Balance Defenders von Regina_Regenbogen ================================================================================ Kapitel 92: Trugbilder ---------------------- Trugbilder   „Keine Emotion beraubt den Geist so vollständig von seinen Möglichkeiten zu handeln und zu denken wie die Angst.“ (Edmund Bruke)   In der Hoffnung, dass die kühle Luft ihnen etwas Erleichterung verschaffen würde, traten die Beschützer aus ihrem Hauptquartier hinaus ins Freie,. „Wie bitteschön sollen wir gegen sie kämpfen, wenn unsere Kräfte nichts gegen sie nützen?“, drängte Destiny aufgebracht zu wissen. Trusts Miene war ernst. „Wir müssen sie irgendwie dazu bringen, ihre normale Form anzunehmen. Nur dann können wir sie auflösen.“ Er wandte sich an Ewigkeit. „Wie hast du es geschafft, dass sich der Allptraum zurückverwandelt hat?“ „Ich hab ihn gestört.“ Change ergriff das Wort. „Von uns fühlen die sich sicher nicht gestört!“ Sofort unterbreitete er einen Gegenvorschlag. „Ich könnte mich in ein Waffengeschäft beamen und wir knallen die Dinger ab!“ Desire sah ihn fassungslos an. „Ich glaube kaum, dass das hilft.“, entgegnete Trust. Change blinzelte einen Moment arglos. „Sprengstoff?“ „Wir können nicht die Stadt in die Luft jagen.“, versuchte Trust ihn von solchen Ideen abzubringen. Change blieb beharrlich. „Du hast die Dinger nicht gesehen! Da müssen wir schwere Geschütze auffahren!“ Destiny wandte sich an ihn. „Falls es dir noch nicht aufgefallen ist: Keiner von uns kann mit einer Waffe umgehen! Geschweige denn mit Sprengstoff.“ „Besser als unbewaffnet da rein zu gehen!“, rief Change. Desire beendete das Thema. „Egal, was wir tun, sobald wir Angst haben, dass Waffen ihnen nichts anhaben können, wird genau das eintreten. Die Allpträume werden das in die Tat umsetzen, wovor wir uns am meisten fürchten.“ Ihre Behauptung ließ die Angelegenheit noch aussichtsloser wirken. Unite schien sich davon jedoch nicht unterkriegen lassen zu wollen. „Das heißt…“, begann sie: „Wenn wir keine Angst vor dem haben, was sie uns zeigen, haben sie keinen Grund, die jeweilige Form beizubehalten!“ Change versetzte mit Nachdruck: „Wenn du die Dinger gesehen hättest, wüsstest du, dass es unmöglich ist, vor denen keine Angst zu haben! Und die sind echt! Das ist nicht nur ne Halluzination!“ Unites Stimme verlor ihre Kraft. „Hypnotisiert werden, ist nicht besser…“ Sie senkte betreten den Blick. Es war ihr anzusehen, wie sehr die Illusion der Allpträume ihr nachging. Auf ihre Reaktion hin, gab selbst Change Ruhe. Glücklicherweise fasste sich Trust ein Herz und nahm sie bei der Hand, was Unite sofort beruhigte. Desire drängte zur Eile. „Uns bleibt nicht mehr viel Zeit. Wir sind die einzigen, die noch wach sind und denen die Allpträume Angst einjagen können.“ Trust nickte. „Wenn sie das begreifen, werden sie hierher kommen. Vielleicht sind sie schon auf dem Weg.“ Destiny bemühte sich, ihre wahren Gefühle herunterzuspielen. „Warum müssen sich die Helden eigentlich immer für die Allgemeinheit opfern?!“, beschwerte sie sich. Empört sah Desire sie an. „Du meinst, wir sollen einfach unsere Familien hinausteleportieren und die Allpträume hier ein Blutbad anrichten lassen?!“ Da Destinys Kommentar eigentlich nur Selbstzweck gewesen war, hatte sie über eine solche Möglichkeit überhaupt nicht nachgedacht, hielt sie aber für äußerst sinnvoll! Sie behielt jedoch für sich, was sie wirklich dachte: Wenn es ihrer Familie gut ging, dann waren ihr die anderen Leute egal! Solche Dinge konnte man Desire nicht sagen. Dafür hatte dieser Gutmensch kein Verständnis. Hätte Destiny hinterfragt, wie Desire überhaupt auf die Fluchtidee gekommen war, wäre sie der Wahrheit einen erheblichen Schritt näher gekommen – Desires heftige Ablehnung galt nicht Destiny sondern ihrer eigenen Menschlichkeit. Indes hakte Change nach. „Wo würdest du unsere Leute denn unterbringen wollen? Ich kann sie ja schlecht auf irgendein Feld legen.“ „Könnt ihr aufhören, euch über so etwas Gedanken zu machen!“, schimpfte Desire. „Wir können niemanden hier dieser Gefahr aussetzen!“ Destiny warf ihr einen finsteren Blick zu. Desires selbstloser Heldenmut machte sie ihr wenig sympathisch. Bestimmt verkündete Desire: „Wenn ihr nicht mitkommen wollt, dann kann euch niemand zwingen. Aber ich werde nicht zulassen, dass die Allpträume hier ihr Unwesen treiben!“ Prompt warf Change ein: „Hey, ohne Tiny geht gar nichts!“ Auf diese Worte hin sah Destiny ihn sprachlos an und fühlte sich plötzlich zugehörig. Was auch geschah, Change war ihr Partner und er würde sie nie im Stich lassen. „Sie ist die einzige, die die Dinger paralysieren kann!“, redete Change weiter und machte damit seinen unwissentlichen Erfolg bei Destiny augenblicklich wieder zunichte. Als er ihren Gesichtsausdruck bemerkte, wirkte er reichlich befremdet. „Was ist?“ „Nichts.“, gab Destiny mit miesepetriger Miene von sich. Mit fester Stimme verkündete Trust: „Wir bleiben zusammen! Wir sind ein Team.“ Seine Worte verliehen ihm etwas Heroisches, das durch Ewigkeits Leuchten noch unterstrichen wurde. Wie um ihre Unterstützung anzuzeigen, war sie neben seinen Kopf geschwebt und beschien sein Antlitz. Ein heiterer Glöckchenklang ging von ihr aus. Doch schon im nächsten Moment änderte sich Trusts Miene. Unite hatte die Gelegenheit ergriffen, sich an seinen Arm zu schmiegen, was Trust wie üblich die Röte ins Gesicht trieb. Es war nicht weiter verwunderlich, dass sie Trusts Nähe noch dringlicher als sonst suchte, Erleichtert stellte Destiny fest, dass er nicht versuchte, sich Unites Griff zu entziehen, wie er es schon viel zu oft getan hatte. Ein liebevolles und doch traurig wirkendes Lächeln umspielte seine Lippen. Destiny verschränkte die Arme vor der Brust. „Willst du jetzt etwa, dass wir alle die Hände aufeinanderlegen oder so was?“ Trust wirkte von der Frage verwirrt. Unite dagegen strahlte augenblicklich über das ganze Gesicht. Es war offensichtlich, dass sie die Absicht hinter Destinys Aussage direkt durchschaut hatte. Sofort streckte sie eine Hand vor sich. Die anderen gesellten ihre Hände hinzu. Einen Moment standen sie so da, verdeutlichten damit ihre Einheit und wappneten sich für das Kommende.   Da die Gefahr, bei einer Teleportation inmitten einer Horde verwandelter Allpträume zu landen, zu groß war, und Ewigkeit vorzuschicken, ihnen ebenfalls zu riskant erschien, hatten sie sich entschieden, sich zu Fuß in die Stadt zu begeben. Desire ging in der Mitte der Gruppe und hüllte sie in ihren Schutzschild. Aus praktischen Gründen hatte sie seine Oberfläche durchsichtig gemacht, damit sie und die andern keinem Hinterhalt zum Opfer fielen – oder gegen einen Baum liefen. „Sie können sich in jeden von uns verwandeln.“, informierte Trust. „Wir müssen zusammenbleiben. Solange wir den Schutzschild nicht verlassen, kann nichts passieren. Notfalls teleportiert uns Change aus der Schusslinie.“ Den weiteren Weg schwiegen sie, um verräterische Geräusche besser wahrnehmen zu können. Damit das leise Glöckchenläuten, das Ewigkeits Flug begleitete, die Beschützer nicht ablenkte, stand Ewigkeit auf Trusts rechter Schulter wie ein Kapitän an Deck seines Schiffes. Die Anspannung der fünf ließ alles um sie herum viel eindrücklicher wirken als je zuvor: die Laute ihrer Schritte auf dem grobkörnigen Sandboden, ihre Atmung, das Wispern des Windes in den Bäumen und Sträuchern… Immer wieder glaubten sie ein verdächtiges Rascheln in den Hecken neben sich zu bemerken, aber wenn sie die Gegend ableuchteten, war nichts zu erkennen als bizarre Schattengebilde. Destiny lief links außen. Wegen ihrer Paralyse-Fähigkeit war entschieden worden, dass sie besser nicht in der Mitte ging. Doch die Unsichtbarkeit des Schildes gab ihr das ungute Gefühl, nicht geschützt zu sein. Das Schweigen der anderen verschlimmerte das Unsicherheitsgefühl nur zusätzlich. Sie hielt die Stille nicht länger aus. „In was haben die Allpträume sich bisher verwandelt?“ „Frag lieber nicht.“, sagte Change neben ihr. „Ich hätte gern gewusst, worauf ich mich einlasse!“, schimpfte sie. Change sah sie künstlich überrascht an und antworte leichthin, als würde er eine amüsante Anekdote zum Besten geben. „Auf den sicheren Tod.“ Er grinste. Destiny fand das nicht witzig. Plötzliches Wolfsheulen erfüllte die Nacht. Destiny fuhr zusammen und stoppte in der Bewegung. Unverzüglich schob Change sie mit einer Hand auf ihrem Rücken weiter und verhinderte damit, dass ihr abruptes Stehenbleiben in Kombination mit Desires Voranschreiten einen Austritt aus dem Schutzbereich des Schildes nach sich zog. Das war der größte Nachteil des unsichtbaren Schilds: Man konnte nicht genau erkennen, wo er endete. Desire erhob die Stimme. „Wir sollten schneller gehen.“ Noch bevor die Zustimmung der anderen erfolgt war, beschleunigte sie. Die anderen zogen mit. Vor ihnen lag das Ende des Kurparks. Das Wolfsheulen wurde lauter. Hier im Park konnten die Wölfe aus den Hecken gesprungen kommen und die freie Fläche optimal nutzen, um den Attacken der Beschützer zu entgehen. Nur noch ein paar Meter! Der Eingangsbereich war eine Engstelle. Das konnte ein Vorteil oder ein Nachteil sein. Ein Vorteil, weil die Angreifer dann nicht aus allen vier Himmelsrichtungen auf sie eindringen konnten. Ein Nachteil, weil auch sie selbst dadurch weniger Bewegungsfreiheit hatten. Aber was half ihnen Bewegungsfreiheit, wenn die Bestien sie einkeilten? Die fünf rannten los. Wieder hörten sie die Wölfe. Plötzliche Nebelschwaden zogen sich um sie herum zusammen, raubten ihnen jeglich Sicht auf den Weg. „Stopp!“, schrie Destiny. Sie wussten ja gar nicht mehr, wo sie hinliefen! Außerdem befürchtete sie, nicht mehr lange mit den anderen Schritt halten zu können und dadurch den Radius des Schutzschilds zu verlassen. Statt langsamer zu machen, schleifte Change sie einfach am Arm weiter. „Ich kann nichts sehen!“, rief Destiny. Die anderen hielten endlich an. Um sie herum war nur noch grau. „Und jetzt?“, fragte Change und ließ Destiny wieder los. „Teleportier uns in die Stadt.“, entschied Trust. Unite widersprach. „Die Allpträume werden sowieso zu uns kommen, egal wo wir sind. Hier im Park ist wenigstens niemand, den sie in Mitleidenschaft ziehen könnten.“ Keiner von ihnen hatte das bisher bedacht. Sie schwiegen und warteten – darauf gefasst, von den Allpträumen in Wolfsgestalt attackiert zu werden. Doch das Heulen war verstummt. Die Feinde zeigten sich nicht. „Verdammt! Wo bleiben die?!“, schimpfte Change. „Bist du so scharf darauf, gekillt zu werden?“, stieß Destiny aus. Change verzog das Gesicht missmutig. „Darauf warten ist auch nicht besser.“ Ernst sprach Trust seinen Gedanken aus. „Vielleicht wollen sie uns hinhalten, bis die anderen Allpträume da sind.“ Desires Stimme überschlug sich fast. „Wenn uns alle auf einmal angreifen, haben wir keine Chance! Der Schild hält das nicht aus!“ Change trat vor die anderen. „Dann müssen wir die ersten dazu bringen, uns anzugreifen, bevor die Verstärkung kommt!“ Trust löste sich ebenfalls aus der Kette und sah Change streng an. „Keiner verlässt den Schild.“ „Hast du nicht gehört, was Desire gesagt hat?“, rief Change. „Wenn sie erst mal zusammengetrommelt sind, geht gar nichts mehr. Wir müssen jetzt handeln!“ Trust widersprach. „Wenn du rausgehst, können wir nicht wissen, ob derjenige, der wiederkommt, nur ein Doppelgänger ist oder wirklich du.“ Destiny starrte die beiden an. Ein schrecklicher Gedanke formte sich in ihrem Kopf, den sie sich nicht sofort getraute auszusprechen. „Wenn die Allpträume alle Eigenschaften von dem haben, in das sie sich verwandeln, können sie dann nicht in unserer Gestalt den Schutzschild durchschreiten?“ Bevor die anderen die Tragweite dieser Aussage noch erfassen konnten, riss etwas anderes ihre Aufmerksamkeit gewaltsam an sich. Ein Werwolf brach durch den Nebel und knallte gegen den Schutzschild. Sie schrien entsetzt auf. Weitere der Kreaturen stürmten von einer anderen Seite auf den Schild ein, während sich der Nebel langsam lichtete, um den Blick auf ein ganzes Rudel Werwölfe zu gewähren. Drohend hatten die Bestien die Ohren angelegt und fletschten die Zähne. Sie waren blutbesudelt. Ihr dunkelgraues Fell war an manchen Stellen aufgerissen, Haut- und Fellfetzen hingen von ihnen weg und entblößten das nackte Fleisch darunter. Die rechte Gesichtshälfte eines der Wölfe war zerfetzt. Sein Schädelknochen blitzte unter den Sehnen hervor. Die fünf drängten sich enger aneinander. Die Fänge weit aufgerissen, stürzten die Bestien sich auf den Schild. Unite schoss auf die Kreaturen, aber es zeigte keine Wirkung. „Ich kann das nicht lange halten!“, schrie Desire angesichts der Attacken auf ihren Schild. „Destiny, deine Paralyse!“, forderte Trust. Destiny löste sich aus ihrer Schockstarre und setzte ihre Kräfte ein. Der erste Wolf ging wie zu einer ausgestopften Version verkommen zu Boden. Der zweite folgte. Sie wollte gerade weitere treffen, als sich diese plötzlich zurückzogen und stattdessen wieder im Nebel verschwanden. Change und Desire versuchten mit ihren Lichtern die Nebelschwaden zu durchdringen. Schlagartig wurde alles in absolute Finsternis getaucht. Sobald das Licht ihrer Leuchten auf die dunkle Wand traf, wurde es verschluckt. Eine Sicht war unmöglich. Direkt an der Stelle, wo Destiny stand, schoss die Bestie mit dem zerfetzten Gesicht auf den Schild und stieß dabei ein grausiges Geräusch aus. Vor Schreck trat Destiny zurück und landete auf ihrem Hintern. Ein seltsam kaltes Gefühl schlich sich in ihren Ellenbogen. Panisch zog sie ihren Arm zurück. „Tiny!“, schrie Change. Durch Ewigkeits Leuchten und die Lichter von Desire und Change konnte sie die anderen trotz der Finsternis noch erkennen. „Alles okay?“, erkundigte sich Trust. Destiny nickte und kam sich wie ein ungeschickter Tölpel vor. Change griff nach ihrer Linken und wollte ihr aufhelfen. Plötzlich spürte sie Fell auf ihrer Haut und riss sich von Change los. Ihr Beschützerpartner sah sie verständnislos an. „Da war…“ Sie starrte auf seine Hände. „Was?“ „Deine Hand.“ Change verzog fragend das Gesicht. Destiny ließ ihn nicht aus den Augen und stand langsam auf. Dann schweifte ihr Blick zu den anderen, die ebenso verwundert auf sie schauten. „Ist alles in Ordnung?“, hakte Trust nochmals nach. Für den Bruchteil einer Sekunde blitzte hinter seinem Gesicht ein Totenschädel auf. Destiny kreischte und wollte zurückweichen. Unite kam an ihre Seite gestürmt. „Egal, was du siehst, es ist nicht echt!“, schrie sie und packte Destiny an den Armen. Destiny sah Spinnen von Unites Armen auf die ihren krabbeln. Kreischend entzog sie sich Unites Griff und versuchte mit panischen Bewegungen die Spinnen von sich abzuschütteln. Sie gab weinerliche Geräusche von sich und zwang sich, die Bilder irgendwie auszuschalten. Hilflos hielt sie sich den Kopf, kniff die Augen zu. „Tiny!“ Changes Stimme änderte sich, wurde zu dem tiefen, unheimlichen Ton eines Dämons. Etwas packte sie. Sie riss die Augen auf. Ein schwarzer Teufel mit rotglühenden Augen! Mit einem Aufschrei setzte sie unwillkürlich ihre Paralyse ein.   Unite warf sich gerade noch rechtzeitig schützend vor Desire, um Destinys Attacke abzuhalten. Augenblicklich fiel sie der Paralyse zum Opfer, die Changes Versuch, Destiny zur Besinnung zu bekommen, ausgelöst hatte. Geistesgegenwärtig riss Trust Desire hinter ihren beiden erstarrten Freunden in Deckung. „Destiny!“, schrie Trust. Als Antwort bekam er nur Schluchzen. Unter dem Einfluss der Allpträume war Destiny unberechenbar. Es war nicht abzuschätzen, wann die nächste Attacke folgen würde. Und wenn Desire paralysiert wurde, waren sie geliefert. Trust biss die Zähne zusammen. Er hatte keine andere Wahl. „Verkleiner den Schutzschild.“, befahl er Desire. Die Beschützerin starrte ihn entsetzt an. „Tu es!“, brüllte er. Desires Gesicht verzerrte sich. Er konnte ihrem Ausdruck entnehmen, dass sie eher sterben würde, als diesen Schritt zu tun. Die einzige Möglichkeit, die ihm daher blieb, war Destiny um jeden Preis von ihr fernzuhalten. Trust gab sich nicht die Zeit, länger darüber nachzudenken. Er sprang auf die Beine, rannte in geduckter Haltung an den Paralysierten vorbei auf Destiny zu, beschleunigte nochmals und – Mit voller Wucht riss er sie mit sich aus dem Schutzschild. Im gleichen Moment verlor er die Kontrolle über seinen Körper.   Desire sah wie Trust und Destiny in der Finsternis verschwanden. Für einen Moment war die Situation zu viel für sie. Sie wollte ihnen hinterherlaufen, um sie wieder in den Schutzschild zu bringen, aber Change und Unite konnten dem Schild nicht folgen! Und wenn sie den Schild vergrößerte und Destiny sie dann doch paralysierte, hatte Trust umsonst sein Leben riskiert. Bei dem Gedanken, was die Allpträume bereits mit ihnen gemacht haben könnten, wurde Desire panisch. Hektisch legte sie Change und Unite gleichzeitig die Hände auf.   Trust konnte sich nicht rühren. Er war mit offenen Augen auf dem Boden aufgeschlagen. Etwas hatte Destinys Körper unter ihm weggezerrt. Er konnte Destinys Schreie hören. Dann das Knurren der Wölfe. Dann wie Fleisch zerrissen wurde, untermalt von Destinys Kreischen. Etwas Feuchtes spritzte an seine Wange. Destiny schrie nicht mehr.   Destiny wurde über den Boden geschleift und kreischte. Sie setzte ihre Kräfte ein und wurde losgelassen. In völliger Dunkelheit stolperte sie halb auf allen Vieren vorwärts. Etwas verfing sich in ihren Haaren. Es zerrte wild an ihr. Flügelschläge über ihrem Kopf. Blind schlug sie um sich. Schlagartig nahm sie Licht hinter ihren Augenlidern wahr, im gleichen Moment hörte das Ziehen an ihren Haaren auf. Als sie die Augen öffnete, sah sie Glitzer um sich herum und erkannte Change vor sich. Er kam auf sie zu gerannt. Destiny war so froh, dass sie fast losgeheult und sich in seine Arme geworfen hätte. In dem Moment traf sie Changes Ohrfeige. „Bist du total irre!!!“, brüllte er aus Leibeskräften. Er musste nach Atem ringen. Er klang völlig außer sich, als würde er sich kaum noch beherrschen können. „Du hast Trust paralysiert! Du hast …“ Er begann zu schluchzen. Dann schrie er so schrill, dass seine Stimme brach. „Weißt du, was du getan hast?!“ Mit einem irren Blick packte er sie an der Schulter und teleportierte. Wo sie ankamen, schleuderte er sie zu Boden. Destiny hob den Blick und schaltete den Verstand aus. Vor ihr lag – Trust. Seine Überreste.   Mit einem Mal war alles ganz belanglos. Alles. Sie war ruhig. Völlig ruhig. Das war Trust. Und er war tot. Sie wurde an den Schultern gepackt. Change, der plötzlich neben ihr kniete, drehte sie zu sich. Er hatte die Zähne gefletscht, als würde er mit sich ringen – mit dem Widerstreit in sich. Destiny wandte den Blick ab. Sie fühlte – nichts. Dann hörte sie Unites Kreischen. Sie drehte sich in die Richtung von Trusts Leichnam und sah Desire und Unite. Unite fiel auf die Knie und kreischte Trusts Namen, während Desire reglos stehenblieb. Je lauter Unite schrie, desto mehr wollte Destiny sterben. Sie wollte einfach nur sterben. Jetzt und hier. Sterben. Mit einem Mal drehte sich Unite zu ihr um. Ihr Blick war – Destiny kannte keine Worte dafür. Völlig gebrochen kam sie auf Destiny zu. Dann verzerrte sich ihr Gesicht. „Ich bring dich um!!!“, kreischte sie irre und stürzte sich auf Destiny. Der feste Druck von Unites Händen auf ihre Kehle machte alles schrecklich real und verscheuchte jeden Gedanken ans Sterben. Hilflos versuchte Destiny sich zur Wehr zu setzen. Unite hörte nicht auf sie zu drosseln. In Todespanik zerkratzte Destiny ihr das Gesicht, versuchte alles, um sich zu befreien, dem Überlebenstrieb Tribut zu zollen. Aber der Druck auf ihren Hals wurde immer fester. Die Kräfte verließen sie.   Ewigkeit war die ganze Zeit bei Schicksal geblieben, doch die Beschützerin hatte sie nicht wahrgenommen. Weder als sie ihr verzweifelt gefolgt war, noch als sie versucht hatte, die Allpträume abzulenken, die an Schicksals Haaren gezerrt hatten. Selbst als der falsche Verändern aufgetaucht war, schien sie für die Beschützerin nicht sichtbar zu sein. Nun versuchte sie vergeblich, Schicksals Misshandlungen zu stoppen, aber sie hatte einfach keine Kraft dazu! In ihrer Verzweiflung stach sie der falschen Vereinen schließlich ins Auge, doch auch das half nichts. Dann riss plötzlich jemand den Kopf der Betrügerin nach hinten. Vereinen – die richtige Vereinen! – riss so heftig an dem Haar ihrer Doppelgängerin, dass diese aufschrie und endlich von Schicksal abließ. Mit voller Wucht trat sie ihr dann in den Rücken und sprang zurück an die Seite von Verändern, der direkt Schicksal gepackt hatte. „Ist das die Richtige?“, fragte er Ewigkeit. Sie nickte. Im gleichen Moment teleportierte er auch schon, ehe die anderen Fälschungen auf ihn und Vereinen losgehen konnten.   Direkt nachdem Desire Change und Unite von ihrer Paralyse befreit hatte, hatte Unite Desires Hand gepackt und ihre Kräfte übernommen, ihr befohlen zu warten und war, in ihren eigenen Schutzschild gehüllt, mit Change zu Trust teleportiert. Dort hatte Unite die Allpträume, die sich in ihrer normalen Gestalt an Trusts Leid geweidet hatten, aufgelöst. Change hatte nach Trust gegriffen und sie zurückteleportiert. So hatten sie Trust zu Desire gebracht, die auch ihn von dem Bann befreit hatte. Ohne Verzögerung waren Unite und Change dann nochmals verschwunden. Trust fuhr auf in eine sitzende Position. „Wo sind die anderen?!“, schrie er panisch. Aufgrund seiner vorigen Bewegungsunfähigkeit, hatte er kaum etwas mitbekommen. „Ganz ruhig. Sie holen Destiny.“, sagte Desire, klang aber selbst alles andere als gelassen. Trust starrte sie mit aufgerissenen Augen an. In diesem Moment erschien eine gelb leuchtende Kuppel direkt neben ihnen. „Das sind sie.“, informierte Desire. Abrupt sprang Trust auf und jagte in den Bereich des anderen Schilds. Vor ihm knieten Change und Unite, über ihnen schwebte Ewigkeit und in ihrer Mitte lag Destiny und hustete heftig. Ohne Umschweife stürzte Trust auf sie zu, warf sich zu ihr auf den Boden und schlang seine Arme um sie.   Destiny war bisher mit Luftholen und Husten beschäftigt gewesen, weshalb sie noch nicht begriffen hatte, was geschehen war, als jemand sie plötzlich heftig an sich drückte. Sie konnte nicht sagen, wodurch, aber als sie denjenigen von sich schob, war sein Anblick nur Bestätigung der Identität, die sie erkannt hatte, sobald er sie in seine Arme geschlossen hatte. Die Tränen schossen ihr zuhauf in die Augen. Auch Trusts Wangen schimmerten feucht. Jäh erklangen Rufe von außerhalb des Schutzschilds. „Tiny!“ „Destiny!“ Es waren die Stimmen von Change und den anderen. Destiny riss die Hände von dem Trust vor sich, drehte ihren Kopf hektisch, um die beiden Gestalten neben sich in Augenschein zu nehmen und erkannte Unite und Change. Die Version von Trust vor ihr zog augenblicklich eine so ernste Miene, dass sie glaubte, er würde ihr jetzt sein wahres Gesicht zeigen und versuchen sie zu töten, wie die Unite zuvor. „Du darfst dich nicht darauf einlassen!“, forderte er streng. Völlig orientierungslos erwartete Destiny, dass er ihr als nächstes Schmerzen zufügte. Aber das tat er nicht. Dann kam Ewigkeit in ihr Blickfeld geschwebt. „Du musst dir vorstellen, dass die falschen Beschützer verschwinden!“ Wollte diese Ewigkeit sie dadurch ablenken? Sie in Sicherheit wiegen, um sie dann anzugreifen? Destiny war verwirrt und wusste, dass es nichts gab, womit die anderen ihr hätten beweisen können, dass sie die Echten waren. Alles, was sie über die anderen wusste, wussten auch die Allpträume. Angesichts dieser ausweglosen Situation folgte sie der Anweisung Ewigkeits. Ob es sich dabei um einen Trick handelte oder nicht. Sie hatte keine Alternative. Sie schloss die Augen und malte sich vor ihrem Inneren aus, wie alle falschen Beschützer dahinschmolzen und nur ihre wahren Freunde übrig blieben. Die Menschen, denen sie vertraute und die sie so sehr liebte…   Desire wartete außerhalb von Unites Schutzschild. Das war eine Schutzmaßnahme für den Fall, dass Destinys Kräfte erneut verrücktspielten. Jenseits ihres eigenen Schildes, dessen Wände weiterhin durchsichtig waren, wurde es erstaunlich hell. Die tiefe Dunkelheit, die zuvor geherrscht hatte, verschwand. Dann erschienen Unite, Trust und Change. Wären die drei nicht in Begleitung einer Doppelgängerin von ihr gewesen, hätte Desire nicht sagen können, dass es sich um Fälschungen handelte. Sie hätte ohne zu zögern geglaubt, dass die anderen plötzlich außerhalb des Schildes standen. Sie sah in die entgegengesetzte Richtung, auch dort stand ein weiteres Team aus Doppelgängern bereit. Beide riefen sie nach Destiny. Das war zu grotesk! Wie sollte man in so einem Fall überhaupt noch wissen, wem man trauen konnte? Unverhofft fand eine Veränderung statt. Ein warmes Licht nahm die Doppelgänger ein, als würde ihre Oberfläche anfangen zu glühen, immer heißer. Ihre Gestalt schmolz dahin und offenbarte schließlich die wahre Form der Allpträume. Desire hatte keine Ahnung, wie das zuging. Fürs erste war das auch unwichtig. Sie setzte ihre Attacke ein und löste die Allpträume auf.   Die Rufe hatten aufgehört. Destiny öffnete die Augen. Mit einiger Erleichterung stellte Trust fest, dass sie nun ruhiger wirkte. Auch Unite, die sich ebenfalls zu Destiny gekniet hatte, schien dies wahrzunehmen. Doch für Freude blieb keine Zeit. Ohne Vorwarnung brach etwas durch die Wand des Schutzschilds hinter ihm, sodass Trust abrupt herumwirbelte. Desire. „Was habt ihr gemacht?!“, schrie Desire aufgeregt. Als bemerke sie, dass sie etwas zu heftig geklungen hatte, fügte sie an: „Ich meine, habt ihr irgendetwas gemacht?“ Er und die anderen sahen sie fragend an. Desire erklärte sich. „Eben waren lauter Doppelgänger von uns da draußen, aber auf einmal haben sie sich aufgelöst!“ „Wie aufgelöst?“, wollte Change wissen. „Sie haben wieder ihre normale Form angenommen, sodass ich sie erlösen konnte!“, antwortete Desire. Skepsis machte sich in Trust breit. Es ergab keinen Sinn, dass die Allpträume ohne ersichtlichen Grund ihre Ursprungsform wieder angenommen hatten. Oder lag es daran, dass sich Destiny nicht länger vor ihnen gefürchtet hatte? Plötzlich spürte er einen festen Griff um sein Handgelenk und drehte sich alarmiert und auf das Schlimmste gefasst zurück zu Destiny. Sie schien in eine Art Starre verfallen zu sein, als wäre sie kurz davor, eine Vision zu haben. Eine Sekunde später wirbelte sie zu Unite herum. „Du musst allen meine Kräfte übertragen!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)