Morgenstern von totalwarANGEL ================================================================================ Kapitel 23: Drachenkind ----------------------- 🌱 GenĂŒssliche DĂ€mpfe stiegen empor in den klaren Nachthimmel. Gewiss wĂŒrde der Wohlgeruch auch die Sterne des Firmamentes erfreuen, wenn sie denn Nasen hĂ€tten, die das herrliche Aroma aufnehmen könnten. Ein rhythmisch wiederkehrendes Quietschen störte jĂ€h die besinnliche Stimmung. Eine Konstruktion aus in der Mitte ĂŒber Kreuz gebundenen StĂ€ben war um das Lagerfeuer errichtet worden. Der nĂ€chtliche kalte Wind der Winterlandschaft ließ die Flamme flackern und die Schatten derjenigen wilde TĂ€nze auffĂŒhren, die sich zusammengefunden hatten. In der Gabelung der verbundenen StĂ€ben lag waagerecht ein Spieß, der durch den Körper eines Tieres getrieben war. An seinem Ende befand sich ein Aufsatz mit einem Kurbelgriff, der mit einem Gewinde festgeschraubt werden konnte. Mit ihm wurde der köstliche DĂŒfte emittierende Braten ĂŒber dem Feuer gedreht, bis er von allen Seiten gut durch war. Missmutig stand Nebula am Feuer und drehte die Kurbel. HĂ€tte sie nur nie darauf bestanden, bei der Zubereitung des Abendessen zu helfen
 Da die anderen befĂŒrchteten, dass sie nicht einmal Fleisch anbraten könne, ohne eine kulinarische Katastrophe zu fabrizieren, war der undankbare Job des Kurbeldrehers die einzige Aufgabe, die sie ihr zutrauten. Das Holz des Griffes Ă€chzte und stöhnte unter dem Druck, den die Finger der Blondine ausĂŒbten, wĂ€hrend sie versuchte, ihrer Wut Herr zu werden. Am liebsten hĂ€tte sie ihre ZĂ€hne darin vergraben. Zuvor wurde der Braten von Clay und Henrik gewĂŒrzt und vorbereitet. Clay hatte sich um die Innereien gekĂŒmmert. WĂ€hrend die anderen die FĂŒllung genießen wĂŒrden, mit der Henrik das ausgehöhlte Tier gestopft hatte, sollten die Eingeweide Clays inneren Wolf sĂ€ttigen. Da Toshiro die Nahrungszubereitung in guten HĂ€nden wusste, beschĂ€ftigte er sich damit, zu trainieren und noch mehr Muskeln anzuhĂ€ufen. WĂ€hrend Annemarie vergnĂŒgt in ihrem MĂ€rchenbuch schmökerte, förderten Aki und Cerise den kulturellen Austausch, indem sie ihr Wissen um die effizientesten Methoden zur Beendigung von Leben teilten. “Ä-Ähm Leute”, begann Henrik zu sprechen. “H-Hallo! Ich
” Aber scheinbar hörte ihm niemand zu. Plötzlich durchbrach ein schreckliches Grölen die Idylle. Sofort sahen sich alle nach der Quelle um. Clay hatte das Elend nicht mehr lĂ€nger mit ansehen können, und verschaffte sich an Henriks Stelle Gehör durch sein wölfisches GebrĂŒll. “Der Junge will was sagen.” "Ach, ist das Essen fertig?”, fragte Nebula. “Kann ich das Kurbeln einstellen?” “N-Nein!”, antwortete der Braunhaarige. Er hatte sich die Zeit mit dem SĂ€ugling vertrieben und mit ihm gespielt. Nun hob er ihn an und stĂŒtzte seinen Kopf auf seinem Ellenbogen. “E-Er braucht einen Namen.” Vorsichtig kraulte er den Jungen unter dem Kinn. “Schließlich ist er kein D-Ding.” “Das wĂ€re nicht klug”, Ă€ußerte sich Aki. “Ihm einen Namen zu geben, zieht zwangslĂ€ufig eine emotionale Bindung nach sich. Dann fĂ€llt die Trennung schwerer.” Beinahe erschrocken blickten sich einige zur sonst so schweigsamen Frau um. “Vielleicht hat sie Recht
”, grĂŒbelte Clay und strich sich ĂŒber seinen Bart. “Och nö!”, schrie Annemarie auf. “Ich will einen Namen aussuchen!” “Reicht es nicht, ihn Schreihals zu nennen?”, kommentierte Cerise. “Laut ist er ja.” Nebula funkelte sie bestimmend an, wĂ€hrend sie das Kurbeln fortsetzte. Ihre TĂ€tigkeit reduzierte die Bedrohlichkeit ihres Blicks allerdings erheblich. “Oh, oh, oh! Ich habs”, verkĂŒndete Annemarie. “Wir nennen ihn HĂ€nsel.” Cerise stieß die flache Hand auf ihr Gesicht und schĂŒttelte mit dem Kopf. Das Baby sperrte den Mund auf und schrie, als tĂ€te es sein Missfallen kund. “W-Wir können ihn n-nicht nach irgendeinem MĂ€rchen nennen”, mahnte Henrik. “Wie wĂ€re es mit Adrian?”, schlug Clay vor. Aber auch das beruhigte den Kleinen nicht. Nebula stellte das Kurbeln ein. “Ein Kind bekommt seinen Namen bei der Weihung”, intervenierte sie. Hastig verbarg sie das Zittern ihrer rechten Hand. Genervt stöhnte Cerise und rollte mit den Augen. Als ob der Krach nicht schlimm genug wĂ€re, kam jetzt die Prinzessin mit ihren verklemmten Moralvorstellungen dazu. Angelockt von der hitzigen Diskussion, fand Toshiro zu ihnen. Er hatte sogar sein Training beim einhunderteinundvierzigsten LiegestĂŒtz abgebrochen, um seine eigenen Argumente mit einzubringen. “Wir nennen ihn Kaji”, verkĂŒndete der muskulöse Blonde. “Das bedeutet Feuer.” Wie durch ein Wunder beruhigte sich der SĂ€ugling. “W-Wieso wollt Ihr das bestimmen?”, fragte Henrik. “Genau!”, schmollte Annemarie. “Ich will! Ich!” “Ihm gefĂ€llt es offenbar”, meinte Toshiro. TatsĂ€chlich lachte der Junge und wackelte vergnĂŒgt mit Armen und Beinen. “Außerdem
” Toshiro trat an Henrik heran und nahm ihm den SĂ€ugling ab. Er umfasste den Oberkörper des Kindes und hielt ihn Henrik gegenĂŒber, sodass sich ihre Gesichter gegenĂŒberstanden. Plötzlich öffnete der Junge seinen Mund und rĂŒlpste. Eine kleine Stichflamme verließ seinen Mund und versengte Henriks Haar. “... passt es zu ihm.” Cerise gab sich hemmungslosem GelĂ€chter hin. Sogar Aki konnte es ein Schmunzeln entlocken. Fassungslos fror Henrik rußiges Gesicht ein. Erst wollte es ihm keiner Glauben und jetzt nutzten sie es, um sich auf seine Kosten zu amĂŒsieren. Angestrengt kniff Alaric sein verbliebenes Auge zusammen, als er ein allerletztes Mal seine Muskulatur anspannte und die nötige Kraft aufbrachte, den finalen LiegestĂŒtz zu beenden. Danach stĂŒtzte er auch den rechten Arm auf den Boden auf, welchen er zuvor auf dem RĂŒcken gehalten hatte. Mit einem GefĂŒhl der Zufriedenheit nutzte er beide ExtremitĂ€ten als Aufstehhilfe. Einarmige LiegestĂŒtze gehörten zu seinem tĂ€glichen Übungen. Mit dem rechten Arm hatte er zuvor schon begonnen und nun waren auch die Trainingseinheiten des Linken vollstĂ€ndig. Kurz verschnaufend bewegte sich der jĂŒngste Spross der Kaiserfamilie zu einer Wasserschale und betrĂ€ufelte seine schweißgetrĂ€nkte Stirn mit dem erfrischenden kĂŒhlen Nass und ließ es anschließend ĂŒber seinen entblĂ¶ĂŸten Oberkörper laufen. Die Ströme der FlĂŒssigkeit bahnten sich ihren Weg ĂŒber die HĂŒgel und TĂ€ler seines ansehnlichen Waschbrettbauch, bis sie vom Saum seines Beinkleides aufgesogen wurden. Der rhythmische Paukenschlag seines Herzens gab ihm das wohltuende GefĂŒhl, etwas getan zu haben - anders als seine administrativen TĂ€tigkeiten. Körperliche ErtĂŒchtigung war der mehr als notwendige Ausgleich dazu. Statt zu trainieren hĂ€tte er sich ebenso gut die Erkenntnisse der Schattenschwestern zu GemĂŒte fĂŒhren können, die noch immer auf seinem Schreibpult lagen. Aber noch hatte er sich nicht dazu durchringen können, die Siegel zu brechen. WĂ€re sein Körper das einzige, das er stĂ€hlen wollte, hĂ€tte Alaric sich den Weg in die Garnison sparen können. Doch fĂŒr das Training seiner FĂ€higkeiten benötigte er Platz, den seine GemĂ€cher ihm nicht bieten konnten. Auf dem Aufmarschplatz gab es genug freie FlĂ€che und bis zum Morgenappell waren noch mehrere Stunden Zeit. Diese gedachte der Prinz zu nutzen. “Trenne Körper und Geist!”, beschwor er. “Anima!” Er nahm die ĂŒbliche Pose ein. An seinem zur Seite hin ausgestreckten Arm begann ein kaltes Feuer zu lodern. Zwischen den saphirblauen Flammen materialisierte sich eine Kette, die sich einer Schlange gleich rasselnd um Alarics Arm wand. Plötzlich fuhr ein Schmerz durch Alarics Kopf wie ein Messer durch Butter. Er ließ den Prinzen auf die Knie fallen und sein Haupt ergreifen. Indes entschwanden die Segmente des Anima und die Flammen erloschen. Alaric nutzte den freigewordenen Arm, um Halt auf dem Boden des Platzes zu finden. Er keuchte und kniff erneut sein Auge zu. Der imaginĂ€re Dolch in seinem SchĂ€del wurde gedreht und quĂ€lte ihn. Dann öffnete er sein Auge wieder. Sein Blick fiel auf einen ledernen Stiefel. Vor ihm stand eine Person, die zuvor noch nicht da gewesen war. Alaric hob sein Haupt. “Geht es Euch gut, Hoheit?”, fragte der Soldat, der vor dem Prinzen stand. Nicht selten kam seine Hoheit hierher, um seine KrĂ€fte zu trainieren. Er hatte gerade seinen Rundgang absolviert, als er Alaric zusammenbrechen sah. Er war sofort zu ihm geeilt. Aber der Prinz hatte seine Rufe scheinbar ĂŒberhört. “Mein Kopf!”, exklamierte der Hochwohlgeborene. “Soll ich einen Heiler rufen?”, erkundigte sich der Soldat. Inzwischen fĂŒhlte sich der Schmerz wie eine Speerstange an, die quer durch seinen SchĂ€del getrieben wurde. “Es geht schon”, versicherte er und stand vorsichtig auf. Unter Aufwartung all seiner KrĂ€fte verließ er den Aufmarschplatz. Der Soldat blieb noch einen Moment stehen, bis er seine Runde wieder aufnahm. Als Alaric sich unbeobachtet fĂŒhlte, wanderte die Hand zurĂŒck an seinen Kopf. Zwar wurden die Schmerzen allmĂ€hlich weniger, den Gefallen zu verschwinden, taten sie ihm allerdings nicht. Er musste dringlichst etwas gegen diesen Fluch unternehmen, nun da es begonnen hatte, seine FĂ€higkeiten zu beeintrĂ€chtigen. Mit nichts als einem Namen betraten Nebula und die anderen die Stadt. Die Suche nach diesem Philippe glich der nach einer Nadel im Heuhaufen. Lescar war nicht gerade klein. Wo sollten sie beginnen? Die ersterbende Stimme der Frau, die ihnen den SĂ€ugling ĂŒbergab, hallte noch immer in den Ohren der Prinzessin nach und trieb sie voran. Vielleicht gehörte der Name dem Vater des Kindes. Die Kunde von der Zerstörung des Dorfes musste inzwischen auch in die Stadt vorgedrungen sein. Sicherlich wĂŒrde er sich freuen, dass sein Sohn wohl auf war. Vielleicht war auch eine Belohnung drin - in fremden Landen musste man sehen, wo man blieb. Aber dazu mussten sie den Mann erst ausfindig machen. Die besten Chancen rechnete sich die Gruppe auf den MĂ€rkten aus. Die Knotenpunkte des zivilen Lebens waren stets reich an Möglichkeiten. Anschlagbretter offerierten AuftrĂ€ge fĂŒr Tagelöhner, der Stadtschreier unterrichtete die Einwohner von Lescar ĂŒber aktuelle Ereignisse und an den MarktstĂ€nden gab es reiche Angebote. Menschenmassen strömten gleich Blut durch ein GefĂ€ĂŸsystem auf den unzĂ€hligen Straßen zum Hauptmarkt. Irgendjemand wusste immer etwas. Man musste nur die richtige Person abgreifen. Es wĂ€re nicht klug gewesen, die ganze Zeit ein Baby durch die Stadt zu schleppen. Darum blieben Annemarie und Henrik zurĂŒck in einem Gasthaus, um auf den Jungen aufzupassen. Die verbliebenen FĂŒnf strömten aus und begannen die Passanten zu fragen. KopfschĂŒtteln um KopfschĂŒtteln. Die Sonne rannte ĂŒber das Himmelszelt wĂ€hrend Nebula und den Anderen ein Schulterzucken nach dem anderen entgegnet wurde. Niemand wollte einen Philippe kennen. Nicht einmal Cerise gelang es, ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erzielen. Allerdings konnte man auch nicht erwarten, dass sie sofort Erfolg haben wĂŒrden. Als der Tag sich dem Ende entgegen neigte, trafen sich alle am großen Brunnen mitten auf dem Markt wieder. Sie tauschten sich ĂŒber ihr kollektives Versagen aus. Auch Aki, Clay und Toshiro hatten nichts herausfinden können. WĂŒtend trat Nebula gegen einen hölzernen Eimer, der ihrem Kraftausbruch nichts entgegenzusetzen hatte und in seine Einzelteile zerfiel. “Verdammt!”, machte sie ihrem Ärger Luft. “Irgendwer muss den Kerl doch kennen!” “Das ist in der Tat seltsam”, pflichtete Cerise bei. “Philippe ist in Aschfeuer kein so seltener Name.” Sie grĂŒbelte. “Ich hatte schon das GefĂŒhl, als ob einigen der Name etwas sagt. Aber sie haben geschwiegen.” “Also habe ich mir das nicht eingebildet!”, sagte Toshiro. DemĂŒtig fiel Aki vor ihm auf die Knie, begleitet von den skeptischen Blicken der anderen. “Es tut mir leid, dass ich auch nicht von Nutzen sein konnte, Toshiro-sama.” Als ob sie eine Strafe erwartete, sah sie den jungen blonden Mann an. “Ich denke, heute erreichen wir nichts mehr”, meinte Clay. “Lasst uns zurĂŒck zur Herberge gehen. Sonst kommen wir noch in die Sperrstunde.” VernĂŒnftig! Nicht auszudenken, die Stadtwache hĂ€tte einen Grund, sich fĂŒr sie zu interessieren. Die anderen stimmten zu und sie kehrten zurĂŒck. Außerdem stiefelten sie schon den ganzen Tag durch die KĂ€lte. Vor dem GebĂ€ude erwarteten sie nicht nur Henrik und Annemarie - letztere hielt den kleinen Kaji in ihren Armen - sondern auch ein paar ungebetene GĂ€ste. Vorsichtig gingen Nebula und die anderen weiter, bis das spĂ€rliche Licht die MĂ€nner als Mitglieder der Stadtwache erkennbar machte. Verflucht! Hatten sie es nicht mehr rechtzeitig geschafft? Einige Meter vor dem alten Fachwerkhaus kam der Tross zum stehen. Nebula und die anderen sahen verwirrt zu den Soldaten. Es ging doch nicht etwa um die von der Prinzessin begangene SachbeschĂ€digung? Einer der MĂ€nner trat vor und machte sich sprechbereit. “Was wird uns vorgeworfen?”, kam Nebula ihm zuvor. “Ihr seid die Fremden, die zu viele Fragen stellen!”, meinte der Mann. “Z-Zu v-viele?”, stotterte Henrik Ă€ngstlich. “Oh, waren es etwa die falschen?”, fragte Cerise zynisch. “Das tut uns aber Leid.” “Wenn Ihr nicht unsere Fragen beantwortet, wird es das sicher.” Er wandte sich zu den anderen Stadtwachen um. “MĂ€nner: AbfĂŒhren!” Zwei von ihnen verblieben am Eingang des Gasthofs, wĂ€hrend der Rest begann, nun auch die Ankommenden zu umstellen. Aki zuckte bereits der Finger. Sie wollte einen Abzug betĂ€tigen. Auch Toshiro verspĂŒrte die Lust, lieber gleich als spĂ€ter loszuschlagen. Mit fixiertem Blick und breitem Grinsen im Gesicht starrte er den AnfĂŒhrer der Soldaten an. Um einer Eskalation vorzubeugen, beschlossen Nebula und ihre Begleiter, dass es besser war, den Wachen Folge zu leisten und sie zu begleiten. “Wo werden wir hingebracht?”, fragte Clay. “Zur Garnison”, antwortete der GruppenfĂŒhrer. Einen Moment spĂ€ter setzten sich alle in Bewegung. Erst sah es so aus, als ob man sie tatsĂ€chlich zum MilitĂ€rgebĂ€ude bringen wollte. Doch als sie an ihm vorbei gefĂŒhrt wurden und eine verdĂ€chtig abgelegene Gasse betraten, wanderte auch Nebulas Hand allmĂ€hlich an die Waffe. Das stank doch zum Himmel! Plötzlich gab der GruppenfĂŒhrer seinen MĂ€nnern ein Zeichen und jeder versuchte, sich einen von Nebulas VerbĂŒndeten zu schnappen. Einer packte Annemarie, aber sie rammte ihm zielsicher den Ellenbogen in den Schritt und entschwand, wĂ€hrend er sich vor Schmerz krĂŒmmte, beschĂ€mt von einem kleinen MĂ€dchen ausgetrickst worden zu sein. Sie versteckte sich zusammen mit dem Baby hinter einem großen Fass. Clay, Henrik, Toshiro und sogar Cerise hatten weniger GlĂŒck und wurden mit einer Klinge am Hals in Schach gehalten. Aki zog ihre Bayonettpistolen und fuhr mit einem Knopfdruck die Klingen aus, bevor ihre Manndeckung reagieren konnte. Nebula wehrte ebenfalls den Versuch der Gefangennahme mit ihrem Schwert ab. WĂ€hrend die anderen Gefangenen Ă€ngstlich auf die Klinge an ihrer Kehle blickten, brachte Cerise den Mann hinter sich Mittels erotischem Augenkontakt ins Schwitzen. Vorsichtig fuhr sie mit dem Zeigefinger ĂŒber die Klinge, bis die Haut brach und roter Lebenssaft austrat. GemĂ€chlich fĂŒhrte sie den verletzten Finger zum Mund und leckte sich den Blutstropfen ab. Augenklimpernd wandte sie sich dem Mann hinter ihr zu. “Du hast aber ein scharfes Schwert”, hauchte sie. 🌱 Alaric hatte es sich inmitten seiner GemĂ€cher im Schneidersitz bequem gemacht. Noch immer beunruhigte ihn, dass Anima beim Training scheinbar den Gehorsam verweigert hatte. Das hatte es noch nie getan! Schon wieder fĂŒhrte der Weg zur Lösung seines Problems ĂŒber ein Ritual. Seit seiner Jugend hatte man ihn schon darauf vorbereitet, ein Waffenmeister zu sein. Anders als bei solchen, die nur durch Zufall in den Besitz einer Teufelswaffe gelangen, genoss er ein mentales Training. Unter anderem lehrte man ihm eine Technik, mit der es ihm möglich war, die Seelenwelt des Anima zu betreten. Zwar gab es FĂ€lle, wo die Waffe selbst den Kontakt suchte, aber fĂŒr den Waffenmeister war das Ritual - abgesehen von Befehlen wĂ€hrend des Kampfes - die einzige Möglichkeit, bewusst mit der Waffe zu kommunizieren. Alaric schloss seine Augen und verlangsamte seinen Atem. Er konzentrierte sich und horchte in sich hinein. Die lĂ€stigen Gedanken an seine Pflichten schob er beiseite - fĂŒr den Moment. Langsam verhallten die StörgerĂ€usche in seinem Kopf. Alaric fand sich im imaginĂ€ren Bild einer pechschwarzen stĂŒrmischen See wieder, die von Minute zu Minute immer ruhiger wurde, bis er mit dem kleinen Ruderboot, in das er sich hinein fantasiert hatte, zu den Ufern einer farblosen Insel rudern konnte. Er sprang aus seinem Transportmittel hinaus in den schneeweißen Sand. Der Prinz sah nach oben und erblickte den ebenfalls weißen Himmel mit seiner schwarzen Sonne. In seinem Kopf hatte er das von jeglichen TĂŒnchen befreite Reich von Anima betreten. Hier wirkte er wie ein Fremdkörper mit all den Farben - seien es die Seinen oder jene der Gewandung seines imaginĂ€ren Selbstbildes. Ein unwirklicher und surrealer Ort. Alles war einfach falsch. Licht war dunkel und Schatten war hell. Hier kam er nicht gern her. Diese Ebene der Existenz, die jeglicher Logik trotzte und sich seiner Kontrolle entzog, ließ Unbehagen in ihm aufsteigen. Es war, als ob an jeder Ecke ein neuer Gedanke an unaussprechliche Grausamkeit nur darauf wartete, von ihm Besitz zu ergreifen. Ein schwacher Charakter wĂŒrde ihnen gewiss verfallen. Schritt um Schritt entfernte sich Alaric von seinem Boot und drang tiefer in den finsteren Urwald ein, in dessen Mitte Anima auf ihn warten wĂŒrde. Mittels eines mĂ€chtigen Hiebes seines Schwertes zerteilte Alaric eine pechschwarze Rankenpflanze, die ihm den Weg versperrte. Es war erstaunlich, wie realistisch diese erdachte Welt war. Er spĂŒrte den Widerstand des GewĂ€chses, als befinde er sich in einem echten Urwald und schlage sich durch echtes Dickicht durch. Und vorhin war es ihm, als habe ihn ein lĂ€stiges Insekt um etwas Blut erleichtert. Hinter der Ranke kam ein schmaler, halb zugewachsener Weg zum Vorschein. Ein grĂ€ulicher Pfad, der sich von dem viel hellem Boden sichtlich abhob. An seinem Ende konnte man schemenhaft eine Lichtung erkennen. Alaric wusste bereits, was sich dort befand. Er tat es zwar nicht gern, aber es war mitnichten das erste Mal, dass er die Insel in seinem Geist aufsuchte. Zielstrebig ĂŒberbrĂŒckte der Schwarzelf die Distanz und trat aus dem Urwald heraus. TatsĂ€chlich erwartete ihn eine Lichtung. In ihrer Mitte befand sich eine massive Stufenpyramide, um die etwas Lebendiges herum gewickelt zu sein schien. Die pechschwarzen Sonnenstrahlen wurden von der schuppigen Haut aufgesogen wie Tinte von einem FĂŒllfederhalter. Langsam wand sich der kraftvolle Leib um die Konstruktion und das Haupt einer gigantischen Schlange erhob sich. Mit unentwegten ZĂŒngeln erfasste sie die GerĂŒche ihrer Umgebung. Dann streckte sie ihren Körper in die Höhe. Ihr Kopf verdeckte die schwarze Sonne. Ein heller Schatten fiel auf Alaric. “Was willst du von mir?”, fragte die Schlange ungehalten. Sie sprach ohne ihr Maul auch nur ein StĂŒck zu bewegen. Alaric mĂŒhte sich, den Augenkontakt mit der Kreatur zu halten, die ihn haushoch ĂŒberragte und wie der Turm von Babel in den Himmel reichte. “Sprich!” “Heute hast du mir den Gehorsam verweigert”, klagte der Prinz an. “Wieso gehorchst du deinem Meister nicht?” “Du willst mein Meister sein und bist nicht einmal Herr ĂŒber dich selbst?” “Wie meinst du das?”, fragte Alaric unverstĂ€ndig. “Etwas anderes hat Anspruch auf deine Seele erhoben.” Anima musste die ewige Dunkelheit meinen. “Deine Existenz ist mit der Menschenfrau verbunden, der du mich einst die Seele entreißen ließt. Eine so reine Seele habe ich noch nie gefĂŒhlt. Das vergesse ich nicht. Sie hat deinen Platz im Limbus eingenommen. Aber nicht aus freien StĂŒcken. Ich spĂŒre, wie die Menschenfrau um ihre Freiheit kĂ€mpft.” “Das war nicht meine Entscheidung”, verteidigte sich Alaric. “Ich unterlag im Kampf und wurde gegen meinen Willen ins Leben zurĂŒckgeholt!" “Aber seid ihr Sterblichen nicht so versessen auf euer kurzes Dasein?” “Nicht wenn jemand anderes an meiner statt leiden muss!” “Wie Nobel von dir! Dennoch warst du es, der mich ihre Seele entreißen ließ.” “Woher sollte ich wissen, dass meine Schwester-” “In einem Anfall von Überheblichkeit warst du der Ansicht, die Menschenfrau fĂŒr eine LĂŒge bestrafen zu mĂŒssen, bei der sie keine große Wahl hatte, als ihre Rolle zu spielen!” Ertappt verzog Alaric sein Gesicht. Anima lebte in seinem Körper und in seinem Geist. Da war es wenig verwunderlich, dass es genauestens ĂŒber ihn und sein Seelenleben Bescheid wusste. Es war beĂ€ngstigend, einen GesprĂ€chspartner zu haben, vor dem es keine Geheimnisse gab. “FrĂŒher hast du die Dinge noch hinterfragt. Aber dann hast du beschlossen, die Augen zu verschließen und zu funktionieren. Die Erwartungen deines Vaters zu erfĂŒllen und ihm ein guter Sohn zu sein. Auf dem Bankett hast du den Betrug an ihm aufgedeckt und bist beinahe automatisch zu dem Schluss gekommen, dafĂŒr Rache nehmen zu mĂŒssen.” Alaric rang mit der Fassung. “Aber ich
”, flĂŒsterte er. “Du stehst praktisch mit einem Bein im Grab. Der Limbus fordert deine Seele ein. Das Herz dieser Menschenfrau ist viel zu rein, als dass die Dunkelheit es akzeptieren wĂŒrde. Deine Wiederbelebung war kein Segen, sondern ein Fluch. Du hast deine Seele nur auf Zeit zurĂŒck erhalten. Die Finsternis wird dich frĂŒher oder spĂ€ter holen kommen.” “Und darum verweigerst du mir den Gehorsam?” “Richtig!”, brĂŒllte Anima donnernd. “Du verabscheust Ehrlosigkeit. Ich SchwĂ€che. Beides hast du in dieser Nacht unter Beweis gestellt! Ich werde dich beobachten und dann entscheiden, ob ich dir gehorche. Und jetzt verschwinde!” Blitzschnell schoss der Kopf der Schlange auf Alaric zu und ihre Beißwerkzeuge vergruben sich an der Stelle im Boden, an der er einen Moment zuvor noch gestanden hatte. Eine Wolke aus Schmutz wurde aufgewirbelt. Die Priesterinnen des Tempels hatten soeben die Prozedur der Einbalsamierung abgeschlossen. Behutsam rieben sie nun die kalte Haut des humanoiden Kadavers mit heiligem Öl ein. Diese letzte Ölung war eine zeitaufwĂ€ndige Prozedur. Die traditionellen Riten schreiben vor, dass sie nur von den Glutjungfern durchgefĂŒhrt werden durften. Frauen, die durch das Feuer gezeichnet wurden, und ihren heiligen Dienst beim Elendsschlund leisten. Die Hand einer der Frauen streifte dabei ĂŒber die vernĂ€hte Öffnung am Bauch des Toten, wo zuvor die Organe entnommen worden waren. Sie war sauber vernĂ€ht. Die Glutjungfer konnte stolz auf ihre Arbeit sein. Es war wichtig, die HĂŒlle in einem guten Zustand der Asche zurĂŒckzugeben, andernfalls wĂŒrde man den Vulkan erzĂŒrnen. So sehr die Schwarzelfen die Menschen fĂŒr ihren Glauben an den namenlosen Gott auch belĂ€chelten, hingen viele an ihren eigenen alten Traditionen fest. Die Überzeugung der Reinigung durch die Asche schenkte vielen SĂŒndern Hoffnung. Der Körper war nun völlig entleert. Frei von allen SĂŒnden seines Besitzers. Nach dem Glauben der Schwarzelfen saß die Seele in den GedĂ€rmen. Der Leib war nicht mehr als ein GefĂ€ĂŸ. Die Entfernung der Innereien war deshalb ein wichtiger Bestandteil des Bestattungsritual. Der Körper wurde spĂ€ter den heißen Strömen aus dem Inneren der Erde ĂŒbergeben, sodass nach der Zerstörung eine neue Schöpfung folgen konnte. Aber mit den Organen wurde anders verfahren. Man wollte sichergehen, dass die Seele ihren Weg in das Jenseits fand. Darum wĂŒrden die GedĂ€rme zwei Wochen lang sorgsam entwĂ€ssert und anschließend von den Priesterinnen unter freiem Himmel verbrannt, auf dass sich die Asche der Organe mit jener der Ahnen vereinigte, die bereits ihren Platz in der großen Aschewolke gefunden hatten. Was anschließend ĂŒbrig blieb, wurde in Urnen gefĂŒllt und in einer Krypta zur Ruhe gebettet. Belanors sterbliche Überreste stellten da keine Ausnahme dar. Egal welche Verfehlungen er zu seinen Lebzeiten begangen haben möge, das Feuer des Berges wĂŒrde ihn von allen seinen SĂŒnden reinwaschen. Wenn er zu Lebzeiten selbst nicht viel mit Religion anfangen konnte, waren seine Mutter und seine Geschwister sehr glĂ€ubig. Sie lebten in den verschiedensten Winkeln des Kaiserreichs, aber einmal im Jahr pilgerten sie nach Vanitas und besuchten den Tempel am Elendsschlund. Dieses Jahr mussten sie zweimal zusammenkommen. Die Mutter wollte fĂŒr ihren Sohn ein gutes Leben nach dem Tod arrangieren und hatte die notwendigen Tribute entrichtet, damit die Glutjungfern zu Werke gingen. Nachdem die Haut Belanors vollstĂ€ndig mit den Ölen gesalbt war, zogen die Priesterinnen ihm sein letztes Hemd an. Es war die Gewandung, in der sein Leichnam in die Lava geworfen werden sollte. In den meisten FĂ€llen bestanden sie aus einfachen gewebten Stoffen, aber Belanors Familie war sehr reich, weshalb sein letztes Hemd sĂŒndhaft teuer war. Als der Körper bekleidet war, wurde er mit einem Laken abgedeckt. Die Glutjungfern ergriffen die Schalen mit den Organen und ihre Werkzeuge und verließen die Kammer. Der Körper des Diplomaten wĂŒrde die nĂ€chsten Tage aufgebahrt werden, damit sich seine Angehörigen angemessen verabschieden könnten. Die großen TĂŒren zum Einbalsamierungsraum wurden geschlossen. Plötzlich kĂŒndigte sich hoher Besuch an. Begleitet von zwei Leibwachen, erschien niemand geringerer als die Prinzessin auf der BildflĂ€che. Lezabel wollte ihrem verstorbenen Ehemann einen Besuch abstatten. Die Glutjungfern verneigen sich. “Ich möchte meinen Gatten sehen!”, verlangte die dĂŒnne Schwarzhaarige. “Gewiss, Eure Hoheit!”, antwortete eine der Priesterinnen. Sofort wurde die soeben geschlossene TĂŒr wieder geöffnet. Lezabel wandte sich an ihre LeibwĂ€chter. “Ihr bleibt draußen und passt auf!”, bellte sie ihre Befehle in einem abfĂ€lligen Tonfall. Ihre Wachen, einer kahlköpfig mit akzentuierten Riechorgan und der andere mit einem kindlichen Milchgesicht, standen stramm und salutieren. Lezabel trat ein und schloss die TĂŒr hinter sich. Nun war sie allein in der Kammer. Sie sah sich um. Es gab nicht viel zu sehen. Glattes Mauerwerk mit kultischen Wandmalereien. Ein paar Tische, auf denen Leichen einbalsamiert wurden. Sie waren alle leer, bis auf einen. Unter dem Laken musste Belanor liegen, dachte die Prinzessin. Lezabel trat an den Tisch heran. WĂ€hrend sie dies Tat, hallten die Schritte in ihren schweren Absatzstiefeln von den WĂ€nden wieder. Die Prinzessin ergriff das Laken, schlug es schwungvoll zurĂŒck und enthĂŒllte den Leib ihres Gatten. Ihr Blick fiel auf das Gewand aus teurer Seide. “Schwiegermutter hat weder Kosten noch MĂŒhen gescheut”, stellte sie fest. Lezabel schritt um den Tisch herum und fing ein Bild ihres Mannes aus jedem erdenklichen Blickwinkel ein. Die Glutjungfern hatten gar wundersame Arbeit geleistet. Es war nicht eine Spur der Strangmarken zu sehen, die Alaric an seinem Hals entdeckte, als er ihn tot in der Zelle fand. “Die wissen wie es geht”, flĂŒsterte Lezabel wĂ€hrend sie mit ihren Fingern ĂŒber den Hals Belanors fuhr. Sie spĂŒrte das Öl auf der Haut. “Habt Ihr Euch aus der Verantwortung gestohlen”, warf sie der Leiche vor. Ihre Augen, die bis eben noch Bewunderung fĂŒr die Arbeit der Glutjungfern wiederspiegeln, wechselten in einen abfĂ€lligen Ausdruck. “Ob die Ahnen das gut finden
”, stichelte sie. Wen wollte sie damit beleidigen? Als Toter konnte Belanor es nicht mehr hören. Nach dem Glauben der Schwarzelfen war nicht einmal mehr seine Seele anwesend, da sie zuvor mit den Eingeweiden aus dem Raum getragen worden waren. Lezabel musste sich einfach nur selbst gefallen wollen
 “Wirklich schade!”, sprach die Prinzessin weiter, wĂ€hrend sie sich neben der Körpermitte in Stellung brachte. Zielsicher griff sie nach Belanors GemĂ€cht. “Einen Toten zu quĂ€len macht keinen Spaß!”, sprach sie abfĂ€llig, wĂ€hrend sie das GeschlĂ€chtsteil mit all ihrer zur VerfĂŒgung stehenden dĂ€monischen Kraft zerquetschte. Einen tiefen Atemzug nehmend, schreckte Alaric aus der Trance auf. Erleichtert stellte er fest, dass er nicht im Magen einer ĂŒbergroßen Schlange gelandet war und sich stattdessen wieder in der realen Welt in seinen GemĂ€chern befand. Das schwache rote GlĂŒhen des Lavasee unter dem Palast, das durch die in Blei gefassten Fenster hinter ihm eindrang, beruhigte seinen aufgewĂŒhlten Geist. Er erhob sich aus dem Schneidersitz und stand auf. Noch einmal musste er es versuchen. Er streckte seinen Arm aus und rief Anima herbei: “Trenne Körper und Geist, Anima!” Aber nichts geschah. Die Schlange ließ ihren Worten Taten folgen. Er musste ihr beweisen, dass er ihrer noch immer wĂŒrdig war. 🌱 “Was wollt Ihr wirklich von uns?!”, fragte Nebula fordernd. Der AnfĂŒhrer der Geiselnehmer zeigte keine Reaktion. Ein kurzer Augenkontakt zwischen den Freunden genĂŒgte. Als erstes erledigte sich Cerise ihres Geiselnehmers. Dem armen Mann war sowieso trotz der KĂ€lte viel zu heiß in seiner Haut. Er konnte nicht mehr klar denken, angesichts des verfĂŒhrerischen Halbblutes in seiner Gewalt, und war so ein leichtes Opfer fĂŒr die Rothaarige. Mit einem Stoß ihres Hinterkopfes ĂŒberraschte sie ihn. Danach entzog sie sich ihm und schlug ihm ins Gesicht. Toshiro ergriff die Klinge vor ihm und setzte ihren TrĂ€ger mit einer elektrischen Entladung außer Gefecht. Das Schwert von Clays Möchtegern-Geiselnehmers zerbrach, als dieser es mit bloßen HĂ€nden zerdrĂŒckte. Er musste nicht Henrik sein, um das schlechte Handwerk zu bemerken. Die Klinge hatte nie eine anstĂ€ndige HĂ€rtung erfahren. Henrik nutzte seine KrĂ€fte und bewegte die Waffe von seiner Kehle weg. Danach ließ er sie - mit samt ihres TrĂ€gers - an einer Hauswand aufschlagen. Angesichts der schlechten Performance seiner Untergebenen war anzunehmen, dass der AnfĂŒhrer dieses Überfallkommandos nun doch gesprĂ€chsbereit war
 “Sagt Ihr uns jetzt, was Ihr von uns wollt?” In regelmĂ€ĂŸigen AbstĂ€nden wiederholte sich das GerĂ€usch eines Tropfens, der von der durch Kondenswasser befeuchteten Decke hinunter auf den steinernen Boden fiel. Die Luft war bedrĂŒckend schwer und feucht. Moose und Schimmel hatten sich ĂŒberall im Mauerwerk festgesetzt. UngefĂ€hr alle 10 Meter erhellte eine Fackel die Umgebung. Sie steckten in einfachen Metallhalterungen. Die Gruppe ließ sich von ihren ehemaligen Angreifern leiten. Ihr Weg fĂŒhrte durch einen Wartungstunnel der stĂ€dtischen Wasserversorgung. Er transportierte schon lange kein Wasser mehr und verlief neben dem eigentlichen Abwassersystem. Augenscheinlich war er nun einem neuen Zweck zugefĂŒhrt worden. Unentwegt nach einem ganz bestimmten Namen zu fragen, hatte ungewollte Aufmerksamkeit heraufbeschworen. Es stellte sich heraus, dass die MĂ€nner zu diesem Philippe gehörten, den Nebula und die anderen zu finden versuchten. Entweder taten sie so, als seien sie bei der Stadtwache, oder es war ihnen gelungen, diese zu unterwandern. Philippe musste seine Leute geschickt haben, als ihm zugetragen wurde, dass jemand Kontakt mit ihm suchte. Endlich erreichten sie ihr Ziel. Eine unbeleuchtete Abzweigung fĂŒhrte zu einer unscheinbar wirkenden TĂŒr. Alsbald wurde sie aufgestoßen und gab den Blick auf den gewaltigen Raum frei, den sie verbarg. Es handelte sich um eine mehrere Stockwerke große Zisterne. Die Vertrauten blickten nach unten. Nur der Boden war noch mit Wasser gefĂŒllt. Sie wurde bestimmt seit langer Zeit nicht mehr genutzt. Der Zugang lag im oberen Teil und einige HĂ€ngebrĂŒcken verbanden Holzkonstruktionen im leeren Innenraum. Auf ihnen hatte man HĂŒtten und WerkstĂ€tten errichtet. Interessiert sahen sich die Neuankömmlinge um. Es kam einer Stadt unter der eigentlichen Stadt gleich. Aber nichts stach so sehr hervor wie die unzĂ€hligen Schilde und Banner mit ihren Wappen. Sie stellten allesamt das gleiche Motiv dar. “W-Was ist das a-alles hier?”, stammelte Henrik. “Das ist ja wuselig hier!”, entfleuchte es Annemarie, als ihr Blick auf die Menschen fiel, die sich im Komplex herumtreiben. “Scarlet Sword”, sagte Cerise. Sie deutete auf eines der Wappenschilde mit dem blutroten Schwert darauf. “Mit denen hatte ich schon
 Ă€hm
 zu tun.” Nebula dachte sich ihren Teil und schwieg. “Wow!”, staunte Annemarie. “Du kennst echt jeden!” Sie trug noch immer den SĂ€ugling, der ganz aufgeweckt mit den kleinen Ärmchen ruderte. Gemeinsam folgten sie den MĂ€nnern weiter und drangen tiefer in die Anlage vor, bis sie eine grĂ¶ĂŸere Plattform mit einem massiven Holzanbau erreichten. Aki wirkte nachdenklich. Ob sie grĂŒbelte, wie das ganze Holz hierher gebracht wurde, ohne Aufsehen zu erregen? Der Gang wĂ€re dafĂŒr auf jeden Fall zu schmal. Nebula und ihre Vertrauten wurden bereits von einem stĂ€mmigen Mann und dessen beiden LeibwĂ€chtern erwartet. Sie standen vor einer großen TĂŒr, die links und rechts von weißen Flaggen flankiert wurde. Sie hingen herunter wie Wandteppiche und zeigten ebenfalls das Symbol des roten Schwertes. Gefasst wurde den AusfĂŒhrungen von Nebula und ihren Begleitern gelauscht. Nachdem sich der AnfĂŒhrer des Lagers als Philippe zu erkennen gegeben und sie hereingebeten hatte, ließ er sich von ihnen berichten, woher sie seinen Namen kannten und was sie von ihm wollten. Nun saßen sie alle um einen großen runden Tisch. Sie sagten ihm, was sie bedenkenlos weitergeben konnten. Dass sie geschĂ€ftlich unterwegs waren, als plötzlich ein Drache ĂŒber ihre Köpfe flog, wĂ€hrend sie ihrer TĂ€tigkeit auf dem Markt nachgingen. Das UngetĂŒm steuerte ein Dorf an, etwa einen halben Tagesmarsch entfernt. Sofort gaben sie ihrem unguten GefĂŒhl nach und machten sich auf den Weg. Alles, was sie noch vorfanden, beschrĂ€nkte sich auf Tod und Zerstörung. Der Drache hatte in dem Dorf keinen Stein auf dem anderen gelassen. Auf den Pfaden lagen die Opfer seines Feuerodems. Als sie die TrĂŒmmer durchsuchten, stießen sie auf eine Frau, die sie mit letzter Kraft bat, ein Baby nach Lescar zu bringen. SpĂ€ter gab ihnen jemand den Rat, in der Stadt nach Philippe zu fragen. “So habt Ihr also von mir erfahren”, sammelte Philippe seine Gedanken. Er wirkte seit der ErwĂ€hnung des Drachen nervös. Sein Blick wanderte stets zwischen den Gesichtern der Fremden und dem Baby, um das sich Annemarie kĂŒmmerte, hin und her. “Irgendwer konnte seinen Mund nicht halten
” “Gutes Personal ist Mangelware”, kommentierte Cerise. “Habt Ihr darum Eure Schergen geschickt?”, fragte Nebula. “Ich musste eure Absichten in Erfahrung bringen.” “Ihr hĂ€ttet fragen können!” “Ich habe die Situation gern unter Kontrolle.” “U-Uns die Schwerter an die Kehle halten, ist der f-falsche Weg!”, stellte Henrik klar. Abermals verirrten sich Philippes Blicke. “Man kann nie vorsichtig genug sein.” “Es ist etwas mit dem Jungen”, mutmaßte die sonst stille Aki. “Ihr seht ihn andauernd an.” Sie hatte lĂ€ngst bemerkt, dass ihr GegenĂŒber unentwegt den SĂ€ugling anstarrte. Eine Tatsache, die auch an den anderen nicht unbemerkt vorbeigegangen war. Einen Moment schwieg der AnfĂŒhrer von Scarlet Sword. “In der Tat”, bestĂ€tigte er anschließend. “ReneĂ©!”, rief er aus. “Kommst du bitte?” Die TĂŒr hinter ihm öffnete sich und eine schwangere Frau trat ein. Ihr Bauch war kugelrund. Bestimmt war es bald soweit. “Das ist meine Frau ReneĂ©â€, stellte sie Philippe vor. “WĂ€rst du so gut, dich um das Kind zu kĂŒmmern?”, wandte er sich an sie. “Ich muss unseren GĂ€sten etwas zeigen.” Die Frau kam seiner Bitte nach und trat an den Tisch heran. Sie streckte die Arme aus, bereit, das Kind in Empfang zu nehmen. Ein Moment des Zögerns verstrich. “Keine Angst, sie hat schon gegessen”, scherzte Philippe, wohl auf ReneĂ©s ĂŒberschĂŒssige Schwangerschaftspfunde anspielend. ReneĂ© zog ihre Arme wieder ein. Sie ging zu ihrem Mann und er fing sich einen Schlag mit der flachen Hand auf den Hinterkopf. Danach kehre sie zu Annemarie zurĂŒck und streckte abermals ihre Arme aus. Nachdem Nebula ihre Zustimmung durch Nicken signalisierte, ĂŒberreichte Annemarie den SĂ€ugling, fĂŒr den sie sich seit jeher verantwortlich gefĂŒhlt hatte. “Du bist aber ein SĂŒĂŸer!”, meinte ReneĂ© und schaukelte das Kind sorgsam. Philippe erhob sich. Nebula und die Anderen verstanden dies als Aufbruchsignal und taten es ihm gleich. “Stopp!”, intervenierte der AnfĂŒhrer von Scarlet Sword. “Nur die HĂ€lfte von euch. Die andere bleibt hier. Als RĂŒckversicherung.” “Immer etwas in den Hinterhand haben”, brachte Nebula ihren Unmut zum Ausdruck. “So haben wir bisher ĂŒberlebt.” “Keine Angst, Blondie, ich pass schon auf deinen Liebsten und das Gör auf!”, bot sich Cerise an. “Wenn die Typen eine krumme Nummer abziehen wollen, werde ich mich um sie kĂŒmmern”, versicherte sie, wĂ€hrend sie lĂ€ssig ihre FingernĂ€gel begutachtete. “Danke fĂŒr das Angebot”, zeigte sich Nebula erkenntlich. “D-Das wird nicht nötig sein”, meinte Henrik. “Ich komme mit.” “Dann bleibe ich”, verkĂŒndete Clay. Er fĂŒhlte sich in der NĂ€he dieses Philippe unwohl. Seine Anwesenheit weckte eine Urangst in ihm. Und er roch auch nicht so, wie ein normaler Mensch riechen sollte. Trotzdem bot er sich freiwillig an. NatĂŒrlich blieb auch Annemarie - immerhin war das Baby dort. Das Quartett aus Aki, Henrik, Nebula und Toshiro folgte Philippe durch die TĂŒr, aus der zuvor ReneĂ© gekommen war. Sie fĂŒhrte in ein weiteres Tunnelsystem. Nach einer gefĂŒhlten Ewigkeit in der stickigen, dunklen Passage sahen sie die Sonne durch einen von GeĂ€st verdeckten Ausgang wieder. Nacheinander traten sie aus der Finsternis heraus. Zuerst Philippe, gefolgt von Nebula, Henrik und Toshiro. Aki schĂŒtzte den RĂŒcken ihres Schutzbefohlenen. Sie entstiegen dem unscheinbaren Loch im felsigen Boden. Sofort bedeckte Philippe den Zugang mit Steinen, Zweigen und Schnee. Nun befanden sie sich ein gutes StĂŒck von der Stadt entfernt. Nebula sah sich um und konnte nichts von Relevanz entdecken. Misstrauisch machte sie sich kampfbereit. “Warum habt Ihr uns mitten ins Nirgendwo gefĂŒhrt?”, fragte sie. “Es ist einfacher, es zu zeigen
”, meinte Philippe. Er entfernte sich von der Gruppe. Nach einigen Metern stoppte er und begann sich seiner Kleidung zu entledigen. “W-Was macht der da?”, fragte Henrik verdutzt. “Der macht sich nackig!”, kommentierte Toshiro belustigt das Offensichtliche. “J-Ja, das s-sehe ich. Aber w-warum?” Plötzlich breitete Philippe die Arme aus, als wolle er eine göttliche Macht anrufen. Seine Haut begann zu glĂŒhen und anschließend zu verbrennen. Sein Körper nahm an GrĂ¶ĂŸe und Masse zu. Philippes Schreie deuteten darauf hin, dass der Prozess sehr schmerzhaft fĂŒr ihn war. Die Hitze schmolz den Schnee und versengte das Gras um ihn herum. Nebula und die anderen konnten die Temperaturen fĂŒhlen. Die glĂŒhende Gestalt verlor jegliche Ähnlichkeit zu der eines Menschen. FlĂŒgel entstanden. Der Hals verlĂ€ngerte sich. Ein Schwanz wuchs. Aus dem Schreien wurde ein bestienhaftes GebrĂŒll. Letztlich kĂŒhlte das GlĂŒhen ab und enthĂŒllte die schuppige Haut eines Drachen. Mit einem mĂ€chtigen Schlag seiner Schwingen erhob sich Philippe in die LĂŒfte und zog seine Kreise um seine zutiefst verwunderten und schockierten GĂ€ste. Ein paar Runden drehte Philippe in Drachengestalt ĂŒber den anderen, bevor er landete, seine menschliche Gestalt wieder annahm und die Darbietung beendete. Ohne ein Wort der ErklĂ€rung fĂŒhrte er seine sprachlosen GĂ€ste zurĂŒck in das Hauptquartier von Scarlet Sword, nachdem er sich wieder bekleidet hatte. Inzwischen hatten alle wieder am großen, runden Tisch Platz genommen. Die ZurĂŒckgebliebenen erfuhren, was sich fernab von den Augen neugieriger BĂŒrger abgespielt hatte und wollten es ebenfalls nicht glauben. “Du kannst zu einem Drachen werden?”, staunte Annemarie. Eine Tatsache, die es vermochte, das MĂ€dchen vom kleinen Kaji abzulenken. “Also ist er ein Werdrache?”, entfleuchte es einem ungewöhnlich aufgeregten Clay. “Wundert Euch das ĂŒberhaupt nicht?”, fragte er Cerise, deren Körpersprache die ĂŒbliche GleichgĂŒltigkeit verlauten ließ. “Wieso?”, tat die Rothaarige, als ob es das Normalste auf der Welt wĂ€re, wenn sich jemand in einen Drachen verwandelte. “Ihr könnt zum Wolf werden. Wen ĂŒberrascht es noch, wenn sich jemand in einen Drachen verwandelt?” “Wie ist das m-mö-öglich?”, wollte Henrik wissen. Philippe senkte sein Haupt. “Das ist eine lange Geschichte”, leitete er ein. Gebannt warteten alle auf seine ErklĂ€rung. “Damals war ich Soldat. Man brauchte Freiwillige, um eine neue Waffe zu testen. Ich habe mich fĂŒr das Programm freiwillig gemeldet. Ich wurde mit anderen Testsubjekten in umfunktionierten FolterstĂŒhlen gefesselt und man machte Experimente mit uns. Wir bekamen regelmĂ€ĂŸig eine Substanz gespritzt. Das Zeug hat in den Adern gebrannt wie flĂŒssiges Feuer! Viele haben das nicht ĂŒberlebt." Was das wohl fĂŒr eine Substanz war, grĂŒbelte Nebula. Vielleicht eine Droge? Aber welche Droge verleiht die FĂ€higkeit, ein Drache zu werden? “Die anderen Versuchskaninchen sind der Reihe nach jĂ€mmerlich verreckt. Das Zeug ließ sie von innen heraus verbrennen! Viel mehr als eine verkohlte Leiche blieb nicht ĂŒbrig.” Henrik hielt sich die Hand vor den Mund, um den Brechreiz zu stoppen. “Die wenigen ‘Patrioten des Reiches’, die das ĂŒberlebten, hat man darin unterwiesen, ihre neuen FĂ€higkeiten zu nutzen.” “Also Feuer spucken, Kinder fressen, Jungfrauen entfĂŒhren und was ein Drache sonst noch so wissen muss?”, stichelte Cerise. “Findet Ihr das etwa lustig?!”, echauffierte sich Philippe. “Aber ja, das beschreibt es ganz gut. Man machte uns zu Tötungsmaschinen und testete uns in einer Schlacht gegen die Armee eines kleinen Königreichs im Westen.” Eine schockierende Erkenntnis drang in Nebulas Gedanken ein. Sprach er etwa ĂŒber die Schlacht von Wolfshofen? “Also sind die Drachen in Wirklichkeit Menschen?”, fragte Clay. "Nein! Schön wĂ€r’s
 Die Drachen der Prinzessin sind nicht das Resultat eines Experiments. Gegen einen von denen hĂ€tte ich nicht den Hauch einer Chance.” “Aber was verspricht man sich davon?” “Weil die Drachen nur Prinzessin Lezabel unterstehen”, mutmaßte Cerise. “Die Experimente werden nicht auf ihren Befehl geschehen”, teilte Philippe seine Vermutung. “Aber wissen kann ich es natĂŒrlich nicht...” “U-Und was hat das mit dem Jungen z-zutun?”, fragte Henrik nach. “Das ist die nĂ€chste Stufe des Experiments”, schlussfolgerte Toshiro. “Ich habe sofort gespĂŒrt, dass mit diesem Kind etwas nicht stimmt. Ich weiß nicht, wie sie es gemacht haben, aber er ist wie ich.” “Aber w-wenn ein Erwachsener es kaum ĂŒ-ĂŒberlebt, wie kann es sein, dass ein-” Begleitet von einem dumpfen Schlag, trafen zwei HandinnenflĂ€chen auf der Tischplatte auf. Die Beine ihrer Sitzgelegenheit kratzen auf dem Boden, als Nebula sich ruckartig erhob. “Jemand experimentiert an Menschen rum!”, sprudelte es aus ihr heraus. “Nicht genug! Sie schrecken nicht einmal davor zurĂŒck, Kinder fĂŒr ihre Ziele zu missbrauchen!” Die Blondine ballte eine Faust. “DafĂŒr werden sie bĂŒĂŸen!” “W-Wisst Ihr vielleicht etwas, dass uns h-helfen könnte?”, fragte Henrik. “Angeblich verschwinden Leute in Arnage.” “Ob da ein Zusammenhang besteht
”, dachte Aki laut. “Wir wissen es nicht genau.” Philippe stand auf und kramte etwas in einem Schrank herum, bevor er mit einer Landkarte zurĂŒckkam. “Arnage ist ein gutes StĂŒck entfernt.” Sein Finger zeigte auf einen Punkt auf der Karte. “Eure Antworten könnten dort sein.” “Wir werden schon wieder einfach weitergeschickt?”, beschwerte sich Cerise. “Ihr könnt gern hier bleiben!”, wurde die Rothaarige von Nebula zurechtgewiesen. “Das ist gar keine schlechte Idee.” Kritik blieb an Cerise genauso wenig hĂ€ngen wie RĂŒhrei an einer Teflonpfanne. “Einer muss sich um den Kleinen kĂŒmmern. Das können wir unseren Gastgebern schlecht dauerhaft aufhalsen.” “Wenn das so ist, bleibe ich auch und passe auf, dass Ihr es richtig macht”, sprach Clay. Eigentlich war ihm dieser Drachenmann unheimlich, aber er wollte auch nicht, dass Cerise allein unter Fremden zurĂŒckblieb. Sie Ă€rgerte ihn, indem sie ihm die Zunge rausstreckte. “Ich will auch hierbleiben!”, forderte Annemarie. Nebula wusste nicht so recht, wie sie entscheiden sollte. Die Prinzessin war keine TrĂ€umerin. Sie wusste, dass sie sich frĂŒher oder spĂ€ter von dem Kind trennen mussten. Auf ihren Reisen konnten sie auf Dauer keinen SĂ€ugling im Tross gebrauchen. Ein Baby mitzunehmen ging zu weit! Der kleine Rotschopf baute eine immer enger werdende Beziehung zu Kaji auf. Es wĂ€re besser, wenn Annemarie nicht so viel Zeit mit ihm verbrĂ€chte. Dann wĂ€re der Schmerz der Trennung, sobald sie eine Bleibe fĂŒr den Jungen gefunden hĂ€tten, nicht ganz so schlimm fĂŒr sie. Andererseits war es genauso unverantwortlich, ein kleines MĂ€dchen auf eine potentiell gefĂ€hrliche Reise mitzunehmen. Letztlich entschied sie sich, Annemaries freiwillige Meldung anzunehmen. Tags darauf brachen sie auf. Clays Pferd leistete ihnen gute Dienste dabei, den Wagen mit ihren Habseligkeiten zu ziehen. Egal was die anderen dachten, Nebula wollte den Sarg stets bei ihr Wissen. Sein Inhalt war zu wichtig, als dass sie ihn zurĂŒcklassen könnte. Viel zu lange schon hatte Alaric sich davor gedrĂŒckt, die Informationen ĂŒber seine Geschwister zu lesen. Er hatte Angst davor, dass die EnthĂŒllungen, die in den SchriftstĂŒcken festgehalten waren, sein Bild von seinen Geschwistern dauerhaft zum Schlechten hin verĂ€ndern könnten. Die ganze Zeit lagen die Schriftrollen auf seinem Arbeitstisch. Ihre Wachssiegel schrien danach, gebrochen zu werden. Bisher wurde Alaric von der Furcht vor dem Ungewissen zurĂŒckgehalten. Es war ihm bewusst, wie feige das war. Zum Teufel damit! Er hatte es angefangen, jetzt musste er es zu Ende bringen. Alaric streckte sich nach der ersten Schriftrolle. Er nahm sie an sich und berĂŒhrte das Wachssiegel mit seinen Fingern. Einmal hielt er noch inne und ĂŒberlegte, ob er es wirklich wissen wollte. Doch dann warf er alle Zweifel ĂŒber Bord und brach das Siegel. Nun gab es kein ZurĂŒck mehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)