Morgenstern von totalwarANGEL ================================================================================ Kapitel 21: Der einzige Überlebende ----------------------------------- 🌢   Durch ein altes, finsteres und ungeziefer verseuchtes Gemäuer drangen die angestrengten rhythmischen Atemstöße einer Frau. Wenige Fackeln erhellten den Raum und verrieten beinahe flüsternd schemenhaft seine Ausmaße. Die Frau lag mit angewinkelten, gespreizten Beinen auf einem mit Fellen ausgelegten Bett. Sie war schon so lange hier unten gefangen, dass sie ihren eigenen Namen vergaß. Vielleicht wusste sie ihn noch, doch er war einfach nicht mehr wichtig. Um sie herum standen drei düstere Gestalten in schmutzigen, vergrauten Roben, deren Gesichter nicht zu erkennen waren. Eine von ihnen zertrampelte angewidert eine Ratte, die soeben auf der Suche nach Nahrung über den Boden flitzte. Diese Dunkelheit war die Realität der Frau geworden. Unter den Schmerzen der Geburt dachte sie zurück an die Zeit vor ein paar Monaten, als sie noch in Freiheit lebte. Sie war schon damals in freudiger Erwartung. Sie hatte einen Mann und schon ein weiteres Kind. Eine Tochter. Eines Tages brach zu später Stund ein Feuer aus. Sie konnte sich noch retten, doch für ihren Mann und ihre Tochter kam jede Hilfe zu spät. Niemand konnte mehr etwas tun und sie war dazu verdammt, die ersterbenden Schreie ihrer Familie zu hören, während diese vom flammenden Inferno verschlungen wurden. Sie verfluchte die Nacht, in der ihr alles Glück der Welt genommen hatte. Was sollte sie tun? Wo sollte sie hin? Schwanger und ohne Bleibe, irrte sie über die kalten Straßen ihrer Heimatstadt. Doch es sollte noch schlimmer kommen. Gerüchte waren im Umlauf. Missgünstige Stimmen verbreiteten Lügen über sie, anstatt ihr in dieser schweren Zeit zur Seite zu stehen. Es hieß, sie habe das Haus selbst angezündet und ihren Mann und ihr Kind ermordet. Was für eine absurde und unverschämte Anschuldigung! Doch es wirkte. Niemand wollte ihr mehr helfen. Der Pöbel forderte ihren Tod. Auf den Straßen war sie nicht mehr sicher und so flüchtete sie in die finstersten Ecken, die sie finden konnte. Hier ernährte sie sich von erschlagenen Ratten und anderen Tieren, bis auch dieses Versteck entdeckt wurde und sie abermals zum Fliehen verdammt war. In ihrem Zustand konnte dies nicht ewig so weiter gehen. Schließlich wurde sie eines Tages vom wütenden Mob aufgegriffen und auf den Scheiterhaufen verfrachtet. Dort sollte sie das gleiche Schicksal wie ihre Familie erleiden und zusammen mit ihrem ungeborenen Kind bei lebendigem Leibe verbrannt werden. Die gerechte Strafe für die Tat, die sie niemals begangen hatte. Man glaubte, ihre Bosheit würde auf das Kind übergehen. Anfangs bettelte sie noch um Gnade, doch ihre Schreie verstummten schnell nach mehreren Schlägen in ihr Gesicht durch des Henkers Hand. Sie machte ihren Frieden damit, an diesem Pfahl an diesem Tag ihr Leben auszuhauchen. Vielleicht hätte sie netter zu ihren Nachbarn sein sollen. Ob sie dann von solchen abscheulichen Anschuldigungen aus niederen Beweggründen verschont geblieben wäre? Der Gedanke an die Ungerechtigkeit, die ihr widerfuhr, trieb ihr die Tränen ins Gesicht. “Schaut, die Hexe winselt um Gnade”, rief es aus der Menge. Die brennende Fackel war kaum noch zehn Zentimeter von dem aufgeschichteten Holz und Stroh entfernt und die Jubelschreie des Publikums unfassbar laut, als plötzlich ein gut gekleideter Mann kam und anwies, die Hinrichtung zu stoppen. Man band sie vom Scheiterhaufen ab und nahm sie mit, den Protesten des blutrünstigen, wütenden Pöbels zum Trotz. Die bewaffnete Begleitung des Mannes hielt den Mob auf Abstand. Wohin die Reise ging, verschwieg man ihr. Es war ihr allerdings gleichgültig. Hauptsache weg von hier! Als nächstes fand sie sich in eben dieser Finsternis wieder, in der sie die letzten Monate zugebracht hatte. Man fesselte sie an Armen und Beinen mit widerstandsfähigen Strick und Lederbändern. So verharrte sie seither. Man kümmerte sich um ihre dringendsten Bedürfnisse und bearbeite sie mit seltsamen Geräten. Was das alles zu bedeuten hatte und wer dafür verantwortlich war, wusste sie nicht. Wollten sie ihr einfach nur ihr Kind nehmen, sobald es da war, oder steckte noch mehr dahinter? Auch das wusste sie nicht und sie würde es möglicherweise auch nie erfahren. Nach endlosen Versuchen, sich ihrer Fesseln zu entledigen und pausenlosen Schreien in die Dunkelheit hatte sich die Frau ihrem Schicksal ergeben. In all der Zeit wuchs ihr Bauch zu einer beachtlichen Größe heran. Und heute war es endlich so weit. Die Fruchtblase war geplatzt. In den letzten Wochen verspürte sie bereits die ersten Wehen. Diese waren annähernd schmerzlos. Sie kannte es bereits von der Geburt ihrer Tochter. Sie kündeten das bevorstehende Ereignis an und sollten den Körper auf das Kommende vorbereiten. Etwa zur gleichen Zeit beginnt der Fötus in der Gebärmutter herabzusinken. Seit dem Platzen der Fruchtblase spürte sie jedoch regelmäßig Schmerzen. Die Phase der Latenz lag damit hinter ihr und der Hauptteil konnte beginnen. “Der Muttermund hat sich geöffnet”, hörte sie eine der Gestalten sagen. “Ruhig atmen, Weib!”, befahl eine andere Gestalt. Das war leichter gesagt als getan. Wie sollte ein Mann jemals in der Lage sein, die Pein einer Geburt nachzuvollziehen? Diese unvorstellbaren Schmerzen ließen die Frau in eine Art Trance verfallen. Ihr Körper begann damit, Hormone auszuschütten, welche ihre Schmerzen betäubten. Instinktiv begann sie durch eine bestimmte Atemtechnik die Reise des neuen Erdenbürgers aus ihrem Körper hinaus in diesen dunklen Raum zu beschleunigen. “Ich kann den Kopf sehen!”, verkündete die erste Gestalt. Lange konnte es nicht mehr dauern. Ermutigt vom nahenden Ende ihrer Qualen, setzte die Frau ihre Anstrengungen fort. Ihr wurde so unfassbar heiß. Als ob die Tore der Hölle in ihrem Körper aufgestoßen wurden. Daran konnte sie sich nicht erinnern. Bei der Geburt ihrer Tochter fühlte sie nichts der Gleichen. Das konnte nicht normal sein! Diese absurde Hitze strahlte von ihrem Bauch aus und es war ihr, als kochte sie ihre Eingeweide. Sie fühlte sich, als ob sämtliches Blut in ihrem Körper verdampfte. Die Finsternis vor ihren Augen färbte sich allmählich blutrot mit jeder Sekunde, die verstrich. Sie spürte, wie ihre Kräfte schwanden. Ich brenne, dachte sie. Ich brenne! Bald darauf wurde ihr die Gnade der ewigen Stille zuteil.   Belanor torkelte durch die Gassen von Vanitas. Sein Magen rebellierte angesichts dessen, was der Elf einen Moment zuvor gesehen hatte. Er suchte Halt an einer Hauswand, während er sich an ihr Fundament übergab. Als Soldat sah er bereits viele Leichen, doch noch nie jemanden, der ihm wirklich etwas bedeutet hatte. Der Schock und der Schmerz suchten ihres Gleichen. Niemals hatte ihn der Verlust eines Kameraden so sehr getroffen, wie jetzt Sandra leblos und geschändet in ihrem eigenen Bett vorzufinden. Verzweiflung paarte sich mit Wut. Belanor wusste nicht, ob er traurig sein oder sich dem Zorn hingeben wollte. Neugierig verfolgte das Stadtvolk die unbeholfenen Gehversuche des Elfen. Ein Mitglied des Adelsstandes, vermeintlich volltrunken durch die Gassen von Vanitas schlingern zu sehen, war für sie die reinste Komödie. Ausgelassen pusteten einige von ihnen los. Ihr Gelächter war Belanors grausames Geleit. Sie schürten die finstersten Gedanken in seinem tiefsten Inneren. Diese lachenden Hyänen sollten gefälligst schweigen. Er hielt es nicht mehr aus! Ohne eine Vorwarnung stürzte sich der Elf auf einen der lachenden Stadtbewohner, riss ihn zu Boden und begann damit, seinen Zahnstatus nachhaltig zu beeinflussen. Schlag um Schlag von zur Faust geballten Händen regneten auf den Mann nieder. “Sie ist tot!”, brüllte Belanor. “Begreifst du?! Sie ist tot!” Während der Mann nicht wusste, wie ihm geschah, verging den anderen das Lachen. Die Heiterkeit machte dem Entsetzen Platz, als das Gesicht des Mannes mit jedem Treffer neue Verletzungen dazu gewann und Belanors Hand allmählich eine rote Farbe annahm. “Hey! Aufhören!” Mehrere Stadtwachen eilten zum Schauplatz der Gewaltorgie. Passanten hatten sie aufmerksam gemacht. Zwei Soldaten packten Belanor und zerrten ihn von seinem schwer verletzten Opfer weg. “Lasst mich los!”, befahl er ihnen. Die Stadtwachen ließen sich jedoch nicht von seinen Worten beeindrucken. Genauso wenig von seinem Status, als ihnen endlich bewusst wurde, wen sie vor sich hatten. Es war auch völlig egal. Jeder Bürger des Kaiserreich genoss ein gewisses Maß an persönlichen Rechten. Selbst mit einem Menschen konnte man als Elf nicht verfahren, wie man beliebte, wenn dieser kein Unfreier war. Niemandem war es gestattet, einen anderen auf offener Straße zusammenzuschlagen und so die öffentliche Ordnung zu erschüttern. Nicht einmal einem Diplomaten. Darum führten die Männer Belanor trotz Protesten, unentwegten Hinweisen auf seine Autorität und gegen sie gerichtete Aggressionen ab. Der Elf fand sich alsbald im Kerker von Vanitas wieder.   Die große Wüste lag endlich hinter ihnen. Nach einer langen und beschwerlichen Reise ließen sie endlich das endlose Sandmeer hinter sich. Die Grenze zu Aschfeuer war nicht mehr weit. Morgen würden sie Argentoile, eine Handelsstadt am Pass zwischen Kalifat und Kaiserreich, in der tagtäglich unzählige Händler ein und aus gingen, erreichen. Jetzt hatte sie allerdings das Dunkel der Nacht verschlungen. Es war Schlafenszeit und die Mitglieder der Karawane hatten ihre Zelte aufgeschlagen. Ebenso befanden sich Nebula und ihre Gefährten bereits in den Federn. Da die Zelte dank des überraschenden Zuwachs der beiden Fremden aus dem Osten erneut Mangelware waren, mussten sie aufgeteilt werden. Clay und Cerise bekamen natürlich ihr eigenes Zelt. Beide nutzten die Nacht, um sich von den Strapazen des Tages - hauptsächlich der letzten anstrengenden Stunden Zweisamkeit - zu erholen. Aki wurde indes von Toshiro bewacht, obwohl sie eigentlich seine Leibwächterin war. Längst hatte sie ihre Verletzungen überstanden und trotzdem wollte der Oji seine Kunoichi nicht aus den Augen lassen. Auch Henrik und Nebula nächtigten gemeinsam in einem Zelt. Damit niemand auf dumme Gedanken kam - hauptsächlich ein gewisser Perversling - bestand Nebula darauf, dass Annemarie als Anstandsdame zwischen ihnen schlief. Und wie sie schlief... Wie ein Stein! Unbestimmte Zeit später schlug Nebula die Augen auf. Irgendetwas verwehrte ihr die Ruhe, welche sie eigentlich dringend benötigte. Schlaftrunken setzte sie sich auf und schielte auf ihre in den Schlafsack eingehüllte Beine. Erst langsam fuhr ihr Geist zu seiner vollen Leistungsfähigkeit an. Auf einmal bemerkte sie, dass sie ganz allein im Zelt war. Sowohl Annemarie als auch Henrik schienen abwesend zu sein. Wo sind sie?, überlegte Nebula. Der unwiderstehliche Drang, ihren Verbleib zu ergründen, ließ sie aufstehen, obwohl sie eigentlich weiter schlafen wollte. Ihr geliebtes Nachthemd kam zum Vorschein, als sie sich aus dem Schlafsack befreite. Barfüßig trat sie aus dem Zelt. Die anderen Zelte waren ebenfalls verschwunden. Sie war ganz allein. Hier stimmt etwas nicht, erkannte Nebula. Aus Mangel an Optionen beschloss sie weiter diesem seltsamen Gefühl zu folgen. Es führte sie vorbei an dem Lagerplatz, hinaus in einen dichten Wald. Meterdicke Bäume erhoben sich bis fast in den Himmel. Sie konnte den Waldboden unter ihren nackten Füßen spüren. Feuchtes Moos schmiegte sich an sie. Dichter Nebel hing zwischen den Baumstämmen wie Spinnweben auf einem Dachboden. Aus der dichten Suppe kam ihr jemand entgegen. Es war Annemarie. “Was machst du hier?”, fragte Nebula das Kind. “Ich muss dir etwas zeigen”, antwortete sie und nahm die Blondine an die Hand. In der Ferne sahen sie eine Lichtung mit einem merkwürdigen Steinkreis in ihrem Zentrum. Gruseliger Bodennebel verhüllte alles. Von ihr gingen entsetzliche Schreie aus. “Wer schreit da?!”, entfuhr es Nebula. “Das muss ich dir zeigen.” Annemarie reichte ihr die Hand. Selbst wenn ihr Instinkt ihr mitteilte, sie solle nicht näher kommen, hörte sie nicht darauf und tat stattdessen das genaue Gegenteil. Sie ergriff die Hand des Mädchens und ließ sich führen. Langsam erschienen die Konturen einer Person, welche über etwas gebeugt schien. Sie hielt einen Gegenstand in einer Hand, der wie ein Beil aussah, und bewegte ihn unentwegt auf und ab. Mit der anderen stützte sie sich ab. Die Schreie intensivierten sich mit jedem Hieb. Unbeirrt stießen Annemarie und Nebula weiter vor. Sie passierten einen der Steine und der dichte Dunst gab den Blick auf das Geschehen frei, ohne die Gesichter der Anwesenden zu enthüllen. In der Mitte des Steinkreises stützte sich die Gestalt auf einen Opferaltar. Auf diesem lag eine weitere Person, welche von der anderen pausenlos mit dem in Blut getränkten Hackebeil traktiert wurde. Ihre unteren Extremitäten waren bereits in saubere kleine Portionen zerkleinert worden. “Hilf mir!”, flehte sie unter Qualen und reichte nach Nebula aus. Eine männliche Stimme. Noch bevor sie aussprechen konnte, was ihr auf der Zunge lag, lichtete sich die gruselige Suppe endgültig und die Prinzessin konnte nun erkennen, um wen es sich handelte. Der Mann auf dem Altar, welcher gerade zerstückelt wurde, war niemand geringerer als Henrik. Und die Person, die ihm das antat, sah aus wie sie selbst, gehüllt in ein scharlachrotes Kleid. Entsetzt trat Nebula einen Schritt zurück. Dabei bohrte sich ein spitzer Stein in ihre Ferse und brachte sie zu Fall. Sie fing den Sturz mit ihren Händen ab und starrte verängstigt auf die Szenerie vor ihr. “Was machst du schon hier?”, fragte ihr Ebenbild unschuldig, als sei es das normalste auf der Welt den eigenen Freund zu zerstückeln. “Ich bin doch noch gar nicht fertig!” Schreiend richtete sich Nebula auf. Der Stoff ihres Nachthemd klebte nass von Schweiß an ihrer Haut und ihre Atmung war stark beschleunigt. Sie benötigte einen Moment, um zu realisieren, dass sie sich noch immer im Zelt befand und all dies nur ein böser Traum war. “W-Was ist passiert?!”, schreckte Henrik auf. “Hast du schlecht geträumt?” Nein, ich mache esoterische Atemübungen, Trottel! Das hätte sie gesagt, säße ihr der Schreck nicht noch immer in den Knochen. Der Anblick ihres imaginären bösen Zwillings, welcher eines der wenigen Dinge zerstörte, die ihr wirklich etwas bedeuteten, ließ ihr das Blut gefrieren. Der Sinn dieses Traums erschloss sich ihr nicht. Wieso quälte sie ihr Unterbewusstsein mit solch schrecklichen Bildern? War das wirklich nur ihre Angst vor zwischenmenschlichen Beziehungen? Henrik sah seine Herzensdame frösteln und kroch aus seinem Schlafsack heraus, um ihr Wärme zu spenden. Er trat um die Schlafgelegenheiten herum, hockte sich neben sie und bildete mit seinen Armen eine Mauer, in dem er sie von hinten umarmte. Hinter diesem Wall konnte sich Nebula vor ihrer Angst verstecken. “A-Alles ist gut!” Und trotz all dem Tova Bova schlief Annemarie einfach weiter.   🌢   Die klimatischen Bedingungen am Pass zwischen Yjasul und Aschfeuer waren wesentlich erträglicher, als es in der Wüste der Fall war. Zwar war es noch immer sehr warm, allerdings nicht mehr brütend heiß. Inzwischen sah man Gräser, Büsche und Sträucher eine Savanne bilden, durchzogen von Baumgruppen. Zypressen und Pinien widerstanden dem trockenen Boden und beschenkten das Auge des Reisenden mit ein wenig Grün. Die Konturen von Argentoile zeichneten sich bereits in der Ferne ab. Seit dem frühen Morgen war die Karawane wieder unterwegs. Die Sonne stand inzwischen im Zenit. In vielleicht zwei Stunden würden sie die Stadttore erreichen. Schlaftrunken und schweigsam ließ sich Nebula von einem Kamel tragen, während sie auf dem Rücken des Tieres lag. Ihr war es definitiv immer noch zu heiß, selbst wenn alle anderen meinten, dass sie übertrieb. Und dieses dämliche Kopftuch half auch nichts! Sie nutzte ihren Durchhänger, um sich von ihrem Albtraum letzte Nacht zu erholen. Henrik und Annemarie gingen neben ihr her. Während sein Schimmel den Wagen mit Carolines Sarg zog, saß Clay ebenfalls auf einem Kamel. Hinter ihm hatte es sich Cerise bequem gemacht. Mit Vergnügen hielt sie sich an seinem muskulösen Körper fest, selbst wenn sie das eigentlich nicht nötig hatte. Sie schmiegte sich mit Wonne an ihn an. Der gut gebaute Schwarzhaarige war ihrem Kuschelbedürfnis nicht abgeneigt. Etwas weiter abseits folgten Aki und Toshiro dem Tross. “Gestattet mir, meine Bedenken zu äußern, Oji-sama”, eröffnete die Schwarzhaarige. Sie musste etwas Wichtiges mit ihrem Herren besprechen. “Sage ich dir nicht schon seit Jahren, du kannst mich beim Vornamen nennen?”, erinnerte der Blonde, wie schon unzählige Male zuvor. “Nenne mich Toshiro!” “Wie Ihr wollt, Toshiro-sama.” “Einfach nur Toshiro...” Es folgte keine Reaktion der Kunoichi. “Fahre bitte fort. Du wolltest etwas sagen.” “Es geht um diese Frau.” “Du meinst Nebula?” “Sie ist gefährlich! Bitte haltet Euch fern von ihr.” Toshiro sah zu der auf dem Kamel schlafenden Frau einige Meter vor ihnen. “Sie mag furchteinflößend sein. Doch der Feind ist es ebenfalls. Sie könnte uns eine wertvolle Verbündete sein. Sie und ihre Leute besitzen große Macht und sind starke Krieger.” “Toshiro-sama, ich muss Euch beschützen. Das ist meine Aufgabe und dafür lebe ich. Diesem Weib zu folgen, halte ich für keine gute Idee.” “Sind wir nicht geflohen, um neue Verbündete zu finden?” “In erster Linie sind wir geflohen, damit Ihr nicht getötet werdet. Wenn Ihr Euch nun unnötig der Gefahr aussetzt, werdet Ihr vielleicht doch noch sterben.” “Was schlägst du vor, Aki?” “Sobald wir in Argentoile angekommen sind, sollten wir uns von ihnen trennen!” “Das werden wir nicht tun!” “Aber Toshiro-sama- !” “Nein! Ich bin nicht hier, um mich zu verstecken! Mein Vater - nein, mein Volk - zählt auf mich! Ich muss meinen Clan retten. Das schaffe ich nicht allein!” Die Augen des jungen Prinzen unterstrichen seine Überzeugung. Akis Verwunderung war groß. Für gewöhnlich agierte ihr Schutzbefohlener nicht so besonnen. Sie dachte, er wolle sich einfach wieder ohne Rücksicht auf Verluste in den nächsten Kampf stützen. Vielleicht sogar das Teufelsweib zum Duell herausfordern. Oder noch waghalsiger: zu versuchen, ihr den Hof zu machen. Denn wenn er etwas noch mehr liebte als den Kampf, dann waren es die Frauen. Doch offenbar hatte er von Anfang an andere Motive. “Dennoch kann ich das nicht gutheißen!” “Ein Glück, dass ich der Prinz bin und du meinen Befehlen zu folgen hast!” “Natürlich werde ich tun, was Ihr verlangt, Toshiro-sama.” Dies allerdings unfreiwillig. Und sie würde nicht müde werden, ihre Bedenken mit ihrem Meister zu teilen. “Dennoch macht Ihr es mir nicht gerade leicht.” “Du bist stark. Du wirst das schon schaffen!” Sorglos verschränkte Toshiro seine Arme hinter dem Kopf und begann zu pfeifen. “Mögen uns die Götter hold sein!” Und da war er wieder! Der unverbesserlich sorglose Prinz. Am Tag seiner Geburt musste sie seinem Vater mit zarten fünf Jahren schwören, ihn unter Einsatz ihres Lebens zu beschützen. Sie musste seiner Entscheidung folgen. Als seine Leibwächterin stand es ihr nicht zu, ihn zu irgendetwas zu zwingen. Sie musste darauf vertrauen, dass er irgendwann von selbst die Erkenntnis erlangte, dass dieses Teufelsweib Gefahr bedeutete, und er endlich zur Vernunft kam. Bis dahin blieb ihr nichts anderes übrig, als ihre Aufgabe unter diesen widrigen Umständen so gut zu erfüllen wie möglich.   Belanor saß in sich zusammengesackt auf der Pritsche der Kerkerzelle, in die er nach seinem Gewaltexzess von der Stadtwache geworfen wurde. Seine Ellbogen lasteten auf seinen Schenkeln, während seine Finger tief in seinen zerzausten Haaren vergraben waren. Die Augen fixierten starr einen willkürlichen Punkt am Zellenboden. Der Diplomat verharrte so ohne jegliche Bewegung. Wie viel Zeit vergangen war, konnte er nur grob abschätzen. Vielleicht ein paar Stunden? Um ehrlich zu sein, interessierte es ihn wenig. Tief im Inneren des Verließ strahlten die Wände aus schwarzem Basaltgestein die Wärme des Magmasees ab. Aber die Kälte des Schocks saß zu tief in den Knochen Belanors, als dass diese Wärme es vermochte, ihm ein wenig Linderung zu verschaffen. Seine Gedanken wurden unentwegt vom Bild seiner Geliebten und dem, was man ihr angetan hatte, heimgesucht und kreisten um die Frage, womit Sandra das verdient hatte. Dennoch war dies keine Entschuldigung dafür, das Gesicht eines freien Mannes zu Brei zu schlagen. Das war dem Schwarzelf bewusst. Sicherlich würde er schon bald wegen seiner Tat von der Stadtwache verhört werden. Zeit hatte für ihn die Bedeutung verloren. So war es auch unklar, ob die Kerkertür wirklich einen Moment nachdem sich der Gedanke daran formte, aufgestoßen wurde oder ob noch einmal Stunden dazwischen vergangen waren. Ausdruckslos sah Belanor zu dem Mann, der an die Gitterstäbe herantrat. “Ich fiel bald aus dem Stuhle, als mich die Kunde erreichte”, sprach ein überaus verwirrter und ebenso enttäuschter Alaric. Der zweite Prinz von Aschfeuer erkannte den geschickten Diplomaten nicht mehr wieder. “Ihr sollt auf der Straße einen Passanten halb tot geprügelt haben, meinten die Büttel.” Der Elf vor den Gittern sah den dahinter perplex an. “Ich wollte es nicht glauben, bis ich Euch hier drinnen sah. Gleich nach Eurer Heimkehr auf der Straße eine Schlägerei anzufangen, sieht Euch nicht ähnlich. Was ist in Euch gefahren?” “Sie ist tot!” Plötzlich starrte Belanor den Prinzen an und riss die Augen weit auf. “Ermordet! Habt Ihr verstanden?! Ermordet!” “Wer wurde ermordet?” “Das einzige, was ich geliebt habe.” Alaric war klar, dass damit nicht seine Schwester gemeint sein konnte. Zum einen hatte er sie vor einer halben Stunde noch gesehen und zum anderen wurde hinter vorgehaltener Hand schon lange über den Zustand der Ehe Lezabels getuschelt. Zwar machte er sich nichts aus dem Geschwätz in den Gängen und Gassen, doch jedes Gerücht beinhaltete stets einen Funken Wahrheit. “Eure Geliebte?”, schloss er aus seinen Überlegungen. “Sandra!”, schrie Belanor gequält auf. “Geschändet hat man sie!” Danach sank er zusammen und begann entsetzlich zu weinen. “So blau!” Wortbrocken unterbrachen seine Qualen. “Ich habe noch nie so einen blauen Hals gesehen!” “Mir ist klar, wie sich das anhören muss”, eröffnete Alaric, “aber vielleicht solltet Ihr Euch beruhigen und ganz von vorn beginnen. Sonst kann ich Euch nicht helfen.” “Womit wollt Ihr helfen, Hoheit?!”, wehklagte der inhaftierte Botschafter. “Ich kann alles in meiner Macht stehende tun, damit ihr Gerechtigkeit widerfährt." “Sie ist tot! Keine Gerechtigkeit der Welt wird das ändern!” “Aber ich kann den Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen!” Belanor sammelte sich und atmete tief ein, als versuchte er mit der Luft die Stärke einzusaugen, die er für das Kommende benötigte. “Als ich von meiner Reise in den Palast zurückkehrte, erwartete mich schon Eure Schwester. Die Fahrt war anstrengend aber diese Hexe hatte nichts besseres zu tun, als sich an mich ranzuschmeißen, also leistete ich ihr Beischlaf, damit sie nicht wieder Streit anfängt.” Den Zustand dieser Ehe als “zerrüttet” zu bezeichnen, wäre die Untertreibung des Jahrhunderts gewesen. Alaric machte es traurig. Als Lezabel den Botschafter heiratete, hatte er seiner Schwester das Glück gewünscht. Er glaubte, es wäre Balsam für ihre Seele und vielleicht täte sie irgendwann ihren Hass auf die Menschen und die ganze Welt vergessen. Welch ein naiver Idiot er doch war. So funktionierte das einfach nicht… “Ich wartete, bis sie schlief und stahl mich davon. Danach bin ich in die Vorstadt gegangen und habe das Haus von Sandra besucht.” Den Schwur seiner Frau gegenüber zu verraten, sei ihre Beziehung noch so kaputt, widerte Alaric an. Ein ehrloses Verhalten sondergleichen! Ein hinterhältiger Verrat an Lezabel und mindestens genauso schändlich dieser anderen Frau gegenüber, die für die Fleischeslust Belanors herhalten musste. Keine von ihnen hat das verdient! Aber Alaric wusste, dass ihn seine Ansichten nur stören würden. Und es stand ihm eigentlich auch nicht zu, über etwas zu urteilen, wovon er die Einzelheiten gar nicht kannte. Ginge es nicht um die Familie, würde er es ganz bestimmt auch nicht tun. Er musste sich davon befreien. Es gab immerhin einenMord! “Die Tür stand offen. Das machte mich stutzig. Ich betrat das Haus und dachte, dass sie vielleicht schon im Bett auf mich wartete…” Belanor verließ die mentale Stärke wieder. Er sackte zusammen und legte das Gesicht in die Handflächen. “Und dann?” “Das tat sie auch…”, brachte der Diplomat weinend hervor. “Wie habt Ihr sie aufgefunden?” Alaric beobachtete sein Gegenüber. Der Verlust seiner Geliebten hatte ihn sichtlich getroffen. Es waren wohl doch keine leeren Worte gewesen. Ihn voreilig zu verteufeln war falsch. Offenbar teilten die zwei etwas, was er für Lezabel nicht oder nicht mehr empfinden konnte. Aber hätte er nicht die Scheidung verlangen können, anstatt Lezabel hinter ihrem Rücken zu betrügen? Alaric spürte Mitleid ins sich aufkeimen Die Gedanken von eben taten leid. Genauso das er ihn jetzt ausquetschte, wie eine reife Frucht. Doch es musste sein… “Sie lag auf dem Bauch”, antwortete Belanor unter seelischen Qualen. “Man hatte sie erwürgt. Und man hatte noch mehr mit ihr getan. Allein beim Gedanken daran verlangt es mir danach, das Dreckschwein zu vierteilen, was dafür verantwortlich ist!”. “Rein vom Gesetz her ließe sich das einrichten”, meinte Alaric nachdenklich. “Aber warum habt Ihr einen Unbeteiligten attackiert?” Belanor riss sein Haupt empor. “Weil ich das Lachen nicht mehr ausgehalten habe!” “Das Lachen?” “Als ich Sandra… gefunden habe, traf es mich wie ein Schlag. Ich lief orientierungslos durch die Straßen und habe mich bestimmt auch übergeben.” “Das war der Schock. Ihr müsst einen Eindruck gemacht haben. Der Pöbel hielt Euch bestimmt für besoffen. Hat der Mann deshalb gelacht?” “Nicht nur er! Alle haben gelacht! Es war, als lachten sie über Sandra!” “Ich verstehe…” “Gar nichts versteht Ihr!” Belanor stießen die Worte des Prinzen sauer auf. ”Oder hat man Eure Geliebte zu Tode vergewaltigt?!” Wie konnte er es wagen, zu behaupten, dass er ihn verstehe? “Gar nichts versteht Ihr!” “Ich rede mit der Stadtwache und lasse das Nötige veranlassen. Unter diesen Umständen müsst Ihr mitnichten in diesem Loch verrotten. Ich werde mich für Hausarrest und einen nachsichtigen Richter einsetzen.” “Und was soll das bringen? Wofür soll ich jetzt noch leben?” “Ein Verlust ist niemals leicht und es wird nicht aufhören wehzutun. Aber mit der Zeit wird es immer weniger schmerzen.” Alaric wusste, dass er nicht mitreden konnte. Er erinnerte sich kaum an seine Mutter, aber er sah, was ihr Verlust aus seinen Geschwistern gemacht hatte und das genügte ihm, um alles zu versuchen, dass Belanor sich nicht dem Hass und der Gewalt ergab. “Lasst mich allein!”, forderte Belanor. “Ich habe genug!” Alaric spürte, dass jedes weitere Wort vergebens wäre. Er trat wortlos von den Gitterstäben weg und verließ den Kerker. Hinter ihm schoben die Wachen die massive, eisenbeschlagene Tür zu und der Diplomat war wieder allein mit seinem Kummer.   Hinter dem Pass nach Yiasul befand sich die Handelsstadt Argentoile. Die mediterrane Landschaft dominierte hier und man würde kaum glauben, im Kaiserreich Aschfeuer zu sein, könnte man nicht am weit entfernten Horizont die Aschesäule des Elendsschlund erspähen, wie sie unheilschwanger in den Himmel aufstieg. Die Stadt stand Nebula und ihren Begleitern offen, nachdem sie getarnt als Händler aus der Wüste eingedrungen waren. Es stellte sich als überraschend einfach heraus, in den Massen unterzutauchen. In einer großen Gemeinschaft kümmerten sich die wenigsten um einander, geschweige denn um Fremde aus dem Morgenland, die nur kamen, um ihre Geschäfte zu tätigen und danach wieder zu verschwinden. Aber die Gleichgültigkeit der Bewohner von Aschfeuer kam ihrer Sache zu Gute, also konnte sie es getrost mit Gleichgültigkeit ihrerseits beantworten. Nebula fühlte sich wie befreit, da sie endlich das ungeliebte Kopftuch gegen ihren wohl vertrauten Kapuzenmantel eintauschen konnte. Sie befanden sich nun offiziell im Feindesland. Aus diesem Grund wollten sie kein Risiko eingehen, aufzufallen. Daher teilten sie sich auf und mieteten sich in unterschiedliche Herbergen ein. Argentoile war groß genug, so dass sie zahlreich vorkamen. Natürlich bezogen Clay und Cerise ein Zimmer. Der Schwarzhaarige hatte vorgeschlagen, Annemarie mitzunehmen. In Anbetracht ihrer Haarfarben könnten sie die kleine locker als ihre Tochter ausgeben, ohne dass jemand Fragen stellen würde. Die fehlenden Spitzohren wären auch nicht weiter schlimm. Wenn Mischblüter wie Cerise mit einem Menschen ein Kind zeugten, war es sehr wahrscheinlich, dass dieses Merkmal endgültig verloren ging. Cerises Ohren waren auch nicht mehr so spitz, wie es jene ihres elfischen Elternteils gewesen sein mussten. Natürlich gefiel es der Rothaarigen gar nicht, sich wegen des Kindes in Enthaltsamkeit zu üben. Eigentlich hatten Nebula und Henrik geplant, sich als Geschwister einzumieten, doch der Herbergsbesitzer mutmaßte gleich, dass sie verheiratet waren. Warum passierte das immer wieder? War es wirklich so offensichtlich, das die Prinzessin den Schmied heimlich nachsah, wenn niemand darauf achtete? Nein, quatsch! Das tat sie gar nicht! Aki und Toshiro hingegen konnten nicht verbergen, dass sie aus weiter Ferne kamen. Ihre mandelförmigen Augen und die akzentuierten Wangenknochen verrieten ihre fernöstliche Herkunft. Stattdessen entschieden sie sich dafür, sich gar nicht zu verstellen. Toshiro trat als Adliger auf und stellte seine Leibwächterin als seine Konkubine vor. Aki spielte wenig begeistert ihre Rolle. Das konnte wahrlich nur auf Toshiro-samas Mist gewachsen sein! Nachdem auch die Unterbringung ihrer sieben Sachen geregelt war, beschloss die Kerngruppe, sich rein zufällig auf einem der Märkte über den Weg zu laufen und gemeinsam zu erkunden, was die Stadt ihnen zu bieten hatte. Sofort zog es die kriegerisch veranlagte Prinzessin zum nächsten Waffenstand. Zwar benötigte sie nichts, aber einfach mal gucken war nicht verboten. In dem Punkt war sie wohl ganz klischeehaft weiblich, auch wenn es ihr mehr das Schwert als der Schuh angetan hatte. Sie entdeckte ein schönes Stück und ließ es sich herüberreichen. Verspielte Gravuren durchbrachen die Reflektion des Sonnenlicht. Dieses Schwert war eindeutig für den Schaukasten geschaffen worden. Plötzlich schoss ein dunkler Schatten über den gepflasterten Boden des Marktes und verstörte Jauchzer ertönten. Sofort blickten Nebula und die anderen gen Himmel und entdeckten den Verursacher. Ein Drache war soeben über die Stadt geflogen. Das schuppige Ungetüm schien ein kleines Dorf etwa einen halben Tagesmarsch entfernt anzusteuern. Nebula ahnte nichts Gutes.   🌢   Der beißende Geruch der noch immer züngelnden Glut brannte in ihren Lungen. Von weitem konnte man schon die Rauchsäulen aufsteigen sehen. Obwohl sie sich sofort zum Ort des Geschehens aufmachten, nachdem das schuppige Ungetüm über ihre Häupter hinweg gesegelt war, erreichten sie das Dorf erst viele Stunden später. Zu spät, um noch etwas ausrichten zu können. Die Überreste der Gebäude gaben ihrem eigenen Gewicht nach. Wo man hin sah, pflasterten bis zur Unkenntlichkeit verkohlte Leichen die schlammigen Gassen und Pfade. Überall stank es nach verbranntem Fleisch und Tod. Geschockt sahen Nebula und ihre Begleiter, was von dem einst lebendigen Dorf übrig geblieben war. Der Drache war natürlich schon seit Stunden fort. Eine Spur der Verwüstung war das Einzige, das die Kreatur hinterließ. “W-Was ist hier bloß passiert?”, machte sich Henrik Luft. “Der Drache hat hier alles abgefackelt”, stellte Nebula fest. “Ist auch schwer zu übersehen”, kommentierte Cerise. “Mir wird übel”, gestand Clay ein. Die Gerüche an diesem Ort waren für ihn und seine Nase zehnmal schlimmer als für die anderen. “Warum w-wurde das Dorf a-angegriffen?”, grübelte Henrik. “Vielleicht wurde es ihm befohlen”, mutmaßte Clay. “Im Trüben stochern bringt uns auch nicht weiter!”, merkte Nebula an. “Lasst uns die Trümmer durchsuchen. Vielleicht finden wir da Antworten.” Angesichts der schrecklichen Anblicke, die dieser Ort für sie bereithielt, war es eine weise Entscheidung gewesen, Annemarie bei Toshiro und Aki zu lassen. Grausam verstümmelte Leichen sind nichts, das man einem Kind zeigen sollte. Die Gruppe verteilte sich und begann, die Überbleibsel der Siedlung auf Links zu drehen. Cerise und Henrik hockten jeweils über einem Trümmerhaufen und gruben sich durch die Fragmente. Als er ein Brett zur Seite räumte, erschrak Henrik. Eine kleine, von Ruß bedeckte Hand war darunter zum Vorschein gekommen. “Oh mein Gott!”, rief er aus. Dass auch Kinder bei diesem Angriff ums Leben gekommen sein mussten, war logisch, aber erst jetzt wurde es ihm schmerzlich bewusst. Clay und Nebula konnten ihre große Kraft dazu verwenden, schwere Balken und Mauerwerk beiseite zu räumen. Was war das? Nebula vernahm ein schwaches Rufen. “Hilfe!” Das hatte sie sich doch nicht eingebildet. Irgendwer war dort unten noch am Leben! Die Prinzessin setzte ihre Teufelskräfte ein, packte eines der großen Trümmerteile und warf es wie ein Spielzeug zur Seite. “Hilfe!” Diesmal war der Ruf lauter. Clays Ohren zuckten. Da er selbst mächtig Lärm erzeugte, hatte er es erst jetzt gehört. Sofort begab er sich zu der Ruine, an der sich Nebula zu schaffen machte, und begann ebenfalls zu wühlen. “So helft mir doch!” Wer immer dort unten war, wurde hörbar immer schwächer. “Cerise! Henrik”, rief der Jägersmann. “Kommt mal her. Da unten ist wer!” Sofort ließen die Angesprochenen alles stehen und liegen und eilten ebenfalls zur Hilfe. Alle vier stemmten und buddelten, bis sie einen Hohlraum freigelegten. Er war kaum groß genug, dass jemand hockend darin Platz finden konnte. Verzweifelt reckte eine Frau ihren Kopf durch die Öffnung und saugte die Luft ein, von der sie eben noch viel zu wenig hatte. Sie war sehr geschwächt. Mit Mühe hielt sie sich am Leben fest. “Alles wird gut”, versuchte Clay auf sie einzureden. “Wir holen Euch da raus.” “Nehmt es!”, brachte die Frau aus ihren verrußten Lungen hervor. “Was sollen wir nehmen?”, versuchte Nebula zu ergründen. Die Frau machte eine streckende Bewegung und reichte ihnen ein mit Tüchern umwickeltes, zappelndes Bündel. Henrik nahm es entgegen. Umgehend begann das Etwas zu schreien. Es handelte sich um einen Säugling. Das Kind war etwas schmutzig, aber sonst in gutem Zustand, in Anbetracht verschüttet worden zu sein. Die Frau musste es vor den herabfallenden Trümmerteilen beschützt haben. Erstaunt sah Henrik erst zu Nebula, dann zu den anderen und schließlich wieder zu der Frau. “Ein Kind?”, staunte Nebula. “Lescar”, bettelte die Frau verzweifelt. “Br… Bringt ihn nach Lescar!” “Was ist in Lescar?”, fragte Clay. “E… Er muss dort… hin! Bitte! Er… muss…” Der Verschütteten schwanden endgültig die Kräfte und sie konnte sich nicht mehr halten. Sie begann wieder tiefer in das Loch hineinzurutschen. Geistesgegenwärtig packten Nebula und Clay jeweils einen Arm. Gemeinsam zogen sie die Frau heraus. Ein malträtierter Körper mit schwersten Verbrennungen kam zum Vorschein. Durch die Reste ihrer Kleidung blitzten die mit Brandblasen übersäten, zerschmetterten, blutenden Beine hervor. Vorsichtig wurde die Frau auf den Rücken gelegt. Cerise hockte sich neben sie hin und begutachtete die Verletzungen. Ihrer Sprachlosigkeit entnahmen die anderen, dass es wirklich so ernst um die Fremde stand, wie es den Anschein hatte. Cerise wechselte zur oberen Hälfte und prüfte den Atem. Als sie diesen nicht mehr hören konnte, suchte sie einen Puls. Auch hier wurde sie nicht mehr fündig. Mit einem Kopfschütteln bereitete sie ihre gebannt auf sie schauenden Begleiter auf ihre Schlussfolgerung vor. “Die ist hinüber”, sprach sie nur, stand auf und entfernte sich von der Leiche. Da konnte niemand mehr etwas machen. Währenddessen hatte der Säugling in Henriks Händen aufgehört zu schreien. Stattdessen streckte er seine Arme aus und strahlte den Schmied freudig an. Babies waren so unschuldig. Der Kleine verstand gar nicht die Schwere der Situation. Fröhlich lächelte er, während seine Finder nicht wussten, was sie als nächstes tun sollten.   Bald sollte Belanor dem Haftrichter vorgeführt werden. Das hatte ihm eine der Wachen mit Garfieldgrinsen im Gesicht mitgeteilt. Er war noch immer nicht zu einem Schluss gekommen, ob der Mann ihn verhöhnen wollte, da ein Diplomat hinter Gittern kein alltäglicher Anblick war, oder nur ein paar Mal zu oft auf den Helm bekommen und nun nicht mehr alle Kerzen im Kronleuchter hatte. Der Haftrichter konnte sich ruhig noch Zeit lassen. Belanor wollte einfach nur seine Ruhe. Hier unten im Kerker hatte er dir zu genüge! Hinter diesen Gitterstäben befand sich sein eigenes kleines Reich der Finsternis, in dem er den Verlust des einzigen Lichts in seinem Leben beweinen konnte. Er war genügsam. Viel mehr als die harte Pritsche an der Wand und die stinkende Latrine in der Ecke benötigte er dazu nicht. Die meiste Zeit saß er sowieso nur herum und versuchte, den Anblick aus seinem Kopf zu bekommen, der sich tief in seine Seele eingebrannt hatte. Dieses Unterfangen war bisher von wenig Erfolg gekrönt. Belanor vernahm, dass die schwere Tür zu den Verließen erneut aufgestoßen wurde. Was wollte der Prinz schon wieder von ihm? Geduldig wartete der Diplomat, bis die Person vor die Gitterstäbe trat. Zu seiner Überraschung war es nicht Alaric, der sich vor ihm aufbaute. Stattdessen schritt Lezabel an die Kerkerzelle heran. Zwei Palastwachen begleiteten sie. Überrascht sah Belanor seine Frau an. “Mein liebster Gemahl, was habt Ihr nur angestellt”, sprach sie mit weicher Stimme. Belanor war nicht klar, ob auch sie ihn verhöhnen wollte. “Ihr wart so plötzlich verschwunden, als ich nach unserer gemeinsamen Nacht erwachte. Voll der Sorge habe ich nach Euch suchen lassen. Mein kleiner Bruder verriet mir, dass Ihr im Kerker sitzt. Ich wollte es nicht glauben.” Sie muss sich wahrlich einen abbrechen, dachte Belanor. Die Rolle des besorgten Eheweibes zu spielen, war eindeutig zu viel des Guten. Es passte so gar nicht zu ihrem Charakter. Jetzt war er sich sicher, dass Lezabel ihn verhöhnte! “Mein Bruder meinte, Ihr hättet in der Unterstadt eine Schlägerei angezettelt”, fuhr Lezabel aufgesetzt melodramatisch fort. “Aber warum tut Ihr das, wo Eure Waffe nicht die Faust, sondern die Zunge ist?” Am liebsten würde er sie sofort anschreien. Doch er sorgte sich um das Bisschen, was ihm von seinem Ruf geblieben war. Die Etikette zu wahren war mindestens genauso wichtig wie sein Stolz. Darum entschied er, bei dem Spiel seines Eheweibes mitzumachen. “Wollen wir das wirklich besprechen, während fremde Ohren lauschen?”, fragte er und meinte offensichtlich die Palastwachen. “Das sind taube Ohren”, meinte Lezabel. “Diese Männer hören nur Befehle.” “Welche Gefahr fürchtet Ihr hier unten, dass Ihr sie mitbringt?” “Sie würden mir selbst auf den Abort folgen, wenn sie könnten. Es sind treue Seelen, die nur ihre Pflicht erfüllen.” “Wollt Ihr, dass sie Euren privatesten Geheimnissen lauschen?” “Ihr habt so Recht, mein liebster Gemahl.” Lezabel gab ihren Begleitern ein Zeichen, woraufhin diese kehrt Marsch machten und durch die Kerkertür heraus marschierten. “Ihr seid so klug, darum habe ich Euch geheiratet”, sprach Lezabel währenddessen. Belanor ging nicht auf ihre Heuchelei ein. Die Tür fiel ins Schloss und sofort froren die Mimen auf den Gesichtern ein. “Bist du fertig mit dem Theater?!”, beschuldigte Belanor seine Frau. Lezabel lachte hexenhaft. “Als ich hörte, dass man Euch ins Loch geworfen hat, wollte ich es wirklich nicht glauben. Das musste ich mit eigenen Augen sehen.” “Und? Gefällt Euch, was Ihr seht?” “Wahrlich erquickend und labend!” “Habt Ihr nun Eure Neugier gestillt? Dann tretet mir aus den Augen.” Lezabel trat stattdessen näher an die Gitterstäbe heran. “Ich frage mich noch immer, was Euch so weit trieb, dass Ihr Euch am Pöbel vergeht.” “Hat der Prinz es Euch nicht verraten?” “Er meinte etwas davon, dass Ihr Eure wahre Liebe verloren hättet. Aber das kann doch gar nicht sein. Ihr habt mir Eure ewige Liebe geschworen und ich bin noch sehr lebendig.” “Also hat er es Euch doch erzählt.” “Aber Eure Worte sind so seltsam, Liebster.” Verhöhnte sie ihn oder glaubte sie tatsächlich, was sie da absonderte? “Macht Euch nichts vor. Ihr wisst genau, dass zwischen uns längst keine Liebe mehr ist. Wenn ich Euch Beischlaf leiste, ist dies nicht mehr als Pflichterfüllung.” “Ach so?”, erwiderte Lezabel in höchst ironischem Tonfall. “Und ich dachte, Euer wildgewordenes Herumgestocher zwischen meinen Schenkeln wäre nur Ausdruck Euer brennenden Leidenschaft. Aber nun wird mir einiges klar. Bei Euren anderen Pflichten strebt Ihr schließlich auch danach, so schnell wie möglich zum Abschluss zu kommen.” “Wollt Ihr mich beleidigen?”, fragte Belanor rhetorisch. “Ich?”, spielte Lezabel die Getroffene. “Nicht doch!” “Beleidigt nicht meine Intelligenz, indem Ihr Euch dumm stellt.” “Aber ist das nicht das, was ihr Männer wollt? Ein dummes Frauchen, dass Euch auf allen Ebenen unterlegen ist und zu Euch aufsieht, wie zu einem Gott?” “Ich gehöre nicht zu diesen Männern!” “Eine Schande! Solche sind mir die Liebsten. Sie sind am einfachsten zu manipulieren, weil sie aufgrund ihres riesigen Egos ihren winzigen Intellekt maßlos überschätzen.” “Mit Verlaub, Ihr seid eine boshafte Hexe!” “Ich mag ein Miststück sein, aber ich habe nie unseren Schwur verraten.” Endlich hatte er sie soweit. Es war in der Tat nicht mehr als ein Schauspiel, das sie ihm vorführte. “Also wisst Ihr es doch.” “Alle haben es gewusst!”, erhob die Prinzessin ihre Stimme. “Der ganze Hofstaat tuschelt darüber, wie Euer Glied sich andauernd in fremden Genitalien wiederfindet!” Lezabels Wut trieb ihr Zornesfalten in das sonst so glatte Gesicht. “Nur ich war die blöde Kuh, die sich vorgemacht hat, dass dies alles nur Gerüchte sind.” Auf einmal schlug ihre Mime in ein diabolisches Grinsen um. “Aber damit ist es jetzt vorbei!” Schock zeichnete sich in Belanors Gesicht ab. “Künftig werdet Ihr Euren Schwanz in der Hose lassen”, fuhr Lezabel fort. “Was habt Ihr getan?!”, verlangte der Diplomat zu erfahren. Lezabel beugte sich noch näher an die Gitter heran, bis ihr Gesicht das Eisen berührte. “Seid Ihr da noch nicht von selber drauf gekommen?”, verhöhnte sie ihren Gatten. Belanor umklammerte die Gitterstäbe. “Was habt Ihr getan?!!”, schäumte er. Lezabel zuckte zurück. “Zügelt Euer Temperament. Ich heirate einen Mann und keinen tollwütigen Kampfhund!” “REDET!” “Ich ließ Euch beschatten. Viel habe ich Euch zugetraut, doch was meine Spione mir berichteten, war unaussprechlich. Anstatt dass Ihr den Anstand habt, mich mit einer richtigen Frau zu betrügen, habt Ihr es mit diesem Menschlein getrieben. Da hättet Ihr genauso gut ein Schaf, ein Schwein oder sonst ein Hoftier ficken können.” Wütend trat und schlug Belanor nach Lezabel, doch die Gitter hielten. “Ihr wollt wissen, was ich tat?”, fragte sie ihn daraufhin. “Ich habe Euer kleinen Schlampe ein paar richtige Männer geschickt.” “Nein!” Voll des Entsetzen stellte Belanor das Randalieren ein. “Das… wart Ihr?!” Die Prinzessin genoss den Anblick, wie ihre Enthüllung sich in die Seele ihres Gegenübers fraß. Offenbar hatte er ihr das nicht zugetraut. Seine Realisation, dass sie hinter Sandras Ableben steckte, war zu köstlich. Wohltuender als ein Bad in warmer Milch. Er musste es einfach erfahren, damit er noch mehr leiden konnte. Sonst wäre es nicht halb so befriedigend. “Ich habe die Männer handverlesen, die Eure kleine Schlampe totgefickt haben! Ich trug ihnen auf, jede einzelne ihrer Öffnungen zu stopfen. Und sie haben ihre Aufgabe zu meiner vollsten Zufriedenheit erledigt.” Lachend genoss Lezabel ihren Triumph über den untreuen Gatten. Sein Schmerz war die gerechte Strafe für seinen Ehebruch. “Gefesselt hat man sie und dann geschändet. Am Anfang soll sie noch Euren Namen gerufen haben. Aber als einer ihr seinen Schwanz in den Mund geschoben hat, war endlich Ruhe! Dann soll sie nur noch geheult haben, während man es ihr besorgt hat.” “Ihr grausames Miststück!”, schrie Belanor. “Ich werde Euch den Hals umdrehen!” Erneut ging er auf die Gitter los. “Man sollte mit Euch das Gleiche machen! Euch solange vergewaltigen, bis es Euch oben wieder herauskommt!” Amüsiert kicherte Lezabel. “Wie ein cholerischer Vogel in seinem Käfig”, lachte sie. Ihr gefiel, wie er sich wand, dieser Wurm. Genauso hatte sie sich das vorgestellt. Ein herrlicher Anblick! “Mir den Hals umdrehen?”, fragte sie anschließend. Provokant kam sie in seine Reichweite. “Tut Euch keinen Zwang an!” Sie reckte ihm den Hals hin. “Versucht es, wenn Ihr Euch traut!” Diese Gelegenheit ließ er nicht verstreichen. Belanor schob den rechten Arm durch die Gitterstäbe und umklammerte Lezabels Hals. Er wandte alle seine Kraft auf, doch sie verzog keine Mime. “Ist das schon alles, was Ihr drauf habt?”, provozierte sie ihn. “Könnt Ihr nicht einmal meinen zarten verletzlichen Hals zudrücken? Seid Ihr sogar dazu zu schwach? Ich wusste doch gleich, dass Ihr kein richtiger Mann seid!” Die Nadelstiche wirkten und Belanor packte sie mit der verbliebenen Hand. Sein Zorn mobilisierte aus unbekannter Quelle noch mehr Kräfte. Er würgte Lezabel unerbittlich weiter, obwohl sie kaum eine Reaktion zeigte. “Jämmerlich!”, schrie sie ihn an. Ihre roten Augen begannen zu glühen und schwarze Arterien erschienen auf ihren Armen und in ihrem Gesicht. “LAsS mICh dIR zEiGeN, wIE dAs GeHT!” Die dämonische Kraft des Draco Oculus durchströmte den Körper der Prinzessin. Sie spürte, dass die böse Macht in jede Faser ihres Körpers eindrang. Es war berauschender, als es die Berührung eines Mannes je sein konnte! Sie umklammerte die Arme ihres Mannes und befreite sich aus seinem Würgegriff, indem sie die Extremitäten Belanors entgegen all seiner Gegenwehr von sich weg drückte. Nachdem dies vollbracht war, streckte sie ihrerseits einen Arm durch die Gitterstäbe, packte seine Kehle mit der rechten Hand und begann ihn zu würgen. Dabei hob sie ihn an. Seine Beine verloren den Kontakt zum Boden und die Luft zum Atmen wurde ein knappes Gut. Instinktiv versuchte er, die Hand seiner Frau von seinem Hals zu entfernen, doch seine Kraft reichte dafür nicht aus. Dann trat er nach ihr, doch auch das beeindruckte sie wenig. Belanor tat das einzige, was ihm noch geblieben war, ihr seine Verachtung zu demonstrieren. Er sammelte den Speichel in seinem Mundraum und spuckte Lezabel ins Gesicht. Angewidert wandte seine Frau den Kopf ab. Sofort ließ sie ihn bezahlen, indem sie ihren Gatten gegen die Zellenwand ein paar Meter hinter ihm stieß. Voll des Hasses blickte Belanor auf, der Hexe von Eheweib ins Gesicht. Das dämonische Glühen in ihren Augen war bereits wieder vergangen und die schwarzen Arterien verschwunden. “Von mir aus könnt Ihr hier unten verrotten, Liebster Ehemann”, sprach sie, nachdem sie sich den Speichel aus dem Gesicht wischte. “Ihr werdet verrotten, sobald man von Euren Taten erfährt!”, entgegnete er. “Das wird sich zeigen”, antwortete Lezabel. “Was glaubt Ihr, wem man mehr Glauben schenkt? Der armen Betrogenen oder dem umtriebigen Bastard?” Hexenhaftes Lachen hallte triumphierend durch den Kerker. Gemächlich schritt die Prinzessin davon und ließ ihren tobenden Gemahl zurück. Sie hatte erreicht, was sie wollte.   Der Säugling lag rücklings auf der Platte eines runden Tisches und wackelte hektisch mit seinen kleinen Ärmchen und Beinchen. Sein anfangs niedliches Lächeln war umgeschlagen in ein ohrenbetäubendes Geschrei. Der Junge kniff die Augen zusammen und das Gesicht war von der Anstrengung schon rot angelaufen. Ratlos standen die jüngeren Gruppenmitglieder um den Tisch herum, während Clay sich das Schauspiel aus der Ferne ansah. Inzwischen waren sie aus dem zerstörten Dorf zurück und hatten den Säugling in den Gutshof gebracht, in dem Clay, Cerise und Annemarie eingemietet waren. “Was hat er denn?”, fragte Nebula in die Runde. Cerise hob abweisend die Arme an. “Keine Ahnung”, behauptete sie. “Babies gehören zu den Dingen, die ich tunlichst vermieden habe.” “Eine reife Leistung…”, murmelte Nebula. “Der ist echt laut!”, merkte Annemarie an. “Aber süß!” “V-Vielleicht hat er Hunger”, mutmaßte Henrik. “Könnte sein…”, pflichtete die blonde Prinzessin bei. “U-Und?”, druckste Henrik herum. “Was ‘Und’?”, zischte Nebula. “K-Kannst du ihn nicht füttern?” “Womit denn?” “D-Die B-Brust g-geben?” Schlagartig färbte sich das royale Gesicht scharlachrot. “W-Was?” Nebula wurde zum Bildnis der Entrüstung und ihre flache Hand fand den Weg auf Henriks Wange. “P-Perversling!”, schimpfte sie. Cerise wandte sich zum Kichern ab. Sie hatte zwar keine Ahnung von Babies, aber so viel, dass eine Frau erst eins bekommen musste, um Milch zu haben, war ihr schon bekannt. Auch Clay fand das Gehabe der “Kinder” belustigend. Noch immer verharrte er fernab des Tisches an der Wand und genoss die Darbietung. “Aua!”, beschwerte sich der Braunhaarige und rieb die geschwollene Gesichtshälfte. “Frechheit! Ich bin doch keine Milchkuh!” Und selbst die mussten vorher kalben! “A-Aber was machen w-wir dann mit ihm?” “Heuern wir eine Amme an”, warf Cerise ein. “Soll die dann die ganze Zeit mit uns rumreisen?” “Ihr könntet Henrik endlich Mal ranlassen. Ich wette, der Kleine trifft beim ersten Mal. Dann wäre das Milchproblem auch gelöst.” Die Halbelfe wurde von beiden entsetzt angestarrt. “Ich glaube bis dahin ist er verhungert”, meinte Annemarie neunmalklug. Clay entschied, endlich einzugreifen. Den Säugling weiter warten zu lassen, nur damit er sich an dem unbeholfenen Verhalten seiner Begleiter erfreuen konnte, war nicht richtig. Er stieß sich aus seiner bequemen, an der Wand lehnenden Haltung ab und trat an den Tisch mit der kleinen Heulboje heran. “Lasst mich mal machen”, sagte er. “Ich hatte schließlich schon zwei von der Sorte.” Erleichtert nahmen alle anderen eine Beobachterrolle ein. “Sie haben nicht immer Hunger”, erklärte der erfahrene Vater. Clay hob das Baby an und schnüffelte zwischen den kleinen Beinchen, die aus den Tüchern herausragten und noch immer heftig in Bewegung waren. Ruckartig rümpfte er die Nase und hielt den kleinen Stinker auf Armlänge auf Abstand. “Manchmal haben sie die Hosen voll.”   “Vertraust du ihnen immer noch nicht?”, fragte Toshiro seine Leibwächterin. “Natürlich nicht!”, antwortete Aki. Beide lugten vorsichtig durch den Spalt der offenen Tür. So hatten sie die ganze Szene, wie Nebula und die anderen ratlos mit dem Säugling zu Gange waren, beobachtet und zugegeben ebenfalls ihren Spaß damit gehabt. “Aber können solche lustigen Leute schlecht sein?” “Der größte Gaukler kann trotzdem ein Mörder sein!”, belehrte die Kunoichi. “Dir geht es doch noch immer um Nebula”, stellte Toshiro fest. “Toshiro-sama!”, exklamierte die Schwarzhaarige. “Leise!”, ermahnte sie ihr Gebieter. “Sonst hören sie uns noch!” “Sie ist ein Monster!” “Im Krieg sind Monster genau das, was du brauchst!”   🌢   Abermals schmerzte Alaric das Haupt von der vielen geistigen Arbeiten. Er hasste diese Verwaltungsaufgaben. Doch es waren eben seine Aufgaben, und sie wollten gemacht werden. Außerdem musste irgendwer die Ermittlungen zum Mord an der Menschenfrau leiten und da es außer ihm keinen interessierte, tat er es zusätzlich nebenbei. Er überlegte, ob er zum Heiler gehen sollte, damit dieser etwas gegen die Kopfschmerzen unternehme, doch viel mehr als eine Paste aus Minze, Ladanum und Essig aufzutragen, würde der wahrscheinlich auch nicht machen. Da konnte er später selbst die Küchenkräuter plündern, sobald er sein Tagewerk verrichtet hatte. Wenn es denn jemals ein Ende nahm… Der gefaltete Zettel zu seiner Linken kam ihm wieder in den Sinn. Erschrocken stellte er fest, dass es schon Stunden her war, dass man ihn ihm überbracht hatte und er ihn eigentlich dringend lesen sollte. Ein Page brachte das Schriftstück und diskutierte ewig mit ihm herum, dass er sich unbedingt sofort um diese vertrauliche Angelegenheit kümmern sollte. Da er ihm aber nicht verraten wollte, worum es ging und darauf bestand, dass nur er es lesen durfte, hatte er ihn vertröstet und erst einmal mit den Protokollen zu den Ermittlungen weiter gemacht. Fünf Minuten plante er dafür ein. Einen Satz wollte er noch zu Ende schreiben. Daraus wurden mehr und mehr und nun waren drei Stunden ins Land gezogen. Alaric legte den Griffel beiseite und nahm das Blatt Papier an sich. Nachdem er es aufgefaltet hatte, offenbarte es ihm seine Mitteilung: “Bitte kommt zu mir in den Kerker. Ich muss dringend mit Euch sprechen. Belanor.” Besser, wenn er es gleich hinter sich brachte. Zwar würde Belanor ihm aus offensichtlichem Grund nicht davonlaufen, aber es wäre dennoch unhöflich, ihn noch länger warten zu lassen. Vielleicht waren ihm noch Details eingefallen, die er nun mit ihm teilen wollte.   Zwei Palastwachen standen links und rechts vom verschlossenen Durchgang zu den Kerkerzellen. Dem einen war langweilig, also pfiff er eine Melodie. Dem anderen juckte das Hinterteil und er kratzte sich, um sich Erleichterung zu verschaffen. Beide wurden von dem flackernden Licht der Fackeln angestrahlt. Hier unten gab es nur die Wärme der Aschlande, aber aus Mangel an Fenstern nicht ihr Licht. Der Mann mit dem juckenden Hinterteil sah die Pfeife genervt an. Ihm gefiel das Lied wohl nicht? Miteinander sprechen taten sie auch nicht, obwohl sie sich hier seit Stunden die Beine in den Bauch standen und auf die Wachablösung warteten. Vielleicht mochten sie sich nicht besonders… In gewohnt royaler Manier schritt der zweite Prinz die Treppe herab, welche in den kleinen Raum mit der Pforte zu den Kerkerzellen führte. Kaum dass die Männer ihren Oberbefehlshaber erspähten, nahmen sie eine stramme Haltung ein und beendeten jegliches Kratzen oder Pfeifen. “Eure Hoheit!”, stießen sie im Gleichklang aus. “Rühren, Männer!”, befahl Alaric. Sofort wechselten die Palastwachen in einen weniger steifen Stand. “Womit haben wir die Ehre Eures Besuchs verdient?”, fragte der mit dem Juckreiz. “Ich möchte noch einmal den Gefangenen sehen.” “Aber sicher, Eure Hoheit”, bestätigte die Pfeife. Sofort wurde die schwere Tür geöffnet und gab den Weg ins Innere frei. Alaric durchschritt sie und begab sich zur Zelle des Diplomaten. Der Mann pflegte zwar nicht andauernd zu Pöbeln, wie die, welche sonst in diesen Räumlichkeiten untergebracht wurden, aber irgend etwas von ihm hätte man vernehmen müssen. Die Wände warfen jedes Geräusch zurück. Das beunruhigte Alaric und er beschleunigte seinen Gang. Der Klang seiner Absätze hallte wieder in der Leere. Aus irgend einem Grund war in diesem Kerker kein anderer Gefangener untergebracht. Nach ein paar weiteren Schritten hatte er die vom Eingang aus dritte Zelle erreicht und erlebte eine böse Überraschung, mit der er nicht gerechnet hatte. Er fand Belanor nicht etwa schlafend vor, so wie er es zuerst vermutet hatte. Stattdessen hing der Körper des Mannes vor ihm mit dem Rücken zugewandt. Er war aufgeknüpft am Laken der Pritsche, das oben an den Gittern festgeknotet war. Entsetzt eilte Alaric zu dem Haken, an dem die Schlüssel zu den Zellen hing, und riss das Bund förmlich von der Wand. Hastig, aber nicht panisch, steckte er den Schlüssel in das zugehörige Schlüsselloch und schloss die Zelle auf. Günstigerweise hing Belanor neben der Tür, wodurch Alaric einfach eintreten konnte. Sofort löste er den Körper aus dessen demütigenden, schlaffen Haltung und wuchtete ihn auf die Pritsche. Routinemäßig fühlte er nach einem Puls, auch wenn er sich das eigentlich hätte sparen können, denn die Zeichen standen ohnehin nicht gut. Das Offensichtliche bestätigte sich: Belanor, der gefeierte Diplomat des Kaiserreichs, war tot. Alaric konnte nicht begreifen, wie das möglich sein konnte. Belanor war nicht so schwach und ehrlos, dass er sich in den Tod flüchtete, selbst wenn sein aufgedeckter Ehebruch mit einem Menschenweib sicher für jeden Marktschreier ein gefundenes Fressen war, das er ausrufen könne, um damit interessierte Zuhörer anzulocken und ihnen bei der Gelegenheit gleich ein paar Waren aufzuschwatzen. Einen Selbstmord schloss der Prinz kategorisch aus! Ungehalten zitierte er den Arschkratzer und die Pfeife herbei. “Männer, Antreten!” Natürlich gehorchten sie aufs Wort und bauten sich vor ihm auf. Streng sah Alaric den Männern ins Gesicht. “Wer war alles bei dem Gefangenen?”, stellte er sie zur Rede. “Nun… das…”, nervös fummelte der eine am Halsausschnitt seines Brustpanzers herum. “Raus mit der Sprache!” “Man hat uns befohlen, zu schweigen”, erklärte der andere. “Dann befehle ich, dass ihr zwei sprecht!” Aber der von Hämorrhoiden Geplagte und der Hobbymusikant reagierten nicht. “Ihr wagt es, meine Befehle zu verweigern?” “Nun… Na ja… nein.” “Das bedeutet, die Person steht über mir in der Hackordnung?” Verhaltenes Schweigen. “Also liege ich richtig.” Der Kreis der Verdächtigen verkleinerte sich dramatisch. Vor ihm hatten nur drei Personen im ganzen Kaiserreich Priorität bei der Befehlsvergabe. Leider waren diese Leute alle mit ihm verwandt und Alaric gedachte weder seine Geschwister noch den Kaiser zu verdächtigen, ohne irgendeinen Beweis in der Hand zu haben. Zähneknirschend entließ er die Männer aus dem Verhör. “Wegtreten.” Die Kerkerwachen gehorchten. Alaric wandte sich ab und schenkte der Zelle und der Leiche darin wieder seine Aufmerksamkeit. Hier mussten sich doch Spuren finden lassen…   Nachdem Clay ihnen eine Lektion in Sachen Babysitting erteilt hatte, waren die anderen aufgebrochen, um sich in der Stadt umzuhören. Sie entschieden, dass es klug wäre, sich aufzuteilen und strömten in verschiedene Richtungen aus. Henrik war zurück in den Gutshof gegangen. Nebula traute ihm nicht zu, dass er an Informationen kommen würde. Dafür war er einfach zu schüchtern. Auf Cerise hingegen setzte sie ihre Hoffnungen. Wenn diese sexbesessene, mörderische Elfe etwas konnte, dann war es aus den Schatten heraus Informationen zu beschaffen. Dieser Toshiro wollte ebenfalls helfen, wovon seine Begleitung nicht besonders angetan zu sein schien. Nebula machte sich natürlich auch selbst auf den Weg. Die Kapuze tief im Gesicht, streifte sie durch Argentoile und war in Gedanken versunken. Die Geschichte mit dem Baby hatte ihr vor Augen gehalten, dass sie nicht alles wusste. Ob sie wollte oder nicht, alleine wäre sie mit dem Findling aufgeschmissen gewesen. Einer dieser Momente, wo sie froh war, Freunde zu haben, die ihr halfen. Einen Moment ließ sie sich dazu hinreißen, an das Baby zu denken. Wie niedlich es lachen konnte. Der Anblick des hilflosen Geschöpfes hatte etwas in ihr bewegt, wovon sie glaubte, dass es nicht existierte. Gleichzeitig war da aber auch ihre Ahnungslosigkeit. Sie verstand sich auf das Kämpfen, aber bei dem Kind hatte sie versagt. Sie ertappte sich bei der Frage, ob sie vielleicht doch irgendwann einmal eins haben würde? Und wie würde das funktionieren im Hinblick auf ihre Kräfte? Wäre das Kind überhaupt noch ein Mensch? “Jetzt reicht es aber!”, rief sie sich selbst zur Besinnung. Verdammt, warum mussten Babies so verdammt niedlich sein?! Statt sich sinnloser Tagträumereien hinzugeben, entschloss sich die Blondine, etwas Sinnvolles zu tun und befragte Passanten zu dem Dorf, das der Drache zerstört hatte. Die Leute waren bestürzt, sprachen aus, dass sie sich fürchteten, aber hatten keine wirklich gehaltvollen Dinge zu sagen. Nach ungezählten Fehlschlägen wollte sie schon aufgeben. Die Leute schienen genauso wenig zu wissen wie sie selbst. Welchen Zweck hatte es, immer wieder dasselbe zu fragen, um die gleiche Antwort zu erhalten? Sie wollte gerade wieder in der Anonymität der Massen aufgehen, als sie an einer dunklen Gasse vorbei kam. “Ihr sucht nach Antworten?”, fragte eine männliche Stimme aus den Schatten. Nebula wandte sich der Geräuschquelle zu. “Geht nach Lescar”, setzte die Stimme fort. “Sucht dort nach Philippe. Er wird Antworten für Eure Fragen haben.” “Wer ist dieser Phillipe?”, rief sie in die Gasse. Kein Sterbenswörtchen wurde erwidert. Verärgert stieß Nebula in die Dunkelheit vor, fand aber niemanden. Wer auch immer mit ihr sprach, war ein Meister der Tarnung. Die Blondine fand zurück auf den Weg und tauchte zwischen den Menschen ab. Später sollte sie erfahren, dass die anderen auch an Philippe verwiesen wurden. In Lescar sollte sich dieser aufhalten, genau dort, wohin sie auch den Säugling bringen sollten. Das konnte kein Zufall sein!   Ammon genoss sein Leben. Natürlich besaß er als Prinz sein eigenes Schloss in der Provinz Forêt de Blanchiment, von dem aus er zur Jagd reiten, die Bauern tyrannisieren und eine Vielfalt anderer Schindluder treiben konnte. All die Dinge, mit denen man sich als Feudalherr so seine Zeit vertrieb, wenn einem langweilig war. Schließlich war er nicht so bescheuert wie sein kleiner Bruder, der das spartanische Leben eines Soldaten den Privilegien eines Prinzen vorzog, wann immer er konnte. Ammon war in Gedanken versunken. Er grübelte, wie er sich heute von seiner schlimmsten Seite zeigen könnte. Was blieb ihm anderes übrig, wenn ihn die Trivialität des Lebens quälte, während er auf Neuigkeiten zu dem von ihm in Auftrag gegebenen Forschungsprojekt wartete und dieser dumme Bote schon seit Tagen überfällig war! Er hatte schon lange nicht mehr sein Recht der ersten Nacht eingefordert. Ob zufällig gerade irgendwer in der Provinz heiraten wollte? Hoffentlich konnte der Bräutigam nicht den Stechgroschen aufbringen, wie beim letzten Mal. Man, das war vielleicht eine Blamage! Und die Braut eine wandelnde Sünde auf zwei Beinen. Wie gern hätte er sie das fleischerne Schwert zwischen seinen Schenkeln spüren lassen, doch leider war das Gesetz das Gesetz und alles konnte man sich auch nicht erlauben. Schließlich musste man in der Öffentlichkeit sein Gesicht noch zeigen können. Die Finger des Prinzen klopften auf der Lehne seines Throns. Es wollte ihm doch tatsächlich nichts einfallen! Sehnsüchtig dachte er an Prinzessin Emelaigne. Elfenfrauen waren alle so schrecklich dürr. Die wollte er nicht haben! Die Menschen hatten es da viel besser! Ihre Frauen boten wenigstens etwas zum anfassen! Aus diesem Grund hatte er darauf bestanden, die Prinzessin von Morgenstern zu heiraten. Was wäre es für eine Freude gewesen, sie jede Nacht zu besteigen und es ihr zu besorgen, bis sie durchgeritten sei wie sein Gaul, den er letzte Woche notschlachten ließ. Aber aus der Hochzeit war bekanntlich nicht viel geworden. Enttäuscht seufzte er. Plötzlich wurde die Tür zum Thronsaal von den Wachen geöffnet. Ein Bote in schmutzigen Gewändern trat durch die Pforte ein. Ammon kicherte bei dem Gedanken, dass dieser Mann gewiss auch geritten war, wie ein Teufel. Im zügigen Schritt trat der Mann näher an den Prinzen heran und fiel vor der ersten Stufe des erhöhten Podestes auf die Knie. “Eure Hoheit!”, sprach er mit gesenktem Haupt. “Ich bringe die Kunden aus Pierre Noir.” Interessiert hob sich eine Augenbraue des Prinzen. “Sprich!”, befahl er. Der Bote hob den Kopf und sah Ammon in die Augen. “Der Magnus lässt verlauten, alles verlaufe zu seiner vollsten Zufriedenheit.” Daraufhin erklomm er die Stufen zum Thron und übergab Ammon eine Schriftrolle. Sofort danach verneigte er sich wieder und trat zurück, bis er wieder vor der ersten Stufe des Podestes stand. Ammon brach das Siegel mit dem Wappen der Festung Pierre Noir und begann zu lesen. Ein wohlwollendes Grinsen zierte daraufhin des Blaublüters Antlitz.   Ein menschlicher Sklave, gekleidet in abgerissenen Lumpen und ohne Schuhe an den Beinen, schob eine Schubkarre vor sich her. Er hatte ein simples Gemüt und dachte an nichts anderes als die Erfüllung seiner Aufgabe. Der Wind blies ihm ins Gesicht und trieb den unangenehmen Gestank von verbranntem Fleisch in seine Nase. Ein Umstand, der ihm sein Tagewerk nicht gerade versüßte. Hoffentlich erbarmte sich der Wind und drehte bald. Der Sklave brachte die grotesk entstellte Fracht zu einer großen Grube. Angestrengt stemmte er das Transportgerät an und ließ den malträtierten weiblichen Körper in den Abgrund zu den anderen fallen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)