Die Küsse, die niemals passiert sind von Schneeregen ================================================================================ Kapitel 16: 2015, 12. März 3:05 ------------------------------- Keine Schmerzen. Nur Stille. Sein Körper fühlte sich leicht an. Fast so, als würde er schweben. Guren öffnete seine Augen. Licht. Klares, weißes Licht. Er wusste, wo er war. Er war in seiner Seele. Er bemerkte, dass er auf dem Boden lag, den Kopf auf etwas Weiches gebettet. Als er aufblickte, sah er ihr Gesicht. Es war Mahiru, der ihn anlächelte. Er unterdrückte das Gefühl, sofort aufzustehen. Der Versuch, ihr zu entkommen, würde seine Schwäche offenbaren. So blieb er liegen, während Mahiru mit den Fingern sanft über sein Haar fuhr. 'Bist du wach, Guren?', fragte Mahiru mit leiser Stimme. Guren antwortete nicht und versuchte, ihrem Blick auszuweichen. Was war geschehen? Warum war er hier? 'Meine Güte, Guren, was hast du getan?' Ihre Berührung fühlte sich weich an. 'Dein Leben auf diese Weise zu gefährden...' Langsam begann Guren, sich zu erinnern. Er hatte gegen diese adelige Vampirin gekämpft. Er hatte sie zwar getötet, aber er wurde verletzt. Er war ohnmächtig geworden. Aber was danach passiert? Hatte Mahiru seinen Körper übernommen? 'Sieh mich nicht so schockiert an. Ich habe nichts getan.' Mahiru kicherte leise und fuhr mit den Fingern über seine Wangen und seinen Kiefer. 'Das hast du dir selbst angetan.' 'Warum bin ich dann hier?' 'Du warst rücksichtslos, Guren. So einen Schlag einzustecken... Das war dumm. Wirklich dumm. Ich musste alles tun, um deinen Körper vor dem Tod zu retten.' 'Hast du meinen Körper übernommen?' Aber Mahiru lächelte nur. Es war das Lächeln, das sie immer auf ihrem Gesicht hatte, um von dem abzulenken, was sie wirklich fühlte oder wollte. 'Ich hatte mehr von meinem Liebhaber erwartet...', murmelte sie. 'Ich bin nicht dein Liebhaber.' 'Oh, natürlich... Ich erinnere mich...' Mahiru's Gesicht verschwamm über ihm. Ihre Gesichtszüge veränderten sich. Wo zuvor rote Augen gewesen waren, die ihn ansahen, waren nun blaue. Guren kannte dieses Gesicht. Er kannte es fast zu gut. Es war Shinyas Gesicht. 'Er ist jetzt dein Liebhaber...' Gurens Brust zog sich zusammen. Es war entsetzlich, wie genau Mahiru sein Gesicht kopieren konnte. Erst als sie lächelte, zeigte sich, dass es nicht Shinya war, den er ansah. Ihr zögerliches Lächeln fühlte sich auf seinem Gesicht falsch an. Aber abgesehen davon war ihre Illusion beinahe perfekt. 'Gefällt es dir so besser?', fragte sie mit Shinya's Stimme. Es ließ Guren einen Schauer über den Rücken laufen. Das fühlte sich so falsch an. Aber gefiel es ihm besser, Shinya zu sehen? Irgendwie... Aber nicht so... nicht diese Illusion von ihm. Es brachte ihn dazu, noch mehr zurückweichen zu wollen. Mahiru beugte sich über ihn, ihr Gesicht direkt über seinem. 'Wenn du ihn liebst, Guren, musst du ihn beschützen', flüsterte sie. 'Du musst ihn vor dem Schmerz beschützen...' Sie kam näher, ihre Lippen nur Zentimeter von seinen entfernt. Gurens ganzer Körper zog sich zusammen, aber nicht vor guter Anspannung, sondern vor Angst. Plötzlich wachte Guren auf, sein Herz raste unkontrolliert in seiner Brust. Das erste, was er sah, war Shinyas Gesicht direkt vor seinen Augen. "Guren, bist du zurück?", fragte Shinya mit leiser Stimme. Seine Augen waren in Erwartung geweitet. Es dauerte einen Moment, bis Guren erkannte, dass dies wirklich Shinya war, der ihn ansah. Er war wach. Das waren seine Augen, in die er blickte, nicht Mahirus. Shinya beugte sich über ihn, seine Knie neben Gurens Hüften und seine rechte Hand umfasste seinen Kiefer. "Zurück?" fragte Guren verwirrt. Aber dann verstand er es. "Ich bin besessen gewesen?" Shinya nickte und ließ seinen Kiefer los. "Entschuldige, ich musste dich zwingen, die Pillen zu nehmen." Das war also passiert. Während Mahiru ihn eingelullt hatte, hatte sie seinen Körper übernommen. Sie hatte ihn mit einem Trick daran gehindert, aufzuwachen. Sie spielte mit ihm. Sie spielte mit ihm, wie immer. "Hat Mahiru mit dir geredet?" fragte Guren Shinya. "Ja, hat sie." "Was hat sie gesagt?" "Nur einen Haufen Lügen... wie immer..." Shinya seufzte tief, aber dann verwandelten sich seine Lippen in ein Lächeln. "Ich bin froh, dass du zurück bist..." Ein warmes Gefühl breitete sich in Gurens Brust aus. Er konnte nicht anders, als sein Lächeln zu erwidern. "Froh, wieder hier zu sein" Shinya beugte sich immer noch über ihn und unternahm keinen Versuch, sich von ihm zu entfernen. Als Guren versuchte, seine Hand zu heben, bemerkte er, dass seine Hände links und rechts an das Bett gefesselt waren. "Shinya? Was soll das Ganze?" Aber Shinya lachte nur auf: "Gefällt es dir nicht?" "Wem würde das gefallen?!" "Du stehst also nicht auf Fesselspiele?" Guren fühlte die Hitze in seinen Wangen aufsteigen. "Mach mich los, Shinya! Sofort!" "Okay, kein Zweifel, dass du zurück bist." Shinya kicherte leise, lehnte sich zur Seite und löste seine Fesseln: "Wir mussten sichergehen, dass du nicht Amok laufen wirst, wenn du am Ende besessen sein würdest. Und wir konnten deinen Dämon nicht unterdrücken, da dein Körper noch heilte." Erst zu diesem Zeitpunkt bemerkte Guren, dass dies ihr erstes richtiges Gespräch seit Wochen war. Es fiel mir so leicht, wieder mit ihm sprechen zu können, fast so, als wäre nichts zwischen ihnen geschehen. Als hätten sie nie gestritten. War es wirklich so einfach? Es gab noch einige andere Dinge, die Guren auffiel. Er war in einem Zimmer, das er nicht kannte, wahrscheinlich ein Krankenhauszimmer. Sie müssen ihn nach dem Kampf hierher gebracht haben. Guren trug eines seiner eigenen T-Shirts. Seine Uniform war höchstwahrscheinlich zerstört und mit Blut befleckt worden. Kein Wunder, dass er sich umgezogen hat. Nachdem Shinya Guren von den Fesseln befreit hatte, kletterte er von ihm herunter und stand aus dem Bett auf. "Fühlst du dich jetzt besser?" Guren setzte sich auf und strich sich mit den Fingern über die Handgelenke. Die Fesseln hatten Flecken hinterlassen, aber sie verschwanden bereits langsam durch den Fluch. Die blauen Flecken sahen aus, als ob Mahiru versucht hätte, seinen Körper aus der Fixierung zu befreien. Sie muss mit Shinya gesprochen haben. Aber was hat sie zu ihm gesagt? Er wusste, Shinya würde es ihm nicht sagen, wenn er sie fragen würde, und sein Blick verriet nichts. Aber Guren war sich sicher, dass Mahiru alles versucht hätte, um die Situation auszunutzen. Hat sie ihn verletzt? Aber es war nicht Mahiru, der Shinya als erstes verletzt hatte. Er war es gewesen. Er hatte Shinya verletzt, weshalb er ihn seither gemieden hatte. Und jetzt war alles wieder normal. Er sprach mit ihm, wie er es immer getan hatte. Als ob nichts passiert wäre. Hat er ihm so einfach vergeben? Warum? Er hat sich nicht einmal bei ihm entschuldigt. Es war das Mindeste, was er tun konnte. "Entschuldige", sagte mit leiser Stimme. "Wofür?" "Für alles... Ich habe mich bescheuert verhalten. Ich habe dich verletzt... und es tut mir Leid. Aber ich weiß einfach nicht, was ich sagen oder tun soll, um es besser zu machen." "Du musst gar nichts tun." Guren sah überrascht zu ihm auf: "Aber ich war ein Idiot. Du hattest jedes Recht, sauer auf mich zu sein." "Das war ich... aber was hat es für einen Sinn, wütend auf dich zu sein, wenn du tot bist? Ich will nicht, dass du stirbst, ohne dass ich mit dir geredet habe." Gurens Brust zog sich zusammen. Er war so dumm gewesen. Während er so sehr versuchte, Shinya zu retten, hatte er sein eigenes Leben völlig vergessen. Er hatte so verzweifelt versucht, Shinya und seine Freunde zu retten, dass er vergessen hatte, wie sehr es sie verletzen würde, wenn er dabei sein Leben verlieren würde. Wie sehr es Shinya verletzen würde. Ihm kamen die Tränen in die Augen. "Es tut mir leid..." "Nein. Mir tut es leid!" "Du solltest dich nicht entschuldigen! Ich habe mich wie ein Idiot verhalten." "Ich höre auf, wenn du aufhörst!" "Entschuldige..." "Du kannst nicht anders, oder?", grinste Shinya. Es fühlte sich so erleichternd an, Shinya so zu sehen... Er war wieder bei sich selbst und vergab ihm, da es nichts war. Er war ein echter Freund. Ein Freund, den Guren nie wieder missen wollte. Wie hätte er das jemals riskieren können? Wie hätte er je riskieren können, ihn zu verlieren? "Jetzt rück' ein Stück!" Shinya begann bereits, auf das Bett zu klettern. "Was machst du da?!" "Ich bin müde! Es ist mitten in der Nacht! Und es ist genug Platz für uns beide!" Shinya dachte nicht einmal daran, mit dem, was er tat, aufzuhören. Er hätte sich sowieso hingelegt, ob Guren sich bewegte oder nicht. Aber Guren bewegte sich ein wenig zur Seite, um ihm in dem kleinen Einzelbett ein paar Zentimeter mehr Platz zu geben. "Bist du die ganze Zeit wach geblieben?" fragte Guren und legte sich ebenfalls hin. Shinya gähnte und schloss die Augen: "Das bin ich. Und jetzt bin ich müde!" Sie lagen direkt nebeneinander. Es fühlte sich seltsam an, da sie sich noch vor einigen Wochen so nahe gewesen waren. Shinya hatte in seinen Armen gelegen. Er war ihm so nahe gewesen, und jetzt lagen sie beide für sich. Aber es war besser so. Auf diese Weise konnte er Shinya nicht verletzen oder seine Erwartungen enttäuschen. Guren schloss seine Augen. Es war immer gut gewesen, solange sie nur Freunde gewesen waren. Warum war er so egoistisch gewesen? Er hätte das nie ändern dürfen. Shinya bewegte sich ein wenig, drehte sich zu ihm um: "Guren? "Hm?" Guren öffnete seine Augen. "Ich habe darüber nachgedacht. Darüber, dass du gesagt hast, es hätte sich nichts geändert..." "Was meinst du?" "Ich versteh's jetzt. Vielleicht ist es besser, wenn alles so bleibt, wie es ist. Ich meine, wenn du und ich Freunde sind..." "Meinst du?" "Ja... Ich denke, das ist das, worin wir am besten sind. Findest du nicht? Ich will nicht, dass sich das ändert. Ich will nur an deiner Seite sein. Ich will mit dir zusammen sein." Gurens Herz flatterte. Er konnte Shinyas Worten nichts mehr hinzufügen. Es war, als würde er genau seine eigenen Gefühle in Worte fassen. "Ebenso." Guren konnte sehen, wie Shinyas Lächeln immer breiter wurde. Er blieb einfach neben ihm liegen, bettete seinen Kopf auf seine Hände und sah ihm direkt in die Augen. Sein Blick war ruhig, und Guren hatte das Gefühl, er wusste, dass Shinya in diesem Moment genauso fühlte. Seine Worte berührten Guren auf eine Weise, die er nie erwartet hatte. Guren konnte nicht anders, als ebenfalls zu lächeln. Es war ein unglaublich gutes Gefühl, seine Gefühle in Worte gefasst zu haben und ehrlich zu ihm zu sein. "Wir waren beide bescheuert, oder?" Shinya lachte leise. "Ja... Vielleicht hätten wir nicht zusammen kommen sollen..." "Hm? Wir waren zusammen?" "Was waren wir denn sonst?!" "Ich weiß es nicht. Ich würde das nicht zusammen sein nennen" Guren gab ihm einen leichten Schubs, so dass er fast aus dem Bett fiel. "Wie würdest du denn sonst zusammen sein definieren Aber Shinya lachte nur und zog sich zurück ins Bett. "Ich weiß nicht... ich war noch nie wirklich mit jemandem zusammen...", hielt er einen Moment inne, "außer mit dir..." "Hast du nicht gerade gesagt, dass wir nicht zusammen waren?!" "Habe ich das?" Guren seufzte. "Warst du nicht damals mit diesem Mädchen zusammen?" "Wir sind nur für ein paar Wochen miteinander ausgegangen "Wo ist da der Unterschied?" "Mit ihr hatte ich nicht so guten Sex." "Das ist also dein einziges Kriterium?" fragte Guren, merkte aber plötzlich, was Shinya gerade sagte. Sie verfielen in Schweigen. Eine unbehagliche Stille, in der sie beide dort lagen, weichen dem Blick des anderen aus. Wärme breitete sich in Gurens Armen und Beinen aus, und sein Unterkörper zog sich zusammen. Der Sex mit Shinya war wirklich gut gewesen. Er hatte all diese Dinge mit ihm gemacht. Schmutzige Sachen. Aber er liebte es, wie er sich dabei fühlte. Er liebte es so sehr, ihm vertrauen zu können, seine Bedürfnisse zu befriedigen und sich danach erleichtert zu fühlen. Das hatte ihn all seine Sorgen für einmal vergessen lassen. Auch jetzt würde er wieder mit Shinya schlafen wollen. Sein Körper war verspannt, aber er wusste, dass dies eine sehr schlechte Idee war. Wenn er wollte, dass Shinya sein Freund war, musste dies aufhören. Glücklicherweise brach Shinya die Stille und riss ihn aus seinen Gedanken: "Warum wolltest du, dass es ein Geheimnis bleibt? "Ich weiß es nicht... Ist das wichtig?" "Ist es nicht... aber ich würde es gerne wissen." "Vielleicht..." Guren hat nie darüber nachgedacht, aber jetzt musste er es tun."Ich glaube, weil ich Angst hatte. Ich hatte Angst, dass sich etwas ändern könnte." "Verstehe... Veränderungen sind unheimlich." "Ja sind sie..." "Auch ohne Liebe ist es kompliziert genug." "Ja... Erwachsen sein ist scheiße." Doch statt einer Antwort brach Shinya nur in Gelächter aus. "Was ist so lustig?!" "Dass du so etwas sagst." Er versuchte, das Lachen zu unterdrücken. "Der zukünftige Oberstleutnant, sagt, dass es scheiße ist, erwachsen zu sein." "Du bist nicht besser, Herr Generalmajor." Guren boxte ihn mit der Faust auf die Schulter, aber Shinya kümmerte das gar nicht. Er kicherte nur. "Ja, du hast Recht. Es ist scheiße." Shinyas Lachen war ansteckend. Guren lächelte zunächst, dann begann auch er zu lachen. Obwohl es nur ein albernes Geplänkel war, fühlte es sich so erleichternd an, lachen zu können. Es ließ ihn all seine Gedanken vergessen, all seine Bedenken und ob er wirklich mit ihm schlafen wollte. Nur langsam beruhigten sie sich wieder und lächelten sich immer noch strahlend an. Shinya hatte vom Lachen Tränen in den Augen, aber er sah so glücklich, so zufrieden aus, seine Wangen waren von all dem Lachen leicht errötet. Ihre Blicke trafen sich, und Stille legte sich über den Raum. Als Shinya sich nach vorne beugte, begann Gurens Herz noch schneller zu schlagen. Er hätte es besser wissen müssen, aber er bewegte sich nicht. Nicht, als Shinya für einen Moment innehielt und nicht als seine Lippen bereits auf den seinen lagen. Stattdessen schloss Guren allmählich die Augen, und er küsste ihn zurück, öffnete seine Lippen, fühlte seine Zunge an seinen. Er ließ es einfach geschehen und fühlte, wie sein Körper vor Spannung kribbelte. Guren zog ihn näher heran, als Shinya den Kuss abrupt abbrach und ihn wegstieß, "Scheiße! Es tut mir leid!" Guren öffnete die Augen. Sein Herz raste noch immer in seiner Brust. Es dauerte einen Moment, bis ihm klar wurde, was passiert war. Fuck. Er hätte sich ohrfeigen können. Wie konnte er sich so hinreißen lassen? Wie konnte er nicht erkennen, dass er genau das Gegenteil von dem tat, was er sagte. Beide schnappten nach Luft, mit roten Köpfen und Körpern, die nach mehr schrieen, und doch wagte keiner von ihnen noch einmal eine Bewegung zu machen, da beide wussten, dass sie es nicht tun sollten. Es spielte keine Rolle, wie sehr Guren ihn wieder küssen wollte. Er musste sich zusammenreißen. "Es ist okay." Er musste dieses Gefühl ignorieren. Shinya nahm seine Hände zurück, zog sich ein wenig zurück und drehte sich auf den Rücken. Er starrte an die Decke. "Wir sollten besser schlafen..." "Ja..." Guren wusste nicht, was er sagen oder tun sollte. Er wollte ihn immer noch an sich ziehen, ihn küssen, und doch unterdrückte er den Drang. Er war stärker als das. Die Erregung würde verschwinden, er musste nur warten. Shinya war sein Freund. Er musste aufhören. "Gute Nacht, Guren", flüstert Shinyae. "Gute Nacht." Guren atmete langsam ein und aus. Ihr Gespräch endete hier, aber der Gedanke, ihn mehr mit ihm zu wollen, blieb noch viel länger in seinem Kopf. Es dauerte einige Zeit, aber schließlich hörten die Gedanken auf und Guren schlief neben ihm ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)