Demons von Ayane88 ================================================================================ Kapitel 2: Ich bin Negan ------------------------ Mittlerweile waren ein paar Monate vergangen und ich hatte mich eingelebt. Den anderen Bewohnern des Sanctuarys war ich jedoch noch distanziert gegenüber. Sie sollten nicht zu viel von mir wissen. Es war auch eine gewisse Vorsichtsmaßnahme, die ich aus Eigenschutz traf. Nur ihm gegenüber konnte ich mich gelegentlich öffnen. In letzter Zeit schien Negan allerdings ziemlich ausgelaugt zu sein. Ich kam gerade von einem Raubzug wieder, als ich ihn draußen vor dem Sanctuary fand, an die Wand gelehnt. "Oh, du warst fleißig, Boy“, pfiff er anerkennend. Ich grinste. „Klar, immerhin möchte ich meinen Beitrag leisten. Wir alle sind Negan.“ „Du hast es erfasst“, er klang stolz. Innerhalb der letzten Monate hatte er mich geformt und mir beigebracht ein Kämpfer zu werden. Viele sagten, dass Negan uns nur als Ressourcen ansieht. Doch im Endeffekt war mir das egal. Ich war einfach gerne in seiner Nähe. „Du scheinst erschöpft zu sein“, sagte ich. „Ach“, grummelte Negan. „Alles okay. Zurzeit habe ich echt viel zu tun und Ärger mit einer bestimmten Gruppe. Da bahnt sich etwas an. Genug davon.“ Er seufzte. „Warum leistest du mir nicht etwas Gesellschaft? Ich könnte ein nettes Gespräch gebrauchen.“ „Ähm, natürlich.“ Ich räusperte mich und folgte Negan auf sein Zimmer. Draußen setzte bereits der Sonnenuntergang ein. Ein wirkliches Zeitgefühl hatte ich schon lange nicht mehr. Es musste reichen, zu wissen wann ein Tag ungefähr begann und endete. „Willst du einen Drink?“, bot er mir an. „Gerne“. „Du hast Glück. Beim letzten Beutezug hat mir Dwight einen Scotch mitgebracht. Zwar schmeckt er im Gegensatz zu dem teuren Stoff wie Pisswasser, genießbar ist er im gewissen Rahmen.“ Negan stellte uns zwei Gläser auf den Tisch und goss uns von dem besagten Alkohol ein. „Scheisse“, er lachte, als er mich ansah. „Ich muss mich immer noch dran gewöhnen, dass du weit über der Volljährigkeit hinaus bist. Nun denn … Cheers.“ „Cheers.“ Wir stießen an. Der Scotch brannte in meiner Kehle, als ich den ersten Schluck genommen hatte. „Alles gut?“, Negan schmunzelte. Hustend nickte ich. Eine Weile beobachtete er mich, lehnte sich zurück in die Couch. Sie war alt und abgewetzt, dennoch mit das Bequemste auf dem ich seit langem gesessen hatte. Negans Nacken knackste. „Fuck“, stöhnte er. „Ich bin so verspannt. Dieser ganze Rotz mit den Rebellen lässt mich wohl noch schneller altern.“ Unsicher sah ich ihn an. „Wenn du möchtest, kann ich dich massieren“, bot ich ihm an. „Kannst du das denn?“, er zog eine Augenbraue empor. „Beschwert hat sich bisher niemand. Gut, es ist einige Zeit her. Ich denke allerdings, dass es wie bei Fahrradfahren ist. So etwas verlernt man nicht.“ „Ich bin wohl dein Versuchskaninchen, was?“ Lucille lag auf einem Stuhl, gegenüber von uns. Doch ich hatte keine Angst. Sie würde mir nichts tun … Negan würde mir nie schaden. „Vertrau mir“, sprach ich sanft. „Na schön, Boy. Aber nicht, dass du das als homoerotische Anspielung siehst.“ „I-ich“, haspelte ich. „Beruhig dich mein Schöner“, Negan brach in Gelächter aus. „Das war doch nur Spaß.“ Erleichtert atmete ich auf. Mit kreisenden Bewegungen begann ich ihn zu massieren. „Warte“, hielt er mich kurzerhand auf. „Jetzt da das geklärt ist, dass wir uns nur auf kumpelhafter Basis annähern, kann ich auch mein Shirt ausziehen, so kannst du das ordentlich machen.“ Er zog sein weißes T-Shirt über den Kopf. Ungewollt wurde mir warm. Negans Körper hatte es mir angetan. Innerlich verfluchte ich mich gerade, dass ich neidisch war auf die Frauen mit denen er Sex hatte. Obwohl ich wusste, dass es nicht richtig war. Diese Frauen waren ihm hörig. Sie taten es um überleben zu können. Natürlich nutzte Negan das zu seinem Vorteil aus. Aber für mich war er einfach kein Monster, sondern der Mann, der mich gerettet und sich um mich gekümmert hatte. „Oh mein Gott“, stöhnte er. Ich war völlig in der Massage vertieft gewesen. „Also ganz ehrlich Juls. Ein Typ hat mich bisher noch nie aus meinen Klamotten bekommen. Darauf kannst du dir etwas einbilden. Und dass du massieren kannst, holy shit das war untertrieben. Ich glaube, ich werde dich öfter dafür anheuern.“ Natürlich sagte ich nicht nein. Ich wollte in seiner Nähe sein. Da bot sich das an und außerdem verspürte ich den Wunsch mehr von Negan kennenzulernen. Es wurde unser Ritual. Ich verbrachte viele Abende und Nächte mit ihm zusammen. Bei mir konnte Negan runterkommen. Manchmal redeten wir gar nicht, sondern versanken dabei in unseren Gedanken. „Du hast mir noch nicht erzählt“, begann Negan plötzlich. „Wer du vor dem allen hier warst.“ „Vor der Apokalypse?“ Ich hielt inne. Das war eine gute Frage. Schon lange hatte ich nicht mehr über die Person nachgedacht, die ich vor dem Tag X gewesen war. „Ich …“, raunte ich. „Na ja, mein Leben war oftmals chaotisch. Im Grunde war ich ein Underdog. Ich fand nirgendwo so richtig Anschluss. Vielleicht weil ich für viele zu seltsam war. Schon in der Schulzeit konnten einige nichts mit mir anfangen. Und meine Eltern … für die war ich wohl die größte Enttäuschung.“ „Ja, Eltern können schwierig sein“, stimmte er mir zu. „Du sagst es“, ich stieß einen tiefen Seufzer aus. „Ich musste mich ständig beweisen und zeigen, dass ich einen Wert habe. Irgendwann wollte ich das nicht mehr mitmachen. Also bin ich weit weg gezogen, fernab meiner Familie. Ich weiß nicht einmal, was sie jetzt machen oder ob sie die Jahre überstanden haben.“ „Klingt, als wärst du ganz allein gewesen …“ „Bis zu einen gewissen Zeitpunkt hatte ich ein paar Freunde, Menschen, die mich akzeptierten wie ich bin. Leider hat keiner von ihnen überlebt. Danach war ich wieder allein. Aber genug von mir … ich werde dir bald mehr über mich erzählen. Mich interessiert eher, was du für ein Mensch warst.“ „Hmm“, Negan überlegte. Plötzlich wurde mir klar, dass dies das erste Mal war, dass ich ihn nach seiner Vergangenheit fragte. „Um ehrlich zu sein, weiß keiner, wie ich mein Leben vorher gelebt habe. Verstehst du? Menschen brauchen eine Illusion, an die sie sich klammern können. Eine Art Hoffnungsschimmer am fucking Firmament. Ich gebe ihnen das, was sie brauchen. Eine Vergangenheit kann da hinderlich sein. Ich bin praktisch ihr Retter, der eines Tages zu ihnen kam.“ „So wie ein Superheld?“, ich musste lächeln bei dieser Vorstellung. „Davon bin ich weit entfernt.“ Täuschte ich mich oder wirkte er für einen Moment reumütig? „Ich habe wirklich schlimme Dinge getan“, murmelte Negan. „Sachen, die du dir kaum vorstellen kannst.“ Er griff nach seinem Glas. Der letzte Scotch, den wir hatten. Über die Wochen hatten wir ihn uns gut eingeteilt. Mit einem Schluck leerte Negan das Glas. „Ich bin nur froh, dass du es nicht erleben musstest.‘ Ich schwieg. Nun nahm auch ich meinen letzten Tropfen Scotch, bevor ich Negan weiter massierte. „Es wäre gut möglich gewesen, dass du mich danach gehasst hättest“, offenbarte er mir. „Das denke ich nicht“, ich schüttelte den Kopf. „Sag es mir. Wir sind unter uns. Ich würde dich nie verurteilen, dafür verdanke ich dir zu viel.“ Seine braunen Augen blickten in meine. Mit einem Mal entspannte sich sein Gesicht. „Du bist ziemlich hartnäckig. Also gut, aber ich habe dich gewarnt.“ Negan erzählte mir was in den letzten Wochen passiert war. Von der Gruppe, die sich gegen seine Männer gestellt und ermordet hatte – ein Hinterhalt. Schließlich fand Negan den Täter. Er hieß Rick und hatte eine Zivilisation fernab des Sanctuarys aufgebaut. Natürlich konnte Negan dieses Verhalten nicht ungesühnt lassen. Also lockte er Rick in einen Hinterhalt. Allerdings tötete er nicht all seine Leute. Bestraft werden mussten sie aber. Demnach pickte sich Negan ein Opfer heraus, um ein Zeichen zu setzen. Nachdem sich jedoch einer der Truppe einmischte und ihn angriff, musste eine weitere Person dran glauben. Lucille war schließlich durstig geworden. Ich wusste, dass Negan zwar nur tötete, wenn es nötig war, dann jedoch in eine Art Blutrausch verfiel. Das hatte er mir bereits anvertraut gehabt. „Seine Frau, die des Opfers, hat zugesehen … sie ist schwanger. Verdammt harter Tobak. Ich musste so handeln. Sonst hätte Rick nie eingesehen, dass er einen Fehler gemacht hat. Aber fuck, irgendwie werde ich diesen Blick von ihr nicht los“, er hielt inne. „Wie denkst du jetzt … über mich?“ Mein altes Ich wäre wohl angewidert gewesen, hätte ihn für seine Tat verurteilt, doch mein neues Ich war tief in Negans Welt eingetaucht. Ich war zwar ich, aber ich war auch Negan. „Du … hast getan, was du musstest. Ich weiß, dass du es tust um uns und die anderen zu schützen. Diese Welt um dich herum … du hältst sie am Laufen. Manchmal müssen wohl solche Dinge getan werden, damit der Kreislauf funktioniert.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)