On the Cusp von _Scatach_ (Teil Zwei der BtB-Serie) ================================================================================ Kapitel 3: Back home -------------------- Der Herbst tauchte die Straße in blutige Schattierungen; zeichnete einen feurigen Pfad hinauf zu den breiten, verwitterten Toren Konohas. Blätter wirbelten über den Weg; ein Teppich aus zerknittertem Rot und fleckigem Gold, das unter den beständigen Schritten zweier Shinobi knirschte und raschelte, die sich dem Dorf näherten.    Zwei Ninja aus unterschiedlichen Ländern, vereint durch ein gemeinsames Ziel.    Frieden.    Einer von ihnen trug die unverkennbaren Narben eines Kriegers; Narben, die sich eher in seinem Gesichtsausdruck zeigten, als auf seiner Haut. Ein junges Gesicht verhärtet und abgestumpft von Kämpfen, die viel zu nah der Heimat ausgefochten wurden. Etwas an seinem Gang ließ darauf schließen, dass Aggression Kopf an Kopf mit einem wilden Temperament ritt und beides spielte direkt unter der Oberfläche eines schiefen Lächelns, das langsam auch begonnen hatte, das wachsame Grau seiner Augen zu erreichen. Sein Haar war eine Mähne aus Feuer und im Nacken zu einem losen Pferdeschwanz zusammengebunden. Auf dem Rücken trug er ein monströses Schwert, das so lang war wie sein Körper; gezackt und bösartig aussehend.    Er war in Schwarz und Grün gekleidet.    Und an seiner Seite schritt das invertierte Bild einer ganz anderen Art von Ninja.    Dieser Shinobi trug strahlendes Weiß.    Sein Gesicht war in elegante ziselierte Neigungen geschnitten. Stolze und patriarchalische Züge und seine hohen Wangenknochen verengten sich hinunter zu einem scharfen, aber stolzen Kiefer. Dieses markante Gesicht wurde von Augen definiert und dominiert, die seine Blutlinie ebenso deutlich ausstrahlten, wie das, was unter dem Stahl seines Hitai-ate verborgen lag. Und sein majestätischer und instinktiv gemessener Gang hob sein blaublütiges Erbe klarer hervor als das elegante Gewand seiner Clansrobe.   Ein Clan von Macht und Prestige. In seinem Inneren kümmerte ihn keines von beidem, doch nach außen hin projizierte er die polierte Fassade einer herausragenden Erziehung.    Doch da war etwas an seinem Gesicht, das zu still war.    Eine Stille, die nicht zu der Art und Weise passte, mit der sich sein Körper unter den Roben bewegte.    Bei diesem Ninja drohte das, was unter dieser kühlen und ruhigen Oberfläche lag, weit mehr Schaden anzurichten als jede Waffe, die er jemals führen würde. Er hatte sich selbst dazu getrieben, eine Stärke zu erlangen, die sich tief und schlummernd in jedem sich abzeichnenden Muskel hielt. Muskeln, die seinen Körper zu schlanken, hart erarbeiteten Ebenen formten, durchzogen von Sehnen wie Stahl; alles verborgen unter der stolzen Aura von Gefasstheit und Ruhe.    Kontrollierte Macht, eingehüllt in Anmut.    Die Art und Weise, wie sich Neji bewegte, hatte sich nicht verändert.    Aber etwas in seinen Augen schon.    Noch vor zwei Wochen waren sie bewölkt und verdunkelt gewesen von dem Sturm eines Zornes, über den er nach und nach die Kontrolle verloren hatte. Doch jetzt waren sie ruhig und klar, als hätte sich der Sturm endlich tief in diesen Mondsteinaugen niedergelassen und würde nun eher vor Überzeugung statt Blutrausch wirbeln.    Er war auf eine Weise zentriert, wie er es seit einer sehr sehr langen Zeit nicht mehr gewesen war.    Ich habe eine Richtung.   Und mit dieser Richtung kam der Trieb, sich vorwärts zu bewegen.    Neji blinzelte langsam und konzentrierte seinen Blick auf sein derzeitiges Ziel.   Zuhause.   Hoch oben durchstach ein schriller Schrei die stillen Himmel und ein stolzer Steinadler zog in einer steten Umlaufbahn Kreise über dem wandernden Duo.    „Große Tore.“, bemerkte der Rotschopf trocken. „Soll das irgendwie einschüchternd wirken?“   Neji hob eine Braue und warf dem anderen Ninja einen vielsagenden Blick zu, der direkt zu dem massiven Schwert glitt.    Der Tsubasa Shinobi grinste. „Touché.“   Neji gab eine Art unverbindlichen Laut von sich, doch Belustigung zupfte ganz leicht an seinem Mundwinkel, der sich aber sofort wieder zu einer ausdruckslosen Linie glättete, als sie sich dem Eingang zum Dorf versteckt hinter den Blättern näherten. Die Brise in ihren Rücken war wie eine grüßende und führende Hand und schob sie sanft über die Schwelle der weiten Tore, die offen standen wie einladende Arme.   Es hat sich nichts verändert.    Und es kam ihm in den Sinn, dass es auch überhaupt keinen Grund gab, aus dem sich Konoha irgendwie anders hätte anfühlen sollen, auch wenn er das erwartet hatte. Er hatte sich verändert. Er war der Fremde im eigenen Land.    Heiße es willkommen.   Neji schloss ein Stück die Augen und atmete tief und leise ein, hielt die Luft lange und nachhallend in sich. Er dachte über die Dauer seiner Abwesenheit nach, die sich so viel länger anfühlte als die gerade einmal vierzehn Tage, die verstrichen waren, seit er gegangen war.    Davon gelaufen…   Für den kürzesten Bruchteil einer Sekunde geriet Nejis glatter Gang ins Wanken. Ein Ausrutscher, der von seinem Verstand unbemerkt blieb und beinahe auch nicht von seinem Körper gefühlt wurde. Aber irgendwo tief im Zentrum der Ruhe, die er erschaffen hatte, spürte er eine flatternde Empfindung – wie das sanfte Schlagen rastloser Schwingen – eine Rastlosigkeit, wegen der er Konoha verlassen hatte, um ihr zu entkommen.    Atme…   Er sog ein weiteres Mal tief die kühle Brise ein und der Geruch von brennenden Blättern versengte die Luft. Ein Hauch von Rauch traf auf seine Sinne und drohte, seinen Verstand zu der Erinnerung an einen wärmeren und heisereren Rauch zu ziehen, der sich auf Klängen verfestigte…eingehüllt in ein Murmeln…ein Murmeln einer Stimme, die er nicht aufgehört hatte zu hören…   Ein leises Pfeifen lenkte seine Aufmerksamkeit um. „Fettes Schwert.“, rief eine Stimme.    Neji blinzelte sich zurück in die Gegenwart und wandte sich den beiden Shinobi an dem Registrierungsposten zu. Kotetsu saß in einer entspannt lümmelnden Pose da und schielte über die Spitzen seiner Füße, die er gekreuzt auf einem Stapel Papierkram abgelegt hatte. Offenbar ignorierte er die Arbeit mit ebenso religiöser Hingabe wie die frustrierten Blicke, die sein Freund ihm ununterbrochen zuschoss.    Izumo spähte zu den beiden ankommenden Ninja. „Willkommen zurück, Hyūga. Du weißt, dass dein Geninteam bereits her gebracht wu-“   „- her geschleudert.“, grinste Kotetsu.   „Her gebracht wurde von Sunas Botschafterin?“, korrigierte Izumo, während sein Finger auf der Suche nach Informationen über eine Liste wanderte. „Ja, sogar viel früher als ihr jetzt hier auftaucht. Wo warst du?“   Neji warf einen vielsagenden Blick auf den schwertschwingenden Ninja neben sich. „Ich wurde aufgehalten.“   Der Rotschopf zuckte mit den Achseln. „Ein großes Schwert zu haben bringt die Angewohnheit mit sich, es gegen Leute einzusetzen, die kleine Kinder bedrohen.“   „Das hast du auch eindrucksvoll demonstriert, aber ich vertraue darauf, dass du dich das nächste Mal lieber an Diplomatie statt Gewalt hältst, wenn du mit Sunas Botschafterin zu tun hast, Hibari.“ Neji gestikulierte vage durch das Dorf. „Sie ist eine Freundin einiger unserer Leute und wie es der Zufall will, ist sie aus demselben Grund hier wie du.“   „Was laut dieser Informationen hier Friedensverhandlungen wären.“ Izumo beäugte den Tsubasa wachsam und blätterte durch die Papiere, um nach dem Missionsreport zu suchen.    Kotetsu tat so, als würde er auf das Buch linsen, das auf seinem Schoß aufgestellt war, beobachtete den Neuankömmling aber mit gleicher Vorsicht. „Du hast also Temari-san angegriffen?“   Hibari spähte kurz auf sein Schwert. „Wenn das das verrückte Mädel mit dem großen Fächer ist, dann würde ich sagen, dass das zutrifft, ja.“   Neji unterdrückte den Drang, mit den Augen zu rollen. Stattdessen brachte er ein würdevolles Flattern der Wimpern zustande. Und während es eine Überraschung gewesen war, Temari über den Weg zu laufen, war der Kampf, der zwischen ihr und Hibari entbrannte, ein absoluter Schock gewesen.    Das war auf jeden Fall das letzte Mal, dass ich Mediator spiele…   Und es war alles andere als leicht gewesen, diesen Kampf zu beenden.   Er hatte sicher nicht erwartet, dass ausgerechnet zwei Friedensbotschafter sich dazu entschließen würden, dass der Wert einer Waffe daran gemessen wurde, sie gegen jeden einzusetzen, der behauptete, die eigene wäre größer.    Es war von beiden Seiten eine absolut kindische und unerwartete Reaktion gewesen.   Doch gemessen daran, was diesen Streit ausgelöst hatte, war sich Neji sicher, dass es mehr mit einem Aufeinanderprallen persönlicher Werte zwischen Hibari und Temari zu tun hatte, wenn es darum ging, mit kindischen Mätzchen umzugehen – oder, wenn man dem Ganzen einen Namen geben wollte, Konohamaru.   „Ah ja großer Fächer. Yep, das wäre sie.“ Kotetsu grinste und ließ sein Buch mit einem lauten Klatschen zuschnappen. „Sie hat dein Geninteam ziemlich durch die Luft katapultiert, Hyūga. Sie hatten außerdem eine ganze Menge Gepäck dabei. Seltsamerweise bin ich mir sehr sicher, dass einer von denen gezwitschert hat.“   „Klar.“ Neji hielt kurz inne und etwas, das schon fast an Belustigung grenzte, schlich sich in seine Augen. „Ich wäre mit ihnen zusammen zurück gekommen, aber ich musste mich um die Schadensbegrenzung kümmern.“   Izumo runzelte die Stirn und hob scharf seinen Blick von den Papieren. „Schadensbegrenzung?“   „Ich habe mein Schwert geschwungen, sie ihren Fächer, ein paar Objekten waren im Weg.“, erklärte Hibari ohne eine Gefühlsregung, während seine grauen Augen über die Bürgersteige wanderten und automatisch das Dorf musterten.    „Objekte, huh?“, drängte Kotetsu, sah dabei aber eher amüsiert als besorgt aus. „Naja, sie hat diesen Fächer auch weiterhin gegen das Geninteam geschwungen, das kann ich euch sagen.“   Hibaris Miene verdüsterte sich und seine grauen Augen wurden hart.    Neji warf Kotetsu einen warnenden Blick zu; ein deutliches Signal, das Thema ‚Kinder‘ fallen zu lassen, vor allem wenn man den übermäßigen Beschützerinstinkt bedachte, den der Rotschopf ihnen gegenüber an den Tag legte.    Izumo verstand den Wink sofort und trat Kotetsu heftig unter dem Tisch, wobei er das aufgeschreckte Jaulen seines Freundes geflissentlich ignorierte. „Es wurden keine Zivilisten verletzt, oder?“   „Niemand wurde verletzt.“ Neji machte eine kurze Pause. „Nur Stolz und Eigentum.“   Kami sei Dank.   In letzter Minute hatte er auf das Kaiten zurück gegriffen und beide Jōnin in entgegengesetzte Richtungen geschleudert, um sie anschließend auf diplomatische Weise wieder zurück zur Vernunft zu bringen.   „Richtig, Hanegakure.“ Izumo entrollte eine Schriftrolle, auf der die Details der Mission zusammen mit Temaris Unterschrift festgehalten waren, die die begleitete Rückkehr des Geninteams bestätigte. „Du musst noch unterschreiben.“   Neji schritt zu dem Tisch hinüber und prüfte den Text mit einem raschen Blick. „Das muss überarbeitet werden.“   „Nah.“ Kotetsu fuchtelte abweisend mit der Hand. „Lass die schmutzigen Details einfach aus, wir werden nichts sagen.“   Neji sah ihn tadelnd an. „Ich werde die Tatsache auslassen, dass du das gerade ernsthaft vorgeschlagen hast.“   „Meine Güte, wie prüde. Nur Arbeit und kein Vergnügen für euch Jōnin, huh?“ Kotetsu streckte die Arme mit einem Gähnen über den Kopf und warf seinem unberührten Stapel voller Arbeit einen verärgerten Blick zu. „Naja, außer du bist Asuma-senpai.“   Neji legte fragend den Kopf schief und nahm die Schreibfeder auf, um seinen Namen unter das ordentliche Gekritzel von Temaris Unterschrift zu setzen. „Asuma-senpai?“   Kotetsu seufzte in jammernder Manier und ruckte vorwurfsvoll mit dem Kinn. „Jo, ihr Jōnin liebt es einfach, eure Autorität auszunutzen, oder?“ Er spähte zu Izumo hinüber. „Warum hat Asuma die ganze Arbeit von dem Drückeberger überhaupt auf uns abgewälzt? Das ist ganz sicher kein Elitetraining.“   „Weil Shikamaru heute Geburtstag hat.“, erklärte Izumo.    Neji erstarrte auf halbem Weg, als er gerade die Feder beiseite legen wollte.    Niemand bemerkte es.    „WAS?!“ Sofort schwang Kotetsu seine Füße fort von ihrer Ablage auf dem Papierstapel und ließ dabei ein paar Blätter durch die Luft fliegen. „Das darf doch nicht wahr sein! Dieser durchtriebene kleine Scheißkerl. Wann zur Hölle ist das denn passiert?“   „Vor siebzehn Jahren?“, erwiderte Izumo trocken und runzelte die Stirn, als er bemerkte, wie Neji blicklos auf die Schriftrolle stierte. „Hey, alles ok?“   Neji kehrte augenblicklich zu sich selbst zurück und sein Atem stockte hart.    Er richtete sich von dem Tisch auf und seine Opalaugen waren dabei still wie ruhige Bergseen; unberührt von der Spannung, die durch seinen Körper wogte. „Temari-san hat eine Begleitung?“   Izumo blinzelte angesichts dieser seltsamen und völlig unzusammenhängenden Antwort. „Ja, es wurde sich schon um alles gekümmert.“ Er datierte und stempelte die Rückkehrbestätigung und reichte dem Hyūga die Schriftrolle.    „Gut.“ Neji schob das Pergament in seine Robe und wandte sich von dem Tisch ab. „Hibari, ich habe einige Verpflichtungen, um die ich mich kümmern muss, aber ich werde dafür sorgen, dass du für die Dauer deines Aufenthaltes eine Begleitung hast.“   „Ist kein Problem.“ Hibari neigte leicht den Kopf und hob seinen Arm, als ein schrilles Kreischen den Sturzflug des riesigen Vogels ankündigte, der bis eben noch Kreise im Himmel gezogen hatte.    Die Steinadlerdame beschrieb eine Kurve und segelte tief nach unten. Der scharfe Bogen ihrer Flügel fing die Wucht des Sturzflugs ab und mit einem langsameren Gleiten und ausgestreckten Klauen ließ sie sich auf dem Lederschutz nieder, den Hibari am Unterarm trug.    Kotetsu grinste und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Großer Vogel.“   „Die beste Art.“   „Ich gehe davon aus, dass du sie bei dir behalten willst.“, vermutete Neji und wandte seine Schritte von dem Registrierungsposten ab, während er Hibari bedeutete, ihm zu folgen.    Der Rotschopf nickte und strich mit einem Knöchel liebevoll über den Kopf des Adlers. „Ja, sie fühlt sich in Käfigen nicht wohl.“   Neji lächelte ein wenig und sein Blick richtete sich geradeaus, um seinen Fokus davon abzuhalten, sich zu sehr in sein Inneres und auf dieses rastlose Wirbeln in seiner Magengegend zu konzentrieren. „Verständlich, ich werde dafür sorgen, dass-“   „HEY!“ Ein heiserer Schrei explodierte auf der anderen Straßenseite und wurde von dem hektischen Schwingen eines Armes begleitet, der wild vor und zurück winkte.    „Ihr habt ihn ja immer noch nicht an die Leine genommen.“, bemerkte Hibari und Belustigung wob sich in seine Stimme, als sich seine grauen Augen auf den Shinobi richteten, der auf sie zugetrabt kam.    „Das würde ohnehin nur wenig nützen.“, erwiderte Neji mit dem leisesten Hauch eines Schmunzelns.   „Hey!“, rief Naruto noch einmal und winkte fröhlich weiter. Er trug Khakihosen und ein orangenes Shirt, das er über ein langärmliges schwarzes Oberteil gezogen hatte. Das Hitai-ate des Jinchūriki fehlte und ließ die sonnigen Strähnen frei nach unten fallen. „Neji!“   Langsam blieb der Hyūga stehen und blinzelte gegen die Sonne an. Sie warf einen ausgefransten Schein um Narutos Kopf und schimmerte in einem verschwommenen Funkeln von den goldenen Strähnen. Man hätte sich direkt fragen können, ob es sich dabei nicht um das unbezwingbare Licht des Uzumaki handelte, das hindurchschimmerte und immerzu nach außen explodierte; niemals eingedämmt und genauso wenig von irgend etwas abhängig. Genau wie Narutos Herz floss es ungetrübt in sein Lächeln und sein strahlendes Grinsen; die Sonne seiner Persönlichkeit stand immer im Zenit des lebhaften Blaus seiner Augen.    Immer so gut gelaunt.   Was Neji dazu brachte, über die Dunkelheit nachzudenken, mit der Naruto gerungen hatte, um als Sieger aus seinem eigenen Kampf hervorzugehen; lebhaft und optimistisch bis zum Äußersten, um das Beste in anderen hervor zu rufen, wo auch immer er sich gerade befand.    Wie finster war der Ort, an dem du dich befunden hast, um dieses unübertroffene Licht zu finden…allen Widrigkeiten zum Trotz…?   Trotz der Tiefe der Introspektion, die hinter seinen Augen ablief, blieb der Rest von Nejis Miene absolut bewegungslos. Doch der unausgesprochene Respekt, der sich in seinen Blick schlich, hielt lange genug an, um von Hibari bemerkt zu werden; allerdings nicht lange genug, um von Naruto registriert zu werden, als der Uzumaki zu ihnen herüber gesprungen kam.   „Naruto.“, grüßte Neji milde und nahm dabei denselben semi-warnenden Tonfall an, den er für gewöhnlich an übermäßig liebevolle Kinder oder Tiere richtete, die sich jeden Moment auf ihn stürzen könnten.    Schlitternd kam Naruto auf dem Bürgersteig zum Stehen und wirbelte dabei einen Sprühregen aus Blättern auf, der von einer Brise erfasst wurde und spielerisch um ihn herum wogte.   „Whoa!“ Er deutete mit einem Finger auf Hibari und seine Aufmerksamkeit schwang sofort von einem Jōnin zum anderen. „Hibari! Das darf doch nicht wahr sein! Tsunade-baachan hat gar nicht erzählt, dass Neji dich mitbringen würde!“   Neji konnte angesichts dieser doch eher flegelhaften Begrüßung nur den Kopf schütteln. Normalerweise tadelte er Naruto wegen solcher Dinge nicht, vor allem, weil es erstens vollkommen sinnlos war und zweitens weil das Grinsen des Uzumaki ihn meistens davor bewahrte, dass sein Verhalten als ehrliche Unhöflichkeit aufgefasst wurde. Normalerweise hätte Neji akzeptiert, dass das einfach sein „Erst reden dann denken“-Wesen war. Doch leider sorgten zwei lange Wochen, während der er Konohamaru zumindest den Anschein von Anstand anerziehen musste, dafür, dass die herablassende Ader des Hyūga wie ein Kniesehnenreflex zum Vorschein kam.    Wie ein Gen, das in ihn gezüchtet worden war, gewann der Drang, das tadelnd zu kommentieren, die Oberhand.    Neji hob den Kopf und lange schwingende Mokkasträhnen fielen nach vorn, um seine vollkommen unbeeindruckte Miene einzurahmen. „So fremd dir das Konzept von Höflichkeit auch sein mag, Naruto; ein zivilisiertes ‚Hallo‘ hätte vollkommen ausgereicht.“   Naruto lachte nur und warf seinen Kopf in einer Parodie von Nejis erhabener Haltung nach hinten; seine Augen funkelten vor Schalk. „Ja klar und als nächstes erwartest du von mir, dass ich mich verbeuge und ein Suffix verwende.“   Neji hob eine Braue und seine tiefen Töne fielen noch etwas tiefer auf eine trockene, abwertende Note. „Ich bin mir sicher, dass du sowohl körperlich als auch verbal zu beidem nicht fähig bist. Akamaru hat mehr gesellschaftlichen Anstand als du.“   Naruto schob die Brust vor und zog eine Miene, die vermutlich Nejis hochmütiges Gehabe nachahmen und verspotten sollte, bevor er sich in dieser Pose so unbehaglich fühlte, dass er sich einfach damit begnügte, die Zunge heraus zu strecken.    Wie unglaublich reif…   Mit einem unschlagbaren Selbstbewusstsein grinsend wandte sich der Uzumaki wieder Hibari zu und seine Augen flossen vor freudigem Strahlen über, bis sie sich auf den Adler richteten.    „Gah!“ Sofort machte er einen Satz zurück und fuchtelte nervös mit den Händen. „Mann, musstest du einen Vogelmitnehmen?“   Hibari zuckte mit den Achseln und bewegte kurz den Arm, auf dem sein Adler saß. „Ich erinnere mich daran, wie zugeneigt du unseren Vögeln warst – und umgekehrt.“   Die Adlerdame legte den Kopf in Narutos Richtung schief und ihre Federn plusterten sich im Nacken, als sie mit einem hohen spielerischen Kreischen auf seine Aufregung reagierte. Narutos Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. Energisch musste Neji ein Schmunzeln zurückbeißen, als er zusah, wie der Uzumaki noch einen weiteren Schritt zurückwich; seine himmelblauen Augen zuckten in einem paranoiden Suchen umher.    „Uh, das ist der einzige Vogel, den du mitgebracht hast, oder?“   Ganz offensichtlich ist er noch nicht Konohamaru begegnet.    Hibari spähte zu Neji hinüber und stellte schweigend eine Frage, die in etwa so was wie ‚soll-ich-es-ihm-sagen-damit-du-dich-dann-mit-der-hysterischen-Reaktion-rumschlagen-kannst?‘ kommunizierte.   Neji blinzelte rasch und lenkte das Thema um. „Naruto, ich muss mich um eine Begleitung für Hibari kümmern, weißt du, ob irgendwelche Chūnin verfügbar sind?“   Naruto hielt die Augen weiterhin auf den Adler gerichtet und kratzte sich die blonden Strähnen. „Uh, wir sind alle ziemlich eingespannt wegen Inos Plänen und so.“ Hier hielt er inne, blinzelte weitäugig und wirbelte wie ein Zyklon und wild grinsend zu Neji herum. „Hey! Ihr kommt doch auch, oder?“   Eine von Nejis Brauen wanderte nach oben, während er den Part des ignoranten Gesprächspartners spielte; und wenn nur, um sich davon abzuhalten, sich mit der Anspannung in seinem Inneren auseinander zu setzen. „Wohin?“   „Na dahin, wo Ino das gemeinsame Geburtstagsding mit Shikamaru feiern will.“, erklärte Naruto und fuchtelte mit einem Arm in irgendeine Richtung, nur um gleich darauf die Stirn in Falten zu legen und in die entgegengesetzte Richtung zu deuten. „Uh, ich bin mir ziemlich sicher, dass Sakura gesagt hat, dass es in einem dieser schicken Ryokans bei den heißen Quellen stattfindet.“   Nejis Stirn zuckte angesichts dieser Information.   Ein Ryokan?   Das kam unerwartet. Diese traditionellen, aber auch modernen Unterkünfte in der Nähe der heißen Quellen waren alles andere als billig, geschweige denn ein Ort, um Partys zu feiern – oder zumindest nicht die Art von der Party, von der Neji ausging, dass sie in der Planung war. Nach dem zu urteilen, was Shikamaru mal über Inos festliche Geschmäcker gesagt hatte, schien es der unwahrscheinlichste Ort für ein geselliges Geschöpf wie die Yamanaka zu sein, um dort zu feiern.    „Ein Ryokan?“ Neji zog das Kinn zurück und sah den Uzumaki zweifelnd an.    „Komisch, huh?“ Naruto vergrub seine Hände in den Taschen und zuckte mit den Achseln. „Aber ja, scheinbar. Hat wohl irgendwas damit zu tun, dass Shikamaru ein alter Mann ist und irgendwas Zurückhaltendes und Ruhiges braucht, oder was auch immer.“   Natürlich…   Nejis Lippen verrieten den leichtesten Hauch eines zärtlichen Lächelns und sein Blick wanderte zu dem Shogi Spielhaus weiter die Straße hinunter.    Ein leises Seufzten, das sich tief in seiner Brust löste, lockerte die Anspannung in seinem Inneren.    Er musste sich energisch gegen die einbalsamierende Wärme stählen, die in ihm aufzusteigen begann.    Es war ein gefährlicher Ausrutscher, der ihn wahrscheinlich fiel zu schnell ins Abdriften ziehen würde, sobald sich seine Aufmerksamkeit auf den Schattenninja richtete.    Nicht jetzt…   Doch die Anweisung trug wenig dazu bei, die instinktive Reaktion aufzuhalten.    Erinnerungen wirbelten an der Rückseite seines Verstandes auf und krochen über die Grenze, die er zwischen zwei Teilen seines Selbst gezogen hatte. Sie drohten, ihn an eine Sehnsucht zu erinnern, von der er nicht versucht hatte, sie zu vergessen, die er aber dennoch unter Kontrolle halten musste. Eine Sehnsucht, die sich wie eine Rebe um sein Herz gelegt hatte und Dornen in Orte trieb, die niemals aufgehört hatten zu schmerzen; niemals seit dem Tag, an dem er davon gelaufen war.    Hör auf.   Er schloss die Augen und räusperte sich. „Dann werde ich mit Tsunade-sama sprechen und jemanden finden, der meinen Platz einnimmt.“   „Eh?“ Naruto blinzelte eulenhaft. „Was?“   Neji neigte seinen Kopf in Hibaris Richtung und lenkte das Gesprächsthema damit wieder zurück auf sicheren Boden. „Begleitung.“   „Nicht nötig, auf Förmlichkeiten zu bestehen, Hyūga.“ Hibari hob eine Braue und strich mit einem Knöchel über den Kopf seines Adlers. „Ich habe die Augen, die ich brauche, um mich zurecht zu finden.“   Naruto schnitt eine Grimasse in Richtung des Vogels, doch gleich darauf erhellte sich seine Miene angesichts der Aussicht darauf, später etwas gemeinsame Zeit zu verbringen. „Also heißt das, dass du später vorbei kommst?“   Neji runzelte die Stirn; nicht sicher, ob er amüsiert oder verärgert über Narutos hartnäckige Fähigkeit sein sollte, sich fest an einen Punkt – oder ein Versprechen – zu klammern, ohne dabei die umgebende Realität mit einzubeziehen.   „Hibari ist wegen Friedensverhandlungen hier, Naruto; nicht für Geburtstagsfeiern.“   „Naja, aber Frieden zwischen unseren Dörfern ist doch ein Grund zum Feiern!“, argumentierte Naruto und streckte seine Hände aus, um Hibari stumm um Unterstützung zu bitten. „Ich meine, du wirst doch nicht ernsthaft zulassen, dass Neji dich die ganze Zeit über nur bei Tsunade-baachan und diesen alten Knackern des Rates ablädt, oder?“   „Baachan?“, echote Hibari und spähte zu Neji.    Der Hyūga schüttelte sehr langsam den Kopf. Narutos Talent, ein Suffix geradezu abzuschlachten, war unübertroffen. Und es erstaunte den Jōnin immer wieder, wie jemand, der sich Konoha derart leidenschaftlich verschrieben hatte wie Naruto, die Reputation dieses Dorfes so unverfroren zunichte machen konnte, indem er Repräsentationsfiguren zu peinlichen Karikaturen herabstufte.    „Naruto.“   „Jäh?“   „Sei still.“   „He!“ Naruto gönnte sich einen Moment, um beleidigt zu sein, doch dann wippte er auf seinen Fersen zurück und verschränkte die Arme, während sich ein verschmitztes Grinsen auf sein Gesicht schlich. „Ah ich hab’s kapiert, du bist einfach nur hochnäsig und sozial total unbeholfen.“   Neji blinzelte. „Wie bitte?“   Mein soziales Verhalten ist tadellos…   Dieser dämliche und defensive Gedanke ließ ihn die Stirn runzeln.    Es gab eigentlich überhaupt keinen Grund, auf Narutos Worte zu reagieren, egal ob geistig oder auf andere Art. Immerhin war es eine lächerliche und völlig unbegründete Bemerkung.    Naja, zum Großteil zumindest.   Lächerlich.   Nejis Stirnrunzeln zog sich noch etwas weiter zusammen, bis er bemerkte, dass Naruto ihn idiotisch angrinste und sich vermutlich gerade an der Vorstellung labte, dass er es vielleicht schaffte, den stoischen Jōnin auf die Palme zu bringen. Rasch bügelte Neji seine Miene wieder glatt und seine Stirn ebnete sich unter seinem Hitai-ate.   Naruto grinste noch breiter und nickte wild. „Oja, du weißt sehr wohl, dass ich recht habe.“, lachte er. „Du musst auf jeden Fall heute Abend mit uns abhängen.“   „Und wozu?“   „Spaß!“   Neji starrte ihn ausdruckslos an und kostete den Geschmack dieses Wortes ohne die Miene zu verziehen. „Spaß.“   Hibari kicherte leise. „Weißt du, euer Uzumaki hat vielleicht nicht unrecht bei einer Sache, von der du keine Ahnung hast, Hyūga.“   Innerlich zuckte Neji zusammen und blinzelte sich von seinem glasigen Blick zurück, der, ohne dass es ihm bewusst gewesen war, über Narutos Schulter hinweg zu dem Shogi Spielhaus gewandert war.    Er schnaubte spottend und sah aus den Augenwinkeln zu Hibari. „Was?“   „Ja genau, was?“, echote Naruto in einem langsamen, argwöhnischen Sprechen und blinzelte zu Hibari; nicht sicher, ober er gerade beleidigt oder unterstützt wurde. Aber offensichtlich spielte das auch überhaupt keine Rolle, denn keinen Moment später lächelte er schon wieder. „Awww, komm schon, Neji.“   „Naruto.“, warnte Neji leise, doch seine Stimme schaffte es scheinbar nicht, Narutos Beharrlichkeit zu durchdringen.    In einer kindischen Geste des Flehens, klatschte Naruto die Hände zusammen. „Komm schon! Wir bekommen niesolche Gelegenheiten. Und es wäre so toll, wenn alle dabei wären, weißt du? Es wäre das erste Mal, dass wir allezusammen sind und…“ Narutos Stimme stockte und verstummte plötzlich; das Licht in seinen Augen wurde von einem Schatten verschlungen, den Neji sofort erkannte.    Uchiha.   Verstehen machte das drohende Funkeln weich, das er eigentlich auf den Jinchūriki hatte richten wollen und verwandelte seine Stimme in etwas Sanfteres, als er seufzte und den Ball wieder Hibari zuspielte.    „Nach dem Treffen mit dem Rat wirst du noch einiges an Zeit haben; also falls du teilnehmen willst an diesem…“, er gestikulierte vage mit einer Hand in Narutos Richtung, fand aber kein adäquates Wort, um den ‚Spaß‘ zu beschreiben, den der Uzumaki hier gerade anpries.    Vielleicht habe ich wirklich keine Ahnung, wenn es um diese…Festivitäten…geht.   Vollkommen ungebeten wogte Shikamarus Stimme durch seinen Kopf.    ‚Ist wahrscheinlich auch das Beste. Ich gebe selber nicht viel auf so einen Mist wie Geburtstage.‘   „Es wird auch gar nicht so wild oder sowas.“ Naruto grinste wieder ein bisschen, aber es war eine schwache Imitation seines strahlenden Lächelns. „Und außerdem bekommst du da auch noch umsonst was zu essen.“   Neji hörte ihm nicht zu.    Aufmerksam sah Hibari zwischen den beiden hin und her; er bemerkte ganz offensichtlich, dass irgendetwas beider Stimmungen trübte. Doch da er nicht in der Lage war herauszufinden, um was es sich dabei handelte, zuckte er einfach nur mit den Achseln, um die Spannung zu lösen. „Ich würde die Gelegenheit nicht ablehnen, euren Strategen zu überraschen.“   Ein Schmunzeln zupfte an Narutos Lippen und hob sein eingebrochenes Gemüt sofort wieder zurück auf seinen sonnigen Zenit. „Klasse!“ Er boxte enthusiastisch in die Luft und zog die Faust gleich darauf wieder mit einem gewinnenden Lächeln an die Brust. „Also du kommst auch Neji, oder?“   Neji blinzelte langsam und richtete seinen abgelenkten Blick irgendwo neben Naruto, bevor er sein Gesicht zu einer vollkommen ausdruckslosen polierten Maske glättete und sich seine Augen zu einem gelassenen, aber distanzierten Starren verwandelten.    „Ich muss anderswo sein.“   Narutos Brauen hoben sich interessiert zu seinem Haaransatz, bevor sie schwer enttäuscht nach unten fielen. Während er die Arme verschränkte, musterte er Nejis Gesicht mit einem Schmollen. „Schon wieder eine neue Mission, oder sowas in der Art?“   Oder sowas in der Art…   Der Jōnin legte den Kopf schief und bot keine weitere Erklärung an.    Und dankbarerweise fragte Naruto nicht noch weiter nach, sodass Neji nicht lügen musste. Denn sein Zielort ‚anderswo‘ könnte einfach überall all sein; vorausgesetzt es war südlich, westlich oder östlich dieser unentrinnbaren Sehnsucht, die Shikamaru zu einem magnetischen Norden machte.    Allein der Gedanke an den Nara war genug, um diese elementare und tief sitzende Anziehungskraft zu wecken.    Nein…   ‚Nein‘ war zu einem Wort geworden, das sich Neji immer wieder vorsagte. Er hatte sich ebenfalls eingeredet, dass Abstand und ein neues Ziel das Band geschwächt hatten, das ihn in die eine Richtung riss, während er sich in eine andere bewegte. In seinen gefasstesten Momenten hatte er angenommen, dass die Sehnsucht in den zwei Wochen, die er fort gewesen war, nachgelassen hatte.    Er hatte sich selbst eingeredet, dass es so war.    Und so lange er sich fern hielt – konnte er so tun, als würde er das auch wirklich glauben.   ________________________ Awww und hier ist er endlich auch wieder...Neji's back ;)  Dafür muss hier auf Shikamaru verzichtet werden, sorry :D Ich hoffe natürlich sehr, dass euch das Kapitel und auch das 'Wiedersehen' mit Hibari gefallen hat ;)  Und natürlich ein riesiges Dankeschön an alle meine lieben Leser/innen und besonders Reviewer/innen!! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)