Der Wächter von Drachenlords ================================================================================ Kapitel 7: Vom Pech verfolgt ---------------------------- Leah verpasste Jake einige Biss- und Kratzwunden, bis er es geschafft hatte sie unverletzt unter Kontrolle zu bringen. Die beiden anderen sahen nur zu und warteten ab, ob ihre Hilfe erforderlich war. Es stellte kein größeres Problem für den Beta dar, die widerspenstige Wölfin zu unterwerfen. Instinktiv handelte sie und erkannte seine Überlegenheit an, für den Moment jedenfalls. Alle neuen Wölfe mussten erst ihren Platz im Rudel finden und legten sich am Anfang immer wieder mit jedem anderen an. Entschuldigend stupste Leah ihn mit ihrer Schnauze an und Jake erklärte: „Keine Sorge. Ich nehme dir den Angriff nicht übel.“ Er zuckte mit den Schultern. „Uns allen fällt es schwer unsere Wut im Zaum zu halten. Vor allem am Anfang. Das wird nicht der letzte Kampf sein, das verspreche ich dir. Wenn dich jemand ärgert, dann fordere ihn zum Kampf, so läuft das bei uns. Du brauchst dir keine Gedanken zu machen, die Jungs werden es dir nicht übelnehmen. Außerdem wird Sam eingreifen bevor es zu wild wird. Die einzige Regel für einen Kampf lautet: Keine schweren Verletzungen. Ansonsten tob dich ruhig aus.“ Dann trat er zurück und ließ die Wölfin aufstehen. „Es gibt aber noch ein paar Dinge, die du wissen musst, dazu später. Das Wichtigstes ist, uns darf keiner sehen, der nicht Bescheid weiß. Aber genug davon. Lass mal sehen wie schnell du bist.“ Spielerisch biss er ihr leicht ins Vorderbein, sprang dann um sie herum und reizte sie weiter. Schnell erlag Leah ihrer Wut und jagte Jake hinterher durch den Wald. Quil und Embry folgten und achteten darauf, dass sie nicht die Richtung wechselte. Auf halben Weg zur Wolfshöhle, wie sie Sams Haus auch nannten, erklang Sams ernste Stimme: „Leah, dein Vater ist gerade zusammengebrochen. Wir werden ihn ins Krankenhaus bringen.“ „Dad“, schrie die Wölfin und machte augenblicklich kehrt. „Leah bleib stehen“, knurrte Jake, während die drei Jungs sie bereits einkesselten und ihr den Weg abschnitten. „Weg mit euch, lasst mich durch, ich muss zu meiner Familie“, keifte sie und biss nach den Vorderbeinen der anderen. „Hör auf!“, befahl der Alpha und Leah blieb zitternd stehen. Zum ersten Mal spürte sie Macht des Leitwolfes und das gefiel ihr gar nicht. „Wie Jake schon sagte bist du momentan eine Gefahr für dich und alle in deiner Umgebung. Im Rudel bist du gut aufgehoben. Ich befehle dir bei Jake zu bleiben. Jake du übernimmst. Ich halte euch auf dem Laufenden.“ Vor lauter Verzweiflung begann Leah laut zu jaulen. Sie konnte sich Sam nicht widersetzen. Sie wollte nicht hier sein, sie wollte zu ihrem Dad. Jake konnte sie verstehen, aber es ging nicht anders. Er wusste aus eigener Erfahrung wie widerspenstig ein neuer Wolf sein konnte und rief das gesamte Rudel zu sich, nur um sicher zu gehen. Sie durfte ihnen nicht entkommen. Insgeheim hatte er gehofft, in ihr jemanden zum Reden gefunden zu haben, aber nachdem was er nun tun musste, würde sie ihn bestimmt hassen. Vollkommen außer sich biss und kratzte Leah wild um sich. Das Rudel umstellte sie und Jake warf sich auf sie. Nach einem kurzen Gerangel, bei dem er einige weitere Wunden kassierte, zwang er sie nieder. Dann biss er ihr ins Ohr und machte ihr seine Überlegenheit deutlich. Er konnte ihr Blut schmecken, aber es ging einfach nicht anders. Sie musste sich ihm fügen. Dafür musste er sie unterwerfen. Der Biss würde schnell heilen und keine Narben hinterlassen. Aber es war eine beschämende und brutale Art zu dominieren, dass wusste Jake. Leah winselte und präsentierte ihren ungeschützten Hals. Darauf hatte Jake gewartet, ließ ihr Ohr los und biss ihr in die freiliegende Kehle. Diesmal sehr behutsam. Ein richtiger Biss wäre tödlich gewesen. Die Wölfin zappelte noch einige Augenblicke, dann ergab sie sich und ihr Körper erschlaffte. Schnell zog sich Jake zurück und beteuerte: „Lass gut sein. Du kannst jetzt nichts mehr ändern. Komm einfach mit.“ Mit eingezogenem Schwanz stand Leah auf, duckte sich und stupste Jakes Kopf von unten her an. Zufrieden ließ er sie kurz gewähren und ging ihr voran auf ihren Unterschlupf zu. Der Rest des Rudels deckte sie von Hinten und den Seiten. Leah schien gebrochen und gab sich ihrer Trauer hin. Die Wölfe entspannten sich etwas, blieben aber wachsam. Dann urplötzlich brach sie aus der Formation aus und stürzte sich zähnefletschend auf Paul. Dieser ließ sich das nicht gefallen und unterwarf sie ebenfalls, aber wesentlich zärtlicher. Jake sah zu und fragte sich, ob er Rücksicht nahm, weil sie eine Frau war. Bei ihm war der andere damals jedenfalls nicht so vorsichtig gewesen. Nach diesem Kampf gab es noch drei weitere mit je einem anderen Wolf, bis sie endlich kleinbeigab und sich eskortieren ließ. Kurze Zeit später hatten sie Sams Bude erreicht und wurden dort von Emily begrüßt, welche in der Tür stand und von Jared bereits im Vorfeld informiert war. Als Leah ihre Cousine sah, wollte sie sich auf sie stürzen, aber Jake warf sich dazwischen und sie kämpften abermals, mit demselben Ausgang. Die Situation war alles andere als perfekt. Noch nie hatte das Rudel so viele Probleme mit einem Neuling gehabt. Aber es war auch eine perfide und komplizierte Situation. Leah wusste noch nichts von der Prägung und hasste Emily, welche, ihrer Meinung nach, ihr Sam ausgespannt hatte. Nach einer Weile ging Emily ins Haus und begann für die Bande zu kochen. Auch für sie war es nicht einfach. Das konnte man ihr ansehen. Leah hingegen weigerte sich vehement auf Jake zu hören und ihre menschliche Gestalt anzunehmen. Sie saß hinter dem Haus umringt vom Rudel und schmollte vor sich hin. Jake stöhnte auf und ließ sie kurz in der Obhut der anderen. Schnell verwandelte er sich und ging einfach nackt ins Haus. Emily sah nicht mal auf, sie war es längst gewohnt, dass die Jungs ab und an hier so rumliefen. Sie hatte schon ganze Säcke voll mit Kleidungsfetzen aufgesammelt. Und das bei normalen Umständen. Wann immer es einen Neuzugang gab stieg der Kleidungsverbrauch exponentiell an. Daher war es ihr so lieber. Es machte weniger Arbeit. „Hi“, grüßte Jake und lehnte sich ungeniert an den Tresen. Ein Kopfnicken war die Antwort. „Sag mal hast du vielleicht etwas, was deiner liebreizenden Cousine passen würde? Ich glaube nicht, dass sie sich verwandelt, wenn sie dann nackt rumlaufen muss. Nicht, solange die Jungs dann gaffen.“ Scharf wurde er gemustert, wobei sie spitz erwiderte: „Bei dir besteht wohl nicht die Gefahr, was? Aber egal. Ich will nicht streiten, du hast es schwer genug.“ Emily seufzte und wurde versöhnlicher: „Ja, ich habe was zum Anziehen für sie. Auch, wenn ich das Kleid wohl nie wieder zurückbekommen werde. Einer von euch soll bei ihr Sachen holen oder wir stecken sie in eure Lumpen. Ich für meinen Teil möchte meine Garderobe behalten.“ Trotz ihrer Worte ging sie in das Schlafzimmer und kam mit einem leicht verwaschenen lila Kleid zurück. Zusätzlich drückte sie Jake einen Slip und einen BH in die Hände und mustere ihn dabei. Mit einem Lächeln nahm Emily seinen beschämten Blick war und sah zu, wie der ach so mächtige Beta knallrot anlief. Schnell zog er den Stoff des Kleides über die anderen Dinge und drehte sich weg. Das war ja mega peinlich. Er wusste gar nicht, dass Emily so heimtückisch sein konnte. Sie wusste doch das er noch Jungfrau war und noch nie eine Frau in Unterwäsche und schon gar nicht nackt gesehen hatte. Traurig dachte er daran, dass das eigentlich eine Reaktion bei ihm auslösen hätte sollen, aber da unten regte sich nichts mehr seit seiner Prägung. Nur die Träume von Isaak zeigen eine Wirkung. Und das leugnete er verbissen. Niemals würde er das zugeben oder darüber sprechen. „Danke“, nuschelte er trübsinnig und wurde sich abermals bewusst wie abartig er nun war. Seit Leahs Verwandlung hatte er nicht mehr an seine Sorgen gedacht, nun brach das brüchige Kartenhaus ein. Mit aller Gewalt drängte er seine Gedanken ins hier und jetzt, es gab noch einiges zu tun. In der Verbindung konnte Jake genau spüren, dass Paul sich anstrengte nicht zu toben und ihn zu beleidigen, wie er es sonst immer tat. Also nahm sich der Beta schnell zusammen und kehrte zum Rudel zurück. Ohne eine Spur von Scham ging er auf Leah zu. Diese war die ganze Zeit am zetern und er glaubte kaum, dass sie seine Gedanken in der Verbindung mitbekommen hatte. Erst als er direkt vor ihr stand, und in die Knie ging, sah sie auf. Sie begutachtete einen Augenblick lang die mitgebrachte Kleidung, dann ließ sie ihren Blick wandern und drehte schnell den Kopf weg, als sie seinen Körper erfasste. Wütend knurrte sie in Gedanken: „Zieh dir was über du Spinner.“ „Daran wirst du dich eh gewöhnen müssen, aber gut für jetzt mache ich mal ne Ausnahme“, sagte Jake, legte seine Mitbringsel auf einen umgedrehten Eimer und zog los sich zu bedecken. Keine zwei Minuten später hatte er sich auch schon eine Hose und ein T-Shirt übergezogen und kehrte zu den Wölfen zurück. Er ließ sich neben ihr nieder und verscheuchte die Jungs. „Und wehe einer spannt. Das dürft ihr dann mit Sam ausbaden“, rief er der Bande nach. Entsetzt drehte sie ihren Wolfkopf zu ihm und fragte: „Du glaubst nicht wirklich, dass ich mich vor dir verwandele, oder?“ Während sie in Gedanken sprach nutzte Jake seine Stimme: „Du weißt genau, dass ich dich nicht allein lassen werde.“ Traurig sprach er weiter: „Du brauchst dir keine Sorgen wegen mir zu machen. Ich habe kein Interesse an dir. Da kannst du beruhigt sein.“ Er wurde immer leiser und den letzten Satz flüsterte er. „Es gibt nur eine Person die mich interessiert.“ „Wie meinst du das?“, fragte Leah skeptisch. Auf einmal fand Jake einen Grashalm äußerst interessant und drehte diesen energisch zwischen den Fingern. „Jake.“ Keine Antwort. „Erde an Jake, aufwachen.“ Immer noch keine Reaktion. Da wurde es ihr zu bunt und sie schnappte nach dem Grashalm. Nur dank seiner guten Reflexe konnte Jake seine Finger noch in Sicherheit bringen bevor das Wolfsmaul sich genau dort schloss, wo seine Hände zuvor waren. „Hey, spinnst du?“, fragte er bissig und sah wütend auf. „Erkläre es mir, du Schafskopf. Warum gibt es nur eine noch Person für dich?“, schnaubte Leah und zermahlte den Grashalm. „Ich wurde auf eine Person geprägt. Einfach ausgedrückt. Es gibt nur noch diese Person für mich. Völlig egal wie aufreizend du dich vor mir räkeln würdest, oder was auch immer du tust, es gäbe keine Reaktion von mir. Das ist auch so ein Wolfsding“, erklärte er und sackte in sich zusammen. „Wir haben keinerlei Kontrolle, wann es passiert und auf welche Person man sich prägt. Es ist wirklich keine Liebe auf den ersten Blick. Es ist mehr wie… die Schwerkraft bewegt sich plötzlich. Es ist nicht mehr die Erde, die dich hier festhält, sie tut es ... Du wirst zu dem, was sie braucht, egal ob es sich um einen Beschützer, einen Liebhaber oder einen Freund handelt.“ „Und bei dir ist das ein Mann, dieser Isaak“, fragte sie scharf nach. Erschreckt wurde Jake bleich. Leah hatte doch etwas mitbekommen. Er schluckte hart, wandte den Blick ab und nickte. „Das ist aber nicht normal bei euch…, ähm…, uns oder?“, bohrte sie angewidert nach. Jake konnte nicht reden und schüttelte nur den Kopf. Dann fügte er leise hinzu, während er die Arme um die Beine schlang: „Ich habe es mir nicht ausgesucht und nicht darum gebeten. Aber du wirst es eh mitbekommen. Du kannst meine Gedanken lesen. Ich bin da wohl ein Sonderfall, genauso wie du. Noch nie hat sich ein Wolf auf einen Mann geprägt und noch nie gab es eine Wölfin.“ Erleichtert atmete Leah aus und begann sich zu verwandeln. Nur am Rande behielt Jake sie im Auge und war in sich gekehrt. Nachdem sie sich angezogen hatte ließ sie sich neben ihm auf den Boden sinken und sagte: „Puh, und ich dachte schon alle Wölfe wären schwul und ich müsste zur Lesbe werden.“ Plötzlich fauchte Paul, welcher sich nicht mehr zügeln konnte: „Nein, wir sind keine verdammten Homos. Nur Jake ist so abartig und gestört sich an einen Kerl zu binden. Wirf uns nicht in einen Topf mit diesem Schwanzlutscher.“ Jake war das mittlerweile gewohnt und verschloss sich vor den Anderen. Er wollte nicht streiten, hatte Paul doch irgendwie Recht. „Halt die Fresse, du Stinktier!“, keifte auf einmal Leah und sprang auf die Füße. „Wo bist du, du hässlicher Bettvorleger? Dich würde ohnehin nicht mal einer mit der Kneifzange anfassen. Egal ob Mann oder Frau.“ Jake war sprachlos, Leah nahm ihn in Schutz und ging auf Paul los. Vielleicht hatte er doch Glück und jemanden zum Reden gefunden. „Genug!“, befahl Sam und hielt Paul von einer Antwort ab. „Da haste nochmal Glück gehabt, zieh den Schwanz ein und versteck dich hinter Sam. Wer ist jetzt der Schwanzlutscher, na?“ „Leah! Das gilt auch für dich“, knurrte Sam und zwang auch sie Ruhe zu geben. Sie kämpfte gegen die Macht des Alphas. Still stand sie da und begann zu zittern. Dann sackte Leah zusammen und ließ sich wieder neben Jake nieder. „Wird das immer so sein?“, fragte sie laut. „Sam ist unser Alpha und er hat die Macht uns seinem Willen zu unterwerfen“, bestätigte Jake ihre Befürchtungen. Panik stieg in ihr auf und sie dachte daran, was er ihr alles befehlen könnte. Ein Bild tauchte vor ihrem inneren Augen auf. Sie zusammen mit Emily und Sam im Bett. Er als Pascha zwischen ihnen liegend. Ihren Gedanken zu lauschen ließ Jake schmunzeln. Erst war ihr Blick fragend dann verstand sie, dass alle ihre Überlegungen mitverfolgten. Sie wurde knallrot und Jake besänftigte: „Also zum einen erstreckt sich die Macht des Alphas nur auf das Rudel. Emily ist nicht Teil des Rudels. Sie würde ihm den Arsch aufreißen.“ Bei der Erwähnung von diesem Namen verengte sich ihre Pupillen und Jake gab den anderen ein Zeichen, indem er eine Hand um die Ecke streckte und winkte. „Zweitens, rein theoretisch könnte Sam zwar alles befehlen, aber wenn er es übertreibt, würden wir ihm das nicht verzeihen. Auch ein Alpha kann sich nicht gegen das ganze Rudel auf einmal zur Wehr setzen. Nicht bei unserer aktuellen Größe. Drittens, mischt sich Sam nur dann ein, wenn Gefahr droht oder um den Frieden im Rudel zu wahren. Viertens…“ Jake hielt inne und sah sie von der Seite heraus an. Sie starrte zurück und knurrte: „Viertens?“ „Versprichst du mir ruhig zu bleiben?“, stellte Jake die Gegenfrage. Auf das was nun folgen würde hatten alle gewartet. Jake wusste, dass die andern immer noch in Wolfsgestalt waren und sich nun, von Leah unbemerkt, im Kreis um sie verteilten. Zaghaft nickte die Wölfin und machte sich innerlich bereit etwas Schlimmes zu hören. Jake wartet noch einen Augenblick bis alle ihre Plätze eingenommen hatten, dann erhob er wieder die Stimme: „Viertens, Sam ist auf Emily geprägt.“ Einen Moment herrschte Stille, dann begann Leah vor unbändiger Wut zu zittern und verwandelte sich. Stoff riss und das dritte Kleid des Tages fand ein jähes Ende. Schnell mahnte Jake: „Beruhig dich! Wenn du mich zwingst meine letzte Hose zu schreddern, beschwer dich nicht, wenn ich hier nackt rumlaufe.“ Sie richtete ihre Augen auf ihn und bleckte die Zähne, aber sie griff nicht an. Dann sah sie auf die Stofffetzen rund um sich und begriff so langsam, warum die Jungs immer halbnackt herumrannten. Wenn sie in dem Tempo weitermachte, würde sie spätestens nach einer Woche auch nichts mehr zum Anziehen haben. Mit einem unscheinbaren Kopfnicken gab er Entwarnung und das Rudel verstreute sich wieder. Alles weitere würden sie ihm überlassen. Die wichtigsten Aufreger waren fürs Erste geklärt. „So, du hast die Wahl, Leah“, redete Jake weiter als wäre nichts von Bedeutung geschehen. „Entweder ich gehe ins Haus und bettle bei Emily nach noch einem Kleid, welches wohl das gleiche Schicksal erleiden wird als das Letzte.“ Sie schüttelte den Kopf und knurrte erbost auf. „Oder ich schicke einen der Jungs zu dir.“ „Niemals, wehe einer von euch wühlt in meinen Sachen rum“, drohte sie aufgebracht. „Dann bleiben nur noch eine Decke oder nackt rumlaufen“, seufzte Jake und griff nach einem alten Stofffetzen, welche neben ihm in einer Nische lag. Diese Bedeckung hatte dem Rudel schon gute Dienste geleistet. Die meisten sträuben sich am Anfang ohne Kleidung rumzulaufen, aber es gab einfach keine andere Lösung solange die Neulinge sich nicht beherrschen konnten, waren Klamotten einfach sinnlos. Selbst danach verbrauchten sie immer noch eine enorme Menge davon. Wenn sie unter sich waren verzichteten sie daher der Einfachheit halber darauf. Das würde sich jetzt vielleicht ändern. Bisher hatten sie keine Frau im Rudel. „Ich würde dir zur Decke raten. Wenn du merkst, dass deine Wut mit dir durchgeht, wirf sie einfach von dir. Dann kannst du sie öfters benutzen.“ Er hielt sie ihr hin und sie ergab sich ihrem Schicksal. In wenigen Momenten nahm sie ihre Menschengestalt an und warf sich schnell die Decke um. Dennoch sah sie, dass Jake sie musterte. Aber sein Blick war recht desinteressiert. Dann runzelte er die Stirn, griff nach der Decke, zog sie ein wenig weg und besah sich ihre Bauchmuskeln. Empört über diese Unverschämtheit verpasste sie ihm eine schallende Ohrfeige. Doch obwohl seine Wange glühte, bemerkte Jake das offenbar gar nicht. Dann hörte sie seine Gedanken und hielt inne, da sie bereits erneut ausholte. „Seltsam, ihre Muskulatur ist nicht so stark ausgeprägt wie bei uns.“ Er stupste gegen ihren Bauch. „Aber dennoch hart wie Stahl. Gut, das hätte sonst für Probleme gesorgt. Passt irgendwie zu ihr. Sie sieht damit besser aus. Wäre auch hässlich gewesen, wenn sie unsere Muskulatur übernommen hätte. Bein- und Armmuskeln sind gut trainiert. Sie wird keine Probleme mit dem Laufen als Wolf haben. Ich denke, ihre filigranere Statur wird ihr einen Vorteil in Geschwindigkeit und Wendigkeit bieten. Mit unserer Kraft wird sie aber nicht mithalten können…“ Leah war sich nicht sicher, ob sie rot werden sollte, wegen den Komplimenten oder ihm das Gesicht zerkratzen, weil er sie so offensichtlich anglotzte. Dann fielen ihr seine Worte ein. Er war geprägt und kein einziger seiner Gedanken ging in die falsche Richtung. Er war anscheinend einfach nur neugierig und prüfte ihren Körper auf Kampftauglichkeit. „Aber über ihre Frisur muss ich mit ihr reden. Als Wolf sah sie sehr struppig aus, viel zu lange Haare, dass könnte sie beim Kämpfen behindern. Tja aus demselben Grund musste ich auch meine Mähne loswerden.“ „Das erklärt deinen plötzlichen Sinneswandel vor knapp einem Jahr“, warf sie ein und er hob tief in Gedanken den Kopf um ihr in die Augen zu sehen. Zuckersüß fragte Leah: „Fertig?“ Unbedacht nickte er einfach. Jakes Wolfinstinkte warnten ihn noch, da bekam er schon eine weitere Ohrfeige und diesmal spürte er diese auch. Sie hatte alle ihr zur Verfügung stehende Kraft benutzt und sein Kopf ruckte herum, wobei seine Wange aufplatzte und Blut spritzte. Wäre er ein normaler Mensch gewesenen, hätte sie ihm wohl das Genick gebrochen. Aber so krümmte er sich nur kurz vor Schmerz und hielt sich die Wange. „Tschuldige, kommt nicht mehr vor“, brabbelte Jake kleinlaut und betastete den Schaden. „Oh Gott“, rief sie bestürzt als sie sah, was sie ihm angetan hatte. Jake zuckte mit den Schultern und erklärte: „Ach, schon gut. Einer der Vorteile ein Wolf zu sein sind unsere guten Selbstheilungskräfte. Deine Bisse und Kratzer sind auch schon fast wieder verheilt.“ Zur Bestätigung zeigte er ihr seine lädierten Arme und deutete auf eine Bisswunde an seinem Bein, welche aussah, als wäre sie vor Wochen entstanden. „Du solltest aber deine Kraft zügeln. Du bist nun stärker als ein normaler Mensch.“ „Geschieht der Schwuchtel ganz recht“, lachte Paul. Er war um die Ecke getreten und sah sich die Szene mit eigenen Augen an. „Was ist eigentlich dein Problem?“, fuhr Leah ihn an. „Der da…“, Paul deutete auf Jake: „… ist eine Schwuchtel.“ Damit war für ihn die Sache eindeutig klargestellt. „Na und? Jedem das seine. Wo leben wir denn, im Mittelalter? Geh und such dir ne Höhle, du Neandertaler. Oder in deiner Sprache: Uga, Uga, Höhle gut, Uga.“ Sprachlos starrte Paul sie an und fragte entsetzt: „Du nimmt den Homo in Schutz? Der ist abartig. Das ist wider der Natur.“ „Deine Hirnmasse und dein Geruch sind abartig und wider der Natur. Uga, Uga Wasser Freund, Uga.“ Paul konnte nur den Kopf schütteln, so hatte noch keiner mit ihm gesprochen. Dann wurde er zornig und Jake mischte sich ein: „Paul verpiss dich jetzt. Wenn du dich verwandelst werde ich dich unterwerfen. Ich warne dich. Oder willst du von der bösen Schwuchtel niedergemacht werden.“ Der andere trollte sich und Leah fragte: „Ist der immer so drauf?“ „Seit meiner Prägung ja. Ich meine er war schon immer ein Arschloch, aber jetzt hat er mich auf dem Kieker“, offenbarte Jake. Auf einmal hörten sie Sams Stimme: „Macht euch bereit.“ Ohne mit der Wimper zu zucken sprang Jake mit einem Satz auf, entledigte sich rasch seiner Hose und wurde zum Wolf. Leah konnte die Emotionen der anderen noch nicht auseinanderhalten, es war alles zu neu für sie. Aber Jake wusste genau was Sam zu sagen hatte und was gleich los sein würde. Auch die anderen sprangen hastig aus dem Haus und entledigten sich ihrer Wäsche. Leah erbleichte und fragte panisch: „Wie geht es meinem Vater? Sam nun rede endlich.“ „Leah es tut mir leid…“, mehr hörte sie nicht. Die Stimmlage war eindeutig und sie verlor nun vollends die Kontrolle. Ein Unglück kommt selten allein. Im Nachhinein dachte Jake, er hätte es wissen müssen. Während er und die anderen alle Pfoten und Mäuler voll zu tun hatten Leah zu bändigen, tickte auch ihr Bruder Seth aus. Noch am Sterbebett verwandelte dieser sich und Sam hatte Mühe, den Teenie in einem so beengten Raum unter Kontrolle zu bekommen. Der dadurch entstandene Lärm rief das Krankenhauspersonal auf den Plan und sie konnten sich nur ungesehen retten, indem sie als Wölfe im 3.OG aus dem Fenster sprangen. Sam, welcher nur Augen für Seth hatte und darauf achtete, dass dieser sich nicht verletzte, kam ungünstig auf und brach sich ein Bein auf dem Asphalt. Jake blieb keine andere Wahl, er behielt Jared und Paul, die Stärksten nach ihm, bei sich und schickte Quil und Embry los um Sam und Seth einzusammeln und diese sicher hierher zu bringen. Nach diesem Tag war mit Leah nicht mehr zu reden. Sie zeterte nur noch und gab den Wölfen die Schuld für den Tod ihres Vaters. Vor allem auf Jake und Sam hatte sie sich eingeschossen. Sie wurde allmählich zur Furie und alle gingen ihr möglichst aus dem Weg. Sam hingegen fiel für eine Woche aus. Auch wenn die Wölfe schneller heilten, zaubern konnten sie nicht. Bei einem komplizierten Beinbruch dauerte es eben ein wenig, bis er vollständig genesen war. Zudem war da dann auch noch Seth, welcher sich hinter seiner großen Schwester versteckte und die Jungs misstrauisch und ängstlich beäugte. Er war zu jung, zu unerfahren und sein Körper hatte keine Zeit gehabt sich auf die Verwandlung vorzubereiten. Das Rudel wurde auf eine harte Probe gestellt und die Nerven aller lagen blank. Da die anderen sich nicht an Leah oder Seth abreagieren durften, weil Sam diese unter Welpenschutz gestellt hatte, bis sie sich wehren konnten, ließen alle ihren Unmut an Jake aus. Selbst Embry konnte sich nicht immer beherrschen und ging ihn an. Alles in allem war es nun noch schlimmer als zuvor. Er war wieder allein mit seinen Ängsten und hatte niemanden zum Reden. Außerdem musste er als Prügelknabe herhalten und das zehrte noch mehr an seinen fast erschöpften Reserven. Weit entfernt sah Isaak auf und dachte über die Situation nach. Er war einen Berg hochgeklettert und hatte sich auf dessen Spitze auf dem Gipfelkreuz niedergelassen. Dort saß er nun und schaute in die Richtung des jungen Wolfes. Er spürte dessen Unruhe und Verzweiflung durch die Verbindung. Insgeheim hatte er gehofft, dass es besser werden würde, aber das tat es nicht. Nachdem er das Revier der Wölfe verlassen hatte, probierte er verschiedene Entfernungen aus, darauf bedacht, Jake keine Schmerzen zuzufügen. Schnell verstand er, dass sein Versuch die Prägung abzublocken in gewisser Weise erfolgreich war. Jake war zwar auf ihn geprägt, verhielt sich nicht so, wie er sollte und auch die Distanz zwischen ihnen machte dem Wolf weitaus weniger aus, als allen Geprägten vor ihm. Immerhin hatte Jake so die Wahl die Prägung anzunehmen oder sich ihr zu widersetzen. Auch wenn er den Kampf wohl am Ende verlieren würde. Denn die Verbindung wurde mit der Zeit stärker, dass konnte Isaak nun eindeutig feststellen. Er seufzte tief und begann zu sprechen: „So ein Schlamassel. Wenn ich nur wüsste, wie ich ihm helfen könnte.“ Traurig schüttelte er den Kopf: „Aber so kann das nicht weitergehen. Ich muss etwas unternehmen. Egal was es mich kostet, ich muss ihm einfach helfen.“ Miesepetrig dreinsehend sprang er vom Kreuz und gleich auch noch die etwa eineinhalb Kilometer hohe steile Bergflanke hinunter. Er hatte sich einen Plan zurechtgelegt und den würde er nun umsetzen. Dafür benötigte er aber die Hilfe eines Anderen. Denn er würde sich Jake nicht mehr nähern, dass hatte er ihm versprochen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)