Balance Defenders von Regina_Regenbogen ================================================================================ Kapitel 107: Eriks Rolle und Vorsorgemaßnahmen ---------------------------------------------- Eriks Rolle und Vorsorgemaßnahmen   „Ins Ohr geflüsterte Worte können tausend Meilen weit dröhnen.“ (aus China)   Während der nächsten Pausen taute Erik immer mehr auf und wirkte besonders selbstherrlich und spöttisch. Er begann wieder mit ihnen zu reden, wenn auch leicht von oben herab. Bis zur Mittagspause hatte sich sein Verhalten soweit gemausert, dass sie die Zeit bis zum Sportunterricht so verbringen konnten, wie sie es mittlerweile gewohnt waren. Sie scherzten und es wirkte, als wäre der Vorfall mit Secret nur ein böser Albtraum gewesen, eine Halluzination. Zunächst erschien ihnen Eriks schneller Wandel geradezu unglaubwürdig, ehe sie sich wieder in Erinnerung riefen, dass er sich an seinen Amoklauf überhaupt nicht erinnerte und die Mauer, die sie zwischen ihm und ihnen gespürt hatten, wohl nur durch ihre eigenen Befürchtungen zustande gekommen war. Allein zu Vivien schien Erik noch immer eine gewisse Distanz zu wahren, als fürchte er sich davor, ihr zu nahe zu kommen. Vivien war jedoch die einzige, der das auffiel. Die anderen waren viel zu erleichtert darüber, wieder ganz normal mit Erik sprechen zu können.   Nach ihrem Mittagsunterricht in Sport begleitete Erik Ariane und Serena wie üblich nach Hause. Zunächst schien das auch kein Problem darzustellen. Als sie jedoch bei Serena zu Hause ankamen, stockte diese plötzlich und starrte Ariane an. Ariane verstand die Reaktion erst nicht, ehe sie begriff, dass Serena sie nicht mit Erik allein lassen wollte. Es bestand immer noch die  Gefahr, dass er sich jederzeit wieder in ihren Feind verwandelte. Ariane wollte diesen Gedanken nicht zulassen. Sie wollte nicht mal die Möglichkeit in Betracht ziehen! Aber Serena sah sie besorgt an und rührte sich nicht vom Fleck. „Was ist?“, fragte Erik. Serena druckste mit einer Antwort herum, woraufhin Erik Ariane ansah, als sei sie die Ursache von Serenas seltsamen Verhalten. Sie glaubte, eine leichte Verunsicherung hinter der Skepsis in seinen Augen zu erkennen. „Serena… wollte mir… noch etwas erzählen.“, log Ariane langsam. Sie wusste nicht, ob es Skepsis oder Enttäuschung war, die sie in Eriks Gesicht aufflackern sah. Immer noch in Eriks Gesicht sehend, sprach sie unüberlegt weiter. „Aber das kann sie mir auch am Telefon erzählen!“ Erik trat einen Schritt zurück. „Schon gut. Bis morgen.“ Er wandte sich ab und ging. Ariane sah ihm hinterher, wie er sich von ihnen entfernte, und konnte das schlechte Gewissen nicht unterdrücken. Sie dachte nicht länger darüber nach, was Serena wollte. Sie lief Erik nach. Erik blieb stehen. „Was ist?“, fragte er argwöhnisch. Ariane wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie wurde verlegen. „Ich…“ Sie senkte den Blick. „wollte mit dir…“   Erik blickte auf Arianes völlig ungewohnte Reaktion und sah dann zurück zu Serena. Es war nicht rechtens, dass Ariane Serena zu seinen Gunsten im Stich ließ. Was auch immer er sich in Arianes Nähe erhoffte, was auch immer er sich auf dieses seltsame Verhalten einbildete oder hineininterpretierte, das - „Ich warte dort vorne auf dich.“   Überrascht sah Ariane auf. Erik wandte seinen Blick ab, als würde er sie ignorieren, auch seine Stimme hatte geklungen, als wäre ihm das eine Last, die er fast widerwillig auf sich nahm. Normalerweise wäre sie wütend auf ihn gewesen, dass er ihr das so gönnerhaft sagte, als hätte sie ihn angefleht. Aber heute konnte sie ihm nicht böse sein. Sie war einfach nur froh, Erik vor sich zu haben, nicht den Bedroher von gestern. Sie nickte und lief zurück zu Serena. „Was sollte das?“, zischte Serena leise, als Ariane sie erreicht hatte. „Du kannst nicht mit ihm allein –“ „Er ist normal.“, sagte Ariane. „Er erinnert sich nicht mehr daran.“ „Vielleicht hat er die ganze Zeit auch nur den Normalen gespielt.“ Ariane sah sie empört an. Sie hasste es, wenn Serena mit solchen Verschwörungstheorien um sich warf, als wäre die ganze Welt schlecht. Sie hatte wirklich die Nase voll von ihrem Pessimismus! Wahrscheinlich würde sich Serena sogar ohne Weiteres von ihr abwenden, wenn sie einen Grund dafür fand. „Ich gehe mit ihm.“, sagte Ariane bestimmt und gab Serena mit einem Blick zu verstehen, dass ihre Einwände sie nicht interessierten. Serena schien diese Aufmüpfigkeit ganz und gar nicht zu gefallen. Wütend begegnete sie Arianes Blick. „Nimm wenigstens Ewigkeit mit.“ „Wenn irgendwas ist, dann rufe ich sie.“ „Dann ist es vielleicht zu spät!“, stieß Serena leise aber in einem Ton aus, der ihre Erregung deutlich machte. „Dein Schutzschild hilft nicht.“ „Hör endlich auf!“, stieß Ariane aus. „Lass mir wenigstens diesen Moment!“ Ihre Stimme nahm einen befremdlichen Ton an. Sie spürte ihre Augen und blinzelte das Gefühl weg, damit sich keine Tränen bildeten. Sie konnte nicht immer vorsichtig sein! Sie konnte nicht immer darauf gefasst sein, dass ein Schatthen aus einer Gasse gerannt kam, um sie zu töten, oder der Schatthenmeister nachts in ihrem Zimmer auftauchte. Sie hielt das nicht aus! Sie wollte Normalität, und wenn sie die nicht haben konnte, dann doch wenigstens den Anschein davon! Feindselig sah Serena sie an. Trotz wallte in Ariane auf. Wenn Serena ihr Leben lang immer misstrauisch sein und nur das Schlimmste erwarten wollte, war das ihre Sache, aber sie würde sich dem nicht beugen! Sie drehte sich um und ging. Zwar wusste sie, dass Serena es nur gut meinte, aber – Noch einmal blieb Ariane stehen und drehte sich zu Serena um. Sie versuchte sie mit einem Blick um ihr Verständnis zu bitten, aber Serena antwortete ihr mit klarer Sorge auf der Stirn. Einen Moment war Ariane hin und her gerissen. Sie wollte Serena nicht unnötig Kummer bereiten, aber sie wollte auch Erik nicht alleine lassen. Ihm war sie genauso viel Rücksicht schuldig wie Serena. Und so wie die Probleme sich in seinem Leben gerade stapelten, fand Ariane, dass er momentan sogar etwas mehr davon verdient hatte als Serena oder einer der anderen. Ariane setzte ihren Weg fort. Allein schon die bloße Überlegung, ob sie nun einen dummen Fehler beging, kam ihr wie ein Verrat an Erik vor… Dennoch blitzte die Frage in ihren Gedanken auf. Warum hatte Serena jetzt auch so eine Szene machen müssen?! Eben war alles noch so schön gewesen. Eben hatte sie mit Erik reden können, ohne Gedanken an ihr Beschützerdasein, ohne Gedanken an die Gefahr, die von ihm ausging. Sie kam zu der Stelle, an der Erik auf sie wartete, woraufhin er sich wieder in Bewegung setzte. Ohne Kommentar ging Ariane neben ihm her und verfluchte die in ihrem Kopf herumschwirrenden Ermahnungen, auf der Hut zu sein. Warum konnte sie sie nicht einfach aus ihrem Kopf verbannen? Warum konnte sie nicht unbeschwert mit Erik umgehen? Erik machte den Ansatz, etwas zu sagen, ohne sie anzusehen. „Wegen dem…“ Er unterbrach sich. „Am Samstag.“ Ariane fuhr zusammen, ehe sie begriff, dass er Finsters Geburtstagsfeier gemeint hatte. Nach Secrets Auftauchen hatte sie keinen Gedanken mehr daran verschwendet, was dort geschehen war und wie sie auseinander gegangen waren. Sie hatte größere Probleme gehabt. Als sie versuchte, sich die Begebenheit zurück ins Gedächtnis zu rufen, erinnerte sie sich an das Gefühl, ganz weit von Erik entfernt zu sein. Sie hasste dieses Gefühl. Doch Erik tat ihr nicht den Gefallen weiterzusprechen. Sie blieb stehen. „Warum hast du mich ignoriert?“, fragte sie in einem Versuch, die unsichtbare Mauer, die damals zwischen ihnen bestanden hatte, zu verstehen. „Du bist einfach an mir vorbeigelaufen, als hättest du mich nicht gesehen!“ Erik stoppte ebenfalls. Er antwortete nicht sofort. Auf der Feier hatte er sie verletzt, indem er versehentlich angedeutet hatte, sie sei unter seiner Würde. Hier in diesem Leben lag nichts weiter von der Wahrheit entfernt, aber – allein die Anwesenheit seines Vaters genügte, um ihm schmerzhaft ins Gedächtnis zu rufen, dass er noch ein anderes Leben hatte. Eines, in das Ariane nicht gehörte. Eines, in dem er sich von ihr fernhalten musste. „Du hättest mir wenigstens sagen können –“, rief sie empört und stoppte. Herr Donner kam ihr in den Sinn. Sie schlug die Augen nieder. „Du hättest mich wenigstens warnen können, dass du dort nicht mit mir reden kannst.“ „Ich habe mit dir geredet.“, widersprach Erik leise. Ariane entsann sich seiner Worte über die Seherinnen. „Tut mir leid, ich weiß nicht, wie es ist…“ Sie rang nach dem richtigen Wort. „...du zu sein.“ Erik war wütend über diesen Satz. Er hätte es vorgezogen, wenn sie ihn beschimpft hätte. „Es ist feige, sich dem anzupassen, was andere von einem erwarten.“, grollte er verbissen. Vielleicht um sich selbst zu maßregeln. Überrascht sah Ariane ihm in die Augen. Sie fühlte sich an ihr eigenes Verhaltensmuster erinnert. Auf der Halloweenparty hatte er sie danach gefragt, warum sie immer perfekt aussehen musste, wenn sie doch behauptete, Aussehen sei ihr nicht wichtig. Einen ähnlichen Widerspruch hatte sie bereits an ihm festgestellt. Am ersten Schultag hatte er auf die Frage von Herrn Mayer, ob er der Sohn von Rechtsanwalt Donner war, nicht antworten wollen, hatte sich ihnen jedoch als Erik Donner vorgestellt, obwohl Vivien nur ihre Vornamen genannt hatte. „Hast du Angst, nicht mehr Erik Donner zu sein?“, sprach sie ihren Gedanken laut aus. Erik sah sie getroffen an. Zum ersten Mal begriff sie, dass er genau das Gleiche tat wie sie. Genau wie sie stets den Zwang verspürte, perfekt aussehen zu müssen, obwohl sie Oberflächlichkeit verabscheute, passte er sich den Forderungen an seine Rolle als Erik Donner an, obwohl er diese Rolle hasste. Die ganzen Vorurteile und Ansprüche, die die Außenwelt an einen herantrug, quälten einen zwar, aber da man sie nicht abstellen konnte, gewöhnte man sich irgendwann an sie und fügte sich in seine Rolle. Diese Rolle, geschaffen aus all den Klischeebildern, wurde zu einer Art Rüstung, in die man hineinschlüpfte, um das Selbst zu schützen, das dem Bild der anderen nicht entsprach. Mit jäher Entschlossenheit machte Ariane einen Schritt auf ihn zu, griff mit der Rechten in seinen Nacken, um seinen Kopf näher zu sich zu ziehen, und beugte sich vor. „Es ist nicht dein Name, der dich zu dem macht, wer du bist.“, flüsterte sie ihm ins Ohr, auf die gleiche Weise, wie er es auf der Halloweenparty bei ihr getan hatte. Gerade wollte sie sich wieder von ihm entfernen, als Erik sie unerwartet an sich zog. Vor Schreck sog sie abrupt Luft durch den Mund ein und erzeugte dabei einen überraschten Laut, und das direkt neben Eriks Ohr. Auch ihre nächsten Atemzüge waren viel zu geräuschvoll, aber die Nähe zu ihm machte es ihr unmöglich ihre normale Atmung durch die Nase wieder aufzunehmen. Dann spürte sie seinen Atem an ihrem Ohr, sodass sie automatisch die Augen schloss und nicht länger gegen den Griff seiner Arme ankämpfte. Seine Stimme war nur noch ein tiefes Hauchen. „Mein Name ist Geheim.“ Von Panik gepackt wollte Ariane sich losreißen. Mit aller Kraft stieß sie den Angreifer von sich, um seinem Griff zu entgehen. Sie musste Ewigkeit – Erik starrte sie entgeistert an, als habe sie plötzlich ein Messer gezückt und ihn damit bedroht. Ariane wurde zur Salzsäule. „Es… tut mir leid.“, japste sie und schämte sich in Grund und Boden. Sie war wie selbstverständlich bei der Nennung des Namens Geheim davon ausgegangen, dass Erik sich wieder in ihren Feind verwandelt hatte. Eriks Gesichtsausdruck wandelte sich bei ihren Worten von Schock in Leid, als schmerzten ihre Worte ihn noch mehr als ihre Aktion, ihn wegzustoßen.  „Ich war nur so überrascht!“, redete sie in viel zu hoher Tonlage weiter. Aus dem verletzten Gesichtsausdruck Eriks wurde plötzlich ein schwaches Lächeln. Der Blick seiner Augen war sanft. „Und ich dachte schon, du willst nicht von mir umarmt werden.“ Bei seinen Worten wurde ihr heiß. Sie war sich sicher, dass sie noch zwei Wochen zuvor mit einem schlauen Spruch darauf geantwortet hätte. Warum konnte sie das jetzt nicht? Wollte sie ihn etwa wissen lassen, dass seine Umarmung ihr nicht zuwider war? Oder wollte sie sogar, dass er sie wieder umarmte? Auf die Überlegung hin wurde ihr noch heißer. Nun wieder mit seinem üblich provokanten Lächeln sprach Erik weiter. „Ich warte immer noch auf deinen Konter. Du wirst doch nicht eingerostet sein.“ Ein pikierter Ausdruck erschien auf Arianes Zügen. „Ich wollte nur nicht zugeben, dass du damit absolut richtig lagst.“ Erik grinste und hatte offenbar nicht vor, sie nochmals zu umarmen. Dass sie das auch nur bemerkte, ärgerte sie entsetzlich! „Als Wiedergutmachung kann ich dich ja auf Finsters nächster Feier mit einer Umarmung begrüßen.“ Ob diese sogenannte Wiedergutmachung ihr galt, weil er sie auf Finsters Geburtstagsfeier mit Verachtung gestraft hatte, oder ob er ihr damit eine Rache androhte dafür, dass sie ihn eben so heftig von sich gestoßen hatte, wusste Ariane nicht. „Das wagst du nicht.“, stieß sie aus. Ein gemeines Grinsen grub sich in sein Gesicht. Ariane begriff, dass sie einen Fehler begangen hatte. Wenn sie ihm sagte, er würde etwas nicht tun, würde er es auf jeden Fall tun! Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Th. Mich stört das nicht.“, log sie. „Du wärst auch die erste, die es stört, in meinen Armen zu sein.“ Arianes Gesicht verzog sich kurz, ehe sie ihre Selbstbeherrschung wiedergefunden hatte. „Es stört mich nicht, dich vor allen Leuten von mir zu stoßen. Ich dachte nur, dass es für dich etwas peinlich wäre.“ „Dass du mich mit hochrotem Kopf von dir stößt, weil ich einfach zu verdammt sexy bin?“, höhnte er. „Du meinst wohl, weil du so verdammt eingebildet bist.“ Plötzlicher Ernst trat in seinen Blick, als wolle er ihr gegenüber ein bedeutsames Geständnis ablegen. „Ich weiß, es ist schwer zu glauben, weil ich so unheimlich perfekt bin, aber ich bin nicht eingebildet. Ich bin tatsächlich echt.“ Ariane starrte ihn mit abgespanntem Gesichtsausdruck an. Dann prustete sie mit einem Mal und musste lachen. Erik stieß sie von der Seite leicht an, woraufhin sie erst richtig lachte. Er lächelte sie an, sie lächelte zurück. Gemeinsam setzten sie ihren Weg fort.   ⁎⁎⁎       Aufgrund der akuten Gefahr, dass Secret trotz ihres Vorgehens nochmals auftauchen könnte, hatten die fünf ausgemacht, sich nachts heimlich zu einem außerplanmäßigen Training zu treffen. Vitali hatte vorgeschlagen, dass sie am besten am nächsten Tag die Schule schwänzen sollten, um dieser überaus wichtigen Aufgabe mehr Zeit zu widmen. Die anderen waren damit allerdings nicht einverstanden gewesen. Ewigkeit flog vor ihnen hin und her wie ein General vor seinen Soldaten, während sie ihnen ihren Schlachtplan unterbreitete. Sie waren sichtlich bestürzt, dass die Kleine sich tatsächlich etwas überlegt hatte. Normalerweise waren sie selbst für ihr Training verantwortlich und Ewigkeit fungierte eher als Zuschauerin und Kommentatorin. Zudem waren sie davon ausgegangen, dass Ewigkeit in der Zeit, in der sie in der Schule gewesen waren, einfach nur geschlafen hatte. Zumindest wirkte sie nun wieder ziemlich energiegeladen. „Am wichtigsten ist zunächst, dass Wunsch lernt, ihr Schutzschild undurchlässig zu machen.“, verkündete Ewigkeit. „Ihr solltet euch auf die Flucht konzentrieren. Sobald der Bedroher auftaucht, müsst ihr schnellstens verschwinden.“ „Wir sollen vor ihm weglaufen?“, fragte Change reichlich unwillig. „Laufen ist zu langsam. Ihr müsst teleportieren!“, erwiderte Ewigkeit überzeugt. „Er ahnt jeden unserer Züge voraus.“, sagte Desire. „Wenn wir alle gleichzeitig angreifen, könnten wir ihn dennoch überwältigen.“, scherzte Unite. „Mit was denn angreifen?“, schimpfte Destiny. „Unsere Attacken haben keine Wirkung auf ihn und wenn ich versuche, ihn zu paralysieren, fegt er mich einfach weg.“ Sie untermalte ihre Aussage mit einer für Secret typischen Armbewegung. „Wir könnten uns unsichtbar machen, dann weiß er nicht, aus welcher Richtung wir angreifen.“, schlug Change vor. „Er würde es trotzdem wissen.“, widersprach Desire. Trust überlegte laut. „Vielleicht könnte ich ihn ablenken.“ „Das ist zu gefährlich!“, widersprach Destiny energisch. „Er würde dich angreifen!“ „Ich meinte, wenn ich Secrets Gedankenstrang finden kann, könnte ich ihn vielleicht dadurch verwirren. Dann wäre er nicht mehr in der Lage jeden eurer Schritte vorauszuahnen.“, präzisierte Trust. Unite nickte. „Das Problem ist, dass wir ihn weder von fern, noch von nah angreifen können.“ Desire stimmte zu. „Je weiter wir weg sind, einen desto besseren Überblick hat er und kann seine Telekinese einsetzen. Doch wenn wir ihm zu nahe kommen, benutzt er Nahkampftechniken.“ „Ein Ellenbogencheck ist keine Nahkampftechnik.“, meckerte Change, der das Bild von Secret als ausgebildeter Kämpfer nicht leiden konnte. Desire sah ihn ernst an. „Erik ist körperlich stärker als jeder von uns. Trust könnte es wahrscheinlich mit ihm aufnehmen, aber Erik beherrscht Kampfsport. Das tut Trust nicht. Auch wenn ich euch ein paar Selbstverteidigungstricks beibringe, habt ihr keine Chance gegen ihn.“ Unzufrieden verschränkte Change die Arme vor der Brust. „Wir müssten einfach alle teleportieren können.“ „Soll ich?“, fragte Unite mit Bezug auf ihre Kräfteübertragung. Destiny hatte Einwände. „Es ist schon schwierig genug unsere eigenen Fähigkeiten zu beherrschen, auch ohne dass wir versuchen die von einander einzusetzen. Es ist deine Gabe, die Kräfte von uns einfach imitieren zu können. Wir anderen sind darin nicht so geschickt.“ „Ich finde, ich war ziemlich gut mit deinen Kräften.“, meinte Change grinsend. Destiny biss sich auf die Unterlippe. Es passte ihr nicht, dass Change die Fähigkeit, die ihr immer noch Probleme bereitete, mit so einer Leichtigkeit hatte einsetzen können, als wäre es das Einfachste auf der Welt. „Meinetwegen kannst du sie haben und ich steige aus dem ganzen Schwachsinn aus.“, zeterte sie. Davon genervt grummelte Change: „Dann könntest du mich wenigstens nicht mehr paralysieren oder mir sonstwie wehtun!“ Trust versuchte, den beiden gar nicht erst die Zeit für einen Streit zu geben. „Wir wissen nicht, wie lange die Kräfteübertragung anhält und wir können nicht darauf vertrauen, dass wir im Kampf die Gelegenheit erhalten, die Kräfte miteinander zu teilen.“ Nun endlich kam Ewigkeit wieder zu Wort und erklärte, welche Trainingsmethoden sie sich ausgedacht hatte. Destiny sollte lernen, ihre Paralyse schneller und auch bei beweglichen Zielen einzusetzen. Ewigkeit wollte hierfür als Zielscheibe dienen. Als Trust einwandte, dass Ewigkeit durch die Paralyse zu Boden stürzen und sich wehtun könnte, meinte die Kleine nur, dass sie bereit sei, diese Last zu tragen. Zudem hielt sie es für eine gute Übung für Desire, wenn sie so schwer verletzt würde, dass Desire sie heilen musste. Die fünf waren von Ewigkeits übergroßem Einsatz etwas verstört. Change indes sollte üben, seine Unsichtbarkeit gleichzeitig mit seiner Teleportation einzusetzen. Während Unite seine Teleportationsfähigkeiten übernehmen und versuchen sollte, darin etwas geschickter zu werden. Am Tag zuvor hatte es zwar geklappt, aber Unite war nicht sicher, ob das nicht nur daran gelegen hatte, dass Change in ihrer unmittelbaren Nähe gewesen war und sie sozusagen nur als Leiter für seine Kräfte gedient hatte, da Changes Körper zu schwach gewesen war. Trust half indessen Desire dabei zu testen, ob ihr Schutzschild noch immer passierbar war und war nebenher damit beschäftigt, immer wieder Gedanken an die anderen zu senden, um den Wechsel zwischen ihnen schneller vorzunehmen. ○ Funktioniert es?, fragte er Unite telepathisch, weil es auf die Dauer einfach nur dämlich wirkte, immer nur ein ○ Hallo zu übertragen. Da er mittlerweile das Umschalten von Gedankenübertragung und Gedankenlesen automatisch vornahm, konnte er Unites Antwort sofort empfangen. Sie sendete ihm ein Lachen. ♪ Nicht ganz so gut. ○ Oh. ♪ Meinst du, es würde etwas bringen, wenn du versuchen würdest, Secrets Gedanken zu lesen? ○ Nein, er… ich glaube er denkt nicht viel nach, sondern handelt. Kurz herrschte Schweigen und Trust ging davon aus, dass Unite das Gespräch nicht weiterführen wollte. ♪ Mist., sagte sie plötzlich. Ich krieg es nicht mal hin, die paar Meter zu dir zu teleportieren. ○ Vielleicht hat Destiny Recht. Vielleicht sollten wir uns auf unsere eigenen Stärken konzentrieren. ♪ Im Kampf habe ich nicht wirklich viel ausrichten können. ○ Ich auch nicht. Ich glaube nicht mal, dass es mir hilft, wenn ich die Gedankenübertragung mit euch übe. Ich bin eure Frequenz gewöhnt. Es ist, als wären eure Kanäle eingespeichert. Wie beim Radio. Aber Secrets Gedankenströmung kenne ich nicht. „Trust? … Trust …. Trust!“, rief Desire, doch ihr Trainingspartner reagierte nicht. Daraufhin machte sie einfach einen Schritt nach vorne, um zu testen, ob der Schutzschild ihn immer noch aufnahm. Zu ihrem Leidwesen wurde er unbehelligt von der Barriere akzeptiert. Desire seufzte und sah auf die Uhr. Es war schon nach elf und noch immer hatte sie keine Erfolge vorzuweisen. Den anderen schien es nicht besser zu ergehen. Unite stand da, ohne jegliche Reaktion zu zeigen. Destiny versuchte noch immer vergeblich Ewigkeit zu erwischen. Ihre Wutschreie waren bis zu Desire zu hören und sie wartete nur noch darauf, dass Destiny eine Zorneswelle freisetzte. Change dagegen schaffte es zwar unsichtbar zu sein und zu teleportieren, doch direkt vor dem Teleportieren und danach war er sichtbar. „Wir sollten für heute Schluss machen.“, sagte Desire. Trust nickte. „Wir werden die nächsten Tage noch nachts trainieren müssen.“ „Wenn wir vor Müdigkeit nicht kämpfen können, ist das auch nicht gerade nützlich!“, schimpfte Destiny aufgebracht. Die Frustration über ihr Scheitern machte sie ungenießbar. Trust seufzte. „Du hast Recht.“ Change teleportierte zu Destiny, ergriff sie am Arm, teleportierte weiter zu Unite, die er an der anderen Seite festhielt und tauchte vor Desire und Trust auf. „Ihr müsst zugeben, ich bin toll, und ohne mich wären wir wirklich verloren.“, grinste Change und erstarrte im nächsten Moment. Destiny hatte ihn in ihrer miesen Laune schlicht paralysiert. Unite fing an zu lachen, während Desire erschöpft dazu überging, Change zu läutern. Sobald er wieder dazu fähig war, grollte er in Destinys Richtung „Du –!“ und zuckte hastig zurück, als sie ihn böse anschaute. Schnell entfernte er sich von ihr, bevor sie nochmals auf die Idee kam, ihre Kräfte auf ihn anzuwenden. Desire seufzte und warf Destiny einen leidenden Blick zu. Auf die stille Rüge hin verschränkte Destiny trotzig die Arme vor der Brust und wirkte regelrecht beleidigt. Desire schüttelte den Kopf. „Ich wollte euch was erzählen!“, rief Unite, nicht nur um die schlechte Stimmung zu vertreiben. Am Morgen war sie aufgrund der Sorge um Erik nicht dazu gekommen. Interessiert landete Ewigkeit auf ihrem Kopf. „Ich habe eine Vermutung, warum uns Secret angegriffen hat.“, begann Unite. „Weil er ein irrer Psychopath ist?“, mutmaßte Change mit erhobenen Augenbrauen. „Was ist ein Psychopath?“, fragte Ewigkeit. „Jemand, der seine Freunde angreift!“, meinte Change. Alle Blicke waren schlagartig auf Destiny gerichtet. „Ich bin kein Psychopath!“, schrie sie. Unite sprach derweil weiter. „Er wollte uns wehtun.“ „Eeehrlich?“, sagte Change gelangweilt. „Ich dachte, das war seine Art Hallo zu sagen. Indem er uns gegen Tische und Wände schleudert!“ „Sei doch mal ernst.“, tadelte Desire. „Ich bin ernst, ich bin sogar todernst, schließlich wäre ich am Ende fast tot gewesen.“ „Und warum wollte er uns wehtun?“, fragte Trust Unite, um das Gespräch wieder in geordnete Bahnen zu lenken. „Weil wir ihm wichtig sind.“, sagte Unite. „Ist das Tiny-Logik?“, wollte Change wissen. „Hör auf, das immer auf mich zu beziehen!“, beschwerte sich Destiny. „Das klingt einfach nach dir.“, gab Change zurück. „Ich hab euch schon eine Weile nicht mehr angegriffen!“ Change starrte sie vielsagend an, vor allem nachdem sie ihn keine fünf Minuten zuvor bewegungsunfähig gemacht hatte. Okay, sie hatte in seiner Seelenwelt ziemliches Chaos angerichtet und bei dem Angriff der Allpträume hatte sie die anderen paralysiert. Destiny ließ den Kopf hängen, als ihr klar wurde, dass Changes Vorwurf wohl auf die ein oder andere Weise irgendwie ein klein wenig mehr oder weniger berechtigt war. Verdammt. „Es ist anders.“, sagte Unite, während Ewigkeit den Platz auf ihrem Kopf verließ und sich zu den anderen gesellte. „Tiny freut sich nicht, wenn sie uns angreift. Sie ist dann verzweifelt. Secret nicht.“ Destiny unterließ es, sich zu beschweren, dass Unite nun auch Changes Spitznamen für sie benutzte. „Aber was ist es dann?“, wollte Desire wissen. „Es war … wie Rache.“, versuchte Unite es verständlich zu machen. „Es tat ihm gut, uns wehzutun, weil er den Schmerz sonst hätte ertragen müssen. Indem er uns wehtut, hat er keine Schmerzen mehr.“ „Das ist echt krank.“, war Changes Meinung. „Wofür wollte er sich rächen?“, fragte dagegen Trust. Unite zuckte mit den Schultern. „Es gibt so viele Kleinigkeiten, die einen verletzen können.“ Erregt rief Desire aus: „Es ist keine Kleinigkeit, dass wir ihn die ganze Zeit anlügen!“ Die plötzliche Lautstärke ließ Ewigkeit hastig Zuflucht auf Trusts Schulter suchen. Trust ergriff das Wort. „Deshalb ist Unite ja zu ihm gegangen. Keinem von uns macht es Spaß, Erik zu belügen.“ „Ich weiß.“, sagte Desire und senkte den Blick, ihren Gefühlsausbruch bedauernd. „Ich bin nur auf mich selbst sauer.“ „Hey.“, rief Change ungläubig. „Seit wann ist sowas ne Entschuldigung dafür, andere krankenhausreif zu prügeln? Dass Tiny nen Schaden hat, okay. Aber zwei Gestörte? Das wird langsam echt zu viel.“ Destiny feuerte einen bösen Blick auf ihn ab.   „Aber Change!“, stieß Unite aus. „Du hast doch sooo ein großes Herz, da wirst du doch noch Platz für jemand neben Destiny haben.“ Change stockte. „Halt die Klappe!“, schrie Destiny. Ein vielsagendes Lächeln nahm Unites Gesicht ein. „Du meinst, du willst Change ganz für dich allein?“ „Natürlich nicht!“ Unite drehte sich zu Change. „Hast du gehört? Sie ist bereit, dich zu teilen.“ „Mann!“, schimpfte Change peinlich berührt. „Es geht darum, dass das echt anstrengend ist!“ „Und denkst du, die beiden sind es wert?“, fragte Unite erwartungsvoll. Change wich ihrem Blick aus. Seine Antwort bestand aus einem kurzen gebrummten Ja, das Destiny unvorbereitet traf. Unite klatschte begeistert in die Hände und lachte vergnügt. Desire sah zu Trust.   Dieser seufzte. Sie alle brauchten dringend Schlaf. „Wollen wir einfach hoffen, dass es sich um ein einmaliges Erlebnis gehandelt hat.“, beendete er das Thema für diesen Tag. Desire nickte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)