Yu Yu Hakusho: Ghost Files II - Symphonie der Anderswelt von Minako ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1: Gestranded in der Menschenwelt ---------------------------------------------------- [Ungefähr zur selben Zeit - Menschenwelt] Der Morgen brach an und eine junge Frau machte sich fertig für einen weiteren, anstrengenden und auslaugenden Arbeitstag. Die Blondine arbeitete nun seit zwei Jahren in einem Inkassounternehmen, aber in den vergangenen vier Monaten, wurde ihr Arbeitsleben und auch ihr Privatleben eine persönliche Hölle für sie. Zuerst hatte die Arbeit noch Spaß gemacht. Ihr Chef, Iwato Nakamura, war ein freundlicher Mann, der auch immer ein offenes Ohr für seine Klienten hatte. Selbst der Gegenseite zeigte er sich stets kulant und konnte für die Schuldner eine tragbare Zahlungsmethode vereinbaren. Jeder war zufrieden mit seinem Büro und im Vergleich zu anderen Inkassounternehmen war das Nakamura Inkassobüro relativ beliebt und bekannt in der Stadt. Doch dann änderte sich alles. Minako verstand nicht, wie sich ein Mensch nur schlagartig so ändern konnte, aber Iwato wurde immer kälter und unberechenbarer. Der freundliche Mann wandelte sich immer mehr zu einem Kredithai, jemand der keinerlei Skrupel oder Gnade mehr kannte. Es war nur eine Vermutung, aber es könnte durchaus an der neuen Geschäftsführung liegen, die Iwato so verändert hatte. Denn alles änderte sich, als Iwato heiratete und seine Ehefrau als Teilhaberin und Geschäftspartnerin in das Unternehmen einführte. Ab diesem Zeitpunkt änderte sich die Firmenpolitik vollständig. Es wurden immer öfter Gerichte eingeschaltet, weil Iwato mit sich nicht mehr verhandeln ließ. Er stellte bullige, kriminell aussehende „Geldeintreiber“ ein, die den Schuldnern nicht nur einmal die Knochen brachen, wenn diese nicht zahlen konnten oder wollten. Es dauerte einige Zeit, bis Minako hinter diese Skrupellosigkeit gekommen war, als ein Opfer, ein alleinerziehender Vater von drei Kindern, dem die Kniescheibe zertrümmert wurde, zu ihr ins Büro kam und ihr erzählte, was die Schläger von Iwato mit ihm und anderen getan haben... [Flashback – vor einem Monat] Die Arbeit in einem Büro konnte monoton werden, das hatte sich die Blonde so ausgesucht. Es war also keine Überraschung, dass sie sich hin und wieder etwas langweilte. Zumindest musste sie sich nicht alleine langweilen, denn eine neue Mitarbeiterin teilte sich das kleine Büro mit ihr und diese Mitarbeiterin war sehr offen und kontaktfreudig. Manchmal zum Leidwesen der eher zurück haltenden Blondine. „Hirebayashi-san, würdest du mir mal bitte den Aktenordner zu den Geschäftsfällen des letzten Jahres reichen, der hinter dir im Schrank steht?“, bat Minako und durchforstete gerade einige Unterlagen zu einem Gläubiger, der schon unzählige Rechtsstreits gegen seine Schuldner und sogar des Inkassounternehmens geführt hatte. Er war einmal wieder bei einer Zivilklage gegen die Firma, weil sie „seine Interessen nicht mit genug Kompetenz vertrete“, so seine Aussage. Der Rotschopf schien sie gar nicht zu beachten und wippte rhythmisch auf ihrem Bürostuhl hin und her, während sie vor ihrem Bildschirm saß und arbeitete. Zumindest hoffte Minako, dass es Arbeit war. „Hirebayashi-san?“, rief sie erneut und nun sah sie auch die kleinen Kopfhörer in den Ohren ihrer Kollegin. Sie hörte gerade Musik und machte wohl deswegen diese komischen Bewegungen. Minako seufzte leise und bewarf Taiko mit einem Radiergummi. Der Radiergummi traf sie an der Schulter und der Rotschopf blickte verwundert von ihrem Bildschirm und nahm einen der Kopfhörer aus dem Ohr. „Ja?“ „Würdest du mir bitte den Aktenordner hinter dir geben? Mit den Fällen des letzten Jahres?“, bat die Blondine erneut und Taiko salutierte gespielt. „Aye, aye.“, sprach sie und drehte sich auf ihrem Stuhl zum Aktenschrank. Dort überflog sie die beschrifteten Plaketten und entließ ein 'Ah, da.', bevor sie den Ordner nahm und ihrer Kollegin übergab. „Danke. Was machst du da eigentlich die ganze Zeit?“, fragte Minako dann, da sie sich nicht vorstellen konnte, wie man sich bei permanentem Dauerbeschallen von lauter Musik auf die Arbeit konzentrieren konnte. „Farmville. Oh, willst du nicht meine Nachbarin werden? Mir fehlt noch ein Nachbar, dann kann ich ausbauen!“, grinste Taiko und wedelte gestikulierend mit der Hand. „Err... Nein, danke. Ich mache mir nichts aus solchen Onlinespielen. Bist du mit deiner Arbeit etwa schon fertig?“, stutzte die Blonde misstrauisch und gehobener Augenbraue. „Na klar. Solche kleinen Briefchen an Schuldner sind schnell geschrieben, wenn man ein Kettenbriefsystem benutzt und einfach nur alle Adressen mit einem Klick einfügen muss.“, nickte Taiko grinsend. „Es ist heute ziemlich ruhig, wollen wir nicht die Mittagspause vorziehen?“ „Du machst doch schon die ganze Zeit Pause.“, schüttelte Minako verständnislos den Kopf und als sie gerade noch weitere Einwände von sich geben wollte, funkte ein Magenknurren dazwischen. Es war ihr eigener Magen. Leicht vor Scham errötet, hielt sie sich den Bauch und gab nach. „Ich könnte allerdings etwas zu Essen vertragen. Na gut.“ „Fein! Dann lass uns gleich in das neue McDonalds gehen. Die bieten jetzt Reis-Burger an.“ „Hirebayashi-san-“ „Und zum letzten Mal. Nenn mich einfach Taiko. Ich mag das Formelle überhaupt nicht. Außerdem bist du älter als ich.“, schmollte Taiko und zeigte mit dem Finger auf ihre Kollegin. „Einfach Taiko. Wir sind doch keine Fremden mehr.“ Minako schwieg kurz und nickte schließlich. „Tut mir Leid, Macht der Gewohnheit. Es gibt sonst niemanden, mit dem ich so locker bin, dass wir uns mit Vornamen anreden.“, gab sie dann zu. „Echt nicht?! Na gut, dafür hast du jetzt mich.“, lächelte die Rothaarige und ließ zu dem Thema auch keine Diskussionen mehr zu. Gerade als sich die beiden Frauen fertig machen wollten, zur Mittagspause zu gehen, betrat ein Mann das Büro. Es war eher selten, dass Klienten ihr Büro aufsuchten, zumal es auch nur eine kleine Geschäftsstelle war. Die Geschäftsführung befand sich in einem anderen Distrikt der Stadt. Vermutlich war es auch nichts Ernstes. Doch schon sehr schnell musste Minako erkennen, dass der Mann übel zugerichtet war. Es war ein Mann, ungefähr Ende 30. Er humpelte und hatte im Gesicht Blutergüsse und Kratzer. „Um Himmelswillen.. Hireba- ich meine Taiko, holst du mal eben das erste Hilfe Kit aus der Küche? Was ist denn mit Ihnen passiert?“, fragte die junge Blondine und eilte zu dem Mann. Der Mann schlug sie unsanft weg bei dem Versuch ihm zu helfen. „Fassen Sie mich nicht an..!“, knurrte der Mann fast schon feindselig und hustete dann, als er auf die Knie sackte. „Ihre Geldeintreiber haben mich schon genug zugerichtet.“, fuhr er fort. „..Wie bitte? Geldeintreiber? Soll das heißen, dass unsere Außendienstmitarbeiter Sie so zugerichtet haben..?“, murmelte Minako ungläubig. Taiko war indessen mit dem Erste-Hilfe-Kasten da, aber auch ihre Versuche, ihn zu verarzten, schlug der Mann aus. Stattdessen holte er aus seiner Tasche einen Batzen Geldscheine und warf sie unsanft auf den Tisch. „Hier ist ihr Geld. Ich hoffe Sie sind stolz darauf, blutbefleckte Scheine anzunehmen. Ich musste eine Hypothek auf das Haus aufnehmen und kann meiner Familie kein Essen mehr kaufen.“ Die Worte des Mannes erschraken die Blondine. Ihr Arbeitgeber hatte doch niemals mit solchen grausamen Methoden gearbeitet. Bullige Schläger als Geldeintreiber, wie in Spielfilmen, die den Zahlungsunwilligen oder -unfähigen, die Knochen brechen und sie in den Ruin treiben, nur damit das Geld rechtzeitig eintrifft. Sie konnte sich absolut nicht vorstellen, dass ihr Chef zu solchen Mitteln gegriffen hatte. „Da muss ein Irrtum vorliegen, mein Herr. Wir sind ein seriöses Unternehmen.“, versuchte sie ihre Arbeitsstelle zu verteidigen. „SERIÖS?!“, nun wurde der Mann laut und noch wütender. Er hob sein eines Hosenbein hoch, welches schon etwas zerfetzt war und zeigte sein bares Knie. Oder zumindest was man unter dem vielen Blut und heraus schauendem Fleisch erkennen konnte. Ihm wurde die Kniescheibe komplett zertrümmert, weswegen er auch so humpelte. Es war ein Wunder, wie er es überhaupt ohne ärztliche Behandlung geschafft hatte, bis zum Büro zu kommen. „Warum zur Hölle sind Sie mit der Verletzung nicht direkt ins Krankenhaus? Ich werde einen Krankenwagen rufen.“, meinte die Blonde und sah dann, dass Taiko bereits den Telefonhörer in der Hand hatte und ihr ein 'Daumen-hoch' gab, als Zeichen, dass sie dies bereits übernahm. „Weil ich nicht will, dass die andere Kniescheibe dasselbe Schicksal erleidet.. Hören Sie, wenn ich nicht sofort dieses Geld beschafft hätte, wäre als nächstes meine Frau dran gewesen.. Oder meine Kinder.. Und das.. Nein.“, schüttelte der Mann den Kopf. Minako war regelrecht sprachlos. Bis zum Eintreffen des Krankenwagens versuchte sie sich in haltlosen Erklärungen, dass sie sich das einfach nicht vorstellen konnte und als der Mann abgeholt worden war, blieben noch viele Ungereimtheiten und fehlende Informationen. „Ich arbeite hier seit zwei Jahren, aber das wir hier Schläger beschäftigen, ist mir neu..“, murmelte sie betreten. Das Essen war ihr nun gründlich vergangen und sie blickte auf die Akte des Mannes. Es war ein einfacher Fischhändler, der sich Geld leihen musste, um einen chirurgischen Eingriff seiner Frau zu bezahlen. Er war dreifacher Familienvater und ein sehr lebensfroher und freundlicher Mann. Es gab keinen Grund, warum er sich diese Geschichte ausgedacht haben sollte und die Verletzungen sprachen auch Bände. „Ich finde du interpretierst da zu viel rein.“, riss Taiko sie plötzlich aus den Gedanken. „Viele Schuldner überschätzen sich, wenn sie sich Geld leihen oder sie haben einfach keine Lust, das Geld zurück zu zahlen. Dann suchen sie halt Ausreden, um nicht zahlen zu müssen und uns, die ja quasi die „Geldeintreiber“ sind, in ein schlechtes Licht zu rücken.“, fuhr sie fort. „Willst du damit sagen, dass der Mann sich die Verletzungen SELBST zugefügt hat und uns damit schlecht machen will? Vor allem hat er doch bezahlt.“, seufzte die Blonde. „Ja, als Schein. Wenn er mit so einer Szene ankommt und bezahlt, dann denkt er, dass wir Angst kriegen und ihm die restlichen Raten erlassen. Weil er denkt, dass wir uns das nicht trauen, noch mal Geld einzufordern. Das habe ich schon so oft gesehen, dass Leute das so machen.“ „Und wo? In schlechten Krimiserien? Komm schon, wir sind hier in der realen Welt. Kein Mensch kann sich solche Verletzungen selbst zufügen.“, schüttelte Minako ungläubig den Kopf. Taiko lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und stützte ihre Wange an ihrer Handfläche dabei ab, als sie ihre Kollegin musterte. „Richtig, wir sind in der realen Welt. Und brutale Schläger, die zahlungsunwillige Schuldner verprügeln und krankenhausreif machen, als wären wir eine Art Mafia, ist genauso unlogisch oder?“, fragte die Rothaarige und zuckte mit den Schultern. „Mhm.. Ich weiß nicht.. Ich werde mit Iwato-san reden und ihn fragen, ob er was darüber weiß.. Ich kann mir beides nicht vorstellen. Das ist ja das Paradoxe. Irgendwas stimmt hier nicht Taiko und ich fühle mich nicht wohl in dem Wissen, wie skrupellos diese Firma geworden ist.“ [Flashback Ende] Als sie Iwato daraufhin zur Rede stellen wollte, grinste er sie nur mit einer unfassbar kalten Mine an und zuckte desinteressiert mit den Schultern. „Die Geschäftswelt ist knallhart, aber das kann ein so junges Ding, das frisch vom College kommt, natürlich nicht nachvollziehen. Fressen oder gefressen werden, so läuft es hier ab, Tategami-san. Wenn Ihnen das nicht passt, wissen Sie, wo die Tür ist.“ Natürlich hatte sich die Blonde nach diesem Gespräch nach einem anderen Arbeitsplatz umgesehen, jedoch war der Ruf von ihr und jedem anderen Mitarbeiter bereits zu anderen Arbeitgebern durchgesickert und sobald die Personalchefs die Lebensläufe sahen und als aktuelle Arbeitsstelle: Nakahara Inkassobüro sahen, war das Bewerbungsgespräch auch schon direkt zu Ende. Ihr blieb also keine andere Wahl, als die Stelle als Buchhalterin des Inkassobüros beizubehalten, wenn sie sich ihren Lebensunterhalt weiter verdienen wollte und nicht auf der Straße landen wollte. Das hatte noch andere Schattenseiten, außer die moralischen Unstimmigkeiten. Es machte einsam, von allen verachtet zu werden. Sie hatte keine Freunde, Familie meldete sich ebenfalls nicht mehr und sobald sie die Straße entlang lief, musste sie sich Blicke voller Antipathie gefallen lassen. Manche Menschen spuckten sie im Vorbeigehen sogar an.. Minako ließ es sich nicht anmerken, aber sie litt sehr unter ihrem derzeitigen Alltag und Leben. Auch an diesem Tag war ihr unwohl, als sie auf dem Weg zur Arbeit war. Vielleicht war es Intuition, aber sie spürte sehr gut, dass heute etwas passieren würde. Ob positiv oder negativ, das vermochte sie nicht genau zu sagen, aber es führte dazu, dass sie zum ersten Mal seit Antritt ihrer Arbeit zu spät kam. Während sie gerade an einer Kreuzung stand und darauf wartete, dass die Ampel für Fußgänger zu grün wechselte, hörte sie auf einmal ein schmerzendes Wimmern. Das Seltsame daran war, dass dieses Wimmern nicht etwa von der Nähe war, sondern direkt in ihrem Kopf zu sein schien. Minako hielt sich die Stirn und glaubte an eine Einbildung, doch das Wimmern wurde immer lauter und bescherte ihr so starke Kopfschmerzen, dass sie an der Ampel lehnte und zusammen zuckte. „Argh..!“ ~Hilf mir..~ „Was?“ Die Stimme war weiblich und gebrochen, aber sie war direkt in Minakos Kopf. Die Blondine hatte das Gefühl, gleich ohnmächtig zu werden, zwang sich aber dazu, wach zu bleiben und der Stimme zu folgen. Auch wenn die Stimme in ihrem Kopf war, so fühlte sie, als ob sie eine unbekannte Kraft in eine dunkle Gasse führte. Diese Gasse stank bestialisch von den halboffenen Mülltonnen, die anscheinend seit Monaten nicht geleert wurden. Trotz des Gestankes, so kam es der Blonden vor, als würde die Stimme nun lauter und deutlicher werden. Sie trat näher und zwischen Müllbeuteln lag eine blauhaarige, junge Frau. Sie war schwer verletzt und sah abgemagert aus. „Um Gottes Willen..“, entwich es Minako geschockt und sie lehnte sich zu der Frau hinunter. „Hey, sind Sie in Ordnung..?“, fragte sie und durchsuchte dann ihre Taschen nach ihrem Mobiltelefon. „Verdammt.. ausgerechnet heute habe ich dieses Mistding Zuhause vergessen.. Ich muss irgendwie Hilfe holen..“, murmelte Minako leise und rannte schnell aus der Gasse. Dort sprach sie Passanten an. Die meisten Passanten ignorierten sie, bis sie eine freundliche ältere Dame fand, die vor ihrer Rentnerzeit als Krankenschwester gearbeitet hatte. Minako führte sie zu der Gasse, wo sie die leblose Frau gefunden hatte. „Dort liegt sie..!“ „Mhm? Wo denn? Ich sehe niemanden..“, wunderte sich die ältere Dame und blickte verdutzt auf die Müllsäcke, auf die Minako zeigte. „Wie bitte? Hier liegt sie doch.. Hier, direkt vor meinen Füßen..“, meinte die Blonde irritiert und kniete sich vor die Frau. Sie berührte die Wange und konnte die Haut fühlen. „Hier liegt sie. Eindeutig.“ Für die ältere Dame sah es so aus, als würde Minako in die leere Luft streicheln, als sie demonstrierte, wo die bewusstlose Frau lag. „Ich bin zu alt für solche Späße, junges Fräulein. Das ist nicht komisch.“, seufzte die Dame und drehte sich kopfschüttelnd um, um wieder zu gehen. „Nein, warten Sie..! Das ist kein Scherz.. Ich.. hallo?“, die Dame ignorierte Minakos verzweifelte Rufe und die Blondine drehte sich komplett perplex zu der Blauhaarigen. „Bin ich so überarbeitet, dass ich schon Gespenster sehe? Aber sie fühlt sich doch so real an..“, sprach sie leise und berührte das Haar der Frau. Es fühlte sich wie echtes Haar an und auch als sie die Hand in ihre nahm, hatte sie nicht das Gefühl, sich das ganze nur einzubilden. Was sollte sie jetzt tun? Sie konnte die Frau ja schlecht dort liegen lassen. Ins Krankenhaus konnte sie sie aber offenbar auch nicht bringen, wenn niemand sonst diese Person sehen konnte. Es gab also nur noch eine Lösung.. Glücklicherweise war ihr Apartment nicht weit weg von der Gasse und so nahm sie die Frau kurzerhand auf ihre Arme und ging mit ihr zurück. Auf dem Weg blickten sie die Passanten mit gehobener Augenbraue und seltsamen Gesichtern an, da es für sie so aussah, als trüge sie etwas unsichtbares. Das war Beweis für die junge Frau, dass offenbar wirklich nur sie die fremde Frau sehen konnte. Das war ja mehr als merkwürdig.. In ihrem Apartment angekommen, legte Minako die fremde Frau in ihr Bett und rief anschließend Taiko im Büro an. „Hallo, Taiko. Ja, ich bin es. Du musst heute leider ohne mich auskommen. Mir.. geht es nicht so gut heute.“ „Oh, was hast du denn?“ „Uhm.. Magenkrämpfe und Unterleibsschmerzen. Du weißt ja sicher, wie das ist in dem bestimmten Zeitraum als Frau..“ „Ohje, gute Besserung! Soll ich nachher vorbei kommen? Ich komme an einer Apotheke vorbei und kann dir Schmerzmittel mitbringen.“ „Danke für das Angebot, aber ich brauche einfach nur Ruhe. Also, wir sehen uns dann morgen oder so.“ „Okay. Bis dann.“ Nach dem Telefonat versuchte die Blonde dann den Zustand der Frau herauszufinden. Sie hoffte, dass sie auch ohne medizinischen Kenntnisse ihre Verletzungen soweit verarzten konnte, ohne dass sie einen Arzt brauchte. Die Blauhaarige hatte sehr viele Kratzer, vor allem an den Armen und Beinen. Diese desinfizierte und bandagierte sie zuerst. Dabei stöhnte die unbekannte Frau vor Schmerzen auf, aber sie wirkte so kraftlos, dass ihr Stöhnen ein so hoher und leiser Ton war, dass man ihn kaum hören konnte. „Sie wird immer schwächer.. Wie soll ich sie ohne Arzt nur behandeln..“ ~Wasser..~ Da war sie wieder. Diese Stimme in ihrem Geiste. ~Ich brauche.. Wasser.~ Minako blinzelte und blickte auf die bewusstlose Frau. Sie stand auf und ging ins Bad, um eine Schale mit Wasser und einem Stofflappen zu holen. Sie holte auch eine Karaffe mit Trinkwasser und stellte diese mit einem Glas neben das Bett ab. Vorsichtig legte sie den gekühlten Lappen auf die Stirn der Frau und beträufelte sie mit dem Wasser. Das Wasser lief zu ihren Lippen und die Frau öffnete die Lippen, um das Wasser zu schlucken. Sie wirkte wie halb verdurstet und Minako befüllte ein Glas mit dem mitgebrachten Wasser. Sie hob den Kopf der Frau vorsichtig an und setzte das Glas an ihren Mund. „Trink.“, befahl sie sanft und als die Frau das Wasser an den Lippen bemerkte, trank sie das Wasser mit einem Zug leer. Was danach geschah, wirkte fast wie ein Wunder. Der blasse Hautton der Frau nahm wieder Farbe an und sie wirkte auf einen Schlag deutlich besser und gesünder. Ihre Augenlider bewegten sich und sie öffnete ihre Augen langsam und schwerfällig. Als die Frau das Gesicht der Blonden sah, erschrak sie und schreckte auf dem Bett auf. „Nicht! Sie müssen sich schonen.“, schalt Minako die Frau und drückte sie zurück auf das Bett. „Fass mich nicht an, Mensch..!“, fauchte die Blauhaarige etwas laut und wehrte sich mit beiden Händen. „Mensch? Aber du bist-“, Minakos Satz stoppte und ihre Augen weiteten sich, als sie in die Pupillen der Frau sah. Ihre Iriden waren nicht rund, wie die von normalen Menschen, sondern spitz, wie die eines Raubtieres. Ebenso bemerkte sie hinter dem langen Haar nun die Fischhäute, die sie statt Ohren hatte. „Wer.. oder was bist du..?“, brachte sie nur noch ungläubig heraus. Konnte es sein, dass sie noch schlief? Das erschien alles viel zu unreal. Die Blauhaarige schwieg und beobachtete sie mit einem großen Misstrauen. Ihr Körper zitterte leicht und sie war in Abwehrhaltung. „Ich will dir nichts Böses. Ich habe dich bewusstlos gefunden und wollte dir helfen.“, erklärte sie nur. Die Augen der Blauhaarigen verengten sich kurz, bevor sie selbst eine Realisation hatte. „Warte.. du konntest mich die ganze Zeit sehen?“, fragte sie, ihre Stimme war immer noch feindselig und giftig. „Ja.. Und ich habe deine Stimme in meinem Kopf gehört. So habe ich dich gefunden. Aber irgendwie kann dich niemand sonst sehen.“, erklärte Minako und beruhigte sich langsam wieder. „Sterbliche sollten eigentlich nicht im Stande sein, mich zu sehen.. Dass du durch meinen Schleier der Unsichtbarkeit sehen kannst, bedeutet, dass du eine Gabe der Sensibilität besitzt..“, murmelte die Blauhaarige nachdenklich. „Bitte was? Gabe der Sensibilität? Was meinst du?“, fragte die Blonde und näherte sich wieder der Frau, da sie nun hoffentlich verstanden hatte, das sie ihr nichts Böses wollte. Die fremdartige Frau zischte bedrohlich und Minako stoppte wieder. „Die Gabe, Übernatürliche Wesen wahrzunehmen.“, sprach die Frau dann. Minako blinzelte. Einmal. Zweimal. „Du bist ein.. Dämon oder sowas in der Art?“ „NEIN!“, fuhr die Frau sie an. „Ich bin kein Dämon.. ich bin.. ein Geistwesen.“, wehrte sich die Blauhaarige und seufzte tief durch, bevor sie sich durchrang und Minako erzählte, was vor sechs Monaten passiert war. Wie sie im Makai vor den Dämonen geflohen war und sich in die Menschenwelt retten konnte. Aber der Mangel an Wasser sie immer schwächer hat werden lassen und ihre Verletzungen deswegen nicht heilen konnte. Irgendwann verließ sie dann die Kraft ihrer letzten Reserven und sie brach in der Gasse zusammen, bereit zu sterben. Sie dachte nur daran, die Perle zu beschützen. … „DIE PERLE?! WO IST SIE?!“, fragte Himeropa erbost und griff sich an den Hals, wo der Anhänger mit der Perle sein sollte. Minako lächelte und holte etwas aus ihrer Tasche. „Dann gehört das also doch dir? Es lag neben dir und sah wertvoll aus. Deswegen habe ich es mitgenommen, bevor ich dich hierher getragen habe.“, erklärte sie und im Bruchteil einer Sekunde hatte Himeropa ihr die Perle aus der Hand gerissen und drückte sie an ihre Brust. „Diese Perle ist immens wichtig..“, murmelte sie leise und zitterte etwas mehr. „Und ein einfacher Mensch wie du, ist nicht würdig, die Perle zu berühren.“, fuhr sie fort. Minako seufzte leise. Diese Himeropa schien Menschen nicht sonderlich leiden zu können. „Was hast du jetzt vor?“, fragte die Blonde dann. „Meine Kräfte wiederherstellen und dann in die Geisterwelt zurück kehren. Ich muss König Enma von den Geschehnissen berichten und ihn um Schutz bitten..“, murmelte Himeropa. … „Wieso erzähle ich dir das überhaupt..“ Die Gefragte zuckte mit den Schultern und hinterfragte nicht einmal die Begriffe 'Geisterwelt' und 'König Enma'. Irgendwo tief in sich, hielt sie das Ganze immernoch für einen Traum. „Und wie willst du deine Kräfte wiederherstellen?“, wollte sie nur wissen. „Tch. Damit.“, sprach Himeropa und trank die ganze Karaffe innerhalb weniger Sekunden leer. „Das sollte erst einmal genügen.. Ein Tor in die Geisterwelt ist nicht so kräftezehrend..“, murmelte Himeropa und hob ihre Hände. „O spirits, who wander between wind and rain, lend me your power to open the gate to the otherworld and transfer my body into nothingness..“ Gebannt sah Minako auf Himeropa, doch nichts geschah. Entsetzt blickte die Blauhaarige auf ihre Hände und versuchte ihre magischen Kräfte einzusetzen. „Water..stream..?“ Erneut geschah nichts. Minako verschränkte die Arme. „Ich kann meine Magie nicht benutzen.. Was geht hier vor?“, fragte sich Himeropa und versuchte noch einige Male ihre Magie einzusetzen. Vergebens. „VERDAMMT..“ „Okay, gleich wache ich bestimmt auf. Das ist alles nur ein ganz verrückter Traum.“, meinte die Blondine nach einer kurzen Pause immer und immer wieder. „Du glaubst mir nicht? Tse, ihr Menschen seid so einfältig. Solange ihr etwas nicht mit eigenen Augen seht, ist es für euch unlogisch.“, grummelte die Blauhaarige bitter. „Nein, ich glaube nicht an Übernatürliches. Es muss eine einfache Erklärung für alles geben. Vielleicht verliere ich allmählich auch den Verstand.“, sprach Minako fertig und fasste sich an die Stirn, ob sie wohl Fieber hatte. Himeropa beobachtete sie schweigend und blickte dann auf ihre Hände. „Es ergibt einfach keinen Sinn, warum ich in der Menschenwelt auf einmal meine Kräfte nicht mehr benutzen kann.“, meinte sie ganz leise zu sich selbst. Minako war immer noch etwas verstört und ratlos, wie sie die derzeitige Situation bewerten sollte. Träume hatten sich noch nie so real angefühlt und unter normalen Umständen, wäre sie schon lange wieder aufgewacht. Es gab nur eine Möglichkeit, herauszufinden, ob Himeropa existierte. Sie musste noch einen Berührungstest mit ihren Schwimmhaut-Ohren machen. Als die Blauhaarige noch auf ihre Hände schaute, sah sie den Schatten neben sich und spürte hinterher, wie ihre sensiblen Ohren von rauen Menschenhänden berührt wurden. „NIMM DEINE HÄNDE VON MEINEN OHREN!“, fauchte Himeropa laut und ein starker Windstoß schleuderte Minako unsanft gegen die Tür des Schlafzimmers. Schmerzend musste die Blonde nun erkennen, wie real das alles war und riss ihre Augen ungläubig auf. „W-Was war das?“, fragte sie geschockt und hielt sich den linken Arm, der an die Tür geprallt war. „Scheint als wäre nicht meine ganze Kraft verschwunden..“, schmunzelte die Blauhaarige nun und sah auf ihre Handfläche. „Tut mir Leid, aber ich mag es überhaupt nicht, angefasst zu werden.“, fuhr sie als Warnung fort. „Notiert..“, murmelte die Blonde und konnte sich endlich der Tatsache stellen, dass sie vor einem übernatürlichen Wesen stand. Denn dieser Windstoß war definitiv Magie. „Aber solange ich diese Welt nicht verlassen kann, muss ich mir einen Unterschlupf suchen..“, seufzte Himeropa hilfesuchend. „Uhm.. du kannst bei mir bleiben.“ „Was?“ „Ich weiß zwar nichts über dich und eure Art, aber du warst verletzt und bist wegen irgend etwas sehr verängstigt. Diese Dämonen, die dich verfolgt haben, sind die hinter etwas bestimmten her?“, wollte die Blonde wissen. „Tse.. das geht dich nichts an, Mensch.“, antwortete Himeropa nur kühl. „Okay, okay.. Aber wenn ich dir schon Unterschlupf gewähre, wäre es von Vorteil zu wissen, wovor ich dich verstecke.“, argumentierte Minako weiter. „...Wieso sollte ich bei einem Menschen bleiben?“, fragte die Blauhaarige distanziert. „Weil du keine Wahl hast? Du scheinst ja offensichtlich nicht in der Lage zu sein, in deine Welt zurück zu kehren, also bist du für den Moment wehrlos. Ich glaube nämlich nicht, dass du Dämonen mit einem Windstoß so einfach in Schach hältst, wie 'einen schwachen Menschen'.“, das Menschen betonte die Blonde extra, was Himeropa sich die Augen verdrehen ließ. „.. Und was macht mich deiner Ansicht nach so sicher hier?“, endlich klang die Blauhaarige nicht mehr ganz so feindselig, was Minako erleichtert lächeln ließ. „Ich lebe alleine. Und ich habe keine Freunde, die hier auftauchen und dich entdecken könnten. Solange du das Apartment nicht verlässt, wird niemand wissen, dass du hier bist. Du kannst solange hier bleiben, bis du deine Kräfte wieder hast und in deine Welt kannst.“ „Du..bist ganz alleine?“, fragte Himeropa und ihre Augen wurden ein wenig sanfter. Die Blonde nickte. „...Warum bietest du einer vollkommen Fremden, die obendrein nicht mal menschlich ist, so etwas an? Ist dir nicht klar, in welche Gefahr du dich damit bringen könntest?“, fragte sie. „Nein, weiß ich nicht. Diese Situation ist auch für mich neu. Aber ich habe das Gefühl, dass es richtig ist, was ich tue. Schließlich.. muss es einen Grund geben, warum gerade ich deine Rufe gehört habe oder?“ Auf Minakos Worte folgte bedrückende Stille. Himeropa dachte über das Angebot und die Worte nach, bevor sie die Augen schloss und seufzte. „Ich schätze, für den Moment habe ich keine andere Wahl. Dann werden wir wohl eine Weile miteinander auskommen müssen. Aber glaub bloß nicht, dass ich dir vertraue, Mensch.“, fügte sie als letzten bissigen Kommentar hinzu. Minako lächelte traurig und nickte. „Das ist mir bewusst. Also, Himeropa war dein Name ja? Hast du Hunger?“ „Hn..“ Das konnte ja was werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)