It's cold outside. von robin-chan ================================================================================ Somewhere in my memory ♫ ------------------------ Nami Lindgren liebte den Weihnachtsmorgen; der schönste des Jahres. Obwohl ihr Rhythmus anderes versprach, stand sie jeden 25. Dezember mit unverschämter Leichtigkeit auf. Grund hierfür waren weniger die Geschenke, sondern die Spanne zwischen dem Erwachen und dem darauffolgenden Trubel. Es war eine besondere Stille, die Nami von Kind an faszinierte. Der Zauber rückte sogar ihr problembehaftetes Liebesleben in den Hintergrund. Obgleich ihr Blick am gemachten Bett haften blieb. Die Frage blieb unausgesprochen. Denn mit dem Hinzustoßen der Familie, platzte die Blase; der passende Moment war verflogen. Am Ende hatten sie zusammen einen Film angesehen; irgendwann hatte die Müdigkeit übernommen und Nami war allein hoch. Robin hielt Wort und begnügte sich fast durchgehend mit den Turteltäubchen, wie sie sie nur noch nannten. Besonders mit Ace fand Robin überraschend durchgehenden Gesprächsstoff. Wann sie zu Bett ging, wusste Nami nicht und heute war sie längst verschwunden, dabei stand sie extra wesentlich früher auf. Vielleicht besser so. Das gestrige Gespräch aufnehmen, wäre schwer geworden. Der Charme des Augenblicks, untermalt vom knisternden Kaminfeuer hielt nicht ewig an. Es verpuffte und herausfordern lag heute nicht in ihrem Interesse. Was ihr bald aufgefallen war, war das Robin die Geschenke für die Familie mitgenommen hatte. Eines ihrer persönlichen Highlights der vergangenen Wochen – im negativen Sinne. Ein notgedrungenes, unterkühltes Zusammenraufen. Der Großteil wurde eben erst nach dem Knall besorgt: eine schleppend verlaufene Kommunikation via Textnachrichten. Und als ob das nicht ausreichend war, galt es ein Geschenk für Robin zu finden. Ein passendes. Eines, das nicht vor Sarkasmus triefte oder eine gekonnte Stichelei darstellte. Dafür überließ sie das Ausleben ihrer lebhaften Fantasie. Dort durfte sie die Vorstellungen auskosten. Etwas, dass sie in der Realität nie tun würde, schon gar nicht im Beisein anderer. Glücklicherweise erwies sich das Beschenken als keine allzu große Kunst. Robin war, wenigstens dahingehend, unkompliziert. Und über all die Jahre hatte sie stets einen Notfallplan in petto: sie in ihren Lieblingsbücherladen schleppen, ihr zwei Minuten Zeit geben und sie durfte haben, was immer sie tragen konnte. Und das würde ordentlich ins Geld gehen, sofern Nami sie darauf vorbereitete. Manche unterschätzten Robin, aber sie hatte Kraft und in solch einer Lage wäre sie die personifizierte Wonder Woman und käme mit dem gesamten Laden zurück. Schwach lächelnd öffnete sie ihre Tasche und holte zwei Päckchen hervor. Wollte sie ihr Ritual genießen, musste sie los. Noch im Vorbeigehen warf sie einen Blick in den Spiegel. Ein Anblick, den sie mit einem vergnügten Lächeln quittierte. Väterchen Frosts Ideenreichtum fand seinen Höhepunkt. Am Weihnachtsmorgen Bescherung in Alltagskleidung? Niemals! Er hatte allen einen personalisierten Zweiteiler besorgt, inklusive alberner Pantoffel. Namis Wehrmutstropfen? Ein kuscheliger, warmer Stoff, und das Muster übertraf den letzten im positiven Sinne. Dennoch blieb die Frage offen, ob er grundsätzlich vernarrt war oder er hierbei seine Vergangenheit kompensierte. Manche seiner Züge schloss auf das Letztere. Die Morgensonne tauchte das Untergeschoss langsam in ein sanftes Licht. Momentan war ihnen das Wetter hold, wobei ein Schneesturm mittlerweile ungünstiger wäre als vor der Anreise. Am Fuße der Treppe hielt Nami inne. Es waren Klänge, die ihre erhoffte Stille durchbrachen. Gedämpft, aber da, und je näher sie dem Wohnzimmer kam, desto deutlicher. Eine Melodie. Und da realisierte sie. Natürlich, jemand spielte am Flügel. Es gab eine bestimmte Frau, die weitaus vor ihr aufgestanden war. Robin nahm als Kind Unterricht. Zuhause hatte sie, anders als hier, ein Klavier stehen. Wann hatte sie Robin zuletzt spielen gehört? Wie mit dem Kuss stand Nami vor einer Lücke. Erneut empfand sie Frust darüber. In dem Fall eine Kleinigkeit, eine die ihr in diesen Sekunden bewusst wurde. Robin spielte in unregelmäßigen Abständen und das hatte Nami gefühlt für eine lange Zeit nicht mehr gehört. Wofür sie jedoch die Hände ins Feuer legte, war das der Flügel ihretwegen aufgestellt wurde. Abgesehen von Kuzan spielte niemand und bei ihm glich alles einem nervtötenden, unkoordinierten Klimpern. In seiner Fantasie war er Chopin. Bei einigen Besuchen war er absichtlich ohrenbetäubend grauenvoll, bis es Robin zuwider wurde und sie seinen (manchmal) unausgesprochenen Wunsch erfüllte. An der wuchtigen Schiebetür erkannte Nami, warum der Klang gedämpft durch das Untergeschoss drang; sie war geschlossen. Sie haderte, besonders als eine Pause eintrat. Hineingehen und die Geschenke ablegen oder zuerst in die Küche. Passend zum Morgen einen Tee oder eine heiße Schokolade aufsetzen; auch hierbei herrschte Unentschlossenheit. Bleiben oder gehen wurde entschieden, in dem Moment, in dem die nächste Melodie erklang. Es brauchte wenige Takte und Nami erkannte, welches Lied gespielt wurde – Somehwere in my memory. Mit Herzklopfen sank sie daher an der geschlossenen Türe zu Boden, zog die Beine an und hielt die Päckchen umschlossen, während sie verträumt die Augen schloss. Eines dieser Musikstücke, die Erinnerungen auslösten. Tonlos formten ihre Lippen den verinnerlichten Text. Was interessierte sie die Stille, wenn sie das hören durfte? Ein Gedanke, mit dem sie nicht allein war. Sowie sie eine Regung vernahm und zur Seite schielte, erblickte sie Olvia in ihrem Morgenmantel und mit dem Finger an den Lippen deutete sie, nichts zu sagen. Und ihr Lächeln war ansteckend. Zusammen lauschten sie und in diesem Minuten schienen all die Probleme in weite Ferne gerückt. Erst als die Stille sie durchgehend einnahm, verschwand Olvia bestgelaunt in der Küche, und hatte ihre zweite Entscheidung abgenommen. Heiße Schokolade, und wem das am Morgen nicht guttat, der bekam normalen Kakao serviert. Nami hingegen wartete etwas länger ab, bevor sie endlich das Wohnzimmer betrat und die Geschenkte unter den Baum legte. Dabei erspähte sie Robin am Panoramafenster stehend und trug wie Olvia den Morgenmantel darüber. Der Dresscode kostete sie Überwindung, dabei betitelte sie Robin nicht als Grinch, aber ihr wären besinnlichere Feiertage wesentlich lieber, ohne das Tamtam, mit dem ihr Stiefvater aufwartete. Mit einem neutralen »Morgen« folgte sie Olvia in die Küche, wo sie diese auf frischer Tat ertappte. »Betrügerin«, prustete Nami. Sie roch Kaffee – so viel zum Thema nur Schokolade oder Kakao. Oliva zwinkerte und nahm mit einem genießenden Laut einen weiteren Schluck. »Wir wissen uns zu helfen. Spätaufsteher haben keine Wahl – deine letzte Chance.« Kaffee lag weit vorne, was Robins frühes Verschwinden anging. Das Bevorstehende ohne Koffeinschub? Niemals. Generell musste das Ansprechen vor der ersten Tasse geübt sein, ob Frühaufsteher oder nicht. »Nein, danke.« Unbedingt brauchte sie ihn morgens nicht. Jedenfalls an einem normalen Morgen. Anders sah die Sache aus, wenn der Frühdienst im Institut rief. Abgesehen davon startete sie meist mit Grüntee. Olvia lächelte sanft und beobachtete, wie sie die aufgekochte Schokolode ein eine Tasse schenkte. »Mach gleich zwei draus. Muss sie durch.« Namis Mundwinkel zuckten. Wenn Robin eines weniger mochte, dann Süßes. Zuckerschock auf nüchternen Magen. Freudensprünge durfte man keine erwarten. Die Vorstellung hielt nicht lange, stattdessen registrierte Nami einen Umschwung. Olvias Blick ruhte spürbar auf ihr, sodass sie eine Gänsehaut empfand. Die Sorte, die fixierend waren, bei denen das Gefühl aufkam, man war offengelegt. Gott, das war eindeutig ein Familiending. Mit dem Unterschied, dass Robins nicht an dieses Unbehagen heranreichte. Was sie allerdings gelernt hatte, war ungerührt bleiben. Das Stichwort. Ganzgleich, was innerlich geschah. Den Grund hierfür wurde ihr schlussendlich serviert: »Geht’s euch gut?« Namis Herz machte einen spürbaren, unangenehmen Sprung. Die Vorstellung über Robin zu reden, die beim Anblick der Schokolade verzweifelt das Gesicht verzog, strahlte einen weitaus größeren Reiz aus. Besser als die Frage. Hatten sie die Lage falsch eingeschätzt? Skepsis zeigend, warf sie einen Blick zurück. »Robin schläft beinahe auf der Arbeit … ist nie gut, für sie und euch.« Mütter gehörten eindeutig einer anderen Spezies an. Sogar ihre hinterfragte, aber lag das zurück. Eher während ihrer Reisen oder den Telefonaten, bei denen ihre Laune hörbar im Keller war. Hier oben war das Thema bislang nicht aufgekommen. Vielleicht war das der Startschuss. Beide sprachen gerne miteinander. Über die aktuelle Situation wusste in ihrem Umfeld nur eine Person näher Bescheid – ihre beste Freundin. »Du kennst sie … sie ist manchmal verbissen. Untersuchungen, Auswertungen … das beansprucht Zeit.« Bevor sie die Unterhaltung vertieften, zog Nami eindeutig den Rückzug vor. Verschwinden, bevor es unangenehmer wurde. Olvia war ein Mensch, der mit präzisen Fragen und Formulierungen aufwarteten, die zu einem ungewollten Ausgang führten. Für Nami, nicht sie. »Wir haben beide ein stressiges Jahr hinter uns. Bringt das neue nicht oft eine Veränderung?« Untermalt wurden die Worte von einem aufmunternden Lächeln. Nein, auf nüchternen Magen war so eine Unterhaltung nicht durchstehbar. Oliva nickte sacht, aber schwieg und Nami wurde aus ihrem Blick nicht schlau. Er war unergründlich. Schlussendlich zog Olvia die Mundwinkel hoch und nippte wiederum ihren Kaffee. Erst im Wohnzimmer, mit gebührend Abstand, fiel die Spannung ab und Nami erlaubte sich einen tiefen Atemzug. Alles schrie förmlich danach: Olvia stellte ein Problem dar. Sie könnte ihr Vorhaben durchkreuzen, sobald sie tiefer grub und im Notfall ihre Mutter ins Boot holte. Darüber sprechen fiel ihr ohnehin verdammt schwer und dann mit dieser Gruppe? Niemals! Allein die Vorstellung … kein Wunder, dass sie diese sofort abschüttelte. »Mit Grüßen deiner Mutter«, blieb sie vor Robin stehen und hielt schief grinsend die Tasse hin, die ein gewohntes Bild abgab. Mit einem Buch auf der Couch, wobei es ein ungewöhnliches war, betrachtete Nami den Einband. Allmählich lief einiges gewaltig schief. »Erst das hier«, damit hob sie den Liebesroman in die Höhe, »und jetzt das.« Erwartungsgemäß rümpfte sie die Nase. Als servierte man ihr Gift. »Du übertreibst, sie ist köstlich.« Unschlüssig, als hätte sie vergessen, was man damit tat, nahm sie die Tasse endlich entgegen. »Sobald du ausgetrunken hast«, begann sie leise und blickte verstohlen an ihr vorbei, »tauschen wir?« Nami verdrehte die Augen und sank neben sie. »Schokolade ist zum Genießen, nicht zum Hinunterwürgen!«, kommentierte sie vielsagend, wobei sie einen ernsteren Ton anschlug: »Mit Olvia lege ich mich nicht an. Sie stellt ohnehin Fragen!« Erst schielte Robin unbeeindruckt zu ihr, dann hielt sie das Buch hoch. »Was denkst du, warum ich diesen Blödsinn lesen. Etwa aus Spaß?« Nein, Begeisterung strahlte Robin nicht aus. Stattdessen zeigte sie ihre genervte Ader. Besonders erkennbar an der Art, wie sie das Buch mit Nachdruck auf die Sitzfläche drückte. »Und wann wolltest du mich informieren?« Gerade stand ein unliebsames Kippen im Raum. Mittlerweile wusste Nami genau, wann es für sie gefährlich wurde. Das Problem hatte aber keinen Aufschub. Irgendetwas lag im Busch, zwischen Robin und Olvia, Olvias eigenen Gedanken und bevor sie ernsthaft überrumpelt wurde, wollte Nami vorbereitet sein. Das Vorbeugen und das lange in die Tasse starren, deutete in mehrere Richtungen. Entweder überlegte Robin, was sie ihr sagen wollte und wie, oder sie blockte; passend zum aktuellen Umgang miteinander. Es war, wie vermutet, der Zauber des gestrigen Gespräches war verflogen und sofern Robin nicht die Kurve kratzte, verabschiedete sich zeitgleich die Freude über den Weihnachtsmorgen. Alls zusammen nichts, das Nami brauchte. Vielleicht half eine dezente Erinnerung daran, dass sie eine Abmachung miteinander hatten und sie funktionierte nur, wenn sie zusammenarbeiteten. Ob es ihnen eben gefiel oder nicht. »Was genau hat sie gefragt?«, wollte Robin schlussendlich wissen. »Ob es uns gut geht, weil du selten zu Hause bist. Habt ihr geredet oder woher hat sie die Info?« Die einzige Regung, die Robin zuließ, war ein Zucken ihrer Augen. Behutsam führte sie die Tasse an ihre Lippen, eindeutiges Zeitschinden. Liebend gern würde sie Robin einen Klaps auf den Hinterkopf geben. Immerhin tat sie das absichtlich. Statt reden, trank sie freiwillig heiße Schokolade. »Könntest du bitte mit mir reden?« Allein das Bitte kostete Überwindung, wie alles in dieser Zeit. Warum fiel ihnen der normalere Umgang so schwer? Nami vermisste das Früher. Ihre offene Kommunikation, wenngleich es Zeit gebraucht hatte, um an diesen Punkt zu gelangen. Bei Robin stand Geduld im Vordergrund und die hatte Nami bewiesen. Robin neigte den Kopf und für einen Moment trafen sich ihre Blicke. Mittlerweile waren ihre Augen wieder unergründlich. Statt endlich die ersehnte Antwort, sah sie an Nami vorbei und lächelte. »Guten Morgen.« Irritiert zog sie die Brauen zusammen. Erst die Arme um ihrem Hals ließen sie realisieren, dass die nächste Chance vorbei war. »Frohe Weihnachten«, frohlockte ihre Mutter und küsste ihre Wange. ❄ »Sieben! Sieben, Robin! … Was zum Teufel geht bei ihm schief? Die anderen kommen mit viel weniger davon!«, zischte sie. Wenn er nicht bald aufhörte, konnte er sich sein eigenes Grab schaufeln. Wütend stapfte sie durch das Zimmer, ihre Hände raufend. Am liebsten hätte sie irgendetwas durch den Raum geschleudert, nur um ihren Frust abzulassen. Sieben verfluchte Mistelzweigattacken – viermal kläglich gescheitert. Unwissend überspannte Kuzan Matsuda den Bogen, obwohl ihr seine Unschuld bewusst war. In dem Mistelzweig sah er nur eine nette, liebevolle Geste – einen spielerischen Vorwand. Im Grunde wurde er zum Sündenbock. Lieber lenkte sie ihre Wut auf ihn und den bescheuerten Mistelzweig. Das war einfacher auszusprechen. Gleichzeitig hatte sie das Fiasko mit ihm heraufbeschworen, ihn direkt herausgefordert. Wo war das Glücksgefühl des Morgens hin? Ihr Blick wanderte sofort zu Robin, die mit ausdrucksloser Miene und abgestütztem Kopf im Lesestuhl verharrte. Kluge Entscheidung. Eisern schweigen und ausharren. »Hoffentlich kapiert er, dass das morgen ein Ende hat. Weihnachten ist vorbei, dann kann er mich mal.« Irre. Eigentlich mochte sie die Tradition. Aber heute hätte sie ihn am liebsten auf offener Flamme brennen sehen. Nami ließ sich neben Robin auf den zweiten Sessel sinken. Sie streckte die Beine aus, stützte die Arme auf den Lehnen und betrachtete sie mit einem gemischten Gefühl von Frust und Sehnsucht. Die aufgestaute Wut in ihrer Beziehung musste irgendwann raus, und heute schien der Punkt erreicht zu sein, an dem es nicht mehr länger ignoriert werden konnte. Ihre Gedanken kreisten um das eigentliche Problem, das sie plagte – die Sehnsucht nach der früheren Verbundenheit. Sie vermisste die Leichtigkeit, die zwischen ihnen herrschte, und fragte sich, warum sie nicht mehr in diese Spur zurückfinden konnten. Die Probleme hatten eine Mauer zwischen ihnen errichtet, und Nami wollte verzweifelt wissen, wie sie diese überwinden konnten. Die Erinnerungen an ihre glücklichere Zeit zusammen tauchten wieder auf. Ein Hauch von Melancholie durchzog sie, während sie sich fragte, wie ihnen all das abhanden gekommen war. Die Küsse unter dem Mistelzweig hatten die Wut in Nami entfacht. Nebeneinander normal umgehen, brachte bereits die eine oder andere Schwierigkeit mit sich, aber das? Wenn all die Leichtigkeit und Liebe, die sie einst teilten, verloren war? Ihre Sehnsucht nach dieser verlorenen Verbindung machte die Mistelzweigküsse nur noch schmerzhafter. Jeder Kuss wog schwerer als der vorige. Nami seufzte leise, während sie Robin weiter beobachtete, erinnerte sie sich an das Musikstück. »Wie bist du auf Home Alone gekommen?«, fragte sie unverblümt, bevor sie einen Gedanken fasste, der sie abhielt. »Du hast zugehört«, stellte Robin fest, ohne jegliche Regung in ihrem Gesicht. »Ja ... und?« Nami wartete gespannt auf ihre Reaktion. »Es schien passend«, seufzte sie resigniert. »Schade, dass ich dieses Weihnachten nicht einfach verloren gegangen bin.« »Verlockend.« Unruhig wippte ihr rechtes Bein auf und ab. »Nicht dich, sondern der Gedanke an sich«, korrigierte sie vorsichtig. Bevor sie erneut in Stille versinken konnten, beugte sich Nami plötzlich nach vorne. »Können wir jetzt über deine Mutter reden?« Die beiden hatten bisher keine Gelegenheit gefunden, dieses Gespräch in Angriff zu nehmen – nicht in Ruhe, ohne Ablenkung. Irgendwie absurd. Entweder gingen sie sich bewusst aus dem Weg oder wenn sie miteinander reden wollten, wurden sie ständig gestört. Vielleicht war es ein Zeichen, das Nami akzeptieren sollte – ein Beweis dafür, dass alles umsonst war. Robin schien abwesend, als sie fragte: »Was genau möchtest du hören?« Ihr Blick wanderte gedankenverloren durch den Raum, und Nami spürte, dass sie nicht wirklich bei der Sache war. Ein Kloß bildete sich in ihrem Magen. In der Öffentlichkeit spielten sie die glückliche Beziehung, aber hier, allein, fiel es schwer, offene Gespräche zu führen. »Robin, ich...« Nami zögerte, kämpfte mit ihren Worten. »Was genau hat Olvia gesagt?« Nein, erst auf das Wesentliche konzentrieren. Robin seufzte leise. Ihr Blick verlor sich, als ob sie nach Antworten suchte, die schwer zu formulieren waren. Nami fühlte sich hilflos und frustriert. Die Beziehungsprobleme hatten in den letzten Wochen die Kommunikation erschwert. In ihrer vermeintlichen Privatsphäre sollten sie über ihre Gefühle sprechen können, aber stattdessen schienen unsichtbare Barrieren zwischen ihnen zu stehen. »Wir sollten eigentlich über deine Mutter sprechen, aber jetzt ... wie weit driften wir noch auseinander?«, sagte Nami mit einem Anflug von Verzweiflung. Robin nickte, als wäre ihr bewusst, dass die Kommunikation zwischen ihnen zu einem Drahtseilakt geworden war. In der Stille des Raumes hing eine Spannung, die durch unausgesprochene Worte und unausgesprochene Gefühle genährt wurde. Und während sie versuchten, sich durch das Dickicht ihrer Beziehungsprobleme zu kämpfen, dachte Nami vermehrt an die Küsse unter dem Mistelzweig – an das Gefühl, das sie einst mit Robins Nähe verbunden hatte und das nun so schwer zu greifen schien. Nami, von einer Mischung aus Verwirrung und Frustration getrieben, wagte einen weiteren Schritt in die undurchsichtige Atmosphäre. »Warum haben wir gestern vor dem Kamin für ein paar Minuten die Schwierigkeiten vergessen können, und jetzt ist diese beklemmende Stimmung wieder da?« Ihre Stimme klang leise, als ob sie fürchtete, die fragilen Fäden, die zwischen ihnen gespannt waren, zu zerreißen. Robin sah sie einen Moment lang schweigend an. »Ich weiß es nicht«, antwortete sie schließlich, und es lag eine Spur von Resignation in ihrer Stimme. »Es fühlte sich an, als hätten wir für einen kurzen Moment unsere Probleme vergessen können, aber dann kehrten sie zurück, und der Tag trägt bei.« Ein schwerer Seufzer entwich Nami. »Es ist, als würden wir auf einem schmalen Grat wandern, und ich weiß nicht, wie wir da runterkommen sollen.« Der Frust schwang in ihrer Stimme mit. »Können wir nicht einfach ehrlich zueinander sein?« »Eine Standpauke.« »Was?« Robin fuhr sich mit einer Hand durch das Haar. »Meine Mutter hat mir eine Standpauke gehalten. Sie meinte, ich solle einen Gang zurückschalten und die Feiertage genießen. Jemand hat geplaudert und ihr gesteckt, dass ich kaum zu Hause bin.« Zähneknirschend unterband Nami ein Fluchen. »Wie ist es weitergegangen?« Olvia verstand die Herausforderungen von Robins Arbeit, aber das Gespräch in der Küche bereitete ihr dennoch Magenschmerzen. »Das ist nicht alles, oder?« Mit einem nachdenklichen Ausdruck im Gesicht, wandte sich Robin plötzlich anderweitig an sie und fragte leise: »Was siehst du, wenn du mich anschaust?« Ein überfordertes Stirnrunzeln. »Was meinst du?« Die Verwirrung spiegelte sich auch in ihren Augen wider. »Ich sehe dich, Robin. Aber was genau willst du wissen?« Hörbar atmete die andere aus, als hätte sie eine andere Antwort erwartet. »Ignorier die Frage.« »Robin!« Robin hörte nicht zu. Stattdessen stand sie einfach auf, als ob sie eine Pause bräuchte, und verschwand wortlos im Badezimmer. Verdammt! Was war schiefgelaufen? Was auch immer es war, für heute war das Gespräch beendet, schon wieder. Denn Nami kannte Robin gut. Ihr Gehen signalisierte eindeutig, dass sie abblockte. ∞ Robin Nikolaev lauschte halbherzig dem Gespräch. Ace unterhielt die Gruppe mit Anekdoten vergangener Zeiten. Zwar entlockte er ihr ab und an ein vergnügtes Lächeln, aber verebbte es meist, sobald die roten Locken in ihr Sichtfeld traten. Zwischen ihnen herrschte erneut Funkstille. Nami hatte keinen weiteren Versuch unternommen, Robin hatte das getan, das sie am besten konnte: sich hinter ihren Büchern verstecken. Zu ihrem Glück verbrachten sie den Tag aufgeteilt. Die ältere Generation war zeitig aufgebrochen; Tourengehen, in einer Hütte einkehren – das volle Programm. Eine hilfreiche Eingebung. Die Turteltäubchen blieben bis Mittag verschwunden. Gemeinsames Kochen, Essen und jetzt das Beisammensein am Tisch. Ein Arrangement mit dem Robin leben konnte. »Okay, habt ihr Pläne?« fragte Nojiko neugierig. Robin hätte gerne gelacht. Sie hatte in der Tat einen Plan, der aus Überleben bestand. »Woran denkst du?«, hinterfragte Nami zurückhaltender, als üblich und setzte seufzend nach: »Wenn du so fragst, hast du einen Vorschlag in petto.« Ihre Schwester tauschte mit ihrem Freund einen verstohlenen Blick aus und Robin ahnte Übles. »Ein Doppeldate! Schlittschuhlaufen, eine Kleinigkeit essen und Après-Ski natürlich!« Begeistert klatschte Nojiko. »Wir sind unter uns und haben Spaß. Was sagt ihr?« ❄ Diesem Einfall verdankte Robin, dass sie auf einer kalten Bank kauerte und verbohrt auf die Eisbahn starrte. Schlittschuhfahren gehörte eindeutig nicht zu ihren Stärken. Eine Schnapsidee-Deluxe. Leider das geringere Übel. Nami zeigte Begeisterung, ein Entgegenreden war auffällig. Sogar mit Kopfschmerzen und dergleichen aufkommen, wäre kontraproduktiv. Irgendwann lauerten Olvia und Kuzan. Ein merklich schwacher Trost. Suchend glitt ihr Blick über die Eisfläche. Die Sonne war am Horizont verschwunden, das Flutlicht, zusammen mit den Lichterketten, schuf durchaus eine einladende Atmosphäre. Ace und Nojiko drehten bereits ihre Runden. Ein Lachen und fröhliches Gekicher begleiteten elegante Schwünge und Drehungen. Während sie weiterhin das fröhliche Treiben auf dem Eis betrachtete, kämpfte Robin mit ihren eigenen Gedanken und Emotionen. Die Unsicherheit darüber, wie es mit ihr und Nami weitergehen sollte, lastete schwer auf ihr, auch wenn sie nach außen hin versuchte, ihre Gefühle zu verbergen. Es war ein bitterer Moment der Erkenntnis, dass das Glück, das sie für Ace und Nojiko empfand, einen schmerzhaften Schatten auf ihre eigene Beziehung warf. Sie wandte den Blick ab, um sich nach Nami umzusehen. Nicht weit entfernt lehnte sie an der Bande, das Handy in der Hand, während sie scheinbar gedankenverloren auf dem Bildschirm scrollte. Verwirrung zeichnete sich ab, normalerweise verlor sie keine unnütze Zeit. Bevor Robin erneut auf das Gedankenkarussell aufstieg, raffte sie sich auf. Ski wären ihr lieber gewesen als die Kufen unter ihren Füßen. Die Begeisterung für das Schlittschuhlaufen hatte sich bereits in ihrer Kindheit in Grenzen gehalten. Nicht überraschend kämpfte Robin auf dem glatten Eis. Ihre Schlittschuhe schienen ein Eigenleben zu führen, und sie bewegte sich eher zögerlich vorwärts. Die Laune von Robin befand sich ohnehin im Keller. Die schlitternde Unsicherheit auf dem Eis machte die Situation nicht besser. Sie fühlte sich beinahe wie auf dünnem Eis – nicht nur physisch, sondern auch emotional. Wenn sie eine andere Person gewesen wäre, hätte das der Moment sein können, um frustriert zu fluchen. Plötzlich jedoch durchschnitt eine unerwartete Hand Robins unsicheren Griff. Ein Blick zur Seite zeigte, dass es Nami war, die sich neben sie gestellt hatte. Die eigene Überraschung schien noch untertrieben, zumal Namis Gelassenheit nicht zum derzeitigen Verlauf passte. »Fast zwanzig Minuten. Ein neuer Rekord«, neckte sie und hielt Robin fest an der Hand. »Mach dich lockerer. Ist wie Skifahren.« Robin wurde stutzig. Das waren doch zwei Paar Schuhe, oder nicht? »Nein, einen Hang hinunter rauschen ist simpler«, nuschelte Robin, nicht angriffslustig, aber dennoch mit einem Hauch Skepsis. Langsam dämmerte es ihr. War das der Grund, warum Nami so lange an der Bande gestanden hatte? In diesem Moment nahm Nami Schwung und drehte sich ihr entgegen, fuhr rückwärts. Fordernd streckte sie ihre linke Hand aus. Robin zögerte, unsicher, wie sei mit der unerwarteten Situation umgehen sollte. Ein Gefühl der Überforderung schlich sich ein. Bis sie einlenkte und ihre Hand nahm. »Kufen haben genauso Kanten. Du kannst dieselben Schwünge machen. Wenn du möchtest, hast du dasselbe Abbremsen«, erklärte Nami gelassen und warf einen Blick über die Schulter. »Warum tust du das?«, fragte Robin abrupt, durch den Wind, was das anging. Das passte nicht in das Bild. Nami sollte es doch nicht stören, wenn Robin ihr Ding durchzog. Eigentlich sollte sie regelrecht darauf warten einen Sturz zu sehen. Oder spielte sie erneut ein Spiel, half, damit es nicht blöd aussah? Robin kämpfte, und Nami drehte ihre Runden, scheinbar ohne Sorge. Ein Fragen aufwerfender Anblick. »Weil ich dich kenne, Robin«, durchbrach Nami ihre Gedanken. Ihre Wangen nahmen einen leichten Rotton an. War es wegen des Gesagten oder wegen der Temperaturen und Anstrengung? Robin konnte es nicht genau herausfinden. »Die anderen beiden wissen nicht, dass du Eislaufen hasst. Dasselbe wäre, wenn ich vorschlagen würde, wir nehmen Ace mit auf die Piste – er stand noch nie auf Ski oder einem Snowboard. Mir ist klar, warum du zugestimmt hast. Unser Pakt und … meinetwegen.« Robin stimmte dem Gesagten zu, ihre Unsicherheit in der Handhaltung zeigte sich weiterhin. Sie wusste, dass Nami das Eislaufen mochte und das ein Abend abseits guttat. »Gestern … irgendwie haben wir das Miteinander verlernt«, gestand Robin, während ihr Blick auf ihre Schrittfolge fiel. »Ach? Fällt gar nicht auf«, prustete Nami, fügte aber in weitaus nachdenklicherem Ton an: »Er macht mich wütend, obwohl es nicht sein Fehler ist. Ohne Einblick … ja, es ist verständlich.« »Wir haben gewusst, worauf wir uns einlassen«, seufzte Robin. Das hatten sie, und das erleichterte nicht. »Komischerweise geben wir uns hierbei Mühe. Ist dir der Gedanke gekommen, dass wir das eigentliche Problem angehen?«, sagte Nami ernst, und sie hielten an. »Stell dir vor, ist er. So oder so, wir müssen eine Entscheidung treffen. Auf Dauer ist das zwischen uns kein Leben.« Ihre Blicke trafen sich, und sie verständigten sich in einem stillen Arrangement. Der Eislaufplatz war der falsche Ort. Allmählich fand Robin ihren Rhythmus, während die beiden gemeinsam über das Eis glitten. Nami sprach beruhigende Worte und versuchte, die Stimmung aufzulockern. Die Szenerie bot einen interessanten Kontrast: Auf der einen Seite tollten Ace und Nojiko vergnügt herum, während auf der anderen Seite Robin und Nami sich langsam über das Eis bewegten. Eine unerwartete Wendung, die nicht nur Robins Schlittschuhfähigkeiten verbesserte, sondern auch eine gewisse Wärme in ihre frostige Stimmung brachte. ❄ Die Après-Ski-Party tobte um Robin herum, und sie saß auf einem Barhocker, leicht abseits des Trubels. Die Lichter flackerten in grellen Farben, die Musik dröhnte laut, und Menschen tanzten ausgelassen auf der überfüllten Tanzfläche. Die allgemeine Aufbruchstimmung schien ansteckend zu sein, aber Robin konnte mit diesen Partys kaum etwas anfangen. Die rustikale Holzdeko und die gemütlichen Felle sollten wohl eine alpine Atmosphäre vermitteln, aber für Robin wirkte es eher wie eine künstliche Inszenierung. Sie spürte die Vibration der Musik im Boden, während sie versuchte, dem lauten Lachen und den klirrenden Gläsern zu entkommen. Auf dem Barhocker neben ihr saß Ace, sichtlich begeistert von der fröhlichen Stimmung. Robin versuchte, seine Begeisterung zu teilen, doch ihre Gedanken schweiften ab. Sie konnte die tiefen Wälder und verschneiten Hänge vor ihrem inneren Auge sehen, fernab von überdrehten Partys und künstlichem Vergnügen. Die Après-Ski-Party wirkte wie eine fremde Welt, die wenig mit ihrer Vorstellung von einem entspannten Winterabend zu tun hatte. Trotzdem versuchte Robin, sich auf das Gespräch mit Ace einzulassen. Die warmen Lichter warfen schimmernde Reflexe auf sein Gesicht, und sie konnte sein Lachen über den Lärm hinweghören. Die Wärme der Feuerstelle neben ihnen bildete einen Kontrast zur kalten Ablehnung, die Robin gegenüber der aufdringlichen Partystimmung empfand. »Was ist mit dir?«, fragte Robin, während Nami und Nojiko auf der Tanzfläche verschwunden waren. Ace blieb ungerührt sitzen. »Niemals. Ich mache mich ungern zum Affen«, winkte er grinsend ab. »Irgendwie erwarten die Leute, dass ich das kann. Ich sage dir, die verdammten Stripper! Tanzen und Hüllen fallen lassen. Würde ich strippen, wäre ich derjenige, der sich in seiner Hose verheddert und eine filmreife Bruchlandung hinlegt! Eine hat mich mal angefleht, ich solle meine Feuerwehrmannklamotten anziehen und ihr eine Show bieten … Frauen!«, erzählte er ausgelassen und schüttelte den Kopf. »Sie liebt mich auch ohne!« Vergnügt lachte Robin in sich hinein. »Tanzen würde ich dir aber empfehlen.« Das brachte Ace zum Grinsen, und er rückte näher. »Ein kleines Geheimnis, erzähle ich nur dir!«, flüsterte er gedämpft und wartete, bis Robin verständlich nickte. »Seit zwei Monaten besuche ich einen Tanzkurs. Nojiko denkt, ich treffe mich mit Freunden. Ich habe immer gesagt, wenn ich die richtige Frau treffe, dann muss alles passen. Vom Antrag bis zur Hochzeit.« Er hielt sich den Zeigefinger an die Lippen. »Du hast nichts gehört, ich werde alles leugnen!« Die Worte unterstrich er mit einem verspielten Zwinkern. Robin war sprachlos. Dass sie verliebt waren, konnte man ihnen ansehen, aber Gedanken an einen Heiratsantrag? »Kommt überraschend«, gestand sie. »Denk ich mir.« Ein nahm einen Schluck Bier. »Nojiko und ich kennen uns weitaus länger, als euch bekannt ist. Zur falschen Zeit am falschen Ort. Der Zufall brachte uns erneut zusammen und ja … sie ist die Richtige, verstehst du? Einfach ein Gefühl.« Dann legte er nochmals den Finger an seine Lippen. Nojiko kehrte allein von der Tanzfläche zurück, und ihre Miene wirkte nachdenklich. Als sie näherkam, unterbrach Ace sein Gespräch mit Robin und fragte: »Alles in Ordnung?« Nojiko zuckte leicht mit den Schultern und antwortete: »Ja, soweit schon. Nami ist noch auf der Toilette.« Während Nojiko gegen ihren Freund lehnte und einen großen Schluck trat, richtete Robin ihre Aufmerksamkeit auf sie. Irgendetwas schien anders zu sein, aber Nojiko machte keine weiteren Anstalten, darüber zu sprechen. Die Stimmung wurde immer unruhiger, als Nami nicht von der Toilette zurückkehrte. Robin, Ace und Nojiko begannen, sich gegenseitig skeptische Blicke zuzuwerfen und sich Sorgen zu machen. Die Minuten verstrichen, und als sie beschlossen, nach Nami zu suchen, durchkämmten Robin und Ace das überfüllte Areal. Schließlich erblickten sie Nami in der Ferne, wild gestikulierend mit einem breitgebauten, blonden Mann. Es war offensichtlich, dass er nicht verstand, dass Nami nichts von seiner Aufmerksamkeit wollte. Die Stimmung zwischen Robin und Ace wurde abrupt ernst, als ihre Blicke auf ihn haftete, der hartnäckig versuchte, Nami nicht in Ruhe zu lassen. Ein unangenehmes Kribbeln der Wut breitete sich in Robins Innerem aus, während sie die Szene gespannt beobachtete. Robins Kontrolle über ihre Emotionen schwand. Das merkwürdige Gefühl von vorhin erklärte sich auf einmal. »Das wird interessant«, grinste Ace und ging los. In Robin brodelte es. Alles geschah wie in einem Tunnel. Sie klopfte dem Kerl auf die Schulter, und als er sich umdrehte, hatte ihre Faust bereits zum Schlag ausgeholt. Was sie getan hatte, wurde ihr erst bewusst, als er mit dem Gleichgewicht kämpfte. Der Überraschungseffekt lag auf ihrer Seite, und ihre Hand schmerzte. Sie unterdrückte ein Fluchen, schüttelte sich aber die Hand, um den Schmerz zu mildern. »Was verstehst du an einem Nein nicht?«, fuhr sie den Kerl wütend an. Dieser fing sich wieder und wollte sich auf sie stürzen, als Ace ihn geschickt packte und elegant zu Boden brachte. Mit einem gezielten Knie auf dem Rücken drückte er ihn nieder. »Du hast die falsche Frau angefasst«, lachte Ace dunkel. Der Mann wehrte sich, hatte jedoch keine Chance gegen Aces geübte Handhabung von solchen Situationen. »Mit betrunkenen Dreckskerlen musst du nur wissen, wie.« Ace schien regelrecht Spaß zu haben, je wütender der andere unter ihm wurde. »Wessen Kumpel ist das?!«, rief er laut in die Runde. In diesem Moment begriff Robin endgültig, was gerade geschehen war. Die Szene war nicht unbemerkt geblieben. Eine Hand packte sie am Arm, und sie zuckte leicht zusammen. Es war Nami, mit einem schwer deutbaren Ausdruck. Die Ereignisse hatten sie aufgewühlt, und ohne Worte entfloh Robin der Situation. Was zum Teufel war das gerade? »Robin!«, hallte es bedrohlich durch den Schnee. Sie hätte sich stattdessen entspannt mit einem Buch im warmen Raum aufhalten können, anstatt in dieser aufgeladenen Atmosphäre. Wie immer hatte ihr Bauchgefühl Recht behalten - der Abend war zu einem Reinfall geworden, und ihre Erwartungen wurden übertroffen. »Robin Nikolaev! Bleib sofort stehen!«, drang die auffordernde Stimme an ihre Ohren. Widerwillig hielt sie inne, begleitet von einem hörbaren Schnaufen. Warum musste ausgerechnet sie ihr folgen? »Auf eine Entschuldigung kannst du lange warten.« Das war eigentlich nicht ihre Art. In solchen Momenten fand Robin normalerweise andere Wege, mit der Situation umzugehen. Bis jetzt hatte sie nur einmal ausgeholt, und das lag etliche Jahre zurück. Es war eine völlig andere Situation, eine, die keine andere Lösung zuließ. Umso weniger überraschte sie jetzt die pulsierende Hand. Nami holte auf und blieb mit geröteten Wangen stehen. Es schien, als würde Nami kurz überlegen, was sie sagen sollte, als hätte sie Robin nur zum Stehenbleiben bewegen wollen. Schweigend senkte sie den Kopf und griff nach Robins rechter Hand. Robin hätte erwartet, dass sie ihre Hand zurückziehen würde, aber stattdessen tat sie nichts dergleichen. Auch nicht, als Nami vorsichtig ihre Finger abtastete. »Dir ist klar, dass du dir Brüche zuziehst, wenn du impulsiv handelst, oder?«, sagte Nami kopfschüttelnd. Ohne sie loszulassen, bückte sie sich und griff mit der freien Hand in den Schnee. »Du kannst dich glücklich schätzen.« Robin zuckte nicht, als die Kälte des Schnees auf ihre erhitzte Haut traf. Vielleicht war es ihre Überforderung, aber wenn sie etwas erwartet hatte, dann einen Tobsuchtsanfall – nicht, dass Nami gerade ihre Schmerzen linderte. »Da seid ihr ja!«, rief Nojiko vorwurfsvoll, als sie hinter ihnen auftauchte. Die Nacht schien vorbei zu sein. »Ich habe dir gesagt, der wird so schnell nicht aufhören!« »Ja, ja«, nuschelte Nami gepresst. Nojiko atmete daraufhin hörbar aus. Es war eine surreale Szene, der Nojiko mit einem Schulterklopfen eines draufsetzte. »Gut gemacht. Hat der Mistkerl verdient!« »Ladies!«, beendete Ace dankbar den Moment. Bestgelaunt kam er vollgepackt mit ihren Sachen angelaufen. »Mit euch ist mir nie langweilig!« Sein herzhaftes Lachen hallte durch die Nacht. Nami seufzte und hinderte Robin am Zurückziehen ihrer Hand. »Dein Göttergatte ist ein Idiot!« »Mein sexy Idiot«, zwinkerte Nojiko. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)