Der Wächter von Drachenlords ================================================================================ Kapitel 87: Schatten, Licht und Chaos ------------------------------------- Kamden “Ruhe”, befahl Kamden und es wurde still in der Verbindung. Etwas erschreckt darüber, wie viel Macht er nun über die anderen besaß, versuchte er seine Gedanken zu ordnen. “Ihr wolltet mir nicht zuhören, dann muss ich euch eben dazu zwingen. Bis Jake wieder da ist übernehme ich den Posten des Alphas. Ihr werdet tun, was ich sage, egal ob ihr wollt oder nicht.” Es gefiel ihm den Ton anzugeben. Kurz, wirklich nur ganz kurz, dachte er darüber nach die Wölfe für ihr Verhalten ihm gegenüber zu bestrafen. Dann trafen seine Augen auf Embrys. Kamden hatte sich gegenüber seinem Kleinen nicht abgeschottet, warum sollte er auch. Daher wusste Embry, was er gedacht hatte. Als wären die verengte Augen nicht schon Hinweis genug, spürte er die Wut seines Freundes durch ihre intime Verbindung. Wie geschlagen zuckte Kamden zusammen und verwarf augenblicklich jeden Rachegedanken. Selbst Paul würde er in Ruhe lassen. Embrys Zorn wollte er sich auf keinen Fall zuziehen. Insgeheim war er seinem Kleinen dankbar dafür, dass dieser auf ihn aufpasste und von solchen Dummheiten abhielt. Im Nachhinein hätte er sein Vorhaben sicher bereut. Obwohl er nur zu gerne Paul in einem rosa Tütü sehen wollte. Nach einem geknurrten “Kamden!” seitens Embry, fokussierte er sich wieder auf ihre Situation. “Die Sonne wird bald untergehen und wir brauchen so viele Taschenlampen wie möglich, um uns zu verteidigen. Alle, die nichts zu tun haben, suchen nach den besten Lampen, die sie in die Finger bekommen können. Bringt sie anschließend zum Sammelplatz.” Kurz spürte Kamden wie sich einige gegen seinen Befehl stellten, dann brach deren Wille. Nur ein Alpha konnte sich gegen den Befehl eines Alphas erheben. Keiner der anderen im Rudel hatte somit einen Chance sich zu widersetzen. Ein wenig ängstlich merkte Seth an: “Die besten Taschenlampen gibt es bei den Newtons. Die haben ein gut ausgestattetes Fitness- und Outdoorgeschäft.” “So etwas gibt es in Forks?”, fragte Kamden erstaunt. “Es gibt viele Wanderer und Bergsteiger, die hierherkommen, um sich die Zeit im Nationalpark zu vertreiben”, erklärte Embry feixend. “Wir Hinterwäldler haben eben auch gute Dinge zu verkaufen.” Diesen Seitenhieb schluckte Kamden ohne mit der Wimper zu zucken. Sein Kleiner durfte das. Jedem anderen hätte er Paroli geboten. Dennoch waren diese Informationen nützlich. “Danke für die Infos. Das habt ihr beiden gut gemacht.” Durch die Verbindung zum Rudel spürte er, dass vor allem Seth sich sehr über das Lob freute. Der Jungwolf bekam wohl nur wenig Anerkennung. Kamden hatte nicht vor mit eiserner Hand zu herrschen. Ein guter Anführer musste zwar durchgreifen können, sollte aber auch seine Leute motivieren. Bei Seth hatte er in diesem Punkt schon mal gute Arbeit geleistet. Auch die anderen im Rudel würden schnell bemerken, dass Kamden kein Arsch war, wenn er es nicht sein musste. Mit diesen Gedanken ließ er die Alphastimme bleiben und redete normal weiter: “Gut. Dann wissen wir jetzt, wo wir unsere Waffen herbekommen. Schafft so viele wie möglich an den Sammelpunkt. Priorität hat aber immer noch die Evakuierung. Kann bitte einer den Vampiren Bescheid geben?” “Schon erledigt”, meldete sich Embry zu Wort. “Gut gemacht. Dann ist auch das geklärt. Passt auf euch auf und meldet euch, wenn euch etwas auffällt oder ihr in Bedrängnis kommt. Eins noch, haltet euch von dunklen Orten fern. Die Schatten entspringen der Dunkelheit.” Während seines Monologs war er zu Embry gelaufen. Sanft kraulte er den hellgrauen Wolf am Kopf. Auch wenn er bemüht war vor dem Rudel alle gleich zu behandeln, so konnte er einfach nicht anders als seinem Kleinen eine besondere Form der Belohnung zukommen zu lassen. Wenn einer der anderen in der Nähe war, sollte er sowas aber besser nicht machen. Am Ende wollten die vielleicht auch noch gestreichelt werden. Nie im Leben! Sollten die sich doch ihren Gefährtinnen zuwenden oder sich eine suchen. Nicht sein Problem. Er hatte Embry und nur Embry bekam diese Behandlung. “Lass uns zum Sammelpunkt gehen”, sagte Kamden während er Embry hinter den Ohren kraulte. “Nein”, hörte er die mentale Stimme seines Freundes. “Du bist der Alpha. Und du solltest zum Sammelpunkt gehen. Deine Aufgabe ist es uns zu koordinieren. Ich aber bin ein normales Rudelmitglied und werde den anderen helfen.” “Kommt gar nicht in Frage. Du wirst bei mir bleiben”, knurrte Kamden aufgebracht. Er würde seinen Kleinen doch nicht allein rumrennen lassen. Niemals! “Dann wirst du mich zwingen müssen. Im Rudel und vor allem in einer solchen Situation, bin ich nur ein Wolf von vielen. Unsere Beziehung hat da nichts zu suchen. Wenn du mir meine Ehre als Krieger nimmst, dann werde ich dir das nicht verzeihen.” Bei diesen Worten musste Kamden erstmal schlucken. Natürlich hatte er nun die Macht Embry Befehle zu erteilen, aber zu welchem Preis? Unwillig knurrte er vor sich hin. “Na schön, wie du willst.” Er packte zu und zwang Embry ihm in die Augen zu sehen. “Wehe dir passiert was. Hast du verstanden? Keine Heldentaten, oder ich komme dich holen.” “Ja, mein Alpha.” Kamden ließ los und verwandelte sich. Fast augenblicklich leckte Embry ihm über die Schnauze. Sie schmiegen die Köpfe aneinander, dann trennten sie sich und gingen ihren jeweiligen Aufgaben nach. * Die Plünderung des Outdoorgeschäfts ging ohne Probleme über die Bühne. Seine Wölfe erbeuteten gut vierzig erstklassische Taschenlampen, samt Spezialzubehör. Ihre Beute verstauten sie in großen Wanderrucksäcken, die von Edward und Alice abgeholt und zum Sammelplatz gebracht wurden. Zufrieden, da bisher weder ein Wolf noch ein Mensch von einem der Schatten erwischt worden war, stand Kamden bei den Frauen und half diesen die Lampen vorzubereiten. Er riss alle Packungen auf, während Emily, Rachel und Kim die Batterien einlegten. Testweise hatte er die erste Lampe an einem nahen Schatten ausprobiert. Der Lichtstrahl war bedeutend stärker als der aus seiner vorigen Taschenlampe. Nun konnte er deutlich sehen, wie der Schatten kleiner wurde. Zusätzlich bemerkte Kamden, dass das Ding vor dem Licht zu fliehen versuchte, mit mäßigem Erfolg bei dessen Schneckentempo. Sein Gegner schrumpfte immer weiter, bis er einfach verschwand, eine kleine Rauchwolke zurücklassend. Diesen Erfolg teilte er sogleich mit dem Rudel. Noch immer konnte Kamden spüren, dass sich die anderen Wölfe über seine Vorsichtsmaßnahmen aufregten, auch wenn keiner es wagte, etwas zu sagen. Kamden war in ihren Augen eine unbekannte Größe als Alpha und keiner wollte sein Missfallen erregen. Noch bevor alle Lampen einsatzbereit waren,neigte sich der Tag dem Ende zu. Mit jedem Augenblick wurde es dunkler und die Auswirkungen folgten auf dem Fuße. Die Schatten wurden bedeutend schneller, so dass die Wölfe gezwungen waren mehr Acht auf sie zu geben. Einige Minuten später hatte auch der letzte Zweifler seinen Fehler eingesehen. Sie waren noch nicht fertig mit der Evakuierung und mussten höllisch aufpassen, nicht von den Schatten eingekreist zu werden. Als die Sonne kaum noch zu sehen war, befahl Kamden: “Alle zurück zum Sammelpunkt. Wir sichern die Plattform. Die Vampire sammeln die Nachzügler ein.” Als Menschen und bewaffnet mit den Taschenlampen, hielten die Wölfe gemeinsam mit den Frauen die Schatten in Schach. Die Stimmung war angespannt. Jedem von ihnen kroch so langsam die Angst den Nacken hinauf. Die Schatten rasten wie Vampire in einem weiten Kreis um sie herum. Wann immer ein Lichtstrahl eines der Wesen traf, wich es zur Seite aus und verschwand in der Dunkelheit. Hinzu kam noch die schiere Menge ihrer Gegner. Mittlerweile mussten es Hunderte, wenn nicht sogar Tausende sein. In diesem Moment kam Emmett, mit Lampen behängt wie ein Weihnachtsbaum, durch die Gegner gerannt. Mit je einer Hand trug er einen Menschen. Ein Wanderer-Pärchen, das sich einen schönen Ausflug in den Wäldern von Forks vorgenommen hatte. Zum Glück war die Saison fast vorbei und demnach nur noch wenige Abenteurer in der Umgebung. Nicht auszudenken wenn sie den halben Wald nach Menschen hätten absuchen müssen. “Edward?”, fragte Emmett, während er die Menschen auf die Plattform bugsierte. “Das waren die letzten”, erwiderte sein Bruder. “Ich kann keinerlei Gedanken von Menschen in einem Umkreis von fünf Kilometern ausmachen.” “Gut, dann Abflug”, meldete sich Rosalie zu Wort. Wie ein Mann sprangen alle Vampire gleichzeitig auf die Plattform. Edward erhob die Stimme: “KI, teleportiere uns zum zoologischen Forschungsinstitut.” Ein Signalton erklang. “Befehl kann nicht ausgeführt werden”, sagte die weibliche Stimme der Plattform. “Verdammt noch mal”, schimpfte Emmett laut. “Was ist los?”, fragte Kamden und sah sich um. “Wir müssen hier weg.” “Bleibt ruhig”, mahnte Edward. “KI, warum kann mein Befehl nicht ausgeführt werden?” “Aufgrund eines aktiven Notfallprotokolls ist der Zugriff für Unbefugte gesperrt.” Kaum hatte die KI zu Ende gesprochen befahl Kamden: “KI, deaktiviere das aktive Notfallprotokoll.” “Befehl verweigert. Zugriffsrechte des Individuums Kamden Hales nicht ausreichend.” Auch Edward und Embry versuchten es, mit demselben Ergebnis. Ratlos sahen sie sich an. Sie waren gefangen. Umringt von Schatten, die so schnell waren, dass sie ihnen selbst als Wölfe nicht mehr entkommen konnten und nicht in der Lage sich wegzuteleportieren. Was sollten sie nur tun? Hastig ließ Kamden den Blick schweifen. Noch konnten sie die Schatten auf Distanz halten, jedoch wurden es immer mehr. Langsam und stetig drängten ihre Feinde auf sie zu. Kamden schluckte schwer. Er musste eine Entscheidung treffen. Emily, Claire, Rachel und Kim waren normale Menschen. Sollten sie die Plattform betreten, würden sie zum Außenposten transportiert werden. Sie wären gerettet und würden gleichsam ihre geprägten Partner töten. Doch welche Wahl blieb ihnen? Der Kreis wurde immer kleiner. Sie alle würde sterben, aber die Menschen konnten sich retten. Dieselben Gedanken gingen auch den anderen Wölfen durch den Kopf. Sie alle würden ihr Leben geben, um ihre Partnerinnen zu retten. Die Entscheidung war gefallen, bevor Kamden den Befehl geben konnte. Paul, Jared und Quill wandten sich ihren Partnerinnen zu. “Geht, rettet euch.” “Nein”, riefen die Frauen synchron. Kamden baute sich vor ihnen auf: “Bitte, geht. Unser Schicksal ist besiegelt, doch ihr sollt leben.” Um ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen, begann das gesamte Rudel in der Verbindung mit einem heulenden Wehklagen. Jake “Ruhe!”, befahl Jake mental. Bei dem ganzen Geheule hatte er kein einziges Wort verstanden. Wilde Freude drang durch die Verbindung. “Sam, Lagebericht!” Anstelle seines Stellvertreter, war es Kamden der antwortete: “Sam ist außer Gefecht. Ich habe übernommen.” Bei diesen Worten musste Jake erstmal schlucken. Was zum Teufel war in Forks vorgefallen? Kamden war seiner Meinung nach noch lange nicht bereit die Führung zu übernehmen. Weder hatte sein Bruder das Wissen noch die Erfahrung dafür. Dennoch gab es keinen Zweifel an Kamdens Worten. Jake hatte eindeutig den Doppelklang der Alphastimme gehört. Kamden, ein Alpha? Wie konnte das nur passieren? “Danke, das merk ich mir”, schnaube sein Bruder verärgert. Verdammt. In seinem Bestreben, sich mit seinem Rudel zu verständigen, hatte Jake sämtliche Barrieren fallen lassen. Diesen Umstand korrigierte er sofort. “Später. Gib mir erstmal einen Lagebericht.” Durch die Verbindung drang Kamdens Widerwillen. Ob dieser seine Gefühle bewusst durchdringen ließ oder nicht, dass konnte Jake nicht sagen. Die Stimme seines Bruder war jedoch bemüht ruhig als er antwortet: “Wir werden von Schatten angegriffen. Noch können wir diese Dinger in Schach halten, aber nicht mehr lange. Wir brauchen euch hier, vor allem eure Zugriffsrechte.” “Wir sind auf dem Weg”, mischte sich Isaak direkt mit ein. Die nächsten Worte sprach er nur zu Jake: “Wölfchen, halte dich gut fest, das könnte unangenehm für dich werden.” Alarmiert verstärkte Jake seinen Klammergriff und presste sich an den Rücken seines Liebsten. Er blinzelte und schon waren sie in Forks. Dabei hatte er das unangenehme Gefühl, dass seine Gedärme nicht mehr da waren, wo sie hingehörten. Allen voran sein Magen mochte diese Art der Fortbewegung gar nicht. Rasch ließ er los und sich zu Boden gleiten. Gerade noch rechtzeitig, denn da zwängt sich auch schon sein Mageninhalt in die Freiheit. Während Jake sich die Seele aus dem Leib kotzte, sah er sich gleichzeitig durch Isaaks Augen um. Ihre Seelenverbindung war noch immer aktiv. Das musste auch so bleiben, sie würden Isaaks Magie sicher benötigen. Krampfhaft versucht Jake ihre Verbindung zu halten, sich nicht auf sich selbst zu übergeben und mitzubekommen was los war. Für eigene Gedanken war kaum Platz dabei. Eine Flut aus Bildern und Eindrücken zog an Jakes innerem Auge vorbei als Isaak begann die Situation zu analysieren. So erfuhren beide, was es mit den Schatten auf sich hatte und was vorgefallen war. “Jake!”, stieß Rachel hervor und klopfte ihm beruhigend auf den Rücken. “Die Schatten, sie …” “Ich weiß alles, Rachel”, murrte Jake und spuckte die letzten Reste seines Kaffeekränzchens aus. “Was? Woher?” “Mentale Verbindung.” Ohne weiter auf seine Schwester zu achten, erhob er sich und sprang auf die Plattform. “KI, Notfallprotokoll sofort abbrechen.” Pling. “Verstanden. Sequenz wurde abgebrochen, Wächter Jacob.” “Wächter Jacob?”, fragten einige Stimmen hinter ihm. “Alle auf die Plattform”, befahl Jake, die Ausrufe überging er einfach. “Was ist mit Sam?”, fragte Emily, die einzige die seinen Befehl ignorierte. “Schatz?”, wandte sich Jake an Isaak. Sein Freund legte den Kopf leicht schief und studierte aufmerksam den halb verwandelten Gestaltwandler. Hinter dem Schleier der Realität sah er sich Morganas Zauber genauer an. Dann machte er eine schneidende Bewegung mit der Hand. Sam wurde zum Wolf, dann zum Menschen und brach zitternd vor Erschöpfung zusammen. Das Ganze hatte ihm wohl stark zugesetzt. “Danke”, murmelte Sam schwach. Schon war Jake zur Stelle. Ohne auf die Gefühle seines Stellvertreters zu achten, hob er ihn in seine Arme und trug ihn zur Plattform. Dort legte er Sam ab. Emily an seiner Seite begann sogleich ihren Mann beruhigend zu streicheln. “Wir kommen gleich nach”, begann Jake. “Wir müssen hier nur noch schnell aufräumen. KI, teleportiere alle zum Unterwasserposten.” Mit einem Pling war die ganze Bande verschwunden. Zeitgleich wurde es dunkel. Sie hatten die Taschenlampen mitgenommen. Verdammt! Das war so aber nicht geplant. “Beruhige dich”, sagte Isaak und schnippte mit den Fingern. Eine fliegende Kugel reinen Lichts erschien über ihren Köpfen. Eingehüllt in einen Lichtkegel kamen die Schatten nicht an sie ran. “Was machen wir jetzt? Kannst du die Schatten mit deinen Lichtstrahlen erledigen?” “Das ist eine gute Frage”, murmelte Isaak und hob eine Hand. Er schoss einen Lichtstrahl ab und vernichtet rund fünfzig der Wesen auf einmal. Die entstandene Lücke schloss sich keine Millisekunde später wieder. Es waren einfach zu viele Feinde. Hinzu kam noch, dass die Schatten sich immer schneller materialisierten. Auf diesem Weg würden sie ihre Gegner nicht los werden. Sie mussten einen Weg finden, alle auf einmal zu vernichten. Jake und Isaak waren so stark miteinander verbunden, dass sie fast wie eine Person agierten. Sie dachten gemeinsam nach. Langsam formulierte Jake: “Kannst du so eine magische Kugel erzeugen, wie die von Morgan le Fey, nur aus Licht anstelle Schatten?” “Ja, aber dann würde von Forks nur noch ein Krater übrig bleiben. Ich denke, das wäre nicht zielführend.” Betreten wippte Jake mit dem Kopf. Das wäre nicht so gut. Schon kam ihm ein neuer Einfall. “Was, wenn wir uns auf die Aufstiegsplattform zurückziehen und die Phasenverschiebung aktivieren?” “Wir sind die einzigen höheren Lebensformen in der Umgebung. Sollten wir das machen, so fürchte ich, verstreuen sich die Schatten in alle Himmelsrichtungen. Binnen weniger Minuten wären sie in Seattle und in all den anderen Dörfern in der Nähe. Das kann ich leider nicht gestatten. Diese Wesen dürfen Forks nicht verlassen.” Natürlich, auch in diesem Punkt hatte Isaak recht. Die Schatten mussten hier bleiben. Nachdenklich hob Isaak den Blick und sah zu seiner Lichtkugel auf. “Ohne eine genauere Analyse, was die Schatten sind und wo sie herkommen, habe ich wohl keine andere Wahl als zu experimentieren.” Sein Freund sah wieder gerade aus und hob eine Hand. Um einen der Schatten, aufgrund des “wahren Blicks” konnten sie diese gut sehen, bildete sich eine magische Barriere. Das Wesen zuckte und zappelte, konnte der Magie aber nicht entkommen. “So weit, so gut.” Isaak schloss die Faust und komprimierte den Schatten zu einer kleinen etwa Fussball großen Kugel. Die leicht lila schimmernde durchsichtige Barriere wurde schwarz. Jake konnte nun nicht mehr ins Innere spähen. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend fragte er: “Sag mir bitte, du willst diesen Schatten nicht als Testobjekt mitnehmen.” “Eigentlich schon.” “Ich hatte es befürchtet. Bist du dir sicher, dass dieses Ding nicht entkommen kann?” “Ich bin mir zu neunundneunzig Prozent sicher einen einzelnen Schatten bändigen zu können.” Geschützt von der undurchsichtigen magischen Barriere ließ Isaak die Kugel in den Lichtkegel schweben. “Sollte das Wesen entkommen, wird es augenblicklich von dem Licht erledigt. Das sollte als Sicherheit reichen fürs erste.” Jake dachte da ein wenig anders. Die Art seines Liebsten immer alles genau zu untersuchen gefiel ihm in solch einer Situation gar nicht. Allerdings musste auch er einsehen, dass es nützlich wäre mehr über diese Wesen zu wissen. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass Morgan le Fay noch immer auf freiem Fuß war. Nachdem das Testsubjekt gesichert war, sah Isaak zu ihm herüber. “Mein nächster Zauber wird viel Energie verbrauchen, mach dich bereit.” Auf diese Ansage hin schloss Jake die Augen. Je mehr Magie Isaak einsetzte, desto schwerer wurde es für ihn ihre Verbindung aufrecht zu erhalten. Durch die Augen seines Liebsten sah er, wie Isaak beide Arme auf Brusthöhe hob. Zwischen den einander zugewandten Handflächen zuckten Funken hin und her. Keine Sekunde später entstand ein kleiner, stetig wachsender Feuerball. Erstaunt registrierte Jake, dass es sich hierbei um eine Art Miniatur-Sonne handelte. Als der Zauber etwa so groß wie eine Honigmelone war, hob Isaak die Hände gen Himmel. Die kleine Sonne schoß gut einen Kilometer in die Höhe. Zitternd verweilte sie dort einen Augenblick. Dann dehnte sie auf über hundert Meter aus. Nun da sie so groß war, konnte Jake durch Isaaks Augen die kleinen Eruptionen an der Oberfläche gut beobachten. Sein Freund hatte eine echte kleine Sonne erschaffen. Sofort spürte Jake, wie ihre Verbindung stark vibrierte. Isaak hatte nicht gelogen. Sein Magieverbrauch war enorm. Nur mit viel Mühe gelang es Jake ihre Seelen nicht voneinander abdriften zu lassen. Die Sonne brannte mit einer Intensität, die der echten in nichts nachstand - wenn nicht sogar stärker, ohne eine schützende Atmosphäre dazwischen. Auf seiner Haut konnte Jake ihre enorme Hitzestrahlung spüren. Ein Glück, dass er von Natur aus schon einen dunkleren Hautton hatte. Bella wäre wohl so rot angelaufen wie ein Krebs und hätte einen mörderischen Sonnenbrand abbekommen. Durch Isaaks Sinne registrierte Jake die Auswirkungen des Zaubers. Ganz Forks erstrahlte wie am hellichten Tag, was einen unglaublichen Effekt auf ihre Feinde hatte. Die Schatten wurden gerade zu weggebrannt. Keiner von ihnen schaffte es der Sonne stand zu halten. Auch die Pflanzen, das Gras, die Bäume und alles andere wurde allmählich braun. Die Sonne war einfach zu stark für sie. “Sieg”, jubelte Jake ausgelassen. Verstimmt seufzte Isaak zurück: “Nicht direkt. Überall um uns herum entstehen bereits unzählige neue Schatten. In den Kellern, in Schränken, sprich dort, wo es noch immer dunkel ist.” Verdammt. Würde das denn nie enden? Wenn immer wieder neue Schatten erschienen, würde das ein endloser Kampf werden. Sein Freund dachte laut nach: “Die Stimme sagte zu dir, dass die Schatten uralte Wesen sind und sie dem Chaos entspringen.” “Ich bin mir nicht sicher, ob wir der Stimme vertrauen können. Einiges, was sie sagte, war gelogen.” “Anderes aber nicht”, hielt Isaak dagegen. “Der Angriff der Schatten auf Forks entsprach der Wahrheit.” Mit dem Kopf leicht hin und her wippend meinte Jake: “Und wenn schon. Selbst wenn die Schatten dem Chaos entspringen, wie soll uns das helfen? Was ist denn das Gegenteil von Chaos?” “Ordnung.” Jake rollte mit den Augen. “Und wie soll uns das helfen? Wie kann man mit Ordnung angreifen? Ich glaube, aufräumen ist nicht die Lösung.” “Nein, aber das habe ich auch nicht vor”, sagte Isaak langsam. “Nicht immer ist das Gegenteil die beste Wahl. Manchmal muss man Feuer mit Feuer bekämpfen.” Entsetzt stieß Jake hervor: “Du willst doch wohl nicht selbst solche Wesen erschaffen, oder? Isaak, das kann doch nicht dein Ernst sein.” Ohne auf seinen Einwand zu achten griff sich sein Freund an die Brust. Als er die Hand öffnete, lag die Kugel wilder Magie darin. “Nur fürs Protokoll, ich halte das für keine gute Idee”, murrte Jake. Der Schweiß floss nur so in Strömen über sein Gesicht. Seine zerschlissene Kleidung tropfte bereits, so viel Wasser hatte er schon abgesondert. Zum einen war ihm heiß, wegen der Sonne, zum anderen war es die Anstrengung ihre Verbindung aufrecht zu erhalten. Merklich geschwächt wimmerte er: “Egal was du tust, beeil dich, ich kann gleich nicht mehr.” Isaak hob die Hand mit der kleinen Kugel darin und hielt sie in die Höhe. Eine Art Strahl, weder weiß noch schwarz, farblos und gleichzeitig leuchtend in allen Farben, schoss empor und traf die Sonne. Augenblicklich änderte sich alles. Aus Licht wurde Dunkelheit, wobei die verzehrende Hitze einer Eiseskälte wich. Eine schwarze Sonne erstrahlte über ihnen. Dann gab es eine gewaltige Explosion. Erschrocken rissen Isaak und Jake die Arme vors Gesicht. Einen Moment herrschte eine unheimliche Stille, dann kehrte die Welt zurück. Jake spähte wachsam umher. Er stand noch immer in Forks, mitten auf der Hauptstraße. Neben ihm befand sich Isaak, der sich ebenfalls aufmerksam umsah. Die schwarze Sonne wie auch der kleine Lichtzauber waren verschwunden. Sie waren den Schatten schutzlos ausgeliefert. Und zu allem Überfluss hatte Jake auch noch die Kontrolle über ihre Verbindung verloren. Sein Atem beschleunigte sich. Verdammt, warum nur war er so schwach? “Beruhige dich”, schnaufte Isaak neben ihm. “Ich kann keine Schatten mehr wahrnehmen.” Nachdenklich sah sein Freund zu dem Punkt, an dem sich bis eben noch die schwarze Sonne befunden hatte. “Ich habe zwar keine Ahnung was passiert ist, aber wir haben gewonnen.” Erleichtert und vollkommen erschöpft ließ sich Jake zu Boden gleiten. “Das wurde aber auch Zeit.” Mehr zu sich selbst setzte er murmelnd hinzu: “Ich könnte wirklich mal eine Auszeit vertragen bei dem ganzen Stress.” “Wir müssen uns noch um Morgan le Fay kümmern”, erinnerte ihn sein Freund freundlicherweise daran, dass sie keine Zeit für eine Pause hatten. Leise vor sich hin grummelnd ruhte sich Jake ein wenig aus, um wieder zu Atem zu kommen. Dabei beobachtete er Isaak, der den gefangenen Schatten studiert. Wie ein Wunder hatte diese eine Kreatur überlebt. Ein Umstand der bei Jake keine Freude auslöste, bei Isaak hingegen schon. “Ein wirklich interessantes Wesen. Nach meinen bisherigen Beobachtungen bin ich sogar bereit Carlisle Recht zu geben. Der Effekt dieser Schatten ist eine beschleunigte Verwesung. Temporale Anomalien kann ich keine erkennen.” “Pack dein Spielzeug ein und lass uns weitermachen. Wir haben noch so einiges zu tun.” Mit diesen Worten erhob sich Jake. “Da stimme ich dir zu”, meinte Isaak und hob den Blick von seinem Testobjekt. Als Belohnung, dass sein Freund ihm seine Aufmerksamkeit schenkte, bekam er von Jake einen Kuss. Kurz schlossen sie sich in die Arme. Von beiden Seiten her strömte die Erleichterung durch ihre Verbindung. Dieser Kampf war zu Ende. So schnell würde sich Morgan le Fay nicht erholen, was ihnen die Chance gab den Virus gegen sie einzusetzen. Dafür benötigten sie aber die Zitadelle der Wächter. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)