VITANI von brightest-star (Die Geschichte der Schattenlöwin) ================================================================================ Kapitel 10: Sterne ------------------ Vitani blinzelte. Silbriges Mondlicht schimmerte in die Höhle und bedeckte ihr Fell mit hellem Glanz. Sie schlug die Augen auf. Auf leisen Pfoten schlich sie aus der Königshöhle. Der Felsen sah aus, als bestünde er aus purem Silber. Ehrfürchtig betrat Vitani den kalten Stein und ließ ihren Blick über die zahllosen Lichtpunkte am Himmel schweifen. Sterne, nichts als Sterne... Ihre Gedanken wanderten zu Nala, der jungen Löwin mit den türkisblauen Augen Wo sie jetzt wohl war? Bestimmt streifte sie irgendwo alleine durch die Savanne, ohne Familie, ohne Freunde... Aber warum hasst sie Scar so? Diese Frage kreiste unablässig in Vitanis Kopf. Was hat er ihr getan? "Du siehst aus, als hättest du Sorgen." Erschrocken drehte Vitani sich um und erkannte ihren Vater, der ebenfalls auf den Felsen gestiegen war. Vitani holte tief Luft. Am liebsten hätte sie Scar alles erzählt, aber sie wusste, dass dies jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war. Stattdessen hob sie wieder den Kopf und blickte zu den Sternen hinauf. "Es... es ist wegen Nala, nicht wahr?" Vitani drehte sich um. "Woher weißt du...?" "Ich merke es es eben." Auf Scars Gesicht stahl sich ein kleines Lächeln. "Vitani... ich spüre es doch... du magst diese Löwin, nicht wahr?" Vitani riss die Augen auf. Woher wusste ihr Vater das? “Du darfst diesen Fremden nicht trauen, meine Kleine.” Scars Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. “Sie wollen mich stürzen. Sie hassen mich, Vitani. Sie wollen einen neuen König.” “Aber wer...” Scar antwortete nicht mehr. Er hob den Kopf ebenfalls zu den Sternen empor, als würde er dort etwas sehen, was Vitani verborgen blieb. “Vitani, vor langer Zeit hat meine Mutter mir etwas sehr Wertvolles erzählt.” Scar wandte sich zu ihr um. Das Sternenlicht funkelte in seinen Augen und ließ sie wie zwei Smaragde strahlen. “Sieh hoch zu den Sternen.” Vitani folgte dem Blick ihres Vaters hinauf zu dem sternfunkelnden Nachthimmel. “Ich habe nie gewusst, dass es so viele gibt”, flüsterte sie fasziniert. “Wenn wir sterben”, fuhr der König fort, “wandern unsere Seelen in den Himmel und erstrahlen dort als Sterne.” Vitani lauschte den Worten ihres Vaters gebannt. “Wenn du dich einsam fühlst, denke an meine Worte, Vitani. Die Geister der Vergangenheit werden dich nie verlassen. Egal was du tust, sie begleiten dich.” Nach diesen Worten herrschte einige Zeit Stille. “Papa?”, fragte Vitani nach einer Weile. “Mama und du, ihr werdet mich doch auch nie verlassen, oder?” Keine Antwort. “Mein Bruder ist da oben...”, sagte Scar leise. Vitani erkannte den traurigen Unterton in seiner Stimme. “Wie ist er denn da hingekommen?”, fragte sie vorsichtig. Eigentlich rechnete sie damit, dass Scar sich knurrend zu ihr umdrehen würde, aber nichts dergleichen geschah. Stattdessen schaute er immer noch schweigend in den Sternenhimmel. “Er stürzte von einer Klippe... direkt unter die Hufe einer in Panik geratenen Gnuherde... ich konnte nichts mehr tun...” Scar senkte den Kopf und Vitani sah Tränen in seinen Augenwinkeln glitzern. Tröstend kuschelte sie sich in seine pechschwarze Mähne. Er fühlte sich schuldig am Tod seines Bruders, sie spürte es genau. “Mufasa ist König gewesen... in seiner Jugend eingebildet und arrogant, und ich nur der kleine Bruder... aber nach seinem Tod war alles anders.” Scars Blick wurde kalt und stumpf. Mufasa. Beim Klang dieses Namens zuckte Vitani zusammen. Noch einmal hallte Nalas zornbebende Stimme durch ihren Kopf: „Du bist noch nicht einmal halb so gut wie Mufasa... du falscher König...“ „Bitte erzähl mir noch mehr!“, bettelte Vitani. Sie wollte unbedingt mehr über Mufasa und Scars Vergangenheit erfahren. Vielleicht hatte das alles auch mit Nala zu tun? Aber Scar wuschelte ihr nur mit der Pfote über den Kopf. „Nein, meine kleine Prinzessin. Geh jetzt schlafen.“ „Aber Papa...“ Vitani versuchte, ihren widerspenstigen Pony wieder gerade zu streichen. Sie sah ihren Vater bittend an. Doch genauso gut hätte man versuchen können, Steine zu erweichen – Scar war in diesem Punkt unerbittlich. Sie trottete mit hängendem Kopf zurück in die Königshöhle, vorbei an Jiraha und Uzuri, vorbei an Zira... „Vitani, warte!“ Scar stand immer noch am Eingang der Höhle. „Ich werde dir alles erzählen. Nur nicht jetzt.“ Vitani neigte den Kopf. Nun kam Scar in die Höhle und die beiden rieben zärtlich ihre Schnauzen aneinander, ein Verbindungsritual zwischen Vater und Tochter. „Ich werde bei dir bleiben“, flüsterte Scar und Vitani hörte, dass er es ehrlich meinte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)