Der Wächter von Drachenlords ================================================================================ Kapitel 66: Bedingungen ----------------------- Billys Blick begann mit Verärgerung, wechselte zu Verwunderung wie der Wächter ihn so gut kennen konnte, dann zu Wut. Am Ende lief er rot an und warf den Brief erzürnt von sich. Er machte seinen Ärger Luft und schrie: „Meinen Segen wird er niemals bekommen. NIEMALS.“ Rachel hob den Brief auf und schüttelte den Kopf. „Dad, was ist nur aus dir geworden. Ich erkenne dich gar nicht mehr. Bist du wirklich so von Hass zerfressen? Verstehst du nicht, was dieser Brief bedeutet? Kannst du nicht mehr zwischen den Zeilen lesen?“ „Ich werde diese Verbindung nicht tolerieren und ich lasse mich nicht kaufen“, tobte ihr Vater und redete sich langsam in Range. „Apropos Geschenke“, begann Kamden und runzelte die Stirn. „Was ist in den Paketen?“ Jake zuckte mit den Schultern und fragte schnell nach. Dann schüttelte er den Kopf und offenbarte: „Nur Kleidung und Essen. Isaak wollte nicht den Eindruck erwecken, dass er sich die Gunst der Leute kaufen will. Seine Intention ist recht simpel: Durch sein Zutun hatte das Rudel Kleidung eingebüßt, diese wollte er einfach ersetzen. Das Essen ist als gut gemeinte Geste zu verstehen. Er wollte Emily ein wenig entlasten und ihr eine Freude bereiten. Das ist alles. Mehr steckt nicht dahinter.“ Er sah zu seinem schimpfenden Vater hinab: „Die Pakete gehen an Sam. Isaak will sie nicht zurück. Für ihn war es lediglich ein Dankeschön und Friedensgeschenk. Nicht mein Problem, wenn du das nicht verstehst, Dad.“ Mental setzte er sich mit dem Wächter in Verbindung: „Schatz, könntest du uns einen Rollstuhl besorgen? Kamden hat…“ „Ich habe alles mitbekommen“, unterbrach ihn der Rotblonde. „Hm, statt einen Rollstuhl zu besorgen würde ich gerne etwas anderes vorschlagen. Ich kann deinen Vater auch einfach heilen, dann braucht er so ein Ding nicht mehr.“ „Ernsthaft? Nach allem, was er getan hat, bietest du ihm an, ihn zu heilen? Was bist du, ein Heiliger?“, fragte Jake, wobei er vor lauter Verwunderung laut gesprochen hatte. „Nein, ich bin kein Heiliger, aber er ist dein Vater und dir wichtig“, erklärte Isaak mit seiner Stimme und so laut das ihn jeder im Haus hören konnte. Alle starrten zwischen der Haustür und Jake hin und her. Der Alpha schnaubte und schüttelte den Kopf. Sein Freund würde ihm noch mal einen Hirnschlag verpassen, mit solchen Aktionen. Er sah zu dem Ältesten hinab und sagte: „Isaak kann dir einen neuen Rollstuhl besorgen oder dich heilen. Damit wir uns recht verstehen, Dad. Dieser Vorschlag kommt nicht von mir und ich bin auch dagegen. Nach allem, was du getan hast, verdienst du die Gunst meines Freundes nicht. Aber er hat dieses Angebot ausgesprochen. Also leite ich es weiter. Wähle.“ Billy war sprachlos und entsetzt. Er öffnete den Mund, bekam aber kein einziges Wort heraus. „Ach, bevor du dich entscheidest sollten wir über die Bedingungen reden. Isaak komm rein und erkläre es ihm“, bestimmte Jake und ließ sich etwas abseits auf dem Boden nieder. „Sicher, dass ich das Haus betreten darf?“, frage der Wächter unsicher nach. „Ja, das ist immer noch auch mein Haus, bis mein Dad mich offiziell rauswirft“, meinte Jake und lehnte sich gegen die Wand. Langsam und vorsichtig kam der Wächter in den Raum und blieb in der Tür stehen. Weiter wagte er sich nicht vor. Billy machte den Hals lang und spähte über die Sofalehne wütend zu dem Eindringling. Dann schimpfte er: „Was kommt jetzt? Willst du meine Gunst mit meiner Heilung erkaufen? Du hast mir meinen Sohn gestohlen, was willst du noch? Meinen Stolz?“ er deutete auf den demolierten Rollstuhl. „Da kommst zu spät, du Monster.“ „Ich will nichts von Ihnen als Gegenleistung. Es geht um die Bedingungen, welche meine Magie unterliegt. Eine dauerhafte Verletzung wie die Ihre erfordert einen Tribut“, stellte der Rotblonde sachlich dar. „Warum so höflich auf einmal? Bisher hast du mich auch einfach geduzt“, knurrte Billy und blinzelte verwirrt. Isaak runzelte die Stirn und erklärte: „Liegt das nicht auf der Hand? Bei unserem ersten Treffen, hatte ich mich auf Ihren Sohn geprägt und sah keine Möglichkeit mein Schicksal zu ändern. Da es nicht meine freie Entscheidung war, dass es so verlief, habe ich es nicht für Nötig erachtet Sie zu siezen. Bei unserem zweiten Treffen hatte Jake bestimmt, dass wir nur Freunde sein sollen. Da sah ich auch keinen Grund für diese Höflichkeit. Ich duzte eigentlich jeden. Nur wenigen, die es auch verdient haben, gewähre ich die Gunst sie zu siezen. Als Jake und ich uns in New York näherkamen und sich eine echte Beziehung anbahnte änderte das alles für mich. Damit wurden Sie zum Vater meines Freundes und da ist es nur angemessen Sie zu siezen. Daher habe ich auch um Ihre Gunst gebeten. Ich hatte mich entschieden: Mich auf diese Beziehung einzulassen.“ Das verschlug dem alten Mann erneut die Sprache. „Um die Bedingungen zu bestimmen, müsste ich Sie untersuchen“, meinte Isaak vorsichtig und schlug den Blick nieder. Billys Augen zuckte. Bevor er aber etwas erwidern konnte, meckerte Jake in seiner Ecke: „Jetzt frag nicht lange und mach einfach. Ich habe heute noch was anderes vor als zu warten bis mein Dad über seinen Schatten springt.“ Isaak sah auf und musterte den Ältesten. Dann kam er langsam näher. Er umrundete das Sofa und Billy hob abwehrend die Hände. „Fass mich ja nicht an.“ „Das hatte ich nicht vor“, murmelte der Wächter und hob eine Hand. Etwa einen halben Meter von dem Mann entfernt fuhr er dessen Konturen nach und untersuchte ihn mit seiner Magie. Vom Kopf bis zu den Füßen prüfte er den Gesundheitszustand genauestens. Als er fertig war, stand er auf und dachte kurz nach. Sein Gesichtsausdruck war eine eiserne Maske und ließ keine Emotionen durchsickern. Dann eröffnete er: „Hm, das wird nicht so einfach wie ich dachte.“ Isaak sah zu seinem Freund. „Ich dachte, dein Vater hat nur Diabetes.“ „Was heißt denn hier nur?“, fragte Jake alarmiert nach. Der Wächter sah wieder zu seinem Patienten und offenbarte: „Nun ja, der Diabetes ist wohl das kleinste Problem. Ich habe so einige Dinge festgestellt. Gelenkverschleiß, Knorpelschäden und die zwei Bandescheiben-Prolaps zum Beispiel, aber auch diese sind kein größeres Problem. Sowas passiert vielen im fortgeschrittenen Alter.“ „Was ist es dann?“, fragte Rachel mit einer hohen schrillen Stimme. „Ich bin kein Arzt und weder an die Schweigepflicht noch an den hypokritischen Eid gebunden. Dennoch ist das etwas, was ich nicht einfach so sagen werden“, sagte der Wächter zu Billy. „Ich würde vorschlagen das unter vier Augen zu besprechen.“ Der Alte schnaube angewidert und meckerte: „Mit dir werde ich nicht allein in einem Raum sein. Nun spuck´s schon aus. Was ist los?“ „Sie haben Bauchspeichelkrebs im fortgeschrittenen Zustand“, offenbarte Isaak langsam. „Der Krebs hat bereits Metastasen gebildet. Sie haben die Schmerzen wohl nicht bemerkt, weil Sie durch die Bandscheibenvorfälle bereits Rückenschmerzen haben. Zudem werden Aufgrund der Durchblutungsstörungen der Diabetes die Symptome verschleiert. Wobei der Diabetes selbst ein Symptom des Bauchspeichelkrebses ist. Ihr Zustand ist äußerst besorgniserregend. Wenn Sie sofort zu einem Arzt gehen, kann Ihr Leben mittels herkömmlicher Medizin um einige Jahre verlängert werden. Ohne Behandlung gebe ich Ihnen höchstens noch drei Monate.“ Alle Anwesenden waren geschockt und Billy erbleichte. Rachel sprang vor, ging vor ihrem Vater auf die Knie und flehte zu Isaak: „Bitte, du musst ihn Heilen. Ich flehe dich an.“ Sie nahm die Hände des Alten in die ihren und schluchzte laut. Kamden hielt sich, wie Paul, im Hintergrund. Er mahlte mit den Zähnen und schien nicht glücklich mit der ganzen Situation. Aber er hatte keinen wirklichen Bezug zu seinem Erzeuger, denn mehr als das war Billy auch nicht für ihn, sein Erzeuger. Zudem hatte der Alte sich ihm gegenüber nicht gerade herzlich verhalten. Dennoch traf es auch ihn, dass sein Dad so schwer krank war. Offenbar hatte er doch noch nicht alle Bindungen und Hoffnungen zu dem Mann gekappt und begraben. Jake sprang auf. „Kannst du das heilen?“, fragte er seinen Freund schnell. „Ja und Nein. Mein Magievorrat ist aktuell zu niedrig. Die Bedingungen für eine sofortige Heilung währen gravierend.“ „Was wären die Bedingungen?“, fragte Billy kleinlaut und tätschelte geistesabwesend seiner Tochter den Kopf. „Hm, bei der Behandlung würden äußerst starke Schmerzen auftreten. Zudem wird es Spätfolgen geben. Sie würden impotent werden und zudem müsste ich Ihr Wolfsgen deaktivieren. Damit nehme ich Ihnen die Möglichkeit sich zu verwandeln.“ „Das ist alles?“, fragte Billy und sah verständnislos aus. „Ich bin eh schon impotent und viel zu alt für die Verwandlung.“ „Nein und nein“, meinte Isaak langsam. „Sie sind körperlich nicht in der Lage weitere Kinder zu zeugen, aber ihr Sperma ist in Ordnung. Man könnte es extrahieren. Was die Verwandlung anbelangt, so ist diese nicht unbedingt vom Alter abhängig. Um genau zu sein, befinden Sie sich mitten in der Verwandlung. Das Wolfsgen ist erwacht, als Sie das erste Mal auf die Cullens getroffen sind. Aber aufgrund des Bauchspeichelkrebs wird alle Energie für die Heilung benötigt. Ohne den Tumor hätten Sie sich vor Jahren verwandelt. Ohne die Heilungskräfte der Wölfe wären sie allerdings auch schon vor Jahren gestorben.“ Der Wächter ließ den Kopf hängen. „An Ihrem aktuellen Zustand trage ich die Verantwortung. Der durch mich entstandene Stress belastet Ihren Körper zusätzlich. Hinzu kommt noch, dass ich die Kraft der Wölfe kurzzeitig angezapft hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt war es ein Unentschieden. Die Ausbreitung der Krebszellen und die von der Wolfsheilung zerstörten Zellen waren gleichauf. Jedoch nun haben die Tumore die Oberhand gewonnen. Ohne meine Einmischung in das Schicksal Ihres Sohnes, wäre Ihr Zustand stabil geblieben.“ „Was?“, stammelte der Älteste. „Ich schwöre: Das ist die Wahrheit. Ich verdrehe meist die Wahrheit oder sage nicht alles, aber ich lüge niemals“, schwör Isaak und hob die Hand. „Naja, es war nicht deine Schuld, dass alles so gekommen ist. Jetzt können wir eh nichts mehr daran ändern“, begann Jake und runzelte die Stirn. „Egal, kommen wir zum Thema zurück. Dad hat schon vier Kinder und ist eh zu alt für weitere. Das ist also kein Verlust.“ Das eingeworfene: „Hey“, Seitens des Ältesten ignorierte er und redete einfach weiter: „Dass er sich nicht verwandeln kann, ist auch kein Problem. Er hatte eh nicht damit gerechnet. Blieben also nur noch die Schmerzen. Kannst du die auf mich übertragen?“ Isaak zuckte zusammen und sagte: „Ja, aber das werde ich nicht. Ich kann dir nicht weh tun. Zwing mich bitte nicht dazu. Das könnte ich nicht ertragen.“ Ungläubig schaute Billy zwischen den Beiden hin und her. „Ich bin ein Mann. Ich kann meine Schmerzen auch alleine aushalten“, knurrte er und wurde erneut zornig. Sofort mischte sich Rachel ein und bestimmte: „Ich nehme die Schmerzen auf mich.“ Paul der in einer Ecke stand knurrte wütend, aber keiner beachtete ihn. „Nein“, sagten ihre beiden Brüder synchron. Die Zwei sahen sich kurz an und Kamden trat vor. „Bevor Rachel die Schmerzen aushalten muss, mache ich das.“ Er warf seinem Vater einen bösen Blick zu und offenbarte: „Das mache ich nur, weil du alter Sack mir irgendwie leidtust und ich nicht will, dass Rachel wegen dir Schmerzen erleiden muss. Das hat sie nicht verdient.“ Billy wurde rot und tobte: „Ich werde mir nicht von einer Schwuchtel helfen lassen. Weder du noch Jake werden meine Schmerzen aushalten. Du wirst mir nicht noch mehr meiner Ehre wegnehmen, du…“ Isaak harkte schnell ein und unterbrach den Ältesten: „Ich würde Vorschlagen, dass Sie eine zweite Meinung einholen. Sie vertrauen mir nicht und will Sie zu nichts drängen.“ Kamdens linkes Auge zuckte und er zog sich wutschnaubend in seine Ecke zurück. Billy hingegen brauchte einen Moment um die Spur zu wechseln. „Wenn ich diesem Vorschlag zustimme, dann kann ich wieder laufen?“, fragte der Älteste und sah zu Rachel. Er mahlte mit den Zähnen. „Ja, ich kann alle Schäden beseitigen. Nach Abschluss der Heilung sind Sie wieder vollkommen gesund.“ „Und was willst du dafür?“ „Was ich will? Ich verstehe nicht“, meinte Isaak und warf seinem Freund einen ratlosen Blick zu. „Er will wissen, wo der Harken ist. Er glaubt, du willst eine Gegenleistung“, erklärte Jake und verdrehet die Augen. „Würde er dich kennen, würde er sowas nicht fragen.“ „Nichts ist umsonst, also was willst du?“, knurrte Billy der nicht lockerlassen konnte. Der Wächter dachte kurz nach und sagte: „Frieden. Ich will keinen Streit wegen mir. Wenn Sie sich mit Jake versöhnen könnten, das würde mir einen Stein vom Herzen nehmen. Aber das ist keine Bedingung, nur ein Wunsch, eine Bitte. Ob Sie diese erfüllen liegt an Ihnen.“ „Du gibst mir meine Beine wieder und du willst nur, dass ich wieder mit meinem Sohn rede?“, harkte der Älteste nach und verenge ungläubig die Augen. „Bitte, das kannst du haben. Aber wenn du mich anlügst, dann mache ich euch das Leben zur Hölle, solange ich lebe.“ Mit einem Seitenblick sah er zu seiner Tochter. Er würde ihr beweisen, dass dieser Mann ein Monster war und wenn er dafür sterben musste. „Einverstanden“, strahlte Isaak glücklich. „Wollen Sie erst eine zweite Meinung einholen?“ „Nein“, schnaubte der Häuptling. „Ich traue Ärzten nicht.“ Erneut sah er zu seiner Tochter. „Warum nicht sofort?“ Irritiert sah der Wächter zu ihm herunter. Hier stimmte doch was nicht. Billy verhielt sich seltsam. Keiner änderte so schnell seine Meinung. Plötzlich spürte er wie Jake in seinen Verstand eindrang. „Schatz, ich glaube da ist was faul. Kannst du mal in seinem Kopf nachsehen? Ich vermute eine Falle oder Tücke, wenn ich ehrlich bin“, sagte sein Geliebter und fasste seine Befürchtungen in Worte. Isaak sah ihm in die Augen: „Etwas ähnliches ging auch mir durch den Kopf. Ich werde nachsehen, nur um auf Nummer sicher zu gehen. Dieser Meinungsumschwung ist schon merkwürdig.“ Sofort stürmte eine Flut von Bildern und Gefühlen an ihnen vorbei. Jake verschloss sich etwas davor und fragte sich, ob sein Freund das mit Absicht machte, damit er nichts mitbekam. „Zum Teil ja. Diese Informationen aus dem Kopf einer Person sind sehr persönlich“, gab der Wächter zu. „Aber warum sollte ich langsamer arbeiten als ich es kann? Oder willst du das?“ „Nein, mach nur. Sag mir nur, was der Alte vorhat“, meinte der Wolfsjunge und versuchte die Bilderflut zu ignorieren. Nach einigen Sekunden sah Isaak verblüfft auf und erklärte: „Er hat wirklich Hintergedanken.“ Er schüttelte den Kopf: „Er denkt, dass ich ihm Schaden zufügen will und will euch allen Beweisen, dass ich ein Monster bin. Das ist sein Weg, um mich zu entlarven. Er glaubt nicht daran, dass ich ihn heilen kann und werde.“ „Und was machen wir jetzt?“, fragte Jake langsam. „Ich heile ihn. Vielleicht ändert das seine Meinung. Wenn ich das halte was ich verspreche, dann muss er sich eingestehen, dass ich nicht der Teufel bin, für den er mich hält.“ Der Schwarzhaarige verdrehte die Augen. „Echt mal, so ein Arschloch. Dafür kann er die Schmerzen ruhig selbst ertragen.“ Sie kehrten in die Realität zurück und Isaak grinste: „Wie sie wünschen, Mr. Black.“ Er wandte sich an seinen Freund: „Gibst du bitte Sam Bescheid? Wenn ich anfange, darf ich nicht unterbrochen werden. Nicht, dass das Rudel glaubt, ich foltere den Häuptling.“ „Jo, mach ich“, flötete Jake und ging. Isaak sah zu Billy und sagte: „Legen sie sich bitte längs auf das Sofa. Um Sie zu heilen, werde ich Sie am Kopf und an der Brust anfassen müssen. Ich benötige Körperkontakt.“ Mit Hilfe seiner Tochter spielte der Häuptling brav mit. Schnell zogen sie ihm das Hemd aus und warfen es zu Boden. Anschließend legten sie ihn waagerecht auf das Polster. Der Wächter kniete sich vor ihm hin und sagte: „Am besten gehen alle Raus. Er wird vor Schmerzen schreien.“ „Ich werde nicht schreien“, empörte sich der Älteste. „Ich ertrage die Schmerzen wie ein Mann.“ Schnell sah sich der Wächter im Raum und fixierte alle mit einem scharfen Blick. Dann erklärte er: „Ihr könnt gerne bleiben. Aber eine Warnung. Wenn ich anfange, kann ich nicht mehr aufhören. Es wird einige Minuten dauern. Macht euch alle bereit, das wird sehr heftig.“ Er richtete seine Aufmerksamkeit auf den Mann vor sich. Eine Hand hob er über dessen Stirn, die zweite schwebte über dem Herzen. „Ich werde Sie nun berühren und mich mit Ihrem Stirn- und Herzchakra verbinden.“ In dem Moment tauchte Jake an ihrer Seite auf und steckte seinem Vater ein grobes, mehrfach gefaltetes Lederstück in den Mund. Billy wollte protestieren, da berührte Isaak ihn. Eine seltsame Empfindung machte sich in ihm bereit. Der Älteste fühlte sich auf einmal losgelöst und schwerelos. Dann hörte er die Stimme des Wächters in seinem Kopf. „Soll ich Beginen?“ „Ja!“, befahl Billy mental und machte sich auf den Schmerz bereit. Aber auf das was folgte konnte man sich nicht vorbereiten. Als der Schmerz einsetzte rollten sich seine Augen nach oben und er konnte nichts mehr sehen. Der Begriff Höllenqualen konnte nicht mal annährend beschreiben, wie er sich fühlte. Es war so, als ob man jede Zelle seines Körpers mit einer spitzen Nadel durchbohren würde. Es brannte, juckte, stach, pulsierte und bohrte sich in ihn. Alles kam auf einmal. Er biss die Zähne zusammen, aber auch die taten weh. Noch während der ersten Sekunde konnte er es nicht mehr aushalten und schrie sich die Seele aus dem Leib. Wobei er weder seine Stimme hören konnte noch ein Gespür für seine Muskulatur hatte. Alle Muskeln in seinem Körper krampfen unkontrolliert. Zudem hörte er einen schrillen Ton, der alles andere überlagerte und ihn vollkommen taub machte. Dieses Geräusch trieb ihn zusätzlich in den Wahnsinn. Auch seine anderen Sinne waren überfordert. Er roch den abartigen Gestank der Verwesung und hatte einen widerlichen Geschmack im Mund. Als ob man verwesendes Blut mit Galle und verdorbenen Eiern gemischt hätte. Die Tortur hatte kaum begonnen da spürte er auch schon die Ohnmacht nahen. Aber etwas hielt ihn in der Realität. Egal wie sehr er es sich wünschte, er konnte nicht ins Nichts sinken. Es war einfach nicht möglich. In seiner Verzweiflung wollte er nach seinen Kindern rufen, aber auch das blieb ihm verwehrt. Kein Laut, außer den erstickten Schreien, drang über seine Lippen. Seine Kiefermuskeln gehorchten ihm nicht und er verbiss sich ohne sein Zutun auf dem gefalteten Leder. Unter Aufbietung all seiner Willenskraft schaffte er es seine Muskeln dazu zu zwingen einen genuschelten Satz zu Stande zu bringen: „Tötet mich. Bitte. Tötet mich.“ Doch ob er wirklich etwas gesagt hatte, wusste er nicht. Konnte es nicht wissen. Viel zu weit war sein Körper von ihm entfernt und doch war er an ihn gekettet. Unfähig sich von ihm zu trennen. Nichts war es Wert, solche Pein zu ertragen. Diese Schmerzen waren eine Dimension für sich. Etwas was nicht von dieser Welt zu kommen schien. Es schien sogar so, als ob er neue Sinne hatte, welche nur eine Aufgabe hatten ihm noch mehr Schmerz zu bereiten. Er verlor vollständig das Zeitgefühl. Sekunden wurden zu Stunden und seine Pain schien endlos zu sein. Nach einer Weile bemerkte er, dass der Wächter sein Bewusstsein schützte und ihn davor bewahrte dem Wahnsinn zu verfallen. Aber das war kein Trost. Es war ein weiterer Punkt der Folter. Der Wahnsinn war eine Erlösung, die ihm verwehrt wurde. Durch die Schreie ihres Vaters wurden all seine Kinder bleich. Wie hätten sie sich auch auf sowas vorbereiten können. Der Älteste schien unvorstellbare Qualen zu ertragen. Er zappelte wie wild, als ob er unter Strom stehen würde. Rachels Beine gaben als erstes nach. Hätte ihr ergebener Schatten sie nicht aufgefangen, wäre sie unsanft zu Boden gestürzt. Als nächster sackte Kamden neben dem Sofa zusammen und am Ende auch Jake, der bis eben noch schützend hinter Isaak gestanden hatte. Was sie sahen war einfach zu grausam. Einzig Paul schien resistent. Aber er hatte auch nur Augen für Rachel. Alles andere war ihm egal. Nur sie zählte. Nach einer Minute stürmten alle Wölfe herein. Wie ein Wolfsrudel schlichen sie um das Sofa und auch sie wurden bleich. Collin und Brandy ergriffen jaulend und in Panik die Flucht, während Jared und Embry sich an Ort und Stelle übergaben. Nur Sam stand noch, konnte offenbar nicht fassen, was er sah und stand unter Schock. Isaak bekam von seiner Umgebung nichts mit. Er war nur auf seine Aufgabe konzentriert. Er löste jede schädliche Zelle aus dem Gewebe und sammelte diese zu Klumpen. Die Haut des alten Mannes wölbte sich an einigen Stellen nach außen und es entstanden abartig aussehende Beulen. Die Spannung wurde so groß an diesen Stellen, dass die Haut aufriss und die schwarze Masse sich aus dem Körper drückte. Sie schwebte in Bröckchen empor und sammelte sich als eine pulsierende unförmige Kugel. Allein dieser Anblick war so schrecklich, dass niemand der Anwesenden auch nur einen Finger rühren konnte. Während der Wächter die Geschwüre beseitigte, reparierte er den dadurch entstandenen Schaden. Er regte die Zellteilung an und beschleunigte diese erheblich. So ersetzte er jede Zelle, die er aus dem Gewebe entfernte durch eine neue Normale. Akribisch arbeitete er sich durch den Körper des Mannes. Als er sicher war alle Krebszellen erwischt zu haben, schloss er die Haut und ließ sie wieder zusammenwachsen. Dann wandte er sich den anderen Dingen zu. Die Bandscheiben und Gelenke stellten kein Problem dar. Auch die Nervenbahnen ließ er erstarken und beseitigte einige Verkalkungen in der Blutbahn. Ein kleiner Gallenstein hielt ihm nur den Bruchteil einer Sekunde stand, bevor er diesen vollkommen aufgelöst hatte. Als kleinen Bonus stärkte er auch die Beinmuskeln, damit Billy stehen konnte. Da dieser seine Beine schon so lange nicht mehr belastet hatte, war die Muskulatur verkümmert. Der Älteste würde ohne diese Stärkung Wochen bis Monate brauchen, um wirklich laufen zu können. Nachdem Isaak mit seinem Werk zufrieden war, hob er beide Hände und sah zu der Tumorkugel. Er war erschöpft und konnte sich kaum mehr auf den Beinen halten, dennoch hielt er verbissen durch. „Was soll ich mit den Krebszellen machen? Ich habe gehört, manche wollen sowas als Andenken.“ Er schnippte mit den Fingern und eine gläserne Kugel entstand um den Klumpen, mit etwa zwanzig Zentimeter im Durchmesser. Das Innere füllte er mit einer Formaldehydlösung. Es sah aus wie eine schreckliche Karikatur einer Kristallkugel. Er ließ das Gebilde zum Tisch gleiten. Dann sackte er zusammen. Billy zu heilen war doch aufwendiger gewesen als er angenommen hatte. Jake krabbelte kreideweiß auf seinen Freund zu und streckte ihm eine Hand entgegen. Isaak griff nach der Hand, ohne hinzusehen und sie fanden sich wie zwei Magnete. Der Häuptling lag mit offenem Mund und starren Augen auf dem Sofa. Das Zucken der Muskeln ließ langsam nach und sein Atem normalisierte sich ebenfalls allmählich. Das Lederstück lag noch immer zwischen seinen Zähnen und hatte deutliche Abdrücke vorzuweisen. Nach einigen Momenten erwachte Billy aus seinem Martyrium. Er schlug und trat wie wild um sich, dabei schrie er sich erneut die Seele aus dem Leib. Diesmal schaffte er es auch das Leder auszuspucken. Dieser Zustand hielt aber nicht lange an. Einige Sekunden später sackte er in sich zusammen und begann zu zittern. Sam stotterte: „Was…, was ist mit ihm?“ „Das sind ganz normale Nebenwirkungen. Gib ihm einfach ein zwei Minuten, dann ist er wieder so gut wie neu“, erklärte Isaak mit einem schwachen Lächeln. Er war erschöpft und seine Magie war fast gänzlich aufgebraucht. Eine solch verehrende tödliche Krankheit zu heilen, forderte auch von ihm einen Tribut. „Sam, es tut mir leid.“ Alarmiert sah der älteste Wolf zu dem Wächter und starrte diesen ängstlich an. „Was ist? Was ist los?“ „Ich kann Emily erst in ein paar Tagen heilen. Ich habe leider zu viel Magie verbraucht“, erklärte der Wächter und sah wie beide Augen seines Gegenübers zuckten. „Ihr werdet euch noch etwas gedulden müssen.“ Der Jüngste der Blacks wusste bei dieser Aussage nicht, ob er lachen oder heulen sollte. Sein Freund schaffte es immer wieder alle so stark aus der Fassung zu bringen, sodass es schon an ein Wunder grenzte, dass noch keiner einen Hirnschlag erlitten hatte. Er schüttelte den Kopf und entschied für sich, jetzt nicht darauf einzugehen. Es gab schließlich Wichtigeres in diesem Moment. Jake rappelte sich schnell auf und setzte sich hinter seinen Geliebten. Als er die Arme um ihn legte sackte der Wächter kraftlos zusammen. „Musst du es immer so übertreiben. Du hast dich zu sehr verausgabt“, murrte der Wolfsjunge und streichelte ihm sanft die Brust. „Ich habe nur getan, was ich für nötig gehalten habe und was meine Pflicht ist“, moserte der Wächter leise und ließ sich fallen. Sein Partner kannte seine schwache Seite bereits und er wusste, dass Jake ihn nicht für einen Schwächling hielt, wenn er sich offen verletzlich gab. Nach und nach erwachten auch die anderen aus ihrer Starre. Rachel stürzte zu ihrem Vater. „Dad! Dad, kannst du mich hören?“ „Ja, das kann ich“, brummte Billy und drehte ihr den Kopf entgegen. „Wie geht es dir?“, fragte seine Tochter und Tränen liefen ihr über die Wange. „Gut, glaube ich“, meinte der Häuptling. Er blinzelte und ließ sich in eine sitzende Position helfen. Dann sah er auf seine Beine. Mit aufgerissen Augen schaute er zu, wie diese sich seinem Willen beugten und er sie mühelos bewegen konnte. Aufgeregt sagte er: „Sam, hilf mir hoch.“ Schnell trat sein Alpha vor und half dem Ältesten dabei aufzustehen. Billy war erst sehr wacklig auf den Beinen. Dann machte er einen Schritt und langsam erinnerte er sich wieder daran, wie man richtig lief. Mit Tränen in den Augen machte er einen zweiten Schritt und löse sich von Sam und seiner Tochter. Jeder Schritt viel ihm leichter als der vorherige. Seine Beine trugen sein Gewicht und er umrundete ganz allein einmal das Sofa. Ungläubig starrte er seine Beine an und er stammelte: „Das ist doch unmöglich.“ „Ich habe Ihre Beinmuskelstränge gestärkt, damit Sie sofort laufen können“, sagte Isaak mit geschlossenen Augen. „Das erspart Ihnen einen langen Rehabilitationsprozess.“ Jake knurrte wütend. Dafür, dass es sein Freund immer übertrieb, würde er ihm später gehörig den Arsch aufreißen. „Ist das ein Versprechen?“, flötete der Wächter mental. Der Wolfsjunge ließ sich nicht zu einer Antwort hinreißen. Er hob den Blick und sah zu Billy. „Ich hoffe, du bist jetzt glücklich. Isaak hat sich total verausgabt.“ Blitzschnell ruckt der Kopf des Häuptlings rum. Er sah seinen Sohn, der den Wächter im Arm hatte und diesen auch noch streichelte. Seine Augen verengten sich zornig. Bevor er aber etwas sagen konnte, deutete sein Zweitgeborener auf den Wohnzimmertisch. Irritiert folgte Billy der Geste und sah die Kugel mit der schwarzen Masse darin. „Darf ich dir vorstellen: Dad, dass ist dein Krebs“, schnaubte Jake und sah, wie sein Alter erbleichte. „Das hat Isaak aus deinem Körper geholt. Ich weiß, was du dir gedacht hast und warum du zugestimmt hast. Mich kannst du nicht täuschen. Isaak wusste es auch und dennoch hat er dich behandelt. Da hast du deinen Beweis. Wenn du mir nicht glaubst, dann frag die anderen. Das da kam aus deinem Körper. Mein Freund war so nett es dir als Andenken zu verpacken.“ Ungläubig hob der Älteste den Blick und sah zu dem anderen Alpha. Sam nickte und deutete auf die Kugel: „Ich habe es gesehen, Billy.“ Jake sah auf und suchte Kamden. Dieser war bei Embry, der sich von seinem Partner beruhigend den Rücken kraulen ließ. Der „Wahre Alpha“ seufzte und stemmte seinen Freund ein wenig von sich. Dann stand er auf und hob Isaak in die Arme. Das schwache: „Hey“, von seinem Freund ignorierte er gekonnt. Er wandte sich an Rachel: „Kann ich Dad in deine Obhut überlassen?“ „Ja, ich bleibe und passe auf ihn auf.“ Rachel sah ihren Vater, dann verfinstere sich ihr Blick. „Da es ihm offenbar gut geht kann er mir auch gleich erklären, wie Kamden entstanden ist! Bisher kam das ja noch nicht zur Sprache.“ Jake schnaubte: „Mir egal. Nimm ihn ruhig in die Mangel, wenn dir danach ist. Nach allem was passiert ist, schockt mich sein Seitensprung kein bisschen mehr. Ich will einfach nur das er uns ihr Ruhe lässt. Mehr nicht.“ Er sah zu seinen Kameraden: „Kamden, Embry, wir gehen. Ich muss mich um meinen Freund kümmern und nach meinem Rudel schauen.“ Ohne ein weiteres Wort stürmte er aus dem Haus und trug Isaak zu dem Auto. Das musste er schließlich auch wieder zurückgeben. Ohne auf den Protest seines Partners zu hören, schnallte er diesen auf dem Beifahrersitz fest. Bevor Kamden und Embry ebenfalls das Haus des Alten verließen, dreht sich Kamden nochmal zu Rachel um. „Kommst du klar mit unserem Vater und deinem frischgebackenen Schoßhündchen?“, fragte er sie mit mehr Ernst in der Stimme, als es für ihn üblich war. Er erinnerte sich daran, dass das Ganze für sie ebenso neu war wie für ihn, auch wenn sie zumindest die alten Legenden schon früher als Gutenachtgeschichten erzählt bekommen hatte. Rachel erwiderte lächelnd: „Keine Sorge, kleiner Bruder. Ich werde die Horde hier schon zähmen können.“ Mit einem Augenrollen schnappte sich Kamden seinen Embry und trat aus der Haustür ins Freie. Als Jakob die Fahrertür öffnete, gesellten sich die anderen beiden zu ihm. Schnell sah er ihnen ins Gesicht. „Geht’s euch gut?“ Kamden nickte wortlos, immer noch blass um die Nase von dem eben Gesehenen. Sein Freund hingegen sagte: „Alter, hättest du uns nicht vorwarnen können? Das war ja mal eine krasse Horrorshow, welche dein Lover da abgezogen hat.“ „Ich wusste selbst nicht, was er machen würde. Wetten, wenn ich ihn später danach frage kommt entweder ein: „War das nicht klar?“, oder ein: „Habe ich das nicht erwähnt?“ Ja, so tickt mein Partner eben“, offenbarte Jake und schüttelte den Kopf. Dann befahl er knurrend: „Einsteigen, wir fahren.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)