Herding Sprats von Kathey (The Outer Worlds) ================================================================================ This is Gospel -------------- 'Cause these words are knives that often leave scars The fear of falling apart And truth be told, I never was yours The fear, the fear of falling apart - This Is Gospel - Panic! at the Disco "Was habt ihr euch dabei nur gedacht?" Hätte Max diese Frage gestellt, er hätte es nicht in einer derart ruhigen Tonlage getan. Beim Gesetz, er verstand nicht einmal, wie Lena überhaupt noch so ruhig bleiben konnte! Es war ja nicht so, als hätten sie gerade die Hälfte ihrer Bits und die Hälfte ihres Seelenheils dafür aufgegeben, um diese zwei Hüllköpfe aus einer Zelle freizukaufen! Wieso, bei allem, was ihm lieb und teuer war, wollte der Captain ihren Bruder und ihren Freund nicht am Kragen packen und jeweils einmal ordentlich durchschütteln? Max' Schläfe pochte schon beim Gedanken daran, was passiert wäre, wenn Lena nur halb so gut mit Worten gewesen wäre, wie sie es eben war, oder wenn sie auch nur eine halbe Stunde später angekommen wären. Dass Lew und Felix ein Talent dafür hatten, sich in schwierige Situationen zu bringen, sollte ihn nicht mehr überraschen, aber die Leidenschaft, mit der sie sich immer und immer wieder in eine solche hinein manövrierten, die brannte offensichtlich heller als die Sonne im Halcyon-System. "Er hat uns provoziert", meinte Felix und wedelte mit den Händen in der Luft umher, als würde das seinen Standpunkt auch nur ein Stück weit untermauern. Das Veilchen um sein rechtes Auge blühte immer mehr auf, und insgeheim freute sich der Vikar schon auf Ellies Kommentar dazu. "Ja", stimmte Lew zu und rieb sich über die Nase, die wohl auch einen Schlag abbekommen hatte. "Er kann doch nicht einfach behaupten, dass wir was klauen würde, wenn wir uns verdammt noch mal nur umschauen!" Das war ihr Teil der Geschichte. Den Rest hatten sie schon auf dem Revier gehört, nachdem ADA ihnen die Mitteilung aus der Dienststelle übermittelt hatte, damit sie sich umgehend auf den Weg machen konnten. Felix und Lew hatten eine Besorgungstour in Byzantium machen sollen - was ohnehin schon nicht die beste Idee war, aber die beiden Kindsköpfe mit der Aufmerksamkeitsspanne eines tollwütigen Sprats dauerhaft an Bord zu haben, war noch schlimmer - und dabei hatten sie sich mit einem Konzernsoldaten angelegt. Offensichtlich waren ihm zwei Männer in ihren mehr als ranzigen Kleidungsstücken negativ aufgefallen und er hatte versucht, sie aus der Reserve zu locken. Und die beiden Vollidioten waren darauf eingegangen. In der Hauptstadt der verdammten Kolonie, dem Machtsitz des Vorstands. Wo jeder falsche Schritt dazu führen konnte, dass man für den Rest seines Lebens im Gefängnis auf Tartarus versauerte. "Und es ist euch nicht in den Sinn gekommen, euch dieses eine Mal vielleicht nicht provozieren zu lassen?", fragte Max etwas ungehaltener, als er eigentlich wollte, aber verdammt, die Dummheit dieser Idioten würde sie alle irgendwann noch ins Grab bringen! Felix sah ihn an, als hätte er ihn gerade geschlagen, ehe er das Gesicht verzog. "Ehm, nein? Er war doch im Unrecht, man! Wieso sollten wir da die Klappe halten?" Natürlich. Warum erwartete er auch so etwas wie Einsicht? Oder auch nur einen Hauch von Voraussicht? Er rieb sich über die Stirn, ehe er sich zu den beiden Unruhestiftern umwandte, die sich einmal mehr keiner Schuld bewusst zu sein schienen. Lena sah aus, als wüsste sie schon, was folgen würde, und im Grunde war er froh, dass sie ihn mitgenommen hatte und nicht Ellie oder Nyoka, die dieses Verhalten noch geduldet oder sogar unterstützt hätten. "Nun, damit ihr vielleicht nicht festgenommen werdet? Oder damit der Captain nicht Unmengen an Bits aufbringen muss, um euch aus der Zelle zu holen, in die ihr euch quasi selbst geworfen habt? Damit ihr nicht auf Tartarus landet? Ich bin mir sicher, dass sich alle dort ansässigen Konzernmitarbeiter über ein paar Halbstarke mit einer großen Klappe freuen würden..." Er stoppte erst, als Lena die Hand auf seinen Unterarm legte und bemerkte erst jetzt, dass er sich selbst in Rage geredet hatte. Normalerweise hatte er das in letzter Zeit besser unter Kontrolle, viel, viel besser. Er sah zum Captain hinüber, und sie lächelte nachsichtig, weil es das war, was sie eben war -viel zu nachsichtig. Sie war es bei ihm gewesen, bei Ellie, bei Nyoka, bei Felix, und bei ihrem Bruder. Und obwohl es eine Eigenschaft war, die er im Grunde sehr an ihr schätzte, war sie momentan so unsagbar fehl am Platz. "Es ist ja alles gut ausgegangen." Sie versuchte, diplomatisch zu klingen, aber er wusste, dass sie auch mehr als besorgt gewesen war, er hatte es in ihren Augen gesehen, als ADA die Nachricht übermittelt und sie ihn danach um Hilfe gebeten hatte. Er hatte gesehen, dass sie Angst um ihre Familie hatte, und sie hatte es nicht verdient, dass sie der Last einer ganzen Kolonie und die Last ihrer Crew dazu tragen musste. "Dieses Mal", verbesserte er sie leise. Dieses Mal war es gut ausgegangen, wie die Male davor. Aber irgendwann war auch ihr Glück aufgebraucht und dann würde keine Überredungskunst der Welt mehr helfen können. "Auf Tartarus gibt es im Übrigen keine Besuchszeiten." Er löste Lenas Hand von seinem Arm und wandte sich um. Im Moment wollte er mit keinem der beiden - der drei - auch nur ein einziges, weiteres Wort wechseln, und auch Lews fast schon vorwurfsvoll klingendes "Komm schon, Max" hielt ihn in diesem Fall nicht auf. Vielleicht war er selbst daran Schuld, dass er mehr, besseres erwartet hatte, aber das hielt ihn dennoch nicht davon ab, wütend und enttäuscht zugleich zu sein. "Können wir reden?" Mit gehobenen Brauen sah Max von seinem Buch auf. Die Tür zur Kabine war geschlossen, und die Worte drangen deswegen kaum zu ihm durch, weil er genau am anderen Ende des Raumes auf dem Bett lag und die Motorgeräusche der Unreliable hier besonders laut waren. Im Grunde war es aber eher ein Wunder, dass er überhaupt gefragt wurde, ob er etwas wollte und dass Lew nicht einfach hinein stürmte, um loszuwerden, was auch immer er loswerden wollte. "Würde ein Nein dazu führen, dass du vor meiner Tür campierst und dort bleibst, bis ich mit dir rede?" Kurzes Schweigen und dann... "Darauf kannst du wetten!" Der Vikar seufzte. Natürlich. Er kannte den Bengel gut genug, um zu wissen, dass er nicht aufgeben würde, ehe er nicht seinen Willen bekommen hatte, und obwohl es furchtbar nervtötend war, hatte sich Max mittlerweile daran gewöhnt. Entnervt warf er eine Hand in die Luft, bis ihm klar wurde, dass die Geste durch die geschlossene Tür hindurch niemanden erreichen würde. "Fein", meinte er deswegen nur, und gefühlt dauerte es keine Sekunde, bis sich Lew durch die Tür schob, die sich mit einem leisen Zischen wieder hinter ihm schloss. Für seine Verhältnisse sah der junge Mann ungewohnt... schuldbewusst aus, was ein regelrechtes Wunder war. Ein verdammt großes Wunder. "Also", begann Lew schließlich und zog das Wort so lang, dass sich Max sicher war, dass er keine Ahnung hatte, was er wirklich sagen wollte. Der Vikar blickte wieder auf sein Buch, einerseits, um Lew Zeit zu geben, sich zu sammeln und andererseits... nun, vielleicht wollte er diesen Ausdruck auf Lews Gesicht auch einfach nicht sehen. "Estutmirleid. DuhattestRecht." Die Worte waren so schnell und so hastig gesprochen, dass Max nicht einmal anzweifelte, dass sie Überwindung gekostet haben mussten. Er war sich lediglich nicht sicher, ob sie wirklich so gemeint waren, wie sie gesagt wurden. "Ich weiß", erwiderte Max ruhig und sah von seinem Buch auf, als Lew leise vor sich hin grummelte. Genau die Reaktion, mit der er gerechnet hatte. "Ich versuch mich hier zu entschuldigen, du Arschloch." "Oh, und du machst das bisher wirklich großartig." Max klappte das Buch zu, setzte sich auf und schwang die Beine vom Bett, bot Lew mit einer Geste den frei gewordenen Platz neben sich an, den der junge Mann nach kurzem Zögern einnahm. Er ließ sich schwerfällig auf die Matratze sinken und folgte Max' Bewegung mit den Augen, als dieser das Buch auf dem Tisch neben sich ablegte. "War es nicht dein Job, Leuten die Beichte abzunehmen?", fragte Lew mit hervorgeschobener Unterlippe, und sah den Vikar von der Seite her aufmerksam an. Max schnaubte nur leise und lehnte sich etwas zurück, faltete die Hände im Schoß. Natürlich. Er war ein Vikar, es war seine heilige Aufgabe, sich die Probleme anderer Leute anzuhören, Tag für Tag. In Edgewater hatten Leute sogar darüber gejammert, dass sie aus Versehen auf einen Sprat getreten waren und sich jetzt schlecht fühlten, im Grunde gab es recht wenig, das ihn noch überraschen konnte. "Auch ein Vikar hat irgendwann einmal frei." Er sah nur, wie Lew den Kopf sinken ließ und stieß leicht mit dem Knie gegen seins, eine stumme Aufforderung, mehr zu sagen, als er bisher gesagt hatte. Max wusste, wo der Möter begraben lag, aber er würde einen Teufel tun, es dem Jungen aus der Nase zu ziehen. Lew seufzte, ehe er wieder zum Sprechen ansetzte. "Schon kapiert. Du bist sauer auf mich. Und jetzt zeigst du mir seit Tagen die kalte Schulter und es ist... anstrengend. Ich meine, Felix und Lena lagen sich am selben Abend schon wieder in den Armen, und du bist wieder... so. So, wie du eben bist." Max legte den Kopf schief und musterte den Mann neben sich eindringlich. Was taten Millstone und der Captain hier zur Sache? Sie spielten in einer ganz anderen Liga. In einer, in der man miteinander redete. Sie kommunizierten miteinander, ob es nun durch Worte war, oder durch Gesten. Das war etwas, in dem weder Lew noch Max sonderlich gut waren. "Wie bin ich denn?", fragte der Vikar mit ehrlichem Interesse, und für einen Moment sah Lew aus, als wäre er sich nicht sicher, ob er darauf wirklich antworten wollte. Hatte er Angst, dass Max ihn durch die Luftschleuse ins All werfen würde? Der Gedanke lag nicht immer allzu fern, aber heute war er ihm noch kein einziges Mal gekommen. "Na ja, abweisend und kühl und nicht zu vergessen..." Lew hob hilflos die Hände und verstummte wieder. "Besorgt." Das Wort hatte Max' Wort verlassen, noch ehe er genauer darüber nachdenken konnte, ob er es wirklich hatte sagen wollen. Auch Lew sah ihn an, als hätte er alles außer diesem einen Wort erwartet. Wirklich alles. Einen Moment lang herrschte betretenes Schweigen im Raum, ehe Lew mit den Schultern zuckte. "Klar, ja, besorgt. Ich bringe Lena in Gefahr, im Grunde uns alle, und dann bist du besorgt um die Zukunft der Kolonie und des Schiffs und so. Schon klar." "Ich meinte damit, dass ich besorgt um dich bin", sagte Max und blickte an die Decke. "Weil du ein Talent dafür hast, dich unnötig in Gefahr zu bringen und ich - wir - vielleicht nicht immer da sind, um zur Rettung zu eilen. Weil ich Sorge haben muss, dass du im Gefängnis landest und glaub mir, ich war dort, ich weiß, wie es auf Tartarus zugeht. Ich mache mir also jeden verdammten Tag verdammte Sorgen. Und ich hasse es. Ich hasse es, wie ich mich dabei fühle." Ein ersticktes Geräusch verließ Lews Mund, und einen Moment lang hatte der Vikar Sorge, dass sein Gegenüber einfach umkippen würde, aber stattdessen hielt sich der andere Mann an Max' Knie fest und sah ihn an, als würde er ihn gerade zum ersten Mal sehen. Es dauerte einen kleinen Moment, ehe Lew ihn an den Schultern ergriff und rücklings auf das Bett drückte, so schnell, dass Max Probleme damit hatte, den Jungen schnell genug am Kinn zu packen, um ihn zu stoppen. "Waff tufs du?", fragte Lew irritiert, während er über ihm lehnte, und Max sah ihn nur mit zusammengezogenen Brauen an. "Die Frage ist eher: Was tust du?", entgegnete der Vikar irritiert, und lockerte den Griff um den Kiefer des anderen etwas, damit er ihm auch ordentlich antworten konnte. "Ich dachte, du wolltest reden." "Aber das war, bevor du mir gesagt hast, dass du dir Sorgen um mich machst! Ich dachte, dass wir das Übliche "Tut mir leid" und "Schwamm drüber" abziehen und dann Sex haben und plötzlich sagst du mir, dass du dir Sorgen machst!" "Und ich habe auch gesagt, dass ich es hasse, weil du dir diese Sorge kein Stück weit verdient hast." Lew war rücksichtslos, kindisch, und wollte nie auch nur einen Teil der Verantwortung für irgendetwas übernehmen. Wenn er sich in Gefahr brachte, dann war es seine eigene Schuld. Max wollte nicht um eine Bettgeschichte ohne den Hauch eines Selbsterhaltungstriebs besorgt sein, und trotzdem war er hier und hatte Angst bei dem Gedanken daran, dass irgendwas, irgendjemand Lew umbringen oder - noch schlimmer - in den Knast bringen würde. Und das war einfach kein gutes Gefühl. Es war verdammt weit weg davon, ein gutes Gefühl zu sein. Er hatte das, was sie hatten, wirklich genossen, bevor er angefangen hatte, um alles und jeden auf dieses rostigen Kahn von einem Schiff besorgt zu sein, weil hier niemand wie ein Erwachsener handeln wollte. "Tss, das ist doch nebensächlich", meinte Lew grinsend und griff nach Max' Hand, um sie von seinem Kiefer zu lösen, obwohl er ihn schon gar nicht mehr wirklich fest im Griff hatte. "Du magst mich!" "Es ist faszinierend, wie schnell du dazu in der Lage bist, mir Dinge in den Mund zu legen, die ich so nie gesagt habe." "Nach "Dinge in den Mund legen" habe ich nicht mehr richtig zugehört, war das ein Angebot?" Max seufzte leise, und Lew nutzte die Möglichkeit, um über seine Stirn und seine Wange zu küssen. Es war furchtbar, wie weit ihm dieser dumme Junge schon unter die Haut ging, einfach schon durch seine bloße Anwesenheit, mit dummen Witzen, die außer ihm selbst niemand lustig fand. Er wollte das nicht. Nicht so, nicht als immer wiederkehrenden Umstand, den sie beide nicht mehr zu ändern vermochten. Aber was er wollte, stand schon lange nicht mehr zur Debatte. Und er würde eher den Architekten verfluchen, als seine Gefühle vor jemandem offen legen, der sie womöglich nicht einmal ernst nahm. Mit der freien Hand drückte er gegen Lews Schulter, schob ihn so von sich herunter, dass er neben ihm in dem sowieso schon zu kleinen Bett landete. "Max, Maximillian. Vikar... Vicky... bitte?" Lew klimperte mit den Augen und Max musste unfreiwillig grinsen. Dieser Bengel hatte wirklich keinerlei Schamgefühl. "Wir haben uns doch wieder vertragen, oder? Nur ein bisschen Versöhnungssex?" "Nein." "Ein Blowjob?" "Nein." "...Handjob?" "Nein." "Bist du immer noch vollständig und unwiderruflich dagegen, mal die Rollen zu tauschen und mich einfach machen zu lassen?" "Netter Versuch." Lew lachte leise und richtete sich etwas auf, betrachtete Max, der wieder auf dem Bettrand saß, ehe er die langen Arme um dessen Bauch schlang und das Gesicht in seinem Oberteil vergrub. "Fein", hörte er Lew nur sagen, und die Wärme seines Atems drang dabei durch den Stoff des Shirts. "Hab' ja alles gesagt, was ich sagen wollte. Ich verschwinde gleich wieder." Seine Gesten straften seine Aussagen Lügen. Seine Arme schlossen sich nur noch fester um Max' Mitte, und der Vikar drehte den Kopf ein Stück weit, so dass er den Jungen betrachten konnte. Er sah für den Moment mehr als zufrieden aus. Max seufzte. Er hatte diesen Kampf schon vor langer Zeit verloren, oder? "Du kannst auch hierbleiben." Die Wärme, die in diesen Worten mitschwang, überraschte ihn selbst, aber Gott, er war zu alt und zu erschöpft, um dem Bengel noch viel länger böse sein zu können. Und aus irgendeinem Grund schien es Lew so unfassbar glücklich zu machen, dass seine Umarmung Max fast die Luft aus den Lungen presste, zumindest, bis er aufgab und sich widerstandslos zurück auf das Bett ziehen ließ. Lieber hatte er Lew hier und konnte berechtigterweise wütend auf ihn sein, weil er sich wieder einmal gedankenlos in Gefahr gebracht hatte, als ihn an Tartarus oder den korrupten Vorstand zu verlieren. "Danke", murmelte Lew und seine Augen waren voller Dankbarkeit und Wärme und für einen Moment fragte sich der Vikar, was an all diesen Dingen den Mann so unfassbar glücklich machte. "Für deine Sorge. Du musst mich zwar echt nicht immer anschreien, aber na ja... Danke für den Versuch, mir etwas Vernunft einzubläuen." "Aber es bleibt wohl bei dem Versuch?" Lews Grinsen wurde bei Max' Worten heller. Heller, als jeder verdammte Stern über Terra 2 jemals würde leuchten können und mochte das Gesetz ihm beistehen, wenn es sein musste, würde er den Jungen auch eigenhändig aus Tartarus zurückholen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)