Bingo! von _Delacroix_ (Fantasy-One-Shots) ================================================================================ Kapitel 1: Tanz durch die Nacht ------------------------------- Funken stoben, als sich Eire in einer schnellen Pirouette zu drehen begann. Ihre kupferfarbenen Locken leuchteten im Feuerschein. Cohara blinzelte mehrfach. Das helle Licht tat seinen Augen weh, trotzdem wagte er es nicht wegzusehen. Eires Blick war konzentriert. Ihr Körper beherrschter, als er ihn je zuvor gesehen hatte. Sie ließ sich nach hinten fallen, stützte sich gerade noch rechtzeitig mit den Händen ab und drückte sich wieder zurück auf die Beine. Ein Raunen ging durch die Menge. „Angeberin“, urteilte Quelio neben ihm. Er strich sich abschätzig das hellblonde Haar hinter eines seiner spitzen Ohren. „Das macht sie bei jedem Vollmondfest.“ „Ich dachte ihr seid Sonnenelfen“, bemerkte Cohara leise, „Wieso feiert ihr überhaupt ein Vollmondfest?“ Quelio zuckte mit den Schultern. „Ich bin sicher, es gibt eine alte, langweilige Legende dazu. Fakt ist, dass wir jeden Vollmond ein Tanzfest feiern.“ „Um den Mond zu ehren“, fiel Eire ihm ins Wort. Ihr Atem ging schwer, ihre Wangen waren gerötet, doch das Funkeln in ihren grünen Augen sagte mehr als tausend Worte. „Ihr solltet auch tanzen gehen. Das wird euch die Gunst des Mondes bringen.“ Quelio rümpfte die Nase. „Du willst nur über meinen Tanzstil lachen“, behauptete er. Eire runzelte die Stirn. „Als gäbe es nicht genug andere Dinge, über die ich an dir lachen kann“, schoss sie zurück. Einen Moment lang funkelte sie ihn herausfordernd an, dann ließ sie sich mit einem „Uff“ neben Cohara fallen. „Die Aufforderung galt übrigens auch für dich“, murmelte sie erschöpft. Auf seiner anderen Seite hörte er Quelio erstickt glucksen. „Eire, das ist gemein“, kicherte er, „Der Dunkelelf hat vermutlich noch nie zuvor jemanden tanzen sehen.“ Eire legte den Kopf schief und starrte Cohara an. „Wirklich nicht?“, fragte sie mit großen Augen. Cohara holte tief Luft, bereit, ihr zu sagen, dass das natürlich hausgemachter Unsinn war, doch noch bevor das erste Wort über seine Lippen gekommen war, legte sich eine Hand auf seine Schulter. „Ärgern die beiden dich schon wieder?“, fragte eine bekannte Stimme und ein dampfender Holzbecher schob sich in sein Blickfeld. Misstrauisch griff Cohara danach. Der Inhalt war honigfarben und roch ziemlich süß. „Oh! Ist das Mondtau?“, fragte Eire begeistert. „Dafür musst du ewig angestanden haben.“ Thallan hob einen weiteren Becher über seine Schulter hinweg, den das Mädchen strahlend entgegennahm. „Dankeschön!“ rief sie begeistert, bevor sie ihn an ihre Lippen setzte. Quelio schüttelte den Kopf. „Mondtau muss man genießen“, erklärte er, während auch er nach einem Becher griff. „Wenn man ihn einfach nur hinunter stürzt, entgehen einem die feinen Aromen.“ „Unsinn“, widersprach das Mädchen prompt, „Mondtau muss man trinken, solange er noch heiß ist. Nur dann schmeckt man die feinen Nuancen richtig heraus.“ „Wieso überlassen wir das Urteil nicht unserem Gast?“, warf Thallan dazwischen. „Wie trinkt ihr Mondtau in der Unterwelt?“ Cohara musterte den Becher zwischen seinen Fingern. Die goldene Flüssigkeit ruhte unbewegt in dem dunklen Holzgefäß. Nach wie vor stieg Dampf von ihr hinauf. Langsam hob er den Becher an. Das Getränk roch süßlich, irgendwie schwer, doch als es schließlich seine Zunge berührte, hatte es einen rauchigen Geschmack. Überrascht nahm er einen zweiten Schluck davon. „In meiner Heimat trinkt man eher Ingwertee“, erklärte er dann und erntete dafür überraschte Blicke. „Kein Mondtau?“, fragte Eire ungläubig, und als er langsam nickte, hörte er Quelio neben sich seufzen. „Die Unterwelt klingt furchtbar“, jammerte er, „Keine Musik, kein Tanz, kein Mondtau. Was für ein schrecklich fades Leben!“ Cohara räusperte sich leise. „Wir haben Musik“, wandte er ein. Doch der junge Elf hörte ihm gar nicht richtig zu. Stattdessen nippte er bereits wieder an seinem Mondtau. Cohara seufzte. „Und Tänze haben wir auch.“ „Wirklich?“, platzte Eire von der anderen Seite dazwischen. „Würdest du uns einen zeigen?“ Langsam wandte Cohara den Kopf zu ihr herum. Ihre roten Haare hingen ihr ins Gesicht, die Wangen waren von dem heißen Getränk gerötet und ihre grünen Augen hatten sich voll und ganz auf ihn gerichtet. „Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist“, entgegnete er ihr. „Warum nicht?“ Cohara ließ seinen Becher sinken. „Weil das hier ein Fest für euren Mondgott ist. Ich denke nicht, dass er es schätzen würde, würde ich es stören.“ „Unsinn“, protestierte Quelio, „Das Mondfest ist für alle da. Das erzählen sie schon den kleinen Kindern.“ „Er hat recht“, sprang ihm Eire bei, „Beim Mondfest darf jeder tanzen, der tanzen will. Und ich würde dich wirklich gerne tanzen sehen.“ Ihre Lippen formten ein dünnes Lächeln. „Richtig Quelio?“ „Richtig“, stimmte der ihr zu.   Cohara vermied es, in seine Richtung zu blicken. Er konnte sich schon denken, dass er ihn mindestens genauso erwartungsvoll anstarrte, wie Eire es tat. Stattdessen lehnte er sich nach hinten, um einen vorsichtigen Blick über die Schulter werfen zu können. Thallans blaue Augen erwiderten seinen Blick. „Es ist natürlich deine Entscheidung“, wandte er ein, „Aber ich gebe zu, dass ich dich auch gerne tanzen sehen würde. Ich glaube, du bist sehr gut darin.“ Cohara runzelte die Stirn. „Wie kommst du darauf?“, fragte er ihn.   Einen Moment lang erwiderte Thallan nichts und Cohara hatte die Gelegenheit, die Schatten des Feuers zu beobachten, die fast wie ein lebendes Tier über die Haut seines neuen Freundes tanzten. Dann wurde sein Nacken steif und er musste sich wohl oder übel wieder zurück nach vorne lehnen. „Wisst ihr, es gibt viele Dinge, die beim Tanzen wichtig sind“, hörte er Thallan hinter sich erklären, „Koordination, Rhythmus, Athletik ... Alles Dinge, die man auch in anderen Bereichen brauchen kann.“ Neben ihm klatschte Eire in die Hände. „Du willst sagen, dass gute Krieger oft auch gute Tänzer sind“, schlussfolgerte sie. Quelio stieß ein ungläubiges Schnauben aus. „Schwachsinn“, urteilte er. „Das eine hat mit dem anderen gar nichts zu tun. Sonst wäre Eire beim Tanzen nicht immer ganz vorne dabei. Ich meine, habt ihr ihre Schwertparade gesehen?“ „Was stimmt denn mit meiner Schwertparade nicht?“, zischte das Mädchen und Cohara begann zu bereuen, dass er es zugelassen hatte, zwischen den Beiden zu landen. „Alles!“, hörte er Quelio eine Spur zu laut erwidern. Seine Stimme löste ein unangenehmes Klingeln in Coharas rechtem Ohr aus. Eire knurrte und Cohara wurde spontan bewusst, dass sich auch sein linkes Ohr in akuter Gefahr befand. Kurz überlegte er, die beiden Jungelfen zu unterbrechen, doch dann entschied er sich für den unauffälligeren Weg aus der Misere.   Behutsam rutschte er von der Bank hinab, schob sich vorsichtig unter der Sitzfläche hindurch und stieß dabei prompt gegen einen Schuh. Langsam ließ er den Blick an dem Stiefel hinauf gleiten und erstarrte. Thallan stand über ihm und blickte amüsiert zu ihm hinab. „Wie kommt es eigentlich, dass wir immer in dieser Pose enden?“, fragte er, dann streckte er die Hand aus und hielt sie ihm entgegen. Cohara zögerte einen Augenblick. Als er das letzte Mal auf dem Boden gelegen hatte, hatte er Angst gehabt, der andere würde ihm die Kehle durchschneiden. Jetzt legte er vorsichtig die Hand in seine und ließ sich von ihm wieder auf die Beine ziehen. Hinter ihm waren die beiden Jungelfen endgültig in ihrem Streit versunken. Er rollte mit den Augen. „Ich kriege Ohrenschmerzen davon“, gestand er wahrheitsgemäß. Thallan nickte verständnisvoll. „Jeder kriegt Ohrenschmerzen davon“, stimmte er ihm zu, „Nur die beiden nicht. Ich fürchte, du musst dir einen neuen Sitzplatz suchen.“ „Und etwas Neues zu trinken.“ Einen Moment lang blickten sich die beiden an. „Du weißt, ich würde dich immer noch gerne tanzen sehen.“ „Und ich würde es schon gerne ausprobieren“, gab Cohara zu, „Aber eure Musik ist anders als unsere. Was mache ich, wenn sie nicht zu meinen Schritten passt?“ „Quelio hat das in der Vergangenheit selten aufgehalten“, entgegnete Thallan. Langsam ließ Cohara den Blick zu dem blonden Jungelfen schweifen. Er hatte sich inzwischen auf der Bank nach vorne gelehnt und gestikulierte wild in der Luft herum. „Das ist mutig von ihm“, befand er schließlich. „Du bist nicht weniger mutig als er.“ „Und doch graut mir bei Vorstellung, mich da draußen vor euch allen zu blamieren.“   Thallan stieß ein leises Seufzen aus. „Würdest du dich besser fühlen, würden wir es gemeinsam tun?“ Cohara legte den Kopf schief. „Du willst, dass wir uns gemeinsam blamieren?“, fragte er ungläubig. Der Sonnenelf schüttelte den Kopf. „Nein, so habe ich das nicht gemeint“, erklärte er ihm. „Ich dachte nur, vielleicht sollten wir gemeinsam tanzen gehen. Ich kann dir unsere Schritte zeigen und ich kenne die Musik. Und wenn du mir deine zeigst, kannst du dir sicher sein, dass ich dabei erst mal schlechter aussehe als du.“ „Und das macht dir gar nichts aus?“ „Wie gesagt, ich möchte dich gern tanzen sehen. Dafür nehme ich den einen oder anderen schrägen Blick in Kauf.“ „Dunkelelfentänze sind kompliziert“, wandte Cohara ein, „Es wird dich Zeit kosten, einen von ihnen zu erlernen.“ Thallans Mundwinkel verzogen sich zu einem dünnen Lächeln. „Nun, wir haben noch die ganze Nacht.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)