Balance Defenders von Regina_Regenbogen ================================================================================ Kapitel 79: Heil - Geheime Sehnsucht ------------------------------------ Heil – Geheime Sehnsucht   „Von allen Geschenken, die uns das Schicksal gewährt, gibt es kein größeres Gut als die Freundschaft - keinen größeren Reichtum, keine größere Freude.“ (Epikur, Philosoph der Antike)   Erik spürte die Realität, wie es allein der Fall war, wenn man aus einem Traum erwachte. Dieses Gefühl, das einem erst versicherte, das man geträumt hatte, indem die Umgebung mit all ihren verschiedenen Eindrücken wieder auf einen einströmte und einem die Absurdität des Traums langsam vor Augen führte. Er nahm seinen Atem war und den harten Boden, auf dem er lag. Ein kalter Boden. Keine Erde. Kein Beton. Kachelboden. Licht war hinter seinen Augenlidern zu erahnen. Was war geschehen? Sein Verstand begann wieder zu arbeiten. Er war in der Schule gewesen, wollte mit Justin und Serena ihr Referat vorbereiten. Dann war Serena – Erik riss die Augen auf und fuhr auf. Was ihm als erstes auffiel war, dass die anderen – nicht nur Justin, sondern auch Vitali, Ariane und Vivien – vor ihm knieten, beziehungsweise vor Serena. Wo kamen sie her? Er erinnerte sich, dass er sie die Tür aufreißen gesehen hatte, aber danach… Er hatte gedacht, das wäre bereits Teil des Traumes gewesen. Sein Blick fiel auf Serena, die in ihrer Mitte lag und in diesem Moment die Augen öffnete. Er sagte ihren Namen. Sie versuchte sich aufzusetzen. Als ihr das gelungen war, schwenkte ihr Blick über die Leute, die um sie herum saßen. Sie machte ein Gesicht, als müsse sie erst noch ordnen, was Realität war. Erik fasste sie bei der Schulter. „Ist alles okay?“ Serena sah ihn mit großen Augen an. Sie nickte langsam und sah verwirrt zu Boden. Dann hob sie wieder den Blick und drehte sich zu den anderen um. Augenblicklich stiegen ihr Tränen in die Augen und als hätten die anderen sich bisher nur schwer zurückhalten können, stürzten Vivien und Vitali gleich auf sie, während Ariane ihr nur eine Hand auf die Beine legte und Justin allein durch seinen Gesichtsausdruck zeigte, wie nahe ihm das alles ging. Erik atmete auf, als wäre eine schwere Last von ihm abgefallen. Die Realität mit der ohnmächtigen Serena kam ihm mit einem Mal schrecklicher vor als der Albtraum, den er gehabt hatte. Wie alle Realität immer schrecklicher war als ein Traum. Er sah zu Justin, dieser war aber immer noch auf Serena fixiert und erwiderte seinen Blick nicht. Daraufhin stand Erik auf. Er wusste nicht, wieso, er musste sich bewegen. Sein Kopf tat weh, als hätte er zu lange zu viel nachgedacht. Sein Atem ging schwer. Er musste erneut ohnmächtig geworden sein. Doch dann hätten die anderen das sicher nicht ignoriert. Aber wie war er sonst eingeschlafen? Er wollte nicht darüber nachdenken. Alles war gut. Seine Schritte hatten ihn zu der Tür der Mädchentoilette gebracht, wo er sich gegen den Türrahmen stützte. Sein Kopf. Er hielt sich die Stirn, dachte nichts, konzentrierte sich auf das Pochen zwischen seinen Augenbrauen, sog die Luft durch den Mund ein. Das war alles etwas zu viel für seine Nerven gewesen. Er wusste, dass er stark war, was seine eigenen Probleme anging. Er hätte nie gedacht, dass etwas, das jemand anderen betraf, ihn so mitnehmen würde. So hatte er sich nie zuvor gefühlt. Als würde jemand anderes ihm wichtiger sein als er selbst. Wieder drängte sich ihm das Bild seiner Kindheit auf, als er seinen Vater vergöttert hatte. Er hasste den Gedanken. Er hasste ihn so sehr, dass er unwillkürlich die Zähne zusammenbiss und sicher einen bedrohlichen Anblick bot. Das war längst passé. Auch nur eine Sekunde seines Lebens an jemand anderen zu verschwenden, war sinnlos. Er wandte sich zurück zu den fünfen. Vitali und Vivien schienen sich gar nicht mehr einkriegen zu wollen, aber auch Ariane und Justin waren ganz auf Serena fixiert, als könnte sie nichts mehr von ihr trennen. Und Serena wehrte sich nicht gegen die Umarmungen und Zuneigungsbekundungen, schien sich stattdessen noch in sie zu schmiegen. Erik glaubte, sie ganz leise „Ich hab euch lieb“ flüstern zu hören. Und etwas in ihm war so sehr gerührt, dass er blinzeln und einen tiefen Atemzug holen musste und danach noch einen. Wenn er diese fünf ansah, dann fühlte er etwas in sich, das ihn zu Tränen rührte und er wusste nicht einmal, wieso. Es musste wirklich an seinen Nerven liegen. Leute unter Alkoholeinfluss wurden schließlich auch sentimental und neigten zu Tränenausbrüchen. Das Gleiche galt sicher auch für Menschen, die seltsame Ohnmachtsanfälle hatten. Dennoch wollte etwas in ihm Serena und die anderen anschauen und wenn er es für immer getan hätte. Die bloße Gewissheit ihrer Nähe ließ ihn ruhig werden, dann fing er Justins Blick auf. Der Junge lächelte ihm zu, auf eine Weise, die Erik nicht kannte, die er noch nie an einem echten Menschen gesehen hatte, wie es sie nur in Filmen gab – wenn überhaupt. So voller Güte und Zutrauen. Justins Worte kamen ihm wieder in den Sinn. ‚Sie braucht Vertrauen.‘ Erik war atemlos. „Du blöde Kuh, mach das nie wieder!“, japste derweil Vitali, der sich just von Serena abgewandt hatte, als hätte er nie die Kontrolle über sich verloren. „Du Idiot.“, schluchzte Serena, aber ihre Mundwinkel waren nach oben gezogen. Immer noch in Viviens Armen, richtete Serena ihren Blick in Eriks Richtung und streckte ihren Arm zu ihm aus, als hätte sie keine Sekunde darüber nachgedacht. Erik zögerte einen Moment. Sein Herz klopfte. Er fühlte sich weit entfernt, als würde er die Szene von außen betrachten, als wäre er außen vor, wie er es immer war. Außen vor und überlegen, über den Dingen und Menschen stehend. Abseits. Es war falsch, diesen Standpunkt zu verlassen. Von hier aus konnte er alles überblicken. Und die Kontrolle bewahren. Er gehörte nicht da rüber. Er gehörte nicht in dieses Bild. Erik bemerkte, dass er zurückgewichen war und seine Schulter gegen die Wand hinter sich stieß. „Erik?“, fragte Justin. Erik kam sich lächerlich vor, aber er konnte sich nicht von der Stelle rühren. Er musste sich wieder unter Kontrolle bringen. Er war Erik Donner! Entschlossen lief er auf Serena zu und reichte ihr seine Hand. Wie ein Pfleger seine Hand einem Patienten reichte, distanziert und professionell. Mehr Emotion hätte ihn umgebracht. Er verzog keine Miene, als Serena ihn anlächelte und mit ihr die ganze Truppe. Er stand hier, aber er stand nicht bei ihnen. So weit würden sie ihn nicht bringen.   Ewigkeit saß unentdeckt auf dem Türrahmen und beobachtete die Szene. Ihr war eingebläut worden, dass sie sich dem schwarzhaarigen Jungen nicht nähern durfte. Aber sie genoss es, ihn und die Beschützer zu sehen. Sie ergriff ihr Medaillon, den kleinen goldenen Anhänger, der sich nicht öffnen ließ, als berge er ein Geheimnis. Sie betrachtete ihn lächelnd und flüsterte leise. „Danke.“ Dann schenkte sie ihre ganze Zuneigung wieder den sechsen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)