After the storm von MayAngel (the sun will always shine) ================================================================================ Kapitel 1: A nightmare and no awakening --------------------------------------- Obwohl sie tagelang unterwegs waren, hatten sie nur spärlich ein Wort gewechselt. Die anwesenden Personen wagten nicht, sich zu äußern. Nicht über das Verhalten aller, noch über das Geschehene. Es wurde totgeschwiegen, als wäre es nie passiert.  Einzig und allein ein kleiner Schwächeanfall hatte dafür gesorgt, dass sie doch ein paar Worte wechselten. Nach den Strapazen des Kampfes, indem keiner jemandem etwas geschenkt hatte, war es dem maskierten Mann kein Leichtes, sich weiterhin aufrecht zu erhalten. Nicht umsonst hatte ihm Don Luis schwere Verletzungen zugefügt, die auch nach drei Tagen nicht abgeklungen waren. Es war viel schlimmer, er hatte das Gefühl, dass das, was schon verheilt war, wieder aufgerissen worden war. Trotzdem fiel dem jungen Mann nicht ein, auch nur den geringsten Schmerzenslaut von sich zu geben, seit er die junge Dame gesichtet hatte, wollte er sich sein eigenes Leid nicht anmerken lassen.  Allerdings war auch sie nicht besser. Jeder in der Kutsche wusste, was mit ihr passiert war, keiner hätte es jedoch auch nur in Ansätzen erwähnt oder sie darauf angesprochen.  Weder der ehemalige Captain, weil er ihr nicht das letzte Stück Stolz nehmen wollte, was sie jetzt noch besaß. Noch Zorro, der sich an allem ohnehin die Schuld gab, was natürlich totaler Unfug war. Auch Don Juan nicht, der bis zuletzt versucht hatte, das Richtige zu tun. Nicht zu leugnen war hierbei, dass Menschen dem Unmöglichen zuneigten. Was war denn das Richtige? Sie alle waren sich unschlüssig, was nun wirklich das absolut Richtige sei.  Es gab jedoch Dinge, die auch er nicht einfach stillschweigend ertragen konnte – am allerwenigsten Taten seines grausamen Vaters. Doch er würde nie wieder jemandem quälen, dafür hatte man gesorgt. Die richtigen Personen hatten sich des Problems angenommen. Er wollte keinen Mann von seinem Rachefeldzug abhalten, der festentschlossen war, die Frau, die er liebte, zu verteidigen. Also hatte er DIE MÄNNER ganz alleine Zorro überlassen. Noch immer war der Schock riesig, um wen es sich bei dem Mann handelte. Vor knapp sechs Monaten hatten sie sich in einem Duell gegenüber gestanden. Ein Bandit und der treue Sohn eines Vaters.  Was war nun noch übrig von dem treuen Sohn? Verraten hatte er den alten Mann. Aber es war das einzig Richtige gewesen. Nachdem er das grausame Schauspiel mit angesehen hatte. Und der Moment, in dem Zorro offenbarte Don Diego Vega zu sein ... der saß einfach viel zu tief, um ignoriert zu werden. Das animalische Lachen von Juans eigenen Vater, der voller Vorfreude gewesen war, Diego nun offiziell einfach töten zu dürfen, um dessen Vater den Sohn für immer wegzunehmen.  Dieses Scheusal, was so wenig auf familiäre Verbindungen gab, war selbst schuld ... Don Juan wollte es einfach von der praktischen Seite sehen und keinem Schuldgefühl gegenüber einem Menschen verfallen, der ihn sein Lebtag nur gequält und benutzt hatte.  Es war ja schlimm genug, dass all das, was sein Vater angerichtet hatte, nicht verhindert werden konnte. Tief verankert war die Gewissheit, dass sein Handeln ein wenig zu spät gekommen war. Wohl auch deswegen würde er der Justiz keine Steine in den Weg legen ... Der Captain – er schwieg ebenfalls. Keine Anschuldigungen gegenüber einem Mann, den sie Jahre lang gejagt und ihm Strafe geschworen hatten. Nie zuvor hätte er geglaubt, so wenig zu toben. Um genau zu sein, gar nicht. Jekyll hatte sich geschworen, Zorro ordentlich anzuschreien und ihn sogar körperlich zu züchtigen. Davon würde er heute großen Abstand nehmen. Er hatte dabei zugesehen, wie man den wehrlosen Diego in der Garrison mehr körperlich gezüchtigt hatte, als er es wirklich verdient gehabt hätte.  Juan saß mit ihm zusammen dicht an dicht an der Front der Kutsche. Dieser hielt die Zügel und sie sahen wenig glücklich aus. Die Tatsache, dass die Insassen der Kutsche sie hören könnten, ließen sie schweigen.  Bis Juan schließlich das Schweigen brach, nachdem er den Captain mit der Schulter angestoßen hatte, um dessen Aufmerksamkeit zu erregen. Denn er wollte lediglich flüstern.  „Was wird nun? Ich meine, mein Vater ist tot und wir haben keinen Ersatz-Mann, der rechtens genug wäre, um sich der Aufgabe des Gouverneurs anzunehmen. Man wird uns irgendeinen vorsetzen. Was wenn er noch viel schlimmer ist?“ „Dennoch, wir sind nicht diejenigen, die das entscheiden.“ Es war eine kühle Stimmlage, mit der Captain Jekyll sprach. Im Grunde genommen, war er ja gerade gar kein Captain. Was war er schon noch? Ein Mitwisser. Der Komplize eines Verbrechers. Aber auch das war lächerlich. Lieber half er einem landesweit gesuchten Banditen, als dem korrupten Don Luis, der nicht zuletzt einen Unschuldigen in der Garrison schänden ließ. Denn in diesem Moment war Diego nichts anders als das gewesen. Niemand wusste, dass er Zorro war, daher war diese Art von Strafe gänzlich ungerechtfertigt gewesen. „Jedenfalls wird uns Don Alejandro fürstlich belohnen, wenn wir seinen Sohn mehr oder weniger heil zurückbringen. Sagen wir doch, er ist noch am Leben. Das trifft es. Auf ihn kommen harte Zeiten zu.“  Damit meinte der Ältere ganz gewiss nicht, dass er ihn ans Messer liefern und dieser für seine Taten zur Rechenschaft gezogen werden würde.  „Das kann jetzt leider niemand ändern“, erwiderte Juan traurig. „Ich will nicht in seiner Haut stecken.“ „Wer will das schon?“ In der Karosse saßen sie und ließen sich kutschieren, wie es Adelige nun einmal pflegten. Nicht, dass der Blonde sich in dieser Rolle gerade wohlfühlte, ihm blieb kaum eine Wahl. Seit er sich vor Schmerz kaum noch auf den Beinen hatte halten können, war er froh, dass sein Platz nicht der Kutscherposten war. Recht war es ihm dennoch nicht. Immerhin war es ihm lieber, an der Seite des Mädchens zu sein, was er in einem Zustand vorgefunden hatte, der ihm das Herz gebrochen hatte. Davon ließ er sich so wenig anmerken, wie er konnte, aber sie alle wussten, Emotionen von solch starker Natur spiegelten sich meistens zumindest in den Augen wider. Obwohl sie mit einem gehörigen Abstand zu ihm saß, hatte ihre Hand sich ganz zaghaft an sein Hemd gelegt und er hatte schließlich gewagt, sie in seine Hand zu nehmen, um ihr wenigstens auf diese Art und Weise hilfreich zu sein. Doch war er das wirklich? Lolita wusste nicht, inwiefern sie die Sache beschwichtigen konnte, denn »mir geht es gut« oder sogar »alles ist gut« hätte ihr sowieso niemand geglaubt, da war Schweigen um Meilen besser. Sie wusste, dass auch ihm nichts einfiel, um die Qual in irgendeiner Weise gut zureden. Seit sie seine Stimme in ihrem Verlies vernommen hatte und er den ersten Blick auf sie geworfen hatte, wusste sie, dass sie ihn nicht anlügen könnte. So wütend, dermaßen außer sich wie er gewesen war, hatte sie Diego noch nie gesehen. Obwohl die junge Frau wusste, wie gerechtigkeitsliebend ihr Freund war, hätte sie nie für möglich gehalten, dass er jemals sich selbst so vergessen könnte. Seine Prinzipien, Moralen. Die ersten Worte, die er den Männern zugeworfen hatte, waren nicht, dass er sie ihrer gerechten Strafe zuführen würde, nein, es war »ich werde gnadenlos mit jedem von euch abrechnen«. Was das wirklich bedeutete, musste sie leider mit eigenen Augen miterleben. An diesem Tag hatte er so manche selbst ernannte Regel gebrochen. Vor allem die Regeln der Kirche, die er seit seiner Kindheit pflegte. So hatte er nicht nur die Männer selbst gerichtet, er hatte sie sogar achtlos im Gefängnisverlies liegen lassen. Bislang hätte er noch für jeden Toten ein Begräbnis erfordert. Aber das war nicht seine Aufgabe, denn jemand würde sie wohl bald finden. Der Kommandant der Teufelsfestung zum Beispiel oder einer seiner Leute, die nicht an dieser SCHANDE beteiligt gewesen waren. Sie hatten sich geweigert, zuzugeben, wer von ihnen es gewagt hatte, eine Frau derartig anzurühren, dass sie sich in der hintersten Ecke ihres Gefängnisses verkrochen hatte. Er wollte denjenigen bestrafen, natürlich, da hatten diese Hunde es mit der Angst zu tun bekommen. Am Ende hatte er keinen von ihnen verschont. Obwohl sie keinen von ihnen beschuldigt hatte, denn es war eine Schande und würde immer eine bleiben, die sie stets leugnen wollte. Ihr gehauchtes »mir geht es gut. Du musst dich nicht so aufregen« hatte nichts dagegen ausrichten können, dass er wie ein Berserker auf sie losgegangen war. Sofort war ihr aufgefallen, dass irgendetwas mit ZORRO nicht stimmte. Er hatte seine Bewegungen anders ausgeführt und hatte bei dem kleinsten Patzer gestrauchelt. Bis jetzt wusste sie nicht, was los mit ihm war, aber es besorgte sie. Einen Mann wie ihn sollte man nicht nach seinen Schwächen fragen, obwohl das natürlich eine dämliche Ausrede war, immerhin war er ja der berüchtigte Feigling und Schwächling ihrer Stadt. Nach all dem wollte sie ihn aber nicht mit ihren Fragen quälen, immerhin fragte er sie ja auch nicht nach ihren Qualen. Obwohl er es wusste, da war sie sich sicher, so vorsichtig wie seine Hand ihre ergriffen hatte, in weiser Voraussicht, dass sie es unangenehm hätte finden können.  Aber das Schweigen von ihm war trotzdem unangenehm und sie hatten eine solch lange Fahrt vor sich.  Sein Kopf lehnte an der Fensterlehne der Carozza und seine Augen blickten seitwärts aus dem Fenster, um ihren nicht zu begegnen. Sie wusste, dass das von ihm beabsichtigt war.  „Ich habe dir gar nicht gedankt, dass du gekommen bist. Obwohl das natürlich wieder einmal nicht sehr klug von dir war“, sagte sie jetzt mit einer weniger anklagenden Stimme, als ihre Worte vielleicht vermuten ließen. „Ich hatte mir gewünscht, du wärst vernünftig und überlässt mich meinem Schicksal. Aber ich wusste, dass du trotzdem kommst.“  Die meisten Frauen, die Diego kannte, hätten das kaum gesagt, sondern nach ihm geschrien in ihrer Verzweiflung.  „Torheit von heillos verliebten Männern kennt keine Grenzen“, sagte Diego, dabei klang er aber nicht so, als würde er sich über diese Bürde so sehr echauffieren – er war nun einmal nicht so, dass er unbedingt den Starken spielen musste, um sich als Mann zu empfinden. Die meisten anderen würden sich vor sich selbst ekeln, wären sie einer Frau hörig, so wie er. „Sie wissen ganz genau, was ihnen blüht und rennen doch immer zu der Frau, die ihr Herz entflammt hat. Du müsstest mir egal sein, dass ich vernünftig und klug handeln könnte.“ Es war ein Geständnis, das kaum ausgesprochen werden musste, aber trotzdem verließen die Worte seinen Mund, dabei war aber wenig Zärtlichkeit in seiner Stimme, so wie es gewesen wäre, vor dieser Sache. Wäre er kein Mann, der doch eine gewisse Grenze hatte, sein Gesicht wahren zu müssen, wäre er auf der Stelle heulend zusammen gebrochen. Schließlich war er ja kein Kind mehr, was das so ohne weiteres konnte, oder gar wollte. So viel Würde bewahrte er sich dann doch immerwährend noch.  „Zum Glück ist dir bei deiner Rettungsaktion nichts weiter zugestoßen. Ich werde mich angemessen bei Don Juan bedanken müssen. Dafür, dass er im entscheidenden Moment bereit war, sich gegen seinen Vater zu wenden. Ihm geht es bestimmt nicht sonderlich gut. Wir sollten ihm also den Gefallen tun, nicht allzu betrübt drein zu schauen, wenn wir in Los Angelés ankommen...“  In ihr war immer noch der Horror von diesem Verlies, sie wollte sich aber weder eine Schwäche zugestehen, noch irgendwen mit ihrem Kummer belasten.  Der trübsinnige Ausdruck in seinem Gesicht musste verheerend sein, wenn sie ihn schon darauf ansprach. Das war der Grund, weswegen sich augenblicklich ein seichtes Lächeln auf seine Lippen legte, dieses wirkte zwar sehr aufgesetzt, aber zumindest war es eines.  Leider hatte er all diese Dinge in seinem Kopf und wahnsinnig wie er war, konnte er sich zu viel ausmalen, was man ihr angetan hatte. In Spanien hatte er so viel Schlimmes gehört und sogar gesehen, dass er nicht gänzlich unwissend war, wie Männer sich verhielten, wenn es in ihnen kochte. Schon damals hatte er Ekel empfunden gegenüber dem starken Geschlecht, was sich gnadenlos über das schwache Geschlecht hermachte und dabei keinerlei Ehrgefühl besaß. Für jemanden wie ihn war es ein Ding der Unmöglichkeit eine Frau zu irgendetwas zu zwingen oder ihr Gewalt anzutun. Nicht umsonst hatte Zorro sich gerne geweigert, gegen Frauen zu kämpfen. Ein guter Mann tat so etwas nicht. Das war, was man ihm beigebracht hatte. Leider missachtete anscheinend die halbe Welt so etwas, denn er hatte kaum Menschen getroffen, die es genauso sahen wie er und beispielsweise sein Vater. Sogar viele Frauen ergaben sich dem Schicksal, dass Männer nun einmal das alleinige Bestimmrecht hatten, in jeder Hinsicht. Ob nun Väter oder Ehemänner spielte keine Rolle. Die Frau hatte stets zu folgen und zu tun, was man von ihr verlangte. Diego wollte ja am liebsten Freiheit für jeden einfordern, aber es war ein nahezu auswegloser Kampf, den er nie als Sieger verlassen könnte – oder? Die Hoffnung aufgegeben hatte er trotzdem nicht, dass es ihnen irgendwann in ihrem späteren Leben vielleicht doch einmal besser ergehen würde und man am Ende wirklich von einer Welt sprechen konnte, in der Gerechtigkeit herrschte. Die meisten Menschen waren nur leider Egoisten und schufen Gesetze, wie sie ihnen am besten gefielen. Je höher man war in der Hierarchie, umso größenwahnsinniger wurde man. Dann erschuf man sich eine Traumwelt. Menschen spielten Gott, dabei sollten sie dies nicht.  Da hatte er schon das Glück, reich zu sein und einen guten Namen zu besitzen und war trotzdem immer noch machtlos.  „Du magst Recht haben. Mit Geld kann man ihn nicht für den Verlust entschädigen. Ich weiß mir auch keinen Rat. Aber es soll nicht sinnlos gewesen sein.“ „Ich denke nicht einmal, dass er etwas haben will. Juan scheint dich sehr zu mögen. Du warst ihm wichtiger als sein Vater.“ „Wundert dich das? Er hat keinerlei Respekt vor dem Gesetz oder irgendeiner göttlichen Moral. Man könnte meinen, er sei vom Teufel besessen. Oder er ist selbst der Teufel gewesen. Wer weiß das schon? Sogar Juan hat ihn aufgegeben...  Ich hoffe nur, dass er diese Sache gut verarbeiten kann und nicht selbst Opfer der Hölle wird.“ „Darum musst du dir nun wirklich nicht so viel Gedanken machen“, sagte sie ruhig und einfühlsam, dabei strich Lolitas Hand seinen Arm hinauf, wo sie ihre Hand wirklich nur ganz vorsichtig hingelegt hatte. Er zuckte und rückte mit dem Arm weg.  Die Verletzungen, die Don Luis ihm beigebracht hatte, schmerzten nicht nur sein Rückrat entlang, sondern zogen ihren Schmerz bis tief in den Ellenbogen.  „Willst du mir nicht endlich sagen, was du hast?“  „Nichts habe ich.“ Ihr Gesicht wirkte leicht gekränkt, als er sie so anlog. „Das soll ich glauben?“  In ihrem Kopf waren die schlimmsten Horrorszenarien, immerhin hatte Don Luis ihr sein grausames Gesicht beizeiten gezeigt. Sein belustigtes Lachen, diese grausamen, kalten Augen, die sie die ganze Zeit über emotionslos angesehen hatten, während er ihr Gewalt androhte. Nicht nur androhte, auch antun ließ. Er hatte alles sehr genau beobachtet ... Sie fragte sich, ob er irgendetwas mit ihm gemacht hatte, von den Versuchen mit dem Schwert abgesehen. Don Luis war niemand, der Menschen einfach so tötete, schon gar nicht schnell ... „Du bezichtigst mich als Lügner?“ „Phe~!“ Tönte es von der Blonden, die jetzt den Kopf zur linken Seite drehte, weg von dem schwarz gekleideten Mann. „Entschuldige vielmals mein weibisches um dich sorgen. Ich werde dieses Verhalten ab sofort einstellen, wie es dir beliebt.“  Es gab etwas, was ihre Stimme eindeutig verkündete, Sarkasmus.  Jeder, der sie kannte, wusste, dass dieses Versprechen ganz bestimmt reine Ironie war. Wenn sie in etwas nicht gut war, dann darin ihre Eigenarten zu ändern.  „So etwas aus deinem Mund. Ich fasse es nicht.“ „Du hast es ja nicht anders gewollt.“  Es war bestimmt nicht in seinem Sinne, ihr Sorgen zu bereiten. Trotzdem machte er ihr welche, das gefiel ihm nicht.  Die nächste Zeit verfielen sie erneut ins Schweigen, denn allzu sehr wollte die junge Frau ihn nicht mit ihren Fragen belästigen.  Es war dunkel, als sie die Landstraße entlang fuhren. Das eintönige Kläppern der Pferdehufe konnte einen schnell ermüden. Nach einer Weile des Schweigens, fielen ihr fast die Augen zu und ihr Kopf fiel ein wenig zu ihm hinüber, bis er an seiner Schulter lag. „Ich bin furchtbar müde. Ich wünschte, ich könnte schlafen.“ Ganz bestimmt würde sie trotz allem keine Ruhe finden. In ihren Gedanken waren immer noch die letzten Stunden ganz tief verankert, obwohl sie versuchte sie zu verdrängen, machte sie sich so viele Sorgen. Nicht nur um sich selbst, sondern auch um ihn. Wie hätte sie da schlafen können?   Trotz allem waren beide eingenickt. Als dann die Kutsche mit einem leichten Ruck hielt, fiel sein Kopf nach vorne und er kam wieder zur Besinnung. Lolita riss die Augen auf und schaute sich nach links und rechts um, als hätte sie sich zu Tode erschreckt.  Als sie links von sich Don Juan ausmachte, der sie traurig anlächelte und dann Diego zu ihrer Rechten, war sie beruhigt. Niemand würde ihr jetzt noch etwas antun, sie musste sich beruhigen.  Es war bereits am dämmern, als der junge Mann verkündete „wir sind in Los Angelés.“ Es schnürte Lolita die Kehle zu, denn ihr Blick aus dem Fenster sagte ihr noch etwas ganz anderes. Es war ihr Zuhause und sie würde gleich ihrer Mutter gegenüber stehen.  Ihre Hand griff verunsichert nach Diego und sie schien sich zu sträuben auszusteigen.  „Bringst du mich hinein?“  Das Hilfsbedürftige in ihrer Stimme war mehr als ungewohnt. Aber es war ja seine Pflicht, die Tochter des Hauses jetzt auch zurückzubringen.  „Na gut.“ So begeistert klang die Stimme des Mannes nicht. Denn nicht nur, dass Lolitas Kleidung in Fetzen lag, Zorros Umhang lag um ihre Schultern, seine Maske lag noch in der Garrison. Dieser Augenblick war etwas, den er bisher immer gefürchtet hatte. Lieber wollte er sich beide Beine und Arme ausreißen, als ihnen zu offenbaren, dass er es gewesen war ...  „Du glaubst kaum, wie sehr ich es herbei gesehnt habe, dass all diese Lügen endlich aufhören. Egal, was sie sagen wird, ich werde ihr schon klarmachen, dass sie dir zu verzeihen hat. Wenn es da etwas zu verzeihen gibt! Immerhin bringst du ihr die Tochter wieder. Sie soll ja nichts falsches sagen, dann kann sie etwas erleben. Sie wird sich schon benehmen. Komm!“  Mit einem Mal wurde er von ihr am Arm mitgezogen, auch wenn das ein kleines Keuchen zurfolge hatte. Sie war wirklich ungnädig.  Bis zur Eingangspforte kamen sie nicht, denn eine aufgelöste Doña Pulido stürmte gleich auf sie zu, während ein mit Emotionen übermannter Don Alejandro ebenfalls in der Tür stand.  Obwohl er nicht gleich auf sie zugestürmt kam, so wie die emotionsgeladene Frau, die sich in Lolitas Arme stürzte und dabei Diego ihre Hand entriss, sah der junge Mann, dass die Tränen in den Augen des alten Mannes standen.  Der Versuch aufrecht zu gehen, um sich nichts anmerken zu lassen, glückte ihm, ebenso wie das Lächeln, was er sich aufgezwungen hatte. „Vater, du bist hier?“ „Wir haben uns große Sorgen um euch gemacht, Kinder!“ Diego lief ungeachtet an Doña Pulido vorbei zu seinem Vater, der seine Hände auf die Schultern seines Kindes legte und dann erleichtert feststellte, dass er okay zu sein schien. „Was um alles in der Welt ist passiert? Wo bist du gewesen? Die ganze Stadt suchte nach dir.“ Diegos Blick richtete sich gen Boden.  „Extrem lange Geschichte. Jedenfalls haben wir eine lange Fahrt hinter uns und ich bin ein wenig ermüdet.“ Am liebsten wollte er die ganze Sache begraben, nie wieder darüber sprechen.  Es war einfach ein Frevel, wie ihre Mutter auf sie zu stürzte, sie fest in die Arme schloss und bitterliche Tränen weinte, während sie Diego total ignorierte. Ebenso, dass er ganz offensichtlich Zorros Kleidung trug. Ob sie ihm überhaupt ins Gesicht gesehen hatte?  „Kind, bist du wohl auf?! Ich habe mir solche Sorgen gemacht!“  Erst einmal drückte sie ihr Kind, dann erst besah sie ihre Tochter genauer. „Wie siehst du nur aus, Kind? Du brauchst dringend ein Bad und frische Kleidung.“  Den Augen der Mutter entging kaum etwas, das hatte Lolita befürchtet. Wenn sogar Männer sofort erkannten, was ihr widerfahren war. Was für ein Jammer... Catarina zog Lolita mit sich, während Diego und sein Vater sich noch gegenüber standen. Ihr Blick huschte zu ebendiesem und sie sträubte sich einen Moment, sich hineinziehen zu lassen.  „Verzeih der besorgten Mutter ihr Verhalten... Wir haben kein Auge zugemacht. Sie meint es nicht so, wie es wirkt.“ „Als wenn mich das jetzt so großartig interessieren würde, ob ich ignoriert werde? Das bin ich gewohnt.“  „Du bist noch sehr aufgewühlt. Du musst mir erzählen, was euch widerfahren ist.“ „Nichts war. Was soll schon gewesen sein? Ich bin ins Gefängnis eingebrochen, habe meine Braut befreit und bin wieder verschwunden.“  „Dass du immer noch glaubst, mich anlügen zu können.“ Don Alejandros Blick ging geradewegs zu Don Juan, der seinem Blick versuchte auszuweichen, dann zu Captain Jekyll.   Er ließ Diego zurück und ging zu ihnen.  „Ich danke Ihnen, dass Sie meinen Sohn zurück gebracht haben. Kommen Sie doch.“ „Ich glaube nicht, dass wir hier etwas verloren haben. Das ist eine Familien-Sache“, erwiderte Captain Jekyll, während Juans Blick pikiert zu Boden ging.  „Warum guckst du so niedergeschlagen drein, Junge? Was ist denn vorgefallen?“ „Zuviel... Aber eines kann ich dir garantieren, Onkel. Mein werter Vater wird dich nie mehr auf irgendeine Weise heimsuchen. Er schmort in der Hölle, da wo er hingehört.“ „So etwas dachte ich mir, auch wenn Diego natürlich wieder einmal perfekt darin ist, zu verheimlichen, was passiert ist. Vielleicht bist du ja williger es mir zu erzählen?“  Juan hob den Kopf und kämpfte ziemlich mit den Tränen. „Was, so etwas dachtest du dir? Ich hätte niemals geglaubt, dass ich dazu fähig wäre...“ Nun übermannten ihn die Tränen und er fiel vor Don Alejandro auf die Knie.  „Was redest du da, Junge?“ Alejandro, der geglaubt hatte, Diego würde es nicht dabei belassen, Lolita zu erretten, sondern sie auch gleich von Don Luis zu befreien, war nun ernsthaft verwirrt.  „Euer Neffe, Don Alejandro konnte es nicht vermeiden, seinen Vater im Kampf zu töten.“ Jekyll zögerte nicht, die Ahnung in Wissen umzuwandeln und dabei die Augen niederzuschlagen. „Ich hoffe, dass Sie sich ein wenig um ihn kümmern. Es ist schrecklich sich dazu gezwungen zu fühlen, den eigenen Vater zu töten.“ „Du warst das? Warum hast du das getan?“  Juan war unfähig, auch nur ein Wort zu sagen, denn seine Hände krallten sich in den sandigen Boden, dabei quollen bittere Tränen aus seinen Augen.  „Weil er Zorro ... sonst getötet... hätte. das hätte er... mit Freuden, nachdem er ... herausgefunden hat, wer das ist.“ Nur beschwerlich konnte Juan diese Worte krächzend hervorbringen, wonach er anschließend noch bitterlicher weinte. „Und ich bereus nicht einmal.“ Alejandro kniete sich zu dem jungen Mann nieder. „Wenn ich irgendwie für dich da sein kann, musst du es nur sagen. Ich möchte, dass du hier bleibst. Wir sind jetzt deine Familie.“  Als er die sanfte Stimme hörte, blickte er mit großen Augen auf, in denen immer noch Tränen standen, aber es keimte auch ein Lächeln in seinem Gesicht auf.  „Ich danke dir.“ Die Hände des alten Mannes legten sich auf Juans Schultern und versuchten familäre Gefühle zu spenden. „Alles wird wieder gut, das verspreche ich. Gute Taten wird Gott immer belohnen.“  In Juans Familie hatte man wenig von Gott gesprochen. Es war für diesen also äußerst ungewohnt.  „Wird er mir vergeben? Man soll doch seinen Vater ehren.“ „Nur wenn er es verdient hat. Mach dir keine Sorgen.“ Es war tröstend gemeint und dennoch... Juan konnte sich nicht beherrschen und es flossen weitere Tränen, die er die ganzen drei Tage in seinem Inneren eingesperrt hatte. Jetzt jedoch weinte er wie ein kleines Kind. Wohl auch nur deshalb schloss Alejandro ihn in seine Arme. Er musste gar schreckliches mit seinem Vater erlebt haben, anders konnte er sich diesen Tränenschleier nicht erklären.  Diego hatte es sich einen Moment angesehen, ehe er den Blick abwenden musste, weil er sich an Juans Leid die Schuld gab. Immerhin hatte er ihn gerettet, weil er dumm und unfähig gewesen war, in diesem einen Moment. Nicht einmal einen alten Mann bezwingen zu können, war wirklich bitter. Aber er hatte nun einmal den Vorteil, dass er bereits vorgesorgt hatte und genau wusste, wo sein Opfer sein Handicap hatte. Da war es ihm ein Leichtes, ihn zum Fall zu bringen. Die Verletzungen hatte er ja immerhin ihm zu verdanken. Seine Hand griff an die eigene Schulter und er kniff die Augen zu. Das schönste, was er sich nun vorstellen konnte, war ein Bett und schlafen. Einfach nur ausruhen. Trotzdem musste er eine ungnädige Doña jetzt noch ertragen, die gewiss nicht nur DANKE sagen würde, dass er ihre Tochter zurückgebracht hatte.  Aber wahrscheinlich war es männliche Ehrfurcht vor dem weiblichen Geschlecht, weshalb er so etwas von der Frau dachte. Sie hielt ihn für harmlos und zurückhaltend. Wie sollte er das nur erklären? Sie würde bestimmt weniger gnädig mit ihm verfahren als Lolita. Die liebte ihn und sah gerne über seine Untaten hinweg.  Gerade hatte Doña Catarina aber Besseres zu tun, als Diego zu rügen. „Kind, du bist so still. Kann ich etwas für dich tun?“  „Ich will nur ein Bad nehmen und meine Kleider ablegen. Sonst nichts. Wirklich. Ich fühle mich so schäbig.“ Ihre Mutter ließ einen Bediensteten rufen, der ihrer Tochter ein Bad richten sollte. In der Zeit suchten sie beide frische Kleidung aus Lolitas Schrank. Obwohl ihre Tochter sehr angeschlagen und müde wirkte, wollte sie ihr nicht gleich das Bett gönnen, immerhin war Diego ja auch noch da draußen – und Alejandro. Es mussten noch einige Dinge geklärt werden. So einfach kam er ihr nicht davon...  Erst als sich ihre Tochter in der Wanne befand, begab sich die Dunkelblonde nach draußen.  Diego wirkte ziemlich verloren, weil sich sein Vater immer noch um Juan kümmerte.  „Um Gottes Namen, Diego. Was ist denn los mit diesem Jungen?“ „Er ist kein Junge, sondern schon ein Mann. Und ein Freund, dem wir alle viel verdanken.“ Obwohl es nicht anklagend klang, fand Doña Catarina, dass Diego sie ganz schön anging.  „In deiner Position wäre ich weniger frech. Mit dir habe ich noch ein Hühnchen zu rupfen. Glaube mir ja nicht, dass du einfach so nach Hause gehen kannst, ohne dass wir beide uns unterhalten.“ Das klang nun wirklich nicht sonderlich nett, aber er folgte ihr dann doch anstandslos, auch wenn es ihm lieber gewesen wäre, sein Vater sei bei ihm.  Zumindest besaß der junge Mann noch genügend Anstand, seinen Hut abzunehmen.  „Du glaubst nicht, wie wütend ich bin!“ sagte sie, während sie sich zu ihm herumdrehte, da sie beide im Salon standen. Im nächsten Moment quollen aber die Emotionen in der Frau hervor und sie ging auf Diego zu. Er wusste gar nicht, wie ihm geschah. „Ich bin so froh, dass du sie wieder zurückgebracht hast. Ich wusste immer, dass du gut auf sie aufpassen würdest!“ Sie hatte den jungen Mann umschlungen und zwang sich ihm förmlich auf. Er fühlte sich unbehaglich, denn bis heute hatte er Lolitas Mutter nie einzuschätzen vermocht. „Du glaubst nicht, wie glücklich ich bin. Ich sah sie schon tot im Grabe liegen... Mein armes Kind...“  Es klang wie ein lautes Schlucken, was sie wenig später von Diego bekam, dessen Gesicht sich zur Seite drehte.  „Ich habe mein Bestes getan, aber ich glaube, das war diesmal nicht genug. Sie hat so viel schreckliches durchmachen müssen und wieso? Weil jeder hier weiß, wieviel sie mir bedeutet. Ich wurde immer davor gewarnt, das habe ich jetzt davon.“ Catarina sah Diego mit verwirrten Blicken an. „Was redest du da? Sie ist am Leben, das ist alles was zählt! Dieser Mann hatte das Vorhaben, sie hinzurichten.“ „Blödsinn! Sie diente als Mittel zum Zweck. Don Luis hatte leider ein ausgewachsenes Problem mit meinem Vater und hat nach Schandtaten gesucht, die meinem Vater zusetzen. Deswegen, und nur deswegen ist sie entführt worden. Es ist also alles meine Schuld.“ „Das wird ihr auch nicht helfen. Falls du glaubst, dass du dich jetzt feige aus der Affäre ziehen kannst, hast du dich aber getäuscht. Du hast Pflichten und denen wirst du gefälligst nachgehen!“ Diego hasste, wenn man auf diese Weise mit ihm redete. Gerade wäre ihm aber alles lästig gewesen, was mit Unterhaltungen zu tun hatte.  „Das letzte, was Lolita jetzt braucht, ist die Erinnerung an irgendwelche Pfllichten. Sie braucht Zeit, um erst einmal über das Erlebte hinwegzukommen.“ „Was sie braucht, ist ein Mann an ihrer Seite, der für sie da ist und kein Feigling, der sich erbärmlich versteckt. Eigentlich sollte ich euch beiden wirklich verbieten zu heiraten. Diese ganze Sache hat einen sehr bitteren Beigeschmack bekommen. Aber wir wissen ja, dass dieses sture Kind doch wieder tun würde, was es will. Ich will nicht schon wieder Migräne bekommen, weil so ein Holzkopf ihr einfach den Kopf verdrehen musste, als zur rechten Zeit seine Pflicht zu tun. Es ist leider sehr deutlich, dass dir die Mutter fehlt.“ Es möge sich ein Loch auftun und er wurde verschluckt. Das wäre das Beste, was ihm passieren könnte. Die Sache mit seiner Mutter wollte er jetzt wirklich nicht auch noch ertragen. Sie schimpfte und Diego steckte ein. Schlug die Augen nieder und ertrug es.  Sein Vater kam mit Juan gerade zur Tür herein, als Doña Catarina Diego so rügte.  „Glauben Sie nicht, dass Sie es ein bisschen übertreiben? Er war bereit für Ihre dumme Tochter zu sterben! Er kann ja nichts dafür, dass es ihr gänzlich egal zu sein scheint, wer der Mann ist, der sie liebt. Und wenn ein Bandit, dann ist es eben ein Bandit! Er kann genauso wenig etwas dafür, dass sie so ungezogen ist und trotzdem will er sie ja immer noch zur Frau nehmen. Seien Sie ihm lieber dankbar, als ihn so anzuzetern! Das ist gänzlich unangebracht.“ „JUAN!“ fuhr Alejandro seinen vorlauten Neffen an, aber der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Dieses freche Mundwerk hätten sowohl er selbst als auch Diego sein können, wenn es ihnen so richtig stank.  „Das musste gesagt werden, finde ich.“ „So ein unverschämter junger Mann! Er sollte sich was schämen!“  „Nein, Sie sollten sich schämen! Diego ist vollkommen erschöpft! Hören Sie doch bitte auf, ihn so zu schimpfen. Ich bin gerade eher froh, dass beide gesund zurück sind. Ich habe wenig Lust beide in einem Sarg wieder zu finden. Sie sind doch auch froh, dass sie heil sind, oder nicht?“ „Trotzdem muss doch jemand mal mit ihm schimpfen! Wenn er sich schon eine Rolle schafft, dann muss er sich auch so gut unter Kontrolle haben, um niemandem Ärger zu machen. Was denkt er sich? Sich hinterrücks so an meine Tochter ranzumache...“  „So ist es überhaupt nicht gewesen, aber ich konnte mich ja schließlich nicht mit diesem Gabriel schlagen. Dann wäre gleich alles aufgeflogen.“ Lolita hatte zunächst angefangen sich auszuziehen und dann hatte sie sich im Spiegel angesehen.  Der Anblick ihres geschundenen Körpers, war mit Schmach verbunden und sie wollte augenblicklich alle Spuren entfernen. Sich wieder reinwaschen von dieser Sünde. Sie nahm sich einen Lappen und eine Bürste, wirkte sie ein und begann sich damit dann mit Wasser und Seife abzurubbeln.  Dabei kamen ihr zwar die Tränen, aber die vergoss sie stumm. Nachdem sie sich zunächst intensivst gewaschen hatte, sank sie müde in die Badewanne.  Das lauwarme Wasser, was sie entspannen sollte, färbte sich leicht rot, was sie dann doch bibbern ließ. Auch jetzt noch bluteten die Wunden, die man ihr zugefügt hatte. Sie fragte sich, wie lange es dauern würde, dass die Spuren an ihr vorüber gegangen sein würden. Wie lange noch konnte sie die Sache aufschieben? Wie sollte sie denn die Frau eines Mannes werden, wenn sie ihren Körper gerade hasste und niemandem zeigen wollte? Nicht einmal sich selbst...  Ihr Kopf sank auf die Knie, ihre Haare glitten hinein ins Wasser und hingen so leblos da, wie sie selbst sich gerade fühlte. Als wenn man all die schönen Gefühle aus ihr heraus gezerrt hatte, als diese Kerle auf sie gestiegen waren. So sehr hatte sie den Tag herbei gesehnt, ihn endlich zu heiraten. Jetzt fürchtete sie diesen Tag. Es war auch der Tag, an dem sie sich nahe sein würden. Aus irgendeinem Grund machte er nicht den Eindruck, das jetzt allzu sehr zu wollen. Das quälte sie noch viel mehr als die gierigen Männerhände, die so grob und beschämend ihren Körper berührt hatten, wie es sonst nur der Mann tun sollte, den sie von Herzen liebte. Den sie heiraten gewollt hatte. So sehr hatte sie gewollt, dass nur seine starken Hände sie je berührten. Jetzt hatten irgendwelche Bastarde ihre schmutzigen Finger an sie gelegt und ihre noch dreckigeren Genitalien in ihren Leib gestoßen. Auch jetzt noch bekam sie kaum Luft und hustete. Wie sollte sie all das nur wieder ins Reine kriegen?  Irgendwie hatte Don Alejandro es doch geschafft, dass Catarina Diego in Ruhe ließ und sie nach Hause fahren konnten. Sie saß nun betrübt am Tisch und bereute die gemeinen Worte, die sie noch vorhin zu dem Mann gesagt hatte, der ihre Tochter mehr liebte als sein Leben. Sie wünschte sich, dass jemand sie so sehr geliebt hätte. Dabei dachte sie an Carlos, der in der Vergangenheit der einzige Mann gewesen war, der diese Sehnsucht stillen konnte. Von all ihren Sorgen wusste er nichts und sie wünschte sich, dass er bald zurückkam. Womöglich würden sie ihm nicht einmal erzählen, was mit Lolita passiert war. Das war beschämend für jede Frau. Als wenn sie es nicht bemerkt hätte. An ihrem Gesicht und an Diegos Gesicht. Sie wusste wie junge Frauen aussahen, wenn ihnen so etwas angetan worden war. Doña Catarina wollte Diego auch um Himmels Willen nicht fragen, warum er so blutverschmiert war. Für sie stand fest, dass er die Soldaten, die sich gewiss an ihrer Tochter vergriffen hatten, nicht verschont hatte. Er hatte doch noch nie jemanden so einfach davon kommen lassen... Als ihre Tochter fast wie ein Gespenst die Treppe hinab kam, dabei nicht einmal ein Wort sagte, wagte sie kaum sie anzusehen. Wenigstens hatte sie jetzt frische Kleider an, auch wenn ihr die Farbe, die sie trug, nicht gefiel. Schwarz war eine Trauerfarbe, das konnte nicht ihr ernst sein. Ihre Augen sahen leer und traurig zu ihrer Mutter. „Wo ist Diego hingegangen?“ „Nach Hause. Wohin sonst?“  „Ach so.“ Etwas in Lolitas Stimme klang enttäuscht davon. „Du hast ihn also gehen lassen, ohne ihm den Kopf abzureisen. Willst du nun mir die Schuld daran geben?“ Sie schniefte und wischte sich einmal über das Gesicht.  „Oh, was redest du da nur? Wie könnte ich denn? Es musste ja so kommen. Manche Dinge sind einfach vorher bestimmt... Als wenn ich das nicht wüsste?“  Die Doña ging auf ihre Tochter zu und nahm sie sanft in den Arm. „Ich wollte nicht so eklig sein, aber ich habe mir so viele Sorgen um dich gemacht. Du bist doch mein einziges liebes Kind.“ Vorsichtig strichen ihre Hände über das noch feuchte Haar. „Ach Kind, wie siehst du aus? Wir machen dir erst einmal die Haare.“ Sie nahm ihre Tochter an der Hand und ging mit ihr ins Badezimmer, wo sie das Kind erst einmal auf einem Schemel Platz nehmen ließ.  Catarina wollte ein Lächeln zurück ins Gesicht ihrer Tochter holen, obwohl sie theoretisch wusste, dass es im Augenblick unmöglich war. Trotzdem war es ihre Pflicht als Mutter eines Kindes, sich um sie zu kümmern, wie es nun einmal nur eine Mutter konnte. Obwohl auch sie ihr Dinge verschwiegen hatte und sie beide Kinder dafür verteufelte, weil sie ihr eigenes Ding gedreht hatten, es war ein hartes Los als Mutter auch dann zu schimpfen.  „Du bist hier jetzt in Sicherheit, Liebes“, sagte sie, dabei stand sie hinter ihrer Tochter und strich ihr sanft über die Schultern. „Deine Mutter ist unsäglich froh, dass du wieder bei ihr bist. Ich bin sofort zu Don Alejandro, mit der Hoffnung, dass sein Sohn etwas ausrichten kann.“  Mit keiner anderen Person wollte sie nun lieber reden, als mit ihrer eigenen Mutter. All das, was sie dachte und fühlte, war nicht für die Ohren eines Mannes bestimmt. Er sollte nicht gänzlich die Achtung vor ihr verlieren. Lieber sollte er die starke Frau, die er kannte, in guter Erinnerung behalten und sie nicht so sehen. Deswegen hatte sie rund um das Geschehen geschwiegen. Anscheinend wollte er ja auch nicht darüber reden, unter welcher Problematik er in die Teufelsfestung eingefallen war.  Sie spürte die vertrauten Hände in ihrem Haar, die sie schon so oft gespürt hatte, seit sie ein kleines Mädchen gewesen war.  „Ich wollte dich nicht anlügen, Mama. All die Sachen haben mich selbst total mitgenommen. Dass er trotz allem der gute Mann geblieben ist, ist nahezu ein Wunder, nach all dem.“ „Kind, dieser Mann ist das Letzte, worum du dir nun Gedanken machen solltest. Was wirklich wichtig ist, dass du wieder in Ordnung kommst.“  In Ordnung kommen – gerade wusste sie ja noch nicht einmal, ob sie es jemals vergessen konnte, obwohl das ihr größtes Ziel war. Es einfach ungeschehen machen. Einfach an der Stelle weiterzumachen, wo sie aufgehört hatten. An dem Punkt, wo sie alle noch glücklich waren. Die Tränen standen in ihren Augen und sie war dabei im ersten Moment doch froh, nicht gesehen zu werden, auch nicht von der eigenen Mutter.  „Wie soll er mich lieben können, wenn ich mich gerade selbst nicht einmal ertrage?“ Lolita hatte sich im Spiegel gesehen und hatte ihr Bestes versucht, sich wieder so weit herzustellen, dass man es ihr nicht mehr ansah, aber diese Männer waren grausam, hatten es nicht einmal dabei belassen können, ihr dies spurlos anzutun. Wenigstens die nötigen Stellen hatte sie bedecken können.  „Mama, Diego hat es gesehen. Er besitzt außerdem zuviel Empathie, als dass er das nicht merken würde. Kaum, dass er in die Festung eingebrochen ist, haben mich seine besorgten Augen von oben bis unten gemustert. Es war mir so unangenehm, so schutzlos und schwach vor ihm dazustehen. Ich konnte ihm nicht einmal mehr in die Augen sehen, ohne in Tränen auszubrechen. Zu wissen, dass dieses schwache Frauenzimmer, was von mehreren Männern geschändet wurde, ich bin, ertrage ich nicht. Sogar der Tod wäre angenehmer. Ich habe einfach Angst. Davor, was jetzt geschieht. Wie sollen wir beide denn eine glückliche Ehe führen? Kaum ein Mann kann eine Frau lieben, von der er weiß, dass sie von anderen Männern genommen wurde.“ Lolita vergrub ihr Gesicht in den Händen. Sie war verzweifelt und fand nicht den geringsten Grund, weshalb man sie so wie sie jetzt war noch lieben konnte. Ein Mann seines Standes. Spätestens wenn sein Vater davon erfuhr ... „Egal, was du tun würdest, Diego würde dir ja sowieso alles verzeihen. Er ist ja solch ein Dummkopf“, murmelte sie und seufzte, weil es ihr in dem Moment nicht möglich schien, ihre eigene Tochter zu trösten. Aber sie als Frau wusste, dass man erst einmal bittere Tränen weinen musste, um all den Schmerz loslassen zu können, ehe man wirklich wieder okay war.  „Hör mal, Kind. Diego wird genug Verantwortungsbewusstsein besitzen, um zu wissen, dass eine glückliche Ehe sein kleinstes Problem ist. Es ist seine Pflicht nach der Misere dich trotzdem zu heiraten. Lass das nur mal meine Sorge sein. Ich werde diesen Jungen schon daran erinnern, was er mir schuldet.“  Auf diese Art und Weise, mit Intrigen und Erpressungen ein solches Ziel zu erreichen, fühlte sich alles andere als gut an und sie weinte nur noch bitterlicher. „Bitte nicht. Ich kann nicht mit ihm zusammen sein, wenn ich weiß, dass er es aus eine Art Schuldgefühl tut. Ich bitte dich, lass ihm wenigstens so viel Würde, seine Entscheidungen alleine zu treffen. Es ist schlimm genug, dass er nur das nötigste mit mir gesprochen hat. Wahrscheinlich, weil sein schlechtes Gewissen ihn gerade quält.“ „Du vergisst, dass es sein Verdienst ist, dass man dich einfach verhaftet hat. Weil er nicht gelernt hat, seine Füße stillzuhalten und sich in alles einmischen muss. Der Diego, den wir die letzten Jahre kennen gelernt haben, wäre genau das, was ich mir als Schwiegersohn gewünscht hätte. Ein langes und zufriedenes Leben zu sichern, schafft man nicht, indem man sich immer wild ins Kampfgetümmel stürzt. Die Frau eines Banditen, bist du dir eigentlich im Klaren, dass du dadurch selbst zum Opfer wurdest? Wenn nicht du diesen Mann zur Ruhe bringst, wer denn dann? Er soll mit diesem Unfug aufhören! Ich will nicht, dass meine Tochter wegen seines rebellischen Charakters zugrunde geht! Das musst du verstehen!“  Natürlich verstand sie, jedes Wort sogar. Aber genau das war es doch, was sie an ihm mochte. Dass er rebellisch und anders als die anderen war. Für ihre Mutter wirkte er wahrscheinlich nicht so, aber er war das, was viele Frauen Traummann genannt hätten und sich zutiefst wünschten, aber nie bekommen würden.  „Ich weiß, dass die Frau eines Gesetzlosen selbst zum Opfer werden kann. Genauso weiß ich, dass sie sich keine Schwächen erlauben darf. Gib mir ein bisschen Zeit und ich werde genau so eine Frau sein. Du wirst damit leben müssen. Lieber sterbe ich als einen anderen Mann jemals als meinen Ehemann zu akzeptieren ...“ „Du bist so stur wie deine Mutter. Statt dir einen Mann vorsetzen zu lassen, der dir gut täte, nimmst du dir den, den du willst. Dein Vater darf unter keinen Umständen erfahren, dass Diego Zorro ist. Geschweigedenn davon, was sich hier die letzten Tage zugetragen hat. Auf der Stelle würde er dir das ganze verbieten. Sein Traumkandidat ist Zorro nicht. Ihm ist ein ruhiger Zeitgenosse wie Diego lieber. Wir müssen uns also etwas gutes einfallen lassen, um die Hochzeit ein bisschen hinauszuzögern... Mir wird schon etwas einfallen.“ Die gesamte Mannschaft sah ein bisschen geschafft aus, da war es natürlich ein leichtes sich mit fadenscheinigen Entschuldigungen ins Bett zu verabschieden. Juan sehnte sich hingegen sehr danach, jemandem zu reden zu haben. Diego wirkte ihm im Moment aber eher abwesend und nicht fähig, ihm allzu lange zuzuhören, bei was auch immer ihm gerade auf der Seele lag. Dabei war genau das in der Vergangenheit eine Sache gewesen, die ihm sehr geholfen hatte. Dass er ihm sein Herz ausschütten konnte. Nicht selten hatte der junge Don seinem neuen Freund Diego von seinem Vater erzählt und offensichtlich seinen Hass gegen diesen geschürt. Er hatte geschimpft wie ein Rohrspatz, manchmal sogar hatte er geweint und sich vom anderen trösten lassen. Jedenfalls hatte ihn sein Vater all den Stolz gekostet, den er sich bis zuletzt bewahrt hatte.  „Würdest du mir den Gefallen tun, Alejandro und mit mir noch einen Moment im Salon zu bleiben? Wir könnten etwas trinken?“  Die Vorstellung, dass er jetzt zur Familie gehören sollte, war zwar schön, aber gerade konnte er noch nicht so glücklich darüber sein.  Natürlich hatte der alte Mann nichts dagegen. Er war beunruhigt und besorgt um Diego, daher würde er sowieso kein Auge zubekommen.  „Was genau ist denn nun passiert? Es muss doch einen Grund haben, warum er absolut nichts erzählen will, was irgendwelche Details beinhaltet. Was ist denn so furchtbar, dass er nicht darüber reden kann?“ Es wäre ein ziemlicher Vertrauensbruch gegenüber Diego, wenn Juan nun darüber spräche. Er überlegte, wie er Solches umgehen konnte. Es gehörte sich ja auch nicht, über jemanden zu reden, der nicht im Raum war. Vor allem nicht, wenn es dein Freund ist.  „Die Leute in der Teufelsfestung sind darauf ausgerichtet, jeden zu töten, der einbricht. Warum wohl will Diego darüber nicht reden? Es ist nicht sonderlich viel von Männern zu erwarten, die arme, wehrlose Frauen in ein Verlies einsperren, um einen Verbrecher zu fangen. Noch auf der Fahrt hat mir Diego gesagt, dass wir sicherlich erwartet werden. Da wusste ich noch nicht, dass er Zorro ist. Das habe ich erst später erfahren ... Zusammen mit meinem Vater. Ich habe es beobachtet, aus Sicherheitsentfernung. Das war für meinen alten Mistkerl von Vater wie ein Festtag. Es war sein sehnlichster Wunsch, deinen Sohn töten zu dürfen. Er ist wie eine Hyäne auf ihn losgegangen. Obwohl es Diego bestimmt nicht recht war, bin ich es dann gewesen, der ihn getötet hat. In dem Moment, als er bereit war, deinen Sohn zu töten, war für mich die Zeit gekommen. Im Moment seiner Freude habe ich zugeschlagen ...“ „Du hast Diego das Leben gerettet. Oh, das wird ihm schwer zusetzen. Er hat mehr Stolz, als er so manche glauben lässt. Was ich aber nicht verstehe, wie kann ein alter, gebrechlicher Mann meinem Sohn gefährlich werden? Da muss doch mehr gewesen sein.“ „Eigentlich war ich davon überzeugt, dass man es dir ja doch zuträgt. Ich hatte damit gerechnet, dass die ganze Stadt von der Auspeitschung sprechen wird. Nicht zuletzt, weil Gonzales es sogar in der Taverne erzählt hat. Mein Vater hat deinen Sohn so sehr gequält, dass er zunächst nicht einmal aus dem Gefängnis ausbrechen konnte. Trotzdem sind wir dann zusammen mit dem Captain drei Tage, fast ohne Pause nach Baja California gefahren, um dort Diegos Braut zu retten. Wir müssen das nicht tun, hat er gesagt, der Holzkopf. Aber Jekyll war der Meinung, dass sie ihn da alleine wohl umbringen würden, worin sie nicht Unrecht hatten. Aber Männer und die Frau, die sie lieben. Die nehmen jede Gefahr auf sich und wenn sie wissen, dass es sie töten kann, ignorieren sie das. ich bin ja stur, aber er ist kein Ausdruck von stur. Wenn er etwas will, dann tut er das. Spätestens morgen früh sollte sich ein Arzt seiner annehmen. Obwohl er sich die ganze Zeit nichts anmerken lässt, in Baja California konnte er sich kaum noch allein bewegen. Nach dem Kampf mit denen. Also in Ordnung ist er nicht.“ Juan hatte ordentlich um das eigentliche Thema herum geredet und hatte umgangen, was Diego sicher auch verschweigen würde.  „Ist sie unversehrt?“  Bei der Frage musste Juan sich eine eiserne Miene zulegen, denn er durfte sich nichts anmerken lassen.  „Sie war überglücklich, als der Mann, den sie liebt, kam um sie zu retten. Ich denke, dass sie Angst hatte, aber sonst nichts.“  Er hoffte, dass man ihm die Geschichte so auf jeden Fall abkaufte.  Natürlich interessierte es den alten Mann in erster Linie, ob Lolita unversehrt war, immerhin war sie ja die Verlobte seines Sohnes.  Allein die Tatsache, dass sie als Frau dort in einem Verlies gesessen hatte, so wusste Juan, brachten Diego zur Weisglut und er wollte ernste Schritte einleiten, um den Leuten in dieser Festung auf die Füße zu treten, obwohl sie natürlich wenig dafür konnten. Don Luis konnte man nicht mehr verantwortlich machen, aber es schien dem jungen Mann, als sei ihm der Tod dieser Männer nicht genug. Er brauchte jemanden, an dem er seinen unendlichen Zorn auslassen konnte.  „Mir scheint, dass Diego es mir nicht einmal dankt, dass ich ihn gerettet habe. Er hasst es. Ich weiß es.“ Obwohl er doch selbst so manchem geholfen hatte, er wollte ja von keinem Hilfe haben. Zu wissen, dass man alleine nichts ausrichten konnte, machte ihn fertig und nur deswegen hatte er sich breitschlagen lassen, dass sie ihn begleiteten.  Kapitel 2: Terrible feelings ----------------------------   Vor Tagesanbruch rechnete man nicht damit, dass allzu viel Bewegung in irgendeine Sache kam. Gerade von Diego dachte man nicht, dass er vor den ersten Sonnenstrahlen das Bett verließ und noch vor dem Frühstück losziehen würde. Maria wollte gerade Wäsche waschen, deswegen ging sie zum häuslichen Brunnen – nur deswegen bekam sie Diego mit, der sich ein Pferd sattelte. Die Frau erschrak sich furchtbar und lauerte ihm auf, als er gerade das Pferd aus dem Stall holte, stand sie plötzlich vor ihm. „Was zum Teufel glaubst du, was du da tust?“ Sie war von diesem Jungen ja einiges gewohnt, aber Don Alejandro machte sich um das Wohlergehen seines Sohnes so viel Sorgen, dass er einen Arzt zurate ziehen wollte und was machte dieses Kind? Sich ein Pferd satteln. „Du willst doch nicht etwa in deinem Zustand reiten?“ Sie griff die Zügel und wirkte nicht, als wenn sie das zulassen würde. „Kommt überhaupt nicht in Frage! Du bist doch nicht bei Trost!“ „Gut erkannt! Ich bin nicht bei Trost, deswegen bin ich ja schwarz gekleidet und mit Maske unter das gemeine Volk geschlichen, um es zu erretten! Und nun lass die Zügel los! Ich bin kein kleiner Junge mehr, dem man so etwas verbieten kann.“ Weil der Herr ja aufmüpfig und frech sein wollte, griff sie sich seine rechte Schulter und dabei zischte er auf. „Man kann dich nicht einmal anfassen, also kannst du auch nicht reiten! Du gehörst ins Bett.“ Mit Gewalt riss sie die Zügel an sich und wollte das Pferd wohl zurück in den Stall bringen, was ihm nicht passte, so bockig wie er gerade die Arme vor der Brust verschränkte. „Gestern bist du ohne viel Worte ins Bett entschwunden und jetzt willst du dich einfach davon stehlen! So geht das nicht! Ich will jetzt wissen, was mit dir los ist. Was ist in den letzten Tagen vorgefallen, dass du so schlechte Laune hast? Juan sagte etwas von Lolita wurde in der Festung festgehalten und deswegen wart ihr solang weg. Aber keine Details. Der Junge ist genauso verschwiegen, wie du. Und nun rede!“ „Ich bin die letzten Jahre bestens klargekommen, ohne dir alles zu erzählen. Warum soll ich jetzt denn auf einmal damit anfangen, wie ein kleiner Junge zu dir zu rennen? So schwer das für dich ist, ich bin jetzt für mich selbst verantwortlich und wenn ich reiten will, dann werde ich das tun. Du bist nicht mein Vormund und-“ „Was sind denn das für Töne? Außerdem habe ich Maria darum gebeten, aufzupassen, dass du dich nicht übernimmst. Juan hat mir gestern erzählt, was in der Garrison passiert ist! Du musst jetzt nicht den Helden spielen, Diego“, rügte dessen Vater ihn nun auch noch. Warum war er eigentlich hier? „Vater, wie kommt es, dass du bereits auf bist? Es ist ja kaum Tag.“ „Vor lauter Sorge hat er kein Auge zugetan – so ist das, Diego“, schimpfte Maria. „Sei nicht so undankbar.“ „Was?“ Mit verwundertem Blick begegnete er seinem alten Vater, woraufhin Maria das Pferd ohne Probleme zurück in den Stall bringen konnte, weil ihr der perplexe Diego genügend Zeit dafür verschaffte. „Du warst sechs Tage, wie vom Erdboden verschwunden. Statt darüber zu reden, was passiert ist, hast du dich fein zurückgezogen. Du hast bestimmt genauso wenig geschlafen, wie ich. Dir geht es nicht gut, deswegen solltest du erst einmal was frühstücken, bevor du wieder irgendetwas Wildes tust.“ „Ich wollte zum Padre, weil mich da ein paar Sachen quälen – gar nichts weiter. Ich bin ein bisschen übers Ziel hinausgeschossen, als ich Lolita befreien wollte. Einige der Soldaten haben mich meine gute Kinderstube vergessen lassen, verstehst du? Ich wollte euch nicht mit meinen Problemen belasten.“ „Oh Junge, das ist doch nicht das erste Mal, dass du so etwas tust. Versuch mich nicht für blöd zu verkaufen. Aber erst einmal gehen wir zurück ins Haus.“ Es war ein widerspenstiger Blick in Diegos Gesicht, aber er folgte der Anweisung seines Vaters dann doch. Maria kümmerte sich um ihre Belange, dabei beeilte sie sich augenscheinlich heute besonders, denn sie glaubte nicht, dass Diego so viel reden würde. Sie würde die Pulidos besuchen und Lolita fragen, zu ihr hatte sie einen guten Draht – sie waren eben Frauen.   „Wenn ich es doch sage, er benimmt sich äußerst argwöhnisch. Es muss doch mehr vorgefallen sein, als ein paar tote Soldaten – die gewiss den Tod verdienten – immerhin haben sie eine ledige Dame in ein dreckiges Verließ gesperrt.“ Lolita hatte immer noch den Rücken zu Maria gewendet, aber trotzdem sah die Ältere Dame das Zucken, was durch Mark und Bein ging, während sie sprach. „Da war nichts.“ Lolitas Stimme klang nur halb so solide, wie sie gehofft hatte. Sie konnte sich auch gerade nicht zu Maria herum drehen, dann hätte sie das schwache Mädchen gesehen, was sie nur sehr selten an die Oberfläche ließ. Sie wollte eine starke Frau sein, seiner würdig. Warum fühlte sie sich nur gerade klein und schwach? Absolut unbrauchbar als Frau für ihn. Es stimmte, sie hatten uneingeschränkt den Tod verdient, aber Diego hatte nicht verdient der Mörder zu sein. Das war ihr Problem. Er verdiente Besseres als ein schwaches Frauchen, was er immer beschützen musste. Nicht sie war hier das Opfer, sondern er. Sie war bloß geschändet worden. Das überwand man und immer brav lächeln. Doch er, er hatte diesen schrecklichen Schmerz erfahren, sein Schwert über Menschen gerichtet. Er sollte nicht so werden, schon gar nicht ihretwegen. Wie konnte Maria denken, das sei ein Kavaliersdelikt. „Du machst Diego doch nicht etwa Vorwürfe?“ Fragte Maria besorgt. Doch da drehte sich Lolita zornig herum. Ihre Mutter hatte der sturen Tochter aufgetragen, niemals wieder über diese Ungeheuerlichkeit zu sprechen. „Ihm Vorwürfe machen? Bist du komplett verrückt geworden?“ Fuhr sie sie an und nahm ihr Kleid. Wie eine stolze Dame schritt sie auf die Dienerin zu. „Sollte das nicht nur der Herrgott können? Was wäre ich für eine Frau, die mit ihm schimpft, dass er kam, um mich von meiner Qual zu erlösen? Nein, wenn jemand Vorwürfe verdient, dann jawohl ich.“ Ihr Blick war starr, nicht fest, wie sonst immer und eigentlich starrte sie auch die Wand gegenüber an, nicht Maria. Sie war so bemüht, nichts zu empfinden, weil das eh nur hässlich gewesen wäre, dass total monoton die Tränen über ihre Wangen kullerten. „Kind?“ Sie vergrub augenblicklich ihr Gesicht in den Händen, grob gesagt ihre Scham rund um diese Tränen zu verbergen. Doch nun entkam ihr auch noch ein Schluchzen. „Was zur Hölle ist geschehen? Was kann derart grausam sein, dass du es so sagst?“ Während sie auf Lolita zuschritt, ging diese weinend zu Boden. Natürlich hatte die Bedienstete, als sie das Mädchen so bitterlich weinen war, wage Vorstellungen. Die nackte Realität hätte sie wohl auch umgebracht. „Meinetwegen... Es ist nur meinetwegen... Weil ich eine schwache Frau bin, hat er so etwas Teufliches getan. Mutter hat keine Ahnung, wie unnütz ich mich fühle. Wie kann ich denn jetzt seine Frau werden? Ich bin eine Schande.“ „Ach, was redest du da?“ Fragte die Bäuerin und kniete sich zu dem Mädchen nieder. „Weil ich so unfähig war, vor ihm zu verbergen, was sie mit mir gemacht haben...“ Sie wollte mit den Selbstvorwürfen nicht aufhören und brach dann vollständig zusammen. Nur mit Mühe schaffte es die Ältere, das Mädchen, was den Kopf zu Boden sinken ließ, wieder einigermaßen aufzurichten. Sie zog sie hoch und nahm ihre Wangen in beide Hände. „Diego ist sehr feinfühlig. Glaubst du allen Ernstes, du könntest je so etwas vor ihm vertuschen? Hältst du ihn für blind?“ Der Gedanke, dass ihre Blessuren und ihre schmerzenden Augen ihm Leid zugefügt hatten, brachte die junge Blondine an den Rand der Verzweiflung. Sein Aufschrei, mit dem er auf die Soldaten losgegangen war. Sie würde es nie vergessen, schon gar nicht seine Worte: Ich werde euch bestrafen. Euch ist nichts heilig. Nicht mal das Leben einer Frau! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)