Troublemaker von Nyrmiel (Plötzlich Eltern) ================================================================================ Kapitel 7: Weihnachtswunder? ---------------------------- ✬✭✮✯✬✭✮✯✬✭✮✯ Noch immer lag Bobbys Blick auf William. Vor nicht allzu langer Zeit war es Henry gewesen, der ihre kleine Gruppe durch seine blindmachende Trauer und Verzweiflung fast in den Abgrund geschickt hätte. Dann war Mike aufgetaucht. Mit ihm Thomas. Aber auch wenn dieser durch sein Verschwinden einen trauernden Bruder hinterlassen hatte - William sprach mit niemandem. Miles mochte zwar von seinen Sorgen gelenkt werden, aber er sprach zumindest darüber. Bobby konnte Miles gut leiden. Sie konnte ihn einschätzen. William sprach schlicht nicht über Hannahs Tod - sie hatte damals auch nicht über Charlie gesprochen. Und Bobby wusste noch sehr deutlich, dass sie damals fast kopflos gehandelt hätte. John war es gewesen, der sie vor Schlimmeren bewahrt hatte. Und Williams Blick kam ihr gerade viel zu bekannt vor… Schließlich zwang sie sich doch zu der Frau neben sich zu blicken. Ihre Mundwinkel zuckten für einen Augenblick belustigt. Kommentarlos hatte sie einen Arm um die Journalistin an den Platz des Kindes gezogen. Wie auch Jillian blickte sie ab und an zu dem Kind, was mit Isabellas Hilfe den Schneemann zusammen setzte. Schließlich trat die letzte Person der Gruppe zu ihnen und ließ sich neben Bobbys anderer Seite nieder. Die Mechanikerin musste nicht aufgucken um zu wissen, wer dieses struppige Häuflein Elend war, was sich da neben sie gehockt hatte. „Zieh nicht so ein Gesicht, Nadia… theoretisch ist bald Weihnachten. Glaub ich zumindest.“ Brummte die Brünette und reichte ihren dampfenden Becher an die junge Frau neben sich weiter. Nadia nahm ihn mit einem leisen Danke an. „Das macht es nur noch schlimmer…“ Nadias Stimme war leiser als sonst und ihr Blick blieb an William hängen. Bobby wusste warum. Nadia machte sich Vorwürfe. Fragte man die Blondine, dann war es ihre Schuld, dass Hannah gestorben war. Fragte man Bobby, dann war es ein nicht zu vermeidender Unfall gewesen, der das Leben der Blondine gefordert hatte. Jeder wusste das. Selbst William wusste das irgendwie. Wäre Hannah nicht gewesen, wäre Nadia ebenso tot. Aber das waren Fakten, die Nadias Hirn momentan noch nicht erreichten. Schnaubend stupste Bobby das Mädchen neben sich an, damit sie ihren Blick von dem noch immer ins Feuer starrenden William abwand. "Nur noch ein paar Tage und wir treffen die anderen. Dann haben wir die Mall zurück und dann wird es entspannter..." "Du sagst das so, als wäre es so einfach." Das murmelnde Mädchen hatte den Blick auf den Boden gerichtet und mit den abgewetzten Schuhspitzen angefangen den Schnee zur Seite zu schieben. "Is's in der Theorie auch. Die sind vielleicht 'n paar mehr als wir, aber wir haben die klügeren Köpfe. Butch und James arbeiten an was Großem und Merlin sitzt mit Bane schon seit ner Weile an dem Plan. Allen Anschein nach is' Lexi wieder auf'm Damm und wenn John die Gruppe nicht komplett ausgeschaltet hat, weil sie ihm alle auf den Sack gingen, dann steh'n uns're Chancen besser als man denkt." Bobby gefiel es nicht, dass sie gerade die Rolle der Optimistin einnehmen musste. So funktionierte das nicht. Das war immer Nadias Aufgabe gewesen - so funktionierte ihre Beziehung zueinander. Die letzte Zeit hatte schlicht ihre Spuren hinterlassen. "Wir haben kaum noch Benzin", gab Nadia schließlich wieder leise von sich. Dieses Mal war es Mike, der für Bobby antwortete. "Auf dem Weg kommen wir noch an einem Highway vorbei. Da sind genügend Wagen, die wir anzapfen können." Der Dunkelhäutige hatte ihr einen aufmunternden Blick zugeworfen. Bobby nickte ihm kurz dankbar zu. Wieder war es still in der Gruppe. Zumindest, bis… Nicht nur das Kind hörte das Schnauben. Bobby, die gerade drauf und dran war, sich tatsächlich zu entspannen, löste sich von dem Rotschopf neben sich um sofort ihre Waffe zu ziehen. Sie sah, dass auch Isabella ihre Waffe zog. Die Jahre hatten dafür gesorgt, dass selbst die friedliebende Altenpflegerin nicht mehr ohne Waffe umher zog. Schnell hatte sich das Kind hinter Isabellas Rücken versteckt. Noch ehe Bobby los sprinten konnte, brach das Pferd aus dem Unterholz. Schnaubend und im Angesicht von Isabellas Gestalt, mit der das Tier definitiv nicht gerechnet hatte, tänzelte sofort unruhig auf der Stelle. Augenscheinlich war es alleine. Vom Reiter oder Verfolgung keine Spur. Die Mechanikerin runzelte die Stirn. War das nicht… „Nein!“ Sofort war Miles aufgesprungen und hatte den Kreis um das Lagerfeuer verlassen und war mit wenigen Schritten bei dem Pferd. Mit zitternden Händen hatte er das Zaumzeug gegriffen und die Stute beruhigt. Bobby fluchte unschön und kickte Schnee direkt vor ihren Füßen weg. Es war frustrierend. Nur noch frustrierend. Das da war das Pferd von Thomas. ✬✭✮✯✬✭✮✯✬✭✮✯ Einige von ihnen waren schlichtweg des Kampfes müde. Henry und Helen fühlten sich vermutlich zu alt dafür. Ihre Kräfte ließen nach. Der Winter machte es einem nicht leichter. Vater sah unauffällig zu seinem Sohn. Während dieser Bobbys Worte lauschte und mit seiner Antwort erneut deutlich machte wie dieser noch immer nicht ans Aufgeben dachte, ließ ihn kaum sichtbar schmunzeln. Der Highway war seit Jahren genau so verlassen wie wahrscheinlich der Rest der Welt. Er selbst bezweifelte zwar dort noch genügend Benzin zu finden, doch war er der Letzte der einem den Kampfgeist brechen wollte,- wenn auch vieles in ihm damit kämpfte Mike davon abhalten zu wollen schon wieder in den Kampf zu schicken. „Vielleicht nicht wir, aber die anderen kennen ihre Mall. Ich glaube auch, das es funktionieren kann.“ Der heitere Klang Tonys war leise geworden und auch er würde lügen wenn er behauptete nicht müde zu sein. Fragte sich manchmal noch immer warum er damals nicht einfach allein losgezogen war. Der naive Abenteurer in ihm hatte die Zuversicht weiter gekommen und mehr von ihrer neuen Welt gesehen zu haben, hätte er sich um niemanden scheren müssen. Reichte doch nur ein Blick zurück um genug Gründe zu haben, warum er blieb. Der halbwegs erwachsen- gewordene Teil hatte längst gewusst allein würde er niemals überleben. Und was für einen Sinn hätte es letztendlich gehabt. Nadia lebend zu sehen,-auch wenn die Zeiten die Spuren an ihr nicht vorbei gingen,- und James, Gracie… verhinderten nun, das er sich aufgab. Hannah und Harry, so glaubte er es manchmal zu spüren, hätten es ihm obendrein unglaublich übel genommen würde er auch noch den Kopf hängen lassen. „Davon abgesehen ist es ein Versuch wert. Entweder gehen wir dabei drauf, während wir unser sicheres und halbwegs warmes Zuhause wieder holen oder wir krepieren elendig in der Wildnis. Da wähle ich lieber persönlich lieber die heroische, zur Not schnellere Variante.“, so seine Meinung und war erleichtert außer Hörweite von Charlie zu sein aufgrund seiner Wortwahl. Wenigstens für die Frauen und Kids…. Ein Gedanke, den er gleich wieder runterschluckte. Jillian konnte bei seinen Worten nur zustimmen und als hätte sie seine Gedanken gelesen, sah sie erneut zu dem schiefsingenden Knirps mit seiner Spielgefährtin. In der Dunkelheit hatte Charlie das Pferd nicht als ein solches erkannt und mit einem ängstlichen Laut ließ er von seinem Vorhaben ab und setzte sich schnell in Bewegung wie es ihm beigebracht wurde. Hinter Isabella schloss er fest die Augen und würde auf jede Anweisung warten, wenn er auch dabei den Drang verspürte sich im Wohnwagen zu verstecken. Es brauchte einen kurzen Augenblick und die Beruhigung von Miles, bis jeder von ihnen bemerkt hatte bis es sich tatsächlich um Miss Dixie handelte, die von Angst und Unsicherheit geplagt war. „Das ist nicht wahr?!“ Erst ein kurzer Blick zu Gracie, ehe auch Tony sich rasch erhob, sich aber erst Miles näherte, nachdem das Pferd ruhig zum Stehen kam. Selbst er hatte dennoch bemerkt wie unwohl es sich fühlen musste. Mit gemischten Gefühlen wurde die Rückkehr von Miss Dixie betrachtet. Während die einen sich um den Anblick sorgten, sahen Jillian und Mike sich aufgeregt um. War das Pferd etwa allein gekommen? Mit dieser Frage bewegte sich der jüngere langsam in die Richtung aus der das Pferd gekommen war,- dabei in der Hand eine Waffe von seinem Vater,-. Vorsichtig sah Charlie schließlich an Isabella vorbei und wollte am liebsten zu der Stute laufen,-denn ein Pferd zu haben ist supercool, doch war es ihm bei ihrem Anblick vergangen. „Blutet….sie?“, klang seine Stimme zitternd und augenblicklich krallten sich seine winzigen Hände an Isabellas Hose. ✬✭✮✯✬✭✮✯✬✭✮✯ „Jetzt zieh keine vorschnellen Schlüsse!“ Die Mechanikerin hatte sich beeilt dem schlagartig erbleichten Miles zum Pferd zu folgen. Kurz darauf stand auch Tony schon neben ihnen. Bobby warf einen Blick zu Charlie, der hinter Isabella hervor lugte. „Bring ihn zurück zu den anderen.“ „Mom?“ Gosh, wie sehr sie es hasste Angst in den Augen des Kindes zu sehen. Das war definitiv auch etwas, was sie nicht eingeplant hatte, als sie schließlich nachgab und den Kleinen bei sich ließ. „Jetzt geh’ schon.“ Sie hatte dem Jungen kurz die Mütze über die Augen geschoben, worauf er leise protestierend sich daran machte wieder klare Sicht zu bekommen. Isabella hatte indes angefangen ihn zurück zur Gruppe ums Lagerfeuer zu lotsen. Bobbys fragender Blick ging zu Miles. Mit zitternden Fingern hatte er angefangen das Pferd zu untersuchen. „Sie ist unverletzt… das - das ist nicht ihr Blut, ich – ich geh ihn suchen.“ Sofort hatte Miles die Waffe von seinem Gürtel gezogen. „Fuck, das tust du sicher nicht!“ Bobby hatte die Stirn in Falten gelegt und wusste bereits jetzt, dass Miles in diesem Punkt nicht mit sich reden lassen würde. Die Beiden hatten einen guten Draht zueinander. Miles hatte Verstand, besaß einen kühlen Kopf – zumindest, wenn er sich nicht wieder um jemanden sorgte - und war verlässlich. In der letzten Zeit hatte ihre kleine Gruppe stumm beschlossen, dass Miles und Bobby gemeinsam so etwas wie Eric Bane und Edward Holmes, der ehemaligen MallRats waren. Die Sprecher. Die Anführer. Miles Gallagher, Bobby Nicks und William Parker, aber letzterer war bekannter Weise momentan nicht zurechnungsfähig. „Ich gehe ihn suchen.“ „Es ist verdammt dunkel und wir haben kaum noch Munition.“ „Er ist irgendwo in der Nähe, das Blut ist noch frisch. Was, wenn er verletzt ist? Was, wenn er- hast du damals still gewartet ob Charlie wieder kommt?“ Fuck. Miles kannte sie mittlerweile definitiv zu gut. Während Mike neben ihnen kurz etwas verwirrt aussah, wusste die Mechanikerin nur zu gut, dass der Pferdeflüsterer nicht das Kind, das sich gerade in Jills Armen versteckte, meinte.
„Aber du gehst nicht alleine. Ich komm mit. Und wenn du gefressen wirst und Tony somit die Verantwortung für diesen Laden hier kriegt, dann nehme ich das definitiv persönlich!“ Ein weiteres Geräusch im Unterholz ließ Bobby aufhorchen. Sofort hatte sie wieder ihre Waffe gezogen und entsichert. Erst jetzt hörte sie, dass sich dort eine Person ihren Weg durch den Schnee zu ihnen bahnte. „Ich schwöre bei Gott, ich dreh diesem beschissenen Maultier von einem Pferd den Hals um und verarbeite es zu Eintopf, dann hab ich wenigstens was Warmes im Bauch und dieser sture Esel macht einmal keinen Ärger!“ Mit einem Ruck war Thomas Gallagher etwas abseits von ihnen durch das Unterholz gebrochen. kleine Äste steckten ihm noch in der Kleidung, seine Hose war an den Beinen vollkommen verdreckt und in Jacke und Mütze klebte Schnee. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen hatte er nicht damit gerechnet jemanden anzutreffen. „Mate, dein Ernst jetzt?“ Mit einem erfreuten Aufschrei war Mike herum gefahren und hatte den Kanadier schwungvoll mit einem Lachen an sich gezogen. Trotz Kälte konnte man deutlich sehen, dass sich Thomas Wangen leicht rosa verfärbten. Vermutlich hatte er seine kleine Schwärmerei für Michael Ward nie wirklich ganz abgelegt. „Jetzt tu doch nicht so, als wär ich Ewigkeiten weg gewesen… was war das, drei Tage? Wow- Miles-“ Thomas großer Bruder hatte keinen Ton von sich gegeben. Er hatte Mike kurzerhand zur Seite geschoben - als wäre das nötig gewesen, niemand stellte sich Miles Bruderliebe in den Weg - und seinen kleinen Bruder an sich gezogen. Während der Kleinere die Umarmung kräftig und ebenso stumm erwiderte, hatte Miss Dixie ihr Maul untersuchend in Mikes Manteltaschen gesteckt. „Hey – lass das, du Maultier!“ Noch immer in Miles Umarmung steckend ruderte Thomas kurz mit den Armen um irgendwie näher an seine Stute heran zu kommen. „Jetzt mach doch was. Miles, verdammt!“ „Ich sag’s dir noch mal… du musst entspannter sein.“ Miles Stimme klang belegt und man konnte es in seinen Augen glitzern sehen, aber das Strahlen in seinem Gesicht zeigte eindeutig, dass potentielle Tränen definitiv nicht von trauriger Natur waren. Bobby hatte ihre Waffe sinken lassen und zurück in ihren Gürtel gesteckt, während sie schmunzelnd beobachtete wie die Stute dazu übergegangen war dem fluchenden Thomas die Wollmütze vom Kopf zu ziehen. Das dieses Pferd noch lebte war definitiv eines der kleinen Wunder, die immer seltener wurden. Dann erst bemerkte sie, dass Thomas Gallagher nicht alleine war. Dort neben dem ehemaligen Farmer stand Braden Brody. Der selbe Braden Brody, der während eines Runs vor zwei Jahren verschwand und nicht mehr auftauchte. Der Braden Brody, dessen blutige Jacke sie gefunden hatten. Der, den sie theoretisch beerdigt hatten… Nicht nur der Mechanikerin stand ungläubig der Mund etwas offen. Grace reagierte als erste. Schlagartig in Tränen aufgelöst lag sie schneller in den Armen des vollkommen überforderten Mannes, als andere hatten reagieren können. Er brauchte einen Moment, ehe er die Umarmung erwiderte. Für einen Moment traf Bobbys Blick den von William, der aufgehört hatte ins Feuer zu starren. Auf seinen Lippen lag ein müdes, ehrliches Lächeln. Vielleicht gab es ja doch so etwas wie Weihnachtswunder. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)