You can't always be right. von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: 'cause parents can't always be right ----------------------------------------------- Ich wurde, wie alle in meinem Alter, in einem verkorksten Jahrhundert geboren. Niemand konnte mehr sagen was nun genau Gut und Böse oder Falsch undRichtig war. Niemand konnte mehr sagen was nun männlich und weiblich war. Mein Blick lag auf der Bonbondose, die auf dem Beifahrersitz lag. Himbeer-Amphetamine. Meine Lieblingsbonbons mit Geschmack waren Himbeer-Amphetamine*. Sie schmeckten nicht nur mehr als fantastisch, sie hatten auch noch eine angenehme Nebenwirkung. Sie nahmen einem die Hemmungen, sodass man das Gefühl hatte, alles schaffen zu können. Mit einem Blick in Richtung meines Elternhauses parkte ich meinen schwarzen 1968er Chevrolet Camaro RS/SS. Hinter den beiden Wohnzimmer Fenstern flackerte Licht. Vater war also schon Zuhause. Ich habe mein Auto gekauft als war ich sechzehn. Ich wollte unabhängiger von meinen Alten sein und vielleicht auch etwas vor meinen Freunden angeben, als ich gerade dieses Auto wählte. Meist waren die Leute verblüfft, wenn nicht sogar schockiert, wenn sie mich in meinem Auto sehen. Naja, wer erwartet schon ein Kawaii-Pastel-Girl in einer schwarzen 1968er Chevrolet Camaro RS/SS? Mein Vater saß in seinem Sessel vor dem Fernseher, der gerade eine Dokumentation über Homosexuelle und deren Heilungschancen zeigt, richtete seine Waffe auf mich und sagte: „Rena, du weißt ich akzeptiere deinen momentanen pubertären Kleidungsstyl, aber wenn du je ein Mädchen küsst oder dergleichen, werde ich dich erschießen müssen. Denn solch krankhafte gottesfernen Dinge werde ich in diesem Haus nicht dulden“ Er ist in dieser Sache sehr konsequent. Er lebt in seiner eigenen Welt, die zeitlich irgendwann einfach stehen geblieben ist. Als er jung war wurde Homosexualität als Krankheit angesehen und das ist in seinem Kopf noch immer fest verankert. Mutter sieht sich das ganze still mit an, von dem Mann, den sie einst liebte, ist nicht mehr viel übrig. Einst war er offen für vieles und ein fröhlicher Zeitgenosse. Jetzt klammert er sich verzweifelt an alte Werte und das, was die Bibel anstrebt. Meine große Hoffnung, dass er wieder der Vater wird, der er mal war, wird immer geringer. Ich wollte ihm schon lange meine Freundin vorstellen, mit der ich seit einem Jahr eine feste Beziehung führe und plane demnächst zusammen zu ziehen. Ich wollte ihm zeigen wie bunt diese Welt eigentlich ist. Aber die Leute in seinem Alter sind nicht mehr so offen für neues, bleiben lieber bei Dingen, die sich alt bewährt haben und sehen nicht was sie eigentlich tun. Sie verbauen unsere Zukunft, sie halten an alten, teils christlichen Werten fest und denken, nur weil sie älter und erfahrener sind als wir, können sie sagen wo es lang geht. Warum sind sie so? Weil selbstständig zu denken zu anstrengend scheint und das deswegen die großen Konzerne für sie übernehmen. Die Art und Weise, wie sie über das Ganze denken, ist ein Mysterium für sich. Wenn man versuchen würde es nachzuvollziehen, würde man es nicht verstehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es besser wird, ist gering, denn mit jeder neuen Wahl sieht man zwar, dass es unzufriedene gibt, aber man setzt sich trotzdem immer wieder darüber hinweg und rennt einfach alles nieder. Aber mittlerweile weiß ich, dass ich mit dieser Meinung nicht allein dastehe. „Ja Vater, das verstehe ich“, sagte ich in einem Ton, der nur für genau solche antworten gedacht war. Aber wirklich verstehen tat und vor allem wollte ich es nicht. „Ich gehe hoch in mein Zimmer, ich habe noch Hausaufgaben zu erledigen.“, log ich ihm ins Gesicht, er nickte nur und ließ die Waffe sinken. Mein Zimmer war direkt unter dem Dach und hatte mehrere große Fenster. Es wirkt allerdings eher unpersönlich und die Umzugskartons wollen auch nicht so ganz ins Bild passen. Ohne dass meine Eltern davon wussten hatte ich die Kisten gepackt und würde sie heute Abend mit einem Freund zusammen zu der Wohnung bringen, die meine Freundin zurzeit noch allein bewohnte. Meine Eltern würden von meinem Auszug nicht viel mitbekommen. Es war bereits dunkel draußen als das leise klicken der Kieselsteine an meinem Fenster verriet, das Jonas mit dem Jeep da war. Ich öffnete das Fenster und grüßte kurz, ehe ich im Licht der Straßenlaternen den Flaschenzug über dem Fenster anbrachte und die Kisten mit meinen Habseligkeiten nacheinander herunterließ. Da wir die Kisten schlecht durch das Haus hätten tragen können, da mein Vater uns nie hätte gewähren lassen, hatten wir uns die Sache mit dem Flaschenzug einfallen lassen. Ein weiterer Kiesel traf mich am Kopf und so verlagerte ich mein Augenmerk auf die hübsche Goth, die neben dem Jeep stand und weitere Kieselsteine wurfbereit in der Hand hielt. „Na Sunshine? Hast du mich vermisste?“, fragte Amélie mit einem breiten Lächeln auf den schwarzen Lippen. „Du weist gar nicht wie sehr, my sweet little Bat. Pass auf, ich hab jetzt noch 2-3 Kisten und dann kann Jonas schon mal rüber fahren. Würdest du noch kurz bleiben? Ich fahr uns dann auch, aber ich habe noch was zu erledigen.“ „Klar“ „Okay, wir treffen uns in ca. 20min draußen im Garten vor der Terassentür.“ „Ich werde auf dich warten, Sunshine“ Leise trat ich die Treppe herunter und sah ins Wohnzimmer. Vater schlief. Leise holte ich das Gaffatape hervor und band ihn damit an seinem Sessel fest. „Rena, was in Gottes Namen tust du da?!“ Er war wohl aufgewacht als ich das Tape noch mal fester gezogen hatte, aber das störte mich nicht, ich war fürs erste eh fertig. „Weißt du Vater, ich wollte dir schon länger etwas sagen. Ich habe eine Freundin. Wir sind jetzt seit gut einem Jahr zusammen, glücklich zusammen.“, er unterbrach mich einfach in dem er anfing zu toben. Ich hatte leider damit gerechnet, riss einen Streifen Gaffatape ab und klebte es ihm über den Mund. „Sorry, Vater, aber du hörst mir ja sonst nicht zu. Ich habe mich entschlossen hier auszuziehen, meine Sachen sind bereits weggebracht worden. Ich habe auch nicht vor in der nächsten Zeit zurückzukommen. Ich studiere ab nächstem Jahr Kunst an einer renommierten Uni und werde bis dahin weiter für die Kawaii-Pastel-Szene Klamotten designen. Auch wenn du es nicht verstehen magst, ich kann das hier nicht mehr. Dieses ewige Versteckspiel. Ich bin weder homosexuell noch Hetero. Ich bin Pansexuell, mir ist das Geschlecht meines Partners egal. Denn Liebe, solange sie aufrichtig ist, sollte an keinen körperlichen Merkmalen festgesetzt werden. Weißt du meine Freundin ist eine Goth, sie kommt aus den schillernd dunklen Gefilden der Gothic Szene, ist also im Style das komplette Gegenteil von mir und trotzdem lieben wir uns. Mein bester Freund hat beschlossen seinen Traum wahr zu machen und steht nun als Dragqueen auf der Bühne. Ich kann dir gar nicht sagen wie stolz ich auf ihn bin.“, erzählte ich ihm und sah wie er mit jedem Wort bleicher wurde. Ich konnte es etwas nach vollziehen, man ließ schließlich nicht jeden Tag eine solche Bombe platzen, aber er musste sich doch deswegen nicht gleich so schockiert aufführen. „Wusstest du dass Lin, ja die Kleine von den Woricks, die mal meine beste Freundin war, tot ist? Selbstmord. Sie hat dieses ganze Theater nicht mehr ausgehalten, das um sie und ihre Familie gemacht wurde. Lin hat den Toaster mit ins Bad genommen, während ihre Mutter mit Gästen lachend im Wohnzimmer saß. Ihre Mutter sah, wie tausend Volt durch ihre Tochter schossen, von der sie sich wünschte, sie hätte sie nie gehabt. Ihre Mutter sagte ihr, dass sie nichts weiter gewesen war als eine beiläufige Zuneigung, die doch eher zu einer sexuellen Infektion hätte führen sollen als zu einem Kind. Der Lehrer hat die Predigerin gefickt. Ja, du hast richtig gehört und dann hat er sie von jetzt auf gleich verlassen, um „die Sünden eines männlichen Cheerleaders wegzuwaschen“. Lin war ein Kind, das nach Liebe schrie, aber nur Hass und Verachtung bekam, weil sie nun mal als Bastard geboren worden war. Sie war wie wir, sich suchte nach Akzeptanz und Liebe. Aber es ist schwer, mit Zuneigung klarzukommen, wenn man so an Ablehnung gewöhnt ist. Von dem ständigen Selbstzweifel mal ganz abgesehen. Aber auch wenn Viele es als egoistisch ansehen, war der Freitod ihre Möglichkeit nach altem Glauben neu anzufangen. Du weißt, Mrs. Worick ist christliche Predigerin, aber ihre Tochter betete den griechischen Gott Hades an, den Gott der Unterwelt und flehte ihn um Gnade an, um die Chance aus dem Lethe zu trinken und in einem neuen Leben ganz von vorne anzufangen. Dieses Leben, ihr altes Leben hatte einen Preis und den ließ sie mich wissen, als ihr Atem aufhörte. Was möchte ich dir damit sagen? Das Leute wie du sie und alle anderen, denen es genauso geht, zugrunde gerichtet habt. Dass Leute wie du ihren Kindern vorleben, dass Mensch nicht gleich Mensch ist und dass man Andere aufgrund von Dingen, für die die Betroffenen teilweise nichts können, verurteilt. Dass Menschen wie du Kindern beibringen auf Grund von Gerüchten und erlogenen Tatsachen Andere zu erniedrigen, statt zu hinterfragen, ob das denn überhaupt sein kann. Dass Menschen wie du verlernt haben zu lieben. Dass Menschen wie meine Freunde und ich versuchen das zu reparieren, was ihr in seelische Trümmer verwandelt habt, mit dem Argument: Wenn die Kirche und andere Größen das so sagen, muss es ja auch stimmen. Egal wie viel Kraft und Willensstärke es auch kostet. Du kannst das, was ich dir gerade gesagt habe, vermutlich nicht mal ansatzweise nachvollziehen, aber weißt du was? Es ist in Ordnung, ich werde das schon überleben. Weil Erwachsene nicht immer mit allem richtig liegen und weil Eltern eben nicht immer Recht haben.“ Dann ging ich durch die Terrassentür in den Garten hinaus, Amélie wartete dort bereits auf mich. Ich drehte mich noch mal um und sah meinen Vater an, ehe ich meine Arme um Amélies Hals legte und sie vor seinen Augen küsste. * auch als die Droge Speed bekannt Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)