Eine Frage der Teambildung von Flordelis ================================================================================ Willst du etwa kein Teil des Teams sein? ---------------------------------------- [LEFT]Soma rümpfte die Nase, als Alisa in ihr Zimmer bat. Kota und Frea waren schon da und unterhielten sich lachend. Vielleicht störten sie sich nicht mehr an dem durchdringenden – geradezu ekelhaften – Geruch, der ihm im Moment noch zusetzte. Oder sie waren höflicher als er.[/LEFT] [LEFT]»Hey, Soma!«, rief Kota aus. »Schön, dass du auch da bist.«[/LEFT] [LEFT]»Der Captain hat gesagt, ich muss kommen, sonst muss ich Missionen mit Kanon durchführen.«[/LEFT] [LEFT]Er warf Frea einen glühenden Blick zu, sie erwiderte ihn unschuldig. »Ich wollte nur, dass du dabei bist, wenn wir etwas Teambildung betreiben. Willst du etwa kein Teil des Teams sein?«[/LEFT] [LEFT]Grummelnd setzte er sich an den Tisch. Lindow und Sakuya waren nicht hier, offenbar wurden sie nicht als Teil des Teams gesehen – oder es war ihnen erfolgreich gelungen, sich zu drücken. Bei Gelegenheit müsste Soma Unterricht bei ihnen nehmen. Jedenfalls nahm er sich das vor, doch als Frea ihn anlächelte, wusste er bereits, dass er sie auch nächstes Mal nicht abweisen konnte.[/LEFT] [LEFT]Alisa war noch an der kleinen Küchenzeile ihres Zimmers beschäftigt, etwas, das er bei sich stets ignorierte. Er war die geschmacklosen Rationen bei Fenrir von klein auf gewohnt und kochen interessierte ihn nicht, also wäre es vergeudete Zeit. Und wenn er so beobachtete, wie gestresst Alisa wirkte, glaubte er auch nicht, etwas zu verpassen.[/LEFT] [LEFT]Dass sie den strengen Geruch der kochenden Suppe ignorierte, ließ ihn aber auch nicht glauben, dass ihm dieses Essen schmecken würde.[/LEFT] [LEFT]Kota beugte sich ein wenig vor und senkte die Stimme: »Hey, wisst ihr eigentlich, ob das so riechen soll?«[/LEFT] [LEFT]Also war es ihm zumindest aufgefallen. Aber Soma war sich nicht sicher, ob ihn das mit Zuversicht oder Grauen erfüllen sollte. Frea sah zu Alisa hinüber. »Na ja, sie scheint es richtig so zu finden. Vielleicht schmeckt es ja besser, als es riecht.«[/LEFT] [LEFT]Selbst sie schien an ihren eigenen Worten zu zweifeln. Soma glaubte nicht, dass sie diese Mission bestehen könnten, ohne jemanden zu verletzen. Zum Glück war man das von ihm schon gewohnt, die anderen beiden würden das hauptsächliche Problem haben.[/LEFT] [LEFT]Alisa kehrte mit Tellern an den Tisch zurück. »So, das Borsch ist fertig. Der Kartoffelkuchen kommt auch gleich.«[/LEFT] [LEFT]Soma wusste nicht, was das erste war – aber Kartoffelkuchen kam ihm irgendwie falsch vor. Normalerweise waren Kuchen doch süß, Kartoffeln aber nicht. Wo hatte Alisa nur ihre Rezepte her?[/LEFT] [LEFT]Sie verteilte Teller mit einer roten Suppe vor ihnen, die sie alle misstrauisch musterten. Kota nahm direkt einen Löffel in die Hand und stieß damit gegen das Gemüse, dessen Textur nicht mehr wirklich zu erkennen war.[/LEFT] [LEFT]»Rote Beete«, murmelte Frea, die es ihm nachahmte. »Ich glaube, das ist rote Beete.«[/LEFT] [LEFT]Seines Wissens nach hatte Soma dieses Gemüse noch nie probiert (es sei denn, Fenrir hatte es in irgendeiner anderen seltsamen Form mal präsentiert), deswegen war er durchaus bereit, ihm eine Chance zu geben – der strenge, inzwischen fast schon säuerliche Geruch, irritierte ihn aber noch immer und wollte ihn davon abhalten. Den anderen ging es scheinbar genauso, denn sie starrten die Suppe nur an, als wäre sie ein unbekannter Feind.[/LEFT] [LEFT]Alisa verteilte derweil noch Kuchen, der wirklich aus Kartoffeln bestand. Den betrachtete Kota mit wesentlich mehr Wohlwollen, Frea war immer noch auf die Suppe fokussiert.[/LEFT] [LEFT]»Normalerweise isst man Borsch in meiner Heimat mit Fleisch«, erklärte Alisa, während sie sich setzte. »Aber wir kommen hier nicht an viel davon, also … hab ich noch den Kartoffelkuchen als Beilage gemacht. Lasst es euch schmecken.«[/LEFT] [LEFT]Sie begann zuerst mit dem Essen und nickte sich dabei selbst zu. Möglicherweise war der Geruch also wirklich normal und sie mussten sich keine Gedanken machen und einfach selbst kosten.[/LEFT] [LEFT]Das taten sie auch sofort – doch schon nach dem ersten Löffel wusste Soma, dass er nicht würde aufessen können. Es schmeckte außergewöhnlich, aber auf eine Art, die ihm absolut nicht behagte. Die Suppe schaffte es, gleichzeitig bitter und nach nichts zu schmecken, die Textur des Gemüses war faserig und zu hart zugleich. Er wusste nicht, wie sie das geschafft hatte, aber er hoffte, sie wusste es auch nur, damit sie es in Zukunft nicht wiederholte.[/LEFT] [LEFT]Während Frea fleißig aß, starrte Kota mit vor Grauen verzerrter, blasser Miene auf seinen Teller hinab, offensichtlich genauso unfähig, weiterzuessen wie Soma. Es dauerte einen Moment, bis Alisa bemerkte, dass die beiden Männer nicht mehr aßen. Sofort hielt sie inne und sah sie besorgt an. »Stimmt etwas nicht?«[/LEFT] [LEFT]»Muss es … so schmecken?«, fragte Kota vorsichtig.[/LEFT] [LEFT]»Ja. Also … schon irgendwie.«[/LEFT] [LEFT]Demonstrativ legte Kota den Löffel beiseite. »Dann ist das wohl nicht mein Essen.«[/LEFT] [LEFT]Um Hilfe heischend sah Alisa zu Soma, der Kota nicht gern zustimmte, aber hier keine andere Möglichkeit sah. »Ich glaube auch nicht, dass ich weiteressen kann.«[/LEFT] [LEFT]Alisas Schultern sanken gemeinsam mit ihren Mundwinkeln nach unten. So enttäuscht wie sie wirkte, bereute er bereits, das gesagt zu haben.[/LEFT] [LEFT]»Ich habe alles so getan, wie es im Rezept steht«, verteidigte sie sich. »Also, zumindest größtenteils. Das Fleisch fehlt natürlich. Ich habe auch keinen Weißkohl bekommen, also habe ich Blumenkohl genommen, und die Kartoffeln habe ich ja schon für den Kuchen gebraucht, und ich hab es auch nicht so lange kochen lassen, das schien mir eine Verschwendung...«[/LEFT] [LEFT]Soma verstand nicht viel vom Kochen, aber er war sich zumindest ziemlich sicher, dass man sich an die Rezepte halten musste, die man kochte, wenn man wollte, dass es schmeckte. Doch Alisa blieb dabei: »Es schmeckt genauso wie der Borsch, den ich früher immer gegessen habe. Also kann es nicht schlecht sein! Und Frea isst doch auch!«[/LEFT] [LEFT]Sie deutete in Freas Richtung, die tatsächlich noch eifrig aß – ihr Teller war fast leer – und sich gar nicht um die Unterhaltung kümmerte. Kota war inzwischen ein wenig grün um die Nasenspitze geworden, während er Frea beobachtete. »Wie kannst du das essen?«[/LEFT] [LEFT]Überrascht hielt sie inne und sah in die Runde. »Hm? Oh, na ja, die Suppe selbst ist eher weniger meins und der Kartoffelkuchen schmeckt nach gar nichts. Aber wenn man ihn zusammen mit der Suppe isst, ist es überraschend lecker.«[/LEFT] [LEFT]Ihre Worte sorgten nur dafür, dass Alisas Selbstbewusstsein einen gehörigen Knacks bekam. Allerdings wollte sie sich das nicht anmerken lassen, murmelte stattdessen etwas davon, dass man gereifte Geschmacksnerven benötigte, um dieses Essen zu schätzen zu wissen. Kota hörte diese versteckte Beleidigung nicht einmal, er war immer noch damit beschäftigt, Frea anzustarren, die sich bereits wieder auf das Essen konzentrierte.[/LEFT] [LEFT]»Vielleicht«, wagte er einen Verdacht, »muss man ja ein New-Type sein, um dieses Essen zu mögen?«[/LEFT] [LEFT]»Nur, wenn New-Types keine Geschmacksnerven mehr besitzen«, erwiderte Soma.[/LEFT] [LEFT]Im selben Moment tat es ihm bereits leid, denn Alisa schien von diesen Worten auch verletzt zu sein. Nach wie vor weigerte sie sich aber, sich das anmerken zu lassen. Trotzig drückte sie den Rücken wieder durch. »Fein, ich werde für euch beide einfach nie wieder etwas kochen!«[/LEFT] [LEFT]»Versprochen?«, fragte Kota.[/LEFT] [LEFT]»Ich hätte das gern schriftlich«, ergänzte Soma.[/LEFT] [LEFT]Ihr vernichtender Blick verriet ihm zumindest, dass sie der Kränkung nicht erlauben würde, ihr Selbstbewusstsein weiter anzugreifen. Gut so, denn sie hatte genug andere Qualitäten, da musste das Kochen nicht zwingend dazugehören.[/LEFT] [LEFT]Kota verwickelte sie in eine hitzige Unterhaltung darüber, ob ihre Geschmacksnerven wirklich noch funktionierten, weil er nun erpicht darauf war, seine Theorie zu beweisen. Sie wies das natürlich weit von sich und deutete als Beweis dafür auf die Rationen, die sie genauso furchtbar fand wie er. Kota ließ das natürlich nicht gelten und forderte weitere Nachweise.[/LEFT] [LEFT]Soma seufzte innerlich, fragte sich, warum er überhaupt gekommen war, wenn er doch bereits im Vorfeld geahnt hatte, wie es enden würde. Sein Blick wanderte zu Frea hinüber, die aufgehört hatte zu essen und nun die beiden Streitenden beobachtete. Sie lächelte dabei, ihre braunen Augen glitzerten sogar ein wenig. In diesem Moment hatte er seine Antwort, und sie genügte ihm nicht nur vollauf, er war sogar überzeugt, immer wieder genauso zu handeln.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Etwas mehr als zehn Jahre später musste Soma – der unter den gegebenen Umständen im ehemaligen Europa feststeckte und inzwischen als Einer bekannt war – wieder einmal an dieses Essen denken. Es war ein kleiner, unbedeutender Abend gewesen, damals eher ein nerviges Ereignis, aber heute gehörte diese Erinnerung zu jenen Momenten, die ihm fehlten. Was hätte er dafür gegeben, noch einmal mitzuerleben, wie Alisa und Kota sich über unwichtige Dinge stritten. Auf ihr Essen könnte er allerdings verzichten.[/LEFT] [LEFT]Entsprechend misstrauisch war er deswegen, als er wieder einmal auf dem Aschekrabbler Chrysantheme zum Essen eingeladen war. (Obwohl eingeladen eigentlich nur noch eine Umschreibung dafür war, dass er dort inzwischen praktisch lebte.) Ricardo und Lulu hatten sich an diesem Tag zum Kochen zusammengetan und angekündigt, dass es Borsch geben sollte.[/LEFT] [LEFT]Während die anderen aufgeregt darauf warteten, sah Soma dem mit Grauen entgegen. Natürlich war die Möglichkeit, dass Alisa das Rezept einfach komplett verhauen hatte, groß (immerhin war sie eine furchtbare Köchin) – aber vielleicht war ihr zumindest ihr Borsch gut gelungen, und eigentlich wollte er das nicht noch einmal probieren. Vor allem wollte er nicht noch einmal jemandem sagen, dass das Essen furchtbar war. Es tat ihm immer noch leid, dass er so ehrlich zu Alisa gewesen war. Wenigstens Frea war nett genug gewesen, einfach alles zu essen.[/LEFT] [LEFT]Der Gedanke an sie ließ sein Herz wieder schwer werden. Vor fast zehn Jahren waren sie voneinander getrennt worden und auch wenn er sich nicht vorstellen konnte, dass sie ums Leben gekommen war, wurde es doch immer unwahrscheinlicher, dass sie die Aschestürme überlebt haben könnte. Vielleicht sollte er sich endlich damit abfinden …[/LEFT] [LEFT]Ricardo und Lulu rissen ihn aus seinen finsteren Gedanken, als sie mit Geschirr und einem großen Kessel in die Lobby kamen, wo sie bereits alle versammelt waren. Soma blinzelte irritiert, als der Duft aus dem Topf in seine Nase stieg. Das Essen roch schon einmal komplett anders als das von Alisa damals, es roch nämlich wirklich gut. Das steigerte nur sein Misstrauen gegenüber Alisa.[/LEFT] [LEFT]Die beiden Köche des Tages verteilten das Borsch. Soma beäugte es direkt misstrauisch. Aber die Suppe sah diesmal gut aus, in einem kräftigen und Appetit anregenden Rot, sogar die rote Bete, die er probehalber mit seinem Löffel anstieß, wirkte fast schon lecker.[/LEFT] [LEFT]Derart vom Aussehen überzeugt, probierte Soma – nur um gleich darauf überrascht sein noch vorhandenes Auge zu weiten. Die Suppe schmeckte würzig, reichhaltig, ein bisschen wie Heimat, wenn dieses Gefühl einen Geschmack hätte. Sogar das Gemüse war genießbar. Es war wirklich das absolute Gegenteil von Alisas Essen damals.[/LEFT] [LEFT]Sein erstauntes Innehalten erregte Lulus Aufmerksamkeit. Sie sah ihn ähnlich besorgt an wie Alisa damals. »Alles okay, Einer? Schmeckt es nicht?«[/LEFT] [LEFT]Statt einer direkten Antwort stellte er eine Gegenfrage: »Das ist Borsch?«[/LEFT] [LEFT]Lulu und Ricardo tauschten einen Blick miteinander, ehe letzterer antwortete: »Ja. Wir haben das Rezept von einem Händler an einem der Ports gelernt und dachten, wir probieren es mal.«[/LEFT] [LEFT]»Stimmt damit denn etwas nicht?«, hakte Lulu noch einmal nach.[/LEFT] [LEFT]»Nein, es ist alles gut«, versicherte er ihr. »Ich war nur überrascht.«[/LEFT] [LEFT]Aber er verriet ihr nicht, was genau ihn daran so verwunderte. Dafür hätte er viel zu sehr ausholen müssen, und er wollte niemandem von ihnen zu viel über die Leute in seiner Vergangenheit erzählen. Irgendwann würden sie alle treffen können, dann müssten sie sich nicht nur leere Erinnerungen anhören, mit denen sie nichts anfangen konnten – und er wäre endlich wieder glücklich.[/LEFT] [LEFT]Obwohl …[/LEFT] [LEFT]Er betrachtete die anderen: Hugo und Keith, die zufrieden aßen; Zeke und Neal, die darüber spekulierten, wie es in Bugarally wohl weitergegangen wäre; Amy und Hilda, die schweigend aßen; Lulu und Ricardo, die ihn immer noch im Blick behielten und natürlich Claire, Phym und Elena, die sich leise lachend unterhielten, während sie aßen.[/LEFT] [LEFT]Eigentlich konnte er nicht behaupten, dass er unglücklich wäre. Im Grunde fehlte nur noch eine Person, damit er zumindest für den Moment sogar glücklich wäre, auch wenn er nicht in der Fernost-Abteilung sein konnte. Und wenn diese Person damals sogar Alisas Borsch hatte essen können, ohne bleibende Schäden zurückzubehalten, würde sie auch alle Aschestürme der letzten zehn Jahre überleben. Frea ließ sich nicht einfach umbringen, er hatte nur eine Erinnerung daran gebraucht.[/LEFT] [LEFT]Um Lulu und Ricardo endlich zu beruhigen, aß er weiter. Das half tatsächlich, dass sie sich auch selbst auf ihr Essen konzentrieren konnten.[/LEFT] [LEFT]Im Prinzip gab es nur noch eine Sache, die es wirklich hätte perfekt machen können – abgesehen von Freas Anwesenheit natürlich.[/LEFT] [LEFT]»Wisst ihr, was gut dazu passen würde?«, fragte Soma.[/LEFT] [LEFT]Die beiden horchten direkt wieder auf. Er lächelte ihnen ein wenig entgegen. »Kartoffelkuchen wäre wirklich die perfekte Beilage.«[/LEFT] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)