Spürnase Rudolph von Shayuna (und der verschwundene Weihnachtself) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Das Glöckchen an ihrer Mütze klingelte, als Svenja den Flur entlang tanzte. Am nächsten Zimmer angekommen klopfte sie kurz an, bevor sie die Türe schwungvoll öffnete. „Guten Morgen!“, trällerte sie und blickte in lauter verschlafene Elfengesichter. Sie zog eine Augenbraue hoch und verschränkte die Arme vor der Brust, konnte sich ein Schmunzeln aber dennoch nicht verkneifen. „Na los! Es sind noch knapp zwei Wochen bis Weihnachten und wir sind nicht einmal ansatzweise fertig. Also los! Auf auf. Denkt ihr Santa und ich schaffen das alleine? Abteilung 2b sitzt schon freiwillig eine Stunde früher als sonst in der Werkstatt. Den Elan würde ich bei euch auch gerne mal sehen. Kaffee steht in der Küche… Ihr seht so aus, als würdet ihr ihn brauchen.“ Ihr Blick wanderte erneut durch den Raum und blieb am Bett von Alexander hängen. Es war leer. Decke und Kopfkissen lagen zerknüllt in einer Ecke, aber von dem Elfen war nichts zu sehen. „Mike!“, sprach sie den Abteilungsleiter an. „Weißt du, wo Alex ist?“ Der Angesprochene blickte nur mit weit aufgerissenen Augen zu dem leer stehenden Bett und öffnete den Mund. Es dauerte jedoch ein paar Sekunden ehe er einen Ton herausbekam. „Ich weiß es nicht. Gestern Abend war er noch da.“ Svenja seufzte. Natürlich. Das wusste sie auch. Schließlich hatte sie ihn nach dem schönen gemeinsamen Abend zum Zimmer gebracht. „Mike, schau doch bitte mal im Badezimmer nach. Vielleicht wäscht er sich… Da will ich nicht unbedingt reinplatzen.“ forderte sie den Elfen auf, der hektisch aufsprang und das benachbarte Zimmer besuchte. Nach einer Minute kam er wieder heraus und zuckte mit den Achseln. „Keiner im Bad. Weder in der Badewanne, noch in der Dusche.“ „Wo kann er nur sein…“, murmelte die Elfe eher zu sich selbst als an die anderen gerichtet. Diese sahen sich gegenseitig an, ehe Mike erneut das Wort ergriff. „Wir könnten ihn suchen gehen…“ „Das kommt nicht infrage!“, fuhr die Elfenkoordinatorin dazwischen. „Ihr kümmert euch um die Geschenke. Wir haben alle genug zu tun. Und was würde Santa sagen, wenn er herausbekommt, dass ausgerechnet sein Modellautospezialist verschwunden ist? Ihr zieht euch schleunigst an und geht in die Werkstatt. Ich schaue nach, ob er nicht schon dort ist. Wenn das nicht der Fall sein sollte weiß ich schon, wen ich mit der Suche beauftragen kann… Ich komme dann nach.“ Svenja richtete ihre Mütze und verließ eilig das Zimmer. „Rudolph!“ Das Rentier spitzte ein Ohr. „Na, wenn das nicht Svenja ist! Wie geht es dir?“ begrüßte er seine Besucherin, ohne den Kopf aus dem Futtertrog zu heben. Er hörte sie schwer atmen. War sie in Eile? „Ganz gut. Bin ein bisschen im Stress.“ antwortete sie auf seine Frage und räusperte sich. Ihr Anliegen benötigte wohl seine gesamte Aufmerksamkeit. Rudolph hob den Kopf und sah in ihr Gesicht. Die Stirn war gerunzelt, die Mundwinkel waren verkrampft. Es schien etwas vorgefallen zu sein. „Wie kann ich dir helfen?“, seine Frage blieb vorerst unbeantwortet. Das einzige Geräusch war sein schmatzender Versuch, die letzten Heureste zwischen den Zähnen herauszuholen. Svenja schüttelte den Kopf, als wolle sie ihn wieder klar bekommen. Das Glöckchen bimmelte dabei ohne Unterlass. „Rudolph.” Begann sie nun und knetete ihre Hände dabei. „Alex ist verschwunden. Sein Bett war heute Morgen leer, im Bad war er auch nicht. Keiner weiß, wo er hin ist. Ich habe schon in der Werkstatt nachgesehen, aber dort war er nicht. Und das ausgerechnet jetzt, so kurz vor Weihnachten. Ich habe leider keine Zeit um nach ihm zu suchen. Daher würde ich dich und die anderen Rentiere bitten diese Sache zu übernehmen.“ Er nickte. „Was für eine unschöne Sache. Ich werde Donner und Blitzen mitnehmen und mal sehen, ob wir ihn finden. Du kannst zurück an die Arbeit. Bis heute Abend haben wir ihn bestimmt.“ Svenja lächelte leicht, bedankte sich und rannte zurück in Richtung Werkstatt. „Na sowas“, murmelte Rudolph. „Als hätte die Ärmste zu dieser Zeit nicht schon genug um die Ohren.“ Er verließ seine Box und trottete in den benachbarten Raum zu den Boxen seiner Freunde. „Donner, Blitzen, genug ausgeruht für heute. Wir haben Arbeit!“ „Arbeit?“ Ertönte es hinter einer Wand, ehe sich ein Geweih und anschließend der gesamte Kopf um die Ecke schoben. „Ja, Arbeit.“ Wiederholte Rudolph und hörte nur zwei Rentiere synchron schnauben. „Wie wäre es, wenn du uns das nächste Mal fragst, ob wir arbeiten wollen, ehe du Aufträge für uns annimmst?“, brummte Blitzen. Langsam tauchte auch er hinter der Wand auf, sah allerdings in keinster Weise bereit aus Rudolph zu begleiten. Jetzt verstand er, weshalb er nicht arbeiten wollte. Sein Fell war komplett eingeweicht und sein Geweih glänzte im Licht. Er befand sich bei der Fellpflege. „Tut mir leid, Blitzen. Konnte ja nicht wissen, dass du ausgerechnet heute deine Kur einwirken lässt.“ Der Angesprochene schnaubte nur erneut und verschwand wieder. „Aber du, Donner, du kannst mir doch sicher helfen.“ Rudolph sah ihn beinahe flehend an. Donner verdrehte die Augen. „Es kommt darauf an, wobei ich dir helfen soll…solange wir nicht wieder den Kristallleuchter reparieren müssen, weil außer uns keiner dran kommt...“ „Nein.“, lachte Rudolph, bevor er wieder ernst wurde. „Einer der Elfen, die in der Werkstatt helfen, ist verschwunden. Koordinatorin Svenja hat uns darauf angesetzt ihn zu finden. Donner musste schlucken. „Du weißt aber schon, was das letzte Mal passiert war, als ein Elf vermisst wurde?“ „Erinnere mich nicht daran. Sowohl Buddy, als auch unser Miesepeter vom Dienst waren Ausnahmen. Dasselbe gilt für den Zwischenfall mit dem Eisbären.“ Versuchte Rudolph, die Situation zu lockern, was ihm jedoch nicht gelang. Hungrige Eisbären waren in den letzten Jahren ein immer größer werdendes Risiko geworden. Dennoch schien Donner helfen zu wollen, denn er bequemte sich aus seiner Box und lief zu Rudolph. „Na dann wollen wir mal. Weiß Santa Bescheid?“ „Ich glaube nicht. Ich will es ihm ehrlich gesagt auch nicht mitteilen müssen.“ Donner warf ihm einen zustimmenden Blick zu. „Wo fangen wir an?“ Rudolph dachte nach. „Am besten im Schlafzimmer, wo er verschwand, danach schauen wir in der Küche und der Werkstatt. Hoffentlich finden wir irgendeinen Hinweis…“ Das Schlafzimmer, bestehend aus 7 Betten, drei Schreibtischen und einer gigantischen Schrankwand war beeindruckend uninteressant. Rudolph schnupperte am Boden, es roch nach Keksteig, Zucker und Farbe. Nichts, was aus der Reihe tanzen würde. „Donner, hast du bei seinem Bett was finden können?“ „Nein. Abgesehen davon, dass er es in einem furchtbar chaotischen Zustand hinterlassen hat. Wozu hat man Hände, wenn man sie nicht benutzt? Was würde ich für Hände geben!“ Ein sehnsüchtiger Seufzer entfuhr dem Tier. „Naja, ich glaube hier finden wir nichts.“ „Dann müssen wir wohl weiter zur Küche.“ Rudolph drehte um, verließ den Raum und lief den Gang hinunter. Der unverkennbare Geruch von backenden Plätzchen lag in der Luft und wies ihnen den Weg. Die Küche war voller Leben. An den Öfen standen Elfen und waren dabei ununterbrochen Kekse zu backen, an den Tischen in der Mitte des Raumes wurden Lebkuchenhäuser zusammengesetzt und einer der vielen Teekessel pfiff immer. Doch ehe sie den Raum betreten konnten, wurden sie von einem Elfen aufgehalten. „Ihr dürft hier nicht rein. Hygienevorschriften.“ Der Elf hob entschuldigend die Hände. „Kann ich vielleicht etwas für euch tun?“, fragte er nach, als keines der beiden Tiere Anstalten machte den Weg zu räumen. „Tatsächlich.“ Ergriff Rudolph die Gelegenheit. „Dir ist hier heute Morgen bei Beginn nichts Merkwürdiges aufgefallen? Stand irgendwas nicht an seinem Platz? War etwas dreckig?“ Der Elf legte einen Finger ans Kinn und wandte den Blick zur Decke. „Hmm…“ Murmelte er, tief in Gedanken. Donner und Rudolph sahen sich gegenseitig an. Es musste doch irgendeine Spur geben. Alexander konnte sich doch nicht in Luft aufgelöst haben. „Ah, ja tatsächlich war da was. Ich hätte es fast vergessen.“ Der Elf hatte anscheinend doch etwas bemerkt. Die beiden Rentiere blickten ihn gespannt an. „Ich habe ein blutiges Taschentuch im Müll gefunden. Ich habe mir nichts dabei gedacht. Ich meine, ihr kennt das ja sicherlich. Da ist man mal in Gedanken woanders und schneidet sich aus Versehen in den Finger. Selbst nach ein paar hundert Jahren passiert das noch. Aber was mir heute Morgen aus Müdigkeit vermutlich nicht aufgefallen war, ist, dass das Taschentuch gestern Abend noch nicht dort war. Ich habe nämlich als Letzter noch den Müll entsorgt. Also muss es in der Nacht oder ganz früh heute Morgen passiert sein. Und das ist in der Tat merkwürdig.“ „Danke, du hast uns sehr weiter geholfen.“ Rudolph neigte seinen Kopf, bevor er eine Frage nach schob. „Können wir das Taschentuch vielleicht mal sehen?“ Der Elf wunderte sich sicherlich über ihr plötzliches Interesse, ließ es sich jedoch nicht anmerken, sondern fischte das Tuch beherzt aus dem Mülleimer. „Hier bitteschön.“ Er reichte es ihnen und Rudolph schnupperte daran und beäugte es kritisch. „Hmm…“, murmelte er. Doch noch ergab alles keinen Sinn, geschweige denn einen Zusammenhang. „Vielen Dank. Falls wir noch was benötigen kommen wir auf dich zurück.“ Er nickte dem Elfen kurz zu und ging. Hinter ihnen ertönte die Frage des Elfen, wofür sie die Info denn bräuchten, aber die zwei Rentiere waren bereits zu sehr darauf fokussiert herauszufinden, was ihnen die Hinweise brachten. „Also doch noch mal zur Werkstatt.“ Donner klang nicht sonderlich erfreut. Vermutlich hatte er gehofft Alexander in der Küche bei den Keksen zu finden. Aber leider war dem nicht so. „Uns bleibt wohl keine Wahl. Schließlich findet sich unser Elf nicht von alleine.“ Rudolph trottete wieder neben Donner und versuchte ihn ein wenig aufzumuntern. Doch dieser lief weiterhin stoisch, mit zurückgeklappten Ohren und zusammen gekniffenen Augen voran. Es hätte Rudolph nicht gewundert, wenn er es bereits bereute aus seiner Box gekommen und der Hilfe zugestimmt zu haben. Aber so uninteressant konnte er es nicht finden. Denn auch Donner hatte bei der Küche sehr konzentriert alles gemustert. Auf Dauer konnte er das Schauspiel seiner schlechten Laune nicht aufrechterhalten, das wusste Rudolph. Auch wenn er bis jetzt nicht wusste, was sie ausgelöst hatte. Das Tor zur Werkstatt öffnete sich vor ihnen, dahinter befand sich eine riesige Halle. Hunderte Elfen arbeiteten dort, um sicherzustellen, dass alle Kinder ihre Geschenke bekamen. „Das wird ja einfach, Alex hier zu finden.“ Der sarkastische Tonfall Donners entging Rudolph natürlich nicht. „Wieso so miese Laune? Bist doch sonst eher von der fröhlichen Sorte.“ Wollte er der quälenden Frage endlich auf den Grund gehen. Donner schüttelte sich. „Versuch mal gute Laune zu behalten, wenn deine Frau schwanger ist und dich für jeden Mist ruft und losschickt. Nur zu deiner Information: Ich bin nur hier, um nicht dauernd von ihr herumkommandiert zu werden. Ich brauchte mal eine Pause.“ Rudolph stupste ihn freundschaftlich an. „So ist das eben. Aber glaub mir. Sobald das Kleine da ist, wird es wieder etwas entspannter.“ Er wusste, dass das so nicht ganz stimmte. So wuselig wie die kleinen Kälber sein konnten. Aber es war auch eine schöne Zeit, bis die Kleinen groß waren. Wenigstens wusste Rudolph jetzt, was seinem Freund auf dem Herzen lag. Donner verlor darüber jedoch kein Wort mehr und stapfte in den Raum hinein. Rudolph folgte ihm und bahnte sich seinen Weg bis zum Arbeitsplatz von Alexander. Dieser war, oh Wunder, komplett leer und aufgeräumt. Die beiden Rentiere standen nun ein wenig ratlos in der Gegend herum. Sie wussten nicht so recht, wo sie noch suchen sollten. Rudolph schnüffelte am Tisch, konnte aber auch so nichts feststellen. Mit so wenig Hinweisen konnten sie beim besten Willen nichts anfangen. „Hey, ihr zwei. Sucht ihr Alex?“ Rudolph drehte sich zu der Stimme um. Der Elf, der am Nachbartisch arbeitete, sah neugierig zu ihnen herüber. Die zwei Tiere nickten und der Elf sah sich um, doch es schien kein anderer zu lauschen. „Kommt mal näher.“ Er winkte sie zu sich. „Ich weiß auch nicht wo er grade ist. Aber fragt mal Dave. Der hat heute Morgen ein merkwürdiges Bündel in den Keller geschleppt. Ich will ihm ja nichts anhängen… Aber am besten redet ihr mal selbst mit ihm.“ Er wies die zwei auf einen Tisch weiter im Inneren hin, an dem Dave fleißig Barbiepuppen die Köpfe aufsetzte. Langsam näherten sie sich dem Tisch, doch Dave bemerkte sie, blickte auf und wollte fliehen. Donner rannte ihm hinterher und Rudolph schnitt ihm den Weg ab. „Wohin willst du denn so eilig? Drückt die Blase?“ Rudolph war sich sicher. Sie hatten eine Spur. Dave sank zwischen den beiden eingepfercht wie ein Häufchen Elend in sich zusammen. „Du kommst mit uns“, ordnete Donner an, schnappte sich den Kragen der Uniform und trug den Elfen aus der Werkstatt in eine kleine Besenkammer nebenan. Rudolph trottete ihm hinterher und bemerkten die verwirrten Blicke der anderen Arbeiter. „Hier gibt es nichts zu sehen!“, rief er aus. „Er hat nur sein Bett nicht gemacht und muss das nachholen. Also passt auf, dass sowas euch nicht passiert. Es könnte sonst peinlich werden!“ „So, Dave, nun verrate uns doch, weshalb du fliehen wolltest.“ Rudolph hatte sich vor Dave gesetzt und hoffte darauf Antworten zu finden. Doch Dave schwieg. Donner und Rudolph tauschten Blicke aus. „Hat es etwas mit Alexander zu tun?“, hakte nun Donner nach. Dave zuckte bei dem Namen sichtlich zusammen. Also hatten sie ins Schwarze getroffen. „Was hast du mit ihm gemacht? Lebt er noch?“ fragte Donner weiter. Dave zitterte und biss sich auf die Lippe, ehe es aus ihm heraus brach. „Natürlich lebt er noch… Was dachtet ihr denn? Ich habe ihm nur versprochen niemandem was zu sagen.“ „Wir haben ein blutiges Taschentuch gefunden und einen Zeugen, der dich dabei gesehen hat, wie du ein merkwürdig geformtes Bündel in den Keller schleppst. Daher unsere Annahme, dass du ihm etwas angetan haben könntest. Was solltest du denn keinem verraten?“ Rudolph war ganz in seiner Rolle als Spürnase versunken, auch Donner hatte dieser Ermittlungserfolg aufgelockert. Nur Dave wirkte nach wie vor sehr angespannt. „Ach… D..Das Taschentuch. Das kann ich erklären... Alex hat ein Lebkuchenhaus gebaut und sich dabei in den Finger geschnitten…“ „Und das Bündel?“ Donner wurde ungeduldig. „Das Bündel war ein Weihnachtsbaum… Ihn sollte nur niemand sehen.“ Sowohl Rudolph, als auch Donner waren erstaunt. Sie hatten nicht damit gerechnet, dass innerhalb des Anwesens Weihnachtsbäume heimlich umgestellt wurden, wo doch an jeder Ecke einer offen stand. Rudolph räusperte sich. „Jetzt hast du uns schon so viel verraten, jetzt kannst du uns doch sicher noch den Rest erzählen. Wir sagen es auch keinem weiter. Svenja hat sich nur Sorgen gemacht und uns beauftragt ihn zu suchen. Es wäre schön, wenn wir sehen könnten, dass es ihm gut geht.“ Das Häufchen Elend hob den Blick vom Boden. „Ihr versprecht hoch und heilig keinem etwas zu erzählen? Auch Svenja nicht?“ Die beiden Rentiere nickten und ein wenig Anspannung schien von Dave abzufallen. „Na gut. Dann kommt mal mit.“ Er rappelte sich auf und verließ zusammen mit den beiden Ermittlern die kleine Kammer. Der Weg führte sie zur Kellertreppe und einige Gänge des Kellers hinunter. Rudolph war sich nicht einmal sicher, dass er jemals zuvor dort gewesen war. Nach einer gefühlten Ewigkeit blieb Dave vor einer unscheinbaren Türe stehen. „Wir sind da.“, murmelte er und klopfte an. „Alex, ich bin es.“ „Komm rein.“ Ertönte es aus dem Zimmer und Dave öffnete die Türe. Rudolph und Donner folgten ihm ins Zimmer und ihnen blieb das Maul offen stehen. „Beim heiligen Geweih meiner Mutter...“, flüsterte Donner, das Leuchten der Lichterketten spiegelte sich in seinen Augen. Das Zimmer, es war riesig, war ein einziger Weihnachtstraum in Rot. In der Mitte stand ein Weihnachtsbaum, komplett rot-gold geschmückt. An der Wand zu ihrer Linken stand ein gigantisches Lebkuchenschloss. An der hinteren Wand stand ein Kamin, dessen Feuer eine wohlige Wärme im Raum verteilte und die mit Samt bezogene Couch in ein flackerndes Licht tauchte. Doch am meisten erstaunte sie die Wand rechts von ihnen. Sie war komplett mit Fotos und Lichterketten zu tapeziert. Und die Fotos zeigten niemand anderen als Alex und ihre Auftraggeberin, Svenja, in innigem Verhältnis. Auf den Bildern sahen beide glücklich aus, strahlten in die Kamera. So langsam dämmerte den Rentieren, was hier vor sich ging. „Ihr zwei...“ Rudolph fehlten die Worte. Alexander lächelte gequält. „Nun wurde mein Geheimnis wohl doch noch aufgedeckt. Ich war so kurz vor dem Ziel. Was hat mich verraten?“ „Hauptsächlich dein leeres Bett heute Morgen“, sagte Donner. „Sie hat sich Sorgen gemacht und uns mit deiner Suche beauftragt.“ Alexander faltete die Hände vor seinem Gesicht. „Sie kam doch sonst nie vorbei. Ausgerechnet jetzt…es fehlt doch nur noch eine Sache…“ „Der Ring?“, fragte Rudolph und tänzelte auf der Stelle. Alexander nickte und zog eine Zeichnung aus der Tasche. „Er ist schon beim Goldschmied. Aber vermutlich wird er erst heute Abend fertig. Zu spät…“ „Wieso zu spät?“ Donner trat ein paar Schritte näher an ihn heran. Und flüsterte ihm ins Ohr. „Ich hätte da eine Idee...“ Rudolph und Donner verließen zusammen mit Dave das Liebesnest und achteten auf ihrem Weg zurück zu ihren Boxen darauf, dass sie niemand sah. Die Zeiger der Uhr bewegten sich für den Geschmack der beiden Tiere viel zu langsam. „Ich hätte nie gedacht, dass wir mal Elfen-amor spielen würden.“ Donner hatte sich neben Rudolph gelegt und seine Ohren wippten gut gelaunt zur Weihnachtsmusik. „Ich auch nicht, Donner.“ Das Lied war kaum zu Ende, da näherte sich eine gut bekannte Gestalt. „Dave, ist alles vorbereitet?“ Rudolph sprang auf und lief auf ihn zu. Der Elf nickte nervös. „Das letzte Teil ist eben bei uns angekommen. Ihr könnt den Plan fortsetzen.“ „Na das lassen wir uns nicht zweimal sagen. Komm Donner, das wird lustig!“ „Svenja!“ Donner und Rudolph galoppierten auf die Elfe zu, die mit ihrem Feierabendtee aus der Küche kam. „Guten Abend ihr zwei. Habt ihr den Vermissten gefunden?“ „Haben wir!“ Donner lief hinter sie und stupste mit seiner Schnauze in ihren Rücken. „Komm mit, wir bringen dich zu ihm.“ „Ist ihm was zugestoßen, oder wieso habt ihr es so eilig?“ Svenja stolperte vorwärts und musste aufpassen nichts von ihrem Tee zu verschütten. „Du wirst es gleich sehen und verstehen“, versprach Rudolph und führte sie die Kellertreppe hinunter. Donner bildete das Schlusslicht. „Was wollen wir im Keller? Hier lagern wir doch nur Material. Ich war im letzten halben Jahr nicht ein Mal hier unten.“ Sie war verwirrt. Doch Rudolph lief unbeirrt weiter. „Ja, du musst nicht hier runter, aber andere müssen schließlich das Material zur Werkstatt transportieren.“ „Alexander aber doch nicht? Was sollen wir hier unten?“ Ihre Stimme klang zusehends unsicherer. „Wir sind fast da, einen Moment noch.“ Mit diesen Worten blieb das Rentier vor der Türe stehen und wies Svenja an hineinzugehen. Donner schien ganz aufgeregt zu sein, Rudolph war es auf jeden Fall. Und auch Svenja war es, denn sie hatte im Gegensatz zu den beiden Rentieren keinen blassen Schimmer, was sie erwartete. Sie umklammerte die Teetasse so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Sie öffnete vorsichtig die Türe und trat ein. Ihre Augen glitzerten und als ihr Blick von der zahlreichen Dekoration zu Alexander wanderte, der aus dem Schatten des Weihnachtsbaumes getreten war, strahlte sie über das ganze Gesicht. „Alexander…“, murmelte sie und stellte ihre Teetasse neben das Lebkuchenschloss „…es ist wunderschön! Hast du das nur für mich gemacht?“ Der Elf nickte. „Nur für dich. Ich hoffe es gefällt dir. Ich…“ Er kam nicht dazu seinen Satz zu beenden, denn Svenja fiel ihm um den Hals und küsste ihn innig. Donner und Rudolph waren glücklich. Ihre Aufgabe hatten sie mit Bravour gemeistert. Alexander trennte sich von Svenja. „Bevor wir weiter machen, es hat mir nämlich sehr gefallen, möchte ich dich noch etwas fragen.“ Er fiel vor ihr auf ein Knie und fischte mit seinem bandagierten Finger eine kleine Schachtel aus dem Baum, die er nun vor ihr öffnete. „Möchtest du meine Frau werden?“ Svenja schnappte nach Luft, versuchte etwas zu sagen, bekam aber kaum einen Ton heraus. Rudolph meinte aus diesem ganzen Gehauche das Wort ‚Ja‘ heraus gehört zu haben, war sich aber nicht sicher. Sicher war jedoch, dass sie nicht abgeneigt war. Stürmisch war sie in seine Arme gesprungen, nachdem er ihr den Ring angesteckt hatte, und schmiss bei der Aktion beinahe den Weihnachtsbaum mit um. Lachend lagen die beiden am Boden und auch die Rentiere standen zufrieden in der Türe. „Was ist eigentlich mit Santa?“ Fragte Svenja ihren frisch Verlobten. Dieser grinste von einem Ohr zum anderen. „Natürlich hat er alles gewusst. Der leere Arbeitsplatz wäre doch sonst aufgefallen. Er hatte nichts dagegen.“ Irgendwo in weiter Ferne hörte man ein paar Glocken klingen und ein beherztes HoHoHo. „Aber wieso jetzt, so kurz vor Weihnachten, wo alle so viel zu tun haben?“ löcherte Svenja ihn weiter mit Fragen. Er lächelte sanft. „Weil du hier sein musstest für den Plan. Ich kenne dich doch. Im Februar hilfst du wieder den Heinzelmännchen in Deutschland beim Karneval, an Ostern bist du beim Osterhasen und bemalst Eier… Du bist doch nie da.“ Sie kicherte. „Da hast du wohl recht. Da kann ich wohl nur noch eins sagen. Frohe Weihnachten.“ Rudolph wusste, dass sie dieses Jahr mit dem Weihnachtstag nicht mit den Vorbereitungen abschließen konnten. Zum Neujahrstag stand eine Hochzeit an. Und alle im Raum Anwesenden dachten in keinster Weise an den Stress, sondern freuten sich nur darauf. ~ ENDE ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)