VITANI von brightest-star (Die Geschichte der Schattenlöwin) ================================================================================ Kapitel 19: Wunder ------------------ „AAAHH! ES TUT SO WEH! MACH, DASS ES AUFHÖRT! LASS ES AUUFHÖREN..." Zira krümmte sich auf dem Boden zusammen. Ihre Schwester Hasira und weitere vertraute Rudelmitglieder waren bei ihr, murmelten ihr beruhigende Worte zu. Doch es schien die Sache nicht besser zu machen. Zumal Scar nervös in der Höhle hin und her tigerte. „Wann ist es denn soweit?" Schließlich reichte es den Jägerinnen und sie schickten den König fauchend hinaus. „Das ist Löwinnensache!" Vitani beobachtete die Höhle mit großen Augen. Tat die Geburt ihres Geschwisterchens denn wirklich so weh? Sari stürmte in die Höhle mit einem stabilen Ast im Maul. „Du musst das nicht mit ansehen", flüsterte sie Vitani zu, aber diese schüttelte nur stumm den Kopf. „Ich will dabei sein!" Sari reichte ihrer Mutter den Ast. „Hier. Wenn die Schmerzen zu groß werden, beißt du so fest wie möglich darauf." Sie stöhnte nur. Noch nie hatte Vitani Zira so schwach gesehen. Ihre Augen waren glasig, ihr ganzer Körper zitterte. Doch sie blieb. Auch als die Königin wieder anfing zuschreien, auch als Blut den Höhlenboden benetzte. Hier geschah ein Wunder. Ein kleines, verklebtes Wunder zwar, aber es lebte. Sari hob das blutige Fellbündel vorsichtig am Nackenfell hoch und legte es zwischen Ziras Pfoten. Sie atmete flach und schnell, doch beim Anblick ihres Jungen lächelte sie. Vitani trat näher und blickte auf den winzigen Körper, den Zira nun mit kräftigen Strichen ableckte. Das Junge maunzte leise. Nun, da sein Fell trocken war, schien es Vitani wie das Kostbarste der Welt. „Es ist ein Mädchen!", schnurrte Zira. „Ich werde sie Damu nennen." Als hätte das Junge genau auf diesen Moment gewartet, öffnete es die Augen. Scars Augen. Zira quiekte erfreut und stupste ihre Tochter sanft an. „Du bist wunderbar." Sie liebkoste das Junge weiter, während die Löwinnen um sie herum Rufe des Entzückens hören ließen. Wirklich, Damu war etwas Besonderes.Die dunklen Augenringe umrahmten elegant die smaragdgrünen Augen, die leuchtend in eine neue Welt blinzelten. Gekrönt wurden sie von kleinen dunklen Punkten. Damu erblickte Vitani und miaute leise. „Ich bin deine Schwester!", wisperte die Ältere. „Und ich werde immer auf dich acht geben. Hab keine Angst!" Das Junge blickte sie weiter mit großen, wissenden Augen an. Als hätte sie diese Worte tatsächlich verstanden... Vitanis Herz schien vor Stolz zu platzen. Damu miaute erneut und Zira stupste sie leicht mit der Schnauze an. „Hast wohl Durst?" Sanft platzierte sie ihre Tochter an ihrem Bauch, wo sie sofort begann, ihre ersten Schlucke Milch zu trinken. Ihr Leben hatte gerade erst begonnen und schon wurde sie geliebt. Ein nagendes Gefühl machte sich in Vitanis Brust breit. Müsste sie sich nicht auch an diese überwältigende Liebe erinnern? Aber nein... da war nichts. Nur ein stummer Schatten. Vielleicht ging die Erinnerung an die ersten Momente des Lebens einfach so verloren, dachte sich Vitani, so wie die Samen des Löwenzahns, die der Wind verweht. Traurig, dass so viel Liebe verloren ging. Scar betrat die Höhle auf leisen Pfoten. „Das ist sie?" Täuschte sich Vitani oder war das Enttäuschung im Blick ihres Vaters? Nein, sie musste sich geirrt haben. Niemand konnte von so etwas Wunderbarem wie Damu enttäuscht sein! „Das ist Damu!", erklärte sie freudestrahlend. „Sieh nur, wie klein sie ist! Und ihre Augen sind genau wie deine, Papa!" „Sie ist hübsch", bemerkte ihr Vater und schnurrte. „Genau wie ihre Mutter. Zira, wie geht es dir?" „Gut genug, um dich hochkant wieder aus der Höhle zu werfen, wenn du zu aufdringlich wirst!", grollte Zira, doch man hörte, dass sie es nicht wirklich ernst meinte. Sie rieb ihren Kopf an dem ihres Gefährten. „Vitani, sei doch so lieb und hol etwas frisches Moos für das Kleine, ja?" Verwirrt machte sich Vitani auf in Richtung Höhlenausgang. Es schien so, als wollte Zira sie unbedingt loswerden... warum? Na ja, wenn die Erwachsenen etwas allein besprechen wollten, hatten sie nicht mit Lauschpfote Vitani gerechnet! „Was erwartest du von mir?" Scar. „Dass ich dieses Fellbündel hier zur Königin kröne?" „Nein. Dass du dein rechtmäßiges Erbe anerkennst", antwortete Zira fauchend. Was meinten sie damit? Vitani hatte kaum Zeit, darüber nachzudenken, denn Schritte ertönten hinter ihr. Die kleine Löwin wirbelte herum. Sarabi lächelte sie an. „Ist es schon so weit?" „Uhm..." Vitani war sich unsicher,was sie der Löwin sagen sollte. Immer noch blieb das Verhältnis zwischen alten und neuen Rudelmitgliedern gespannt, und die Königin in so einem schwachen Zustand wäre ein leichtes Ziel... Was dachte sie da! Sarabi war eine stolze und wohlgesonnene Löwin. Sie würde niemals eine Mutter und ihr Neugeborenes angreifen! „Ja. Es ist ein Mädchen!", berichtete Vitani. „Scar und einige Löwinnen sind bei ihr",fügte sie sicherheitshalber hinzu. Sarabi nickte nur zustimmend und betrat die Höhle, während sich Vitani nun ihrer eigentlichen Aufgabe widmete: Moos für Damu sammeln. Doch das erwies sich als schwieriger als gedacht. Die Trockenheit hatte die Steppe fest im Griff und Vitanis Ausbeute bestand nur aus ein paar struppigen Moosbüscheln. In einiger Entfernung sah sie eine Gruppe Neuzugänge bei dem Versuch, einen Bock zu reißen. Die Rippen des Tieres stachen heraus und es lahmte – es würde wohl nur eine karge Mahlzeit für das Rudel abgeben. Als sie die staubigen Stufen des Königsfelsens hinaufkletterte, ließ ein Brüllen sie fast den Halt verlieren. „Wie kannst du es wagen!", schrie Zira. Ihr zitternder Körper hatte sich über der winzigen Gestalt Damus aufgebaut. Sarabi senkte den Kopf. Kein Anzeichen von Angst spiegelte sich in ihrer Haltung. „Es war nicht meine Absicht, Ihre Majestät und ihre Tochter in irgendeiner Weise zu verletzen." Sie meinte es ernst. Vitani blieb im Höhleneingang stehen und starrte auf die Löwinnen. Ziras Gefährtinnen bauten sich schützend um die Königin auf, Scar hielt sich aber überraschenderweise im Hintergrund. „Ich sage es nur einmal: Verschwinde." Zira schien zu schwach für einen Kampf. „Es tut mir leid", erwiderte Sarabi, ohne noch einmal zurückzublicken. „Ich wünschte nur, du wärst noch dieselbe. Doch manchmal macht Liebe blind..." Zira brüllte noch einmal bedrohlich auf, dann schienen ihre Kräfte sie zu verlassen und sie brach zusammen. Sie hielt das Junge in ihren Pfoten und wiegte es langsam hin und her. Niemand beachtete Vitani, die ihr Moos neben sich geworfen hatte und außerhalb der Höhle, an den harten Stein gepresst, stille Tränen weinte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)