Der Wächter von Drachenlords ================================================================================ Kapitel 2: Rudeldynamik ----------------------- Langsam drängten sich die Stimmen der Rudelmitglieder in die Verbindung. Alle hatten ihre eigene Meinung zu der Prägung und begannen darüber nachzudenken. Im Befehlston sorgte Sam für Ruhe und erstickte den aufkeimenden Gedankenstrom: „Alle zurück. Ich möchte so wenig wie möglich hören, verstanden?“ Widerwillig beugte sich das Rudel und in der Verbindung wurde es erneut ruhig. Nur hin und wieder schossen einzelne Gedankenblitze auf, aber alle versuchten sich auf ihren Weg zu konzentrieren, um nicht ihren Gedanken nachzugeben. Kurz überlegte Jacob, ob er nicht einfach wegrennen sollte, aber wo sollte er denn hin? Alle die er liebte waren in La Push. Dort war sein Zuhause. Dort lebten sein Vater, seine Freunde und auch Bella. An sie hatte er seit dem Vorfall gar nicht mehr gedacht. Er konnte spüren, dass sein Zorn über ihren Streit verraucht war. Weggeblasen durch DAS Ereignis. Zurück blieb allerdings die Sehnsucht sie zu sehen und mit ihr zu reden. Immerhin war sie seine beste Freundin. Aber zurzeit würde sie ihn wohl nicht sehen wollen, außerdem war sie nicht da, jagte ja ihrer großen Liebe nach. Kollektives Aufstöhnen drang durch die Verbindung. „Nicht die Leier schon wieder“, nörgelte Embry und versuchte so wie immer zu klingen. „Ich sagte Ruhe! Das gilt auch für euch beide“, ermahnte der Alpha. Jake seufzte schwer und besann sich, wie die anderen, auf den Weg und seinen Körper. Nach knapp eineinhalb Stunden sprintete Jake auf sein Haus zu, in dem er mit seinem Vater wohnte. Am Waldrand hatte er ein kleines Versteck eingerichtet, wo er einige Kleidung aufbewahrte. Alle Wölfe hatten überall in ihrem Territorium solche Verstecke errichtet, da sie sonst ihre Kleidung im Maul mitschleppen mussten. Und es kam auch immer mal wieder vor, dass einer der ihren sich nicht zügeln konnte und aus einem Wutimpuls heraus zum Wolf wurde. Das war dann das Ende für dessen Klamotten, welche in Fetzen gerissen wurden. Schnell nahm er Menschengestalt an und zog sich eine seiner kurzen braunen Hosen über, da traten auch schon Sam, Embry und Quil aus dem Wald und auf ihn zu. Jake hob den Blick und versuchte die Gefühle der Anderen zu lesen. Seine besten Freunde zeigten unterschiedliche Emotionen. Während Embry etwas peinlich berührt wirkte und offenbar nicht wusste, wie er auf ihn reagieren sollte, sich aber die Mühe machte es nicht zu deutlich zu zeigen und wie immer zu wirken, stand in Quils Gesicht deutlich seine Abscheu und Verachtung für ihn. Der Alpha hingegen ließ sich nicht in die Karten schauen und hatte eine steinerne Miene aufgesetzt. Jake konnte es Quil nicht verdenken. Er fühlte sich selbst elend, beschmutzt und war von sich selbst angewidert. Ein Glück war es nur, dass sie nun in Menschengestalt reden würden. Da waren die Stimmen der anderen leichter zu ertragen und man konnte sie einfach in den Hintergrund drängen. Aber er war sich sicher, dass das gesamte Rudel aufmerksam diesem Gespräch folgen würden. Niedergeschlagen senkte Jacob den Blick und scharrte unruhig mit den nackten Füßen auf dem Boden. „Du hast dich also geprägt?“ eröffnete Sam auch sogleich das Gespräch. Unwirsch kam die geknurrte Antwort: „Ja.“ „Auf den Fremden, den du getroffen hast?“ Unfähig zu sprechen nickte Jacob kaum merklich. Sam hingegen studierte das Gebaren seines Betas und schwieg, tief in Gedanken. Bevor Jake noch etwas sagen konnte, um sich zu verteidigen, keifte Quil dazwischen: „Abartig. Und ich dachte ich kenne dich. Ich wusste nicht, dass du eine verdammte Schwuchtel bist.“ Getroffen zuckte Jake zusammen. Ja, er war abartig, so etwas gehörte sich einfach nicht. „Lass ihn in Ruhe, du Nervensäge. Siehst du nicht, wie er darunter leidet. Er hat es sich nicht ausgesucht und er wollte bestimmt nicht auf einen Kerl geprägt werden. Keiner von uns kann es sich aussuchen auf wen er sich prägt. Vergiss das mal nicht“, sprang Embry für ihn in die Bresche. Jake war dankbar für diese Unterstützung und das obwohl der andere noch nicht so lange im Rudel war. Mit Embrys erster Verwandlung konnte ihre alte Freundschaft wiederaufleben. Zuvor hatte sich Jake nach seiner eigenen Verwandlung von ihm abwenden müssen, so wie es auch zuvor Quil bei Embry und Jake getan hatte. Nur wenige, außer dem Ältestenrat und den Mitglieden des Rudels, kannten die Wahrheit. Alle anderen des Stammes glaubten nicht wirklich an die Legenden der Gestaltwandler. Nach der ersten Verwandlung gab es so viel Neues zu lernen und zu beachten, dass sie ihr altes Leben weitestgehend hinter sich lassen mussten. Außerdem verbot Sam den Kontakt mit anderen, solange die neuen Wölfe sich nicht beherrschen konnten. Nicht mal ihren Eltern durften die Gestaltwandler einweihen. So entstand auch das Gerücht, dass Sam eine eigenartige Gang anführte und alle Eltern ihren Kindern einschärften, diese Gruppe zu meiden. Außerhalb des Stammes kannten nur die Cullens, welche allesamt Vampire waren und mit ihnen einen Vertrag hatten, das Geheimnis ihrer Verwandlung. Vampire und Wölfe waren natürliche Feinde und ihre Anwesenheit löste auch die Verwandlung bei den Jungen aus. Nur aufgrund der Tatsache, dass diese Gruppe von Vampiren kein Menschenblut trank, sondern Tierblut, kam diese Absprache zustande. Sobald sie allerdings einem Menschen Schaden zufügen würden, oder von einem tranken, erlosch der Vertrag und das Rudel würde umgehend angreifen. Ansonsten gab es nur einen einzigen normalen Menschen, der über beide Rassen Bescheid wusste und das war natürlich Bella, welche sich in Edward verliebte und zudem auch noch dabei war als einer vom Rudel sich verwandelte. „Alter, noch nie hat sich ein Wolf auf einen Mann geprägt, da muss doch was falsch laufen bei dir. Sag mir, hast du schon immer insgeheim auf Kerle gestanden? Hat es dich geil gemacht, uns nackt zu sehen, wenn wir uns verwandelt haben?“ Abermals war sein Freund schneller und konterte: „Tickst du noch richtig? Wir hören die Gedanken der anderen und ich habe nie auch nur einen Gedanken von einem der Unseren gehört, welcher auch nur ansatzweise in diese Richtung gegangen wäre. Keiner von uns ist schwul und Jake ist es auch nicht. Er hat immer nur an Bella gedacht und Bella ist eine Frau!“ Quil, der seine Wut nicht mehr zügeln konnte, knurrte erbost: „Ja, er hat NUR an Bella gedacht, wie ein Mantra, damit keiner von seiner Abartigkeit erfährt.“ „Jake ist nicht abartig nimm das zurück“, knurrte nun auch Embry, vor unterdrückter Wut zitternd. Die beiden sahen sich noch einen Augenblick lang an, bevor sie aufeinander losgingen. Beide bebten vor Zorn und verwandelten sich in Wölfe. Sie krachten gegeneinander und versuchten den jeweils anderen zu beißen. Dann rollten sie als eine unförmige Fellkugel umher und walzten einen nahen Busch nieder, bevor sie mit einem Mordsradau im Unterholz verschwanden. Zurück blieben nur die Fetzen ihrer Kleidung, welche nun sanft zu Boden fielen und durch den Wind hin und her schaukelten. Die Zurückgebliebenen sahen ihnen nach und hörten das Jaulen und Knurren, wenn die beiden einander in die Fänge bekamen. Ganz normaler Alltag für Mitglieder eines Rudels. Wenn zwei sich stritten wurde das meist mit einem Kampf entschieden. Alle Gestaltwandler hatten ein aufbrausendes Temperament, welches von ihrer wölfischen Seite herrührte. Da war es ganz normal, dass öfters mal die Fetzen flogen. Ein solches Verhalten hatte viele Vorteile. Zum einen konnten sie ihr Geschick im Kampf auf die Probe stellen und zusätzlich wurde auch so die Rangordnung innerhalb des Rudels ermittelt, zum anderen konnten sie sich abreagieren und ihren Gefühlen freien Lauf lassen. Als kleinen Bonus wurde auch der Streit, wenn das der Auslöser für den Kampf war, beigelegt, denn der Verlierer des Kampfes übernahm die Meinung des Gewinners. Ein Kampf endete meist erst dann, wenn einer der Beiden sich dem anderen unterwarf. Äußerst selten kam es vor, dass beide gleichstark waren und es keinen Sieger gab. In so einem Fall war es ein Unentschieden. Beide behielten ihre Meinung bei, aber der Streit war dennoch beendet. Da ihre Wunden sehr schnell heilten, trugen sie normalerweise keine dauerhaften Verletzungen davon. Eines der ungeschriebenen Gesetze des Rudels war, dass nicht bis zum bitteren Ende gekämpft wurde. Sollte doch einmal ein Kampf außer Kontrolle geraten, mischte sich Sam ein und beendete das Treiben indem er beide Kontrahenten unterwarf. Unter seiner Führung hatte es noch nie einen Schwerverletzten oder gar Toten gegeben. Normalerweise würde Jake grinsend den Kopf schütteln und zusehen wie die Rangelei ausging, aber diesmal war alles anders. Angespannt horchte er in sich hinein und verfolgte die Auseinandersetzung. Sollte Quill gewinnen, würde er die Freundschaft von beiden verlieren. Also hoffte er, auch wenn er das gar nicht verdient hatte, dass Embry gewann. Schweigend fühlten alle in die Verbindung hinein und beobachten die Gedanken und Gefühle der beiden Duellanten. Embry gewann und beide kehrten rasch zu ihnen zurück. Ohne mit der Wimper zu zucken verwandelten sie sich und standen nun nackt vor den Anderen. Jake konnte einfach nicht anders und hob den Blick. Er sah in das strahlende Gesicht des Gewinners und ließ dann seinen Blick sinken. Er musste es einfach wissen. Ungeniert betrachtete er erst Embry dann Quil. Beiden war anzusehen, dass sie sich unwohl fühlten und das Grinsen in Embrys Gesicht gefror, als er verstand, was Jake da tat. Beide blieben standhaft und verfolgten gespannt seine Reaktion auf diese Situation. Jacob gab sich keinen Illusionen hin; wenn er jetzt an das Falsche dachte oder auch nur eine falsche Reaktion zeigte, dann würden sich alle von ihm abwenden. Zugegebenermaßen sahen die beiden einigermaßen gut aus. Für Kerle jedenfalls und soweit er das beurteilen konnte. Muskulös und durchtrainiert, wie alle Gestaltwandler in denen das Gen erwacht war. Das war eben ein Teil ihrer Verwandlung. Er versuchte sich selbst zu ergründen und kam zu dem Schluss, dass ihre Körper ihn vollkommen kalt ließen. Allein der Gedanke daran, mit einem der beiden ins Bett zu gehen, widerte ihn an. Er wandte den Blick ab und stieß erleichtert die Luft aus. Nun war er sich sicher. Erleichterung machte sich auf den Gesichtern seiner besten Freunde breit. Embry boxte Quil gegen die Schulter und frotzelte: „Siehst du. Er ist weder abartig noch schwul.“ Quil grinste schief und rieb sich den Arm. Ohne einem der anderen ins Gesicht zu schauen sagte er verlegen: „Sorry, eh. Habe nicht nachgedacht.“ Wobei er offen ließ zu wem er eigentlich sprach. Dann gingen sie an Jake vorbei zu dessen Kleiderhaufen und fischten sich je eine Hose heraus. Besser gelaunt, da er sich selbst bewiesen hatte, dass er eindeutig nicht vom anderen Ufer war, knurrte Jacob: „Hey, das sind meine Sachen. Ihr schuldet mir jeder eine Hose.“ Grinsend und mit in die Hüften gestemmten Fäusten schnatterte Quil: „Alter, deine verranzten Sachen bekommste später wieder.“ „Oder glaubst du wir würden länger als nötig diese hässlichen Fetzen tragen?“, feixte Embry und alle Drei brachen in Gelächter aus. Die Stimmung war gerettet und das Rudel beruhigte sich allmählich. Nachdenklich mischte sich nun Sam ein und sagte: „Leider ist das nicht ganz so einfach wie ihr drei glaubt. Wenn ein Wolf sich auf eine Person prägt, dann findet er auch nur noch diese Person reizvoll. Vor meiner Prägung konnten mich auch andere Frauen erregen, wie ihr wisst. Ich war damals mit Leah zusammen. Allerdings nach meiner Prägung auf Emily, gibt es nur noch Emily für mich. Vollkommen egal wie attraktiv eine andere Frau auch sein mag, und ob ich sie vor der Prägung heiß fand, ich kann mir nicht einmal vorstellen mit einer anderen ins Bett zu steigen. Das heißt nicht, dass ich keine anderen Frauen ansehen kann oder mir gefallen können, aber es gibt einfach keine körperliche Reaktion mehr. Das ist ein elementarer Teil der Prägung.“ Die drei anderen wurden schlagartig wieder ernst. Erschrocken dachte Jake über diese Information nach und erinnerte sich an die Magazine unter seinem Bett. Resolut schüttelte Sam den Kopf: „Das kannst du vergessen Jake. Es tut mir leid, aber an diesen Gedanken wirst du dich wohl gewöhnen müssen.“ Die Stimmung des Rudels änderte sich abermals und alle dachten über die daraus resultierenden Konsequenzen nach. Sie konnten die Gedanken der Anderen, wenn sie in Menschengestalt waren, zwar in den Hintergrund drängen, bekamen aber dennoch immer alles mit. Da sie das nicht ändern konnten, hatten sie sich stillschweigend darauf geeinigt, möglichst wegzuhören, wenn einer aus dem Rudel mal Sex hatte. Sie alle waren Männer und standen auf Frauen, was ja auch normal war. Außer, dass der eine oder andere peinlich berührt die Beule in seiner Hose verstecken musste, gab es bisher keinerlei Konsequenzen. Die Vorstellung, dass sie nun aber auch mitbekommen würden, wenn Jake und dieser Fremde intim wurden, überflutete die Verbindung mit Ekel und Ablehnung. Die Stimmen der anderen wurden lauter und einige begannen bereits sich zu beschweren. Sam der einsah, dass er in ein Wespennest gestochen hatte, bellte mit der Macht des Alphas: „Ruhe!“ Er rieb sich mit Daumen und Zeigefinger den Nasenrücken und erklärte dann: „So weit ist es noch nicht. Ich werde eine Versammlung der Ältesten einberufen und die ganze Angelegenheit mit ihnen diskutieren. Jake, geh und rede mit deinem Vater. Es ist wohl besser, er erfährt von dir was passiert ist, und nicht von mir, vor versammeltem Rat. Alle anderen halten den Ball flach.“ Wie geschlagen zuckten die Drei zusammen. An seinen Vater hatte Jake bisher noch gar nicht gedacht und daran, ihm alles erzählen zu müssen. Er wurde bleich und begann leicht zu zittern. Das würde nicht gut ausgehen. In ihrem Stamm wurde Homosexualität als abartig und wider die Natur angesehen. Einige wenige, die bei solcherlei Perversität erwischt wurden, jagten sie in Schimpf und Schande davon. Ein solches Verhalten war vollkommen inakzeptabel und der Verbannte durfte nie wieder zurückkehren. Trostspendend legten ihm seine Freunde je eine Hand auf eine seiner Schultern und drücken ihm so ihr Mitgefühl aus. Dann machen sie sich schleunigst davon. Bei diesem Gespräch wollte keiner von ihnen anwesend sein. Und doch würden sie es mitbekommen, egal wo sie auch hingehen. Als Jake keine Anstalten machte sich in Bewegung zu setzten, schüttelte Sam den Kopf und schob ihn langsam auf das Haus der Blacks zu. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)