Demons von Ayane88 ================================================================================ Kapitel 1: Die Ankunft ---------------------- Er wirkte immer so stark, wie jemand, der wusste, was er wollte. Eine Person, die sich durch das Leben gekämpft hatte und nun seinen Platz inne hielt. Ich bewunderte ihn. Insgeheim konnte ich kaum den Blick von ihm abwenden. Er war ein überaus attraktiver Mann, sein Blick gefasst, aber doch konnte ich eine gewisse Melancholie darin erkennen – in diesen braunen Augen, die mich faszinierten. Die schwarze Lederjacke betonte seine Figur, drahtig und überaus anziehend. Seine Stimme strahlte diese Dominanz aus, die das Sanctuary zusammenhielt. Viele von uns hatten Angst vor ihm und doch waren wir alle er: Negan. Ich selbst kam vor einigen Monaten hierher. Meine alte Gruppe war nahezu ausgelöscht. Jedoch waren sie ohnehin eine Gefahr für mich. Wenn man anders war, hatte man es noch schwerer in dieser Welt zu bestehen. Und an mir war so vieles anders. Er fand mich halb verhungert im Wald. Ein Beißer hatte sich mir genähert, wahrscheinlich da mein Fleisch den nahenden Tod bereits ausstrahlte. Ich konnte nur ein dumpfes Geräusch hören und das Geschöpf lag vor mir, mitsamt zertrümmerten Schädel. „Bist du okay?“ Dies war das erste Mal, dass ich seine Stimme vernahm. „I-ich …“, keuchte ich. Er sagte nichts, schlang seine Arme um mich und hob mich empor. „Ich denke, dass du ärztliche Versorgung brauchst. Soll keine Beleidigung sein, aber du siehst aus wie ein Haufen Scheisse, mein Freund.“ Widersprechen konnte ich nicht. Also trug er mich ins Sanctuary. Bevor der Arzt sich meiner annahm, hielt ich ihn davon ab, mich genauer anzusehen. Negan, so hatte sich mein Retter vorgestellt, runzelte die Stirn. „Bitte, ich habe meine Gründe.“ Der Arzt und er sahen sich an, dann lachte er. „Stripsearch wird hier schon keiner mit dir machen“, er klopfte mir vorsichtig auf die Schulter. Meine Wunden, die sich auf meinem Oberkörper befanden wurden versorgt. Außerdem bekam ich Schmerzmittel und etwas zum Essen. Nachdem der Arzt gegangen war, blieb Negan eine ganze Weile noch bei mir. Er fragte mich, was ich bereits erlebt hatte und ich weihte ihn ein. Meine Gruppe hatte zum Schluss eher gegen einander gearbeitet. Einer von uns beraubte uns schließlich und zog mit den Waffen von dannen. „Wir konnten uns nicht mehr verteidigen. Und so verlor ich einen nach dem anderen. Zum Schluss war ich orientierungslos durch den Wald geirrt. Wahrscheinlich hatte ich schon resigniert und mit meinem Leben abschlossen. Da kamst du“, ich zwang mich zu einem Lächeln. „Man sagt immer, dass Menschen eine Ressource sind“, entgegnete er. „Allerdings … warst du mir irgendwie sympathisch, Junge.“ „Junge?“, ich lachte. „Wie alt schätzt du mich denn?“ „Um ehrlich zu sein, ich dachte du seist höchstens achtzehn bis zwanzig.“ „Ja, das denken viele. Nun ich bin zweiunddreißig.“ Er öffnete erstaunt den Mund und musterte mich. „Du siehst echt verdammt jung aus, scheiße!“ Ich mochte diese direkte Art mit der er sprach. Auch wenn ich später einiges über ihn erfuhr, das zum Teil erschreckend war. Der erste Eindruck von Negan war sympathisch. Außerdem hatte er mir das Leben gerettet! Negan war der erste Mensch, der sich wirklich um mich kümmerte und das seit langem. Bis ich mich richtig erholte, konnte ich auf der Krankenstation bleiben. Ich hatte mir jedoch geschworen, etwas zurückzugeben, so bald ich konnte. Als es mir wieder besser ging, zeigte mir Negan das Sanctuary. Ich war beeindruckt, was er hier alles aufgebaut hatte. „Es gab schon ewig keine Angriffe mehr von diesen Haufen wandelnder Scheiße da draußen“, meinte er und grinste. „Liegt wohl an uns. Wir beschützen auch die anderen. Daher nennen wir uns Saviors. Lucille hat dabei ziemlich mitgeholfen.“ Negan schwang seinen Baseballschläger. „Du hast … ihm einen Namen gegeben?“ „Ihr“, verbesserte er mich. „Sie ist eine Lady.“ „Sorry“, ich hustete. Irgendwie war er schon echt seltsam. Auf der anderen Seite fühlte ich mich bei ihm wohl. Viele im Sanctuary sahen ihn angsterfüllt an. Woran das lag, erfuhr ich später. Zunächst wollte Negan von mir wissen, warum ich Ärzten gegenüber so vorsichtig war. Natürlich konnte ich ihm nicht alles sagen. Ich wusste nicht einmal, ob er Menschen wie mir schon begegnet war. Damals in der normalen Welt, bevor die Apokalypse über uns herein brach. „Ich habe ziemlich schlechte Erfahrungen mit ihnen gemacht“, murmelte ich. Er schien immer noch skeptisch zu sein, also sagte ich ihm, dass ich in gewissen Punkten anders sei. Das ließ Negan anscheinend erweichen. Von diesem Tag an sicherte er mir seinen persönlichen Schutz zu. Er teilte mir etwa einen Raum zu, der in einem Korridor des Sanctuarys lag, der an seinem grenzte. Ich war beruhigt, dass man die Duschzellen schließen konnte. Des weiteren hatte mein Raum ein Waschbecken. „Nicht, dass die anderen sich wegen mir benachteiligt fühlen“, flüsterte ich. „Sie werden es verstehen“, Negan zuckte mit den Schultern. „Viele kamen absolut traumatisiert hier her. Da bist du nicht der Einzige. Finde dich jetzt erstmal ein und wenn du etwas brauchst, sag mir Bescheid.“ Damit ließ er mich allein. Mein Leben im Sanctuary begann. Kapitel 2: Ich bin Negan ------------------------ Mittlerweile waren ein paar Monate vergangen und ich hatte mich eingelebt. Den anderen Bewohnern des Sanctuarys war ich jedoch noch distanziert gegenüber. Sie sollten nicht zu viel von mir wissen. Es war auch eine gewisse Vorsichtsmaßnahme, die ich aus Eigenschutz traf. Nur ihm gegenüber konnte ich mich gelegentlich öffnen. In letzter Zeit schien Negan allerdings ziemlich ausgelaugt zu sein. Ich kam gerade von einem Raubzug wieder, als ich ihn draußen vor dem Sanctuary fand, an die Wand gelehnt. "Oh, du warst fleißig, Boy“, pfiff er anerkennend. Ich grinste. „Klar, immerhin möchte ich meinen Beitrag leisten. Wir alle sind Negan.“ „Du hast es erfasst“, er klang stolz. Innerhalb der letzten Monate hatte er mich geformt und mir beigebracht ein Kämpfer zu werden. Viele sagten, dass Negan uns nur als Ressourcen ansieht. Doch im Endeffekt war mir das egal. Ich war einfach gerne in seiner Nähe. „Du scheinst erschöpft zu sein“, sagte ich. „Ach“, grummelte Negan. „Alles okay. Zurzeit habe ich echt viel zu tun und Ärger mit einer bestimmten Gruppe. Da bahnt sich etwas an. Genug davon.“ Er seufzte. „Warum leistest du mir nicht etwas Gesellschaft? Ich könnte ein nettes Gespräch gebrauchen.“ „Ähm, natürlich.“ Ich räusperte mich und folgte Negan auf sein Zimmer. Draußen setzte bereits der Sonnenuntergang ein. Ein wirkliches Zeitgefühl hatte ich schon lange nicht mehr. Es musste reichen, zu wissen wann ein Tag ungefähr begann und endete. „Willst du einen Drink?“, bot er mir an. „Gerne“. „Du hast Glück. Beim letzten Beutezug hat mir Dwight einen Scotch mitgebracht. Zwar schmeckt er im Gegensatz zu dem teuren Stoff wie Pisswasser, genießbar ist er im gewissen Rahmen.“ Negan stellte uns zwei Gläser auf den Tisch und goss uns von dem besagten Alkohol ein. „Scheisse“, er lachte, als er mich ansah. „Ich muss mich immer noch dran gewöhnen, dass du weit über der Volljährigkeit hinaus bist. Nun denn … Cheers.“ „Cheers.“ Wir stießen an. Der Scotch brannte in meiner Kehle, als ich den ersten Schluck genommen hatte. „Alles gut?“, Negan schmunzelte. Hustend nickte ich. Eine Weile beobachtete er mich, lehnte sich zurück in die Couch. Sie war alt und abgewetzt, dennoch mit das Bequemste auf dem ich seit langem gesessen hatte. Negans Nacken knackste. „Fuck“, stöhnte er. „Ich bin so verspannt. Dieser ganze Rotz mit den Rebellen lässt mich wohl noch schneller altern.“ Unsicher sah ich ihn an. „Wenn du möchtest, kann ich dich massieren“, bot ich ihm an. „Kannst du das denn?“, er zog eine Augenbraue empor. „Beschwert hat sich bisher niemand. Gut, es ist einige Zeit her. Ich denke allerdings, dass es wie bei Fahrradfahren ist. So etwas verlernt man nicht.“ „Ich bin wohl dein Versuchskaninchen, was?“ Lucille lag auf einem Stuhl, gegenüber von uns. Doch ich hatte keine Angst. Sie würde mir nichts tun … Negan würde mir nie schaden. „Vertrau mir“, sprach ich sanft. „Na schön, Boy. Aber nicht, dass du das als homoerotische Anspielung siehst.“ „I-ich“, haspelte ich. „Beruhig dich mein Schöner“, Negan brach in Gelächter aus. „Das war doch nur Spaß.“ Erleichtert atmete ich auf. Mit kreisenden Bewegungen begann ich ihn zu massieren. „Warte“, hielt er mich kurzerhand auf. „Jetzt da das geklärt ist, dass wir uns nur auf kumpelhafter Basis annähern, kann ich auch mein Shirt ausziehen, so kannst du das ordentlich machen.“ Er zog sein weißes T-Shirt über den Kopf. Ungewollt wurde mir warm. Negans Körper hatte es mir angetan. Innerlich verfluchte ich mich gerade, dass ich neidisch war auf die Frauen mit denen er Sex hatte. Obwohl ich wusste, dass es nicht richtig war. Diese Frauen waren ihm hörig. Sie taten es um überleben zu können. Natürlich nutzte Negan das zu seinem Vorteil aus. Aber für mich war er einfach kein Monster, sondern der Mann, der mich gerettet und sich um mich gekümmert hatte. „Oh mein Gott“, stöhnte er. Ich war völlig in der Massage vertieft gewesen. „Also ganz ehrlich Juls. Ein Typ hat mich bisher noch nie aus meinen Klamotten bekommen. Darauf kannst du dir etwas einbilden. Und dass du massieren kannst, holy shit das war untertrieben. Ich glaube, ich werde dich öfter dafür anheuern.“ Natürlich sagte ich nicht nein. Ich wollte in seiner Nähe sein. Da bot sich das an und außerdem verspürte ich den Wunsch mehr von Negan kennenzulernen. Es wurde unser Ritual. Ich verbrachte viele Abende und Nächte mit ihm zusammen. Bei mir konnte Negan runterkommen. Manchmal redeten wir gar nicht, sondern versanken dabei in unseren Gedanken. „Du hast mir noch nicht erzählt“, begann Negan plötzlich. „Wer du vor dem allen hier warst.“ „Vor der Apokalypse?“ Ich hielt inne. Das war eine gute Frage. Schon lange hatte ich nicht mehr über die Person nachgedacht, die ich vor dem Tag X gewesen war. „Ich …“, raunte ich. „Na ja, mein Leben war oftmals chaotisch. Im Grunde war ich ein Underdog. Ich fand nirgendwo so richtig Anschluss. Vielleicht weil ich für viele zu seltsam war. Schon in der Schulzeit konnten einige nichts mit mir anfangen. Und meine Eltern … für die war ich wohl die größte Enttäuschung.“ „Ja, Eltern können schwierig sein“, stimmte er mir zu. „Du sagst es“, ich stieß einen tiefen Seufzer aus. „Ich musste mich ständig beweisen und zeigen, dass ich einen Wert habe. Irgendwann wollte ich das nicht mehr mitmachen. Also bin ich weit weg gezogen, fernab meiner Familie. Ich weiß nicht einmal, was sie jetzt machen oder ob sie die Jahre überstanden haben.“ „Klingt, als wärst du ganz allein gewesen …“ „Bis zu einen gewissen Zeitpunkt hatte ich ein paar Freunde, Menschen, die mich akzeptierten wie ich bin. Leider hat keiner von ihnen überlebt. Danach war ich wieder allein. Aber genug von mir … ich werde dir bald mehr über mich erzählen. Mich interessiert eher, was du für ein Mensch warst.“ „Hmm“, Negan überlegte. Plötzlich wurde mir klar, dass dies das erste Mal war, dass ich ihn nach seiner Vergangenheit fragte. „Um ehrlich zu sein, weiß keiner, wie ich mein Leben vorher gelebt habe. Verstehst du? Menschen brauchen eine Illusion, an die sie sich klammern können. Eine Art Hoffnungsschimmer am fucking Firmament. Ich gebe ihnen das, was sie brauchen. Eine Vergangenheit kann da hinderlich sein. Ich bin praktisch ihr Retter, der eines Tages zu ihnen kam.“ „So wie ein Superheld?“, ich musste lächeln bei dieser Vorstellung. „Davon bin ich weit entfernt.“ Täuschte ich mich oder wirkte er für einen Moment reumütig? „Ich habe wirklich schlimme Dinge getan“, murmelte Negan. „Sachen, die du dir kaum vorstellen kannst.“ Er griff nach seinem Glas. Der letzte Scotch, den wir hatten. Über die Wochen hatten wir ihn uns gut eingeteilt. Mit einem Schluck leerte Negan das Glas. „Ich bin nur froh, dass du es nicht erleben musstest.‘ Ich schwieg. Nun nahm auch ich meinen letzten Tropfen Scotch, bevor ich Negan weiter massierte. „Es wäre gut möglich gewesen, dass du mich danach gehasst hättest“, offenbarte er mir. „Das denke ich nicht“, ich schüttelte den Kopf. „Sag es mir. Wir sind unter uns. Ich würde dich nie verurteilen, dafür verdanke ich dir zu viel.“ Seine braunen Augen blickten in meine. Mit einem Mal entspannte sich sein Gesicht. „Du bist ziemlich hartnäckig. Also gut, aber ich habe dich gewarnt.“ Negan erzählte mir was in den letzten Wochen passiert war. Von der Gruppe, die sich gegen seine Männer gestellt und ermordet hatte – ein Hinterhalt. Schließlich fand Negan den Täter. Er hieß Rick und hatte eine Zivilisation fernab des Sanctuarys aufgebaut. Natürlich konnte Negan dieses Verhalten nicht ungesühnt lassen. Also lockte er Rick in einen Hinterhalt. Allerdings tötete er nicht all seine Leute. Bestraft werden mussten sie aber. Demnach pickte sich Negan ein Opfer heraus, um ein Zeichen zu setzen. Nachdem sich jedoch einer der Truppe einmischte und ihn angriff, musste eine weitere Person dran glauben. Lucille war schließlich durstig geworden. Ich wusste, dass Negan zwar nur tötete, wenn es nötig war, dann jedoch in eine Art Blutrausch verfiel. Das hatte er mir bereits anvertraut gehabt. „Seine Frau, die des Opfers, hat zugesehen … sie ist schwanger. Verdammt harter Tobak. Ich musste so handeln. Sonst hätte Rick nie eingesehen, dass er einen Fehler gemacht hat. Aber fuck, irgendwie werde ich diesen Blick von ihr nicht los“, er hielt inne. „Wie denkst du jetzt … über mich?“ Mein altes Ich wäre wohl angewidert gewesen, hätte ihn für seine Tat verurteilt, doch mein neues Ich war tief in Negans Welt eingetaucht. Ich war zwar ich, aber ich war auch Negan. „Du … hast getan, was du musstest. Ich weiß, dass du es tust um uns und die anderen zu schützen. Diese Welt um dich herum … du hältst sie am Laufen. Manchmal müssen wohl solche Dinge getan werden, damit der Kreislauf funktioniert.“ Kapitel 3: Lucille ------------------ Meine Worte schienen ihn zu beruhigen. Seine Gesichtszüge entspannten sich merklich, was mich glücklich stimmte. „Ab und zu denke ich mir, dass du zu gut für diesen Ort bist“, sprach Negan. „Das Sanctuary ist mein Zuhause. Ich fühle mich hier wohl.“ „Immerhin“, brummte er. Danach stand Negan auf und zog sein Shirt an. „Entschuldige“, er versuchte ein Lächeln aufzusetzen. „Gefühle sind nicht so mein Ding. Ich glaube, die Einzige, die mich wirklich emotional gesehen hat ist Lucille. Mein Baby kennt mich eben gut. Sie war es auch, vor der Daddy das letzte Mal weinte.“ Meine Neugier war groß, warum er ausgerechnet einen Baseballschläger einen Namen gegeben hatte. Doch ich traute mich nicht zu fragen. Immerhin wollte ich Negan nicht auf den Schlips treten. „Dich scheint etwas zu beschäftigen, Boy. Raus damit.“ „Ach“, ich schüttelte den Kopf. „Schon gut.“ Es klopfte. „Komm rein“, wies er an. Eine rothaarige Schönheit betrat das Zimmer, sie war neu in Negans Harem. Ihren Namen wusste ich nicht mehr, aber ich hatte ihn schon mal gehört. „Sorry, Juls“, raunte er. „Kein Problem", ich stand auf und nickte ihr zu. „Schlaf später gut.“ Sie sahen mir nach. „Du auch“, konnte ich seine Stimme noch vernehmen. Mit einem Mal hatte ich es eilig von ihm weg zu kommen. Natürlich wusste ich, dass er hin und wieder Damenbesuch bekam. Dennoch traf es mich und ich konnte mir nicht erklären warum. Oder doch? Ich versuchte meine Gedanken abzustreifen. Wir hatten schon genug Probleme. Zwar erweiterte Negan unser Territorium, wir wussten aber, dass uns das jederzeit wieder genommen werden konnte. Hinzu kam, dass draußen Beißer herum liefen, bereit uns die Haut vom Körper zu ziehen. In meinem Zimmer angekommen, schloss ich die Tür hinter mir und verweilte einige Zeit auf der Stelle. „Negan“, dröhnte es in meinem Kopf. Seine Stimme, seine Augen, sein Körper, die Art, wie er sich bewegte – es machte mich wahnsinnig. Warum war ich ihm so verfallen? Eventuell wäre ich sogar besser bei den Rebellen dran, wenn man bedachte, was Negan getan hatte. „Und trotzdem … würdest du ihn nicht verlassen“, flüsterte ich zu mir selbst. Ich hatte mich selbst aufgegeben gehabt, er allerdings hatte mich gerettet, sich meiner angenommen. Einem völlig Fremden. Ich fasste mich, schlüpfte aus meinen Sachen, bis auf die Boxershorts, die behielt ich an. Übermüdet legte ich mich ins Bett. Schnell versank ich in tiefen Schlaf und träumte von ihm. Er war mir so nahe, tat Dinge mit mir, die ich schon lange nicht mehr erlebt hatte. Ich spürte seinen, für mich perfekten, Körper. Negans Hände streichelten mich. „Warte“, ich hielt ihn davon ab, tiefer zu gehen. „Ich weiß nicht ob …“ „Psst, es ist okay“, flüsterte er in mein Ohr. „Du brauchst dich nicht zu schämen, nicht vor mir.“ Ich ließ mich gehen und vertraute ihm. Bevor wir jedoch weiter gehen konnten, wachte ich auf. An mir klebte der Schweiß und ich merkte, dass ich keuchte. Eine Hand war in meiner Boxershorts. „Du bist doch echt kaputt“, beleidigte ich mich innerlich selbst. Ich sprang auf und wollte nur noch eins – duschen und Negan aus meinen Gedanken bekommen. ***** Als er aufwachte, war Holly schon fort. Sie hatten die Nacht zusammen verbracht. Ihm war bewusst, dass Holly dies weniger freiwillig tat, viel mehr um überleben zu können. Dennoch zwang Negan sie zu nichts. Das tat er bei keiner Frau aus seinem Harem. Nichtsdestotrotz war es falsch, das wusste er. Manchmal kam er sich vor, als lebte er nur noch für seine Triebe. Gut , er hielt das Sanctuary am Leben und auch wenn er zwielichtige Methoden für dessen Schutz nutzte, so war es ihm doch wichtig. Negan war kein Held. Trotzdem hatte er neben all dem moralische Werte. „Fuck off“, brummte er und quälte sich empor. Immerhin hatte er weniger Schmerzen, seitdem Juls ihn regelmäßig massierte. Er wusste, wie und wo er ihn berühren musste. „Der Boss scheint diesem Typen verfallen zu sein, sie verbringen ziemlich viel Zeit zusammen“, hatte er letztens einen von Simons Kumpanen reden hören. "Macht er mich weich?“, grübelte Negan. Unsinn! Juls tat ihm zwar gut, aber er war einfach nur einer von ihnen. Sie alle waren Saviors. Man konnte jedoch nicht bestreiten, dass Negan schon gewisse Sympathien für ihn hegte. Er erwischte sich sogar dabei, dass er häufiger vor sich hin lächelte. „Oh man, bist du sentimental“, meinte Negan verachtend zu sich selbst. „Das klingt fast alles so, als ob du ihn in irgendeiner Form anziehend findest. Du bist doch nicht schwul, geschweige den bisexuell!“ Mit einem Satz verließ er das Bett. „Autsch“, Negan blickte an sich hinab. Auf seinem Oberkörper waren Kratz- sowie Bissspuren, die Holly zu verdanken waren. Sie war es, die dieser Seite an ihm nachgeben konnte. Daher war der Sex mit ihr wohl so intensiv. Unterbewusst lag dies wahrscheinlich auch daran, dass Negan so einiges von dem, was ihn innerlich quälte, für einen Moment verdrängen konnte. Das was Holly mit ihm tat, beruhte nicht auf Gegenseitigkeit. Er war tatsächlich sehr sanft zu ihr. „Du bist und bleibst ein Schwein“, schrie seine innere Stimme ihn an. „Halt die Klappe“, schnauzte Negan laut. Der Tag hatte schon begonnen und es wurde Zeit Geschäftliches zu regeln. Er musste Rick einen Besuch abstatten, ihm zeigen, dass er der Boss war. Dieses verfluchte Arschloch plante bestimmt schon den Aufstand. Man musste ihn klein halten, bevor er noch auf dumme Ideen kam. "Na, meine Schöne, hast du gut geschlafen?“, fragte Negan Lucille, die auf dem Stuhl neben dem Bett lag. Sie sollte es schließlich bequem haben. Seine Hand griff nach ihr. „In diesem riesigen Haufen Scheiße, den wir Welt nennen, bist du die Einzige, auf die ich mich komplett verlassen kann. Du würdest mir nie in den Rücken fallen, nicht wahr?“ „Boss?“, es war Simon, der ihn aufhielt. „Gehst du heute zu den Rebellen oder soll ich mich darum kümmern?“ „Lass mich das mal machen. Ricky Boy soll sehen, wer die Hosen an hat und ich habe mich lange nicht mehr blicken lassen. Kann ja sein, dass meine kleinen Schützlinge, vergessen haben, wer ich bin.“ „Na schön. Dann werde ich mich nach Hilltop begeben. Wer soll dich nach Alexandria begleiten?“ Negan überlegte und nannte wenig später einige Namen. „Was ist mit Juls?“, Simon hob eine Augenbraue empor. „Was soll mit ihm sein?“ „Na ja, du hast ihn bisher nie mitgenommen. Wie ich das sehe, hat er doch gute kämpferische Qualitäten. Sollten wir diese nicht einsetzen?“ Dieser Hund! Negan wusste genau worauf Simon hinaus wollte. Insgeheim unterstellte er ihm Juls zu schonen oder dass er, in irgendeinem Punkt, wenn auch nur platonisch, Gefühle für ihn entwickelt hatte. „Er hat seinen Platz erstmal hier auf der Basis. In Alexandria brauche ich ein eingespieltes Team und darf mir keine Experimente erlauben“, antwortete Negan harsch. „Ganz wie du meinst, Boss …“ Innerlich brodelte er wegen Simons Frechheit. Das Schlimme daran war, dass er nicht gänzlich unrecht hatte. Negan wollte Juls diesen Anblick ersparen. Obwohl er stets betonte, dass er alles für die Saviors geben würde. In seinem Kern war Juls noch zu gut, noch hatte er sich die Hände nicht so schmutzig gemacht wie Negan. Vor seinem geistigen Auge kam das Bild jenes Mannes empor, den er ermordet hatte – direkt vor den Augen seiner Frau. Wieder und wieder hatte Negan auf seinen Schädel eingeschlagen, bis nichts mehr von ihm übrig geblieben war. In jenen Momenten genoss er es sogar. War Negan krank? Man sagte, dass man ein Monster braucht um andere Monster zu besiegen. Also war er eines geworden, die Situation hatte es so erfordert. Aber ihre Augen verfolgten ihn. Dieser Blick, der voller Verachtung und Hass war. Sie hätte ihn ohne mit der Wimper zu zucken getötet. Etwas in ihm, wünschte sich sogar genau das. So konnte er wieder bei Lucille sein. Negan erinnerte sich an Juls fragenden Blick, als es um seinen Baseballschläger ging. Sollte er ihn einweihen, was es mit Lucille auf sich hatte? „Erstmal steht das Geschäft an“, motivierte er sich. Als er von Alexandria zurück kam, stand Juls bereits vor seiner Tür. „Du hast auf mich gewartet?“ „Irgendwie wusste ich, dass du bald zurück bist“, der Blonde lächelte. „Hm, du bist wohl ein echter Fuchs“, in Negans Stimme schwang Freude mit. Die Leute von Rick hatten ihm nur hasserfüllte Blicke geschenkt. Sie schätzten es nicht einmal, dass er sich um sie kümmerte und ihnen Feinde vom Leib hielt. Juls war da anders – er respektierte Negan nicht nur, er gab ihm ein Gefühl willkommen zu sein. Kapitel 4: Geständnisse ----------------------- „Es tut mir leid“, sprach er ruhig „dass ich dich gestern so vergrault hatte.“ „Mach dir nicht solche Gedanken. Es ist okay, du bist mir da nichts schuldig.“ Klang ich zu hart? Im Grunde meinte ich es nur so, wie ich es gesagt hatte. Negan schuldete mir nichts. Ich war es, der viel wieder gut zu machen hatte. „Ich … wollte nicht so harsch rüberkommen“, meinte ich hastig. „Ach, Sweetheart. Ich bin nicht aus Pudding und komme mit solchen Worten schon klar“, in seiner Stimme erklang Sarkasmus. Negan wirkte ziemlich erschöpft, mit einem Satz ließ er sich auf der Couch nieder. „Komm zu mir“, wies er mich an. Ich erwiderte nichts und gehorchte. Negans Augen wandten sich Lucille zu. „Ein Vögelchen zwitscherte mir, dass du dich für mein Mädchen interessierst.“ „Wie meinst du das?“ Er sprach darüber, wie er meine Neugierde bemerkt hatte, was Lucille angeht. „Ich habe das Gefühl, dass mehr hinter euch beiden steckt“, traute ich mich auszusprechen. Negans Lippen bewegten sich stumm. Haderte er mit sich? Für einen kurzen Moment bekam ich tatsächlich Angst, dass er nach ihr greifen und mir den Schädel zertrümmern würde. Seine Augen hatten die Wärme verloren, die Negan mir sonst schenkte. Eine Hand legte sich auf meine Schulter. Ungewollt zuckte ich zusammen. „Hast du Angst vor mir?“, fragte Negan mich. „Für den Augenblick … ja“, gestand ich. Er ließ seine Hand dort verweilen. „Ich würde dir nie etwas tun …“ „Das weiß ich im Grunde genommen, entschuldige.“ Mit einem Mal wirkte Negan wieder ganz anders. Man könnte meinen, dass er fast verletzlich erschien. „Wie siehst du mich, Juls?“ „Hmm …“ Nun lehnte auch ich mich zurück. Wie Negan auf mich wirkte? Da gab es so viel. Ich konnte das gar nicht alles in Worte fassen. Bestimmt würde er mich für absonderlich halten. Dennoch war ich ihm eine Antwort schuldig. „Du bist stark und charismatisch. Der perfekte Anführer. Ohne dich wären wir aufgeschmissen. Ich sehe jeden Tag, wie du dich für das Sanctuary aufopferst. Um ehrlich zu sein bewundere ich dich und eventuell sollte ich das gar nicht, ja. Aber ich tue es.“ „Und“, er seufzte „neben all dem … verbringst du gerne Zeit mit mir? Damit meine ich nicht unser Verhältnis als Boss und Untergebener, wie viele mich hier sehen. Viel mehr ob du mich freundschaftlich magst?“ Mein Herz machte einen Sprung. Wenn Negan wüsste, wie ich ihn wirklich sah … Reflexartig schüttelte ich den Kopf. „Also nicht?“ „N-nein, so war das nicht gemeint.“ Ich war unsicher. Trotz meiner zweiunddreißig Jahre kam ich mich vor wie ein Kind in diesem Moment. „Ich mag dich“, eröffnete ich ihm. „Du bist einer der wenigen Sachen, auf die ich mich freue. Dank dir, fühle ich mich gewissermaßen wieder lebendig, so fern man das in dieser Welt kann.“ „Juls …“ Die Hand, die bis dato auf meiner Schulter gelegen hatte, bewegte sich. Er fuhr in Richtung meines Kopfes. Sanft tätschelte Negan mein Haar. „Mir geht es ähnlich“, er lächelte „allerdings darf ich mir auch keine Schwäche erlauben. Auf der Basis muss ich gewisse Distanz zu dir halten. Sonst könnte uns das beide ziemlich in die Scheiße ziehen. Eher in ein richtiges Gefälle von Kot! Glaub mir, das willst du nicht erleben.“ „Ich weiß, dass Simon mich beobachtet“, gestand ich „du musst mich nicht schonen.“ „Nun, mir ist bewusst, dass du kein totaler Noob bist, was Kämpfen angeht. Doch das ist eine andere Sache. Rick und seine Leute sind nicht ohne. Sie haben eine Menge meiner Männer getötet. Ich will, dass du überlebst. Hörst du? Halte Stellung hier im Sanctuary, stütze sie. Sei meine Geheimwaffe, wenn die meisten fallen.“ „Du traust mir so viel zu?“ Negan nickte bedeutend. „Ich habe gesehen, was du kannst. Einige hier können sich hinter dir verstecken!“ Mir wurde warm. Er wusste, dass er mich um alles bieten könnte. Ich würde es tun. Wenn es sein müsste, dann würde ich Negan mit meinem Leben beschützen – eine Sache, der ich mir schon länger bewusst geworden war. „Ich werde dir überall hin folgen“, äußerte ich schließlich „wenn du möchtest, dass ich das Sanctuary schütze, tue ich es.“ Seine Augen leuchteten auf. „Guter Junge“, er strich über meine Wange. „Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann.“ Ich genoss Negans Berührungen sichtlich, auch wenn sie von seiner Seite anders gemeint waren. „Das bin ich dir schuldig, nicht nur, weil du mich gerettet hast, sondern ebenfalls als Freund.“ Wir sahen einander an. Mir kam es öfter so vor, als könnte Negan direkt in mein Inneres blicken. Mir machte das Angst, denn ich wollte nicht, dass er erfuhr wie ich für ihn empfinde. „Du hast Recht“, Negan räusperte sich „was Lucille angeht, sie hat nicht ohne Grund diesen Namen. Es ist der meiner toten Frau.“ Er war verheiratet gewesen? Ich Dummerchen. Natürlich war er das. Negan hatte ein Leben hier vor gehabt, eins ohne Beißer, den täglichen Kampf ums Überleben, Flucht und Tod. Ob sie Kinder hatten? „Ich weiß, dass es seltsam klingt, aber du erinnerst mich an sie, an ihre Art. Sie stand immer vollkommen hinter mir, egal was für einen Mist ich verzapfte. So jemanden wie Lucille habe ich nie verdient gehabt. Ja, sie war zu gut für meine kaputte Welt. Schon vor dem Tag X war ich kein allzu guter Mensch gewesen. Sie gab mir alles … sämtliche Lebensenergie steckte sie in mich hinein. Was tat ich?“ Negan hielt inne und ließ den Blick durch seinen Raum wandern. „Ich habe sie betrogen … nicht nur einmal. Lucille hat mir verziehen. Obwohl ich sie behandelt habe wie Dreck. Das bereue ich bis heute. Wahrscheinlich werde ich mir das nie ganz verzeihen. Auch wenn sie mir keine Vorwürfe gemacht hatte.“ Etwas sagte mir, dass ich ihm zeigen sollte, dass er nicht alleine war. Also nahm ich Negans Hand. Seine umschloss nun die meine. Ich atmete befreit auf. Meine vorherige Angst, er könnte diese Geste als Annährungsversuch meinerseits werten, löste sich in Luft auf. Ich war einfach nur ein guter Freund, nicht mehr aber auch nicht weniger. „Sie starb“, flüsterte er. „Zum Glück bekam sie diese Welt nicht mit. Es geschah vor der totalen Verseuchung. Sie hatte Krebs …“ Sein Griff verfestigte sich. „Als sie schließlich von ihrem Leid erlöst wurde, erwachte sie und wurde etwas anderes, nicht mehr die Frau, die ich geliebt habe. Ich stand nur da, unfähig zu handeln.“ Unfähig ein Wort zu sagen, versuchte ich zumindest physisch für ihn da zu sein. „Das war meine größte Sünde. Ich habe sie nicht von ihrem Leid erlöst. Lucille … ich vermisse sie jeden Tag. Nach all der Zeit konnte ich sie nicht vergessen. Mein Herz ist wohl mit ihr gestorben. Was tat ich um ihr Erbe zu bewahren? Ich nenne einen dummen Baseballschläger nach Lucille. Als würde sie das wieder lebendig machen. Trotzdem ist es meine einzige Erinnerung an sie.“ „Negan, du hast sie wohl sehr geliebt“, dachte ich. Draußen auf dem Gang konnten wir zwei Saviors hören. Sie redeten über Rick und die Rebellen. Ich bekam ihre Worte allerdings kaum mit und ihm ging es wohl ähnlich. „Scheiße, ich bin so ein kaputter Bastard. Sag das bloß keinem. Normalerweise habe ich hier den Größten. Der Rest muss nicht erfahren, wie es innerlich in mir aussieht.“ „Das bleibt zwischen uns“, schwor ich ihm. „Sehr gut“, Negan legte seinen Kopf auf meiner Schulter ab. „Manchmal tut einem so eine nicht homoerotische Nähe schon gut. Und bei dir ist es ohnehin etwas anderes. Du bist nicht einer dieser typischen Menschen, die mir jeden Tag die Eier graulen, sie tief in den Mund nehmen und auf deren produzierter Schleimspur ich nachher ausrutsche. Bei dir sehe ich, dass du es ehrlich meinst.“ Wow, seine Worte gingen runter wie Öl. Ich fühlte mich sichtlich geehrt. „Na ja“, ich hustete „du bedeutest mir eben viel. I-ich meine rein platonisch!“ „Schon klar, Boy, das brauchst du nicht extra zu betonen“, Negan lachte. Mein Körper entspannte sich langsam. Natürlich konnte ich ihm nicht gerne so nahe sein, wie ich das gerne hätte. Aber eine gute Freundschaft bedeutete mir auch viel. Seither waren wir noch vertrauter miteinander. Da ich vorsichtig gegenüber den anderen Saviours war, zeigte ich meine Sympathie jedoch nicht offen. Außerdem übernahm ich mehr Aufgaben. Negan teilte mich ins Überwachungsteam ein. Wir hatten einige um uns gesammelt, denen wir ein Dorn im Auge waren. Zwangsläufig musste ich mir hin und wieder die Hände schmutzig machen, das blieb wohl nicht aus. Jedoch hatte ich ein Ziel: Jemanden zu schützen, der mir viel bedeutete. Es war dieser Augenblick, in dem mir klar wurde, dass ich mich in Negan verliebt hatte Kapitel 5: Dämonen ------------------ Es kam selten vor, dass Negan sich Personen anvertraute, was seine Vergangenheit und sein Innenleben betraf. Daher war er selbst überrascht, dass er das bei Juls so ohne Weiteres konnte. Jedoch war seine Aussage nicht gelogen, dass dieser ihn an seine Frau erinnerte. Seit ihrem ersten richtigen Gespräch, hatte Negan schon so empfunden. Überhaupt hatte er, auch wenn er Anführer der Saviors war, ein eher zwigespaltenes Verhältnis zu Menschen. Nach außen gab er sich zwar freundlich, doch innerlich rechnete Negan jederzeit mit Verrat. Sein Gefühl täusche ihn bisher nie. Auch Rick hatte er richtig eingeschätzt. Dessen Sohn Carl jedoch war ein anderes Kaliber. Nicht nur, dass der kleine Scheißer es wagte, ein paar seiner Männer umzunieten, er hatte ihm auch noch offen gedroht und war ins Sanctuary eingedrungen! Und trotzdem respektierte Negan ihn. Hätten er und Lucille einen Sohn gehabt, vielleicht wäre dieser dann wie Carl geworden. Negan entwickelte väterliche Gefühle für ihn. Ja, Carl war ihm wichtig geworden. Ebenso wie Juls es war. „Ich will beide nicht verlieren“, murmelte Negan, den Blick auf die Tore des Sanctuarys gerichtet. Carl konnte er aufnehmen, ihn formen, wenn er erstmals die Sache mit Rick geklärt hatte. Es gab so vieles, was er ihm beibringen wollte. Allerdings ohne aus ihm eine zweite Version seiner Selbst zu schaffen. Manchmal träumte Negan, wenn er dann mal welche hatte, obszönes und wirres Zeug. Jedenfalls für ihn. In dieser Pseudorealität lebte er ein Leben abseits des Sanctuarys – gemeinsam mit Juls und Carl. Er war nicht mehr für die Saviors verantwortlich, sondern nur noch für die, die ihm etwas bedeuteten und sich selbst. Sie schlugen sich durch diese Welt und doch war Negan in diesen Träumen glücklich. Er hatte nie den Mann der Braunhaarigen ermordet, nie diesen Blutdurst gespürt, der seinen Verstand berauschte wie Ecstasy. Oder wie Negan sich das vorstellte, er hatte bisher nie was eingenommen. Noch gut konnte er sich daran erinnern, als er Lucille fand. Sie hatte ihn förmlich angezogen und er brauchte eine Waffe, mit der er sich verteidigen konnte. Direkt hinter Negan war dann plötzlich ein Beißer aufgetaucht. Reflexartig griff er damals nach seinem Baby und schlug dieser Ausgeburt der Hölle, den bereits verrotteten, Schädel ein. Wäre es doch bei Beißern geblieben. Irgendwann kam sein erstes lebendes Ziel dazu. Zu dem Zeitpunkt war Negan noch alleine gewesen. Es hatte ihn in ein leerstehendes Haus geführt. Er wusste, als wäre es heute gewesen, wie sich sein Magen anfühlte. Alles was er wollte war diesen zu füllen. Auch wenn etwas in Negan am liebsten mit seiner Frau gegangen wäre, sie hätte nicht gewollt, dass er starb. Also kämpfte er. In den Schränken waren noch Dosenravioli. Völlig ausgezehrt setzte sich Negan an den Küchentisch, froh etwas Brauchbares gefunden zu haben. Bis er hinter sich Geräusche vernahm und ein durchgedrehter Typ mit Messer auf ihn zu gerannt kam. "Du dreckige Made, dass hier ist mein Territorium. Such dir gefälligst einen anderen Platz.“ „Entschuldige, ich … ich … wollte einfach nur etwas essen. Ich habe seit Tagen kaum einen Bissen gehabt.“ „Das ist mir herzlich egal!“ Völlig von Sinnen stach der Dude zu, doch Negan konnte ausweichen. Er griff nach Lucille und schlug zu. Zuerst ein Kopfschlag, bis sich etwas in ihm veränderte. Wieder und wieder prügelte Negan auf sein Opfer ein. „Hast du nun davon, du abartiges Schwein“, grölte er. Seine Stimme verwandelte sich in ein schallendes Gelächter. Der komplette Boden war mit Hirnmatsch und Blut bedeckt. Der Mann war ein ekliger Fleischpudding geworden. Ab diesem Tag starb der alte Negan und an dessen Stelle trat eine andere Person. Wie viele Personen er bereits getötet hatte, wusste er nicht. Irgendwann verlor man den Überblick. So viel Blut klebte an seinen Händen. Einige seiner Feinde nannten ihn einen Dämon. Man begann Negan und seine Präsenz zu fürchten. Praktisch im Alleingang gründete er die Saviors. Nicht ohne Grund. Negan war zwar kaltblütig geworden, aber nicht gänzlich ohne moralische Werte. So nahm er sich vor die Schwächeren zu schützen. Er wollte damit seinen Beitrag leisten. Auch Rick wollte er im Grunde retten. Dieser war jedoch so unglaublich engstirnig und beschränkt, dass er es einfach nicht erkannte. Was folgte darauf? Er musste Disziplin anwenden. Ohne die Einmischung von Rick wäre dieser Soldat und der Mann, der Witwe nie gestorben. „Ja“, raunte Negan und sah der Sonne zu, die langsam unterging „solche Menschen brauchen eine harte Hand. Ich rette Existenzen!“ Um das zu verdeutlichen nickte er sich selbst zu, danach ging er in sein Zimmer. Dort ging Negan die Pläne durch, die er sich für die Tage setzte, bis es klopfte. Sein Herz machte einen Sprung, denn er musste unwillkürlich an Juls denken. „Komm rein“, wies er enthusiastisch an. Seine Enttäuschung war groß, als nicht sein mittlerweile bester Freund, sondern Holly vor ihm stand. Die hatte er ja völlig vergessen. Sie kam auf ihn zu. „Du wirkst überrascht? Alles okay?“ „Hm, ja“, grummelte Negan. Ihre Hand fuhr über seine Brust. „Du weißt doch, dass ich für heute eingeplant war“, sie setzte ein Lächeln auf. Ihr Gesicht kam näher und sie knabberte zärtlich an Negans Ohrläppchen. Normalerweise wäre er darauf voll eingestiegen, aber heute war ihm nicht nach physischer Annäherung in dieser Art. Er nahm sie beiseite. „Entschuldige, ich kann das gerade nicht. Nimm dir doch einfach den Tag für dich, ja?“ Sanft schob Negan sie vor die Tür. Holly blinzelte verwirrt. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, wand er sich ab. Ihm war jetzt nur noch nach einer Person. Negan hatte Glück und fand Juls in seinem Zimmer vor. „Du siehst ziemlich gestresst aus“, erkannte dieser richtig. „Ziemlich ist noch untertrieben.“ Der Blonde deutete auf das Bett neben sich, was er nur allzu gerne annahm. Juls war es, der ihn stets fragte, wie es ihm ging, der nicht nur diese Anführerfigur in ihm sah, sondern mehr. In Negan wuchs der Wunsch mehr über ihn zu erfahren. Juls Vergangenheit war wie ein ungeschriebenes Blatt. Bisher wusste er nur, dass er Schwierigkeiten mit seinen Eltern gehabt hatte und ein Underdog gewesen war. „Ach und die Sache dass irgendetwas mit seinem Körper ist“, fiel Negan still ein. Natürlich ging ihn das nichts an, doch ihm war aufgefallen, wie unsicher Juls war, was Körperlichkeiten betraf. Insbesondere den anderen Saviors gegenüber. Einmal hatte er ihn beobachtete, wie er zusammengezuckt war, als man sich ihm unvermittelt näherte. Juls schien in ständiger Alarmbereitschaft zu leben und Negan wurde das Gefühl nicht los, dass einst etwas Schreckliches passiert war, wahrscheinlich durch seinen Körper ausgelöst, wie auch immer dieser aussah. „Warum interessiert dich das eigentlich so?“, fragte er sich. „Findest du ihn etwa anziehend? Du bist heterosexuell. Typen sind nicht deine Welt.“ „Negan?“ „Äh, sorry“, er hustete. Negan lenkte das Thema letztendlich auf anderes, so sprach er über Simon. „Du kannst mir sagen, was du willst. Diese Schlange plant etwas. Ich merke schon, wie er in meine Hose kriechen und in meine Eier beißen will. Doch da hat er die Rechnung nicht mit mir gemacht. Ich werde ihn weiterhin beobachten.“ „Ich glaube, dass Simon gerne deinen Platz einnehmen würde“, brachte es Juls auf den Punkt. „Er beneidet dich um diese Stellung.“ „Vermute ich auch schon lange, der kleine Dreckssack. So bald ich vor ihm stehe, tut er immer scheiße freundlich, als wollte er mich direkt ausführen. Hinterrücks wetzt er bestimmt das Messer und kann es kaum erwarten, dass ich unachtsam bin.“ „Simon sollte es würdigen, was du für uns tust. Im Gegensatz zu dir hat er kaum moralische Werte.“ Kapitel 6: Negans Verlust ------------------------- Er hatte mir viel von Carl erzählt. Ich wusste, dass dieser Junge eine besondere Bedeutung für Negan inne hielt. Zu dem Zeitpunkt an dem er ins Sanctuary einfiel, war ich auf Streifzug gewesen, aber ich kannte die Geschichte. Negan war beeindruckt von Carls Mut. „Lucille und ich hatten nie eigene Kinder“, eröffnete er mir eines Abends. „Ich habe mir schon welche gewünscht, ob du es glaubst oder nicht, aber ich denke, dass ich trotz allem ein guter Vater gewesen wäre. So bald das mit Rick geklärt ist, werde ich Carl hier willkommen heißen und mich seiner annehmen.“ Immer wenn er von ihm sprach, war da ein Leuchten in seinen Augen. Ja, Carl war wichtig für ihn. Tief in Negan sah er ihn bereits als Sohn. Ich musste lächeln, als er mir erzählte wie er für ihn Spaghetti gekocht hatte. „Jap, du denkst dir jetzt … dieses Arschloch zerschlägt Schädel und kommandiert uns herum. Nicht zu vergessen, dass wir Bestrafungen ausgesetzt sind, wenn wir ihn hintergehen, allerdings habe ich tatsächlich eine softe Seite. Das ist bei jedem eine Mischung.“ „Ich glaube dir“, sprach ich grinsend. Es stimmte mich glücklich, dass Negan noch jemanden hatte, der ihm am Herzen lag. Insgeheim betete ich, dass er ihn nie verlieren würde. Denn auch Carl schien ihn, trotz dieser Sache an jenen Abend, nicht zu hassen. Negan brauchte Menschen, die echt waren. Nicht solche Personen wie Simon, der nur darauf wartete ihn zu hintergehen. Ja, es war mein Wunsch, dass Carl überlebte. Bis zu jenem Tag … Ich stand im Hintergrund, als sich eine Stimme per Funk meldete. Zwar hatte ich Rick nie persönlich gewesen, aber ich wusste sofort, dass er es war, noch bevor Negan antwortete. „Ricky, schön, dass du anrufst. Willst du mir vielleicht sagen, wo du bist, damit wir das persönlich klären können?“ „Carl ist tot ...“, lautete die bittere Erkenntnis an der anderen Leitung. Ich beobachtete, wie sämtliche Lebenszüge aus Negans Gesicht wichen. Rick sprach weiter, dass sein Sohn Briefe hinterlassen hatte. „Auch einen für dich. Darin bittet er dich aufzuhören. Er hat auch mich darum gebeten. Wir sollen Frieden schließen. Aber dafür ist es zu spät, selbst wenn wir es noch wollten. Ich werde dich töten.“ Eine Weile schien er nach Worten zu suchen. Ein seltener Moment, wenn man bedachte, wie gut er sonst mit diesen umgehen konnte. Die eigentliche Todesdrohung von Ricks Seite, ließ Negan gewiss kalt. Ihm war längst bekannt, dass sein Gegenspieler genau das plante. Er ballte eine Hand zur Faust, bevor er antworte. Negans Stimme wurde weicher, ohne auf Ricks letzte Worte einzugehen und erkundigte sich, wie es passiert war. Ich konnte sehen, dass er in jenem Augenblick mit sich selbst kämpfte und sich die Schuld gab. Negan hatte nie vorgehabt Carl zu töten, auch bei unserem letzten Einsatz nicht. Carl starb durch einen Beißer. Zuvor wollte er eine andere Person retten. Oft hatte mir Negan bestätigt, wie selbstlos dieser Junge im Grunde war. „Scheiße verdammt ...“, seine Stimme brach ab „das tut mir leid, wirklich. Ich hatte Pläne für ihn. Bei alldem wollte ich Carl mitnehmen. Er war die Zukunft.“ „Die du getötet hast. Es gibt nur eine Zukunft wenn du tot bist!“ Aus Rick sprach erbitterter Hass. „Wofür machst du das? Wieso stellt ihr euch immer noch quer? Carl ist tot und er wird nie wieder kommen. Du bist schuld daran. Es ist deinetwegen passiert. Du wolltest nie Ruhe geben und hast immer den Kampf mit mir gesucht. Ja, wir sterben alle irgendwann. Aber in diesem Fall trägst allein du die Verantwortung. Du hast dich eingemischt und meine Männer getötet. Carl hast du jedoch nicht davon abgehalten irgendwelche Dummheiten zu machen. Du warst nicht da! Wer wird der nächste sein?“ "Das bist du“, herrschte Rick. „Nein, aber einer von uns wird dran glauben müssen. Ich bewahre Menschen vor dem Tod, ich schütze sie. Du magst dich davor verschließen, doch ich bin die Lösung. Eventuell musstest du durch diese Lektion gehen um das endlich einmal zu begreifen. Tu es jetzt. Hör auf zu kämpfen. Du wirst nur noch mehr Menschen verlieren durch deine falschen Entscheidungen. An deinen Händen klebt ebenso Blut wie an meinen. Du bist kein Messias oder Märtyrer, Rick. Deine Sünden werden dich immer verfolgen, Carls Tod liegt an dir. Sogar ich spüre das gerade und das werde ich noch eine ganze Weile. Alles was du hättest tun müssen war, mich euch retten zu lassen. Daher musste ich doch deine Freunde umbringen, damit du es einsiehst. Du wirst mich nicht töten … in Wahrheit bist du gescheitert, als Anführer aber in erster Linie als Vater. Gib … einfach auf. Du kannst nicht mehr gewinnen, denn deine Niederlage wurde schon lange besiegelt.“ Mit diesem Rat legte Negan auf. Er hatte Rick praktisch mundtot gemacht. Vorsichtig trat ich zu ihm. „Möchtest du … reden?“, fragte ich ihn. Zunächst schien Negan mich nicht wahrzunehmen. Ich konnte mir gut vorstellen, was in seinem Kopf vorging. Erneut hatte er einen Menschen verloren, der ihm wichtig geworden war. „Negan“, flüsterte ich und streckte meinen Arm aus. Er schüttelte den Kopf. „Nicht hier, lass uns in mein Zimmer gehen.“ Ich folgte ihm. Wir sprachen kein Wort miteinander, bis Negan die Tür hinter sich schloss. Lange hatte er seine Fassade des stolzen Anführers gewahrt. Mit einem Mal nahm diese jedoch Risse an und er suchte Halt auf seiner Couch. Lucille ließ er neben sich gleiten. „Scheiße man, scheiße, scheiße, scheiße“, fluchte Negan unkontrolliert. Ich kannte das gut an ihm. Ohnehin war Negan ein Mensch, der sein Herz auf der Zunge trug. Egal, ob er nun gut gelaunt war, nachdenklich oder wütend – er fluchte gerne und oft. Mir machte das aber nichts. Ich setzte mich zu ihm und tat etwas, was ich sonst nie ohne weiteres machte, da ich immer noch zu großen Respekt vor ihm hatte … ich nahm ihn in die Arme. Bestimmt hätten jetzt einige aufgezuckt. Ich wusste, wie viel Angst die Saviors vor ihren Anführer hatten. Doch in diesem Augenblick war er einfach nur Negan. Ein Mensch, der einen großen Verlust erlitten hatte. „Es ist okay“, sagte ich sanft. „Ich bin da, du bist nicht alleine und ich werde es niemanden erzählen.“ Stille. „Negan?“ Plötzlich umschlossen mich seine Arme und er presste seinen Körper an meinen. „Danke, Juls“, raunte er „lass uns einfach nur einen Moment so bleiben, ja?“ „Natürlich. Ganz wie du willst.“ Carls Tod war nicht nur für ihn bitter, dennoch war ich froh, ihm beistehen zu können. Außer mir konnte niemand Negan so sehen. Dieser verletzliche Teil in ihm war mir alleine vorbehalten. Ich streichelte sein Haar. Er wusste, dass diese kein Flirtversuch oder Annäherung meinerseits war. Wir waren in seinem Raum. Sozusagen war das unser eigener Safe Space. Viele Monate und Tage hatten wir hier verbracht. Den jeweils anderen kennen sowie schätzen gelernt. Meine Meinung über Negan würde sich niemals ändern. Er war für mich einer der stärksten Menschen auf dieser Welt. „Juls?“ „Ja?“ „Versprich mir“, begann er „dass du alles dafür tun wirst um am Leben zu bleiben. Du musst überleben!“ Kapitel 7: Nachts ----------------- Diese Nacht verbrachten wir zusammen, als Freunde. Ich stand Negan bei seinen Verlust zu verarbeiten. „Sorry, Honey“, sprach er. Wir lagen nebeneinander. „Ich stehe eigentlich gar nicht auf so ein emotionales Zeug. Du musst mich echt für ein gefühlsdusseliges Weichei halten.“ „Ach, hör schon auf“, flüsterte ich „wir alle brauchen mal jemanden, auch du.“ „Stimmt.“ Er lachte auf. „Die anderen würden bestimmt denken, dass ich ein Homo bin, wenn sie uns so sehen.“ Mein Körper verkrampfte sich. „Alles okay?“, bemerkte Negan meine Veränderung. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Zum einen wollte ich ihm gerne beichten, was ich empfand. Auf der anderen bekam ich bei solchen Sprüchen auch Angst. „Wäre das denn so schlimm? Ich meine …“, kam es mir zaghaft über die Lippen. „Hast du etwas gegen Schwule?“ Mit einem Mal begann mein Herz schneller zu schlagen. Negans Schweigen machte es nicht besser. „Denkst du so über mich?“, fragte er und brach die Stille. „Nein, habe ich nicht. Jeder Mensch ist anders und individuell. Allerdings muss ich als Anführer ein gewisses Bild bewahren. Im Grunde darf ich gar keine Bindungen eingehen. Bei unserer Freundschaft …“ Negan seufzte. „Ist das jedoch anders. Du bist der Einzige mittlerweile, den ich an mich ranlassen kann und möchte.“ „Das freut mich.“ Was ich ehrlich meinte. „Es tut mir leid, dass es so rüberkam, als würde ich dich verleugnen.“ Mit einem Mal zog er mich zu sich. Ich konnte seinen Atem spüren. „Weißt du, ich habe Lucille viel zu selten in den Arm genommen. Ich hätte es tun und für sie da sein müssen. Aber ich war so unfähig. Natürlich bist du nicht sie. Ihr gleicht euch jedoch in manchen Charakterzügen. Das ist für mich ganz unabhängig von dem Geschlecht, du gibst mir einfach etwas, dass ich nicht wirklich erklären kann.“ Die Stimmen, die vor einiger Zeit noch auf dem Korridor waren, schienen verschwunden zu sein. Wir waren für uns. Ich hatte keine Ahnung wie spät es war, aber es musste schon Nacht sein, denn in Negans Zimmer war es stockdunkel. Sein Gesicht konnte ich daher nicht sehen, aber seinen Körper spüren. „Ich brauche dich, es klingt total debil“, fuhr Negan fort. „Doch ich tue es. Das weißt du oder?“ „Ja … natürlich.“ „Siehst du. Als Freund bist du mir eben sehr nahe. Auch vor diesem apokalyptischen Misthaufen hatte ich an sich kaum welche. Meine einzige Konstante in meinem Leben war Lucille.“ Er schien sie wirklich geliebt zu haben. Dennoch meinte Negan, dass ich kein Lückenbüßer sei. „Weißt du was mir auffällt, Juls? Du kennst viel aus meiner Vergangenheit. Allerdings weiß ich kaum etwas über dich.“ Über mich? Jetzt wo er es sagte, wurde es mir bewusst. Nach und nach vertraute ich mich ihm an. Ich erzählte ihm davon, dass ich stets um meinen Platz kämpfen musste. Das meine Familie im Grunde vollkommen zerbrochen gewesen war. Meine Eltern führten eine Bindung, die man schon lange nicht mehr als solche bezeichnen konnte. Sie stritten an sich jeden Tag. Ich weiß noch, wie ich oft der Schuldige war und meine Mutter drohte mich in ein Heim zu stecken. Wenn sie realisierte, was sie da gesagt hatte, suchte sie oft meine Nähe. Es war ein ständiger Zwiespalt. Ich glaube, dass sie mich liebte, aber auch gleichzeitig hasste. Schlimm wurde es als mein Vater eine Weile arbeitslos war und in starke Depressionen verfiel. Irgendwann fing er an zu trinken. Es gab öfter Stress zuhause. „Meine Eltern waren ja nicht nur wegen meiner Art überfordert …“, murmelte ich. „Es gab vieles, was sie störte. Besonders weil ich anders war, als viele, die sie kannten.“ "Was meinst du mit anders? Ich meine, sind wir das nicht eigentlich alle?“, wand Negan ein. „Glaub mir, ich wünschte es wäre so.“ „Du scheinst Angst zu haben, ich kann das verstehen. Betrifft es deinen Körper?“ Seine Direktheit verunsicherte mich. Dennoch nahm ich all meinen Mut zusammen und antwortete mit „ja“. „Ich werde nicht weiter fragen, denn mir ist es fern dich damit zu bedrängen. Du sollst nur wissen, dass ich dich, egal was auch immer da mit deinem Körper ist, nicht verurteilen werde.“ „Negan … ich … ich …“ Meine Stimme versagte, stattdessen legte ich meinen Kopf auf seinen Brustkorb ab. „Pssscht. Ist ja gut.“ Er strich mir zärtlich übers Haar. Mich überraschte es stets aufs Neue, wie sanft Negan doch sein konnte. „Manchmal komme ich mir einfach nur falsch vor, du hast mir einen Platz hier gegeben. Es ist das erste Mal, dass ich mich willkommen fühle. Selbst meine Familie konnte ich nicht aushalten. Ich habe Angst, dass mir all das genommen wird und ich dich ebenfalls verliere.“ Ein Gedanke, den ich kaum ertragen konnte. Eine Welt ohne Negan wäre verdammt einsam. "Leider kann ich dir nicht versprechen, dass ich das überlebe. Wie ich Rick bereits sagte, wir alle können jederzeit das Zeitliche segnen. Aber“, er machte eine Pause „ich verspreche, dass ich mein Bestes tun werde um nicht zu sterben.“ „Damit muss ich wohl leben“, ich musste lachen, wegen der Ironie des letzten Wortes. „Ich werde auch mein Bestes geben. Negan?“ „Ja?“ Als hätte ich es im Gefühl gehabt, dass dies bis dato unser vorerst letztes Gespräch sein würde, traute ich mich zumindest eine Sache auszusprechen. Ich war es ihm schuldig. Mir selbst natürlich auch. „Wahrscheinlich möchtest du es lieber nicht hören. Aber ich will es los werden, insbesondere da wir nie wissen was kommt.“ „Raus damit“, ermutigte er mich. Ich atmete tief aus und ein. „Ich habe mich in dich verliebt. Bitte, entschuldige. Ich wünschte es wäre anders, doch ich kann meine Gefühle nicht ändern.“ „Irgendwie kommt das keineswegs überraschend für mich.“ Er hatte es geahnt? Als ich nachfragte, bestätigte Negan, dass er öfter so ein Gefühl hatte, was mich betraf. „Ich hoffe, das ändert nichts an unserer Freundschaft“, sprach ich rasch. Seine Hand tätschelte meinen Kopf. „Quatsch! Warum sollte es denn? Du liebst also Männer? Und wenn schon. Pass nur auf, was die anderen im Sanctuary angeht.“ „Ja, sicher …“ „Gut, selbstverständlich würde ich jedem, der dich anrührt, wegen was auch immer, das Fell, und nicht nur sprichwörtlich, über die Ohren ziehen.“ Bildlich wollte ich mir das ungern vorstellen. Doch so war Negan halt – durch und durch Beschützer. "Du erwartest bestimmt noch eine Reaktion von mir“, er schien sich zu sammeln, da lange keine Reaktion kam. „Ich mag dich sehr. Jeden Tag, den wir gemeinsam verbringen, bist du so etwas wie mein Aufpushmittel oder mein Espresso. Fuck, immer wenn ich denke, wir stecken richtig im Dreck, rückst du mir den Kopf zurecht. Du bist und diesen Status hatte bisher niemand mehr wirklich inne, mein bester Freund. Auf gewisse Weise liebe ich dich … oh man, es ist echt hart.“ „Platonische Gefühle“, schlussfolgerte ich. „Ja, das sowieso. Ich hatte außer Lucille immer nur oberflächliche Bindungen. Meist ging es nur um Sex. Wenn ich ihn brauchte, holte ich ihn mir. Das tue ich leider auch jetzt noch. Ich bin so ein Mensch. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie etwas mit einem Mann. Ich habe es halt nie wirklich hinterfragt, weil ich davon ausging hetero zu sein. Scheiße, ich habe mich als der heterosexuellste Typ aller Zeiten angesehen. So eine Art James Bond, was meinen Charme betrifft.“ Wem sollte ich auch etwas vormachen? Negan war nun mal ein Frauenheld. Jede würde bei ihm schwach werden. Was wollte er also mit mir? Ich fand ohnehin, dass er es nicht nötig hatte, diesen Harem um sich herum zu bilden, denn ich konnte mir gut vorstellen, dass Negan auch in dieser Endzeit jederzeit eine Partnerin finden würde. Schließlich war er Negan! Und wer war ich? „Ich hatte lange keine ernsthafte Bindung mehr. Die letzten Monate habe ich viel über dich nachgedacht. Komplizierte Sache. Ich gehe jedoch an sich immer noch davon aus, dass ich nicht auf Männer stehe. Du bist anders. Eventuell ist es nur eine starke platonische Anziehung, die ich mir nicht erklären kann. Ich meine, auch unter Freunden kann man so bei einander liegen oder?“ „Negan, du brauchst dich nicht zu erklären. Es ist vollkommen in Ordnung.“ Ich nahm seine Hand. „Wenn du körperliche Nähe brauchst, gebe ich sie dir. Du musst mich nicht lieben. Und du musst nicht auf mich stehen. Wir sind einfach nur Freunde. Angesichts der Lage, ist das sowieso besser.“ „Danke, Juls.“ Den Tag darauf verschwand Negan. Keiner wusste wo er war. Ich machte mir Sorgen. Oft ertappte ich mich dabei, wie ich zum Tor schaute in der Hoffnung, dass er jeden Moment kommen könnte. Simon übernahm in dieser Zeit das Sanctuary. Das er mich nicht sonderlich mochte war kein Geheimnis. Aber es machte mein Leben hier um einiges schwieriger. Ich war ständig auf der Hut. „Negan ist bestimmt von den Rebellen getötet wurden“, echote einer von Simons Anhängern. Am liebsten hätte ich ihn angeschrien und gesagt, dass niemand so einfach Negan töten kann. Innerlich hatte ich Panik, dass ich ihn längst verloren hatte. Kapitel 8: Unverhofft --------------------- An sich stand er ja auf kinky Sachen, aber diese hier war außer Kontrolle geraten. Gefesselt lag er hier, in ihrem Territorium. Jadis war zurecht erzürnt, immerhin hatte sie alles verloren. Mit ihr sollte man sich besser nicht anlegen, so viel war klar. „Bitte“, raunte Negan „lass mich das klären, Ich war das nicht.“ Diese Ratte hatte ihn also verraten, sich gegen seine Grundsätze gestellt. Er hatte ihm gesagt, er solle nur eine Person als Abschreckung töten. Menschen waren eine Ressource. Diese Made hatte auch das vergessen. „Wahrscheinlich wird sie mir ebenfalls das Licht ausknipsen“, dachte Negan still. Und das obwohl er nicht mehr mit Juls reden konnte. Wie gerne wäre er sich mehr im Klaren geworden, was da genau war. Aber in erster Linie wollte er ihn einfach wiedersehen. Etwas in ihm schrie auf, als Jadis seine Lucille anzündete. „Du hast mir alles genommen und ich werde das Gleiche tun“, sprach sie. „Nein, bitte.“ Negan flehte sie an. Würde er diesen Schläger verlieren, wäre auch der letzte Fetzen von seiner Frau, an den er sich klammern konnte, weg. Irgendwie musste man Jadis doch erreichen können. „Ich war das nicht! Du musst mir glauben“, schrie er aus voller Kraft. Erleichtert atmete er auf, als Jadis das Feuer löschte. Negan sprach sie auf ihre Zeichnungen an. Diese schienen ihr viel zu bedeuten. So wie ihm Lucille, Carl oder Juls. „Ja, das tun sie“, offenbarte Jadis. Er hatte einen Zugang zu ihr gefunden. Durch die Gespräche mit Juls war Negan offener geworden und so erzählte er ihr von Lucille. Auf ihrem Gesicht war keinerlei Regung zu sehen. Dennoch band Jadis ihn später los. „Ich bin beeindruckt von dir“, lobte Negan „wie du mich überwältigt und an diesen Ort geschleppt hast, würdest du dich echt gut in meinen Reihen machen.“ „Darauf verzichte ich.“ „Schon in Ordnung. Aber du sollst wissen, dass du einen Platz hättest.“ Er wollte sich gerade abwenden, als Jadis sich räusperte. „Der Schläger ist nicht das Einzige oder?“ „Hm?“ „Was dir etwas bedeutet, das spüre ich.“ So schnell hatte man ihn also durchschaut. „Nein.“ Jadis nickte und musterte ihn eine Weile eindringlich. „Was auch immer es ist, du solltest es beschützen.“ „Das werde ich.“ Vor seinem geistigen Auge erschien das Bild von Juls. Wenn dieser Hund ihn auch nur ein Haar krümmen würde, dann würde Negan ihn zur Rechenschaft ziehen. „Oh, er wird seinen schlimmsten Alptraum erleben und beten mich nie kennengelernt zu haben“, flüsterte er so leise, dass Jadis ihn nicht hören könnte. Mit einem Blick wand er sich um und verabschiedete sich von ihr. Der Schrottplatz war ein seltsamer Platz. Er wirkte fast surreal. Wie aus einem dieser Gemälde, dass Negan mal in einem Museum gesehen hatte. Nicht, dass er sich für so etwas interessierte. Lucille zu Liebe hatte er sich jedoch einst überwinden. Vor dem Massaker schien Jadis hier ein einigermaßen ruhiges Leben geführt zu haben. „Scheiße“, murmelte Negan „ob wir das auch könnten?“ Einfach neu anfangen, das Sanctuary hinter sich zu lassen und Juls mitzunehmen – all das stellte er sich gerade vor. Ein Dasein, was aus weniger Blut bestand. Wie gerne würde er daran glauben. Aber es war zu spät, er musste die Sache mit Rick zu Ende bringen. Umbringen wollte dieser ihn so oder so. Wenn Negan jedoch könnte würde er zumindest Juls an einen anderen Ort bringen. „Nur, dass er bleiben wird, egal was du ihm sagst. Juls ist treu bis in den Tod“, dämmerte es Negan. Langsam verschwand der Schrottplatz. Sein Weg führte ihn zu jenem Auto, mit dem er letztendlich zurück ins Sanctuary fahren würde. „Willst du das wirklich?“, fragte ihn seine innere Stimme. Es ging schon lange nicht mehr ums Wollen. Falls Negan das nicht regelte, würde Schlimmeres bevorstehen. Carls Tod hatte viel verändert. Noch vor diesem Verlust hätte man ihn vielleicht überzeugen können. Wieso nur ließ er Menschen überhaupt so nahe an sich heran? Hatte Negan denn gar nichts aus der Vergangenheit gelernt? Er tat anderen nicht gut. Als Anführer, ja. Doch keineswegs was zwischenmenschliche Bindungen anging. Seine inneren Dämonen fraßen auch nahe stehende Menschen auf. Wann würden sie wohl Juls verschlingen? Hätte er ihn retten sollen? „Du Freak“, Negan lachte bitter. Seine Hände legten sich um das Steuer. „Ohne dich wäre er damals gestorben. Du hast das Richtige getan, zumindest an jenem Tag.“ Oder urteilte er zu vorschnell? Wäre Juls ohne ihn klar gekommen? Dennoch hatte er sich in Negan verliebt. Ausgerechnet in ihn. Negan lachte bitter auf. Schließlich startete er den Wagen. Simon hatte sich bestimmt schon ins gemachte Nest gesetzt. Ohnehin hatte er doch nur auf eine Chance gewartet Anführer spielen zu können, das würde er ihm austreiben. ***** „Juls“, herrschte Simon mich an. Ich war gerade mit meiner Ausbeute zurück gekommen. „Ist das etwa alles?“ Ich nickte. „Trotzdem warst du so lange unterwegs? Wir sind mitten in einen Krieg mit diesen Rebellenpack. Der Boss ist nicht da, das heißt ich bin jetzt dein Boss. Ob du es willst oder nicht.“ Seit Negan fort war behandelte er mich so. Seine Verachtung zeigte er mittlerweile offen. Nicht nur das: Simons Leute beobachteten mich, ich war ihnen ein Dorn im Auge. Einer zischte mir im Vorbeigehen zu, dass ich Negans Toy Boy sei. Ich gab Simon meine Ausbeute. „Beim nächsten Mal gibst du dir mehr Mühe“, brüllte er mir hinterher „wir brauchen alles, was wir bekommen können!“ Es kam mir so vor, als wäre er seit Ewigkeiten fort. Ich vermisste ihn … all unsere Gespräche, die gemeinsamen Nächte, seine Nähe. Ohne ihn war es einfach nicht das Gleiche. Tief in mir drin glaubte ich jedoch, dass Negan noch lebte. Er konnte gar nicht tot sein, denn er war ein verdammter Badass, der alles überstand. Bestimmt würde er zurück kommen. Ich lächelte und sehnte mich gerade nur noch nach meinem Bett. Ehe ich die Tür öffnen konnte, spürte ich einen Schmerz in meinem Kreuz „Was zum-?“ Die Person hinter mir, trat mich ein weiteres Mal und ich sank zu Boden. „Du hast dich wohl in Sicherheit gewogen, nicht wahr?“ Über mir erblickte ich Alex, einen blonden, muskelbepackten Kerl, der oft in Simons Nähe aufzufinden war. Neben ihm stand Kain. Ein schwarzhaariger Typ, drahtig, aber schmächtiger als sein Kumpel. Beide hatten es auf mich abgesehen. „Na los, steh auf und kämpfe wie ein Mann“, forderte mich Alex auf. „Oder warte, du bist ja gar kein Richtiger.“ Kain lachte hämisch. „Schau, wie er dich anstarrt. Du scheinst wohl recht zu haben.“ Seine Fuß trat auf mich ein. Nein, so leicht würde es ihnen nicht machen. Ich kämpfte mich auf. „Ohne deinen Daddy bist du doch nichts“, meinte Kain grinsend. „Simon wird den Laden hier übernehmen. Negan ist ohnehin nur ein Blender gewesen“, mischte nun der Blonde mit. Das reichte! Sie konnten mich beleidigen so viel sie wollten, aber wenn sie auch nur ein schlechtes Wort über ihn sagten, war das Fass voll. Mit voller Kraft schlug ich auf Alex ein. Wir fielen zu Boden. Ich bearbeitete Alex Gesicht mit meinen Fäusten. Nun wusste ich, was Negan mit diesem Rauschzustand meinte, der einen gefangen nimmt. Ich konnte nicht mehr aufhören, bis Kain schrie und ich realisierte, dass ich mich auf ihr Niveau begeben hatte. Alex Gesicht war voller Blut. „Du Freak“, schrie Kain. Er zog mich von Alex runter und trat erneut auf mich ein. Sein Kumpel raffte sich auf. „Das büßt du mir.“ Ich versuchte mich aus ihrer Gewalt zu lösen, doch sie packten mich am Hosenbein. Meine Jeans rutschte. „Nein“, brüllte ich aus voller Kraft. In mir drin stieg Panik empor. „Warum denn so ängstlich, hä?“ „Vielleicht hat er einen kleinen Penis“, grunzte Alex „können wir ja gleich sehen.“ Ich strampelte und trat aus. Wie ein Tier wand ich mich, schrie. Mein Kopf hämmerte. Es war aus … „Runter von ihm“, befahl eine mir vertraute Stimme. Wenig später lagen sowohl Alex wie auch Kain auf den Boden. Mein Retter zog beide hoch. „B-Boss b-bitte, wir wollten ihm doch nur klar machen, dass er sich mehr in die Gruppe integrieren soll. Ehrlich.“ „Das sah allerdings ganz anders aus. Rührt ihr ihn noch ein einziges Mal an, spiele ich mit euren Eiern Ping Pong! Ihr werdet euch vor Schmerzen nur so winden und wie die Würmer über den Boden kriechen. Und jetzt … verpisst euch!“ Die zwei rannten davon. Kapitel 9: Das Versprechen -------------------------- "Negan … ich“, versuchte ich mich zu fassen. Etwas in mir, versuchte zu begreifen, was gerade geschah. Seine Finger fuhren über meine Brust. In Negans Augen konnte ich erkennen, dass es ihm ernst war. Er kam näher zu mir, zog seine Schuhe aus und legte sich neben mich. Dann begann er mich zu streicheln. Ich bekam eine Gänsehaut. Seit Monaten hatte ich genau von diesem Moment geträumt. Nun war er da. Doch tief in mir drin, bekam ich Panik, wie Negan reagieren würde, wenn er mein Geheimnis erfuhr. „Warte“, ich hielt seine Hand fest „bist du sicher? Du brauchst dich nicht für mich überwinden.“ „Wie kommst du auf so was? Ich will es genauso wie du. Nur musste ich es mir selbst klar machen. Ist doch völlig egal, was für ein Geschlecht jemand hat. Du bist mir wichtig und ich habe schon lange nicht mehr für einen Menschen so empfunden, wie für dich. Es sei denn, dir geht es zu schnell?“ „Na ja“, ich seufzte „ was ist mit den anderen Saviors? Ich will dich nicht in Schwierigkeiten bringen.“ „Juls ...“, sein Blick wurde eindringlicher „weißt du was mir klar geworden ist? Jeder Moment hier, könnte unser letzter sein. Als Jadis im Inbegriff war mir das Licht auszuknipsen und ja, sie war es, die mir echt zugesetzt hat, echt eine taffe Braut, das muss ich sagen, sorry, ich schweife ab … jedenfalls wurde es mir da bewusst. Natürlich müssen wir aufpassen, aber ich will dich. Zumindest diese eine Nacht mit dir. All die Zeit über hatte ich nur belanglosen Sex, um mehr oder weniger meine Triebe zu stillen. Ich möchte, falls ich bei all dem ins Grab beißen sollte, einmal etwas erleben, was echt ist, denn ich habe ebenfalls Gefühle für dich.“ „Negan“, sprach ich erneut seinen Namen. Unsere Lippen berührten sich. „Ich bin jedoch anders nicht so, wie du es dir vielleicht wünschst.“ „Mach dir keine Gedanken“, flüsterte er, während seine Finger sich meiner Jeans zuwandten. Langsam öffnete er den Reißverschluss. Meine Hose glitt über meine Schenkel und ich beobachtete Negan dabei, wie er mich aus ihr befreite. Auch er zog sein T-Shirt aus. Wow, wie sehr mich doch sein Oberkörper faszinierte. Mir fiel auf, dass auf seiner Brust ein paar Kratz- und Bissspuren waren. „Beachte das nicht“, raunte er in mein Ohr. „Das liegt hinter mir.“ „Ich habe damit kein Problem“, offenbarte ich ihm „selbst wenn, du so was brauchst … all das gehört zu dir und macht dich aus. Daran ist nichts verwerflich.“ Negan lächelte und zog nun seine Jeans aus. „Oh, Gott“, keuchte ich innerlich. Er war so verdammt sexy, genau der Mann, nach dem ich mich immer gesehnt hatte, insbesondere charakterlich. Ich hob meine Hüfte an, so dass er mir die Boxershorts ausziehen konnte. Mein Puls ging schneller, denn das war der Moment vor dem ich Angst hatte. „Oh“, kam es von ihm. Ich sah nach unten, sein Kopf befand sich zwischen meinen Beinen. „Davor hattest du Angst?“, seine Lippen bildeten ein Lächeln. „Mir gefällt es. Und wie du auch schon zu mir meintest, es ändert nichts an dir. Du bist der Mann, in den ich mich verliebt habe.“ „Ich ...“, mein Atem stockte für ein paar Sekunden „dachte nur, dass du mich eventuell anders sehen wirst oder dass ich kein richtiger Mann mehr für dich sei … du mich als Hybrid ansiehst und Schlimmeres. Ich kenne das leider.“ „Du bist intersexuell, nicht wahr?“ Ich nickte. Negan überraschte mich erneut und erwähnte, dass er davon bereits vor der Apokalypse gehört hatte, sowohl von inter* als auch trans Personen. „Du bist, wer du bist. Da hat auch kein anderer mitzureden und Männlichkeit macht dein Handeln aus, nicht wie du aussiehst.“ „Du ...“, ich kämpfte mit all den Gefühlen, die in mir aufstiegen „bist unglaublich.“ Ich schämte mich nicht mehr. Ja, ich war sogar froh, dass meine Eltern mich nicht von Ärzten zwangsoperieren oder korrigieren ließen. Früher hatte ich es mir sogar gewünscht, nur um nicht aufzufallen. Aber nun, war ich froh, ich zu sein. Negans Zunge verwöhnte mich, beide Regionen. Ich stöhnte auf. Wie sehr ich diesen Mann liebte, konnte ich kaum in Worte fassen. Mein gesamter Körper bebte vor Lust und Sehnsucht. „Ich will dich“, seufzte ich hervor. Negan grinste und bedeckte meinen Oberkörper mit Küssen. „Hab Geduld“, zischte er liebevoll. Seine Finger fuhren über meine Beine hinauf zu meiner Brust. Ich zitterte. Wie lange wollte er mich noch warten lassen? Negans Körper schmiegte sich an meinen. Seine Hände streichelten meinen Rücken. Schon viel zu lange war ich nicht mehr so berührt worden wie von ihm. „Bitte“, flehte ich. Negan grinste breit, ihm war bewusst, dass er mich gerade förmlich in den Wahnsinn trieb. Doch er reizte all meine Sinne aus. Seine Hände und Finger schienen überall zu sein. Erst als ich bebend unter ihm lag und nicht mehr konnte, zog auch Negan zu guter letzt seine Boxershorts aus. Ich drehte mich auf den Bauch, während er seine Hände um meine Hüfte legte. Vorsichtig drang Negan in mich ein. Ich biss mir auf die Lippen. „Alles okay?“, er bemerkte, dass ich mich etwas verkrampfte. „Ja“, flüsterte ich. Unsere Hände umschlossen sich. Negan begann sich in mir so bewegen und es fühlte sich mit einem Mal unglaublich gut an, also gab ich mich ihm hin – sowohl geistig wie auch körperlich. Diese Nacht hatten wir nicht nur einmal Sex. Zum Schluss lag er völlig verausgabt neben mir, den Arm um mich geschlungen. „Oh wow“, stöhnte Negan „du hast mich ganz schön geschafft.“ „Entschuldige“, ich kicherte verlegen. „Hey, alles gut. Du hast mich auf eine Weise geschafft, die mehr als gewollt war. Ich weiß gerade nicht mal mehr, welches Zeitalter wir haben. Gut, eigentlich weiß ich das seit Tag X nicht mehr. Wahrscheinlich haben wir das Jahr was zum Fick oder so.“ „Kann gut sein.“ Ich lachte auf. Insgeheim wünschten wir uns beide, dass es kein Morgen gäbe. „Weißt du, nicht nur du hattest Angst“, wurde Negan plötzlich ernster. „Beispielsweise habe ich mich oft gefragt, ob ich dir wirklich gut tue oder ob ich nicht zu alt für dich bin. Hinzukommt was ich alles getan habe. Ich wollte nicht, dass du meine Dämonen und Last mittragen musst. Du solltest von meiner Welt verschont bleiben.“ „Ich stecke da eh schon zu tief drin“, meinte ich „und ich will es so. Deine Sünden sind nun auch meine. Blut haben wir doch alle an unseren Händen kleben. Keiner ist unschuldig, wir können nur das Beste aus uns rausholen und zwar jetzt.“ Ich schien ihn zum Nachdenken angeregt zu haben, denn er sagte kein Wort. „Im Grunde, hast du Recht“, gestand Negan mir zu. „Ich weiß, dass wir uns in einer Endphase befinden. Es wird sich entscheiden … entweder Rick oder ich. Endgame, Baby. So sehr wir das auch verdrängen wollen.“ Natürlich wusste ich das, auch wenn ich es ungerne hören wollte. „Egal, was passiert … ich werde an deiner Seite sein und wenn du verloren gehst, werde ich dich finden. Das ist ein Versprechen“, äußerte ich entschlossen. *Bemerkung: Ich wollte nicht zu sehr auf Juls "Bottom" Region eingehen, da ich finde, dass trans und inter* Personen mit Respekt behandelt werden sollten und ihre Körper genauso normal sind, wie andere Körper auch. Da ich selbst Queer bin, möchte ich Effekthascherei nicht fördern, sondern dass inter* und trans Menschen in Fanfiktions/Geschichten inkludiert werden, ohne Sensationsgier zu erfüllen, sondern einfach ebenso Zuneigung, Liebe und Begehren erfahren, wie andere Charaktere. Früher ist mir das leider nicht immer gut gelungen, ich hoffe, dass sich das geändert hat. Kapitel 10: Das letzte Gefecht ------------------------------ Simon dieser Hund. Endlich hatte Negan ihn auf frischer Tat ertappt. Natürlich wollte er ihn stürzen. Aber das hatten Negan und Juls ja schon lange vermutet. Doch nun stand diese Ratte vor ihm, die Augen auf den Boden gerichtet. „Dwighty Boy hat mich eben nicht im Stich gelassen“, Negan grinste. Dank Dwight war es möglich gewesen, Simon zu erwischen. Der hatte geplant Negan im Schlaf zu ermorden, gemeinsam mit anderen. „Ich lasse dir noch deine Chance“, meinte er großzügig „wenn du unbedingt Boss sein willst, darfst du dir das verdienen. Du willst den Laden übernehmen und Anführer werden? Dann besiege den Anführer!“ Sie trafen sich in der Halle wieder, um sie herum Saviors, die sie anfeuerten. Man kam sich fast so vor, wie bei einem regulären Boxkampf, damals als die Welt noch nicht am Arsch war. Simon hielt eine Rede, als hätte er bereits gewonnen. Wahrscheinlich war er sehr von sich überzeugt. Negan suchte die Menge nach Juls ab, der weiter hinten, nahe der Wand stand und besorgt wirkte. „Mach dir keine Gedanken, ich werde das packen und danach haben wir ein Problem weniger“, hatte er ihm versprochen. „Und was wenn dir etwas passiert?“ „Das wird nicht geschehen, allerdings wirst du mich eventuell mit anderen Augen sehen, einen Negan, den du vorher noch nicht kanntest.“ „Tue was du tun musst“, Juls hatte ihm zugenickt und seine Hände in seine genommen. Für einen Moment hatten sie einfach nur da gestanden, bis er sich auf den Weg machte zum Vorendskampf. Nun stand er hier. Negans Lippen formten ein „es wird alles gut“, bevor er sich Simon widmete. Der traf ihn mit einem Frontschlag. Negan geriet ins Wanken. Scheiße, Simon war doch ein härterer Hund, als er vermutet hatte. Ein weiterer Fausthieb traf Negans Gesicht. Sein verhasster Widersacher legte nach, so dass Negan gen Boden sank. Er drosch auf ihn ein. „Negan“, hörte er Juls schreien, der sich für diesen Moment nicht beherrschen konnte. Seine Stimme holte ihn jedoch ins Hier und Jetzt zurück. Er trat gegen Simons Bein, der auf keuchte. Mit einem Satz richtete sich Negan auf und stürzte auf den Verräter los. Er vergaß sich vollkommen. Erst war es ein Faustschlag, worauf der nächste direkt folgte, bis endlich Simon zu Boden ging und sich krümmte wie eine verletzte Schildkröte. Auch Kain und Alex, seine Handlanger, sahen zu. Negan würde diesen niederträchtigen Maden zeigen, dass sie nie wieder wagen sollten, auch nur eine Hand an Juls zu legen. „Du …“, sein Gesicht glich nun einer wütenden Fratze, denn sein geballter Hass kam hervor. Negans Hände legten sich um Simons Hals. Schließlich drückte er zu. Der Mann unter ihm strampelte, röchelte nach Luft und versuchte nach ihm auszuholen. Doch es war vergebens. Adrenalin schoss in Negans Adern. Der gute, alte Blutrausch, den er Dank Juls länger unterdrückt hatte, kam wieder hervor. Es dauerte nicht lange bis sämtliches Leben aus Simon gewichen war. „Schafft ihn weg, aber so, dass er noch nützlich ist. Ich denke, dass ist eine schlimmere Strafe, als ein gnädiger Tod“, sprach Negan, richtete sich auf und nickte den Saviors zu. Kain und Alex sahen ihn geschockt an. „Wenn ihr nicht aufpasst, wird es euch genauso gehen, wie diesem Haufen Scheiße hier“, raunte Negan ihnen zu. Gelassen ging er durch die Menge. Ohne Zweifel hatte Negan mal wieder einen grandiosen Auftritt hingelegt. „Für einen Moment hatte ich solche Angst um dich“, gestand ihm Juls später. „Honey, so leicht macht mich niemand kalt. Da müsste schon so ein Tiger kommen, wie es letztens der Fall war. In Kombination mit Jadis, das wäre wohl mein Todesurteil.“ Negan seufzte und ließ sich auf das Bett fallen. Sein Rücken tat durch die Schlägerei wieder weh. Juls bemerkte das sofort und bot ihm an, ihn zu massieren. Natürlich nahm er das dankbar an. „Du bist der Beste“, stöhnte Negan auf. Egal was war, bei Juls konnte er stets entspannen. Bald würde er Rick gegenüber stehen. Langsam aber sicher kam also das Ende. „Auch für uns?“, lautete ein bitterer Gedanke Negans. Juls zu verlieren war eine seiner größten Ängste geworden. Nie hätte er es für möglich gehalten einer Person nach Lucille so nahe zu sein. „Warte mal“, Negan fasste nach seiner Hand, bevor Juls weiter machen konnte und sah ihn eindringlich an. „Ja?“, dieser blinzelte verwirrt. „Ich weiß, du hasst dieses Thema, aber ich muss es einfach ansprechen.“ „Oh …“, Negan konnte in Juls Blick sehen, dass er genau wusste, wovon dieser sprach. „Wenn ich diesen Kampf verlieren sollte, musst du dich in Sicherheit bringen. Versprich es mir.“ „A-aber.“ Negan schüttelte den Kopf. „Ich werde alles versuchen, um dennoch zu überleben und dich zu finden. Gott, das klingt alles so kitschig … wenn der Scheiß vorbei ist, falls das Sanctuary dem Erdboden gleich gemacht und alles zerschlagen wird, was ich aufgebaut habe und die Pisser mich gefangen nehmen sollten, will ich neu anfangen … mit dir.“ Juls Augen leuchteten auf. Sein zierlicher Körper presste sich an Negans. Sponsor werden und Werbung komplett deaktivieren „Ich liebe dich“, flüsterte ihn dieser ins Ohr. „Ich dich auch.“ Stürmisch fiel ihn Juls um den Hals und küsste ihn. Es war einer der letzten Nächte, die sie zusammen verbringen konnten. ***** Und so begann es: Die letzte Schlacht gegen Rick. Bereits von Anfang an hatte ich ein mieses Gefühl. Ich sollte im Sanctuary die Stellung halten und mich in Sicherheit bringen, so bald ich Gefahr witterte. Einige von uns waren mit Negan gezogen. Auch Eugene. Ich wusste nicht warum, aber in letzter Zeit war ich skeptisch, was ihn betraf. Ja, kurz bevor sie gingen, hatte ich die Befürchtung, dass er Negan verraten wird. Ich hatte vor ihn zu warnen, doch er blockte mich ab. Er war in Eile und ich merkte, dass er das mit Rick schnell erledigen wollte. „Ich werde auf mich aufpassen“, sicherte Negan mir zu. „Scheiße“, ächzte Tom „was wenn der Boss es verkackt? In letzter Zeit lief hier zu viel Mist ab.“ „Echt Mal“, mischte nun eine Frau mit, deren Namen ich nicht kannte. „Er hat stark nachgelassen. Hat man doch bei Simon gesehen, fast hätte Negan den kürzeren gezogen.“ „Jap. Der Boss kann sich kaum schützen, wie will er dann uns beschützen? Er ist vollkommen überfordert.“ Nun mischten mehrere Stimmen mit. Meine Hände ballten sich zu Fäusten. Wie undankbar sie waren, nach allem, was Negan für uns getan hatte. Reflexartig fasste ich nach Tom, der gerade im Inbegriff war, meinen Freund in besonders schlechtem Licht dastehen zu lassen. „L-lass l-los“, stotterte er schockiert hervor. „Nein und du hörst mir jetzt mal zu“, ich wurde lauter „Negan hat dir ein Dach über dem Kopf gegeben, dich mit Essen versorgt und Waffen, dir ärztliche Versorgung bereit gestellt. Und was machst du? Du hast keinen Funken Anstand oder Dankbarkeit in dir.“ Tom biss sich auf die Lippen, schwieg dann aber. Ich ließ von ihm ab, er war es ohnehin nicht wert. Es war ruhig, für mein Empfinden viel zu ruhig. Ich hätte damit gerechnet, dass Rick uns einige Leute auf den Hals hetzt. „Oder hat er einen Hinterhalt geplant?“, dachte ich still. Unruhig wanderte ich hin und her. Doch es geschah nichts, außer dass durch ein paar Schlupflöcher die Beißer kamen. Auch das war Ricks Aktion zu verdanken. Ich knurrte wütend vor mich hin und erledigte die lebenden Toten. Irgendwann dämmerte es. Negan hatte mir befohlen, dass Team anzuleiten. Wir waren ohnehin nicht mehr viele. „Wenn ich nicht mehr wieder kommen sollte, schick sie fort“, sagte er dir Nacht davor. Er wollte, dass sie eine Zukunft hatten. Außerdem sollte ich nicht zu lange warten. Negan war jemand, der Dinge schnell erledigte, und meinte, dies sei ein Zeichen, dass es Komplikationen gab. Diese eine Nacht blieben wir jedoch in der Basis. Ich wies die anderen an, aufzupassen und ging zu den Toren des Sanctuarys. Was für eine Verwüstung, es war wirklich ein Jammer … Ich schüttelte den Kopf. Der Himmel wechselte seine Färbung und für einen Moment verlor ich mich in diesem Anblick. Bis mein Blick auf einige Silhouetten fiel, die sich der Basis näherten. Ein paar unserer Leute waren zurück. Meine Beine begannen sich, wie von selbst zu bewegen. Sam, Dean und zwei andere, deren Name mir nicht mehr einfiel, waren es. „Wo ….?“, ich traute mich kaum es auszusprechen „Wo ist Negan?“ Dean starrte betreten zu Boden. Die anderen wirkten extrem verunsichert, bis einer von ihnen den anderen zunickte, in seine Hosentasche griff und mir ein Blatt Papier überreichte. „Der Boss wurde von Rick überwältigt. Wir sollten fliehen. Bevor die Schlacht los ging, hat er mir das hier für dich mitgegeben. Du sollst es lesen. Ihm ist das sehr wichtig.“ Sie ließen mich allein. Unfähig mich zu rühren, stand ich da. „Negan … mein … Negan“, flüsterte ich. Erst nach etlicher Zeit war ich im Stande das Blatt Papier aufzufalten. Kapitel 11: Weil ich ihn liebe ------------------------------ „Juls, ich konnte dir das alles nicht sagen. Die Zeit mit dir war einfach zu kostbar und ich wollte sie genießen. Es tut mir so leid, dass ich dir stattdessen schreibe. Romantik und Gefühle sind wohl ein Land, was ich lange nicht mehr betreten durfte. Du hast es mir ermöglicht. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Selbst solche Briefe liegen mir nicht, durch Carl bin ich jedoch zu dem Entschluss gekommen, dass ich dir all das mitteilen möchte. Ich weiß nicht, ob ich das überleben werde, da bin ich ehrlich. Es kann sein, dass Rick mich töten wird. Ich möchte, dass du trotzdem deinen Weg gehst und glücklich wirst, soweit wie man das in dieser Welt kann. Anderseits wäre es durchaus möglich, dass Rick mich gefangen nimmt. In dem Fall sehe ich es als meine Aufgabe an, die Dinge in Ordnung zu bringen. Ich habe so viel Leid verursacht. Klar, dieser Kampf zwischen ihm und mir war unumgänglich. Allerdings hast du mich zum Nachdenken gebracht. Ich muss das tun um eine Zukunft mit dir haben zu können. Das ist der einzige Weg, dass ich ein gemeinsames Leben mit dir haben darf. Ich habe es dir nicht gesagt, damit du mich gehen lässt. Ich rechne mit Verrat, was Rick betrifft. Es ist aber meine Pflicht, die Eier zu zeigen und mich dessen zu stellen. Bitte, unternimm nichts, wenn er mich gefangen nehmen sollte. Ich werde das Baby schon schaukeln und ich werde dich finden, wenn ich das getan habe. Das heißt nicht, dass ich verlange, dass du wartest. Ich besitze dich immerhin nicht. Du bist frei. Trotzdem wünsche ich mir immer noch eine gemeinsame Zukunft mit dir und zwar nur mit dir, wenn ich so etwas überhaupt haben darf. Falls ich Lucille verlieren sollte und sie in deine Hände fällt, vermache ich sie dir. Bis ich wieder komme ist sie bei dir gut aufgehoben. Ich liebe dich Negan“ Apathisch starrte ich auf das Schreiben. Was wenn er bereits tot war? Nein, daran wollte ich nicht denken. Ich steckte den Brief in meine Hosentasche. Ein letztes Mal sah ich zum Sanctuary zurück, danach machte ich mich auf den Weg. „Hey, was -?“, konnte ich jemanden nach mir rufen hören. „Lass ihn“, meinte Tom. Sie mussten wohl gekommen sein, als ich ins Lesen vertieft gewesen war. „Es ist ohnehin vorbei.“ Sie hielten mich nicht auf, also verließ ich die Basis. Ohne ihn gehörte ich hier sowieso nicht hin. Ich wanderte eine Weile umher, ziellos und allein. Manchmal verbrachte ich die Nächte draußen Immer auf der Hut vor Feinden. Ich dachte oft an die Zeit mit Negan. Mein Herz sehnte sich nach ihm. „Wie kannst du nur denken, dass ich ohne dich glücklich sei?“, murmelte ich eines Abends vor mich hin. Ich löschte das Lagerfeuer und verzog mich in mein Zelt. Antworten würde er mir ohnehin nicht. Ich konnte ein paar Beißer hören, zum Glück war ich sicher in meiner Unterkunft. Seitdem ich das Zelt gefunden hatte war ich flexibler, was meinen Aufenthaltsort anging. Mit Menschen hatte ich es ohnehin nicht so. Ich hielt mich von ihnen fern. Negan war der Einzige, den ich vertraute, weil er anders war. Meine Augen sanken zu und endlich konnte ich schlafen. In meinen Träumen wurde ich von der Erinnerung an dich verfolgt: Deine Stimme, deine Augen, dein Körper und dein Lächeln, Letzteres vermisste ich am meisten. Immer wenn du gelächelt hast, konnte ich für einen Moment dieser Welt entfliehen. Plötzlich gab es keine Beißer mehr und auch keinen Rick. Nur uns. Deine Hand in meiner. Tief in mir drin hatte ich mir genau das gewünscht, dass du immer bei mir sein kannst. Ich wusste, dass wir in keinen Hollywoodfilm lebten. Vielleicht gab es dieses Happy End einfach nicht. Doch wenn ich nur einen Wunsch frei hätte, wäre es ein Leben an deiner Seite. Ich wälzte mich unruhig hin und her. Irgendwann schwanden die schönen Bilder und grausamere zogen auf. Szenarien, in denen ich mit ansehen musste, wie du mir weg genommen wurdest. Schweiß gebadet wachte ich auf. Ich sammelte mich, zog meine Schuhe an und verließ das Zelt, im Inbegriff mir ein wenig die Beine zu vertreten. Natürlich nahm ich meine Waffe mit. Ich gelangte auf eine große Wiesenfläche, die nicht weit von meinem Lager war und da sprang sie mir plötzlich ins Auge – Lucille. ***** Verloren, ein Wort, das er fast vergessen hatte. Wobei es vielleicht so kommen musste. „Mindestens konnte ich ihm noch schreiben, was ich fühle“, flüsterte Negan. Der Boden der Zelle war kalt, aber er lebte. Obwohl man dies wohl kaum als Existenz bezeichnen konnte. Seine Hand fasste zu seiner Kehle. „Rick … du Hund“, röchelte Negan. Dieses Arschloch hatte ihm die Kehle aufgeschlitzt. In jenem Moment, rechnete er fest damit seinem Schicksal überlassen zu werden, bis sein Widersacher meinte, man müsse ihn zusammen flicken. Nun war Negan ein Zeichen für Ricks schöne neue Welt. Doch im Grunde wollte er ja Buße tun. Juls hatte ihn verändert. Doch er machte es auch umso schwerer für Negan. Etwas in ihm wollte am liebsten fliehen, seinen Liebsten wieder finden und ein Leben, weit ab von dem hier, an seiner Seite führen. Dafür war es jetzt allerdings zu spät. Sponsor werden und Werbung komplett deaktivieren Seine Tage bestanden jetzt aus dem Blick des kleinen Fensters, das einzige Tor zur Außenwelt und die täglichen Besuche von Ricks Leuten, die eher einer Demütigung glichen. Der einstige Anführer der Saviors und Leiter des Sanctuarys, der nun hinter Gittern dahin vegetierte, darauf angewiesen war, dass man ihm Essen und Trinken brachte sowie seine Bettpfanne leerte. „Jetzt bin ich wohl das Stück Scheiße, was ich tief im Inneren schon immer war“, dachte Negan. Wenn Juls ihn so sehen würde, wäre er bestimmt angewidert von ihm. Negan konnte sich ja nicht mal mehr selbst ertragen. Sein Ziel war es jedoch, Rick irgendwann helfen zu können und sich einen Platz in Alexandria zu erkämpfen. Er wollte sich von Glenns Tod rehabilitieren. Und wer wusste es schon …. Eventuell ließ ihn Rick frei. Die Hoffnung war gering, aber ging nicht gegen Null. Es war ein Gedanke, für den er kämpfte. Die Zeit verging schleichend. Manchmal kam es Negan so vor, als würde er in einem Paradoxum fest sitzen, während es draußen ohne ihn weiter ging. Er dachte an Lucille. Michonne meinte, dass sie irgendwo da draußen sei. Sie war allein, genauso wie Juls. Negan konnte beide nicht mehr beschützen. „Du musst ihm vertrauen, er packt das schon. Er ist taff. Ja, selbst dir kann er eventuell noch etwas vor machen“, sagte seine innere Stimme zu ihm. Nichtsdestotrotz vermisste er sie. Lange war Lucille sein Ausgleich gewesen. Negan sah einen Menschen in ihr. Ja, er hatte den Geist seiner verstorbenen Frau praktisch auf sie transportiert. Wer würde schon einen Baseballschläger einen Namen geben? Er schnaufte verächtlich und legte sich auf sein Bett. Sein einziger Besitz, wenn man die Kleidung, die er am Leib trug abzog. Obwohl selbst diese Pritsche ihn nicht wirklich gehörte. Negan wusste bald nicht mehr, welchen Tag, Monat oder Jahr wir hatten. Allerdings bemerkte er, dass er alterte. Daher schien einiges an Zeit vergangen zu sein. Irgendwann bekam er zu hören, dass Rick angeblich verstorben sei. So wirklich glaubte Negan jedoch nicht daran. Rick war ein taffer Hund. Bestimmt war er da draußen. Michonne blockte Gespräche mit ihm ab. Man merkte, dass sie ihn zum einen misstraute und zum anderen ein tiefer Hass in ihr verwurzelt war. Dafür schaffte Negan es, langsam Zugang zu Judith zu bekommen. Sie wurde seine große Stütze. Das lag wohl insbesondere daran, dass sie, im Gegensatz zu den anderen Bewohnern in Alexandria, unvoreingenommener war. Judith behandelte Negan nicht wie das Monster, das viele in ihm sahen. Immerhin zwei Menschen – Juls und sie. Was er wohl gerade machte? Wie es ihm ging und wo er die Nächte verbrachte? „Hattest du eine Freundin im Sanctuary?“, fragte ihn Judith einmal, von Lucille wusste sie ja bereits. „Warum willst du das denn wissen?“ „Nur so, ich bin neugierig, wie du gelebt hast.“ Er musste lachen, die Direktheit der Kleinen war ihm sympathisch. Ganz wie der Bruder und Vater. „Nein“, antwortete Negan „da waren ein paar Frauen, aber keine davon war meine Freundin.“ „Warst du ein Casanova?“ „Kann man so sagen. Doch dann kam eine Person, die mehr für mich war, als das. Sie hat mir emotional viel gegeben. Allerdings war sie keine Frau.“ „Ein Mann?“ „Ja“, sprach er völlig selbstverständlich aus. Wer hätte gedacht, dass Negan mal so offen dazu stand nicht heterosexuell zu sein. „Ist doch egal“, äußerte Judith „Mama meinte immer Liebe ist Liebe.“ „Da hat sie Recht. „Hast du ihn denn geliebt?“ „Ja“, Negan hielt inne „was heißt habe … ich liebe ihn, mehr als mich selbst. Er war das Beste in meinem Leben.“ Kapitel 12: Wir sind Negan -------------------------- Ich wusste nicht was aus den anderen Saviors wurde. Als ich ging, war das mein Zeichen, dass auch sie einen neuen Abschnitt antreten konnten. Von daher hatte ich meine Schuldigkeit getan. Dennoch nahm ich mir an meinen Freund ein Beispiel: Immer wenn Fremde in Gefahr waren, rettete ich sie. Ich wurde sozusagen ein unabhängiger Savior und führte Negans Erbe weiter. Auch mit Lucille verband mich nun einiges. Da ich auf mich gestellt war, sah ich wohl eine Verbündete in ihr. Nicht nur das, ich erkannte Negan in ihr wieder. Ja, das mochte sonderlich klingen. Aber nun verstand ich, warum er so an diesem Baseballschläger hing. Ich ertappte mich sogar, wie ich mit ihr sprach. Sie wurde mein Ersatz für meinen Liebsten. Wenn man zu lange für sich ist, wird man zunehmend seltsamer. Vor einigen Tagen hatte ich zwei Mädchen, ich schätze sie auf etwa sechszehn bis achtzehn, vor einigen Beißern gerettet. Sie waren ziemlich aufgebracht, also versuchte ich sie zu beruhigen. Ich war zwar ein Einsiedler, aber nicht herzlos. „Hier trinkt das“, ich reichte ihnen zwei Becher Tee, die ich zubereitet hatte. Mein letzter Streifzug war recht erfolgreich gewesen. Sogar Süßigkeiten hatte ich gefunden, die ich den beiden auch anbot. „Danke“, sagte Kelly, wie sie sich vorstellte. Sie hatte schwarze Haare, sonnengebräunte Haut und braune große Augen. Würde ich auf Frauen stehen, wäre sie bestimmt mein Typ gewesen. Sarah, die andere, war auch eine Schönheit, mit ihren blonden gelockten Haaren, den Sommersprossen und blauen Augen. „Woher kommt ihr genau?“, erkundigte ich mich. „Wir hatten ein Lager, weiter weg von deinem“, Sarah zeigte nach Norden. „Allerdings … sind wir die einzigen Überlebenden.“ „Das klingt furchtbar. Was ist passiert?“ Kelly blickte betreten auf ihren Becher. „Ich weiß nicht, was das für Personen waren. Anfangs dachten wir, dass es Beißer wären. Doch sie waren anders. Wir haben ihre Stimmen gehört, sie flüsterten. Ihr Anführer war ein Hüne. Er meinte, er werde alles aus dem Weg räumen, was ihn stört und hinderlich ist. Ein paar von uns wollten sich nicht verdrängen lassen, doch sie metzelten einen nach dem anderen nieder. Sarah und ich konnten entkommen. Ich weiß immer noch nicht genau wie. Jedenfalls …“ Sie holte tief Luft. „Er fasselte etwas von Rache, dass er diesen Typ mit Lederjacke umbringen wird und seine gesamte Truppe. Völlig wirr redete er das vor sich hin.“ „Ja“, mischte sich nun Sarah ein „er sagte einen Namen.“ Lederjacke? Könnte es sein? Nein, unmöglich. Ich schüttelte den Kopf. „Wie ….“, begann ich zaghaft „lautete der Name?“ „Hmm, ein Name mit N. Ne … ja genau Negan.“ Fast hätte ich den Kessel umgeworfen. Negan! Mein geliebter Partner lebte! Nach all den Jahren, die vergangen waren. All die Male, die ich wieder und wieder nach ihm Ausschau gehalten hatte. In der Hoffnung ihn da draußen zu finden. „Wohin sind sie gezogen?“, kam es lauter aus mir. „Ähm … willst du etwa dahin?“ „Das ist purer Selbstmord“, resultierte mir Sarah. „Das ist mir gleich. Ich muss dahin“, ich sah sie an „bitte, sag es mir. Negan er …“ Sein Gesicht erschien vor meinem geistigen Auge. Auch wenn sehr viel Zeit vergangen war, so hatte ich mir sein Aussehen genau eingeprägt und würde es niemals vergessen. „Er ist mein Partner, die Person, die ich liebe, mehr als mein eigenes Leben“, brachte ich es endlich auf den Punkt. Sowohl Sarahs als auch Kellys Augen wurden groß. „Ja, ich bin homosexuell“, brummte ich. „Nein, das ist es nicht. Das ist für uns kein Problem, wir sind doch keine ewig Gestrigen. Es ist nur, dass mich dein Mut beeindruckt. Wir haben lange nicht mehr so viel Selbstlosigkeit erlebt. Selbst unsere einstige Gruppe dachte meistens nur an ihr eigenes Wohl. Sarah war anders, daher wurden wir Freundinnen. Vielleicht war es nur ein Lauf der Zeit, dass unsere Truppe den Erdboden gleich gemacht wurde. Ich kann dich verstehen. Wir hatten unsere Partner leider beide verloren. Du liebst ihn wohl sehr.“ Die beiden nickten sich zu. „Sie sind diese Richtung gegangen, immer weiter zu einer Festung. Wir haben gehört, dass da wohl die Gruppe samt Negan ist, die dieser unheimliche Typ vernichten will.“ „Ich danke dir“, mein Mund formte ein Lächeln. Sie fragten mich, ob sie mich begleiten sollten, doch ich lehnte ab. Ich hatte ja Lucille. „Bleibt ihr hier in Sicherheit.“ In meinen Gedanken war nur noch er. Hoffentlich kam ich nicht zu spät. Automatisch beschleunigte ich meine Schritte. Ich war mittlerweile recht gut geworden Spuren zu lesen und erkannte, dass ich auf der richtigen Fährte war. „Es müssen viele sein“, ich schluckte angesichts der Fußspuren. Was wenn seine Truppe dem nicht Stand hielt? Ich wollte ihn nicht verlieren, bevor ich ihn überhaupt wieder gefunden hatte. ***** Nachdem Negan, unter Carols Anleitung, Alpha getötet hatte, standen nun weitere Probleme bevor. Beta, ihre einstige rechte Hand, würde bestimmt auf Rache sinnen. Doch gerade kümmerte er sich um Alphas Tochter Lydia. Diese hatte so viel unter ihrer Mutter leiden müssen, dass sie nun all ihre Wut, den Hass und die Trauer rauslassen konnte. Sie umarmte Negan, der ihr nun zur Seite stand. „Es ist okay, Lydia“, flüsterte er. „Ich hasse sie“, schluchzte das Mädchen. „Das ist auch dein gutes Recht, aber es ist wichtig, dass du all diese Gefühle zulässt. Glaub mir, sonst wird es dich innerlich auffressen.“ Sie sagte nichts, sondern drückte ihn näher an sich. In dem Moment war Negan wie die Vaterfigur, die sie sich so sehr gewünscht hatte. „Danke“, raunte sie zurück. Es war eines der wenigen Male, dass Negan dieses Wort hörte. Auch Daryl hatte sich nicht bei ihm bedankt, obwohl er ihn gerettet hatte. Gut, wahrscheinlich hasste ihn dieser ohnehin. Lydia ließ Negan los und beide setzten sich auf den Fenstersims. „Verzeih mir, dass ich eben so eklig zu dir war. Ich wollte dich nicht beleidigen.“ „Jetzt mach dir keine Gedanken. Ich bin Schlimmeres gewohnt. Die meisten hier hassen mich und ja, viele wünschen mir bestimmt den Tod an den Hals.“ „Trotzdem“, Lydias Blick verfinsterte sich „das hast du nicht verdient. Du hast mich damals gerettet.“ „Schon okay.“ Er nahm ihre Hand und nickte. Alles was Negan wollte, war ihr zu zeigen, dass sie nicht alleine war. Lydia lehnte ihren Kopf an seine Schulter und er strich ihr beruhigend über das Haar. Innerlich fühlte er einen Stich, denn er musste unwillkürlich an Juls denken. „Negan?“ „Ja?“ „Sei ehrlich … du leidest ebenso wie ich“, sprach Lydia es aus. „Was hast du vor dem hier erlebt?“ Negan war überrascht von ihrer direkten Art. Schließlich seufzte er. Lydia war, neben Judith, die einzige Person, die er zu seinen Verbündeten zählen konnte. Und ja, er mochte sie. Von daher schien es okay zu sein. Also weihte er sie ein. Zunächst erzählte Negan ihr von Lucille und wie sehr er diese verletzt hatte. Wie er schließlich diesen x-beliebigen Baseballschläger fand, auf den er so vieles übertrug. "Nachdem ich eine Weile für mich war, fand ich eine Gruppe. Wirklich organisiert war diese nicht. Ich übernahm sie und baute sie im Alleingang auf. Wir nannten uns die Saviors und wollten Menschen beschützen. Jedoch waren meine Methoden alles andere als richtig. Ich habe sehr viele verletzt. Nach meiner größten Sünde, fand ich diesen Mann im Wald. Allein, er wäre fast von einem Beißer gefressen wurden. Ich nahm mich seiner an. Anfangs war er nur ein weiterer Rekrut. Doch irgendwann änderte sich das. Wir wurden Freunde. Ich konnte ihm so vieles anvertrauen. Er schaffte es, sich einen Durchgang zu erkämpfen und meine inneren Barrieren zu durchbrechen. Eines Tages realisierte ich, dass ich mehr für ihn empfand. Ich, der jedem Rockzipfel hinter jagte, hatte mich tatsächlich in einen Mann verliebt.“ „Wow“, sie öffnete erstaunt den Mund „damit hätte ich nicht gerechnet.“ „Da geht es dir wie mir“, Negan lächelte „aber es ist wahr. Juls war anders als mancher Kerl, den ich so traf. In vielerlei Hinsicht. Doch er übertraf sie auch alle. Sein Mut, seine Courage, seine Aufopferungsbereitschaft waren einmalig. Plötzlich träumte ich von einem Leben außerhalb dieser ganzen Scheiße. Nur er und ich irgendwo im Wald oder einem leerstehenden Gebäude. Juls war meine Familie geworden. Allerdings wusste ich, dass dies alles auf Zeit war. Dann stand der Krieg mit Rick an, wo er mich überwältigte. Sieben Jahre war ich ein Gefangener. Viele Bewohner Alexandrias sahen auf mich hinab. Ich war weniger wert, als eine Küchenschabe. Bis Carol mir diese Chance ermöglichte. Tja und jetzt bin ich hier. Ich denke jeden Tag an Juls. Meine größte Angst ist, dass er es nicht überlebt hat.“ „So wie du ihn beschreibst, scheint er taff zu sein“, versuchte ihn Lydia Mut zu zusprechen. „Ja, das ist er. Es sind jedoch so viele Jahre vergangen. Ich konnte mich nicht einmal richtig verabschieden. Gut, ich habe ihn einen Brief geschrieben. Allerdings weiß ich selbst da nicht, ob er ihn je erhalten.“ Sie sahen einander an. Beide verband viel, denn Lydia wusste zu genau, wie es sich als Außenseiterin anfühlte. Sponsor werden und Werbung komplett deaktivieren „Weißt du, wahrscheinlich werde ich diese Basis hier verlassen“, gestand ihr Negan. Langsam war er müde geworden. Er hatte seine Schuldigkeit getan und war es leid sich seinen Platz erkämpfen zu müssen. „Dann will ich mit dir kommen“, lenkte Lydia ein „bitte. Ich habe sonst niemanden mehr.“ Eine Weile konnte er darauf nichts erwidern. Sie war ein Teenager … Andererseits war sie für ihr Alter recht weit und konnte auf sich aufpassen. Hinzu kam, dass Negan sich verändert hatte. Er war sanfter geworden. Wahrscheinlich steckte dies schon immer in ihn. „Na gut“, lenkte er ein. Ihre Augen funkelten auf und sie umarmte ihn erneut. „Danke.“ „Ach …“, winkte Negan ab. „Angriff“, schrie plötzlich jemand. Lydias Körper zuckte und Negan hielt sie fest. Nein, er würde weder sie noch Judith verlieren. Er hatte schon zu viel in seinem Leben verloren. „Wir müssen gehen.“ Lydia nickte Sie standen auf, im Inbegriff den anderen zu helfen, doch bevor Negan den Raum verlassen konnte, stand er plötzlich vor Daryl. „So du willst dich also verdrücken?“ „Nein, da denkst du falsch.“ „Ach komm, wirklich verlassen kann man sich auf jemanden wie dich nicht. Du machst doch eh was du willst. Bestimmt war es auch so eine Laune von dir mich zu retten.“ „Daryl!“ Lydia wurde lauter. „Ist schon gut“, Negan rollte mit den Augen „ich hab schon einiges an Scheiße gehört und über mich ergehen lassen, dass ich fast das örtliche Scheißhaus sein könnte. Also Daryl, dann scheiß dich mal weiter auf mir aus, wenn es dir Spaß macht. Doch vielleicht solltest du deinen Drang etwas zurückschrauben, weil wir gerade überrannt werden und dann Futter für die Beißer sind.“ Daryl schnaufte. Einige Sekunden starrte er Negan an. Und plötzlich geschah etwas, womit weder Lydia noch er gerechnet hätten: Daryl gab Negan die Hand! Selbst Lydia stand perplex auf der Stelle und wusste nicht, was sie sagen sollte. Ein wenig misstrauisch schüttelte Negan Daryls Hand. „Nur dass das klar ist, die besten Freunde werden wir in diesem Leben bestimmt nicht mehr. Dennoch werde ich den anderen zu Liebe Frieden mit dir schließen. Außerdem stehe ich in deiner Schuld.“ „Ich bin okay damit. Schuldig bist du mir jedoch nichts, es war mein Wille dich zu retten.“ „Jungs“, rief Lydia. Die beiden nickten sich zu. Unterwegs konnte Negan noch Judith vor einer Horde Beißer bewahren. Endlich konnte er zeigen, zu was er fähig war. Dass er keineswegs nur Köpfe einschlagen, sondern ebenso Menschen vor dem Tod bewahren konnte. Sie schlugen sie gemeinsam durch die Meute – Daryl, Negan, Judith, Lydia und all die anderen, die einst seine Feinde waren. Es wurde sein härtester Kampf, bei dem sie letztendlich zu drastischen Mitteln greifen mussten. ***** „Oh nein, komme ich zu spät“, sprach ich laut aus. Die Basis, sie brannte! Bevor ich meine Sinne verlor, erkannte ich, dass bereits Menschen entkommen waren. Nur die lebenden Toten schmorrten in dem Höllenfeuer. Die Überlebenden husteten und waren völlig geschafft. „Negan, Negan“, ein kleines Mädchen weinte. „Wo ist er?“, ich überlegte nicht lange. „N-noch da drin. Er hat uns gerettet. Aber dieser Mann, er meinte, dass er Negan mit in den Tod nehmen wird.“ Da hatte er sich aber geschnitten. Ich rannte los, Lucille an meiner Seite. „Hey, warte, sei vorsichtig!“ Ich war von einem Meer aus Flammen umgeben. Doch ich konzentrierte mich, denn ich hatte es ihm versprochen. Schließlich vernahm ich Stimmen. „Du wirst hier nicht mehr raus finden. Nein, du wirst mit mir verbrennen.“ Endlich sah ich sie. Der Typ war wirklich ein Hüne und extrem unheimlich mit seiner Maske aus der Haut der Beißer. Wo war Negan? Da! Ich keuchte auf, mein Liebster lag auf den Boden mit einer Kopf Verletzung. Mit aller Kraft stürzte ich vor, schwang Lucille und schlug diesem widerlichen Dude in die Seite. Er verzog sein Gesicht. „Negan jetzt!“ Mein Freund kämpfte sich empor, während ich mit aller Mühe den Feind festhielt, der mir weitaus überlegen war. Ich reichte Negan seine Lucille. Ungläubig über mein Erscheinen, blinzelte er mich an und hustete. „Juls … du. Ist das ein Traum?“ „Jetzt mach schon! Ich kann ihn nicht mehr lange halten.“ Er sammelte sich, legte all seine Kraft in Lucille und schlug zu. Irgendwann ging er zu Boden und Negan verfiel in einen Blutrausch. Wieder und wieder traf Lucille den Kopf des Monsters, bis nur noch Brei übrig war. „Schnell“, wies ich ihn an. Die Flammen waren stärker geworden. Ich schlang meine Arme um Negans Taille. „Juls, bitte … rette dich, lass mich hier. Du …“ „Ssscht“, machte ich „entweder wir beide oder keiner. Ich werde dich nicht noch einmal verlieren.“ Kurz vor dem Ausgang des Flammeninfernos griffen Hände nach uns. Ein paar der Gruppe, löschten das Feuer, was Negans Jeans erfasst hatte. Ausgezehrt fielen wir zu Boden. „Negan“, zwei Mädchen und ein Mann, den ich als Daryl wiedererkannte, kamen zu uns. „Ist er okay?“ „Ich … weiß nicht“, meine Stimme versagte. Mit einem Mal wurde mir schwarz vor Augen. Ich wachte in einem Bett auf. Wo war ich genau? Vorsichtig richtete ich mich auf. „Warte“, hörte ich eine weibliche Stimme sagen. Es war eines der Mädchen, die neben meinen Bett saßen. „Du bist noch ziemlich geschwächt.“ „Negan …“, war das Einzige, was ich sagte. Ich wollte ihn sehen. Mein Herz verkrampfte sich, da ich Angst hatte, dass er eventuell gestorben war. Das Mädchen, was sich als Lydia vorstellte lächelte und deutete mit den Kopf nach rechts. Ich folgte ihrem Blick und erkannte ein zweites Bett, in dem er lag! „Negan schläft, aber er hat überlebt. Es war einfach zu viel für ihn gewesen. Aber er wacht bestimmt bald auf, gib ihm etwas Zeit. Übrigens … ich weiß, wer du bist. Negan hat mir viel von dir erzählt. Ich lasse dich dann mal allein.“ Lydia verließ das Zimmer. Ich streckte meine Hand aus und umfasste sanft die meines Geliebten. „Verzeih mir“, Tränen traten in meine Augen „ich wollte dich schon viel früher finden. Viel zu lange habe ich auf dich verzichten müssen, wäre an dem Verlust fast zugrunde gegangen. Einzig Lucille hat mir geholfen diese Zeit zu überstehen. Ich will nie wieder ohne dich sein. Negan, ich liebe dich … über alles!“ Keine Reaktion. Lydia hatte wohl recht. Doch bevor ich mich zurücklehnen konnte, formte sein Mund ein breites Grinsen. „Easy peasy“, brachte er mit geschwächter Stimme hervor „siehst du, Boy? Mich haut so leicht nichts um. Ich habe Eier aus Stahl und du auch, egal ob nun mental oder körperlich. Eier sind Eier.“ „Spinner“, ich kicherte und sah ihn an. Meine Hand strich über Negans Gesicht. „,Und ein Boy bin ich eigentlich nicht mehr, ich bin neunundreißig.“ „Scheiße, du siehst aber immer noch aus wie ein Twen, du Vampir.“ „Aber wenn du es willst, bin ich dein Boy.“ „Daddys Boy?“, meinte Negan amüsiert. Ich gab ihm einen leichten Klaps auf die Schulter. „Nein, Negans … allerdings wenn du auf solche Kinks stehst …“ „Na komm her“, Negan lächelte, genau dieses Lächeln, was mir damals alle Sinne raubte. Ich stand vorsichtig auf und legte mich neben ihn. Sein Arm schlang sich um mich. „Ich dachte, dass ich dich nie wiedersehe“, gestand er mir „hätten Judith und Lydia mir keine Hoffnung gegeben … Es tut mir leid, ich hätte dich nicht unterschätzen dürfen. Tief in mir, wusste ich wohl, dass du mich findest. Scheiße, ich habe dich so vermisst. Diese verdammten sieben Jahre habe ich immer nur an dich gedacht. Ja, du warst mein Hoffnungsschimmer am fucking Firmament. Mein Held“, sein Finger berührte meine Lippen. „Ich liebe dich.“ Endlich küsste er mich. All die Jahre hatte ich von diesem Augenblick geträumt. „Du bist die Zukunft“, flüsterte Negan in mein Ohr. Ein Jahr verging und die Bewohner Alexandrias hatten ihm endlich verziehen. Sie boten uns einen Platz in der Gemeinschaft, doch wir waren lieber für uns. Nichtsdestotrotz besuchten wir Alexandria manchmal. Lydia begleitete uns. Sie wurde unsere Tochter. Auch wenn es keine amtliche Bescheinigung in dieser Welt gab, adoptierten wir sie. Und Judith? Sie war recht glücklich ihren Onkel Negan und Daryl zu haben, wie sie beide inzwischen nannte. Auch die zwei freundeten sich allmählich an, wenn sie wohl nie beste Freunde wurden, kamen sie nun miteinander aus. Was war mit mir? Ich hatte meinen Platz in dieser Welt gefunden: Ich war Juls, aber ebenso Negan, genauso wie er, zwar er selbst war, doch auch Juls. Wir waren eins. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)