Mit Liebe und Blut von abgemeldet (Wichtelgeschichte für Calafinwe) ================================================================================ Kapitel 2: Stilles Blutwasser ----------------------------- Wärme verbindet sich mit Horns Unterbewusstsein. Die schwarze Leere umhüllt nicht länger ihren Körper und tritt zur Seite, als ein Kribbeln unter der Haut sie ermuntert, zurück ins Leben zu kehren. Erinnerungsbilder von Chess, Crowley und ihr flimmern wie ein Film vor ihrem inneren Auge. Dann lauscht sie in die Stille. „Horn, wach auf. Kannst du mich hören? Horn“, schweifen die Worte durch den Schleier des Erwachens. Anfänglich nimmt Horn alles dumpf wahr. Das Gefühl von Watte breitet sich in ihrem Körper aus, hinterlässt sie in einem benommenen Zustand und will sich nicht so recht lösen. Unentwegt kämpft sie gegen die Müdigkeit an, hebt die schweren Augenlider, um ein Bild der Umgebung zu kriegen. Zuerst erblickt sie einen Lichtstrahl, ehe sie jemanden von der Stimme und vom Erscheinungsbild her erkennt. „Chess?“, haucht Horn. Über das Gesicht der Freundin huscht ein Lächeln, als diese erleichtert aufatmet. Kleine Tränen glitzern in Chess' Augenwinkeln. „Endlich bist du wach. Ich dachte schon, ich habe dich verloren.“ Horn kann nicht anders, als sie anzulächeln. War das ein Traum? Jedoch fühlte sich die Handlung real an und vor allem erinnert sie sich an jedes Detail. Nach und nach kehrt ihre Stärke zurück. Zwar fühlt sie sich noch wie zerschlagen, richtet sich aber dennoch auf, obwohl jeder Nerv ihres Körpers dagegen protestiert. „Was ist", brummt Horn und das Stechen im Kopf wiederholt sich. „Was ist passiert?“ Zwei Arme umschließen Horns Brust und Rücken. Übertrieben drückt Chess zu. Am liebsten will sie Horn niemals mehr loslassen. Seit Stunden versucht sie, ihre Freundin aus dem komaähnlichen Zustand zu befreien. Leider war es die ganze Zeit erfolglos - bis gerade eben. „Chess…du erstickst mich“, schmunzelt Horn auf verwirrt. „Tut mir echt leid. Dann jage mir doch nicht so einen großen Schrecken ein“, spricht sie zuerst undeutlich, dann vorwurfsvoll. Da rückt die Ungezogenheit ihrer Freundin erneut in den Vordergrund, doch die Sorge besteht fort, das sieht Horn ihr an. „Sieht aus, als ob es dir besser geht.“ Horns Nackenhaare stehen zu Berge. Hinter der Vampirin verzaubert eine sanftmütige Stimme ihr Gehör und zieht sie in seinen Bann. Langsam dreht sie ihren Kopf, entdeckt das Gesicht von Lord Crowley und hängt förmlich an seinem Blick. Seit wann sitzt er hinter ihr? „Ja…glaube schon“, murmelt sie. Leise kichert Chess. Die ganze Zeit wachte Lord Crowley über Horn, als diese bewusstlos war und legte sogar vorsichtig ihren Kopf auf seinen Schoß. Wenn Horn davon hören würde, könnte Chess ein Lachen nicht unterdrücken. Manchmal ist Horns Alltag ein wechselhafter Genuss. „Sei ihm dankbar. Er hat sich liebevoll um dich gekümmert“, erzählt Chess ungeniert. „Deinen Kopf hat er auf seinem Schoß sicher und warm gehalten.“   Plötzlich steigt die Hitze in Horns Gesicht und sie denkt nach, ob die Berührungen während ihrer Bewusstlosigkeit von dem Vampir stammten, der sich um sie kümmerte. Allein die Vorstellung verschlägt ihr die Sprache und am liebsten würde sie ihrer besten Freundin eine Kopfnuss verpassen. Offensichtlich bereitet es ihr Freude, sie so verlegen zu sehen. „Hast du Erinnerungen an etwas, bevor du dem Feind in die Hände fielst?“, unterbricht Crowley und sieht sie neugierig an. „Hm…warte mal.“ Vor allem anderen hebt sich nur ein Moment des letzten Kampfs gegen die Menschen ab. Jemand zielte auf Chess mit einem schwarz-grünen Blasrohr und sie stellte sich tapfer dem Angriff entgegen. Leider besaß der Pfeil die Fähigkeit, die Richtung zu ändern, doch Horn bekam den Stich an ihrem linken Oberarm noch mit, bevor sie in Ohnmacht fiel. „Wo ist der Pfeil?“, wundert sie sich, als sie nach diesem an ihrem Oberarm tastet. „Meinst du das Teil?“, zeigt Chess und hält in den Händen den Pfeil. Horn nickt und empfindet immer noch, das etwas in der Wunde verweilt und sich einnistet. Sie verzieht das Gesicht. „Schmerzt es wieder?“, erkundigt sich Crowley. „Ein bisschen. Vielleicht steckt noch Gift in mir, als es aussieht“, vermutet Horn und schaut auf die schwarze Flüssigkeit an der Pfeilspitze. Übelwollend betrachtet Chess das verfluchte Teil zwischen Daumen und Zeigefinger, das ihre Freundin verletzte und nun quält. Zu ihrem Bedauern brauchen sie den Pfeil für weitere Untersuchungen. Seine Funktion ist beinahe lebensgefährlicher als die Halluzinationsfähigkeit des Pfeifenrauchers. Also steckt sie den Pfeil in eine Tüte und verstaut diese sorgsam. Crowley berührt behutsam Horns Haut. Davon bekommt sie eine Gänsehaut und zuckt leicht unter den sanften Berührungen seiner Finger zusammen. Hals über Kopf vergisst sie die leicht schmerzende Wunde und genießt Crowleys Berührungen. „Das Gift werde ich aus dir heraussaugen“, sagt der adelige Vampir und öffnet seinen Mund. Unsicherheit zeichnet sich auf Horns Miene. Das zu tun, ganz ohne Schutzvorkehrungen, hat bestimmt gefährliche Folgen für Crowley. Stur widersetzt sie sich, von Crowley gebissen zu werden. „Lieber nicht.“ Außer Reichweite von Crowleys spitzen Zähnen steht Horn auf und erholt sich von der Wirkung des Giftes. Sie darf nicht vor den anderen gebrechlich erscheinen. Zuversichtlich steht sie auf zwei Beinen, kann klar denken und möchte mit ihren engsten Vertrauten zurück zur Villa. Ein Glas frischen Blutes mit Crowley und eine Partie Schach mit Chess ergänzen den Gedanken, für heute keine weiteren Hindernisse zu erleben. „Hm…Horn braucht bestimmt Blut, um wieder zu Kräften zu kommen“, überlegt Chess und leckt sich über die Lippen. „Klingt nach einer Feierlichkeit für uns“, bekräftigt Crowley die Idee und blickt zu Horn. „Solange erhol dich ausgiebig.“ Wohlwollend schenkt sie ihm ein Lächeln und nickt. Nichtsdestotrotz brennt ihr eine Frage auf der Seele und sie wägt ab, später Lord Crowley zu fragen. Hier ist nicht der richtige Ort. In diesem Moment unterbricht jemand ihre Gedankengänge. „Willst du Wurzeln schlagen, oder was?“, meckert Chess, als sie vor Horn steht und in ihre Wangen kneift. Nach mehrerem Blinzeln seufzt Horn innerlich und versteht ihre Freundin gut, aber dafür muss sie ihr ja nicht gleich auf taktlose Art auf die Nerven gehen. Das zahlt sie ihr beim Schach zurück. Spontan leuchten die Augen angriffslustig auf. „Schon gut, Chess“, verdeutlicht sie und entfernt die Hände der Vampirin. Davon wenig begeistert, stemmt Chess die Hände auf die Hüften und zieht den Mund zu einem schmalen Strich. „Lord Crowley. Horn wirkt noch schwindelig und neben der Spur. Sie braucht Ihre Unterstützung“, betont sie und zwinkert Horn zu. „Ich gehe schon mal voraus. Bis später.“ „Warte, Chess!“, sagt Horn empört. Mit der Ausnahme eines Kichern erwidert Chess jedoch nichts und macht sich auf den Rückweg. Verdutzt schaut die Blonde ihr hinterher und runzelt die Stirn. Hat sie sich verhört oder kehrt Chess ihr den Rücken zu? So ein unangemessenes Verhalten duldet sie keinesfalls. Im Magen spürt sie ein federartiges Gefühl, als Schritte auf sie zukommen. „Darf ich behilflich sein?“ Kurzerhand dreht sie sich um und der Anblick Crowleys betört direkt ihre Sinne. Seit ihrer ersten Begegnung kann sie den Blick nicht von ihm lassen, will an seiner Seite kämpfen und hofft, eines Tages mehr als eine loyale Dienerin für ihn zu sein. „Selbstverständlich.“ Jedes Mal klingt seine Stimme mitfühlend, ruhig und weichherzig. Kein Wort verlässt den Mund und ihre Lippen bleiben versiegelt. Lautlos nickt sie ihm zu. Niemals lehnt sie seine Hilfe ab. Wie ein Gentleman überreicht er ihr seine Hand. Gemächlich streckt sie ihren Arm aus, um ihre Hand auf seine zu legen. Auch wenn der Moment nur ein paar Sekunden dauert, fühlt es sich für Horn wie eine Ewigkeit an. Am liebsten möchte sie ewig bei ihm verweilen. „Du zitterst“, erwähnt Crowley. „Mir geht es gut“, beteuert sie und unterdrückt das Zittern. „Verstehe.“ Vorübergehend scheint der Vampir zu überlegen, hält dann ihre Hand fester und drückt sie an seine Brust. Bevor ein Satz von Horn zu Stande kommt, hebt Crowley sie hoch. Reflexartig umschlingt sie seinen Hals und lehnt sich an seinen Oberkörpern. So nah bei ihm, wirbeln alle ihre Gefühle durcheinander. Tief atmet sie seinen vertrauten Geruch ein. Fühlt sich so eine Braut in den Armen ihrer großen Liebe? Unverzüglich verdrängt sie den Gedanken. „Das ist… eigentlich nicht nötig“, flüstert sie. „Eine wunderschöne Dame in Nöten kann ich nicht alleine lassen.“ „Ich bin nicht hilflos“, plädiert sie und bemerkt erst jetzt, dass dies ein Kompliment ist. Stille kehrt ein. Beschämt senkt sie den Kopf und traut sich nicht, in seine Augen zu gucken. Grundsätzlich reagiert er nie nachtragend, doch die Sache bleibt ihr peinlich. Anders verhält sich Crowley. Das Bild von Horn verleitet ihn zu einem Schmunzeln. Zudem verachtet er ihr Selbstbewusstsein und weibliche Stärke nicht. Vielmehr baut er darauf, dass er sich auf sie verlassen kann. Vielleicht tut ihr eine Ablenkung gut? „Halt dich gut fest.“ „Wie bitte?“, fragt sie konfus. Ohne Vorwarnung springt er in die Höhe auf das nächstliegende Dach. Elegant und lautlos landet er auf der Fläche. „Hier ist es ruhig“, sagt er und sieht in die Ferne. „Oh, die Abenddämmerung bricht an.“ Horn wendet ihren Blick von Crowley zum Horizont. Könnte der Moment nur ewig andauernd, ging es ihr durch den Kopf, als es um sie in der Stadt dunkel wird. „Wie lange war ich weggetreten?“, kann sie es kaum fassen. „Jetzt bist du wieder da“, ruft er ihr ins Gedächtnis. Jahraus jahrein verankert sich in Horns Seele ihm gegenüber eine tiefe Dankbarkeit. Damals rettete er nicht nur Horns und Chess' Leben. Er verwandelte sie auch in Vampire, fragte höflich und bedrängte die jungen Frauen niemals. „Das habe ich dir zu verdanken“, zollt sie ihm Respekt. „Ich kann schlecht meinen engsten Vertrauten im Stich lassen.“ Freude übernimmt in ihr die Oberhand und verleitet die Vampirin zu einem leisen Lachen, das sich in Erleichterung wiegt. Nach dem ganzen Tumult blüht sie förmlich auf und ihre Gefühle mit ihr. Tatsächlich offenbart sie diese selten. Die Gier nach Blut und die Pflicht als Crowleys Begleiterin sind ihre wahre Natur als Vampir. Spielen Gefühle auch eine Rolle? „Wunderschön“, findet Horn und beobachtet den Sonnenuntergang. Der Himmel färbt sich scharlachrot. Am Horizont versinkt die Sonne wie ein blutroter Ball und wirft hinter den Gebäuden lange Schatten. Wolken schweben einzeln über die Stadt und tauchen sich im Schein der Sonne in sattes Rot. Gerade wirkt die Welt friedlich. „Deine Wunde tut wohl nicht mehr weh.“ Ruhigen Ganges neigt sie ihren Kopf zu Crowley. Er hat Recht. Mittlerweile rückt das Zwicken in den Hintergrund, wenn auch die Wunde nicht schon verheilt ist. Dafür werden die Menschen mit ihrem Blut bezahlen. „Nein. Du kannst mich ruhig runter lassen“, sagt Horn leise. Mit einem Nicken hilft er Horn auf die Beine und das Klacken ihrer weißen Highheels schallt durch die abendliche Stille. Es ist ihr durchaus angenehm, wieder selbstständig auf eigenen Füßen zu gehen, ohne Lord Crowley weiterhin zur Last zu fallen. „Erinnerst du dich an den einen Tag?“, trägt er wie einer Rede aus alten Zeiten vor. „Hm? Damals?“, entlockt es Horn und sie scheint darüber intensiv nachzudenken. Das erste Bild flackert wie eine Kerzenflamme auf, brennt seit dem Moment in ihrem Gedächtnis, sodass sie es niemals vergisst. Ihr läuft ein kalter Schauer über den Rücken. Der eisige Wind fegte durch die Straßen und trug kalten Regen mit sich, der vom grauen Himmel auf sie niederprasselte, als sie und Chess noch Menschen waren. Gierig zog die Kälte durch ihre Haut und hinterließ ein nagendes Gefühl. Ganz schwach erinnert sie sich an ihre Augenfarbe, strahlend wie der Himmel, aber blass und hoffnungslos. Bis der Regen aufhörte. Durch die Regenwolken drangen Sonnenstrahlen hervor. Warm und freundlich berührten sie die Herzen der jungen Frauen. Jemand hielt ihnen die Hand hin, wollte ihnen eine neue Chance geben, die für die Ewigkeit halten sollte. Es war ein Mann. Stattlich. Ehrenhaft. Stark. „Ich gebe euch eine Zukunft“, erklang die vertrauenswürdige Stimme. Horns Herz schlug ihr bis zum Hals und Chess starrte ihn mit großen Augen an. Beide sahen sich erst misstrauisch an, dann erkannten sie, nicht viele Möglichkeiten zu haben. Zuerst trat Horn vor, sah schüchtern zu Boden, traute sich aber schließlich, dem Mann in die Augen zu blicken. Sie strahlten ihre eigene Wärme aus, obwohl sie die Farbe des Blutes hatten. Jedoch war Horn davon fasziniert. „Ich…“, stammelte sie. „Warte Horn“, bat Chess und hielt ihre Hand fest. Überrascht schaute Horn zu ihr. Deutlich erkannte sie die Unsicherheit und die Bedenken ihrer besten Freundin. Irgendwie führte diese Erkenntnis Horn zu einem Zwiespalt. Durch den Druck ihrer Hände gab Chess preis, wie ernst sie es meinte. „Hab keine Angst. Vertrau mir, Chess“, lächelte Horn und traf damit eine Entscheidung. Flink greift Crowley nach seinem Langschwert, formt die Augen zu Schlitzen und statt wie zuvor glutwarm schimmern sie eiskalt. Etwas erregt seine Aufmerksamkeit. Die Umgebung taucht sich in dunkles Rubinrot und Finsternis schleicht sich an. Aus der Zweisamkeit entsteht ein Schweigen, das abrupt durch ein niederträchtiges Lachen unterbrochen wird. „Du schon wieder“, zischt Horn und Schmerzen überwältigen die Vampirin. Aus der Wunde sickert eine schwarze Flüssigkeit, rinnt über Horns helle Haut und bildet eine Gestalt, die die Blonde zu gut kennt. Starr wie Eis fühlt sich ihr Körper an. Sie kann sich kein Millimeter bewegen. Erneut schließt der Schatten seine Arme um sie, damit sie diesmal nicht entkommt. Über die Situation ist sie nicht erfreut und knirscht mit den Zähnen. „Es ist mir eine Ehre, dich als Gegner zu haben und dann umzubringen“, begrüßt Crowley den Schatten sarkastisch. Auf dem gesichtslosen Schatten bildet sich ein Grinsen. In der Luft schwebt es reglos und verschmilzt mit der dämmerigen Gegend. Lange genug hat das Schattenwesen gewartet, um den richtigen Moment zu erwischen. „Das wird ein Spaß.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)