Morgenstern von totalwarANGEL ================================================================================ Kapitel 19: Der verlorene Bruder -------------------------------- 🌱 Den ganzen Tag hatte Nebula mit niemandem gesprochen. Weder mit den HĂ€ndlern der Karawane noch mit ihren eigenen Leuten. Sie hĂ€tte es verstanden, wenn die KrĂ€mer ohne sie weitergezogen wĂ€ren. Doch von einem einmal begonnenen GeschĂ€ft zurĂŒckzutreten, galt in Yjasul als schwere Schande. Wurde einmal fĂŒr eine Leistung oder einen Gegenstand bezahlt, so taten die Partner ihr Möglichstes, den Vertrag zu erfĂŒllen und das GeschĂ€ft abzuschließen. Offenbar selbst dann, wenn sie dem Teufel ins Antlitz blicken mussten. Die MĂ€nner waren sich außerdem bewusst, dass sie ohne die Hilfe ihrer GĂ€ste keine Chance gegen die WĂŒstenrĂ€uber gehabt hĂ€tten. Sie wĂ€ren um all ihre Waren erleichtert worden. Nun konnten sie stattdessen die Waren aus dem verlassenen Lager der RĂ€uber bergen. Die Kopfgelder fĂŒr die gefangene Jasmin und ihre Bande wĂ€ren gewiss ebenfalls ĂŒppig. Geld war wahrlich das einzige, was fĂŒr dieses Volk zĂ€hlte! Die Karawane hatte fĂŒr die Nacht in den Ruinen einer lĂ€ngst vergessenen Stadt halt gemacht. Die Überreste von SĂ€ulen alter GebĂ€ude ragten aus dem Sand in den sternenklaren Himmel. Hier suchte Nebula sich einen einsamen Platz, an dem sie möglichst niemandem begegnete. Die Schande und die Schuld wegen des Kontrollverlustes und das einhergegangene Gemetzel waren nur schwer zu ertragen. In sich gekehrt, saß sie hockend, mit den Armen ihre Beine umfassend, auf einem verwitterten Steinaltar und reflektierte, was wĂ€hrend des Kampfes passiert war. Sie schwor sich nie wieder die Kontrolle zu verlieren und dennoch war es geschehen und hatte Opfer eingefordert. Plötzlich setzte sich jemand neben sie. Es war Henrik. “Was willst du hier?”, fragte sie ihn schroff und abweisend, wie immer. “D-Dir Gesellschaft leisten”, antwortete dieser. “Ich will allein sein!” Henrik legte seinen Arm ĂŒber Nebulas Schulter. “Du musst das n-nicht mit dir allein ausmachen! WofĂŒr sind Freunde da?” “Wo sind dann die anderen?”, fragte Nebula vorwurfsvoll. “S-Sie dachten, es ist besser, wenn ich a-allein komme.” “Bestimmt die Idee von Cerise. Weniger Kollateralschaden, wenn es schief geht.” “H-Hör bitte damit auf! Ich mag das nicht, wenn d-du dich so darstellst.” “Aber du hast es doch gesehen. Ich habe diese MĂ€nner getötet. Ich hatte richtig Spaß dabei! Und ich hĂ€tte gewiss auch die Frau getötet, wenn du mich nicht aufgehalten hĂ€ttest. Manchmal frage ich mich, warum du nicht einfach abhaust.” “W-Weil ich ein Idiot bin?” “Allerdings! Du bist ein verdammter Idiot!” Peinlich berĂŒhrt senkte Nebula den Kopf. “Das macht mich sehr froh!”, flĂŒsterte sie ihm kaum hörbar zu. “Was hast du gesagt?” Plötzlich zuckte sie und ihr Haupt schoss empor. “G-Gar nichts!” Beide sahen schweigend hinauf in den Himmel. Die Magie der funkelnden Objekte oben am Himmel wirkte auf sie ein. Jedes von Ihnen gewiss eine andere Welt mit ihren eigenen Problemen. “Ich muss einen Weg finden, Caroline zu retten!” Die Stille war einfach zu still. Sie musste etwas sagen, um sie zu brechen. “W-Wir werden dir helfen!”, versicherte Henrik. “Ich muss diesen Alaric finden und ihn noch mal umbringen!” Einen Moment wagte keiner zu sprechen. “Henrik?”, eröffnete Nebula nach der Pause. “Ja?”, antwortete der Braunhaarige. “Denkst du, dass wir jemals alle Teufelswaffen finden?” “Bisher war unsere T-Trefferquote sehr gut.” “Es gibt so unglaublich viele von ihnen. Fast so viele wie Sterne am Himmel. Wie soll man sie alle in einer Lebenszeit finden?” “W-Wenn jemand das schafft, d-dann du!” Die Worte des Jungen empfand sie - wie immer - als naiv. Wie konnte er so blind darauf vertrauen, dass sie eine solche Aufgabe meistern wĂŒrde? Ihr fehlte die FĂ€higkeit, das gleiche Vertrauen aufzubringen, so viel stand fest. Allerdings war es auch das, was sie an ihm so liebte: Sein unbezwingbarer Optimismus. Das genaue Gegenteil von ihr. Ein Leuchtfeuer der Hoffnung in der Finsternis. Sichtbar, selbst wenn es unendlich weit entfernt war. Bei ihm konnte sie sich fallen lassen, in dem Wissen, dass er sie auffangen wĂŒrde. So wie jetzt, könnte sie die ganze Nacht an seiner Seite zubringen
 Stiege ihr nicht etwas Unangenehmes in die Nase. “Henrik?” “Ja?” “Geh dich waschen! Du stinkst!” Erschrocken stellte Henrik fest, dass er seit Tagen schon im eigenen Saft schmorte. Er roch unter seiner Achsel, und fĂŒr einen kurzen Moment wurde ihm schwindelig. Sie hatte definitiv nicht ĂŒbertrieben! Im Schutz ihres Zeltes lagen Clay und Cerise brav beieinander unter ihrer gemeinsamen Decke. Bis jetzt hatte die Rothaarige noch keinerlei Anstalten gemacht, ihren Liebhaber zu verfĂŒhren. Ein höchst seltsames Verhalten! Dann rollte sie sich doch noch an den Prachtkörper des Schwarzhaarigen heran und streckte ihren rechten Arm ĂŒber ihn. Clay spĂŒrte ein angenehmes Schaudern durch seinen ganzen Körper fahren, als er Cerises Brust auf der eigenen fĂŒhlen konnte. Schlagartig stellten sich alle HĂ€rchen auf seiner Haut auf und es fiel ihm schwer, seine Instinkte im Zaum zu halten. Sie fĂŒhrten diese Beziehung - oder was auch immer das darstellen sollte - nun seit vielen vielen Wochen und waren in dieser Zeit weit herumgekommen, aber noch immer erregte es ihn wie am ersten Tag, sie bei sich zu spĂŒren. Weil ich einfach unwiderstehlich bin, tĂ€te sie bestimmt sagen. Und damit hĂ€tte sie verdammt noch mal Recht! WĂŒsste er es nicht besser, tĂ€te er fĂŒrchten, jeden Moment von ihrem unersĂ€ttlichen Appetit verschlungen zu werden. Aber seine Werwolfsnase verriet ihm, dass sie ihn heute Nacht wohl nicht anrĂŒhren wĂŒrde. Cerise konnte Clays euphorische Reaktion auf ihre AnnĂ€herung deutlich fĂŒhlen. Es spornte sie an, ihn noch weiter zu reizen. “Oh, da unten freut sich etwas ganz besonders”, hauchte sie ihrem Liebhaber ins Ohr. Ihr verheißungsvolles FlĂŒstern machte es Clay nicht gerade leichter. Das Raubtier zwischen seinen Schenkeln verlangte immer eindringlicher nach FĂŒtterung. “Habt Ihr es Euch anders ĂŒberlegt?”, erkundigte sich Clay, wĂ€hrend er versuchte, den sich aufbauenden Druck so gut es ging zu ignorieren. “Ich dachte, heute bleiben wir zĂŒchtig.” “Ist es so ungewöhnlich, wenn ich Euch einfach nur nahe sein will?”, erwiderte Cerise. “Also... na ja. Schon.” “Ihr kleines sexbesessenes Wölfchen, Ihr!” Cerise begann ihr ĂŒbliches Spiel auf seinem Oberkörper zu treiben. “Ihr denkt auch nur an das eine.” Auf einmal wanderte ihre Hand hinab unter die Decke, suchte und fand. “Wir sollten uns in Eurem Zustand lieber voneinander fernhalten.” Dank seiner feinen Werwolfsnase war er in der Lage, ihre Situation genau zu erfassen. “Zustand?!” Sie sah ihn unverstĂ€ndig an. “Ich bin doch nicht krank, ich habe nur meine Tage. Wiegt Ihr Euch deshalb etwa in Sicherheit?” Sie sah Clay voll des Verlangens an. Wie um ihre Aussage noch einmal dick zu unterstreichen, verschwand Cerise nun komplett unter der Decke und ließ ihre Magie auf Clays untere HĂ€lfte einwirken. Wenig spĂ€ter lagen sie wieder nebeneinander. Clays Gesicht zierte ein zufriedenes Grinsen. “Das war fabelhaft!”, lobte er. “Ich weiß”, kommentierte Cerise. “Ihr wisst, wie man einen Mann glĂŒcklich machen kann.” “Ich kann jeden glĂŒcklich machen.” “Dennoch, eine Sache geht mir nicht aus dem Kopf.” “Was?”, Cerise schreckte auf und wandte sich ihm zu, um ihn entgeistert anzustarren. “WĂ€hrend ich auf Euer Flöte spielte, wart Ihr noch imstande zu denken?” Sie ließ sich zurĂŒckfallen und seufzte dabei ĂŒbertrieben theatralisch. “Irgendwas habe ich falsch gemacht...” “Es hat nichts damit zu tun.” “Wirklich? Na da bin ich aber beruhigt.” “Es geht um diese WĂŒstenrĂ€uber. Erinnert Ihr Euch noch, was die Frau mit dem fliegenden Teppich sagte, als Nebula-” “-ein Schlachtfest veranstaltet hat? Nein. Ich bitte um Entschuldigung, aber die Blut besudelten Leichen haben mich etwas abgelenkt.” “Sie sprach davon, jemanden retten zu wollen. Ich frage mich, wen sie wohl meint.” “Denkt doch nicht so viel nach!” “Ich glaube, sie hat ganz andere Motive, als simple Habgier.” “Das GrĂŒbeln muss Euch wirklich Spaß machen.” Clay schlug die Decke zurĂŒck und erhob sich. Cerise betrachtete seine splitterfasernackte RĂŒckseite. “Wo wollt Ihr hin?” “Da es sonst niemand tut, werde ich der Sache auf den Grund gehen.” Er war drauf und dran, sich zum Ausgang des Zeltes zu bewegen. “Aber Ihr wollt Euch vorher schon noch etwas anziehen?” Verdutzt sah Clay an sich herunter, als sei es ihm spontan entfallen, dass er nackt war. “Ich habe kein Problem damit, wenn Ihr Euren Prachtkörper zur Schau stellt, doch die WĂŒstenbewohner könnte das verstören.” Clay eilte sich, seine Scharm zu verhĂŒllen, wĂ€hrend Cerise belustigt kicherte. Jasmin kĂ€mpfte immer noch mit der Fassung. Diese Frau besaß eine Teufelswaffe, war also ebenso wie sie eine Waffenmeisterin. Aber diese Boshaftigkeit. Waren die Worte des alten Mannes am Ende doch keine LĂŒge gewesen? Große Macht kommt stets in Begleitung einer noch grĂ¶ĂŸeren Verantwortung. WĂ€hrend sie gefesselt in einem Zelt saß, hatte die AnfĂŒhrerin der WĂŒstenrĂ€uber viel Zeit zum Nachdenken. Seitdem sie Astarte ihr eigen nannte, entdeckte sie an sich ZĂŒge, die ihr nicht gefielen. Es war, als ob eine Finsternis langsam versuchte, sich ihrer zu bemĂ€chtigen. WĂŒrde sie eines Tages ebenfalls zu einem DĂ€mon werden und sich nicht mehr unter Kontrolle haben? Das musste der Preis sein, von dem der Alte sprach. Dabei wollte sie nichts weiter als Geld. Genug davon, damit sie Nael endlich wieder in ihre Arme schließen konnte. Doch es sah ganz so aus, als wĂ€re der Wunsch, die eigene Familie zusammenzufĂŒhren, zu unverfroren. Ganz in sich gekehrt, bemerkte Jasmin gar nicht, dass jemand das Zelt betrat. “Ihr!”, sprach eine krĂ€ftige Stimme. “Jasmin!” Überrascht sah die Frau in der schwarzen Abaya auf. “Ich will mit Euch reden.” Der bĂ€rtige Mann mit den pechschwarzen Haaren war einer von den Begleitern dieser Hexe. Was er im Schilde fĂŒhren mochte? Skeptisch beĂ€ugte sie ihren Besucher. “FĂŒrchtet Euch nicht. Ich werde Euch nichts tun.” Genauso wenig, wie seine Herrin den WĂŒstenrĂ€ubern nichts getan hatte? Die verschleierte orientalische Schönheit glaubte ihm kein Wort. “Ich weiß, dass Ihr Angst habt.” “Gar nichts wisst Ihr!”, spie Jasmin aus. “Vielleicht wollt Ihr mich erleuchten?” “Welchen Unterschied wĂŒrde das machen?” “Ihr seid nicht einfach nur eine goldgierige RĂ€uberin, nicht wahr?” “Wie ich sagte, Ihr wisst gar nichts!” Wenn es ihr möglich wĂ€re, hĂ€tte Jasmin lĂ€ngst Astarte herbeigerufen und mit ihm ihre MĂ€nner befreit. Doch irgendetwas schien dies zu unterbinden. Sie konnte ihre Waffe noch spĂŒren. Noch akzeptierte sie sie als ihre Herrin. Dennoch verweigerte ihr die Teufelswaffe den Gehorsam. Lag es vielleicht daran, dass ihre HĂ€nde mit diesen merkwĂŒrdigen Schellen gefesselt waren? “Es geht immer nur ums Geld!”, stellte sie dem Schwarzhaarigen gegenĂŒber klar. “Ich brauche Geld. Viel Geld! Aus diesem Grund ĂŒberfalle ich Karawanen!” “Weil Ihr ihn befreien wollt?” Konsterniert weiteten sich Jasmins Augen. “Voll ins Schwarze!” Die AnfĂŒhrerin der WĂŒstenrĂ€uber schwieg. “Ihr braucht das Geld, um jemanden freizukaufen?” Dieser Mann verstand augenscheinlich die Gepflogenheiten des Kalifat, auch wenn er nicht so aussah, als ob er aus ihm stammte. “Und wenn dem so wĂ€re?” “Wer ist es? Ein Freund? Ein Liebhaber?” “Mein kleiner Bruder. Und wenn schon? Ich habe versagt.” “Vielleicht fangt Ihr erstmal ganz von vorn an
” “Auf gar keinen Fall!” Nebula strafte ihren Begleiter mit einem vernichtenden Blick ab. “Wegen ihr ist Caroline wieder-” Sie deutete in entschiedenen aggressiven Gesten auf die gefesselte und zusĂ€tzlich von zwei MĂ€nnern in Schach gehaltene Jasmin. “Sie war eben erst wieder aufgewacht!” Sie erhob ihre Stimme vor Hass glĂŒhendem Schrei. “Eigentlich sollte ich dieses WeibsstĂŒck gleich hier erschlagen!” “Na los, macht schon!”, bot sich Jasmin an. “Ich habe sowieso nichts zu verlieren!” Sie neigte den Kopf zur Seite und bot ihren Nacken dar. Nebula zog das Schwert an ihrem Bund und ging auf sie zu. Die anderen hielten den Atem an. WĂ€hrenddessen erwartete Jasmin die Klinge. Außer ihr, Nebula und Clay waren auch die ĂŒbrigen Mitglieder der Kerngruppe anwesend. WĂ€hrend Henrik und Annemarie sich das Geschehen nicht antun konnten und wegsahen, schaute Cerise gebannt wie bei einer TheatervorfĂŒhrung zu. Sie fragte sich, ob die Prinzessin die RĂ€uberin doch noch einen Kopf kĂŒrzer machen wĂŒrde. Nebulas Arm war angehoben und bereit zuzuschlagen. Das blutige Schauspiel konnte seinen finalen Akt beginnen. “Ach verdammt!”, brĂŒllte die Blondine unverhofft und stieß ihre Waffe in den sandigen Untergrund. “Na schön. Ich höre zu.” Sie zog die Klinge wieder aus dem Boden und schob sie zurĂŒck in die Schwertscheide an ihrem GĂŒrtel. Erleichtert atmete Henrik auf. Annemarie wunderte sich ĂŒber die merkwĂŒrdigen Verrenkungen, welche er als nĂ€chstes vollfĂŒhrte. Es wirkte auf sie, als wolle Henrik prĂŒfen, dass er sich nicht aus Versehen in die Hosen gemacht hatte. Es verleitete sie zum kichern. Augenblicklich stellte Henrik seine Bewegungen ein. 🌱 FĂŒnf Jahre zuvor. Völlig außer Atem kam Jasmin mit einem Laib Brot in der Hand in ihrem Versteck und dem ihres kleinen Bruders Nael an. Seit Tagen schon hatten sie nichts mehr richtiges gegessen. Der kleine Junge war alles, was von ihrer Familie noch ĂŒbrig war. Darum ging Jasmin jedes Risiko ein, damit er am Leben blieb. Jemanden in Yjasul zu bestehlen, zog selbst bei kleinsten Schadenssummen exorbitante Bestrafungen nach sich. Einem Brotdieb tĂ€te man die Hand abschlagen. Jasmin hatte schon von einer besonders kreativen Bestrafung gehört, wo der TĂ€ter in Mehl paniert und anschließend gebacken wurde. Beim Geld verstand man im Kalifat keinen Spaß. Aber sie wĂŒrde man nicht erwischen. Sie war immer vorsichtig. Nael war bereits sehr geschwĂ€cht. Als er seine Schwester ihr schmutziges Versteck irgendwo in der Kanalisation von Madiya mit dem gestohlenen Lebensmittel in HĂ€nden betreten sah, kehrten seine Lebensgeister zurĂŒck und er sprang auf und lief Jasmin entgegen. Eine liebevolle, doch kraftlose Umarmung folgte. Jasmin legte den Laib Brot neben sich auf dem Boden ab und erwiderte Naels Zuneigungsbekundung. Diese Existenz musste eine Strafe des Schicksals sein! FrĂŒher lebten sie in einem prachtvollen Anwesen. Jasmin und Nael hatten liebevolle und wohlhabende Eltern. Der Vater erwirtschaftete horrende Gewinne mit seinen GeschĂ€ften und die Mutter war so liebevoll, wie es sich nur wenige vorstellen konnten. Leben war der reinste Luxus. Sie schlemmten wie die Maden im Speck und kleideten sich in den feinsten GewĂ€ndern. Bald prachtvoller als die des Kalifen selbst. Doch eines Tages endete das glĂŒckliche Leben abrupt, als der Vater von einem noch reicheren Mann aus dem GeschĂ€ft gedrĂ€ngt wurde und alles verlor. Nie kam er ĂŒber diesen schweren Schlag hinweg und starb nur wenige Monate nach der feindlichen Übernahme. Die Mutter versuchte anschließend, einen neuen Mann zu finden. Als das nicht funktionierte, war sie fĂŒr ihre Kinder bereit, sich selbst und den verbleibenden Rest ihres Stolzes zu verkaufen. Dies brachte ihr kaum einen Denar ein. Stattdessen erkrankte sie an einer Geschlechtskrankheit, die sie langsam aber sicher dahin raffte. Seitdem war es an Jasmin, ihren Bruder durchzubringen. Niemals wĂŒrde sie den Weg einschlagen, den ihre Mutter gegangen war. Da riskierte sie lieber Gliedmaßen beim Essensdiebstahl! Solange sie es hierher zurĂŒck schaffte, in die muffigen, stinkenden und rattenversĂ€uchten AbwasserkanĂ€le der Stadt, war sie sicher. In diesen Katakomben wĂŒrde sie niemals jemand finden. Zu ihrem GlĂŒck stimmte es tatsĂ€chlich, dass sich die menschliche Nase mit der Zeit an jeden noch so abscheulichen Geruch gewöhnte. SpĂ€ter ĂŒberließ Jasmin ihrem kleinen Bruder das gesamte Brot. Er wollte mit ihr teilen, doch sie behauptete, schon gegessen zu haben. NatĂŒrlich war das die Unwahrheit und der Hunger brachte sie bald um, doch Nael hatte das Brot nötiger als sie. Es war ihr Verzicht, der ihrem Bruder das Leben rettete. Einige Zeit zog ins Land. Besorgt erwachte Nael aus einem bösen Traum. Schnell ĂŒberzeugte er sich davon, dass es nur ein Streich seines Unterbewusstseins war. Jasmin lag noch immer auf der alten, verranzten Matte. Ihr ging es den UmstĂ€nden entsprechend gut. Schon seit Tagen konnte seine Schwester nicht mehr aufstehen. Das Leben im Dreck forderte letztendlich seinen Preis, als eine Infektion begann das MĂ€dchen von Innen heraus aufzufressen. Sie schwitzte unaufhörlich, sodass er gar nicht mehr hinterher kam, Wasser fĂŒr den Verzehr abzukochen. Das Fieber wollte einfach nicht mehr runter gehen. Bald schon wĂŒrde sie sterben. Nael wollte das nicht geschehen lassen. Immerhin war sie seine Schwester. Ohne sie wĂ€re er schon lĂ€ngst nicht mehr am Leben. FĂŒr den Anfang musste es jedoch genĂŒgen, an ihrer statt das Essen anderer zu stehlen. Er begab sich auf den Markt. Ein kleiner Junge zwischen unzĂ€hligen Erwachsenen. Er war wie verloren. Von allen Seiten schrien MĂ€nner und buhlten um Aufmerksamkeit fĂŒr ihre Waren. Da wusste man gar nicht, was man zuerst klauen sollte
 Um nicht endgĂŒltig in der Emersion dieser KultstĂ€tte des ungehemmten Konsums unterzugehen, entschloss er sich, den ObstverkĂ€ufer am Rand zu bestehlen. Der Stand war relativ ungeschĂŒtzt und die nahe Straße erlaubte Nael schnell zu entkommen und die Beute zurĂŒck ins Versteck zu bringen. WĂ€hrend er sich seinem Ziel annĂ€herte, ĂŒberhörte er das VerkaufsgesprĂ€ch eines Heilkundigen, welcher eine Tinktur anzupreisen versuchte, die jede Krankheit zu heilen vermochte. Wie hypnotisiert verwarf er sein Vorhaben und ging stattdessen zum Stand des Quacksalbers. Bei der Auflistung der Inhaltsstoffe wĂŒrde sich einem Schulmediziner der Magen umdrehen und gleich im Anschluss außer Landes flĂŒchten. Doch verzweifelte Menschen klammern sich an Illusionen, die ihnen Hoffnung versprechen. Selbst wenn es sich um den bis zur Nichtnachweisbarkeit verdĂŒnnten Urin eines Barbaren handelte, welcher es vermögen sollte, die StĂ€rke in ausgelaugte Körper zurĂŒckzubringen. “Gewiss vermag es meine Tinktur nicht, die Toten ins Leben zurĂŒck zu holen”, verkĂŒndete der Heiler mit stolzgeschwellter Brust. “Doch wer dem Tode nahe ist, wird neue Kraft schöpfen und dem FĂ€hrmann vom Boote springen!” Eine korpulente, mittelalte Frau mit blauem Kopftuch ging in jenem Moment am Stand vorbei. “Alles Blödsinn”, murmelte sie in sich hinein. Nael hingegen war angetan von der Idee, seiner Schwester auch endlich einmal helfen zu können. Auf der großen AbstellflĂ€che des Standes befanden sich weitere Flaschen. Der Junge war groß genug diese zu erreichen, also ĂŒberlegte er nicht weiter, schnappte sich eine der Flaschen und rannte davon, so schnell ihn seine Beine trugen. Die grĂ€sslichen Halluzinationen ihres Fiebers quĂ€lten Jasmin. Unruhig wĂ€lzte sie sich auf dem Boden umher. Der Schmerz wollte einfach nicht nachlassen und ihr Körper glĂŒhte. Mit all dieser Hitze könnte man Eisen schmelzen. Als Nael wiederkehrte, war sich die Kranke unschlĂŒssig, ob sie wachte oder trĂ€umte. Der Junge hockte sich neben ihr hin. Er hielt eine Flasche in der Hand. Jasmin wusste nicht, wie ihr geschah, als Nael begann, ihr den geschmacklosen Inhalt des GefĂ€ĂŸes einzuflĂ¶ĂŸen. “Du musst das trinken”, sagte ihr Bruder. “Dann wird es dir bald besser gehen!” Sie hatte sowieso nicht die Kraft, sich ihm zu erwehren. Also ließ sie es ĂŒber sich ergehen. Die geleerte Flasche veranlasste Nael zu strahlen, in der Hoffnung endlich auch mal etwas fĂŒr seine Schwester getan zu haben, welche andauernd Kopf und Kragen fĂŒr sein Wohlergehen riskierte. Trotz ihrer Schmerzen zwang sich das MĂ€dchen zu lĂ€cheln. Ein Moment der Stille folgte, indem beide ihre Sorgen kurz vergessen konnten. Plötzlich vernahmen sie ein Poltern. Einige MĂ€nner hatten die alte morsche TĂŒr zu dem Abwassersystem aufgebrochen und stĂŒrmten nun in das Innere der Anlage. Es dauerte nicht lange, bis sie Jasmin und Nael ausfindig machten. Ihnen voran ging ausgerechnet der Quacksalber, den Nael vorhin bestohlen hatte. Sein Blick fiel auf die leere Flasche neben Jasmin. “Da ist der Rotzlöffel!” fluchte der Mann. Die anderen umzingelten Nael und nahmen ihm jede Möglichkeit zur Flucht. “Ergreift ihn!” Als die MĂ€nner den Jungen packten, versuchte Jasmin aufzustehen und ihm zu helfen, aber in ihrem geschwĂ€chten Zustand wurde sie von einem der MĂ€nner brutal gegen eine Wand gestoßen und ging zu Boden. Sie konnte nur noch hilflos mit ansehen, wie ihr kleiner Bruder von den Leuten einfach so entfĂŒhrt wurde. “Was machen wir mit ihr?”, fragte einer der Handlanger. “Lasst sie liegen!”, befahl der bestohlene Heiler. “Die macht es sowieso nicht mehr lange!” Daraufhin verließen sie die Kanalisation. Bisher hatten ihr die HĂ€userwĂ€nde als nötige StĂŒtzen gedient, wĂ€hrend sie sich fiebrig durch die pralle Sonne quĂ€lte. Doch hier endeten die Außenbezirke von Mediya und gingen in ein schier endloses Meer aus Sand ĂŒber. Bis hierher war Jasmin den MĂ€nnern unter Einsatz all ihrer KrĂ€fte gefolgt. Doch nun wusste sie nicht mehr weiter. Sie hatten aufgesessen auf ihren Kamelen und waren lĂ€ngst hinter den DĂŒnen verschwunden. Einzig die Spuren im Sand wiesen noch den Weg zu ihnen. Jasmin wusste, dass in der Richtung eine Oase lag. Dort wĂŒrden sie gewiss halt machen, bevor sie weiterreisten. Sie musste es irgendwie vorher schaffen. Ein kleiner Junge brachte auf dem Sklavenmarkt viel Geld ein. Vermutlich wollte der Quacksalber den Jungen in der nĂ€chsten Stadt verkaufen, in der er halt machen wĂŒrde. Das musste sie unbedingt verhindern. Schritt um Schritt quĂ€lte sie sich voran. Der heiße Feuerball am Himmel ließ ihr nicht die geringste Gnade zuteilwerden. Krank, geschwĂ€cht und dehydriert, hatte sie dem nichts entgegenzusetzen. Kaum zweihundert Meter von der Stadt entfernt, verließen sie endgĂŒltig ihre KrĂ€fte und sie stĂŒrzte in den heißen Sand. Die Geier zogen schon ihre Kreise, als sich ein großer Schatten ĂŒber Jasmins ausgelaugten Körper legte. 🌱 ZurĂŒck in der Gegenwart. Die Gruppe lauschte aufmerksam den AusfĂŒhrungen von Jasmin. Sie erzĂ€hlte ihnen alles ĂŒber ihre Vergangenheit und ließ dabei kein trauriges Detail aus. Henrik und Annemarie schauten merklich betroffen. “Das ist furchtbar”, meinte die kleine Rothaarige. “Und derjenige, der Euch fand, war der alte Mann, von dem Ihr mir zuvor berichtet habt”, schlussfolgerte Clay. “Ja”, antwortete die WĂŒstenrĂ€uberin. “Sein Name war Uthmann. Er fand mich fiebrig und halbtot in der WĂŒste und pflegte mich gesund. Als es mir besser ging, hat er mich ausgefragt und ich erzĂ€hlte ihm alles. Daraufhin gab er mir Astarte.” “Einfach so?”, zweifelte Nebula. “Er hat keine Gegenleistung verlangt?” “Er war ein alter Mann”, meinte Clay. “An so etwas hat er gewiss nicht mehr gedacht.” “D-Das habe ich nicht ge-gemeint!” Die Richtung, in die die Unterhaltung abdriftete, war der Prinzessin sichtlich unangenehm. “Hat wohl keinen mehr hochbekommen”, befeuerte Cerise die Unterhaltung mit einem ihrer typisch unpassend sexualisierten Kommentare. “V-Vielleicht sollten wir sie a-ausreden lassen”, schlug Henrik vor. “Eine hervorragende Idee”, sagte Clay und sah Cerise belehrend an. “Er sagte, der Teppich wĂŒrde mir große Macht verleihen”, fuhr Jasmin fort. “Aber er wĂŒrde einen Preis dafĂŒr verlangen. Inzwischen ist mir auch klar, was dieser Preis ist.” Sie schenkte Nebula einen verachtenden Blick. Diese spĂŒrte eine Welle von SchuldgefĂŒhlen in sich aufsteigen. “Ich bitte Euch, mir zu helfen.” Jasmin kniete vor der Gruppe nieder. “Bitte helft mir, meinen Bruder zu retten.” “Zu blöd, dass das unser Blondchen entscheidet”, entgegnete Cerise. “Und die scheint Euch nicht besonders zu mögen.” “Schweigt still, zynische Elfe!”, forderte Nebula. Sie konnte sich gut in Jasmin hineinversetzen. Auch sie wĂŒrde alles tun, wenn sie damit ihrer Freundin helfen könnte. Vermutlich hĂ€tte sie an Jasmins Stelle genauso gehandelt. Wenn sie auf diese Weise wenigstens ein wenig Wiedergutmachung fĂŒr ihren Amoklauf leisten könne, wollte sie diese Chance nicht verstreichen lassen. “Los, steht auf!”, forderte sie Jasmin auf. “Wir werden Euch helfen.” Sie sah zu ihren Leuten. "Irgendwelche EinwĂ€nde?” Augenscheinlich hatte niemand etwas dagegen. “Wir helfen Euch, Nael zu finden.” Die RĂ€uberin in der schwarzen Abaya erhob sich. Skeptisch sah sie Nebula an. Sollte sie das Schicksal ihres kleinen Bruders in die HĂ€nde dieser Hexe legen? Eine echte Wahl hatte sie nicht
 Der nĂ€chste Tag brach heran. Nebula sah es als ihre Pflicht an, den AnfĂŒhrer der Karawane von ihrem Vorhaben in Kenntnis zu setzen. Schließlich hatte sie beschlossen, dass sie Jasmin helfen wĂŒrden. Sie besuchte ihn in seinem Zelt und berichtete ihm in KĂŒrze, was Jasmin ihnen gesagt hatte. WĂ€hrend er der NacherzĂ€hlung der Lebensgeschichte der RĂ€uberin lauschte, geschah etwas in seinem Gesicht. Der alte Geldsack wurde doch nicht etwa sentimental? “Ihr wollt also dieser kleinen RĂ€uberin bei der FamilienzusammenfĂŒhrung helfen?”, fragte der AnfĂŒhrer mit leichter VerĂ€rgerung in der Stimme. Dass dieser Achmet das nicht erbaulich finden wĂŒrde, war beinahe schon klar. Immerhin haben die WĂŒstenrĂ€uber seit Jahren Karawanen geplĂŒndert. Doch seine gekĂŒnzelte Wut konnte niemanden tĂ€uschen. “Wir sind alle Opfer der UmstĂ€nde”, entgegnete Nebula eloquent. “Nun, Ihr seid unsere zahlenden GĂ€ste”, erörterte der TurbantrĂ€ger. “Ihr und Euer Gefolge könnt tun und lassen, was Ihr wollt. Aber wir mĂŒssen unseren Termin einhalten. Wir können nicht auf Euch warten.” “Das ist mir klar.” “Ich werde Euch das Schreiben Tariks wieder aushĂ€ndigen. Er ist ein Mann mit großem Einfluss. Seine Befehle sollten Euch problemlos in einer anderen Karawane unterbringen.” “Ich danke Euch.” “WofĂŒr?” “DafĂŒr, dass Ihr auf die Kopfgelder verzichten wollt.” Achmet lachte und hielt sich dabei den Bauch. “Wisst Ihr, welche SchĂ€tze wir im Versteck der RĂ€uber fanden? Da brauche ich nicht auch noch das Kopfgeld.” Als ob! Wenn Nebula etwas begriffen hatte, dann dass die HĂ€ndler aus Yjasul fĂŒr noch mehr Gold sogar ihre Mutter an den meistbietenden SklavenhĂ€ndler verkaufen wĂŒrden. Es war viel wahrscheinlicher, dass Achmet Mitleid mit Jasmin und Nael hatte. Manchmal besiegte selbst hier die Menschlichkeit den Mammon. “Wenn Ihr das so seht, mein Herr”, ging sie auf ihn ein. “Und nehmt diesen Blonden mit Euch!”, forderte der KarawanenfĂŒhrer. “Er belĂ€stigt andauernd die TĂ€nzerinnen und setzt ihnen Flausen in den Kopf. Das sieht unser Kunde gar nicht gern. Er hat brave MĂ€dchen bestellt!” Dass die Karawane selbst Sklaven mit sich fĂŒhrte, gefiel Nebula nicht. Allerdings musste man seine Schlachten weise wĂ€hlen. Es stand nicht in ihrer Macht, eine gesellschaftliche Revolution anzuzetteln. Nebula wusste nicht, was sie Achmet versprechen konnte. Schließlich unterstand Toshiro ihr nicht. Andererseits auch keiner von ihren ĂŒbrigen Begleitern. Sie gingen nur zufĂ€llig gemeinsamen Zielen nach. “Seine
 Freundin muss ihre Verletzungen auskurieren. Er wird in der Oase bleiben mĂŒssen, wenn Ihr aufbrecht.” “Bei Yasaars goldenem Obstteller! Welch eine Erleichterung!” Die Freude veranlasste Achmet, ein Stoßgebet zum legendĂ€ren ersten Kalifen auszurufen. Toshiro musste ihm wahrlich eine Plage sein. Daraufhin ging er an eine seiner Taschen und ĂŒbergab Nebula das Schreiben von Tarik. “Hier.” Nebula nahm das Dokument an sich. “Geht nun, und nehmt diesen Strauchdieb mit Euch! Wir werden im Laufe des Tages nach Argentoile aufbrechen. Die nĂ€chste Karawane sollte in ein paar Wochen hier eintreffen.” Daraufhin wandte sich der TurbantrĂ€ger ab und signalisierte Nebula, dass sie gehen solle. Die Blondine kam der stillen Aufforderung nach. “Viel GlĂŒck bei der Suche”, wĂŒnschte Achmet, als Nebula gerade das Zelt verließ. Sie nahm es lĂ€chelnd zur Kenntnis. Wenig spĂ€ter hatte sich die Gruppe vor dem Zelt von Toshiro und Aki versammelt. Nebula war gerade dabei, ihrem Gefolge die Abmachung mit dem KarawanenfĂŒhrer zu erlĂ€utern, als der blonde Fremdling aus der provisorischen Behausung heraus trat. Zuvor salbte er die Wunden seiner LeibwĂ€chterin. Immerhin schien es zu helfen. Akis Zustand verbesserte sich von Tag zu Tag immer mehr. Sicher könnten sie bald ihre Suche nach VerbĂŒndeten fĂŒr den Krieg gegen den Hojo-Clan fortsetzen. Auch Jasmin und die ĂŒberlebenden RĂ€uber waren anwesend. Man hatte sie, wie versprochen, freigelassen. Allerdings waren die MĂ€nner allesamt unbewaffnet. “Die Karawane wird ohne uns weiterreisen", endete Nebula. “U-Und wir gehen dann n-nach M-Ma-Madiya?”, fragte Henrik. Nebula ĂŒbergab das Wort an Jasmin. “Mein Bruder wurde an Emir Jamal verkauft”, erklĂ€rte die RĂ€uberin. “Wo Nael ist, fand ich schnell heraus. Aber ich konnte nicht einfach in die Stadt einmarschieren, alles kurz und klein schlagen und ihn mitnehmen.” “Es war einfacher, das bei den Karawanen zu tun”, kommentierte Toshiro. Jasmin Ă€rgerte seine Aussage. Weil er Recht hatte. Aber es war notwendig, um Gold anzuhĂ€ufen. Da biss die Maus keinen Faden ab! “Auf nach Madiya!”, jubelte Annemarie und riss die geballte Faust gen Himmel. Clay nahm alles mit der ĂŒblichen stoischen Ruhe zur Kenntnis. “Wir werden Gold brauchen, wenn wir es mit dem Emir zu tun haben”, stellte Cerise fest. “Diese Verwalter unterstehen nur dem Kalifen. Das sind zumeist die reichsten GeldsĂ€cke in den StĂ€dten, die sie beherrschen.” “Leider haben die HĂ€ndler nun all mein Diebesgut”, meinte Jasmin. “Damit wollte ich Nael freikaufen.” “Wir brauchen einen Weg, schnell Gold zu machen”, schlussfolgerte Nebula. “Wir könnten das nervige Gör verschachern”, witzelte Cerise. “Du bist gemein!”, beschwerte sich Annemarie. “Madiya ist eine Gladiatorenstadt”, erklĂ€rte Jasmin. “Am schnellsten verdient man, indem man auf SchaukĂ€mpfe setzt.” “Bringen die sich da g-gegenseitig um?”, fragte Henrik. “Quatsch”, meinte Cerise. “Das wĂ€re nicht kosteneffizient. Einen Gladiator auszubilden kostet haufenweise Geld. Und das ist denen heilig.” Der Braunhaarige atmete auf. “Außer dem Publikum war langweilig. Dann geht der Daumen runter. Wenn sie was nicht leiden können, dann fĂŒr eine Dienstleistung zu zahlen, die nicht hĂ€lt, was sie verspricht.” Und da war sie hin, die Erleichterung. “Man mĂŒsste wissen, wer gewinnt”, ermahnte Jasmin. Nebula ließ die Fingerknöchel knacken. “Kein Problem.” Nichts gefiele Toshiro mehr, als selbst in diese Stadt zu reisen. Er könnte sich im Kampf mit starken Kriegern messen und vielleicht noch mehr VerbĂŒndete finden. Und eine großartige Show abzuziehen, sodass kein Auge trocken blieb, gehörte zu seinen SpezialitĂ€ten. Aber er konnte Aki hier nicht zurĂŒcklassen! “Als freier Gladiator braucht Ihr eine Lizenz”, dĂ€mpfte Jasmin den Eifer der Prinzessin. “Das heißt: jahrelange Ausbildung in einer Gladiatorenschule. Habt Ihr so viel Geduld? Es wird einfacher sein, einen Gladiator anzuheuern.” “Willst du, dass etwas richtig gemacht wird, musst du es selber machen”, gab Nebula von sich selbst ĂŒberzeugt Contra. “Das wird sich schon beschleunigen lassen.” “Sobald es Aki besser geht, werde ich Euch unterstĂŒtzen”, versicherte Toshiro. “Nett gemeint, aber unnötig”, schlug Nebula sein Angebot aus. Sie wollte kein Risiko eingehen. Und dieser Junge mit seinen seltsamen ZauberkrĂ€ften stank förmlich danach. Der Weg in die Stadt der Gladiatoren fĂŒhrte die Gruppe durch die heiße WĂŒste. TagsĂŒber brannte die Sonne so unerbittlich vom Himmel, dass man hĂ€tte glauben können, sich inmitten des Elendsschlunds, dem großen Vulkan im Herzen Aschfeuers, zu befinden. Die aufsteigende Warmluft flimmerte und schuf Illusionen, wĂ€hrend sie sich gen Himmel erhob. Wer hier noch glaubte, seinen Augen trauen zu können, den wĂŒrde der Tod eines Besseren belehren. Fata Morganas von mutmaßlichen Oasen waren an der Tagesordnung. Einzig durch die FĂŒhrung von Jasmin gelang es Nebula und ihren Mitstreitern, den direkten Weg durch das glĂŒhende Sandmeer zu meistern. Nach dem zweiten Tage ihrer Reise ließ sich Nebula endlich darauf ein, ein Kopftuch als Schutz gegen die Sonne zu tragen. Und am vierten Tag erschienen die Silhouetten von Madiya am Horizont. Und es handelte sich dieses Mal definitiv nicht um eine Illusion. 🌱 Als Erstes sahen sie sich nach einer Bleibe um, als sie Madiya erreichten. Yasmins MĂ€nner waren nicht mit in die Stadt gekommen, da die BefĂŒrchtung bestand, als zu große Gruppe zu viel Aufmerksamkeit anzuziehen. Die Unterkunft, in der das Sechsergespann letztlich abstieg, war das Beste, was man in dieser reichen Stadt fĂŒr kleines Geld bekommen konnte. Eine einfache LehmhĂŒtte, an deren Seiten typisch fĂŒr die gĂ€ngige Architektur des Kalifat Holzbalken aus dem Mauerwerk herausragten. Die Ziegel, aus denen das GebĂ€ude bestand, waren nicht gebrannt, sondern nur in der Sonne getrocknet. Bei den Temperaturen hielten solche Konstrukte dennoch fĂŒr Millennien, wie die Ruinen in der Oase zuvor schon eindrucksvoll bewiesen hatten, und boten eine bessere KĂŒhlwirkung. Alsbald machte sich Nebula auf die Suche nach einer Schaukampfschule, um möglichst schnell ihren Gladiatorenschein zu machen. “Ich habe bereits einen Gladiatorenschein”, hatte Cerise gesagt. Aber Nebula wollte das nicht in ihre HĂ€nde abgeben. Zum einen, weil sie zutiefst Reuhe fĂŒr den Mord an einigen von Jasmins MĂ€nnern empfand und selbst etwas tun wollte, um es wenigstens ein wenig wieder gut zu machen, indem sie Nael freikaufte. Und zum anderen, weil die Schmach damals beim Training gegen Cerise verloren zu haben immer noch tief saß. Sie wollte sich selbst beweisen, dass sie besser geworden war, indem sie die Arena von Madiya ohne ihre Waffen gewann. Wie zum Teufel hat sie den Schein bekommen, fragte sich Nebula zornig, als sie eine Schule nach der anderen ablehnte, weil sie eine Frau war. Das hatten sie zwar nicht gesagt, aber ganz bestimmt gedacht. Diese patriarchalischen Kapitalistenschweine! Bei der letzten Schule, bei der sie es versuchte, hatte sie dann endlich Erfolg. Sie traute ihren Augen bald nicht, als sich eine annĂ€hernd zwei Meter große Frau mit dunkelblonden Haaren, gigantischen Muskelbergen und einem Holzbein vor ihr aufbaute. Nebula hĂ€tte sie bald fĂŒr einen Mann gehalten, hĂ€tte sie keine BrĂŒste gehabt, so stattlich war sie. Das Eisvolk aus dem Norden war das einzige, das solche riesigen Frauen hervorbringen konnte. Was machte eine Barbarin aus Frys in der WĂŒste? Die Frau stellte sich als Lykke vor. Nebula schilderte ihr Anliegen und wieso sie unbedingt ihren Schein machen musste. “Du MĂ€dchen willst also Gladiatorin werden?”, hakte Lykke skeptisch nach. “Traut Ihr mir das nicht zu?”, zischte die kleine Blondine der großen aggressiv entgegen. “Ich verstehe dich, MĂ€dchen. Nur weil ich grĂ¶ĂŸer bin als jeder Mann hier, hatte ich es trotzdem nie leicht. Hier ist es nicht so wie bei den Clans. Das hier ist eine MĂ€nnergesellschaft, in der du nicht ernst genommen wirst, wenn du eine Frau bist. Außer du hast Geld. Geld ist der einzige Gleichmacher, den es gibt.” Die Barbarin atmete durch. “Dennoch musst du eine AufnahmeprĂŒfung ablegen.” “Dann prĂŒft mich!”, forderte Nebula. “Hast du das Ding hier ĂŒbersehen?”, fragte Lykke und deutete auf ihre Prothese. “Ich bilde nur noch aus. Ich kĂ€mpfe nicht mehr, seitdem ich mein Bein an eine EntzĂŒndung verlor. Du wirst stattdessen gegen eine alte SchĂŒlerin von mir antreten. Wie es der Zufall will, ist sie auch gerade in der Stadt.” “Die soll nur kommen!” Eine halbe Stunde spĂ€ter fand der Kampf bereits statt. Nebula stand einer vollstĂ€ndig verschleierten Frau gegenĂŒber. Einzig ihre Augen schauten noch unter der weißen Abaya und den TĂŒchern hervor. Sie wurde aus ihrer Erscheinung nicht schlau. Irgend etwas kam ihr an dem Weibsbild bekannt vor. “Ihr kĂ€mpft mit Übungswaffen”, erklĂ€rte Lykke, wĂ€hrend sie zwischen den Kontrahenten stand. “Ziel des Kampfes ist es, den Gegner aus dem Kreis zu drĂ€ngen. Solange niemand den anderen verstĂŒmmelt oder umbringt, ist alles erlaubt.” Sie reichte beiden jeweils einen Speer mit stumpfer Spitze. “Ihr benutzt Speere, da Amira damit noch nie gut umgehen konnte.” Lykke klopfte der Vermummten auf die Schulter. Scheinbar konnte sie es nicht lassen, ihren SchĂŒlern etwas beibringen zu wollen, selbst wenn sie ausgelernt hatten. Nebula fĂŒhrte ihre Waffe, wie sie es damals vom Kommandanten der Armee von Morgenstern gelehrt bekam. Den Speer fest in beide HĂ€nden und die Arme soweit auseinander, dass ein gutes StĂŒck Stange zwischen den HĂ€nden lag. Ihre Knie hielt sie locker und ihr Gewicht verlagerte sie auf das zurĂŒckgestellte rechte Bein. Die Grundstellung, welche sowohl Angriff als auch Verteidigung ermöglichte. Amira war sichtlich unwohl mit ihrer Waffe und sie versuchte, den Kampf so schnell wie möglich zu entscheiden. Nebula ließ sich jedoch nicht einfach aus dem Ring drĂ€ngen und erwiderte den Angriff. Amira konterte, indem sie wie wild um die Blondine herum wirbelte und mit der Speerstange auf ihren RĂŒcken schlug. Fast hĂ€tte sie das Gleichgewicht verloren und wĂ€re ĂŒber die Linie gestolpert. Aber Nebula gelang es, dieses Schicksal abzuwenden. Im darauf folgenden Gerangel schienen sich die Kontrahentinnen immer weiter zu verknoten und ihre Speere ineinander zu verhaken. Jedem Zuschauer war sofort klar, dass es sich auch bei der Neuen um eine erfahrene KĂ€mpferin handelte, die keines Wegs eine Ausbildung brauchte. Mit einer wuchtigen Bewegung brachte Amira Nebula zu Fall. Allerdings befand sie sich noch immer im Ring und der Kampf war noch nicht vorbei! Nebula griff zu den unfairen Mitteln aus ihrer Trickkiste und nahm schnell eine Hand voll Sand und warf sie ihrer Gegnerin ins Gesicht. Nicht die feine englische Art, aber nach Aussage von Lykke nicht verboten. Kurzzeitig der Sicht beraubt, gelang es Amira nicht, den folgenden Angriff abzuwehren. Nebula schlug ihr den Speer aus der Hand und setzte ihren Körper ein, um ihre Kontrahentin zu besiegen. Aber Amira stieß Nebula zurĂŒck, sodass sie abermals auf dem GesĂ€ĂŸ aufkam. “Stop!”, befahl Lykke. “Der Kampf ist vorbei!” Sie trat in den Kreis hinein, wĂ€hrend Amira sich noch den Sand aus den Augen pulte. “Die Neue hat gewonnen.” Schockiert blickte Amira auf ihre FĂŒĂŸe und bemerkte, dass sich der Linke hinter der Linie befand und sie tatsĂ€chlich verloren hatte. Sie trug es mit Fassung und verneigte sich vor Nebula. Danach verließ die den Kampfplatz und verschwand in einer TĂŒr des SchaukampfschulgebĂ€udes. Unterdessen war Nebula wieder aufgestanden. “GlĂŒckwunsch, du hast bestanden”, verkĂŒndete Lykke. Nachdem Nebula jeden anderen SchĂŒler, der es wagte, auch noch besiegt hatte, waren sich alle einig, dass man ihr nichts mehr beibringen konnte. WĂŒrde es nur nach Lykke gehen, hĂ€tte sie Nebula den Gladiatorenschein sofort ausgestellt, aber sie wollte VorwĂŒrfe vermeiden, sie wĂŒrde sie bevorzugen, weil sie beide Frauen waren. Darum mussten zuerst alle möglichen Zweifler zum Schweigen gebracht werden. Nichtsdestotrotz freute es die Barbarin, endlich wieder einer Frau in die Arena und zu Ruhm und Gold zu verhelfen. NatĂŒrlich plante sie, den großen KĂ€mpfen von Nebula beizuwohnen. Jeder neue Gladiator musste allerdings klein anfangen. Man konnte nicht einfach seinen Schein vorzeigen und wurde in die große Arena von Madiya hereingelassen. Das musste auch Nebula erfahren. Auch fĂŒr sie begann ihre “Karriere” in kleineren Hinterhofringen, wo man sein Teil des Preisgeld zuerst einzahlen musste, bevor man es nach einem Sieg zusammen mit dem Preis des Gegners wiederbekam. GlĂŒcklicherweise war gegen die Blondine kein Kraut gewachsen. Innerhalb einer Woche sprach sich das GerĂŒcht einer neuen starken Gladiatorin herum und Nebula bekam Zutritt zu den grĂ¶ĂŸeren Arenen, die man gewinnen musste, um sich das Privileg zu verdienen, in der Al Muluk zu kĂ€mpfen. Mit der Zeit begriff Nebula, dass es dem Publikum dabei egal war, wie ernsthaft die Auseinandersetzungen waren, wenn sie nur genug unterhielten. Teilweise spielte sie mit ihren Gegnern wie eine Raubkatze mit ihrer Beute. Beim Publikum kam das besonders gut an. Eine weitere Woche spĂ€ter hatte Nebula einen ansehnlichen Schatz an Preisgeldern angesammelt. Genug Gold, damit Jasmin ihren Bruder Nael zurĂŒckkaufen könne. Es wurde beschlossen, dem Emir Jamal beim nĂ€chsten großen Arenakampf ein Angebot zu machen, welches er niemals ablehnen könnte. Die GerĂŒchte um die auslĂ€ndische Frau, welche alle MĂ€nner in den Schatten stellte, hatten schlussendlich auch das Ohr des Emirs erreicht. Voller Neugier saß er auf einem vergoldeten Thron in seiner Loge, dessen Pracht bestimmt den Kalifen höchst persönlich mit Neid erfĂŒllen wĂŒrde. Ja, er war reich! Verdammt reich! Und Jamal sparte nicht damit, anderen seinen Reichtum unter die Nase zu reiben. Er glaubte, dass er dank seines Geldes alles haben konnte, was er begehrte. Und nichts begehrte er mehr, als exotische Schönheiten fĂŒr seinen Harem zu rekrutieren. Nachdem das Publikum mit einem Gruppenkampf angeheizt wurde, welcher nach Punkten entschieden wurde, war es an der Zeit fĂŒr das Hauptereignis des Tages. Die Sonne errötete vor Vorfreude und erzeugte lange Schatten im abendlichen Licht. Es setzte die Szenerie fĂŒr Nebula, den aktuellen Champion von Al Muluk, der Arena der Könige, herauszufordern. Ein Mann namens Hassan, der bisher ungeschlagen war. Es war an der Zeit, dies zu Ă€ndern! Der imposante Krieger stand ihr nun gegenĂŒber. Er war bekannt dafĂŒr, niemanden an sich heranzulassen. Die Waffe seiner Wahl war der Dreizack. Auch wenn in keiner offiziellen Arena bis zum Tod gekĂ€mpft wurde, waren die Waffen hier keine Spielzeuge. Trotz der Potenz ihrer SelbstheilungskrĂ€fte wollte Nebula keine Verletzungen riskieren und wĂ€hlte einen Rundschild und einen Kolben als AusrĂŒstung. Auch dieser Kampf wĂŒrde nach Punkten entschieden und sich ĂŒber fĂŒnf Runden erstrecken. Derjenige, welcher zuerst drei von ihnen fĂŒr sich entschied, wĂŒrde der Sieger sein. Nebula war bereit, sich ihrem Gegner zu stellen. Bald zeigte sich, Hassan machte seinem Ruf alle Ehre. Er war wahrhaft meisterlich darin, seine Gegner auf Abstand zu halten, bis sie mit ihrer Ausdauer am Ende waren. So war die Situation wenig verwunderlich, in der sich Nebula bald befand. Zwei Runden konnte sie fĂŒr sich entscheiden. Aber Zwei gingen an Hassan. So sollte sich alles in der fĂŒnften und letzten Runde entscheiden. “S-Sie wird es doch h-hoffentlich schaffen”, sorgte sich Henrik. “Alles andere wĂŒrde keine gute Geschichte abgeben”, kommentierte Cerise. “Es ist mein Bruder, um den es hier geht!”, erinnerte Jasmin. Gerade als der Kampf nach einer kurzen Pause fortgesetzt werden sollte, erhob sich der Emir von seinem Thron. “Haltet ein!”, befahl er. Lang genug hatte er Nebula zugesehen. Sie war in der Tat so bemerkenswert, wie die GerĂŒchte versprachen. Er wollte diese exotische Schönheit in seinem Harem wissen, koste es was es wolle. Perplex sahen beide KĂ€mpfer zu ihm auf. “Kriegerin aus dem Westen, Ihr mĂŒsst nicht lĂ€nger in der Arena nach Gold suchen”, verkĂŒndete Jamal. “Ihr habt bereits meine volle Aufmerksamkeit erlangt! Ich biete Euch alles Gold der Welt, wenn Ihr meine Hauptfrau werdet.” Nebula traute ihren Ohren nicht. Zwar hatte sie die ganze Zeit seine Blicke gespĂŒrt, doch das war jetzt echt die Höhe! Wutentbrannt schleuderte sie ihren Schild wie einen Diskus, sodass er sich ĂŒber dem Kopf des Emirs in die Wand bohrte und Lehmstaub auf sein Haupt rieseln ließ. Der Statthalter zuckte zusammen. “Was fĂ€llt Euch ein?!”, schĂ€umte sie. “Denkt Ihr, ich sei eine Ware, ĂŒber die Ihr verfĂŒgen könnt, weil Ihr im Gold schwimmt?” Auch Hassan war nicht besonders begeistert vom Lauf der Dinge und stieß seinen Dreizack in den Sand. Das Publikum schwieg angesichts des prĂ€zisen Wurfs der Gladiatorin. Hastig kehrte ein Diener den Schmutz vom Kopf seines Herren. Dieser wollte die Vorstellung, die schöne Frau aus dem Westen sein Eigen zu nennen, noch nicht aufgeben. “Ihr wollt kĂ€mpfen, Ihr sollt kĂ€mpfen”, sprach der Emir. “Machen wir die Sache mit einer Wette interessanter. Solltet Ihr gewinnen, dĂŒrft Ihr Euch alles von mir wĂŒnschen. Aber wenn Ihr verliert, dann sollt Ihr meine Hauptfrau werden.” “Darauf gehe ich nicht ein!”, verweigerte sich Nebula. “Ich bin der Statthalter! Mein Wort ist Gesetz! Gehorcht, oder verrottet im Kerker!” “Gebt Acht, dass Ihr nicht Euren Arsch verwettet!” Eine schrie von den ZuschauerrĂ€ngen herab. “Ich gehe die Wette fĂŒr sie ein!” Jasmin erhob sich aus der Menge. Ihre schwarze Abaya wehte im Wind. Mit einem Handgriff entfernte sie Schleier und Kopfbedeckung und enthĂŒllte zum ersten Mal ihr bisher verborgenes Äußeres. Sie hatte langes schwarzes, seidiges Haar und makellose Haut. “Und ich bin keinesfalls der Trostpreis!”, tönte sie stolz aus voller Kehle. “So weit dĂŒrft Ihr nicht gehen”, versuchte Nebula, sie zur RĂ€son zu bringen. “Dieser Preis ist zu hoch!” “Haltet die Klappe und tut einfach, was Ihr am Besten könnt: KĂ€mpfen.” “Fein, ich bin einverstanden!”, akzeptierte der Emir. “Wenn die Kriegerin aus dem Westen verliert, sollt ihr meine Hauptfrau werden. Andernfalls habt ihr ein Wunsch frei.” Sein Blick fiel auf den verbeulten AusrĂŒstungsgegenstand, der noch immer ĂŒber ihm in der Wand steckte. “Bringt der Blonden besser einen neuen Schild!” Endlich lĂ€utete die Glocke zur letzten Runde. Begleitet von einem dumpfen metallischen Schwingen, blockte Nebula den Stoß mit dem Dreizack ab. Die SchaukĂ€mpfe waren bisher nichts weiter gewesen als eben dies. Ein Unterhaltungsprogramm fĂŒr dekadente GeldsĂ€cke. Auch wenn ihre letzten Gegner keine unbedarften Tölpel waren, forderte sie erst der Kampf gegen Hassan wirklich heraus. Er besaß den Titel des Champion von Al Muluk zu Recht. Sie fĂŒrchtete, frĂŒher oder spĂ€ter in einem Moment der Unachtsamkeit ihre volle StĂ€rke gegen ihn einzusetzen. Weitere StĂ¶ĂŸe trafen den Schild, bis er nicht mehr an seine einst runde Form erinnerte. Nebula entledigte sich ihm, da er sie nur behinderte. Ohne den Schild konnte sie den Angriffen Hassans besser ausweichen. Beinahe tĂ€nzelnd entging sie den StĂ¶ĂŸen des Dreizacks und das Publikum jubelte ihr zu. Das Spiel mit der Beute kannten sie bereits. Als sie genug vom Ausweichen hatte, packte sie Hassans Waffe und ließ sie nicht mehr los, egal wie sehr er sich anstrengte. Mit einem gezielten Faustschlag zerbrach die Blondine den Stiel. Schockiert sah Hassan Nebula an. Sie durfte ihn nicht kaputt machen. Von seiner Waffe war aber nie die Rede gewesen. Hassan warf den nutzlos gewordenen Rest des Dreizack weg und ballte die FĂ€uste. Nebula entledigte sich ihrerseits ihrer Waffe und spiegelte seine Pose. Unter dem bebenden Jubel der Zuschauer stĂŒrzten sich die Kontrahenten aufeinander und trugen den Rest ihres Kampfes im unbewaffneten Zweikampf aus. Hassan blockte Nebulas SchlĂ€ge. Dieses MĂ€dchen aus dem Westen besaß eine Kraft, die er noch bei keinem Gegner erlebt hatte. Und dazu war sie eine zierliche kleine Frau. Jeder Treffer fĂŒhlte sich an, als ob ihre Angriffe seine Arme in Schwingung versetzen wĂŒrden. Die nĂ€chsten Wochen werden sie von HĂ€matomen ĂŒbersĂ€t sein, wenn sie ihm nicht gar abfallen. Zwischen ihren Angriffen ließ Nebula Hassan ungewollt ein Fenster fĂŒr einen Konter, welcher prompt traf und ihr eine blutige Nase bescherte. Hassan starrte irritiert auf die schwarze FlĂŒssigkeit, die aus dem Riechorgan seiner Gegnerin austrat. Nebula befĂŒhlte ihre Nase und sah das Blut an ihren Fingern. Sie fĂŒhlte einen Impuls von Wut in ihr aufsteigen und vergolt es Hassan, indem sie ebenfalls sein Gesicht maltrĂ€tierte. Ihr Schlag hatte beinahe die Wucht einer Kanonenkugel und schickte den großen, krĂ€ftigen KĂ€mpfer umgehend auf die metaphorischen Bretter. Als Hassan nicht mehr aufstand, begann das Publikum zu jubeln. Nebula spĂŒrte Befriedigung beim Anblick seiner gebrochenen Nase. Derweil verkroch sich der Emir in seinem Thron, als hoffte er, nicht gesehen zu werden. Er wusste genau, was Nebulas Sieg fĂŒr ihn bedeutete. Ein triumphierendes Grinsen zierte Jasmins Visage. Am darauffolgenden Tag. Unter dem kĂŒhlen Luftstrom eines Palmenwedels lag die reichste Person der Stadt und empfing ihre GĂ€ste. “Wer hĂ€tte gedacht, d-das es so ausgeht?”, fragte Henrik in die Runde. “Mein Sieg stand außer Frage”, stellte Nebula klar. “Das könnte wohl jeder behaupten, der Normalsterbliche mit TeufelskrĂ€ften aus den Latschen hauen kann”, stichelte Cerise. “Das war
 ein Unfall”, versicherte die Blondine. “Ausreden!” “Wie wĂ€re es, wenn wir uns alle beruhigen?”, schlug Clay vor. In jenem Moment stĂŒrmten zwei Kinder durch einen der ZugĂ€nge in den großen Empfangsraum hinein. Es handelte sich um einen schwarzhaarigen Jungen, etwa um die zehn Jahre alt. Begleitet wurde er von einem energiegeladenen Rotschopf. Von Annemarie. Sie hatte den Jungen sofort ins Herz geschlossen. Der Junge rannte zu der Frau auf der exorbitanten Sitzgelegenheit in der Mitte des Raumes und ließ sich von ihr umarmen. Bei ihr handelte es sich um keine andere als Jasmin und der Junge war ihr verloren geglaubter Bruder Nael. “Ich mag diese FĂŒgung auch kaum glauben”, pflichtete Jasmin Henrik bei. “Oder was meint Ihr, mein treuer Sklave.” Sie richtete den Blick auf den Mann, welcher unermĂŒdlich den Palmenwedel schwang. Jamal unterdrĂŒckte ein wĂŒtendes Knurren. Vom Emir von Madiya zum persönlichen Diener dieses WeibsstĂŒck abzustĂŒrzen, war eine soziale Talfahrt, die er so schnell nicht verdauen wĂŒrde. Eines Tages
 Ja, eines Tages wĂŒrde er sich zurĂŒckholen, was sein war! Nach Nebulas Sieg forderte Jasmin ihren Preis ein und wĂŒnschte sich von Emir Jamal all seine BesitztĂŒmer zu ĂŒbernehmen. Dies hatte nicht nur zur Folge, dass sie ihren Bruder befreite, sondern bedeutete fĂŒr Jamal ebenso den Verlust all seiner WĂŒrden. Von einem Moment auf den anderen wurde er mittellos. Und dies nur, weil er das Denken dem Ding in seiner Hose ĂŒberlassen hatte. Als Teil seiner BesitztĂŒmer gehörte Jasmin nun auch Nael, dem sie als erste Amtshandlung seine Freiheit zurĂŒckgab. “Wird sie mit ihrer neuen Position klar kommen?”, fragte Clay. “Ich meine als Handlangerin des Kalifen.” “Keine Frage!”, meinte Cerise. “Sie ist eine eiskalte GeschĂ€ftsfrau!” Derweil trat Nebula an Jasmin heran. “Ich weiß, dass ich dies hier auch Euch verdanke”, eröffnete die frisch gebackene Herrscherin ĂŒber die Stadt der Gladiatoren. “Darum möchte ich Euch etwas ĂŒberreichen.” Sie erhob die linke Hand. “Erhebe dich in die sieben Winde, Astarte!” Schwarze Luftverwirbelungen verdichteten sich zu einem Teppich, welcher vertikal schwebend zwischen ihr und Nebula in der Luft verharrte. “Ist das Euer ernst?”, staunte Nebula. “Ihr wollt mir Astarte ĂŒberlassen?” “Ich brauche es nicht mehr”, erklĂ€rte Jasmin. “Bevor ich so werde wie Ihr, gebe ich es lieber an Euch weiter.” In ihrer Stimme klang der Groll ĂŒber die MĂ€nner nach, die Nebula in einem Anfall von Zorn erschlug. “Ich verachte Euch mindestens so sehr, wie ich Euch dankbar bin.” Nebula kommentierte es nicht und streckte die Hand nach Astarte aus. Eine Frau mit schneeweißem Haar, gehĂŒllt in ein scharlachrotes Kleid, wandelte barfuß ĂŒber den kalten weißen Sand unter einer pechschwarzen Sonne. Der Hunger trieb sie voran. Sie spĂŒrte ihre Beute in jeder Faser ihres Körpers. Irgendwo hier befand sie sich und beobachtete. Der schrille Schrei eines Vogels durchdrang die Stille. Die Frau sah in den Himmel und entdeckte, dass ein monströses geflĂŒgeltes Ungeheuer ĂŒber ihr seine Bahnen zog. “Da bist du ja, Nummer 17”, flĂŒsterte sie. Sie streckte die rechte Hand gen Himmel. Die NĂ€gel ihrer Finger schossen wie Pfeile in die Luft und bohrten sich in den schwarzen Vogel. Getroffen stĂŒrzte er zu Boden und schlug mit einem lauten, dumpfen Knall auf dem Sand auf. Zufrieden mit sich selbst grinste die Frau und trat an die zuckende, stark blutende Kreatur heran. “Wenn du dich wehrst, wird es nur noch schlimmer!” Es dauerte nicht lange, bis Nebula die Teufelswaffe mit ihrer besonderen FĂ€higkeit ihrer Waffenkammer hinzugefĂŒgt hatte. Astarte bereitete ihr seltsamerweise weniger Probleme als alle bisherigen Teufelswaffen. Zwar wunderte sie es ein wenig, aber sie schloss, dass mit der Zeit eine gewisse Gewöhnung stattfand. “Und jetzt wĂŒnsche ich, dass Ihr mir aus den Augen tretet”, setzte Jasmin fort. Nebula kam der Aufforderung nach. Annemarie rannte noch einmal zu Nael. Sie wollte sich von ihm verabschieden. Der schwarzhaarige Junge umarmte das MĂ€dchen. Annemarie beantwortete es, indem sie Nael einen Kuss auf die Wange gab. Die Geste ließ ihn erröten. “A-Ach wie niedlich”, schwĂ€rmte Henrik. Aber niemand ging darauf ein. Ohne weitere Zeit zu vergeuden, packten Nebula und die anderen ihre sieben Sachen und machten sich auf den Weg zurĂŒck zur Oase. Die RĂŒckreise nahm erneut vier Tage in Anspruch. Wenige Stunden nach ihrer Ankunft erreichte die nĂ€chste Karawane den Haltepunkt. Sie hatten es gerade rechtzeitig zurĂŒck geschafft. Nebula ĂŒberreichte dem AnfĂŒhrer das von Tarik unterzeichnete Dokument. Er akzeptierte es ohne weitere Umschweife und die Gruppe hatte ihre Mitreisegelegenheit gesichert. Achmet wurde nicht LĂŒgen gestraft. WĂ€hrend Nebula und die anderen ihre Abenteuer in Madiya erlebten, kĂŒmmerte sich Toshiro weiter um Aki. Ihre Verletzungen waren weitestgehend verheilt und ein die Karawane begleitender Heiler bescheinigte ihr Reisetauglichkeit. Damit war es ihnen möglich, die Kerngruppe weiter zu begleiten. Die Vorbereitungen fĂŒr die Abreise liefen. Nebula nutzte ihre ĂŒbermenschliche StĂ€rke und wuchtete Carolines Sarg auf den Wagen. Zuvor hatten sie sie bei Toshiro gelassen. Zwar war die Prinzessin skeptisch gewesen, aber Henrik ĂŒberzeugte sie, dass der Fremde aus dem Osten gut auf sie aufpassen wĂŒrde, da er sich auch so liebevoll um diese Aki kĂŒmmerte. Wahrscheinlich will der eine Perverse fĂŒr den anderen einstehen, dachte sie, als sie den Sarg festzurrte. Das Toshiro sie beim Baden beobachtete, hatte sie noch nicht verwunden. Derweil striegelte Clay seinen Schimmel - das musste auch mal wieder sein. Cerise sah ihm dabei aufmerksam zu. “Kein feuchtfröhlicher Kommentar von Euch?”, fragte Clay, wĂ€hrend er den gröbsten Dreck mit der BĂŒrste aus dem Fell seines Pferdes entfernte. “Soll ich Euch fragen, wann Ihr gedenkt, mich ordentlich zu bĂŒrsten?”, kicherte Cerise. “Ich wusste es doch! Kleines, perverses Wölfchen.” “Ich frage mich, wie lange Ihr Euren Teil in dem Abenteuer in Madiya noch geheim halten wollt”, enthĂŒllte der Werwolf seine GedankengĂ€nge. “Ich sehe nicht ein, wieso ich deshalb einen meiner Decknamen offenlegen sollte”, meinte die Rothaarige daraufhin. “Und ich dachte, Ihr brennt darauf, der Prinzessin unter die Nase zu reiben, dass ‘Amira’ sie nur gewinnen ließ.” Clay grinste verschmitzt, wĂ€hrend er weiter die BĂŒrste ĂŒber das Fell bewegte. ”Außer Ihr habt sie gar nicht gewinnen lassen
” Cerise nĂ€herte sich ihrem Liebhaber mit einladendem HĂŒftschwung, den er gewiss aus dem Augenwinkel sah, und schmiegte sich an ihn. “Das werden wir leider niemals erfahren”, hauchte sie ihm ins Ohr. Nachdem alle ihre Vorbereitungen getroffen hatten, setzte sich die Karawane in Bewegung und die Reise nach Argentoile wurde aufgenommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)