur etwas vor sich hin, wollte nicht der sein, den es am Ende traf.

So sehr es Daehyun verflucht hatte, so sehr er es damals als Schwäche empfunden hatte, er war so schrecklich glücklich, das Himchan ihm vertraute. Dass er seinen Job ernst nimmt - dass er spüren konnte dass etwas nicht stimmte.

Wenn er es nicht sogar schon mit eigenen Augen gesehen hatte - als eine Vision der Zukunft, in der Daehyun so kläglich versagt hatte.

“Sofort!”, schrie Himchan bestimmend, die Masse schien sich zu bewegen. Die meisten gingen durch die Tür, zurück nach drinnen, es dauerte nicht lange, bis sie mit einem Blondhaarigen wieder hinaus kamen. Die Masse spaltete sich in der Mitte, mit schnellen Schritten kam Himchan auf ihn zu.

Park Jimins hellen Augen legten sich ängstlich und fragend auf ihn, hefteten sich auf den roten Mond über seinem Kopf.

Daehyun konnte hören, dass er ihm etwas befahl, ihm sagte, was er zu tun hatte - doch plötzlich konnte er sich auf nichts anderes mehr konzentrieren, als den Rothaarigen, der hinter Park Jimin durch die Tür gekommen war.

Yongguk stand noch immer am Tor, löste seine Hand keine Sekunde davon.

“Youngjae”, entkam es Daehyuns Kehle, mit stolperischen Schritten schleppte er sich zu ihm herüber, schubste jeden von sich, der ihm im Weg stand.

“Daeh-”, wollte Youngjae sagen, doch mit einer festen Bewegung schloss Daehyun seine Arme um ihn, drückte ihn so fest an sich, wie er konnte. Die Berührung löste zu viel in Daeh aus, zu heiß stiegen ihm die Emotionen in die Brust, seinen Kopf und seine Kehle. Am liebsten wollte er weinen, erneut und darin versinken, das er es vermasselt hatte. Er wollte in seinem Selbstmitleid versinken.

Doch als er sich langsam und endlich wieder von ihm löste, von seinem besten Freund, den er unwissend alleine gelassen hatte und der sich kein bisschen bewegt hatte, fiel ihm etwas anderes auf.

Es waren Youngjaes Augen die gefährlich glänzten, heiße Tränen stiegen ihm in die Augen und liefen leise über. Nun war er an der Reihe.

“Ich hab gedacht du bist tot, du Arschloch. Du Idiot. Du Volldö-”, Daehyun lachte leise, konnte nicht anders, als grinsend den Kopf zu schütteln. Und Youngjae stoppte sich, blickte ihm so lange in die Augen, bis sich endlich ein kleines Lächeln auf seine Lippen legte. Doch Freude war das Letzte, was in dieser kalten Luft lange bestehen konnte. Youngjaes Miene wurde starr, er hatte das rote Licht bereits von drinnen entdeckt, hatte gespürt dass etwas nicht stimmte.

“Was passiert hier?”, wollte er wissen, doch Daehyun schüttelte den Kopf, wusste nicht, wie er es in dieser kurzen Zeit erklären sollte. Park Jimin stand vor dem Tor, seine Hände legten sich um das kühle Eisen, seine blasse Haut schien für wenige Momente lila zu leuchten.

“Eine Barriere? Das wird nicht reichen!”, zischte Yongguk aufgeregt, war wenige Schritte zurück getreten und Himchan durchbohrte ihn mit einem strengen Blick. Daehyun und Youngjae traten nach vorne, stellten sich den beiden an die Seite, doch Daehyun wusste, das Yongguk Recht hatte.

Eine einfache Barriere würde nicht reichen. Zumindest nicht lange genug - vielleicht so lange, bis Rotus auf die Bildfläche trat.

Ein lauter Knall ertönte, ängstliche Schreie ertönten in der Luft, als sich ein Vampir mit roten, leuchtenden Augen gegen das Tor warf, die schimmernde Barriere schon jetzt zu schwanken schien. Sie wackelte gefährlich, Jimins schlanken, blassen Arme schienen unter höchster Anstrengung zu zittern.

Die Angst stand ihm ins Gesicht, doch Himchan trat an seine Seite.

“Was zur Hölle…?”, fragte er sich selbst, seine Augen hefteten sich auf das blasse Gesicht, welches so gefährlich nah an den Eisenstäben herum riss und versuchte, sich einen Weg hindurch zu schaffen.

“Das sind Rotus Talens Vampire… sie - sie sind aus einer anderen Welt”, schaffte es Daehyun zu sagen, ehe der blasse Körper sich erneut mit einer heftigen Bewegung gegen das Stahltor warf. Es war wie ein Zombie, seine Augen waren glasig, sein Körper handelte instinktiv und diese Kreatur schien ihre Worte nicht einmal zu hören.

“Rotus Talen ist tot”, zischte Himchan sofort, wollte nicht glauben, was er hörte. Daeh biss die Zähne zusammen, vor ihm das Bild von Michael und Luzifer. Himchan hatte es bereits gesehen, Daehyun war sich sicher. Seine Züge hatten etwas nostalgisches, eine längst vergangene Angst, die ihm plötzlich wieder aufs Gesicht kroch - wie eine Vorahnung.

“Alle nach drinnen, sofort!”, brüllte Daehyun entschlossen, vertraute darauf, das Richtige zu tun und ignorierte die ängstlichen Blicke. Auch Youngjaes Entsetzten hatte er kaum bemerkt, leider war es nun Nebensache geworden.

Die Masse reagierte, Himchan warf ihm einen zitternden Blick zu, doch mit jedem Mal, wurde das Geräusch hinter ihnen lauter, eine zweite Gestalt war dazugekommen, immer mehr rote Augen legten sich auf sie. Das dumpfe Geräusch von Stahl und Schlägen erfüllte die Luft wie ein leuchtendes Feuer, brachte einzelne dazu, leise aufzuschluchzen. Aus Angst wenige Schritte zurück zu stolpern.

Daehyun hechtete nach vorne, atmete hektisch ein und er legte all seine Kraft in den nächsten Gedanken der durch seinen Kopf halte. Der Boden spaltete sich vor seinen Füßen, noch bevor er ihn berührt hatte. Doch sein Stand war fest und starr. Er würde die Verbindung aufrechterhalten, würde alles aus den letzten Funken heraus holen, die noch da waren. Es war wie ein Erdbeben, die dunkle Erde vor seinen Füßen lockerte sich rapide, spaltete sich zur Seite und machte einen dunklen, schwarzen Riss sichtbar. Wie ein aufgerissenes Maul, ein Kampfschrei aus dem inneren der Erde.

Himchan hatte auf ihn gehört, scheuchte die Masse nach drinnen, es war nur noch Yongguk, Youngjae und er, die auf Albion starten, der sich mit mächtiger Krone vor ihnen aufbaute. Wie eine Geburt vor ihren Augen, krochen und krachten seine Wurzeln aus dem Loch im Boden und immer höher zog er sich hinauf.

Daehyun krallte sich mit einer Hand in die Erde, die immer noch bebte, als würde eine Schockwelle durch sie hindurch zucken. Albions weiße Äste streckten sich noch höher, als Daehyun es in Erinnerung gehabt hatte, sein Atem wurde schwerer, doch er zwang sich, weiter zu machen.

Mehr.

Noch mehr.

Immer mehr.

“Meister Daehyun”, halte es durch die Luft, die Stimme rau und erwartungsvoll. Seine Wurzeln erstrecken sich über den Boden, seine Krone senkte sich und die Äste schlugen laut und dumpf auf dem Boden auf. Daehyun krallte sich an ihm fest, schwang sich mit einer schweren Bewegung auf einer seiner dicken Äste, ehe er sich erneut in die Lüfte hob.

“Schön sie lebend wiederzusehen”, lachte er entschlossen, beinah war es Kampflust, die in seiner Stimme lag. Daehyun ließ es zu, sich von seiner Kraft anzustecken, für einen kurzen Moment sogar daran zu glauben, dass das alleine ausreichen würde.

“Das…”, stammelte Youngjae hinter ihm, doch Albion setzte sich in Bewegung. Daehyun spürte die Energie in seinen Knöcheln, es war wie ein Band, welches ihn an Ort und Stelle hielt, egal wie sehr Albion die Äste krümmte.

Er würde nicht fallen.

Und er würde auch nicht zulassen, dass dieser Krieg für Rotus entschieden wird.

“Wie sieht ihr Plan aus?”, wollte Albion aufgekratzt und aufgeregt wissen, doch Daehyun schaute zu Yongguk und Youngjae herunter.

“Der Plan ist, nicht zu sterben”, meinte er trocken, sorgte dafür dass Albions dunkles Lachen durch die Nacht hallte, wie das dröhnende Signal des Anfangs des Endes.

Youngjae starte noch immer zu ihm herauf, seine Pupillen verkleinerten sich, Daehyun spürte ganz genau, welche Angst er hatte.

“Wirst du mir helfen?”, wollte er deswegen vorsichtig wissen, Albions Wurzeln traten auf der Stelle, ebenfalls gespannt drehte er sich in Youngjaes Richtung. Yongguk stand neben Jimin, dessen Arme verdächtig heftig zitterten - in diesem Zustand ignorierte er sogar das Monstrum an seiner Seite.

Es stand Schweiß auf seiner Stirn, die Augen heftig zusammen gepresst und die Zähne aufeinander gebissen. Yongguk stand hinter ihm, eine Hand auf seiner Schulter, als würde er seine Kraft dafür aufwenden, Jimin zu befehlen nicht aufzugeben.

Und er hielt wirklich durch.

“Daehyun ich weiß… nicht. Ich kann nicht...”, stammelte Youngjae leise, seine Augen lagen entsetzt in Richtung der lilanen Barriere. Mehr als sechs Vampire hämmerten und kratzen mit ihren Fingernägeln dagegen.

Himchan kam hinter ihm wieder nach draußen, eine kleine Anzahl an Vampiren hinter sich. Die Blicke waren wie Eis, richteten sich weniger auf Albion, aber auf den roten Mond, der verhängnisvoll über ihren Köpfen schwebte.

Daehyun streckte Youngjae die Hand entgegen, schaute ihm so lange in die Augen, sodass er für wenige Sekunden vergessen konnte, was um ihn herum passierte.

“Du musst mir doch beweisen, das du in allem besser bist als ich”, meinte Daeh angestrengt ruhig, schaffte es sogar zu lächeln.

Doch er erreichte ihn endlich, redete nicht mehr nur gegen eine Wand aus Panik und Phantasie. Heftig schluckte Youngjae, ging sich über den trockenen Mund, ehe er tatsächlich Daehyuns Hand packte und sich neben ihm auf den gesenkten Ast stellte. Sofort klammerte er sich fest, als Albion rücksichtslos nach oben schnellte, doch Daehyun spürte seine Aura, kaum hatte er Kontakt mit Albion aufgenommen.

Er konnte ihn festhalten, wie er sich selbst sicherte.

Albion war nicht schnell, doch seine Schritte hatten mehr Kraft, als es Daehyun selbst gedacht hätte. Die Pflanzen um sie herum schienen beinah auszuweichen, schmiegten sich um seine Wurzeln, als er vor der Barriere stehen blieb. Die Kraft war schwächer, als es Daehyun lieb war, doch selbst jetzt, war Albions Präsenz immer noch mächtig und stark.

Daehyun konzentrierte sich auf seine Äste, kaum hatte er es sich im Kopf vorgestellt, passierte es auch. Die Barriere ließ nach, auch Yongguks Griff löste sich von Jimin, der mit einer schwachen Bewegung in die Knie sank und von Himchan aufgefangen wurde.

Sofort brachte er ihn in Sicherheit, weit genug vom Geschehen weg, bis sich einer der Vampire seiner annahm und ihn wieder nach drinnen brachte.

“Daehyun…”, zischte Youngjae sofort, doch Daeh hatte die Vampire genau im Blick, die sich angestrengt mit ihren Fingernägeln in Albions Stamm krallten. Seine Äste peitschten durch die Luft, Daeh schaffte es, sich an den Gliedmaßen zu umschlingen und von sich weg zu stoßen.

“Es ist lange her, dass ich auf dem Schlachtfeld war”, rief Albion siegessicher, doch alleine diese kleine Menge an Vampiren, richteten mehr Schaden in seinem Energiestrom aus, als er dachte. Immer wieder richteten sie sich auf, hechteten nach vorne, rammten ihre Nägel in das helle Holz.

Daehyun versuchte sich zu konzentrieren, schaffte es erneut, sie sich vom Hals zu schaffen. Blasse Körper schleuderten durch die Luft, Albion schaffte es gerade mal, einen Schritt aus dem Tor zu treten, ehe von beiden Seiten mehr auftauchten. Sie kamen aus dem Wald, hinter den grauen Gebäuden hervor, mit roten genauso stechenden Augen.

Daehyun atmete heftig, war so sehr damit beschäftigt, die scharfen Körper von sich los zu reißen, das er nicht bemerkte, dass es schon jetzt viel zu viele waren.

Ihre Auren peitschten plötzlich durch die Luft - drei dieser Gestalten hatten Albion von der rechten Seite erwischt. Ihre Fingernägel leuchteten in der Farbe ihrer Aura, hatten heftige Striemen und Löcher in das helle Holz gerissen.

Daehyun hustete erbittert, er spürte den Schmerz, die Unsicherheit und Angst, die plötzlich durch dieses Band in Albions Äste strömte.

Er biss die Zähne zusammen, schaffte es in letzter Sekunde einer der Vampire von sich wegzustoßen, ehe er das Gelände der Schule betreten konnte.

“Daeh, es sind zu viele!”, schrie Yongguk bissig. Youngjae stand noch immer neben ihm, seine Züge wurden härter, trotz dessen zitterten seine Hände vor Adrenalin, als er einer seiner leuchtenden Flammen direkt auf einer der Vampire feuerte.

Doch der Körper rührte sich nicht, eine Barriere aus roter, feuriger Aura, hatte den Angriff ohne Probleme abgewehrt.

“Wir können sie kaum angreifen…”, stammelte Youngjae verunsichert, ängstlich. Daehyun versuchte ruhig zu bleiben, nachzudenken, doch die roten Augen hefteten sich alle gleichzeitig auf ihn und beinah konnte er das Schicksaal aus ihnen lesen. Sie waren stärker als sie, sie hatten die Macht des Blutes in ihren Adern.

“Heil lebe Rotus!”, krächzte einer mit gierigem Grinsen, der Himmel schien sich für wenige Sekunden zu verdunkeln, wie ein Schatten legte es sich auf ihre Köpfe und hektisch riss Daeh den Blick hinauf.

Die Wolken färbten sich schwarz, Stück für Stück schien der Mond stechender zu werden, die Luft dicker, sowie sich ein grauer Nebel um die Häuser und Bäume legte.

Es war so trostlos, das Daehyun plötzlich spürte, wie sein Herz kalt wurde.

Doch er hatte keine Zeit Angst zu bekommen, keine Zeit nachzudenken. Den hinter dem grauen Nebel, wurde eine Gestalt sichtbar.

Wie der Todesgott, eine Gestalt die ihnen jegliches Leben austreiben würde.

Die Vampire verstummten, ihre Angriffe stoppten - doch nur für wenige Sekunden konnte Albion atmen, sich erholen von den Schmerzen der brennenden Nägel in seiner Haut.

“Was…”, zitterte Youngjae. Daehyun riss die Augen auf, sein Atem stockte schmerzhaft, als er erkennen konnte, was sich so verhängnisvoll und unausweichlich vor ihnen aufbaute.

Rotus Augen waren in schwarz getränkt, wie die Wolken über ihren Köpfen.

Seine Aura spiegelte das rot des Mondes wieder.

Seine schlanke Gestalt ruhte auf dem Rücken einer schwarzen Kreatur aus Nebel, den Umriss eines Pferdes, doch man starrte in seine leeren Augenhöhlen, Blut sammelte sich darin und tropfe leise und laut zugleich auf den dunklen Asphalt vor ihm. Sein Gesicht so ekelhaft ruhig, so gelassen, als wäre das hier alleine seine Welt.

Als würde er als der König über ihren Köpfen auf ihren Kniefall warten.

Seine Haut war blasser als zuvor, sein Gesicht dunkel eingefallen, doch seine Aura erstreckte sich über eine so weite Fläche, das es die Gebäude in blutroten Nebel tauchte. Es fühlte sich an wie eine zähe Masse, etwas das sich über jede Zelle ihrer Körper legte, ihre Lungen zerquetschte und das Blut zum kochen brachte.

Daehyun schnappte panisch nach Luft, heftig zog sich seine Brust zusammen, als er versuchte einzuatmen.

Youngjae sankte neben ihm in die Knie, vor Angst nicht in der Lage, sich zu bewegen. Daehyun suchte verzweifelt Yongguks Blick, brauchte etwas, das ihn daran erinnerte, dass er nicht alleine war - das die Kälte um sein Herz nicht das einzige war, was in dieser Welt existierte.

Yongguk hatte die Zähne zusammen gebissen, Himchan stand blass und zitternd neben ihm. Niemand traute sich, zu atmen oder sich gar zu bewegen.

Rotus riss den Kopf in den Nacken, ein breites, vollkommen verstandloses Grinsen lag auf seinen Lippen, als er den roten Mond rühmte, der sich über seinem Kopf erstreckte.

“Endlich!”, rief er geistesabwesend, vollkommen im Rausch seines Sieges.

Seine schwarzen, toten Augen legten sich auf Daehyun, der so schnell wie möglich Albions Ast herunter kletterte, mit seiner Hilfe so schnell wie möglich wieder neben Yongguk stehen konnte.

Youngjae hingegen bewegte sich noch immer nicht, heftig und verkrampft krallte er sich an Ort und Stelle fest.

“Wenn ihr sehen könntet, wie erbärmlich ihr ausseht, wie klein und schwach. Diese Welt hat nie ein anderes Schicksaal gekannt. Das konnte Luzifer nicht ändern, nicht Michael. Wie dumm er war, nicht weniger erbärmlich wie ihr”, Rotus ging sich durch die schwarzen Haare, atmete tief den Geruch ihrer Angst und ihres Schweißes ein.

“Luzifer hat sich blenden lassen, von seiner Liebe und seiner Hoffnung”, angewidert verzog er das Gesicht, fast wirkte es, als würde er es noch immer nicht begreifen können. Daehyun machte einen Schritt auf Yongguk zu, versuchte seine Hand zu greifen, doch sie zitterte zu sehr, er schaffte es kaum, sie nah genug heran zu bringen.

Daehyun hatte den wahren Feind nicht erkannt. Er hatte gedacht, Luzifer wäre ihr Feind, es wäre vorbei, wenn er besiegt war.

Doch Rotus Aura, war kein Vergleich mehr, zu Luzifers.

“Genug geredet”, schrie er plötzlich schrill, der Schatten seiner Aura schnellte heftig nach vorne, riss mit einem ohrenbetäubenden Geräusch einer der Mauern ein, direkt neben ihnen. Daehyun hob die Arme, versuchte sich vor den Trümmern zu retten, die mit Kraft durch die Luft schleuderten.

Albion schaffte es, durch Daehyuns kurzatmigen Gedankengang, das meiste davon abzufangen. Youngjae landete auf dem Boden, nicht weit entfernt des Eingangs, seine Arme instinktiv und verteidigend über dem Kopf.

Daehyun versuchte nachzudenken, doch Rotus Aura kam viel zu schnell auf sie zu. Er riss den Kopf nach hinten, starrte in die leeren Gesichter seiner Anhänger, doch selbst die Barrikade aus dickstem Eis, welche sich schützend vor ihnen aufbauen wollte, brach sofort in sich zusammen, als Rotus Aura damit in Berührung kam.

“Alle sofort rein”, brüllte er verzweifelt, versuchte Albion mit all seiner Kraft vor dem Eingang zu platzieren und dem nächsten Angriff standzuhalten. Doch die Kraft mit der seine Aura aufprallte, war enorm. Sein ganzer Körper zitterte, er spürte nicht einmal, als Yongguk ihm eine Hand auf die Schulter legte.

Nicht sanft, eher wollte er seinen Körper davon abhalten, in sich zusammen zu sacken.

“Wollen wir nicht ein Spiel spielen, Jung Daehyun?”, ertönte Rotus Stimme plötzlich in seinem Ohr, er war in seinen Gedanken, wie ein kühler Hauch der Angst.

Daehyun spürte, das die rote Aura verschwand, Albions Energiestrom war auf ein geringstes zusammen gesackt. Seine Äste verloren so schnell an Blättern, das Daehyun es kaum mitverfolgen konnte.

“M-Meister…”, wollte er sagen, doch seine Stimme war rau und kaum hörbar. Daeh schüttelte den Kopf, konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Er rechnete mit Rotus nächsten Angriff, doch er folgte nicht.

Doch plötzlich hörte er Yongguk hinter sich husten, schwer und dumpf kam es aus seiner Kehle. Sofort riss Daehyun den Körper herum, konnte sehen, wie der rote Nebel durch seinen trockenen Mund in sein Inneres eindrang.

“Nein…”, schluchzte er verzweifelt, erinnerte sich daran, wie es war, als Luzifer seinen Körper unter seiner Kontrolle hatte.

Und urplötzlich war alles wie in Zeitlupe, die Stimmen waren dumpf und unnahbar.

Die Welt schien nicht mehr die zu sein, die sie war.

Daehyun nicht mehr Herr über seinen eigenen Körper. Er starrte auf Yongguks Körper, wie er sich krümmte, seine Hand sich schmerzhaft auf seine Brust legte. Immer wieder riss er den Kopf herum, doch Daehyun spürte nur das Gefühl nicht atmen zu können.

Die Trümmern lagen neben ihm auf dem aufgerissenen Boden, kämpfende, krächzende Vampire zu seiner Seite, der ekelhafte Geruch von Blut erfüllte die Nacht.

Die Angst in seinen Adern, die sich hektisch bewegenden Körper, wie sie in keinster Weise gegen Rotus etwas ausrichten konnten.

Es war vorbei, wie naiv er gewesen war.

“Daehyun!”, schrie plötzlich Jemand, Daehyun konnte nicht mehr sagen, ob es nur in seinem Kopf war, oder ob es tatsächlich passierte.

“Jetzt reiß dich zusammen…”, keuchte Yongguk, es waren tatsächlich seine Lippen die sich bewegten. Er hatte die Hände in sein dunkles Shirt gekrallt, seine Haut weiß wie Kreide. Er wehrte sich mit all seiner sich bietenden Kraft.

“W-Was soll ich… tun?”, sagte er leise, schaffte es nicht, seinen Körper zu bewegen. Yongguk riss die Augen auf, als ein weiterer Schmerz durch seine Glieder zuckte. Doch Daehyun konnte nur Rotus Lachen hören, wie es eisig und grässlich zu ihm herüber getragen wurde.

Daehyun wusste es, Daehyun wusste dass sie alle sterben würden - er würde sich selbst und Yongguk nicht retten können.

“E-Es ist Rotus… er will das d-du das denkst-”, heftig zog Yongguk die Luft ein und sackte in sich zusammen. Sein Atem war viel zu flach und heftig, Daehyun konnte es sehen, doch egal wie oft er seinen Körper zwingen wollte, er bewegte sich nicht. Er schrie sich selbst an, versuchte alles zu tun, was in seiner Macht stand, doch es passierte rein gar nichts.

Yongguks Stimme war nur noch ein leises Krächzen.

“Daeh, du hast Angst… das ist - das ist okay…”, schaffte er es zu sagen, “doch… wir können das schaffen, verstanden?”, seine Stimme brach in sich zusammen, mit einem rauen Geräusch aus seiner Kehle.

Fühlte es sich so an, zu wissen, dass man sterben würde?

Fühlte es sich so an, zu wissen was Angst wirklich war?

“Überlass das mir… mir geht’s gut”, meinte er dann, meinte damit das brennende Gefühl in seiner Brust und plötzlich schaffte Daeh es, seinen Körper zu bewegen. Langsam und zitternd drehte er sich um, hatte immer noch den Geruch aus Blut und Schweiß und Erde in seiner Nase, das raue Gerräusch aus Yongguks Kehle in seinem Ohr.

Es war der Anfang vom Ende, welches sich direkt vor seinen Augen abspielte.

Albions Äste hingen tot an ihm herunter, seine Kraft war beinah komplett aus Daehyuns Laufbahn verschwunden.

“Hast du es endlich eingesehen, kleiner Daehyun?”, lachte Rotus teuflisch, “es gibt keine Hoffnung für dich und dein mickriges Volk, die ihr euch Vampire nennt!”.

“Halt den Mund…”, flüsterte Daeh mit zittriger Stimme.

“Sie den Tatsachen ins Auge! Eure Liebe wird euch nichts bringen, eure Hoffnung wird erlischen, ich werde sie unter meiner Hand zerquetschen, wie einen Wurm! So wie ihr selbst nur Insekten seit - keinerlei Macht mich aufzuhalten!”, das Lachen wurde lauter, seine Stimme verlor immer mehr Verstand. War ein seelenloses, krankes Geräusch aus seiner Kehle.

“Halt den Mund…”, sagte Daeh erneut, ballte verzweifelt die Hände zu Fäusten. Yongguk hustete erneut, diesmal hörte es sich nass und blutig an.

“Was willst du tun, Jung Daehyun?! Mich zu Tode lieben? Mich zu Tode langweilen?”, krächzte Rotus unmenschlich.

“Du sollst endlich den Mund halten!”, rief Daehyun lauter, seine Stimme zitterte noch immer. Er spürte etwas in seiner Brust, es war wie damals, hatte dieselbe Natur wie die Kraft, nach dem Gespräch mit Michael. Doch diese war dunkler, auf eine komische Weise stärker und mächtiger, als Daehyun es selbst realisieren konnte.

Der Geruch von Blut und die Angst um Yongguk trieb ihn in den Wahnsinn.

“Du bist schwach Jung Daehyun! Dagegen kannst du rein gar nichts tun!”, schrie Rotus ungeduldig, seine rote Aura peitschte gefährlich um ihn, genau in Daehyuns Richtung.

Doch Daeh senkte den Blick, biss die Zähne zusammen, als er plötzlich von so einer starken Wut überschwemmt wurde, dass er seine Glieder darunter nicht einmal mehr spüren konnte.

“DU SOLLST DEN MUND HALTEN”, brüllte er.

Die Luft um ihn herum vibrierte heftig, die rote Aura stoppte aus einem nicht ersichtlichen Grund genau vor seinem Gesicht. Er spürte sie durch seine geschlossenen Augen, doch sie erreichte ihn nicht. Sie verdampfte in dem hitzigen Gefühl seiner Wut, der Boden bebte hemmungslos.

“Daeh…”, stammelte Yongguk erschrocken, doch er hörte ihn kaum.

Seine Aura war erneut in das tiefe Schwarz getränkt, doch es war das Gold, welches Yongguk für wenige Sekunden den Atem nahm.

Er blickte auf Daehyun herüber, dessen Gestalt sich in der goldenen Atmosphäre verzerrte. Ihm schossen plötzlich Bilder von Michael durch den Kopf, Dinge die er nicht wissen konnte.

Er konnte ihn und Luzifer sehen, noch vor ihrer Zeit, die Geschichte spielte sich in dem Gold seiner Aura ab. Ihre Liebe schien wie ein Stromstoß durch die Luft zu zischen.

Albion bewegte sich plötzlich wieder, der Boden tränkte sich in Leben, schenkte den Zellen neue Kraft. Doch es war nicht nur Albion, alle Bäume des Waldes streckten sich in ihrer Pracht, der Wald schien mit Leben erfüllt zu sein.

“Was…”, schaffte es Rotus zu sagen, doch er hatte nicht viel Zeit. Daehyun starrte ihn wutentbrannt an, vor seinen Augen das Blut und die Verzweiflung, während sich in der Realität etwas ganz anderes abspielte.

Die Bäume und alle ihre Lebewesen stürmten auf ihn zu, massige Schwärme, dicke kräftige Äste peitschten durch die Luft.

Das Geräusch von zischenden Vampiren übertönte die, der anderen, die ihrer Kameraden. Rotus gelassene Miene schien sich zu verzerren. Seine rote Aura riss die Äste und Bäume in Fetzten, doch immer mehr schienen aus den Schatten hervor zu kommen, das Gras schlang sich hemmungslos um die Beine des schwarzen Getiers aus Nebel und riss es zu Boden.

“Denkst du damit ist es getan?”, lachte Rotus dennoch, Daehyuns blanke Wut schien zu schwanken, als er sehen konnte, dass die Masse nicht aufhörte, das Rotus sich nicht aus der Ruhe bringen ließ. Der Mond schien zu zittern, heftig riss Daehyun den Kopf in seine Richtung.

Und Rotus schnellte nach vorne, verpasste Daehyun mit der blanken Hand einen Schlag gegen die Rippe, seine goldene Aura konnte es abdämpfen, doch der Schmerz reichte aus, um ihn keuchend nach hinten schwanken zu lassen. Die Lebewesen und Kreaturen des Waldes hielten noch immer den erbitterten Kampf gegen die anderen Vampire.

“Du dummes Gör”, zischte Rotus wutentbrannt, holte zum nächsten Schlag aus. Daehyun schaffte es, sich zur Seite wegzudrehen, doch Rotus Schlag traf mit einem ohrenbetäubenden Geräusch neben ihm auf dem Boden auf. Die Erde wurde sofort in zwei gerissen.

Daehyun wehrte seine Schläge ab, schaffte es immer wieder, früh genug auszuweichen, oder die Arme zu heben. Doch die Kraft des Aufpralls, hinterließ jedes Mal einen weiteren Riss in seiner Aura, jedes Mal spürte Daehyun, dass ihn seine Kraft wieder zu verlassen schien.

Er hatte die Vampire aufhalten können - doch noch längst nicht Rotus.

“Nachfolger von Michael… dass ich nicht lache! Du bist ein schwaches Kind, übermütig und naiv”, krächzte er, zeigte nicht einmal ein Anzeichen dafür, das ihm Daehyuns Schläge etwas ausgemacht hatten.

Daehyun dagegen atmete heftig, versuchte sich angestrengt auf den Beinen zu halten. Yongguk wollte zu ihm herüber rennen, doch Rotus Aura hielt ihn davon ab, hatte die Beiden in eine Mauer eingeschlossen, in der es nur sie Beide gab. Sie hatte sich hemmungslos und entschlossen neben ihnen aufgebaut.

“Ich werde persönlich dafür sorgen, dass du aus dieser Welt verschwindest”, machte er weiter, Daehyun hingegen versuchte angestrengt, jede kleinste Bewegung zu beobachten, die er machte. Er wollte seinen nächsten Schlag hervorsehen. Doch er war eingeschlossen, konnte keinen Schritt vor oder zurück machen.

Er war Rotus in der Mauer seiner Aura schutzlos ausgeliefert.

Nicht einmal Albion konnte ihm helfen, vergebens hatte er versucht, mit seinen Ästen dagegen zu schlagen. Doch seine Aura setzte alles in Flammen, was es berührte, setzte es unter Strom oder schleuderte es von sich. Es war wie, als hätte Rotus jede Magie in sich vereint, die es gab.

Daehyuns Finger schienen erneut zu zittern zu beginnen, die Wut und Kraft schien wieder nachzulassen, die ihn so mächtig durchströmt hatte.

Im Gegensatz zu Rotus, war seine Energie begrenzt.

“Mit der Kraft des Mondes, wirst du mich niemals aufhalten können”, lachte Rotus siegessicher, erneut schnellte er nach vorne. Daehyuns Bewegungen waren langsamer geworden, er schaffte es nur haarscharf, mit der schwachen Kraft seiner goldenen Aura, zur Seite auszuweichen. Nur um mit einem Arm heftig gegen die rote Wand zu stoßen. Krächzend schrie er auf, als der Schmerz durch seine Glieder zuckte.

Der Geruch von verbranntem Fleisch und der Schmerz vernebelten ihm die Sicht.

“Daehyun!”, schrie Yongguk verzweifelt, trat einen Schritt auf sie zu, doch auch er wurde durch die zuckende rote Wand aufgehalten.

Rotus machte langsame Schritte auf ihn zu, packte ihn mit einer heftigen Bewegung am Hals. Daehyun spürte, wie die Luft auf seiner Lunge wisch und seine Füße immer weniger den Boden berührten.

“Siehst du? Du hattest nie eine Möglichkeit, mich zu besiegen”, lachte er.

“D-Dafür… hast du aber ziemlich A-Angst vor mir”, brachte es Daehyun erstickend hervor, ein kleines Lächeln legte sich auf seine Lippen.

“Rotus, wenn du ihm was tust, bring ich dich um!”, schrie Yongguk hasserfüllt, hämmerte mit den Fäusten gegen die rote Wand, ignorierte den brennenden Schmerz auf seiner Haut.

“Yong-guk… es ist… okay”, stammelte Daeh, schaffte es, Rotus erneut zum lachen zu bringen.

“Du siehst dem Tod ins Auge und willst es selbst jetzt nicht einsehen - du bist viel naiver als ich dachte”, meinte er. Yongguk hatte seine Fäuste wieder sinken lassen, versuchte Rotus Aufmerksamkeit zu bekommen, indem er sich in sein Blickfeld stellte.

“Hör schon auf! Rotus, du kannst mit mir machen was du willst, aber lass Daehyun leben”, schluchzte er. Es war das erste Mal, das Yongguk verzweifelt war, dass seine Tränen seine Stimme fremd und verwaschen klingen ließ. Daehyun versuchte ihm einen Blick zu schenken, doch der Griff um seinen Hals wurde fester. Er spürte wie beinah das letzte bisschen Sauerstoff aus seiner Lunge gepresst wurden.

Rotus wollte triumphieren, wollte den toten Körper in die Höhe heben, den er mit eigenen Händen erdrosselt hatte.

“J-Jetzt…”, schaffte es Daehyun so leise heraus zu pressen, das es nur Rotus hören konnte.

Rotus starrte ihn an, nicht sicher, was passierte, ehe er den Kopf herum riss.

Youngjae stand neben Albion, sein Gesicht blutverschmiert. Seine Züge waren so dunkel und eingefallen, das man ihn kaum wiedererkennen konnte.

In seinen Händen einen Bogen aus dem selben hellen Holz, das Albion am Leben hielt.

Die Flamme war größer als er selbst, schlängelte sich mit aller Kraft um den dicken Pfeil, getränkt in das gold Daehyuns Aura, dem letzten Stück seiner Kraft.

“Was tust du da?!”, schrie Rotus aufgebracht, ließ Daehyuns halb toten Körper fallen und die rote Barrikade brach in sich zusammen. Rotus wollte einen Schritt nach vorne machen, doch Yongguk packte ihn gewaltig an der Schulter, schaffte es für die wenigen Sekunden seine Gedanken zu kontrollieren.

“Danke das du es mir erst klar gemacht hast… Rotus”, schaffte es Daehyun mit ausgetrockneter Kehle zu sagen, “ohne die Macht des Mondes, kann ich dich nicht aufhalten”.
 

Rotus wollte etwas sagen, schaffte es, sich aus Yongguks Gedankenkontrolle zu befreien, doch Youngjae hatte die Sehne mit aller Kraft gespannt und mit einem zischenden Geräusch, schnellte der Pfeil direkt auf den blutroten Mond zu.

"The last chapter"

Daehyuns Großmutter hatte eines dieser Lächeln auf dem Gesicht, welches sie immer auflegte, wenn sie ihn belehren wollte. Die Mundwinkel nur sachte nach oben geschoben, kleine dünne Falten bildeten sich um ihre hellbraunen Augen und ließen sie viel kindlicher wirken, als sie war.

Er saß auf dem Bett, die Beine fest an den Körper gezogen, beinah fühlte er sich ein wenig hilflos. Die Sonne schien sachte durch das kleine, weiße Fenster und färbte sich durch die orangenen Gardinen leicht rötlich.

“Hier, trink”, meinte seine ‘ma in einem sanften Ton, ihre Brauen hatten sich beruhigt und das Lächeln wurde stärker, weniger erwachsen. Sie schob ihm das kleine Tablett mit einer warmen Tasse Tee entgegen, gierig griffen seine Hände danach.

Er schaffte es einen Schluck zu nehmen, spürte im nächsten Moment ihre warme Hand auf seiner Wange.

“Ich bin stolz auf dich, Daehyunnie”, flüsterte sie leise, Daehyun nahm tief in sich auf.

Sie wollte noch etwas sagen, Daehyun hätte fast die Augen geschlossen und den Moment ganz für sich alleine genossen doch plötzlich verzerrte sich ihr Gesicht zu etwas Anderem. Ihre Haut wurde blass, ihre hellen Augen färbten sich rot und die Luft fühlte sich wie Eis - dieses Gefühl war Daehyun viel zu vertraut, als dass er es ertragen könnte.

Daehyun ließ die Tasse fallen, das laute Klirren ertönte auf dem kalten Boden und Rotus Krallen wollten heftig nach ihm packen.

Daehyun schreckte heftig atmend auf, kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn und erschrocken und geistesabwesend riss er den Kopf herum, versuchte auszumachen, wo er war.

“Hey, Daeh, alles gut”, hörte er Yongguks Stimme neben ihm, er saß auf einem kleinen metallenen Stuhl, die Wände aus grellen Weiß, sodass Daehyun länger brauchte, als ihm lieb war, zu realisieren wo er war.

“Du bist im Krankenzimmer”, flüsterte Yongguk sanft, hatte ihm die Frage aus den Augen gelesen.

“Was ist passiert?”, stammelte Daehyun sachte, auch wenn ihm nächsten Moment die Bilder zurück in seinen Kopf schnellten, sie heftig gegen seine Schädeldecke hämmerten. Sein Kopf schmerzte, die Taubheit des Schlafes war ebenfalls aus seinem Körper verschwunden und erst jetzt bemerkte er den Schmerz in Hals und Wirbelsäule.

“H-Haben wir?”, versuchte er zu fragen, doch Yongguks Lächeln schenkte ihm die Antwort noch bevor er etwas sagen konnte. Erleichtert und vorsichtig zugleich, ließ Daehyun den Kopf auf das weiche Kissen fallen und starrte auf die weiße Decke über sich. Sein Atem beruhigte sich und plötzlich stiegen ihm warme, kleine Tränen in die Augen.

“Rotus ist weg, für immer”, sagte Yongguk.

Dieses Gefühl in seiner Brust, war unbeschreiblich.

Reste der Angst nagten an seinen Gliedern, der Schmerz zuckte stoßartig hindurch - doch er war so unendlich glücklich.

“Wir haben es geschafft…”, flüsterte er geistesabwesend, leise und stumm tropften seine Tränen auf das weiße Kissen und hinterließen dunkle Spuren. Yongguks Hand legte sich auf seine, die Berührung war so unverändert und echt, das es Daehyun noch weitere Tränen in die Augen trieb.

“Du hast es geschafft, Daehyun”, Yongguk lächelte, schüttelte immer wieder ganz sachte den Kopf, als würde er es nicht begreifen. Als könnte er nicht greifen, wie stark der Mann war, den er liebte - wie viel stärker als er selbst.

Daeh schloss langsam die Augen, traute sich, die Bilder erneut in sich hervorzurufen, doch diesmal spürte er die Wärme Yongguks Hand, die wie ein flüssiges Gold durch seine Adern floß und all die dunklen Gedanken und die Angst verscheuchten.

“Ist es wirklich vorbei?”, Daehyun legte den Kopf vorsichtig zur Seite, schaute Yongguk in die schwarzen, tiefen Augen - er wollte es nicht glauben, beinah Angst davor, das sie sich irren können.

Anstatt das Yongguk antwortete, stand er auf, ging in Richtung des großen Fensters am Ende des Raumes. Daehyun hätte nicht viel erkennen können, das dachte er zumindest, doch als Yongguk den weißen, dünnen Vorhang zur Seite schob, blinzelte Daehyun stark gegen das helle, grelle Licht, das warm den Raum flutete.

Er gewöhnte sich daran, immer schärfer wurde das Bild vor seinen Augen sichtbar.

Die Sonne stand hell am Himmel, doch die Wolken hatten sich silbern gefärbt, der Mond leuchtete nicht weit entfernt in einem hellen grauen Ton, so friedlich und unschuldig, das Daehyun lachend aufschluchzen musste.

Er hing dort am hellen Himmel, wie eine Erinnerung daran, dass der Krieg vorbei war.

Das die Dunkelheit vorbei war.

Der Hass.

Der Verrat, die Verzweiflung.

“Er geht nicht unter, egal ob Nacht oder Tag”, meinte Yongguk sanft.

“Wie lange habe ich geschlafen?”, wollte Daehyun dann erschrocken wissen, versuchte seinen steifen Körper in eine aufrechte Position zu bringen. Yongguk stolperte sofort zu ihm herüber, stütze ihn mit seinen Händen am Rücken und wieder spürte Daehyun dieses Gefühl des Glücks, durch seine Brust schnellen.

Daeh stoppte seine Bewegung, saß nun am Bettrand, die Füße vorsichtig auf den kalten Boden abgestellt. Doch er stand nicht auf, erst griff er mit blassen Händen nach Yongguks, vergaß für wenige Momente, das es das Krankenzimmer war, welches sie steril und weiß einhüllte.

“Gerade mal ein paar Tage, du warst übel zugerichtet…”, meinte Yongguk leise.

“Luzifer und Rotus sind verschwunden richtig? Heißt das, du musst nie wieder Angst haben?”, flüsterte Daeh jedoch leise, schaffte es nicht einmal, im in die Augen zu sehen. Viel zu viele Gefühle überschwemmten seine viel zu enge Brust. Er schaute auf ihre verschlungenen Hände hinab.

“Daehyun”, flüsterte Yongguk nur leise, einer seiner Hände löste sich aus seinen, um ihn sachte über die Wange zu streifen, so wie seine Großmutter es in seinem Traum getan hatte. Doch dieses Mal war das Gefühl viel stärker, als jemals. Vorsichtig hob Daehyun den Kopf, blickte in Yongguks blasses Gesicht, welches so viel lebendiger wirkte, als zuvor. Seine ruhige Aura schlängelte sich friedlich um ihn herum, war jetzt weniger rot, eher pfirsichfarben und lebensfroh.

“Wie habe ich dich nur verdient?”, fragte er sich selbst, leise und sanft, sodass Daehyun spürte wie sich das warme Gefühl zu etwas heißen entflammte.

“Ich bin nur ein dummer, naiver Junge, der Kakteen ansingt”, meinte er unter einem zaghaften Lächeln. Yongguks Miene hingegen wurde ernster, seine dunklen Brauen senkten sich langsam und vorsichtig zog er Daehyuns Gesicht an seines heran, nah genug dass sich ihre Stirn berührte.

“Ich kann nicht… in Worte fassen, was du für mich getan hast. Du bist für mich gesto-”, Yongguk wollte weiter sprechen, das unausweichliche aussprechen, doch Daehyun unterbrach ihn, legte einer seiner schwachen Finger auf seine schmalen Lippen.

“Versprich mir nur, das du mich nie wieder verlassen wirst”, flüsterte Daeh zittrig, hatte so lange gewartet, ihm diese Worte zu sagen, zu wissen das Yongguk nie wieder verschwinden würde - er nie wieder Angst um ihn haben musste.

“Ich liebe dich viel zu sehr… weißt du das?”, entkam es Yongguks Lippen unter einem ungläubigen Lachen, ein kleines, sanftes Lachen, fast als könnte er seine Gefühl selbst nicht glauben.

Und seine weichen Lippen legten sich endlich auf seine, wie ein Versprechen zu halten, was Daehyun von ihm verlangte.

Wie das, was Daehyun gebraucht hatte, um zu überleben.

Und er wusste, das Yongguk nie wieder verschwinden würde, das er an seiner Seite bleiben würde, dieses Leben - und jedes Leben danach.

Seine Lippen schmeckten wie der süßliche Geschmack des Friedens, etwas das er für immer in sich aufnehmen und nie wieder vergessen wollte.

Die Tür neben ihnen öffnete sich, nur angestrengt wollten sie sich voneinander lösen, der Atem schwer und flach.

“Daehyun, du bist wach”, hörte er die helle Stimme seines besten Freundes und hilfsbereit stand Yongguk auf, streckte ihm eine Hand entgegen, damit Daehyun aufstehen konnte. Youngjaes Stirn sah besser aus, ein kleines weißes Pflaster ruhte an der Stelle an seiner Schläfe, die geblutet hatte. Seine roten Haare standen ihm wild vom Kopf ab, als hätte er sie nur schnell durchgekämmt und wäre sofort hergekommen.

“Ich bin zu Hause…”, flüsterte Daehyun dann, jetzt wo er Youngjae sehen konnte, wie er an seine Seite trat und ihm vorsichtig mit einer Hand die Schulter drückte, wurde es ihm mehr als klar.

Er war zu Hause.

“Wir haben eine Überraschung für dich”, sagte Youngjae dann plötzlich aus heiterem Himmel, ein zufriedenes, aber dennoch vorsichtigen Grinsen auf den Lippen, als würde er versuchen die Bilder zu vertreiben, die in ihm auf kriechen wollten, als er die roten, dunklen Striemen an Daehyuns Hals sehen konnten.

Daehyun versuchte mit langsamen Schritten zur Tür herüber zu kommen, Schritt für Schritt mehr Gefühl und Stärke in den Beinen.

“Woher wusstet ihr, dass ich wach sein würde?”, fragte er nüchtern.

“Himchan hat es gesehen, unser Zukunfts Guru”, lachte Yjae herzlich, schaffte es, Daehyun das Gefühl zu geben, das die Vergangenheit plötzlich nicht mehr existierte. Sie war zwar da, doch bereits so weit entfernt, das Daeh sie nicht mehr greifen konnte.

Das hier war sein Zuhause.

Yongguk war sein Zuhause.

Youngjae, Himchan und alle anderen waren sein Zuhause.

“Könnt ihr euch an die Halloween Party erinnern?”, meinte Daeh dann unter einem kleinen Grinsen, schaffte es das Yongguk fragend die Brauen ins Gesicht zog, als wüsste er nicht, was zur Hölle an diesem Tag lustig gewesen sein sollte.

“Was meinst du?”, fragte er deswegen.

Doch Daehyun schüttelte nur lächelnd den Kopf, gewöhnte sich an den Gedanken, dass der Abend wie er endete, nicht das war, woran er sich erinnern würde. Seine Lippen, seine Hände, sein Körper konnten Yongguk berühren, ohne das Leid, welches über sie gekommen war.

Plötzlich war die Halloween Party, nur noch eine Party. Eine Erinnerung die er für immer behalten wollte.

“Nichts, es ist nichts”, meinte er lächelnd, vorsichtig griff er nach Yongguks Hand und öffnete mit der anderen die Tür, nach draußen.

Der Korridor lag im ersten Stock, Daehyun konnte neben sich bereits wenige Meter entfernt einer der Glastüren entdecken, durch die er schon etliche Male gelaufen, gerannt und geschlichen war, um in die Bibliothek zu kommen.

Doch die Luft füllte sich mit dem Duft von etwas süßlichem, wie Kuchen oder Kekse und beinah wollten ihm erneut Tränen in die Augen schießen, bei dem Gedanken an seine Großmutter.

Es erinnerte ihn plötzlich an seine Kindheit. Die Abende mit ihr alleine vor dem Kamin, Spekulatius Kekse auf dem Schoß in einer roten, dunklen Schüssel und der Weihnachtsbaum zu seiner Linken.

Yongguk öffnete die Tür, bekannte Gesichter tauchten vor ihm auf, die Eingangshalle wirkte plötzlich wie ein Präsentierteller, auf den er geschoben wurde. Die Augen legten sich auf ihn, Himchan drängte sich von hinten durch die vielen Körper hindurch nach vorne, um einen Blick auf ihn zu erhaschen.

“Hi…”, sagte Daehyun leise, sorgte dafür dass er ungläubig auflachte, nur um ihn in der nächsten Bewegung in eine tiefe Umarmung zu schließen.

“Du bist mein Lehrer, du solltest dich nicht so verhalten”, meinte Daeh unter einem kleinen Grinsen, konnte selbst nicht zugeben, wie wohltuend seine Umarmung war.

“Sei endlich still, du Idiot”, lachte Himchan, schaffte es, das die Masse an Schülern zu murmeln begannen, sich Gesprächen widmen und leise und erwartungsvoll in den Speisesaal strömten.

“Und jetzt lass dich feiern, Jung Daehyun”, sagte Youngjae mit herzlicher Stimme, Daehyun hielt noch immer Yongguks Hand und schenkte ihm einen kleinen Blick.

Es war vorbei.

Jetzt und für immer.
 

“Ganz ehrlich, ich hasse es”, jammerte Youngjae so laut, das Daehyun schon das zweite Mal zu lachen begann. Sie saßen draußen, die helle Sonne über ihren Köpfen, der silberne Mond zu ihrer Linken, sowie ein Berg an Schulbüchern vor ihnen auf dem Tisch lag. Yongguk schwang sich auf die steinerne Bank, war über den grünen, blühenden Rasen zu ihnen herüber gekommen und in seiner Hand einer der Trinkpäckchen, die Youngjae sonst immer trank.

“Sag nicht dass du jetzt auch abhängig davon wirst”, meinte Daeh in seine Richtung, mehr beleidigt, als es für so eine Kleinigkeit eigentlich angebracht wäre. Yongguk lächelte verdutzt und schüttelte dann leise lachend den Kopf.

“Und was wäre wenn?”, brummte er nur dunkel, steckte sich den kleinen Strohhalm demonstrativ in den Mund, nur um das kleine Ding fast in einem Schluck auszutrinken.

“Denk nicht dass ich dich küsse, wenn du penetrant nach Multivitamin riechst”, meinte Daeh dann einfach, ihm fiel in diesem Moment keine bessere Verteidigung ein. Youngjae rümpfte nur die Nase, wie immer, wenn sie über das Küssen oder ihre Beziehung redeten.

Was nicht oft vorkam, zumindest nicht von Yongguks Seite.

Er tat es einfach, das küssen - manchmal so unerwartet im Unterricht, das Daehyun vor Verlegenheit im Boden versinken oder heulen wollte. Auch jetzt stützte er sich mit den Händen auf dem kalten Steintisch ab, um sich zu Daehyun herüber zu lehnen und ihm einen sanften Kuss auf die Lippen zu geben.

Daehyun spürte, dass sein Herz mit jedem Mal schneller schlug, als sich daran zu gewöhnen. Es war wie Adrenalin das durch seine Adern strömte, ab dem Moment wenn sie sich nah sein konnten.

“Hört schon auf”, jammerte Youngjae weiter, den Blick tief in einer seiner Bücher vertieft und tippte jetzt schon eine Ewigkeit mit dem Bleistift auf die Steinplatte, anstatt etwas auf das weiße leere Papier zu schreiben.

“Neidisch?”, brummte Yongguk im tiefen Bass und schaffte es, das Youngjae demonstrativ die Augen verdrehte.

“Im Gegensatz zu euch Turteltauben, muss ich lernen - also schönen Tag noch”, meinte er beleidigt, schnappte sich in einer Geschwindigkeit seine Sachen, dass sie hundertprozentig irgendwo zerknitterten und er sich später darüber aufregen würde.

Er stapfte über den Rasen wie ein kleiner, beleidigter Junge und verschwand hinter der Glastür nach drinnen.

“Hör auf ihn immer fertig zu machen”, meinte Daeh unter einem kleinen Grinsen, als könnte er sich selbst kaum zurück halten, Youngjaes Abflug irgendwie lustig zu finden.

Der Krieg war seit Monaten vorbei. Die Normalität hatte sich rasend schnell wieder unter ihnen breit gemacht und irgendwie fühlte sich Daehyun nicht viel anders als zuvor.

Er wollte es genießen, wollte nicht viel daran verschwenden zu denken, dass diese Ruhe nicht normal war.

Das sie nicht immer normal gewesen war.

“An was denkst du?”, wollte Yongguk mit sanfter Stimme wissen, hatte ihn stumm dabei beobachtet, wie er seinen Blick immer höher in Richtung des silbernen Mondes gehoben hatte und dort festgefroren war.

“Es ist alles so normal, weißt du?”, sagte er nachdenklich.

“Zum Glück”, erwiderte Yongguk nüchtern, als wäre diese Normalität wirklich selbstverständlich. Daehyun senkte den Blick wieder, legte ihn auf Yongguks schwarze Augen, die ihn beinah träumerisch anblickten.

“Hast du nicht manchmal Angst, da es wieder vorbei geht?”, meinte er leise, erlaubte sich beinah selbst nicht, das zu denken - doch es kam schneller über seine Lippen, als er es aufhalten konnte.

“Daehyun?”, meinte Yongguk plötzlich unter einem kleinen Lächeln, stand von der kleinen Bank auf, um zu ihm herüber zu kommen und sich neben ihn zu setzen.

“Du musst keine Angst mehr haben”, meinte er sanft, Daehyun nickte heftig, als Zeichen dafür dass er das bereits wusste. Doch seine Augen fielen mit einem nachdenklichen Blick wieder auf den Mond zurück.

“Wir sollten heiraten”, meinte Yongguk aus heiterem Himmel, sorgte dafür dass Daehyun erschrocken seinen Blick los riss, mit starren Augen in sein sanftes Gesicht blickte.

“Ist das dein Ernst?”, wollte er zittrig wissen, nicht in der Lage, etwas sinnvolles zu denken oder zu sagen.

“Ich habe dir versprochen dich nie wieder zu verlassen, die Welt ist wieder normal. So normal wie sie eben sein kann. Also sollten wir heiraten - so wie normale Menschen”, meinte er leise, hatte angefangen Daehyuns braune Haare durch seine Finger gleiten zu lassen und jede kleinste Stelle seines Gesichtes mit einem Lächelns zu liebkosen.

Daehyun musste grinsen, zittrig und überwältigt.

“Du bist verrückt, Bang Yongguk. Das du so etwas tun würdest”, meinte er leise lachend, verliebt und glücklich zur selben Zeit, eine Mischung aus einem Gefühl, welches in beinah in den Himmel hob.

“Ich bin nur verrückt nach dir”, flüsterte Yongguk leise, küsste ihn so sanft, wie er es lange nicht getan hatte, neben dem Stress der Normalität und allem anderen. Daehyun lächelte gegen seine Lippen, verlor sich wenige Sekunden alleine in dem Gefühl, das es nur sie Beide auf der Welt gab.

“Also wirst du mich heiraten?”, wollte Yongguk wissen, ihre Lippen hatten sich gerade mal einen Zentimeter von einander gelöst.

“Ja”, sagte er zittrig, “alles was du willst”.

"Special Chapter: The Marriage"

“Das ist nicht dein verdammter Ernst, Jung Daehyun!”, Youngjae riss so hart an Daehyuns Schulter herum, dass er mit einem Schreck die Augen aufriss und einen Zentimeter im Bett zurück wich. Sein Atem ging schwer, bis er vor seinen schlaftrunkenen Augen das Gesicht seines besten Freundes erkennen und sich wieder beruhigen konnte.

“Das könnte ich dir auch sagen…”, jammerte er leise, zog sich beleidigt die weiße, nach Weichspüler riechende Decke über den Kopf. Doch Youngjae machte ihm auch das wieder zunichte und zog am anderen Ende daran herum, bis Daehyun komplett ohne Decke in seinem Bett lag und müde und genervt an die Decke starrte.

“Du verschläfst sogar deine eigene Hochzeit, du Idiot”, jammerte Youngjae so nervös und aufgeregt, das Daehyun nicht anders konnte, als ihm ein kleines Lächeln zu schenken. Vorsichtig richtete er sich ihm zu liebe auf und ging sich über das müde Gesicht.

Er heiratete heute.

Richtig.

“Wir müssen noch so viel erledigen, ich weiß nicht mal, wo mir der Kopf steht”, brabbelte Youngjae aufgeregt, ging im Zimmer auf und ab, schnappte sich irgendwelche Dinge, um sie dann wieder hektisch an ihren Platz zurück zu stellen.

Es wäre nicht Daehyuns Hochzeit, wenn sie nicht von Yoo Youngjae organisiert werden würde.

“Hey… beruhig dich”, meinte Daeh mit sanfter Stimme, schaffte es, ihn wenigstens zum stehen bleiben zu zwingen.

“Es wird perfekt werden, also mach dir keine Sorgen”, ohne es vorgehabt zu haben, gähnte Daehyun, sorgte dafür, dass Youngjae ihn alleine mit seinem Blick wieder dazu zwang, sich schlecht zu fühlen. Sachte verdrehte er die Augen, richtete sich auf und streckte seine müden Glieder.

“Zufrieden?”, meinte er, spürte mit jeder Sekunde die er wacher wurde, dass die Erkenntnis über seine Hochzeit auch in seiner Brust Fuß zu fassen schien. Nur würde er seine Nervosität niemals offen zeigen - nicht vor Youngjae, der seit einem Monat kein anderes Thema mehr kannte.

Bevor Youngjae etwas erwidern konnte, er hatte den Zeigefinger schon protestierend in die Höhe gehoben, klopfte es unverhofft an der Tür.

“Wer zur Hölle stört gerade jetzt? Ich hoffe nicht dass es Yongguk ist, man sollte seinen Verlobten am Tag der Hochzeit nicht sehen, das ist Tradition”, grummelte Youngjae vor sich hin, doch als er die Tür öffnete, schnitt ihm ein ganz anderes Gesicht das Wort ab. Yoongis grünen Haare waren leicht nach hinten gekämmt, er trug ein weißes schlichtes T-Shirt. Doch Daehyuns Blick viel sofort auf das kleine schwarze Sportband um sein schmales Handgelenk.

Ihre Blicke trafen sich für einen kurzen Moment.

“Was gibts?”, wollte Youngjae schulterzuckend wissen, der die komische Luft im Raum nicht einmal zu spüren schien. Es war nicht so, das Daehyun noch immer wütend war, es war die komische Erinnerung daran, was passiert war.

Eine Erinnerung daran, dass seine Hochzeit nicht das einzige war, was in den Köpfen der Leute stattfand.

“Kann ich… kurz mit Daeh alleine reden?”, wollte er mit ruhiger Stimme wissen, sanft und gelassen, sodass Daeyhun sofort spürte, was das zu bedeuten hatte. Yjae holte tief Luft, Daehyun wusste sofort, was er hatte sagen wollen.

“Yjae, lass uns bitte kurz alleine”, kam er ihm deswegen zuvor, erntete einen vorwurfsvollen Blick, der die Worte “Wir haben keine Zeit mehr, Idiot” nur so heraus schrie. Doch er schien an Daehyuns ernstem Blick zu verstehen, dass es nicht der richtige Zeitpunkt war.

Mit einem kleinen, ergebenden “Na schön”, ging er neben Yoongi aus der Tür.

Ein leises Klicken ertönte und Yoongi kam einen kleinen Schritt auf ihn zu, schaute Daehyun lange in die braunen Augen - nur so lange, bis sein Blick auf den schwarzen Anzug wanderte, der demonstrativ an Youngjaes Kleiderschrank hing.

“Bist du schon aufgeregt?”, wollte er zurückhaltend wissen und Daeh schenkte ihm ein sachtes Lächeln.

“Hier geht es nicht um meine Hochzeit richtig?”, meinte er, sorgte dafür das Yoongis Aura sich ertappt hin und her schlängelte. Leise seuftze er und ließ sich auf Youngjaes Bettkante nieder. Daehyun tat es ihm gleich und schaute ihn von der anderen Seite des kleinen Zimmers an.

“Es ist eine Menge passiert… seit wir das letzte Mal geredet haben”, fing er an, vorsichtig schob er das schwarze Band an seinem Handgelenk hin und her. Doch nie weit genug, das die rote Narbe darunter sichtbar wurde und sein Blick fiel für eine ganze Weile aus dem Fenster, als würde er nach den richtigen Worten suchen.

“Ich hatte immer das Gefühl, das du eine Entschuldigung verdient hast, Daehyun”, seine Stimme wurde leiser, beinah als hätte ihn der Mut verlassen, dieses Gespräch zu führen. Daehyun wollte etwas erwidern, doch irgendwas in Yoongis Augen sagte ihm, das er nicht an der Reihe war, zu sprechen.

Und im nächsten Moment ertönte bereits ein kleines, schwaches Lachen aus seiner Kehle.

“Ich dachte damals so sehr, dass meine Probleme wichtig sind. Viel wichtiger und schlimmer als alle anderen”, Yoongi schenkte sich selbst ein belehrendes Lächeln, “ich hab mich so schnell verraten gefühlt, als hätte sich die ganze Welt gegen mich gestellt”.

“Yoongi”, sagte Daehyun vorsichtig.

“Nein, es ist okay. Ich bin nicht gut in dieser ganzen Sache, ehrlich. Es hat mich eine ganze Stunde gekostet, aufzutauchen”, seine Stimme war leicht rau, fast als hätte er diese Gedanken schon viel zu lange in sich hinein gefressen.

“Ich ertrage es nicht, wenn du so mitleidig klingst”, meinte er, “ich hätte damals erkennen müssen, dass ich nicht an der Reihe war, wütend auf dich zu sein”.

Vorsichtig schenkte Daehyun ihm ein Lächeln.

“Du warst verletzt, das ist alles”, meinte er sachte. Yoongis Blick legte sich wieder auf die Szenerie draußen, lange blinzelte er immer wieder leicht gegen die sachte Mittagssonne, fast als würde ihm erneut etwas klar werden, oder als würde er sich an etwas Wichtiges erinnern.

“Du hast dich verändert, Yoongi”, sagte Daehyun, sorgte dafür dass seine grünen Augen sich auf ihn legten. Im ersten Moment verdutzt, doch es verwandelte sich schnell in ein zaghaftes Lächeln.

“Haben wir das nicht alle, nachdem was passiert ist?”, fragte er.

“Wahrscheinlich hast du Recht… ich vergesse selbst oft genug, dass meine Hochzeit nicht das einzige ist, was wichtig ist”, meinte er nachdenklich, wusste nicht, wo die tiefe Traurigkeit herkam, an seinem eigentlich schönsten Tag.

“Daeh, darf ich dich um etwas bitten?”, fragte Yoongi plötzlich, sachte nickte Daeh, wusste nicht, was er zu erwarten hatte, doch er war sich sicher, Yoongis Wunsch erfüllen zu wollen.

“Erlaubst du mir, dir und Yongguk ein Geschenk zu machen?”, fragte er sanft, seine grünen Augen blitzen plötzlich auf, fast als wäre es eine tiefe Freude, diese Worte endlich sagen zu dürfen. Daehyun schaute ihn lange an, beobachtete seine weiche, grüne Aura, wie sie wie Seide in der Luft lag und ihm ein tiefes Gefühl von Ruhe gab.

“Natürlich”, lächelte er glücklich, Yoongi stand mit einem glücklichen Lächeln auf. Daehyun schaute ihm hinterher, als er mit schnellen Schritten durch das Zimmer lief, Daeh in der Tür einen letzten Blick über die Schulter schenkte, ehe er wie ein leichter Windhauch wieder verschwunden war.

Nach einem ganzen Moment der Stille stand Daeh auf, ging den kleinen Schritt zum Kleiderschrank hinüber und griff nach dem schwarzen Stoff des Anzugs.

“Wir machen es tatsächlich…”, stellte er flüsternd fest, der weiche Stoff fühlte sich beinah wie eine Versprechung Yongguks weicher Haut an, als wäre es ein Vorgeschmack auf alles, was noch kommen würde. Sachte legte er den Stoff auf seine Wange und schloss für wenige Sekunden die Augen.

So viele Monate waren vergangen, so viele Wochen und Tage. Daehyun spürte Yongguks Aura immerzu, wenn er alleine war, wenn sie zusammen waren, selbst wenn er viel zu weit weg war, als das es möglich wäre. Ansonsten hätte er es nicht ausgehalten, ihn alleine zu lassen, alleine zu schlafen, nachts das Gefühl zu haben, er könnte ihm wieder entrissen werden.

Diese Angst hatte mit keinem Tag der vergangen war abgenommen und wenn er nicht mit einem lauten Geräusch das Kratzen der Tür auf dem Boden gehört hätte, wäre er wahrscheinlich genau in diesem Moment sehnsüchtig in sein Zimmer gestürmt.

“Alles okay?”, hörte er Youngjaes sanfte Stimme und vorsichtig öffnete Daehyun seine Augen.

“Alles ist perfekt”, flüsterte er leise, schenkte seinem besten Freund ein Lächeln, von dem er sich nur allzu gerne anstecken ließ. Sein aufgeregter Atem beruhigte sich für ein paar Sekunden und Daehyun ließ den weichen Stoff los.

“Ich heirate heute”, sagte er mit brüchiger Stimme, aus irgendeinem Grund überschwemmte ihn ein so großes Glücksgefühl, das er endlich wirklich realisierte, was heute für ein Tag war.

Er würde Bang Yongguks Mann werden.
 

“Sagt wer?”, brummte Yongguk grimmig, als Himchan ihm jetzt schon zum dritten Mal gesagt hatte, dass er Daehyun an dem Tag seiner Hochzeit nicht sehen durfte.

Tradition, was ein Schwachsinn.

“So ist es nun mal und jetzt hör auf dich über alles was ich sage zu beschweren”, sagte Himchan, zerrte ihn mit einer unsanften Bewegung wieder von der Tür weg und setze ihn wie einen kleinen Jungen auf sein leeres Bett. Yongguk seufzte lange und ausgiebig.

“Meinst du nicht du nimmst das alles etwas zu ernst?”, brummte er dann. Himchan hob beinah entrüstet und eingeschnappt die Brauen in die Höhe und riss den Mund auf. Es hätte nur noch gefehlt dass er wie eine alte, geschockte Dame die Hand auf die Brust gelegt hätte.

“Ich glaube du bist derjenige der es ein bisschen zu wenig ernst nimmt”, feuert er dann zurück, nicht wirklich erfolgreich, da Yongguk ganz genau wusste, wie stark sein Herz schon seit dem Moment schlug, den er aufgewacht und realisiert hatte, dass heute der Tag gekommen war.

Es war schwer gewesen es überhaupt über die Monate nicht jedes Mal vor Augen geführt zu bekommen - es gab in der gesamten Schule fast kein anderes Thema mehr. Leute hatten ihnen gratuliert, wenn sie still in der Bibliothek gesessen hatten, wenn sie beim Essen, beim Lernen oder ihm Unterricht waren. Sogar Leute, die sie noch nie vorher gesehen hatten, taten so, als wären sie Popstars.

“Du bist aufgeregt, richtig?”, meinte Himchan nun in einem sanften Ton, die Entrüstung und alles bei Seite geschoben. Yongguk schenkte ihm einen unsicheren Blick, wusste nicht, wie er es ausdrücken sollte.

“Es ist ein komisches Gefühl…”

“Na ich hoffe doch, ein gutes”

“Ja… mehr als das. Ich glaube das ist, was mir so Angst macht”, meinte Yongguk leise. Himchan musterte ihn lange, Yongguks Hände spielten miteinander, er drehte das silberne Armband hin und her, welches er schon so oft hatte von sich reißen wollen.

Doch es erinnerte ihn nicht nur an Rotus - auch daran, dass er nie wieder kommen würde.

“Hey, hör mal zu”, fing Himchan sachte an, ließ sich neben ihm auf die Bettkante fallen, das Yongguk leicht auf und ab wippte. Sachte musste er deswegen lächeln.

“Kommt jetzt eine Ansprache alá Himchan?”, wollte Yongguk nur ironisch wissen, schaffte es jedoch nicht, ihn irgendwie zu verunsichern - er schien zu wissen, was er sagen wollte.

“Du und Daehyun seit kein gewöhnliches Paar, in jeder Hinsicht”, fing er an, “doch nur weil nichts um euch herum jemals normal war oder sein wird, heißt das nicht das ihr es nicht verdient habt glücklich zu werden. Erlaub dir das endlich selbst”, meinte er.

“Ich will aber das alles normal ist”, sagte Yongguk mit brüchiger Stimme, war nie gut darin gewesen, seine Gefühl so offen auszusprechen. Das Schweigen fiel ihm leichter - aber er war nicht mehr an der Reihe zu schweigen, nicht seit er Daehyun die Welt zu Füßen legen wollte.

“Daeh hat es verdient keine Angst mehr haben zu müssen”, flüsterte er, sachte legte Himchan ihm eine Hand auf die Schulter.

“Und das muss er auch nicht mehr, genauso wenig wie du, verstanden?”, meinte er eindringlich, doch Yongguk erhob sich, lehnte sich sachte mit verschränkten Armen an die Fensterbank und starrte zum silbernen Mond hinauf.

“Weißt du, was das für ein Gefühl ist zu wissen, das Daehyun hätte sterben können?”, fragte er in den Raum hinein, richtete es nicht einmal an Himchan oder sich selbst, eher wollte er es von dem Mond wissen, der sie immer wieder daran erinnerte, dass alles okay war.

“Du müsstest am besten wissen, das er nicht so schwach ist”, meinte Himchan. Für einen kleinen Moment verlor sich Yongguk in der Vorstellung von Daehyun, wo er jetzt gerade war, was er machte oder mit wem er redete - ganz normal.

“Er ist etwas besonderes”, flüsterte er geistesabwesend, “ich hätte niemals gedacht das mein Leben einmal so enden würde, es war alles so vorbestimmt und unausweichlich gewesen. Doch dann war er da, einfach so, ist rückwärts in mich hinein gerannt wie ein tollpatschiges Kind”, sachte entkam Yongguks Kehle ein Lachen, als er sich daran erinnerte und langsam schenkte er Himchan einen Blick.

“Sein Leben war so von Glück erfüllt, wenn er lachte hatte ich das Gefühl wenigstens ein bisschen von dem vergessen zu können, was passiert war”, sagte er leise, weiterhin tief in Gedanken.

“Doch Rotus ist nicht mehr da. Du musst nicht mehr aus der Ferne beobachten, wie andere glücklich sind. Du bist jetzt ein Teil davon”, Himchan stand auf, legte ihm erneut die Hand auf die Schulter und lange schaute ihm Yongguk in die Augen.

Nur eine Sekunde später legte er fest seine Arme um ihn, schenkte ihm eine feste, ernstgemeinte Umarmung, ehe er tief und beruhigt ausatmete.

“Und jetzt wird geheiratet”, lachte Himchan leise.

“Du hattest Recht, mir geht der Arsch auf Grundeis”, Yongguk lächelte, sorgte dafür dass Himchan durch seine Wortwahl noch lauter lachte, ehe er den schwarzen Anzug anhob, der neben ihnen auf dem Bett gelegen hatte.
 

Es waren Stunden, viel zu viele Minuten, in denen sich Yongguk gewünscht hatte, Daehyun endlich zu sehen. Der schwarze Stoff fühlte sich warm und vertraut auf seiner Haut an, die weiße Rose ruhte stumm und doch auffällig an seiner Brust, als Himchan endlich die Tür seines Zimmers öffnete.

“Bereit?”, meinte er sanft, ohne nachzudenken, nickte er und ging an ihm vorbei in den leeren Korridor. Die Stille war komisch bedrückend, ließ Yongguk nur noch mehr das Klopfen seines Herzens hören, die lauten Gedanken in seinem Kopf.

Himchan blieb in der Tür stehen, folgte ihm dann wenige Schritte hinter ihm. Yongguk konnte die Blumen am Geländer der Wendeltreppe erkennen, weiße Rosen, wie sie an seinem Anzug ruhte und kleine, leuchtende Lichter, die ihm den Weg weisen würden. Der Geruch von Blüten und etwas süßlichen erfüllte die Luft, doch nichts war ein Vergleich zu dem Gefühl in seiner Brust, als er sehen konnte, wie sich am anderen Ende des Korridors die Tür öffnete.

Die Zeit stand still, als Daehyun einen Schritt nach draußen machte, seine braunen, schimmernden Haare in Yongguks Blickfeld kamen.

Seine goldene Haut, seine kastanienbraunen Augen.

Er schaute nach vorne, erblickte ihn erst, als er tief ein und aus geatmet und sich umgekehrt hatte. Seine Brust hob und senkte sich ruhig, der schwarze Anzug perfekt auf seinen schlanken, zierlichen Körper zugeschnitten.

Yongguk hatte das Gefühl nicht atmen zu können, als ihn all diese Gefühle erneut überschwemmten.

Daehyun war perfekt.

Er war viel zu perfekt, als dass er es begreifen konnte.

Langsam und mit zitternden Schritten, kamen sie aufeinander zu, blieben schwer atmend vor der Wendeltreppe stehen, nicht im Stande, den Blick voneinander los zu reißen.

“Hi…”, flüsterte Daeh mit zittriger, sanfter Stimme, das Yongguk nicht anders konnte, als leise zu lachen. Heiser und rau kam es aus seiner trockenen Kehle. Seine Finger griffen nach seiner Hand, er spürte wie kalt und feucht sie war, doch das Gefühl ihn endlich wieder zu berühren, erfüllte ihn mehr als alles andere.

“Es war schrecklich, dich nicht sehen zu dürfen”, flüsterte Daehyun dann, blickte ihm in die schwarzen Augen, Yongguk konnte sehen, wie sich seine Wangen rosé färbten. Sachte und überwältigt von seiner Schönheit, lächelte Yongguk.

“Himchan hat mich in meinem Zimmer eingesperrt”, lachte er heiser, schaffte es, Daehyun ein weniger nervöses Grinsen auf die Lippen zu zaubern.

“Was auch nötig war, sonst hättet ihr diesen Moment sowas von zerstört”, kam Himchan belehrend von hinten, Youngjae nickte nur bestätigend, das Beide nicht anders konnten, als glücklich zu grinsen, gleichzeitig den Kopf zu schütteln, als wären sie dankbar, sie als Freunde zu haben.

“Bist du bereit?”, sagte dann Yongguk sanft und so leise, dass nur Daehyun es hören konnte. Doch etwas blitze in seinen braunen Augen auf, etwas so tiefes, das Yongguk es erst nicht greifen konnte.

“Zuerst muss ich dir mein Geschenk geben”, meinte er sanft, umklammerte fest seine Hand, schaffte es, das Yongguks Herz noch schneller schlug. Yongguk war der Meinung gewesen, zu wissen dass er keine Geschenke mochte - das alles was er wollte war, ihn endlich seinen Mann nennen zu dürfen. Nicht mehr länger zu warten.

Doch Jung Daehyun belehrte ihn erneut etwas Neuem.

Dass er sogar noch mehr als perfekt war, das Yongguk das Gefühl hatte, seine Brust würde vor Liebe zerspringen.

“Schau”, flüsterte er leise, richtete den Blick die Wendeltreppe herunter, Yongguk folgte seinem verwundert.

Er konnte es erst nicht fassen, blinzelte angestrengt, um die vielen Gedanken zu ordnen, die ihm durch den Kopf schnellten, wie Blitze in einem Sturm. Er löste sich vorsichtig von Daehyun, um dieser zierlichen Frau näher zu kommen, die am Fuße der Treppe stand und zittrig blinzelte.

“Mein Yongguk…”, sagte sie mit brüchiger Stimme, Yongguks Schritte wurden schneller, er kannte diese Frau, auch wenn er sie noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Seine zittrigen Hände griffen nach ihren, sie waren kalt und blass, doch ihre Augen füllten sich mit so viel Wärme, das Yongguk das Gefühl hatte, nicht denken, nicht sprechen oder gar atmen zu können.

“Mama…”, flüsterte er so schwach, dass es beinah nur einem Krächzen nah kam - doch sie hatte verstanden. Heftig und unter Tränen nickte sie, als könnte sie es selbst nicht fassen, ihn vor sich zu haben.

So viele Geschichten hatte er über sie gehört, egal wie oft Rotus versucht hatte, es vor ihm zu verbergen. Vor ihm stand der einzige Mensch und der letzte Mensch, den Rotus jemals geliebt hatte.

Seine Mutter.

Wie oft hatte er versucht, sie zu suchen, zu verstehen, was damals passiert war. Doch sie war zu einem Schatten geworden, er hatte längst die Hoffnung verloren, sie zu finden. Die Hoffnung darüber, dass sie wirklich existierte.

Sie war so ganz anders als er sie sich vorgestellt hatte. Ihre Haut war blass, dicke schwarze Haare umrahmten ihr Gesicht, ein sanftes, blaues Sommerkleid hing ihren schlanken Körper herunter.

Keine Reißzähne, keine Aura.

Yongguk hatte so viel von ihr, seine Nase, die schwarzen, dunklen Augen, die schmalen Lippen.

Sie war so normal, wie er sich sein Leben immer gewünscht hatte. Und plötzlich rückte alles in den Hintergrund, alles was Yongguk jemals erlebt hatte, die Erinnerung an Rotus und seine Kindheit war plötzlich nur noch ein schwarzes Kapitel in einem staubigen Buch.

Und er hatte dieses Buch endlich zugeklappt, es ins Regal gestellt und vergessen.

“Ist er das?”, fragte seine Mutter, Bang Yuna und ihre dunklen Augen legten sich auf Daehyun. Er war wenige Stufen herunter gekommen, schenkte Yongguk ein so sanftes, glückliches Lächeln, das er das Gefühl hatte, an seinem Glück zu ersticken.

Heftig nickte er, nicht im Stande, etwas zu sagen.

Yuna ging wenige Schritte vorwärts, ließ Yongguks Hand keine Sekunde los.

“Danke”, sagte sie mit zittriger Stimme, streckte die Hand so lange nach ihm aus, bis Daehyun sie in seine eigene nahm und vorsichtig nickte - als wäre es ganz selbstverständlich.

Doch nichts an diesem Mann war selbstverständlich.

Yongguk hatte das Gefühl, einen zerbrechlichen Diamanten in seinen Händen zu halten - seine einzige Aufgabe im Leben war, ihn zu schützen und zu lieben.

Am liebsten wäre er hier stehen geblieben, hätte ihm noch hier den Ring an den Finger gesteckt, doch seine Mutter hob langsam seine Hand an, legte sie mit einer sanften Bewegung in Daehyuns.

Ihr Lächeln war wie Gold, doch er war das einzige was Yongguk ansehen konnte. Vorsichtig kam Daehyun die letzten Stufen herunter und klammerte sich an seiner Hand fest, bereit endlich die letzten Schritte zu tun, die sie noch von ihrer gemeinsamen Zukunft trennten.

Yuna lief zwischen Youngjae und Himchan, Yongguk hatte beinah das Gefühl immer wieder den Kopf herum reißen zu müssen, sicher zu gehen das es kein Traum war, der sich vor seinen verwirrten Augen abgespielt hatte.
 

Und sie betraten den Speisesaal, den Ort, der ihr Schicksaal an dieser einen Halloween Nacht entschieden hatte. Der Raum glich einer Kirche, die hohen Kronleuchter strahlten heller als jemals, die riesige Fensterfront warf ein warmes, orangefarbenes Licht in den Raum. So viele Gesichter drehten sich ihnen zu, Daehyun konnte seine Großmutter sehen, wie sie mit einem sanften, glücklichen Lächeln ganz vorne auf einer der hellbraunen Bänke saß. Weiße Rosen überall, der Raum schien auf seine eigene Art zu glitzern, durch die glücklichen Gesichtsausdrücke, die hellen leuchtenden Augen.

Himchan ging an ihnen vorbei, stellte sich auf die kleine Bühne, die weiß verziert direkt vor ihnen stand, Youngjae nahm Yongguks Mutter bei der Hand, führte sie mit vorsichtigen Schritten durch den kleinen Gang und setzte sich neben Daehyuns Großmutter.

Daehyun und Yongguk blieben dort stehen, wo sie waren.

“Zu viel?”, flüsterte Yongguk zittrig, spürte, wie die Aufregung ihn plötzlich komplett überschwemmte.

“Es ist perfekt”, flüsterte Daeh mit einem sanften Lächeln, machte den ersten Schritt, zog Yongguk sachte hinter sich her.

So wie es immer gewesen war. Yongguk blickte auf ihre Hände, auf seinen schlanken Rücken und seine gold-braunen Haare.

So war es schon immer gewesen. Daehyun war gerade aus, war vorwärts gegangen und hatte Yongguk mit sich gezogen, ihm bewiesen, dass der Weg den er ging, der richtige war. Das der Weg vorwärts ein heller und erfüllter Weg war.

Ein leises Klavierspiel drang durch die Boxen über ihren Köpfen, beinah erleichtert, warf Yongguk Youngjae ein sanftes Lächeln zu. Der Hochzeitsmarsch, hätte in keiner Hinsicht zu ihnen gepasst.

Himchan lag ein weißes Band über die Schultern, der schwarze Anzug ersetzte die schwarze Robe, auch wenn er kein richtiger Priester war, wussten alle, dass Himchan diesen Job übernehmen musste.

Er, als Yongguks ersten besten Freund, war perfekt für diesen Job.

Youngjae stand auf, nahm Yuna erneut bei der Hand, mit leisen, sanften Schritten stellen sie sich Daehyun und Yongguk zur Seite. Beinah schon sehnsüchtig schenkte Yongguk seiner Mutter einen Blick, streckte die nervöse, zittrige Hand nach ihr aus.

“1 Jahr, 365 Tage, 8.000 Stunden”, ertönte Himchans kräftige Stimme in diesem stillen und wunderschönen Raum.

“Ich muss niemanden daran erinnern, was vor dieser Zeit passiert ist. Was uns alle eingeholt und erschüttert hat”, er atmete tief, sorgte dafür dass Daehyun eine Gänsehaut über den Rücken zuckte, “doch das Schreckliche was wir alle mit unseren Augen erblicken konnten, was wir mit Händen greifen und verstehen konnten - war nicht alles, was wirklich da war”, sagte er mit so einer Kraft, das Yongguk spürte, dass sie ihm durch Mark und Bein gingen.

“Liebe kann man nicht greifen, nicht sehen oder verstehen. Obwohl sie da ist, genau vor unseren Augen”, Himchan blickte sie an, Daehyun hatte längst den Blick von ihm losgerissen, ihn auf Yongguk gelegt. Er versuchte zu vergessen, dass sein Herz viel zu nervös pochte, wollte daran glauben, dass sie die einzigen Beiden hier waren.

Yongguks schwarze Augen legten sich auf ihn und plötzlich schien Himchans Stimme zu verschwimmen, die Welt um sie herum existierte mal wieder nicht.

Yongguks Hand drückte seine so fest, das er das Gefühl von Haltlosigkeit verlor. Es war zu viel Glück auf einmal, zu viel hiervon, war viel zu perfekt, als das Daehyun es verarbeiten konnte.

Seine Großmutter war hier, ihr sanftes Lächeln erfüllte den Raum.

Yongguks Mutter war wieder gekehrt, das Glück in seinen schwarzen Augen, würde Daehyun nie wieder vergessen.

Es war alles wovon er immer geträumt hatte, was ihn daran erinnerte, dass er alles war, was er brauchte.

Himchan sprach bereits die Worte, die wichtig waren, er stellte die Frage, die einzig und alleine beantwortet werden sollte, verlor keine Zeit für Worte, die längst tausend Mal in Daehyun und Yongguks Kopf gesprochen worden. Doch selbst das, konnte Daehyun nur durch einen schweren Schleier seiner Gefühl wahrnehmen.

“So wollen wir die Frage stellen, auf die die Beiden seit diesem Tage gewartet haben”, sagte Himchan. Daehyun wollte sich ihm zuwendet, seine Hände zitterten unerbittlich, vor der Erwartung, dass er die drei Worte endlich sagen konnte.

Doch plötzlich spürte er etwas in seinen Gliedern, ein kleines, warmes Gefühl um seine Knöchel. Erschrocken riss er den Blick los und starrte auf den gerade noch hellen, kahlen Boden.

Gras wuchs aus dem Boden, wo gar keine Erde war, vor ihnen verschwand die Bühne, auf der Himchan gestanden hatte. Ein kleiner Tisch baute sich vor ihnen auf, aus einem sanften, grünen Nebel, sodass Daehyun endlich verstand, was passierte, als er sich umdrehte. Die Bänke waren verschwunden, vor ihnen eine ewig wirkende Wiese aus dem hellsten Gras, weiße Blumen wehten im Wind, wo gar kein Wind sein sollte.

Das Dach über ihren Köpfen hatte sich durch den blauen, strahlenden Himmel ersetzt. Blütenstaub tänzelte durch die Luft und überwältigt grinsend, schaute Daehyun den kleinen Tisch an, neben dem Himchan stand, genauso wenig verstand, was passiert war. Es lagen Bücher daneben, Titel die Daehyun wiedererkannte. Es war der Tisch aus der Bibliothek, die Bücher die Daehyun und Yongguk gelesen hatten.

“Was ist das?”, flüsterte Yongguk überwältigt.

“Yoongis Geschenk”, sagte Daehyun genauso überwältigt und glücklich zur selben Zeit. Doch er wusste, das war ein Werk von Min Yoongis Magie, dieser grünen, ruhigen Aura von heute morgen.

“Es ist perfekt”, flüsterte er dann, es war, wie er es sich vorgestellt hatte, nur er und Yongguk, er konnte sich nicht mal eine Sekunde schlecht fühlen, das die Gesichter hinter ihnen verschwunden waren.

“Jetzt frag schon”, lachte er glücklich, schenkte Himchan einen aufgeregten Blick. Yongguk konnte nicht anders, als zu grinsen, Daehyuns Lachen war wie die Sonne.

“Warte”, sagte er dann hektisch, als Himchan ansetzen wollte, fortzufahren. Yongguk ließ Daehyun nicht los, zog ihn mit sich zu dem kleinen, braunen Tisch, wie er Inmitten dieser riesigen Wiese stand und griff nach der kleinen schwarzen Box.

“Ich möchte dich selbst fragen…”, flüsterte er sanft, Daehyun hatte nicht gewusst, was er vorhatte, doch jetzt überschwemmte es seine Brust mit so viel Freude und Aufregung, dass er nicht aufhören konnte zu grinsen.

Er holte den kleinen Ring heraus, auch wenn er so stark und gelassen wirkte, zitterten seine Finger. Seine schwarzen Augen legten sich auf Daehyun, der noch immer nicht aufhören konnte, überwältigt von seinen Gefühlen zu grinsen, wie ein kleines Kind.

“Willst du das wirklich tun? Willst du den Rest deines Lebens mit mir verbringen?”, flüsterte er brüchig, nicht nur seine Finger, sondern auch seine dunkle Stimme zitterte.

“Natürlich”, sagte Daehyun sofort, heiße Tränen stiegen ihm in die Augen, als Yongguk seine Hand anhob, der goldene, kalte Ring auf seine erhitzte Haut traf.

Daehyun versuchte den zweiten zu greifen, auch seine Finger zitterten.

“Und willst du-?”, fing er an, nicht mal in der Lage, seine Frage auszuformulieren.

“Für immer und ewig”, sagte Yongguk fest, leise schluchzte und lachte Daehyun gleichzeitig, als er den goldenen Ring auf seinen schlanken Finger schob und Yongguk sofort sein erhitztes Gesicht zwischen seine Hände nahm. Er spürte den kalten Ring auf der Haut, wie ein Versprechen, das er jetzt wirklich sein Mann war.

“Ich liebe dich”, flüsterte er brüchig, doch es war keine Zeit mehr für Worte. Yongguk legte seine Lippen auf seine, der Kuss war inniger, heißer und liebevoller, als jeder davor. Es war wie ein Versprechen, ein Band, eines das für immer bestehen würde.

Daehyun konnte das Klatschen nicht einmal richtig wahrnehmen, auch wenn es den Raum so laut erfüllte, das es von den hohen Wänden hallte.
 

Es war alles egal, alles nicht mehr wichtig.

Es zählte nur, das Bang Yongguk sein Leben war, sein Alles.

Und nun war er sein Mann.

Für immer.



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  PrincessAngelHeart
2017-10-19T19:22:38+00:00 19.10.2017 21:22
Ich liebe diese FF *^* Normalerweise lese ich kaum Deutsche, weil ich die meistens nicht so prickelnd finde, aber die hat mich echt überzeugt. Meine Bangdae Feels sind einfach zu viel geworden und aaaaaah. Ich bin gerade viel zu aufgedreht, haha. Dein Schreibstil ist supii und ich brauche unbedingt meehr, meeeeehr *Zombiegeräusche* Ich freue mich auf jeden Fall schon auf das nächste Kapitel ^o^ Aber lass dich nicht zu sehr drängen, wenn du gerade ziemlich gestresst oder so bist :3

LG
PrincessAngelHeart <3
Antwort von:  jasminjewellery
21.11.2017 16:12
Ich hab dein Kommentar gerade gelesen und hab mich sofort schlecht und glücklich zur selben Zeit gefühlt :O Glücklich weil dir meine FF gefällt und mir so ein süßes Kommentar dagelassen hast und schlecht fühle ich mich weil ich über zwei Monate nicht in meinem Account gekommen und meine FF aktualisieren konnte :( Ich hoffe du hast nicht das Interesse über diese lange Zeit verloren - denn dafür hab ich heute meine gesamte FF hochgeladen, womit sie damit abgeschlossen ist <3

Danke danke nochmal für dein Kommentar und ganz liebe Grüße von mir :D


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