Lost in Time von Votani (Kagome x Kikyou) ================================================================================ Kapitel 1: Lost in Time ----------------------- Kagome kann nicht sagen, was sie geweckt hat. Doch nun, da sie aufgewacht ist, kann sie nicht mehr einschlafen. Sango liegt eingerollt in ihrer Decke nicht weit von dem Ofen mit einer offenen, heruntergebrannten Feuerstelle entfernt, die noch immer etwas Wärme schenkt. Währenddessen sitzen InuYasha und Miroku schlafend an der Wand gelehnt. Kagome muss leise sein, denn besonders InuYasha kann manchmal einen furchtbar leichten Schlaf haben. Daher schiebt sie sachte die Decke beiseite und erhebt sich, sich auf Zehenspitzen über die Dielen bewegend, deren Kälte sie durch ihre dicken Socken spürte. Sie legt noch ein paar zusätzliche Holzblöcke aus dem Korb ins Feuer, ehe sie ihre dicke Winterjacke anzieht, die sie extra für die kälteren Temperaturen aus ihrer Zeit mitgebracht hat, ebenso wie die Winterstiefel, in die sie nun hineinschlüpft. Der Frost hängt in der Luft und Kagome zieht schnell die Tür hinter sich zu, um nicht allzu viel von der kalten Nachtluft in die Hütte eindringen zu lassen. Kurz lauscht sie, aber es ist nur Stille im Inneren zu vernehmen, was ihr versichert, dass sie niemanden geweckt hat. Ein Seufzen liegt auf ihren Lippen. Warum hat sie nicht einfach wieder einschlafen können? Doch die Unruhe ist zu einnehmend, um sich wieder hineinzuschleichen und sich hinzulegen. Stattdessen zieht Kagome die eisige Luft in ihre Lungen und ein Frösteln geht durch ihren Körper. Im selben Augenblick bemerkt Kagome ein surrendes Geräusch, das sich zur nächtlichen Brise gesellt, die durch das schneebedeckte Geäst der umstehenden Bäume fährt. Inzwischen ist das Geräusch ihr so vertraut, sodass Kagome instinktiv den Blick zum Firmament hebt, bevor sie überhaupt weiß, wonach sie eigentlich sucht. Fündig wird sie aber trotzdem, als sie den silbernen Seelenfänger weit über sich hinweg sausen sieht, dicht gefolgt von weiteren, die mit frischen Seelen auf dem Weg zurück zu Kikyou waren. Sie befindet sich also in der Nähe. Bevor sie den Gedanken überhaupt richtig verarbeitet hat, huscht Kagome bereits die vereisten Stufen der Hütte hinunter und eilt durch den Schnee hinter den Seelenfängern her. Sie kann nicht sagen, was sie dazu antreibt, aber… es ist so kalt und düster und Kikyou ist irgendwo dort draußen im Wald. Es wäre unverantwortlich nicht wenigstens sicherzugehen, dass es ihr gut geht. Immerhin weiß Kagome, dass der Kampf mit Naraku seine Spuren auch an Kikyou hinterlässt. Ihr Atem geht schnell und die kalte Luft brennt in ihren Lungen, als sie das Dorf hinter sich zurücklässt und in den dunklen Wald eintaucht, nur erleuchtet vom Schnee und vom Mond, der hin und wieder durch die dichte Wolkendecke linst. Sie hat nicht einmal ihre Pfeile und ihren Bogen dabei, fällt ihr dabei auf. Gleichzeitig weiß sie, dass es dafür zu spät ist. Wenn sie jetzt umkehrt, wird sie die Seelenfänger, die ohnehin nur gelegentlich durch das verschneite Geäst sichtbar sind, aus den Augen verlieren. Mit ihnen würde sie auch Kikyou hier draußen nicht finden können. Der Schnee ist rutschig unter ihren Stiefeln, doch Kagome hält ihr Gleichgewicht, als sie zwischen den schattenbesetzten Nadelbäumen hindurch joggt, um mit den merkwürdigen Wesen mithalten zu können. Ihre Seiten stechen, als sie eine Lichtung tief im Wald erreicht, an der sich die Seelenfänger sammeln. Sie erleuchten die Nacht mit ihrem silbernen Schimmern und verdrängen die Dunkelheit, sodass Kagome sich nicht mehr anstrengen muss, um sehen zu können. Kikyou steht mit dem Rücken zu ihr, einen weiten Reishut auf dem Kopf tragend, auf dem sich eine dünne Schneeschicht gebildet hat. Die schwarzen, seidigen Haare hängen ihren sachten Rücken hinunter, denn anders als Kagome, die in eine gefütterte Winterjacke gehüllt ist, trägt Kikyou ihren traditionellen Kimono. Sie trägt nur einen kurzen Mantel darüber, der sie vor der Kälte schützen soll. Kagome kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass dieser ausreicht, aber sie weiß auch, dass Kikyou anders ist. Obwohl er für Kagome echt ist und sie Kikyou zu ihren Lebzeiten nicht gekannt hat, so ist dieser Körper letztendlich nur aus Friedhofserde gemacht, als man sie aus ihrer verdienten Ruhe zurück in diese Welt gerissen hat. Und Kagome weiß, dass Kikyou nicht in der Lage ist, in ihr Frieden zu finden. Nicht dauerhaft. Nicht mit ihr an InuYashas Seite und mit Naraku am Leben. Schwere breitet sich in Kagomes Herzen aus und sie hebt eine Hand, um sie gegen ihren Brustkorb zu pressen, denn das Letzte, was sie möchte, ist jemandem das Leben schwerzumachen. Es hat eine Weile gedauert, bis Kikyou und sie zumindest ein stummes Auskommen miteinander gefunden haben, das Kagome nicht riskieren möchte. Es war mehr als nur Mitgefühl, was sie für die andere Frau empfindet. Obwohl es anders ist, als die Gefühle, die sie für InuYasha empfindet, fühlt sie sich dennoch zu Kikyou hingezogen. Ist es die Verbindung, die sie miteinander teilen? Doch daran glaubt Kagome nicht, denn Kikyou ist gänzlich anders als sie. Kikyou ist eleganter, die schmalen Schultern und die dünnen Finger wirken so zerbrechlich, obwohl sie die Kraft einer gefährlichen Bogenschützin besitzt. Auch ihre Haut ist bleich und wirkt wie der gefallene Schnee, ganz anders als Kagomes, die einen gesünderen Ton besitzt. Doch es ist nicht nur das Äußerliche, sondern auch vom Charakter sind sie gänzlich unterschiedlich. Kagome ist laut und direkt und aufbrausend, doch Kikyou ist ruhig und wortkarg und in sich gekehrt. Kagome hat noch nie entschlüsseln können, was Kikyou denkt und empfindet, wie sie wirklich über Kagome denkt. „Du kannst näher treten”, sagt Kikyou gerade laut genug, damit ihre Stimme bis zu Kagome herüber dringt. Es kommt Kagome so vor, als habe Kikyou all ihre Gedanken mitverfolgen können. Sogleich schießt ihr die Röte in die Wangen und Kagome räuspert sich, obwohl Kikyou längst zu wissen scheint, dass es Kagome ist, die sie uneingeladen beobachtet hat. „Ich… Was machst du hier draußen in der Kälte?", fragt Kagome schließlich. Der Schnee knirscht unter ihren Stiefeln, als sie den Abstand zu der anderen Frau überbrückt, die allein in der Lichtung steht, während die Seelenfänger ihre langsamen, gemütlichen Kreise um sie hoch in der Luft drehen. Erst als sie näher tritt, kann sie die hölzernen Stämme im Boden entdecken, die halb verschneit sind, doch in denen Namen eingeritzt worden sind. Die Schrift ist alt und verwittert; Kagome kann sie nicht entziffern, aber es ist klar, dass es sich hier um Gräber handelt. „Dies waren einst Priester, die das Dorf vor Dämonen beschützt haben. Vor langer, langer Zeit”, erzählt Kikyou, als Kagome an ihrer Seite zum Stehen kommt. „Zu dem Zeitpunkt war nicht einmal ich geboren. Es ist Tradition, sie an ihrem Todestag zu besuchen, um ihnen Dank für das gebrachte Opfer auszusprechen. Es ist so lange her, dass so gut wie keiner sich mehr an sie erinnert oder den Weg zu ihren Gräbern kennt. Sie sind in der Zeit verloren.” Ein schmales, freudloses Lächeln zeigt sich für ein paar Sekunden auf ihren bleichen Lippen, was Kagome aus den Augenwinkeln auffängt, weil sie die Augen nie ganz von Kikyou lösen kann. Sie ist schon immer eifersüchtig auf Kikyou gewesen. Nicht nur, weil sie Angst hat, InuYasha an Kikyou zu verlieren, sondern weil Kikyou etwas Magisches an sich hat. Kagome versteht, wie InuYasha fühlt, denn auch sie möchte die Traurigkeit, die ein Teil von Kikyou zu sein scheint, heilen und Kikyou beschützen. Sie wünscht sich etwas Besseres für Kikyou, obwohl sie einsieht, dass sie Kikyous Vergangenheit nicht ungeschehen machen kann. Doch es zu wissen ändert nichts an dem Drang, es tun zu wollen. „Du solltest mit mir zum Dorf zurückkommen", bricht es aus Kagome heraus. „Kaede-san und… und InuYasha würden sich freuen, dich zu sehen. Sie… sie vermissen dich, Kikyou!” Kagome senkt den Blick in den Schnee hinab, betrübt von der eigenen Einsicht und der Scham darüber, dass Kikyou eventuell all ihre Gedanken und Wünsche erahnen könnte, dass Kagome sie eventuell nicht gut genug in ihrem Gesicht und ihrer Körpersprache verstecken kann. Erneut geht ein Frösteln durch ihren Körper, als eine weitere kräftige Brise gnadenlos über sie hinwegfegt und sie daran erinnert, wie kalt und spät es ist. „Ich bin diesen verstorbenen Priestern nicht unähnlich", antwortet Kikyou und bückt sich für einige Sekunden, um ein paar zusammengebundene Winterblumen vor den Gräbern abzulegen. Sogleich landen ein paar fallende Schneeflocken auf ihnen, während die Seelenfänger weiter ihre routinierten Runden um sie ziehen, als warten sie nur auf Kikyou. „Auch ich bin in der Zeit verloren. Ich habe keinen Platz in diesem Dorf. Nicht in Kaedes oder InuYashas Leben.” Sie richtet sich auf und richtet den Hut auf ihrem Kopf, bevor sie sich abwendet. Kagome greift instinktiv nach ihrer Hand, ehe sie überhaupt versteht, was sie tut. Trotz der eisigen Kälte fühlt sich ihr gesamtes Gesicht warm an, als sich ihre Finger um eine kalte, entspannte Hand mit den schmalen Knöcheln schließen. Sie öffnet den Mund, um Kikyou verständlich zu machen, wie unrecht sie hat und dass es durchaus einen Platz für sie im Dorf und in ihren Leben geben könnte, wenn sie es doch nur akzeptieren würde. Doch Kikyou ist schneller, obwohl ihre Stimme weiterhin ruhig, kühl und gefasst bleibt. „Ich habe auch keinen Platz in deinem Leben, Kagome”, sagt sie, ohne sich zu Kagome umzudrehen. Sie hat Kagome bisher kein einziges Mal angeschaut und die Erkenntnis treibt Kagome ungewollt die Tränen in die Augen. „Unsere Wege hätten sich nie kreuzen sollen.” Mit diesen Worten, die ein leeres Gefühl in Kagome hinterlassen, entzieht Kikyou ihr die Hand und bewegt sich beinahe lautlos durch den Schnee, bis sie mit ihren Seelenfängern im Anhang zwischen den Nadelbäumen verschwindet. Es ist fast so, als sei sie nie dagewesen. Kagome bleibt zurück, doch es dauert eine lange Zeit, bis sie sich auf den Rückweg macht. Obwohl keine Spur von den Seelenfängern mehr zu sehen ist, meint sie Kikyous Aura noch immer wahrzunehmen. Wahrscheinlich ist es ein Streich ihrer Fantasie, dass Kikyou noch immer dort draußen irgendwo in der Dunkelheit wartet, doch sie weiß einfach, dass sie einander nicht mehr mit Worten und Taten verletzen. Sie glaubt an das stille Einverständnis, von dem sie mit Kikyou ausgegangen ist. „Aber wir haben uns getroffen, Kikyou”, sagt Kagome laut und so entschlossen, wie sie es in ihrem Herzen fühlt. Dabei spielt es keine Rolle für sie, ob es so vorgesehen gewesen ist oder nicht. Sie haben sich getroffen. „Unsere Wege haben sich gekreuzt. Und sie werden es weiterhin tun.” Obwohl Kagome nicht sagen kann, was sie sich erhofft, fühlt sie dennoch ein gewisses Maß an Sicherheit, die ihre Worte ihr geben. Sie wird Kikyou wiedersehen, vielleicht nicht so, wie sie es gern hätte, wahrscheinlich im Kampf mit Naraku, aber selbst das ist besser, als Kikyou nie wieder zu begegnen. Sie soll wenigstens wissen, dass Kagome und auch alle anderen an ihrer Seite kämpfen würden, dass sie nicht allein ist. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)