Another Side von Flordelis (Another World, another Wesker 1.5) ================================================================================ Kapitel 1: Hier steht viel Arbeit an ------------------------------------ [LEFT]Albert rieb sich über die müden Augen. Die Verlockung war groß, gar nicht aus dem Auto auszusteigen, sondern einfach wieder nach Hause zu fahren. Aber dort würde er nur versuchen zu schlafen, um dieser nervigen Realität zu entfliegen, und auf noch einen Albtraum könnte er gut verzichten. Oder er würde Jill anrufen, aber nachdem wie sie vorgestern auseinandergegangen waren, wäre das nur für sie beide unangenehm. Außerdem gab es nach der Mission vorgestern viel zu tun, besonders was die Schadensbegrenzung anging. Er konnte es sich also nicht leisten, einfach nach Hause zu fahren.[/LEFT] [LEFT]So sprach er sich selbst noch einmal Mut zu, dann stieg er aus. Außer ihm war zum Glück gerade niemand in der Parkgarage, also musste er keine tadelnden Blicke für seinen zerknitterten Anzug oder seine Bartstoppeln ignorieren. Im Moment gab es für ihn genug andere Dinge zu tun, da konnte er sich nicht auch noch darum kümmern, wie er aussah.[/LEFT] [LEFT]Die Treppe führte ihn in den Ostflügel des RPD. Ein Umstand, den er schon oft bedauert hatte, weil das bedeutete, dass er fast durch das ganze Gebäude laufen musste, um zu seinem Büro zu kommen. Und je mehr man laufen musste, desto größer war die Gefahr, dass man jemanden traf, der etwas von einem wollte. Besonders als Captain einer Eliteeinheit geschah das leider häufig, wie er auch sofort wieder feststellte, als er in die Haupthalle trat.[/LEFT] [LEFT]»Captain Wesker!«, sprach ein aufgeregter Polizist ihn an. »Wir brauchen hier noch eine Unterschrift von Ihnen.«[/LEFT] [LEFT]Er hielt Albert ein Klemmbrett entgegen, auf dem ein Freigabe-Dokument befestigt war. Albert überflog den Standard-Text, stellte fest, dass es nur darum ging, Chris Redfields Akten an das FBI zu übergeben und unterschrieb einfach. Es gefiel ihm nicht, dass man glaubte, dass er Informationen zu unterschlagen versuchte, während man gegen seinen besten Freund ermittelte, aber sich dagegen zu wehren war ohnehin erfolglos, er hatte es versucht.[/LEFT] [LEFT]Der Polizist huschte zufrieden davon, um die Unterschrift abzugeben und sich dann vermutlich direkt um Chris' Personalakte zu kümmern. Albert setzte seinen eigenen Weg fort, doch er hielt sofort wieder inne, als ein dröhnendes »WESKER!« durch die Halle vibrierte. Schlagartig verstummten alle Anwesenden und starrten zu der Person hinauf, die von der Ost-Galerie auf sie herabsah. Chief Brian Irons lehnte schwer atmend auf der Brüstung, sein Kopf war tiefrot und sein Schnurrbart zitterte wütend, das konnte Albert selbst von unten sehen.[/LEFT] [LEFT]»In mein Büro!« Irons deutete mit dem Daumen über seine Schulter. »Sofort!«[/LEFT] [LEFT]Schnaubend fuhr er herum und ging bereits vor. Albert fluchte innerlich und folgte ihm. Mitleidige Blicke begleiteten seinen Weg, gepaart mit manch schadenfreudigem Blick. Er wusste nicht, womit er sich seine Feinde verdient hatte, aber es gab sie und die freuten sich gerade diebisch.[/LEFT] [LEFT]Irons saß bereits an seinem extravaganten Schreibtisch und blickte Albert finster entgegen. Er selbst nahm sich die Zeit, die Tür vorsichtig zu schließen, dabei gab er sich Mühe, die unzähligen ausgestopften Tiere im Büro zu ignorieren. Im RPD gingen Gerüchte um, dass Irons' Hobby die Taxidermie war und er jedes einzelne Tier selbst ausgestopft hatte. Albert kümmerte sich normalerweise nicht um so etwas, aber er hoffte inständig, dass es nur gelangweilter Tratsch war, ohne jeden Funken Wahrheit.[/LEFT] [LEFT]Er setzte sich auf einen Sessel gegenüber des Schreibtischs und sah Irons mit neutraler Miene an, als er freundlich »Guten Morgen, Chief« sagte. Diese betonte Ruhe schien seinen Vorgesetzten nur weiter zu reizen: »Es ist überhaupt kein guter Morgen, Wesker! Was ist in Sie und Ihre Truppe gefahren?!«[/LEFT] [LEFT]Sich dumm zu stellen hätte zu noch mehr Ärger geführt, also antwortete Albert ihm aufrichtig: »Wir haben aus einer verlässlichen Quelle den Aufenthaltsort von Chris Redfield in Erfahrung bringen können.« Er erwähnte lieber nicht, dass diese verlässliche Quelle eine anonyme Mail gewesen war. »Als ehemalige Kollegen sahen wir es als unsere Pflicht an, ihn selbst der Justiz zuzuführen.«[/LEFT] [LEFT]Irons ballte die Hände zu Fäusten. »Und das habt ihr ja ganz großartig gemacht! Redfield ist nicht nur entkommen, ich habe gehört, jemand anderes wurde auch noch verletzt!«[/LEFT] [LEFT]»Und sie hat darauf verzichtet, es als Arbeitsunfall anzumelden«, versuchte Albert die Wogen zu glätten. Dabei hatte er sie ewig überzeugen wollen, sich im Krankenhaus durchchecken zu lassen, bevor er sie schließlich nach Hause gebracht hatte. »Das RPD muss also für gar nichts aufkommen.«[/LEFT] [LEFT]»Darum geht es nicht!«, donnerte Irons und schlug mit einer Faust auf den Tisch. »Sie haben ohne meine Zustimmung eine Mission durchgeführt, die ein derart katastrophales Ergebnis aufweist!«[/LEFT] [LEFT]Wäre es in Ordnung gegangen, wenn sie Erfolg gehabt hätten? Albert fragte lieber nicht.[/LEFT] [LEFT]»Ich sollte Sie eigentlich für diesen Scheiß suspendieren! Das FBI ruft mich seit gestern die ganze Zeit an und die von der Internen Ermittlung verlangen jetzt auch Antworten! Ihr habt es verbockt, Wesker! Und ich erwarte, dass Sie es wieder in Ordnung bringen!«[/LEFT] [LEFT]Unwillkürlich fragte Albert sich, ob Irons' Herz diesem Stress noch lange standhalten könnte – und ob ein anderer Chief vielleicht mehr Verständnis für seine Situation aufbrächte. Aber da Irons ihn nach wie vor wütend anstarrte, käme ihm diese Gnade wohl nicht zuteil.[/LEFT] [LEFT]»In Ordnung«, sagte Albert neutral, konnte aber nicht anders, als noch spitz etwas hinzuzufügen: »Ich kann mich jedoch nicht darum kümmern, solange ich hier sitze.«[/LEFT] [LEFT]Eine Ader auf Irons' Stirn schien zu pulsieren, seine Augen verschossen derart hasserfüllte Blitze, dass jeder andere möglichst lautlos aus dem Büro geflohen wäre. Albert erwiderte den Blick aber nur müde und auch ein wenig gleichgültig. Irons hatte nicht die Befugnis, ihn einfach zu feuern, und auch wenn Albert es hasste, sich von diesem Mann anschreien lassen zu müssen, kümmerte ihn das nicht weiter. Er erlaubte einfach nicht, dass dieser Mann sein Ego beeinflusste.[/LEFT] [LEFT]»Raus!«, fauchte Irons einfach nur, statt eines weiteren Wutausbruchs.[/LEFT] [LEFT]Albert kam diesem Befehl sofort nach und atmete auf, als er die Bürotür hinter sich wieder schließen konnte. Innerlich rumorte er bereits, weil er dummerweise zugestimmt hatte, dem FBI Rede und Antwort zu stehen. Und dass es nun zu internen Ermittlungen gegen die S.T.A.R.S. kam, gefiel ihm noch weniger. Niemand von ihnen hatte etwas falsch gemacht, dafür machten sie eine schlimme Zeit durch, deswegen widerstrebte es ihm, sie der Internen zum Fraß vorzuwerfen. Nach Möglichkeit müsste er das allein über die Bühne bringen.[/LEFT] [LEFT]Er ignorierte die neugierigen Blicke, die zuvor noch mitleidig gewesen waren, nun aber nur noch wissen wollten, warum er angeschrien worden war. Zügig durchquerte er die Galerie der Eingangshalle – wobei er bemerkte, dass Kevin am Empfangstresen stand und wieder einmal mit einer der Angestellten dort flirtete – und dann auch den Westgang. Erst als er im S.T.A.R.S.–Büro stand, erlaubte er es sich, innezuhalten und durchzuatmen. Niemand hatte noch etwas von ihm gewollt, er war endlich in Sicherheit.[/LEFT] [LEFT]Barry und Brad blickten von ihrer Arbeit auf und grüßten ihn. Es war das erste Mal, dass er sie seit dieser Mission traf, gestern hatte er für sie alle einen freien Tag eingerichtet, damit sie sich erholen könnten. Mehr war aber nicht drin gewesen, ohne den Zorn von Irons auf sich zu ziehen.[/LEFT] [LEFT]»Alles okay bei euch?«, fragte er.[/LEFT] [LEFT]Beide nickten, wenngleich sie enttäuscht und mutlos wirkten. Albert war froh, dass ihnen vorgestern nichts geschehen war. Wenn er realistisch darüber nachdachte, hätte das alles immerhin sehr schiefgehen können. Im Endeffekt hatten sie alle Glück gehabt – und es war nicht ihm zu verdanken.[/LEFT] [LEFT]Albert wollte sie vorwarnen, dass die Innere Abteilung bald Ermittlungen gegen sie anstellen würde, aber da klingelte das Telefon in seinem Büro.[/LEFT] [LEFT]»Das geht schon die ganze Zeit so«, sagte Brad. »Es muss wichtig sein.«[/LEFT] [LEFT]Innerlich seufzend entschuldigte Albert sich bei ihnen und ging in sein Büro. Er schloss die Tür hinter sich, dann hob er den Hörer ab. »Wesker.«[/LEFT] [LEFT]Ihm fiel selbst auf, dass er genervt klang, aber der Anrufer sah ihm das hoffentlich nach. Außer es war das FBI, die sollten ruhig spüren, wie er drauf war.[/LEFT] [LEFT]Oh Gott, lass es nicht irgendwer vom FBI sein![/LEFT] [LEFT]Sein kurzes Stoßgebet wurde mit der Stimme von Enrico Marini belohnt: »Albert, du kommst heute aber spät ins Büro.«[/LEFT] [LEFT]»Der Chief hat mich aufgehalten.« Darüber wollte er aber lieber nicht reden. »Wie läuft es bei euch? Geht es voran?«[/LEFT] [LEFT]»Ich glaube, wir haben die wichtigsten Gespräche hinter uns. Der zuständige Richter war sehr beeindruckt von deinem Plädoyer für Coen. Danke, dass du dir die Zeit dafür genommen hast.«[/LEFT] [LEFT]Albert hatte tatsächlich eine schlaflose Nacht dafür hinter sich. Aber wenn es sich gelohnt hatte, war es das wert gewesen. »Nichts zu danken. Billy war wirklich sehr hilfreich. Ohne ihn wären wir bestimmt nicht alle aus dem Anwesen rausgekommen.«[/LEFT] [LEFT]Immerhin hatte niemand von ihnen dort mit Zombies gerechnet. Aber Billy hatte eine Unerschrockenheit an den Tag gelegt, die dafür sprach, dass er Schlimmes im Krieg erlebt hatte. Außerdem hatte er sich derart rührend um Rebecca gekümmert, dass sie selbst als Neuling ohne größere Verletzungen entkommen war. Deswegen war es das Mindeste für Albert, dass er ein gutes Wort für Billy Coen einlegte, damit dieser nicht weiter in Haft bleiben musste.[/LEFT] [LEFT]»Ich habe übrigens gehört, dass ihr vorgestern losgezogen seid, um Chris zu suchen.« Enricos Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass es ein Tadel war.[/LEFT] [LEFT]Albert knirschte leise mit den Zähnen. »Ja, das ist richtig.«[/LEFT] [LEFT]»Und es hat nicht funktioniert.«[/LEFT] [LEFT]»Nein. Jill hat sich mittendrin abgesetzt, um ihn selbst zu stellen und wurde dabei verletzt.« Vor seinem inneren Auge sah er immer noch vor sich, wie er sie auf dem Boden liegend gefunden hatte, wieder spürte er diese stechende Furcht, dass sie tot wäre – und die Erleichterung, als sie wieder aufgewacht war.[/LEFT] [LEFT]»Das wäre nicht passiert, wenn ich da gewesen wäre«, sagte Enrico seufzend. »Du stürmst immer viel zu unüberlegt in solche Situationen, sobald Chris oder Jill etwas damit zu tun haben.«[/LEFT] [LEFT]»Ich kann einfach nicht zusehen, wenn es ihnen schlecht geht.«[/LEFT] [LEFT]»Und damit hast du Jill jetzt in Gefahr gebracht.«[/LEFT] [LEFT]Die Worte waren hart und trafen Albert an seiner einzigen empfindlichen Stelle: seinem Pflichtbewusstsein und seinen Gefühlen für seine Freunde. Er konnte das nicht einfach stehenlassen: »Es geht ihr gut. Ich hab sie am Abend noch gesehen.«[/LEFT] [LEFT]Bestimmt würde Enrico es nicht okay finden, dass er sie nicht ins Krankenhaus gebracht hatte, also ließ er das lieber aus.[/LEFT] [LEFT]»Du bist viel zu emotional bei den beiden«, tadelte Enrico. »Du bist ihr Vorgesetzter, verhalte dich auch so.«[/LEFT] [LEFT]Wie oft hatten sie dieses Gespräch bereits geführt? Albert konnte bei den beiden einfach nicht rational denken. Enrico verstand das, beteuerte er, aber gerade deswegen verlangte er von Albert ein strafferes Regiment bei den beiden. Vielleicht wäre alles nicht so gekommen, wie es gekommen war, wenn Albert wirklich mehr Strenge walten ließe.[/LEFT] [LEFT]Eine Bewegung aus dem offenen Büro zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Seine Brust füllte sich schlagartig mit Eiswasser, als er sah, wie Jill und Kevin hereinkamen. Was wollte sie hier? Eigentlich hatte er erwartet, dass sie ein paar Tage zu Hause bliebe.[/LEFT] [LEFT]Bitte lass sie nicht hier sein, um mit mir über vorgestern Abend zu reden.[/LEFT] [LEFT]»Enrico, hör zu, ich muss Schluss machen. Hier steht viel Arbeit an.«[/LEFT] [LEFT]»Du planst keinen weiteren Einsatz, oder?«, fragte er misstrauisch.[/LEFT] [LEFT]Albert lachte humorlos. »Nein, natürlich nicht. Kümmer du dich weiter um Rebecca und Coen, ich erwarte, dass du mit beiden zurückkommst.«[/LEFT] [LEFT]»Verlass dich darauf.«[/LEFT] [LEFT]Nach einer kurzen Verabschiedung legte er den Hörer auf und ging zu seiner Tür. Er betrachtete Jill durch die Glasscheibe. Sie starrte auf Chris' leeren Tisch, als könnte sie nicht glauben, was sie da sah. Eifersucht regte sich in seinem Inneren. Würde es sie auch so sehr kümmern, wenn er einfach verschwunden wäre? Vielleicht wäre sie dann eher erleichtert. Der Gedanke ließ ihn leise schnauben. Er atmete noch einmal auf und trat hinaus.[/LEFT] [LEFT]»Oh, Boss!«, sagte Kevin, der ihn zuerst bemerkte. »Jill wollte nur was holen.«[/LEFT] [LEFT]Albert musterte Jill. Sie schwankte noch ein wenig, was ihm sagte, dass er sie doch lieber ins Krankenhaus hätte bringen sollen. Enrico erfuhr das hoffentlich nie, das gäbe sonst nur einen weiteren Tadel. Was ihn aber vor allem traf, war der feindselige Blick, mit dem sie ihn ihrerseits trotzig musterte. Hatte er es wirklich so sehr vermasselt?[/LEFT] [LEFT]»Jill«, begann er vorsichtig, »wir waren doch darin übereingekommen, dass du dich ausruhst. Oder soll dich Kevin doch ins Krankenhaus, zu einem Check up, begleiten?«[/LEFT] [LEFT]Bei der Erwähnung seines Namens stellte Kevin sich sofort in Bereitschaft. Als Enrico gehört hatte, dass er Kevin zu einem S.T.A.R.S. ernannt hatte, war sein Vize fassungslos gewesen. Sicher, Kevin redete ein wenig zu viel, schien außerdem dem Alkohol zugeneigt und manchmal griff er zu rabiaten Methoden – aber er war erpicht, zu zeigen, was er drauf hatte. Albert war überzeugt, dass aus ihm noch etwas Großartiges werden würde, wenn man ihm nur die Chance gab.[/LEFT] [LEFT]»Nein«, erwiderte Jill frostig, »es geht mir gut, wirklich. Ich bin auch gleich wieder weg.«[/LEFT] Sie wandte sich abrupt ab und stützte sich mit einer Hand auf ihren Tisch. Barry trat einen Schritt näher zu ihr. »Langsam, Jill. Setz dich doch lieber erst mal.« »Nein, es geht schon.« Ihr Blick wanderte wieder zu Chris' Platz. »Wo ist er?« Die anderen sahen Albert an, der sich selbst unsicher war. Hatte der Schlag auf Jills Kopf – der vermutlich von Chris gekommen war – ihr Gedächtnis beeinflusst? Warum hätte er dann nicht auch ihre letzte Begegnung auslöschen können? Nein, er musste sich selbst Vorwürfe machen. Als sie zurückgekommen waren, wäre es seine Pflicht gewesen, sie ins Krankenhaus zu bringen, statt zu ihr nach Hause. Es war doch nur logisch, dass man eine Kopfverletzung nicht unterschätzen durfte. Was hatte er sich nur gedacht? »Du weißt es nicht mehr?« »Captain Wesker-«, setzte Brad an, doch Albert hob nur eine Hand und ließ ihn verstummen. Enrico hatte recht, er war der Vorgesetzte, er musste sich auch so verhalten. Also war es an ihm, ihr noch einmal zu erklären, was geschehen war. Im Moment sah es zwar nicht so aus, als könnte sie das ertragen, aber er konnte es ihr auch nicht einfach verschweigen. »Chris Redfield hat uns während des Arklay-Zwischenfalls verraten. Er wird inzwischen international wegen Bio-Terrorismus gesucht.« Sie schien die Worte nur langsam zu verarbeiten, als wären sie vollkommen neu für sie – und dann fiel sie zu plötzlich zu Boden. »Jill!«, stießen sie alle gleichzeitig aus. Barry stand glücklicherweise direkt neben ihr und konnte so verhindern, dass sie sich noch weiter verletzte. Während er sie so hielt, kam sie Albert ungeheuer zerbrechlich vor. Wieder war da diese nagende Furcht, dass sie vielleicht nie wieder aufwachte, aber als er ihren Puls mit seinen zitternden Fingern kontrollierte, stellte er erleichtert fest, dass sie erneut nur bewusstlos war. »Okay, das war's«, sagte er und stand auf. »Ich bringe sie ins Krankenhaus.« Brad wandte ein, dass sie auch einen Krankenwagen rufen könnten, aber Albert schüttelte mit dem Kopf. »Ich warte hier nicht darauf.« Außerdem dürfte er sich dann von den Sanitätern nur Vorwürfe anhören, so wie er es einschätzte. Er bräuchte aber niemanden, der ihn darauf hinwies, dass er Mist gebaut hatte, das wusste er schon allein. Barry hob Jill mühelos hoch. »Okay, wenn du das Auto zum Westausgang fährst, bringe ich sie dorthin. Dann muss ich sie nicht durch das ganze Gebäude tragen.« Das war eine gute Idee. Zum Glück war Barry viel besser darin, rational zu handeln. Bevor er aber losstürmen konnte, um sein Auto zu holen, hielt Brad ihn noch einmal auf. »Ich glaube, Jill wollte wahrscheinlich das hier holen.« Er reichte Albert ein Notizbuch. Erst wollte Albert ihm sagen, dass das nicht so wichtig wäre, aber dann fiel ihm ein, dass sie vielleicht nur noch einmal versuchen könnte, ins Büro zu kommen, um es doch noch zu holen. Also bedankte er sich bei Brad und steckte das Notizbuch in seine Tasche. Dann lief er sofort los, um das Auto zu holen und Jill ins Krankenhaus zu bringen. Selbst wenn er einen Fehler gemacht hatte, weil er sie nicht zu einer Untersuchung überredet hatte, nun würde er das wiedergutmachen. Er konnte nur noch hoffen, dass sie keine schlimmen Folgen zurückbehielt. Bitte, lass alles mit ihr in Ordnung sein. Ich ertrag es nicht, wenn ich jetzt noch jemanden verliere.   Als er schließlich wieder ins Büro zurückfuhr, war Albert froh, sie ins Krankenhaus gebracht zu haben. Die Untersuchung hatte keine Probleme ergeben, ihr Kopf war in Ordnung. Eine Gehirnerschütterung war nicht auszuschließen, deswegen musste sie über Nacht im Krankenhaus bleiben. Dort war sie sicher, alles war in Ordnung. Dennoch brannte seine Brust. Jill war distanziert und förmlich gewesen, sie hatte ihn nicht auf ihre letzte Begegnung angesprochen, vielleicht erinnerte sie sich nicht einmal daran – aber seltsamerweise schmerzte ihn das sogar noch mehr als wenn sie ihm gesagt hätte, dass sie kein Interesse habe. Am liebsten hätte er sich einfach betrunken, um das alles zu vergessen und auch keine Albträume zu haben, wenn er wieder einschlief, doch er musste seinen Verpflichtungen nachkommen. Gerade wenn die Innere Abteilung Ermittlungen gegen seine Einheit aufnahm, durfte er ihnen kein Futter geben. Er musste alles abwehren, um die anderen zu schützen. Deswegen fuhr er zum zweiten Mal an diesem Tag in die Parkgarage des RPD und kehrte möglichst unauffällig ins Büro zurück – nur um dort wie elektrisiert innezuhalten. Barry, Brad und Kevin saßen an ihren Tischen und arbeiteten demonstrativ schweigend vor sich hin. Der Grund dafür waren zwei Männer in Anzügen, die auf den Plätzen von Chris und Jill saßen, dort Kaffee tranken und sich gegenseitig versicherten, dass es verdammt guter Kaffee sei. Sie blickten sofort auf, als sie Albert bemerkten und erhoben sich von ihren Plätzen. Beide präsentierten ihre Ausweise, die sie als FBI-Agenten kennzeichneten und seine Laune nur weiter in den Keller trieb. »Agent Morgan und Agent Cooper«, stellte einer der beiden sie vor. Albert verzichtete darauf, seine Marke vorzuzeigen, als er sich als Captain Wesker vorstellte. Morgans Mundwinkel hoben sich ein wenig. »Chief Irons hat uns gesagt, dass wir uns wegen Chris Redfield an Sie wenden müssen. Wo waren Sie so lange?« »Ist das wichtig?«, erwiderte Albert und bedeutete beiden, dass sie ihm in sein Büro folgen sollten. »Wir sind von Berufs wegen neugierig, Mister Wesker«, antwortete Cooper. Er schloss die Tür hinter den beiden. »Ich habe eine Kollegin ins Krankenhaus gebracht.« »Jill Valentine, nehme ich an«, sagte Morgan. »Rebecca Chambers ist ja gerade bei den Anhörungen bezüglich Billy Coen.« Sie waren gut informiert. Das sollte ihn nicht wundern, aber es besserte seine Laune nicht. »Wurde Ms. Valentine bei ihrer letzten Mission verletzt?«, hakte Cooper nach. Er wollte eigentlich die Antwort verweigern, mit dem Hinweis, dass sie eigentlich wegen Chris hier waren. Doch da sie verletzt wurde, als sie versucht hatte, Chris zu stellen, blieb ihm nur, das zu bejahen. »Aber die Untersuchung hat ergeben, dass sie nicht schwer verletzt ist.« »Das ist schön.« Morgan lächelte, als kümmere ihn das wirklich. »Wir sind aber natürlich wegen Chris Redfield hier. Danke, dass Sie uns bereits die Personalakte haben zukommen lassen. Aber wir haben dennoch offene Fragen.« Albert machte eine Handbewegung, Morgan fing direkt an: »Hat Mr. Redfield im Vorfeld Anzeichen dafür gezeigt, dass er dem Bio-Terrorismus zugeneigt sein könnte?« Erwarteten sie, dass er Albert in einem friedlichen Moment gebeichtet hatte, dass er schon immer Terrorist werden wollte, aber bislang nicht dazugekommen war? Er biss sich selbst auf die Zunge, um das nicht schnippisch zu fragen. Mit dem FBI sollte er es sich lieber nicht verscherzen. »Nein, hat er nicht. Chris war immer ein sehr zuverlässiger Mitarbeiter mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn.« »Das beißt sich dann ja mit seinem derzeitigen Werdegang«, stellte Cooper fest. Albert sah ihn kurz schweigend an. Da aber beide Agenten nur mild lächelten, statt selbst darüber nachzudenken, musste Albert das doch übernehmen: »Richtig. Deswegen zweifeln wir auch daran, dass Chris das aus eigenem Antrieb heraus tut.« Cooper notierte sich das auf einem kleinen Notizblock. »Wer ist wir?« »Das gesamte S.T.A.R.S.–Team.« »Sie meinen, diejenigen, die noch leben?«, fragte Morgan. Albert atmete tief durch und ballte die Hände zu Fäusten. Vor seinem inneren Auge sah er die Gesichter derjenigen, die bei dem Arklay-Zwischenfall gestorben waren. Joseph, Edward, Forest, Kenneth und Kevin Dooley, keiner von ihnen hatte es verdient, zu sterben – und dennoch war es geschehen, weil sie von Zombies und infizierten Hunden überrascht worden waren. Allein der Gedanke erzeugte ein unangenehm prickelndes Gefühl unter seiner Haut. »Richtig«, presste er schließlich hervor. Cooper notierte sich erstaunlich viel, deswegen musste Morgan noch eine Frage stellen: »Wo hatten Sie eigentlich die Informationen bezüglich Redfields Aufenthaltsort her?« »Ehrlich gesagt möchte ich meine Quelle nicht nennen.« Das Lächeln der beiden schwand kein bisschen. Es machte Albert langsam nervös. »Warum haben Sie die Information nicht an uns weitergereicht?«, fragte Morgan weiter. »Chris war einer von uns«, wiederholte Albert das, was er auch schon Irons gesagt hatte, »wir empfanden es daher als unsere Pflicht, ihn selbst der Justiz zuzuführen.« Zu seiner Überraschung nickten Morgan und Cooper verstehend. Dennoch kam natürlich der Kommentar, den er erwartet hatte: »Nächstes Mal geben Sie uns trotzdem bitte Bescheid.« »Natürlich.« Aber Albert wusste bereits, dass er dennoch nichts sagen würde. Chris war seine Verantwortung – und die würde er auch wahrnehmen, egal, was es kostete.   Es war bereits dunkel, als Albert endlich zu Hause ankam. Seine Wohnung war wie immer finster und verlassen. Selbst als er das Licht im Wohnzimmer anmachte, kam es ihm vor, als hätte sich die Dunkelheit nur in die Ecken verzogen, um dort besonders dicht zu werden und die Helligkeit zu verdrängen. Auf dem Tisch stand die Flasche Scotch, die er gestern angefangen hatte, sowie das dazugehörige Glas, daneben lag sein zerlesenes Exemplar von The Great Gatsby, das er irgendwann vielleicht einmal durch eine neue Version ersetzen müsste. Die Befragung von Morgan und Cooper hatte sich hingezogen, obwohl nicht wirklich etwas herausgekommen war, außer, dass selbst die beiden FBI-Agenten verwirrt über Chris' neue Profession waren. Ferner bekäme er vermutlich noch Post von irgendeinem Vorgesetzten, der ihn auch wegen seiner eigenmächtigen Handlung zurechtweisen wollte. Aber heute wollte er darüber nicht mehr nachdenken. Eigentlich wollte er schlafen, aber er fürchtete sich vor einem neuen Albtraum; dem könnte er entgehen, indem er sich betrank, aber das würde auffallen, falls die Innere Abteilung morgen vorbeikäme. Außerdem machte er sich Sorgen um Jill. Die Gespräche mit ihr fehlten ihm, gerade in dieser Zeit. Also überwand er seine Furcht vor einer Abweisung von ihr und rief im Krankenhaus an. Er musste sich von der internen Vermittlung weiterleiten lassen, aber dann klingelte es schließlich. Erst da kam ihm der Gedanke, dass er sie vielleicht gerade weckte. Aber noch bevor er es bereuen und auflegen konnte, meldete sie sich. Er atmete ein wenig auf. »Jill, wie geht es dir?« [LEFT]»Schon besser«, antwortete sie kurz angebunden, was ihm wie ein Messerstich vorkam.[/LEFT] [LEFT]Sollte er sie noch einmal fragen, warum sie so distanziert war? Würde sie ihm diesmal antworten? Oder sollte er sie einfach auf die Ereignisse vorgestern ansprechen? Nein, es war besser, wenn sie sich nicht daran erinnerte. Viel eher war ihr Problem wohl ein anderes: »Ich weiß, dass dir die Ereignisse zugesetzt haben. Chris und du standet euch sehr nahe.«[/LEFT] [LEFT]Er wollte es nicht, aber die Verbitterung übernahm ihm. Wie oft hatte er aus seinem Büro heraus beobachtet, wie die beiden sich angeregt miteinander unterhielten, wie sie gemeinsam zum Schießtraining oder Mittagessen gingen? Wann war er so eifersüchtig auf die beiden geworden?[/LEFT] [LEFT]»Aber heute hast du dich besonders distanziert verhalten. Ich weiß nicht, was zwischen euch vorgefallen ist …« Hoffentlich war es etwas, das zwischen ihnen vorgefallen war, und nicht das, was er vorgestern getan hatte. »Ich will nur, dass du daran denkst, dass du dich jederzeit bei mir melden kannst, wenn etwas sein sollte.«[/LEFT] [LEFT]Vielleicht hatte er Glück und ihre letzte Begegnung war ihren Gedächtnislücken zum Opfer gefallen. Dann könnte alles wieder so werden wie früher. Das war doch alles, was er wollte. Dass sie wieder normal miteinander umgingen, und sie nicht auf die Idee käme, ihn allein zu lassen, so wie Chris. Oder Alex.[/LEFT] [LEFT]»Danke, Albert.«[/LEFT] [LEFT]Ihre Worte ließen seine Brust wieder freier werden. Sie hatte ihn nicht abgewiesen, das tat gut und hob seine Laune ein wenig. »In Ordnung. Dann schlaf gut. Und mach dir keine Sorgen wegen der Arbeit, wir kümmern uns schon um alles. Bis morgen.«[/LEFT] [LEFT]Er legte auf, nachdem sie sich auch von ihm verabschiedet hatte. Selbst seine Vorankündigung, dass er morgen wieder mit ihr reden würde, war bei ihr nicht auf Ablehnung gestoßen. Alles konnte noch gut werden. Vielleicht, so dachte er, könnte er nun sogar etwas schlafen, nachdem er sich wieder besser fühlte. Um das gleich auszutesten, stand er auf und ging ins Schlafzimmer. Er dachte nicht einmal mehr darüber nach, vorher noch einmal ein Glas Scotch zu trinken.[/LEFT] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)