So schmeckt die Liebe von Turbofreak ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Begeisterungsstürme hielten sich in der Regel in Grenzen, wenn April ein Date hatte. Alle drei fanden immer wieder etwas daran auszusetzen, mit wem sie sich auch traf. April rollte nur noch genervt mit den Augen, verheimlichen konnte sie ihre Dates immerhin nicht vor ihren Freunden an Board. Spätestens, wenn sie sich ein Kleid anzog und dezent schminkte, rochen sie Lunte. Während Colt sie einfach nur aufzog und später dennoch einen schönen Abend wünschte und auch Saber höflich war, war Fireball manchmal schon fast eingeschnappt, wenn sie einen Abend ohne ihre Jungs verbrachte. Dabei wusste April nicht genau, woran es lag. Sie verbrachten immerhin unterwegs immer viel Zeit zusammen, manchmal sogar schon zu viel. Himmel, bestimmt ihre halbe Garderobe auf Ramrod hatte Fireball mit ihr geshoppt. In jedem anderen Fall hätte sie schon einmal von einer Beziehung gesprochen, bei sich sprach sie lieber von einem guten Bekannten. Das waren sie immerhin auch. Fireball und sie ergänzten sich gut auf Ramrod. Das lag nicht an ihren gemeinsamen Interessen, sondern eher am Alter und den mangelnden Alternativen, zumindest dachte sich April da so. Die anderen beiden auf Ramrod würden sie maximal nett anlächeln, wenn sie mit ihnen shoppen gehen wollte und hätten zumindest eine Ausrede parat. Wie dem auch sei. April hatte sich für diesen Abend mit einem alten Bekannten verabredet, mit dem sie vor dem Dienst auf Ramrod schon einige Mal aus war. Sie freute sich auf John, sie hatte ihn lange schon nicht mehr gesehen. Es hatte sie gewundert, als er sich bei ihr gemeldet hatte, nach zwei Jahren, in denen sie sich maximal zu Weihnachten und Ostern eine kurze Nachricht geschickt hatten. Dennoch hatte ihr Herz einen kleinen Sprung gemacht, als er sie eingeladen hatte. April hatte John damals sehr gemocht, war aber immer zu schüchtern gewesen, es ihm auch zu sagen. Nun stand sie in ihrem Appartement vor dem Spiegel und betrachtete sich. Ihr sommerliches Kleid ging bis knapp unter ihre Knie, der U-Ausschnitt mit den ärmellosen Trägern zeigte nicht zu viel. Die Sandalen passten zur Handtasche und hatten einen kleinen Absatz, der ihre Beine streckte und ihrem Outfit den eleganten Touch gab. April hatte sich dezent geschminkt und ihre Haare locker zu einem Zopf geflochten. Nach einem letzten prüfenden Blick in ihr Spiegelbild, packte sie mit einem fröhlichen Summen ihr Telefon in die Handtasche und verließ die Wohnung. Unten wartete bereits ihre Verabredung. John stand an den Wagen gelehnt da und wartete. Der dunkelhaarige, junge Mann trug eine Jeans mit einem grünen kurzärmeligen Hemd dazu und schrieb noch schnell eine Nachricht. Lächelnd blickte er zu April auf, prüfend sah er sie an. Er stieß sich vom Wagen ab und trat auf April zu. Er hatte sie lange nicht gesehen, aus dem bezauberndem Teenagermädchen war eine hübsche Frau geworden. John griff nach Aprils Hand, zog sie zu sich und umarmte sie. Dabei hauchte er ihr einen Kuss auf die Wange und begrüßte sie schließlich: „Wow! April, ich hätte dich beinahe nicht wieder erkannt.“ Wieder musterte John die blonde Frau vor sich und strich ihr wie selbstverständlich über die Schulter: „Du bist wunderschön!“ Verlegen sah April an sich hinab, seine Worte schmeichelten ihr. Sie murmelte: „Danke!“, ihr Blick wanderte an John empor, hinauf zu seinen blauen Augen, den etwas dunkleren Teint und dem strahlendem Lächeln, das ihr beinahe die Knie weich werden ließ. Ihre Freude über das Wiedersehen war ehrlich: „Gut siehst du aus!“ John half April beim Einsteigen, dann waren die beiden schon verschwunden. Er würde mit ihr in ein nettes Restaurant gehen, danach sollte April entscheiden, was sie machen wollte. Die beiden hatten sich in der Tat viel zu erzählen, sie hatten sich lange nicht gesehen und es hatte sich viel seither getan. Saber sah dem schwarzen Wagen von seinem Fenster noch kurz nach, ehe er sich wieder dem Raum zuwandte und seufzte. Inzwischen sollten sie es gewohnt sein, wenn einer von ihnen etwas ohne die anderen unternahm, trotzdem war Saber immer wieder mal besorgt. Vor allem, wenn einer der beiden jüngeren alleine unterwegs war. Saber schüttelte den Kopf, die waren ebenso erwachsen, er sollte sich lieber um seine Angelegenheiten kümmern! Saber trat auf das Sofa zu, auf dem Colt schon seit geraumer Zeit lümmelte. Der Lockenkopf grinste: „Na, kommt der Romeo durch den Schwiegervatertest oder müssen wir ihn vorher schon eliminieren, Superschwert?“ „Das entscheidet allein April“, damit setzte sich Saber neben Colt auf das Sofa. Er erinnerte Colt somit noch einmal daran, dass sie sich da nicht einzumischen hatten. Sie war eine Freundin, hatte es mit ihren brüderlichen Freunden auf Ramrod schon schwer genug, da mussten sie nicht auch noch ihre Dates mehr als nötig torpedieren. Colt griff nach dem Saftglas auf dem Tisch und nahm einen großen Schluck. Sie beide hatten sich noch von April verabschiedet, Fireball hingegen hatte noch etwas zu erledigen gehabt und war schon verschwunden gewesen, bevor April sich für ihr Date vorbereitet hatte. Colt grinste in sich hinein. Jaja, von wegen! Fireball hatte bestimmt keinen wichtigen Termin gehabt, der wollte nur nicht sehen, wie April mit einem Mann wegging. „Sag das lieber unserem Turbofreak noch mal, der weiß es vielleicht noch nicht“, Colt schielte mit einem vielsagenden Blick zu Saber hinüber. Er konnte schlecht der einzige sein, dem es aufgefallen war. Der Schotte hatte doch bestimmt auch schon längst begriffen, was dem Wuschelkopf da immer wieder quer lag. Saber schloss kurz die Augen, es war also nicht nur ihm aufgefallen. Er hatte die kleinen Anzeichen immer wieder gesehen, war sich aber nie ganz sicher gewesen, ob er sie richtig gedeutet hatte. War Fireball also doch eifersüchtig, ähnlich wie es April war, wenn ein Mädchen in dessen Nähe kam. Saber musste schmunzeln, denn im Gegensatz zu Colt war ihm zumindest klar, dass die beiden, die es betraf noch gar nicht begriffen hatten. Er nickte Colt zu: „Dazu muss ich ihm wohl vorher noch mal was anderes erklären, damit er es auch versteht.“ „Ja“, lachte Colt: „Nicht, dass am Ende noch was passiert.“, wieder zwinkerte Colt zweideutig. Wer wusste schon, wie reif oder unreif Fireball tatsächlich war. Zumindest war er in Sachen Frauen bisher eher von der naiven Sorte gewesen und das wusste auch Saber. Fireball stand vor dem Geschäft und warf einen Blick auf die Uhr. Es war halb acht durch, April war bestimmt schon weg. Er sah noch mal in die Tüte und seufzte. Er konnte sich nicht jedes Mal mit Kochen ablenken, wenn April ausging. Das ging auch bei ihm irgendwann auf die Hüften, überhaupt, wenn die Dates mehr werden sollten. Bevor er in dem kleinen Laden allerhand exotische Zutaten besorgt hatte, war er im Park laufen gewesen. Dafür war es allerdings beinahe zu heiß gewesen, weshalb er sich mittlerweile auf die kalte Dusche im Appartement freute. Der Japaner schlug den Weg nachhause ein. Colt widmete sich den Einkäufen und verstaute diese, während Fireball unter die Dusche sprang. Dabei sichtete er diverse kuriose Zutaten und Lebensmittel. An diesem Abend gab es wieder ein Experiment zum Abendessen. Colt schluckte und überlegte, ob er mit Saber nicht schon vorher anfangen sollte zu kochen. Keine Frage, Colt war aufgeschlossen und gemein hin das, was man auch als kulinarische Wildsau bezeichnen konnte, aber wenn Fireball wieder mal aus Frust zu kochen begann, brannte es in der Regel zwei Mal. Colt nahm zumindest vorsichtshalber die roten Chillies und versteckte diese. Sicher war sicher. Der Wuschelkopf kochte nach dem Duschen tatsächlich für die Freunde. Er brachte zwei Schüsseln zu Saber und Colt an den Tisch und verschwand kurz wieder in der Küche, um die dritte für sich zu holen. Saber warf inzwischen einen besorgten Blick in die Schüssel, die mit Reis und irgendeinem gelb-orangen Mischmasch gefüllt war. Er sah zu Colt auf: „Weißt du, was das ist?“ Colt schüttelte den Kopf: „Nein, keinen Dunst. Es ist aber sicher nicht süß-sauer.“ Fireball setzte sich zu den beiden an den Tisch und korrigierte Colt gleich: „Das ist Kaeng Phanaeng.“ „King Fangan?“, wiederholte Colt mit nicht nur einem Fragezeichen auf der Stirn. Dass er das Gericht falsch ausgesprochen hatte, war ihm klar und selten so egal gewesen, wie in diesem Augenblick. Das wirkte und roch giftig. Sicherheitshalber verzog Colt das Gesicht und wartete ab, ob Saber davon probierte. Als Fireball bemerkte, dass auch Saber eher verhalten seinen Löffel in das Gericht tauchte, verdrehte er die Augen und machte klar: „Mann, ehrlich! Das ist ein thailändisches Erdnusscurry! Stellt euch nicht so an, ist nicht scharf.“ Saber sah zu Colt, dieser zeigte versteckt einen Daumen nach oben, so scharf konnte es tatsächlich nicht sein, er hatte immerhin die Chillies in Gewahrsam genommen. Trotzdem konnte keiner der beiden mit einem Erdnusscurry viel anfangen. Sie waren zwar schon in einige Regionen im Neuen Grenzland hingekommen, aber die asiatische Küche kam dennoch sehr selten auf den Tisch. Es half den beiden auch wenig, dass Fireball ungerührt den ersten Bissen vom Gericht nahm und keine Miene dabei verzog. ‚Nun denn! Auf in den Kampf!‘, Saber nahm allen Mut zusammen und kostete. Das traute sich der Highlander allerdings nur, weil er wusste, dass am nächsten Tag noch keine Arbeit auf sie wartete und er liegen bleiben konnte, sollte er sich den Magen verderben. Schon auf Höllenscharf eingestellt, zog Saber verwundert die Augenbrauen nach oben. Das Brennen im Mund war tatsächlich ausgeblieben. Er nickte Colt leicht zu. Es war genießbar. Nun nahm auch Colt einen Bissen und freute sich für seinen Verdauungstrakt. Die Jungs aßen gemütlich auf und machten sich einen netten Abend. Ein freier Tag lockte auch immer mit einem besonderen Abendprogramm. In diesem Fall spielten die Freunde eine Runde Karten, ehe sie sich einen Actionfilm ansahen und nach Mitternacht ins Bett gingen. April kam erst später nachhause. Sie war mit John nach dem Essen tanzen gegangen und hatte einen wunderbaren Abend verbracht. Sie genoss die Zeit ohne ihre drei Aufpasser durchaus, vor allem, weil sie in guter Gesellschaft gewesen war. John war höflich und aufmerksam ihr gegenüber gewesen. Seine charmante Art hatte ihr nicht nur einmal ein verlegenes Lächeln an diesem Abend ins Gesicht gezaubert. Er hatte ihr Komplimente gemacht und sie hatten sich gut unterhalten. Sie hatten sich erzählt, was nach der Ausbildung alles passiert war und wohin es sie verschlagen hatte. John arbeitete ebenfalls für das Oberkommando, nachdem er gut mit der Mechanik von allem möglichen umgehen konnte und er lieber praktisch als theoretisch arbeitete, war er als Ingenieur in den Werkstätten im Einsatz. Er half bei neuen Entwicklungen ebenso mit wie bei alltäglichen Arbeiten, die anfielen. Sie sprachen über viele Themen in diesem Bereich und April bemerkte, dass John sein Interesse nicht heuchelte. Er weihte sie in einige neue Entwicklungen ein, überlegte mit ihr gemeinsam, was man auch an Ramrod verbessern könnte und ob man das vielleicht sogar gemeinsam machen wollte. John blieb vor dem Gebäudekomplex, in dem die Wohnung der vier Star Sheriffs lag, stehen. Beinahe schon wehmütig schimmerten seine Augen, als er zu April auf dem Beifahrersitz hinüber sah. Was während ihrer Ausbildung nicht allzu ernst gewesen war, hatte ihn an diesem Abend beinahe erschlagen. April war ein wunderbarer Mensch, ihr Lächeln und ihre Ausstrahlung eine Wucht. Sein Blick glitt zu Aprils Lippen. Wie sie wohl schmeckten? Ob er es herausfinden durfte? Johns Hand wanderte vom Lenkrad zu Aprils und hielt diese fest. Ehrlich enttäuscht murmelte er: „Der Abend ist viel zu schnell vergangen.“ April fühlte sich wohl bei John, egal ob während des Abendessens, beim Tanzen oder nun auf der Heimfahrt. Keine Sekunde hatte er versucht, sich an sie ranzumachen, fast schon zu Aprils Enttäuschung. John war bis auf ein paar kleine Gesten der Zuneigung auffallend zurückhaltend gewesen. Als der dunkelhaarige Mann nun nach ihrer Hand griff und er den Abend als zu kurz bezeichnete, begann Aprils Herz angenehm schneller zu schlagen. Ein Kribbeln machte sich in ihr breit. Auch so etwas wie Aufregung vor dem, was kommen könnte. April schlug die Augen kurz nieder, ehe sie ihm in die Augen sah und nickte: „Ja, leider. Ich hätte gerne noch Zeit mit dir verbracht, John.“ Langsam lehnte sich John zu April und hoffte, dass sie seine Geste spiegelte. Wenn sie sich auf ihn zubewegte, würde er die Erlaubnis nicht ungenützt verstreichen lassen. „Wir können uns ja noch ein paar Mal treffen, während ihr in Yuma seid, April. Du hast doch erwähnt, ihr wärt noch eine Woche zumindest hier, oder?“ April stützte sich mit dem Arm auf die Armlehne, beugte so ihren Oberkörper näher zu John, sie konnte seinen Atem auf ihrer Haut spüren. Sie flüsterte: „Ich würde mich freuen.“ Sie überbrückte das letzte Stück und gab John einen kurzen Kuss auf die Lippen. Verlegen wandte sie den Kopf ein wenig ab: „Ich würde mich sehr freuen.“ John war überrascht von Aprils Mut gewesen, doch gleich darauf hatte er sich gefangen. Schnell griff seine Hand in ihren Nacken, drehte ihr Antlitz sachte wieder zu sich und küsste sie. John schloss die Augen und freute sich, als April ihm seinen Wunsch erfüllte. Atemlos löste April schließlich den Kuss und verabschiedete sich. Nachdem sie ihm versprochen hatte, ein weiteres Mal mit ihm auszugehen, verließ April endgültig den Wagen und ging in das Appartement, das sie sich in Yuma mit den Jungs teilte. Ein wenig verschlafen schlurfte April am nächsten Vormittag in die Küche, wo schon einiges los war. Sie war doch eben erst ins Bett gegangen. Mit einem Gähnen setzte sich April an den Tisch. Colt schmunzelte: „Hey, Dornröschen! Du bist ja endlich wach.“ Saber brachte April eine Tasse Kaffee an den Tisch. Er setzte sich neben seinen Kumpel und musterte April. Sie war zwar verschlafen, aber der Abend dürfte etwas Besonderes für die Freundin gewesen sein. Er fragte sie unverfänglich: „Habt ihr euch amüsiert?“ „Ja, es war ein schöner Abend. Danke der Nachfrage, Saber.“, dabei warf April einen Blick zur Uhr. Es war bereits später Vormittag, die Jungs hatten sie ausschlafen lassen. Niemand hatte sie geweckt, als es Zeit für das Frühstück gewesen war. Nun stand schon beinahe das Mittagessen auf dem Plan. Sie trank von ihrem Kaffee und sah sich schließlich um, denn einer fehlte: „Wo habt ihr Fireball gelassen?“ „Der Unruhegeist“, Colts Lächeln wurde noch breiter: „ist nach dem Frühstück schon weg. Keine Ahnung, was er tun wollte.“ Zumindest er wusste es nicht. Fireball war nach dem Frühstück tatsächlich ziemlich bald aufgebrochen ohne zu sagen, wohin er wollte. Colt war froh gewesen, dass er das gestrige Abendessen so unbeschadet überstanden hatte, da hatte er es dem Wuschelkopf nachgesehen, dass er sich vom Acker gemacht hatte, bevor jemand in der Küche sauber gemacht hatte. Saber jedoch wusste, wohin ihr Pilot verschwunden war. In gewissem Maße begrüßte Saber es sogar, denn so lenkte Fireball seine Energien in etwas Sinnvolles. Er ließ seine beiden Freunde am Tisch an seinem Wissen teilhaben: „Fireball macht Praktikum, sozusagen.“ Ein wissendes Lächeln huschte über Sabers Gesicht, während Colt und auch April drein schauten, als hätte sie ein Elch erwischt. Er klärte die beiden auf: „Er darf in der Flugstaffel Mäuschen spielen und sich dort ein paar Tricks abschauen.“ Saber begrüßte es tatsächlich, wenn Fireball seine Zeit im Oberkommando verbrachte. Der jüngste war wie auch Colt als Zivilist auf Ramrod gelandet und während Colt die ein oder andere Zeit angerechnet bekam und bereits eine Dienstprüfung erfolgreich abgelegt hatte, war bei Fireball lange nicht klar gewesen, ob er sich verpflichten wollte. Saber wusste es nach wie vor nicht, er deutete es allerdings als gutes Zeichen, dass der Wildfang seine Zeit mit anderen Piloten verbrachte und etwas lernen wollte. „Na, der Starcaptain wird schon ein Auge auf ihn haben“, lachte Colt munter, als er begriff, in welcher Flugstaffel Fireball Praktikum machte. Hoffentlich warb der rothaarige Sterncaptain ihren Kumpel nicht ab. Aprils Gesichtszüge verdunkelten sich einen Moment, als sie vom Starcaptain gehört hatte. Sie hatte sofort begriffen, dass Colt damit Mandarin Yamato meinte. Sie mochte die zierliche rothaarige nicht besonders, obwohl sie es nicht direkt benennen konnte, was sie an ihr nicht mochte. Als sich Fireball für diese Woche bei ihr angemeldet hatte, hatte sie sofort eine zusätzliche Maschine für ihre Einheit besorgt. Mandarin freute sich auf die Zeit, die sie mit Fireball verbringen konnte. Sie war gespannt, wie es dem Wuschelkopf wohl ging, Ramrod war immerhin selten in Yuma und wenn doch, dann meistens nicht lange genug, dass sie sich treffen konnten. Umso erfreuter war sie nun natürlich gewesen, als er um eine Woche in ihrer Staffel angefragt hatte. An diesem Tag würde sie ihn in den Jet einweisen, ein Trainingsflug stand für den Neuling frühstens zum Ende der Woche an. Mandarin wollte hier kein Risiko eingehen, auch wenn er Ramrod fliegen konnte, war sie sich nicht sicher, ob er mit der Steuerung eines kleinen Jets zurecht kam. Sie wollte dem Commander nicht erklären müssen, wie der Pilot zu Schaden gekommen war, sollte er mit dem Jet nicht zu hundert Prozent umgehen können. Mandarin ließ ihn daher mitarbeiten und ihn den Ablauf in der Einheit kennen lernen. Fireball hatte damit zumindest an diesem Tag keine Probleme. Die Einweisung in den Jet der neuesten Generation war interessant gewesen, aber auch ziemlich theoretisch. Da erfreute es ihn schon eher, dass er ihn mit einem Mechaniker zusammen vom Bug bis zum Heck durchchecken durfte. Da lernte man eine Maschine erst so richtig kennen und das gefiel dem Japaner. Er konnte sich auf etwas konzentrieren und musste nicht an April denken. Bisher war er nie so durch den Wind gewesen, wenn April ein Date gehabt hatte. Allerdings war sie bis dato auch nie bis nach Mitternacht mit einem Kerl unterwegs gewesen. Fireball schüttelte den Kopf, sie war doch eine gute Freundin. Er sollte sich freuen, wenn sie sich amüsierte. „Hey, Kleiner! Kann man dir irgendwie helfen?“ Fireball zog den Kopf aus der Motorhaube des Jets und sah sich nach der Stimme um. Vor ihm stand ein dunkelhaariger Mann, gut und gerne einen Kopf größer als er und blickte den fremden Gast in der Werkstätte an. Das neue Gesicht sah Fireball skeptisch an. Der Wuschelkopf wischte sich die Hände an einem Lappen ab und streckte anschließend die Rechte zum Gruß aus: „Hi! Ja, nein. Alles gut. Scott ist schnell was holen gegangen.“ Der dunkelhaarige Mann wunderte sich mit jedem Augenblick mehr über den jungen Mann, der vor ihm stand und ihm ohne jede Scheu etwas erzählte. Er war skeptisch, weil er Fireball nicht kannte und hier noch nie gesehen hatte. Im Hangar bei den Jets hatte niemand Unbefugter etwas zu suchen. Andererseits aber schien der Junge freundlich zu sein. Also nahm er die Hand zumindest an: „Aha, Scott hat dich also hier geparkt. Wie war dein Name noch mal?“ Fireball schüttelte die Hand freundlich: „Oh!“, ihm fiel seine Unhöflichkeit erst jetzt auf. Mit einem unschuldigen Lächeln und der anderen Hand im Nacken stellte sich Fireball vor: „Sorry, hab die Manieren offenbar daheim vergessen! Mein Name ist Fireball und du bist…?“ „John“, kam es kurz aber bestimmt vom dunkelhaarigen. Sein Blick ging von Fireball zum Jet. Von Scott war immer noch keine Spur. Ganz zufrieden war John allerdings noch nicht. Nun kannte er zwar den Namen des Unbekannten, aber was er hier zu suchen hatte, hatte sich ihm noch nicht erschlossen. John nickte zum Jet: „Was machst du an dem Jet für den Piloten von Ramrod?“ Fireball ließ die Hand sinken und musterte den Mann noch mal eingehender. Sie hatten bisher nicht das Vergnügen gehabt und am Outfit seines Gegenübers konnte Fireball schnell feststellen, dass der Mann hier Techniker war. Er arbeitete für das Oberkommando, wo hätte er auch sonst arbeiten sollen, wenn er hier im Hangar stand? Fireball blieb jedoch freundlich: „Ich mach mich damit vertraut und warte ihn mit Scott. Ich bin übrigens eben jener Pilot von Ramrod. Entschuldige, wenn das eher nach einem Diebstahl als nach Arbeit für dich ausgesehen hat.“ Was?! Das war der Kollege von April? John fuhr einen Schritt zurück. Er hatte sich nach den Erzählungen von April besagten Piloten ganz anders vorgestellt. Wow, er hatte da ordentlich Vorurteile angehäuft. John wunderte sich sehr, nichts deutete bei Fireball auf einen begnadeten Piloten hin. Als April ihm von Fireballs Können erzählt hatte, hatte sich in seinem Kopf ein Bild geformt, das so gar nichts mit dem jungen Mann vor ihm zu tun hatte. Nun formte sich ein Lächeln in Johns Gesicht. Mal sehen, wie gut sich der Japaner tatsächlich mit Technik auskannte. John nickte wieder auf den Jet: „Na, für Diebstahl müsstest du den erstmal fliegen können. Sah eben ja eher danach aus, als hättest du versucht, den vorigen Tag da drin zu finden.“ „Ach, morgen wäre mir lieber“, lachte Fireball auf. Ok, also dieser John war nicht mehr auf Krawall gebürstet und schien eigentlich ein ganz netter Kerl zu sein. Fireball erklärte ihm, was er gerade gemacht hatte. Je mehr sie miteinander sprachen, desto sympathischer fanden sich die beiden. Sie machten sich schließlich zusammen am Jet zu schaffen. Es wurde gefachsimpelt und gequatscht, die beiden Männer hatten über den Jet und die Technik etwas gemeinsames gefunden, das es ihnen leicht gemacht hatte, sich zu mögen. Zwischendurch kam auch Scott, einer von Mandarins Piloten, wieder in den Hangar um das fehlende Teil zu bringen und sich nach dem Fortschritt zu erkundigen. So kam es, dass den restlichen Tag drei Männer an einem Jet arbeiteten. Scott war zufrieden mit dem, was er von Fireball sah. Er ging mit dem Material sorgsam um und war umgänglich. Er würde auch gut in die Flugstaffel passen, dauerhaft. Wenn er mit der Maschine in der Luft so behutsam umging, wie im Hangar, dann sollten sie zusehen, dass er in ihre Staffel nachrücken konnte. John hatte am späten Nachmittag noch ein kurzes privates Telefonat. Als er sich mit einem entschuldigendem Schmunzeln von den beiden abwandte um das Telefon abzuheben, grinsten sich Scott und Fireball vielsagend an. Der Stammpilot in der Flugstaffel weihte den Aushilfsflieger ein: „Sieht ganz danach aus, als hätte Scott heute wieder ein Date am Start.“ Während er antwortete, zog Fireball eine Verbindung fest, damit sich das Kabel nicht mehr lockern konnte. Er war schon wieder mit dem Kopf woanders: „Ist er ein Charmeur der alten Schule, oder?“ „Kann ich nicht beurteilen, aber die Frauen finden ihn spannend“, Scott zuckte mit den Schultern. Tatsächlich war es ihm auch egal, mit wem und wie oft John mit einer Frau unterwegs war. Solange die Arbeit im Hangar passte, konnte der Ingenieur machen, was und mit wem auch immer er wollte. Kurze Zeit später gesellte sich John auch schon wieder zu den beiden Piloten und half weiter mit. Sein Date vom letzten Abend hatte angerufen und angeboten, ihn gleich nach der Arbeit abzuholen. Darauf freute er sich, es bedeutete immerhin, dass sie mehr Zeit an diesem Abend füreinander haben würden. John freute sich auf das Wiedersehen mit April. Beschwingt ging er wieder an die Arbeit. Nur weil die Arbeit an diesem Tag so leicht von der Hand ging, bemerkte auch niemand, dass es längst Feierabend war. Es wurde im Hangar nicht leiser, was an der permanenten Hintergrundbeschallung und dem Lärm der Werkzeuge lag. Immer wieder drang auch das Lachen der drei Männer bis auf das Flugfeld hinaus. Mandarin hatte es bisher nicht geschafft, vorbei zu schauen. Erst, nachdem alle anderen Kollegen den Weg in die Heimat angetreten hatten, fand die zierliche rothaarige die Zeit, in den Hangar zu sehen und sich nach dem aktuellen Stand zu erkundigen. Sie staunte nicht schlecht, als sie das neue Gespann am Jet musterte. Die drei Männer verstanden sich gut, Pilot und Techniker vertrugen sich, das gefiel Mandarin. Der Neue in der Runde allerdings zauberte ein Leuchten in Mandarins Augen. Wenn es ihm bei ihr gefiel, vielleicht blieb er irgendwann in der Staffel? Mandarin seufzte leise. Das würde Eagle wohl erst zulassen, wenn Ramrod nicht mehr gebraucht wurde. Sie verschwand schließlich mit einem kecken Grinsen im Gesicht: „Macht nicht mehr zu lange! Ich will schließlich auch irgendwann heim.“ Nur wenig später lenkte wieder jemand die Aufmerksamkeit der Jungs vom Jet ab. Eine fröhliche und herzliche Stimme fragte in den Raum: „Hey! Kannst du dich loseisen oder muss ich alleine gehen?“ Fireballs ohnehin gute Laune konnte noch ein Stückchen weiter nach oben klettern. April war gekommen! Er hatte seit dem gestrigen Abend nichts von ihr gehört, dass sie ihn nun abholen kam, freute ihn sichtlich. Doch noch ehe er den ersten Schritt in ihre Richtung machen konnte und sie begrüßte, gefroren ihm die Geschichtszüge. John war bereits herumgefahren und trat schnellen Schrittes auf April zu. Er begrüßte sie mit einem Kuss auf die Wange: „Hey, da bist du ja schon. Ich komme gleich, ok?“ April erwiderte die Begrüßung und gab John ebenfalls einen Kuss auf die Wange, ihre Hand strich dabei locker über seinen Arm: „Ja, sicher.“ Fireball stand einen Moment da und vergaß sogar zu atmen. Was hatte er nur verpasst? April wollte nicht zu ihm, sondern zu John? Woher zum Geier kannten sich die beiden?! Warum hatte ihm der Armleuchter nicht zwischendurch mal gesagt, dass er mit seiner Kollegin ausging?! Fireball stieg der Ärger darüber schneller auf, als ihm lieb war, er spürte förmlich, wie ihm zu heiß wurde und er am liebsten den Schraubenschlüssel gepackt hätte und John in sein perfektes Schwiegermutterliebling-Gesicht geschossen hätte. Aber er verstand nicht, warum es ihn so aufregte, dass April zu John wollte und nicht zu ihm. Sie hingen immerhin ständig zusammen rum, es war logisch, dass sie auch mal jemand anderen um sich haben wollte. Fireball holte schließlich tief Luft, beinahe wäre er erstickt. Nach dem ersten Schrecken hob er die Hand, um April zu grüßen: „Hi, Süße! Wo hast du Saber und Colt gelassen?“ Dass er sich bei den Worten nicht die Zunge abgebissen hatte, grenzte an ein Wunder. Er hatte sogar noch halbwegs fröhlich geklungen. April würde nicht merken, dass er sauer war. Wie denn auch?! Sie hatte nur Augen für den Typen mit dem Blendamed-Lächeln! „Hi, Turbo!“, April lehnte sich leicht an John vorbei und hob die Hand ebenfalls zum Gruß. Fireball war ganz klar hier im Hangar in seinem Element. Kein Wunder, dass sie auf Ramrod den ganzen Tag nichts von ihm gehört hatten. Sie griff nun nach Johns Hand und gab Fireball noch Auskunft: „Colt und Saber gehen noch auf die Piste. Ruf sie doch an, wenn du dich ihnen anschließen willst.“ Fireballs Schultern fielen etwas nach unten, ihre Worte hatten ihn noch ein wenig mehr enttäuscht. Dabei hatte sie nichts außergewöhnliches gesagt und auch bestimmt nicht das gemeint, was er sich gerade einbildete. Fireball nickte lediglich: „Ok“, er neigte den Kopf noch zu April und John: „Und ihr zwei? Wo geht’s noch hin?“ John antwortete an Aprils Stelle. Ihm kam nicht in den Sinn, dass Aprils Kollege ihn gerade gerne gelyncht hätte. Er drückte Aprils Hand etwas fester, ihre Hand in seiner gefiel ihm, es fühlte sich gut an. Seine frechen, dunkelblauen Augen, blitzten auf: „Ich entführ sie in ein super Restaurant hier.“, als er Fireballs verkniffenen Gesichtsausdruck endlich verstand, musste er sticheln: „Keine Angst, Kleiner! Ich bring April gesund und munter wieder heim!“ Damit ließen es alle Beteiligten bewenden. Fireball zuckte nur noch mit den Schultern und wollte so unbeteiligt wie möglich wirken, während April sich nun endgültig bei John unterhakte und den Ingenieur aus der Halle zog. Scott hatte das Schauspiel schweigend verfolgt und sich immer wieder amüsiert auf die Lippen gebissen. Das würde noch ein Spaß werden. Der Pilot klopfte Fireball schließlich auf die Schulter, als April und John nicht mehr zu sehen waren. Er wollte den jüngeren etwas aufheitern: „Keine Sorge. John tut deiner Freundin nichts, was sie nicht will.“ Fireball schüttelte die Hand auf seiner Schulter gleich wieder ab. Was hieß hier seine Freundin? Umgehend stellte er richtig: „April ist meine Kollegin und erwachsen. Sie kann sich treffen mit wem sie will.“ Scott entfloh ein herzliches, lautes Lachen: „Wie du meinst.“, der Pilot schlug nun ebenfalls den Weg nachhause ein: „Pack das Werkzeug noch zusammen und mach auch Schluss für heute. Mandy mag keine Überstunden.“ Ergeben nickte Fireball nur noch. Bei Scott würde er gegen eine Wand reden, wenn der eine Meinung gefasst hatte, blieb sie so und wenn die Hölle zufror. Das hatte Fireball bereits an diesem Nachmittag bei ein bis zwei Themen gelernt, die stur und leidenschaftlich diskutiert worden waren. Fireball war nicht mehr danach, sich Colt und Saber anzuschließen. Die beiden älteren Männer hatten eine eigene Vorstellung von einem gelungenen Abend in der Stadt. Saber zog es mitunter in Pubs und auch Colt war von diesen kleinen Bars nicht abgeneigt. Fireball hingegen ging gerne auf lebhafte Feste oder in eine Disco, wenn er schon feiern ging. Ihm war weder nach feiern noch nach Gesellschaft von Colt und Saber, also schlug der Japaner grummelnd den Nachhauseweg ein. Er würde etwas kochen und sich dann die Zeit mit irgendeinem Blödsinn vertreiben. Irgendwas würde ihm schon einfallen und wenn er vor dem Fernseher gammelte. Er konnte nicht abstreiten, dass er angepisst war, man erkannte es unter anderem auch an seinem verkniffenen Gesichtsausdruck. Fireball hatte keinen blassen Schimmer, warum es ihn so sehr grämte, dass April ausging und eben weil er es nicht wusste, ärgerte er sich auch noch über sich selbst. Auch wenn es ein frühes Abendessen war, so genoss es April. Sie war froh, John gleich im Hangar abgeholt zu haben. Wer wusste schon, wie viel Zeit ihnen tatsächlich blieb. Bei Ramrod und seinem Einsatzgebiet konnte es schon mal passieren, dass sie mitten in der Nacht oder zu einem anderen äußerst ungünstigen Zeitpunkt ausrücken mussten. April hatte sich fest vorgenommen, die freie Zeit auf Yuma so intensiv wie möglich zu nützen. Dazu zählte momentan auch, so viel Zeit wie möglich mit John zu verbringen und zu ergründen, ob daraus mehr werden konnte, als ein paar nette Dates. April war mittlerweile mehr als reif für eine Beziehung, doch nicht zuletzt ihr Job und ihre Kollegen machten ihr immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Irgendwann würde sie wie Colts vielfach zitierte „eiserne Jungfrau“ enden. Darauf hatte die hübsche Blondine so gar keine Lust. Für sie stand fest, dass sie auch ihren Beruf als Star Sheriff irgendwann an den Nagel hängen würde. Allerdings nicht in den nächsten paar Jahren. Eine Beziehung, die sich April wünschte, musste Trennungen auf Zeit überstehen, ansonsten hätte sie ohnehin keinen Zweck gehabt. Umso mehr genoss sie die ungeteilte Aufmerksamkeit und die Komplimente, die ihr John immer wieder schenkte. Er war damals schon Aprils Typ gewesen, sie war auch ein wenig in ihn verschossen gewesen, aber John war immer der unerreichbare für April geblieben. Er war bei Mädchen beliebt gewesen, er hätte für ein Date mit ihr damals bestimmt nie Zeit gehabt. Dennoch saßen sie nun schon zum zweiten Mal in dieser Woche zusammen an einem Tisch und tauschten sich aus. Der Kellner brachte eine Flasche Wein an den Tisch und zündete die Kerze in der Tischmitte an. Sobald es dämmerte, würde die Kerze ein romantisches Licht geben und die beiden vergessen lassen, dass sie nicht die einzigen Gäste in diesem Restaurant waren. John blickte immer wieder in Aprils wunderschönes Gesicht, blieb mal an ihren korallroten Lippen hängen, ein anderes Mal an ihren wundervollen blauen Augen. Sie war ihm damals schon aufgefallen, aber da hatte sie noch etwas Mädchenhaftes an sich gehabt. Kein Wunder, dachte sich John, April war damals noch nicht mal volljährig gewesen. Nun aber war aus ihr eine Frau geworden, die seinesgleichen suchte. April hatte Stil und Humor. Ihre ungezwungene und fröhliche Art machte es einem einfach, sie in sein Herz zu lassen. Seit dem Abschiedskuss am vergangenen Abend musste John auch immer wieder bei ihrem Anblick daran denken, wie sehr sie die Begierde in ihm hervor rief. Aber es war weniger die Begierde unbedingt von der verbotenen Frucht zu kosten, sondern viel mehr das Herzklopfen wieder zu spüren, das sie in diesem Moment in ihm hervor gerufen hatte. Ob es April ähnlich ging? Saber und Colt genossen den Abend ebenfalls. Nachdem Saber sich beim ersten Lokalwechsel dazu entschieden hatte, bei Fireball nachzufragen, ob er noch vorbeikam, blieben sie für den Rest des Abends alleine. Der Schotte war fast dankbar dafür, dass sich Fireball ihnen nicht mehr anschloss. Die Miene seines Piloten hatte er durch das Telefon spüren können. Er hätte ihnen nur die Laune verdorben. So griesgrämig und übellaunig erlebte man Fireball selten. Saber steckte sein Telefon wieder in die Hosentasche und schloss zu Colt auf, der ein Taxi gerufen hatte. „Lass mich raten, Superschwert“, begann Colt beiläufig, aber mit einem wissenden Grinsen: „Der Buggyfahrer hat keine Lust mehr.“ Saber steckte die Hände in die Hosentaschen und scharrte mit dem Fuß über den Boden, dabei nickte er. Dauerzustand war das keiner, soviel stand fest. Er ließ Colt wissen: „Er meint er wär zu kaputt, um noch irgendwas zu unternehmen. Die in der Base schinden ihn.“ Bei der wortgetreuen Wiedergabe begann Colt ungeniert zu lachen: „Ja klar! Und ich bin der Osterhase“, er klopfte Saber auf die Schulter: „Das glaubst du ihm doch nicht etwa?“ Saber schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen. Er mochte seine Gefühle zwar nicht immer hervorlassen, das hieß allerdings nicht, dass er die der anderen nicht lesen und einschätzen konnte. Natürlich nahm er dem Wuschelkopf diese Ausrede nicht ab. „Gut so. Ganz ehrlich? Die einzige, die unseren Turbofreak in der Base schinden würde, wär die liebe Mandy. Und die würde ihn erst nach Dienstschluss so richtig gern…“, Sabers scharfer Blick ließ Colt den Rest des Satzes verschlucken und ihn nach freundlicheren Worten suchen: „Du verstehst schon, was ich meine, verstehst du doch.“ „Ja, ich kann es mir vorstellen, Numero Uno“, endlich kam das Taxi und erlöste Saber vorerst vor anzüglichen Kommentaren. Als sie beide jedoch im Fond des Wagens Platz genommen hatten und dem freundlichen, indischen Fahrer das Ziel genannt hatten, begann zumindest Colt noch mal von vorne. „Ich weiß ehrlich nicht, wieso er sich wie die Prinzessin auf der Erbse anstellt“, der Cowboy machte eine ausschweifende Handbewegung, mit der er Saber beinahe eine Ohrfeige verpasst hätte. „Sonst lässt er doch auch keine Gelegenheit aus.“ Irritiert und auch empört über den halben Schwinger von Colt schielte Saber zu seinem Gesprächspartner hinüber. Er hakte nach: „Wie er lässt keine Gelegenheit aus?“ Tatsächlich wäre Saber noch nie aufgefallen, dass Fireball in Bezug auf Frauen jemals eine Gelegenheit überhaupt wahrgenommen hätte, von ergreifen und nicht auslassen war da noch gar keine Rede. Wusste sein Scharfschütze etwa mehr als er? „Na, nicht solche Gelegenheiten“, revidierte Colt seine Worte und betonte ‚solche‘ noch einmal extra, damit Saber auch verstand und fuhr dann fort: „Aber sonst stürzt er sich schon mal ins Ungewisse, ohne mit der Wimper zu zucken oder riskiert Kopf und Kragen.“ Nun verstand Saber, was Colt gemeint hatte. Er hatte davon gesprochen, dass Fireball ansonsten risikobereit war und auch schon mal unüberlegt drauf los stürmte, wenn es sein Dickkopf gerade für nötig erachtete. Allerdings war sich Saber ziemlich sicher, dass man das eine und das andere in diesem Fall nicht miteinander vergleichen konnte. Sabers leichter Anflug eines Schmunzelns im Gesicht war Colt Antwort genug. Der Schotte hatte zumindest eine Ahnung, das genügte ihm gerade völlig. Von Fireballs unausgeglichenen Hormonaushalt ließ er sich an diesem Abend bestimmt nicht die Laune verderben. Die Nacht war noch jung, er und Saber gut aussehend und charmant, da ging bestimmt noch was. Die beiden Männer machten in einem kleinen Pub halt, das schon am frühen Abend gut besucht war. Als sie aus dem Taxi stiegen, drang die Musik bereits aus dem Inneren und versprach einen ungezwungenen Abend für die beiden Singlemänner. Die Band spielte einen schwungvollen Rhythmus und forderte einen auf, unbedingt mit einem hübschen Mädchen das Tanzbein zu schwingen. Schweigend kamen Colt und Saber überein, sich den Abend nicht weiter den Kopf über Dinge zu zerbrechen, die sie nichts angingen. Sie stürzten sich ins Nachtleben von Yuma und freuten sich über die Pause vom Alltag. Leise schlich sie in das Appartement, das sie sich in Yuma mit ihren Jungs teilte. Sie hoffte inständig, dass noch keiner der drei Jungs wach war und sie fragen konnte, wo sie die ganze Nacht gesteckt hatte. Es fühlte sich für April ein wenig wie der berühmte „Walk of Shame“ an, obwohl sie sich nichts vorzuwerfen hatte. Der Abend mit John war wunderbar gewesen und nach einem Absacker in einer Cocktailbar, hatte er April noch zu sich auf einen Kaffee eingeladen. Klar war der Kaffee dabei nur das Lockmittel gewesen, das war auch April klar gewesen. Aber sie hatte sich wohl gefühlt, hatte in keiner Minute daran gezweifelt, dass sie John jederzeit zurückhalten konnte, wenn sie nicht mehr weiter gehen wollte. So schön es auch gewesen war, essen zu gehen und in einer Cocktailbar zu sein, noch viel schöner war es gewesen, sich in einer privaten Umgebung zu sehen. John war immer zuvorkommend gewesen, seine Berührungen zu keiner Zeit aufdringlich. Im Gegenteil, April hatte manchmal schon sehnsüchtig auf eine Berührung von John gewartet. Sie musste sich eingestehen, dass sie sich verliebt hatte und die Zuneigung von John mehr als genoss. Obwohl nichts weiter geschehen war, als sich leidenschaftlich zu küssen und in seinem Arm zu liegen, während sie sich unterhielten, fühlte sich April beim Betreten ihrer eigenen Wohnung am nächsten Morgen ziemlich schäbig. Sie kam sich wie ein Dieb vor, der ins Haus schlich, nur um zu verheimlichen, dass sie nicht zuhause geschlafen hatte. Die Schuhe hatte April schon im Flur ausgezogen, bevor sie überhaupt die Wohnungstür aufgeschlossen hatte. Ein Star Sheriff litt mitunter unter extrem leichtem Schlaf, der auch aufschreckte, wenn er Schritte von High Heels hörte. Nachdem sie die Schuhe abgestellt hatte und die Handtasche auf der Kommode abgelegt hatte, bemerkte sie, dass zumindest schon einer wach sein musste. Sie hörte das gedämpfte Rauschen des Wasserhahns aus dem Bad. Oh Mist! Flink lief April über den Flur zu ihrem Zimmer, sie wollte um keinen Preis entdeckt werden, es war völlig egal, von wem. Erleichtert, dass niemand sie entdeckt hatte, ließ sich April in ihrem Zimmer auf das Bett plumpsen. Sie gähnte und rieb sich kurz über die Augen. Sie würde sich bequeme Klamotten anziehen und zum Frühaufsteher in die Küche gehen. Doch zuerst wollte April sichergehen, dass es aussah, als wäre sie von ihm geweckt werden. So blieb April noch einige Momente im Bett sitzen und horchte in die Wohnung. Vielleicht konnte sie an den Geräuschen erkennen, wer denn schon wach war. Die Kaffeemaschine gab April das Zeichen sich umzuziehen und raus zu wagen. Wenig später ging sie gähnend und in einem sommerlichen Pyjama in die Küche. Sie murmelte ein leises, aber fröhliches „Guten Morgen!“ und setzte sich an den Tisch. „Ach, auch schon heimgefunden?“, mürrisch landete eine Kaffeetasse vor Aprils Nase. Ok, ihre Tarnung war also schon aufgeflogen, bevor sie überhaupt irgendwas gesagt hatte. April zog beinahe den Kopf ein, jedenfalls aber senkte sie den Kopf und starrte die vorbereitete Kaffeetasse an. Nachdem er keine Antwort erhielt, sondern nur betretenes Schweigen erntete, sah Fireball keine Notwendigkeit darin, sich zu ihr an den Tisch zu setzen. Er hatte bereits gefrühstückt, immerhin sollte er pünktlich im Oberkommando sein. Übellaunig brummte er April an, während er aus der Küche in den Flur ging, um sich anzuziehen: „Saber und Colt sind um kurz nach drei heim gekommen. Die schlafen sicher bis Mittag.“ Wow, Fireball war mit dem falschen Fuß zuerst aufgestanden. April blieb beinahe die Luft weg, bei dem Gebrumme ihres Kollegen. Sie wusste, dass er ein Morgenmuffel war, aber normalerweise war Fireball spätestens nach dem ersten Kaffee und einer Katzenwäsche im Bad ansprechbar und für jeden Spaß zu haben. Ohne darüber nachzudenken stand April auf und folgte ihm in den Flur. Als sie zusehen konnte, wie der Hitzkopf in seine Schuhe schlüpfte, fragte sie nach: „Was tust du denn da?“ „Ich fahre in die Arbeit, wonach sieht’s denn sonst aus?!“, von einem genervten Schnauben begleitet gab er April die Antwort. Er hatte keine Lust, sie jetzt zu sehen oder mit ihr zu reden. Gott, er wusste selbst, dass er sich ohne Grund kindisch verhielt und es nicht seine Art war, so grantig zu sein und länger als fünf Minuten zu bleiben. Er klang wie ein alter, verbitterter Mann, der sein Leben hasste. Fireball spürte Aprils Blicke in seinem Rücken. Sie stachen nicht, sie war verwundert und schon hasste er sich noch ein Stückchen mehr für sein irrationales Verhalten. Aber er konnte nicht aus seiner Haut. Er fuhr zu April herum und keifte sie an: „Ja, stell dir vor, ich nehme die Chance bei Mandy ernst.“ Damit war Fireball auch schon bei der Tür draußen. Er sah nicht mehr, wie April die Gesichtszüge einfroren und sie sich fühlte, als hätte sie gerade einen Schlag ins Gesicht bekommen. April starrte noch einige Momente auf die geschlossene Tür und hoffte, dass Fireball wieder zurück kam und ihr grinsend ein „drangekriegt!“ um die Ohren schlug. Doch er kam nicht mehr zurück in die Wohnung. Also rieb sich April abgekämpft über die Schläfen und schlich in die Küche zurück. Sie setzte sich an ihren Platz von vorhin und sah in die Tasse hinein. Er hatte ihr den Kaffee vorbereitet, April konnte noch ein paar Zuckerkristalle am Milchschaumrand erkennen. Immerhin war er pünktlich. Fireball kam ungerne zu spät, schon gar nicht, wenn er irgendwo zu Gast war. Von John war im Hangar noch nichts zu sehen, aber wahrscheinlich kam der nach der durchgemachten Nacht mit April auch erst später. Fireball kroch die Übelkeit bei dem Gedanken daran hoch, wie John und April die Nacht zusammen verbracht haben könnten. Die Freundin war zuvor noch nie über Nacht weggeblieben, nicht bei einem Mann. Er wollte sich das gar nicht bildlich vorstellen, abgesehen davon ging es ihn nichts an. Dennoch hasste er den Gedanken daran unendlich. Zumindest wurde seine Laune im Hangar wieder besser. Er bearbeitete Mandarin an diesem Morgen solange, bis sie endlich weich wurde und den treuen, braunen Augen nachgab. Sie ließ den Piloten von Ramrod bereits am zweiten Tag in die Luft. So verging die restliche Woche für die Star Sheriffs. Während Colt, Saber und auch April ihre freie Zeit genossen, trieb sich Fireball im Hangar rum. Bis auf Saber und Colt, die gerne und ständig etwas zusammen unternahmen, ging jeder seine eigenen Wege. April war keinen einzigen Abend mehr beim gemeinsamen Essen dabei, sehr zum Leidwesen von Saber und Colt. Fireball bekochte sie, wann immer er konnte und jedes Mal wurde das Essen schärfer. Saber und Colt schluckten unbehaglich, als sie am vorletzten Abend ihres Yumaaufenthaltes wieder von Fireball bekocht wurden. Colt hatte die Chillies nicht gut genug versteckt, oder aber ihr Pilot hatte einfach welche nachgekauft, so sicher war sich der Scharfschütze da nicht. Jedenfalls aber roch es aus seiner dampfenden Suppenschüssel schon verdächtig scharf und wie zur Bestätigung seines Geruchssinnes zeigten ihm auch seine Augen, dass da mehr als eine Chilli im Topf gelandet war. Ansonsten war das Gericht wieder einmal unidentifizierbar asiatisch. Saber sah von seinem Teller ebenfalls auf. Warum hatte er keinen Magenschoner gekauft, als er noch die Gelegenheit dazu gehabt hatte? Fireball quälte sie schon die ganze vergangene Woche mit scharfem Essen, mit jedem Date, das April hatte, wurde es noch schlimmer. Obwohl Saber schon ahnen konnte, dass es weniger an den Dates als an der Beziehung lag, die sich ohne Zweifel zwischen John und April anbahnte. Je vertrauter April und John miteinander wurden, desto schärfer wurde das Abendessen und umso übellauniger Fireball. Saber hatte bisher immer gedacht, dass Probleme immer nur demjenigen auf den Magen schlugen, der sie hatte, aber doch nicht denjenigen, die damit nichts zu tun hatten! Um den guten Willen dennoch zu beweisen, nahm Saber einen kleinen Löffel voll, nachdem sich auch Fireball an den Esstisch gesetzt hatte. Noch bevor er den Löffel im Mund hatte, tränten ihm von den Dämpfen des Gerichts die Augen und freier wäre seine Nase mit Nasenspray niemals geworden, als mit diesem Essen. Saber wusste, er würde es wieder die halbe Nacht büßen müssen, wenn er davon probierte. Mittlerweile war sich der Schotte ziemlich sicher, dass er sich schon in der Wochenmitte die Magenschleimhaut weggeätzt hatte. Seine Zunge kannte nur noch den Unterschied zwischen warm und kalt, von süß, sauer, bitter oder ähnlichen Geschmäckern hatte er nur noch die Erinnerung. Alles schmeckte gleich, außer es war wieder extra scharf. Nein, Saber schaffte es nicht mehr. Er litt alleine beim Gedanken daran, einen Bissen zu nehmen, an Krämpfen und der Schweiß stand ihm in der Stirn. Er musste handeln, ansonsten mussten Colt und er demnächst in der Notaufnahme auf eine Spenderspeiseröhre warten. Der Highlander ließ den vollen Löffel wieder zurück in die Schüssel gleiten. Was er nun tat, war zum Allgemeinwohl, auch für Fireballs. Der Junge spürte sich nicht mehr, dass darunter auch er und Colt zu leiden hatten, war ein unorthodoxer Hilferuf, aber er war da. Saber lehnte sich zurück und streikte nun ganz offen: „Ich wage zu behaupten, ich kann `ne Menge schlucken, aber das geht definitiv zu weit.“ Gott sei Dank! Saber verabschiedete sich von der vornehmen Zurückhaltung und seiner Einstellung, ihn und Colt würde die Angelegenheit nichts angehen. Offenbar hing der Schwertschwinger an seinem Verdauungssystem, sonst hätte der wahrscheinlich noch so lange zugesehen, bis April John heiratete und Fireball zum Feuerschlucker mutierte. Auch Colt schob seinen Teller wieder in die Tischmitte. Allerdings war er in seiner Wortwahl nicht ganz so vornehm, wie sein Boss. Er ließ Fireball rundheraus wissen: „Noch ein Date von April und meine Magenschleimhaut war mal eine.“ Zustimmend nickte Saber. Er war hin und wieder dankbar dafür, dass Colt direkt war. Er hätte es Fireball niemals so direkt sagen können. Höflich wie Saber war, hätte er Fireball nie wissen lassen, wie die Korrelation zwischen dem scharfen Essen und Aprils Beziehungen war. An Fireballs verdrießlicher Miene, dass er nun nach der Mühe zu kochen, keinen Abnehmer für seinen asiatischen Killereintopf fand, wusste Saber, dass es auch im Moment kein guter Zeitpunkt dafür war. Für Saber jedoch stand eines fest: „Fireball, du hast offiziell Kochverbot, zum Schutze des Teams und seiner Gesundheit.“ Der Schotte meinte es ernst. Wenn Fireball so weiterkochte, lag das ganze Team wegen eines verdorbenen Magens oder eines Magengeschwürs flach. Es herrschte immer noch Krieg, auch wenn diese Woche Heimaturlaub wirklich Urlaub gewesen war. Man konnte nie wissen, wann sich die Outrider wieder auf der Bildfläche zeigten. Wie Saber und auch Colt nicht anders erwartet hatten, verzog Fireball säuerlich das Gesicht. Er hatte es gut gemeint, aber anstatt eines Dankes hörte er nur immer wieder, wie ungenießbar es war. Fireball empfand es als absolut nicht scharf, in Asien aßen alle etwas pikanter. Beleidigt schluckte er den Bissen vom Nua-Pad-Prik hinunter und hätte nicht sagen können, dass es übertrieben scharf gewesen wäre. Er brummte über den Tisch zu Colt und Saber hinüber, die das Gericht an diesem Abend sicher nicht anrühren würden: „Ihr tut ja gerade so, als wollte ich euch vergiften!“ „War das etwa nicht deine Absicht?“, Saber verzog bei seinen Worten zwar keine Miene, aber eine skeptische Augenbraue zog sich nach oben. Das Essen putzte ihm noch immer die Atemwege durch, obwohl es nur vor ihm stand. Saber entschied sich deshalb, wie kurz zuvor auch Colt, den Teller möglichst weit weg von sich zu schieben. Als ihm nichts scharfes mehr in die Nase stieg, atmete Saber erleichtert aus. Auch Saber hatte seine eigene Art von Humor. Colt war nicht immer scharf drauf, aber dieses Mal betraf es nicht ihn, weshalb er es amüsant fand. Er stieß sich lässig den Hut ein wenig aus der Stirn und deutete auf die undefinierbare Pampe vor sich: „Das solltest du mit Outridern machen, die geben dir wenigstens einen guten Grund.“ Sie waren in der Tat nicht mit seinen Kochkünsten zufrieden. Wie verwöhnt war die Saubande auf Ramrod eigentlich? Fireballs Laune war ohnehin die meiste Zeit in dieser Woche Richtung Erdkern unterwegs gewesen, weil der Keller noch zu nahe an der Oberfläche und somit Normalniveau gewesen wäre, und nun fielen ihm seine beiden Freunde in den Rücken. Fireball stieß genervt die Luft aus: „Gut, ich koche in Zukunft nichts mehr. Will ja nicht, dass ich es mir aufgrund eines empfindlichen Magens mit dem Boss verscherze.“ Nun schoss auch die zweite Augenbraue von Saber in die Höhe, er hatte Fireballs pampigen Tonfall in den richtigen Hals bekommen. Allerdings würde Saber deshalb keinen Disput mit seinem jüngeren Freund anfangen. Noch jedenfalls nicht. Sollte es Fireball damit jedoch übertreiben, würde er keine Nachsicht mehr mit dem liebeskranken Naivling haben. Colt hielt es allerdings nicht davon ab, den Rennfahrer noch etwas aus der Reserve zu locken. So viel weiter nach unten konnte dessen Laune ohnehin nicht mehr sacken. Da konnte er sich für die absichtliche Verletzung seiner Innereien schon mal revanchieren: „Deine Kochkünste hält ja nicht mal ein Aasfresser aus. Ich wette, von dem Futter wären zwanzig Rudel Hyänen längst verreckt.“ Tatsächlich war das Abendessen in dieser Woche nicht oder nur im Ausnahmefall genießbar gewesen, wenn Fireball gekocht hatte. Colt hielt es daher für angebracht, es Fireball so zu sagen, dass sein Hombre ihn auch tatsächlich verstand, zumindest was die Kochkünste betraf. Wie auch Saber ging Colt davon aus, dass Fireball selbst nicht wusste, weshalb er im Augenblick so außer sich war. „Quatsch keine Opern Kumpel. Ich hab's ja verstanden, ihr beide vertragt nichts“, genervt fuhr sich Fireball durch die Haare, bevor er seinen Stuhl zurückschob und aufstand. Während er nach Sabers und Colts Tellern griff, warf er einen Blick auf seine beiden Freunde. Fireball hasste es, wenn die beiden älteren gemeinsame Sache machten. Wie er sie offensichtlich beide gegen sich aufgebracht hatte, konnte er nur erahnen. Er bekam seit Tagen nur noch einen klaren Kopf, wenn er in der Einheit war und alles andere weit weg war. Ganz so weit weg, wie er es sich wünschte, war es leider auch im Hangar nicht immer, immerhin ging John dort ein und aus. Ärgerlich wandte sich Fireball mit den Tellern um und ging in die Küche. Er hatte sich mit seinen Gedanken selbst wieder auf John gebracht und damit auf April und auf den Grund für seine unglaublich schlechte Laune. Fireball wusste, dass er damit allen anderen in seiner Umgebung auf den Keks ging, sich selbst eingeschlossen. Er war selten länger als einen Tag schlecht gelaunt und das war ein Punkt, der ihn selbst gleich noch mehr grämte. Er war wegen nichts und wieder nichts rund um die Uhr angepisst. Wenn nicht bald etwas passierte, geriet Fireball vielleicht auch noch ernsthaft mit Colt oder Saber aneinander, was er gar nicht wollte. Kopfschüttelnd verfolgte Saber, wie Fireball die Flucht antrat. Der Blick des Wuschelkopfs davor war ihm nicht entgangen. Zusammen mit seiner Antwort auf Colts Stichelei war Saber eines glasklar. Er rief Fireball in die Küche nach: „Gar nichts hast du verstanden. Finde raus, was dir die Petersilie verhagelt, ehe du dich wieder an den Herd stellst.“ Das war Saber ernst. Er ließ Fireball nicht wieder ans Kochfeld, solange er so drauf war. Dabei hoffte Saber aber auch inständig, dass nur die Laune und das Essen so massiv unter Fireballs Unzufriedenheit litten. Nicht auszudenken, wenn sich die Laune auf den Flugstil seines Piloten so massiv auswirkte, wie auf die Schärfe des Essens! Gleichzeitig machte sich Saber jedoch nicht viel Hoffnung, dass er oder auch Colt an diesem Abend noch zu Fireball durchdringen würden. Der Junge war eingeschnappt und konnte sich selbst nicht leiden. Der Schotte fragte sich, ob Fireball erst jetzt in die Pubertät kam, recht viel bockiger konnte ein Teenager mit sechszehn in seinen Augen auch nicht sein. „Das klingt nach `nem guten Tipp, du zu kurz geratener Hormonstau!“, Colt unterstützte Saber. Er stand voll und ganz hinter den Ausführungen seines Chefs, aber ganz sicher nicht, weil er musste. Nein, Colt würde mittlerweile lieber bei Wasser und Brot im Kloster verpflegt werden, als noch einmal die Ausgeburt der Hölle kosten zu müssen! Wieder allerdings war Colt derjenige, der seine Worte provokanter und eindeutiger wählte, als Saber. So daneben, wie Fireball war, verstand der doch nie im Leben, was Saber mit der Petersilie meinte. Es schepperte und klapperte verdächtig in der Küche. Nur das zischende Fluchen blieb aus, das verwunderte Saber und Colt gleichermaßen. Der ‚Hormonstau‘ hatte so präzise gesessen, dass Fireball zusammengezuckt war und die Teller in seiner Hand vergessen hatte. Mit einem lauten Klatsch landeten sie zumindest noch auf der Anrichte und gingen nicht zu Bruch. Bei seinem Glück momentan hätten sie eher auf dem Boden landen müssen, damit er die ganze Sauerei dann auch noch aufwischen musste. Fireball war von Colts Worten empfindlich getroffen. Was wollte ihm der Kuhtreiber damit sagen?! Etwa, dass er losziehen sollte und die erstbeste…? Nie im Leben ließ er sich auf das Niveau von Colt herab, der hin und wieder heftig flirtete und die ein oder andere Nacht daraus machte. Er war bestimmt nicht so unausstehlich, weil er nicht zum Zug kam! Soweit kam’s noch! Da stritt er schon lieber alles ab. Fireball ignorierte Colts Zwischenruf geflissentlich und antwortee lieber auf Sabers Feststellungen. Er stellte sich absichtlich dumm: „Was soll ich rausfinden? Ist doch alles gut.“ Da war doch Hopfen und Malz verloren! Er und Colt wussten, was Sache war und auch Fireball wusste haargenau, worum es ging. Nichts war gut, solange Fireball die Eifersucht und allerhand unerfüllte Sehnsüchte plagten. Saber war zwar immer zurückhaltend, aber er war weder blind noch blöd. Ganz im Gegenteil. Der Schotte konnte eins und eins zusammenzählen. Himmel, auch er hatte bereits unter Liebeskummer gelitten und auch der gute Cowboy neben ihm, auch wenn dieser es nie zugeben würde. Saber warf einen kurzen Blick bei diesem Gedanken auf Colt. Die Trennung von Robin vor einem guten Jahr hatte Colt zu schaffen gemacht, das wusste der Recke. Colt war danach einige Wochen nicht so frech und fröhlich wie sonst auch gewesen, sondern eher ruhig und nachdenklich. Aber im Gegensatz zu Fireball war Colt verletzt gewesen, weil er zu seinen Gefühlen gestanden hatte und den Sprung ins Ungewisse mit Robin gewagt hatte. Es hatte nur leider nicht funktioniert. Saber fand schließlich den Bogen in seinen Gedanken wieder zu ihrem Giftmischer zurück. Gut, wenn der Kleine sich dumm stellte und sich wie ein Teenager aufführte, dann würde Saber der strenge Vater sein. Er verschränkte die Arme vor der Brust und zeigte Fireball die Konsequenz aus seinem Verhalten auf: „Okay, ich zieh dich von Mandarins Einheit ab und schicke dich zurück in die Grundausbildung.“ „Oh, bitte!“, Colt verdrehte nun genervt die Augen. Fireball konnte die Unschuld-vom-Lande-Nummer stecken lassen. Sie wussten alle, wo der Schuh der Prinzessin drückte, auch Fireball selbst wusste es nur zu gut. Colt hob die Hände in die Luft: „April hat ein Date und am gleichen Abend wird ein Anschlag auf unsere Magenschleimhaut verübt ...Da muss man kein Genie sein, um den Zusammenhang zu erkennen.“ „Muss man nicht?“, kam sarkastisches Gebrumme aus der Küche. Wieder hörten Colt und Saber etwas klirren, dieses Mal Gläser und kurz darauf, wie der Hochschrank unsanft wieder zugeworfen wurde. Colt und Saber sahen sich bedeutungsvoll an. Man, demnächst würden sie das Appartement neu einrichten müssen, wenn es so weiter ging. Irgendwann ging unter dieser zärtlichen Behandlung durch den Japaner sicher noch was in die Brüche. Während sich also Colt und Saber stumm darüber einig waren, mit der Kücheneinrichtung um keinen Preis der Welt tauschen zu wollen, kam Fireball wieder ins Esszimmer zurück. Er schob den beiden wenig rücksichtsvoll ein Schnapsglas vor die Nase, das zu gut zwei Drittel mit Magenbitter gefüllt war. Wenn die beiden Mimosen schon jammerten, er würde ihnen die Magenschleimhaut ruinieren, dann brachte er ihnen zur inneren Anwendung einen Schnaps. Fireball ließ sich auf seinen Stuhl fallen: „Hier. Damit ihr mir Ramrod nicht vollreihert.“ Er nahm Sabers Ankündigung, ihn von Mandarins Einheit wieder abzuziehen und ihn stattdessen auf die Akademie nach Alamo zu schicken, nicht mal ansatzweise ernst. Erstens war es seine Entscheidung gewesen, während ihrer Heimaturlaube bei den Jetpiloten zu sein und zweitens half das auch Ramrod in einem nicht geringen Ausmaß. Saber würde sich nur selbst ins Knie schießen. So kurzsichtig war der Schotte nicht. Colt hatte vorhin die Sprache schon wieder auf April und ihr Dauerdate gebracht, er würde nicht drum rum kommen, auch endlich seine Meinung dazu kund zu tun. Fireball wusste ohnehin, dass ihn seine beiden Freunde so manches Mal besser kannten, als er sich selbst, weshalb es keinen Sinn machte, das Thema weiterhin zu umschiffen. Fireball rümpfte unwillig die Nase und auch an seinem Tonfall konnte man die Abneigung einwandfrei ablesen: „Habt ihr euch John schon mal angesehen?“ Mit ein bisschen Glück wussten weder Colt noch Saber, dass er mit John in Mandarins Einheit schon ein paar Mal zu tun gehabt hatte. Fireball hatte grundsätzlich auch nichts gegen John, solange er beim Jet arbeitete und sie sich über belanglose Dinge unterhielten. Die Aggressionen und Tobsuchtsanfälle keimten in Fireball erst, wenn die Sprache auf Frauen und auf April im Besonderen fiel. Kam der Wahnsinnige nun wirklich mit Alkohol um die Ecke? Saber übergab sich ja schon beinahe wegen des Essens, da musste er seine Selbstbeherrschung mit Alkohol nicht noch weiter testen. Die würde der Schotte ohne jeden Zweifel verlieren, wenn er auf seinen angegriffenen Magen auch noch hochprozentigen Alkohol trank. Es kam einer Einladung, sich sofort und quer über den Tisch zu ergeben, gleich. Saber schlug diese bestimmt aus. Seine Stimme blieb ernst und nüchtern: „Das nenne ich vorsätzliche Körperverletzung.“ Dabei schob er wie kurz zuvor den Teller, nun auch das Schnapsglas in die Tischmitte zurück. Colt hingegen spielte schon mit dem Gedanken, sich den Rachenputzer zu genehmigen. Immerhin war es ein Friedensangebot des Buggyfahrers, wenn auch kein besonders geschicktes und durchdachtes. Er nahm das Schnapsglas in die Hand und schwenkte den Inhalt darin leicht. Colt sah zu, wie sich auf dem Glas ein leichter Film vom Alkohol bildete, das Zeug würde mindestens genauso runter brennen, wie es das Essen getan hätte. Zumindest aber würde es die offenen Schleimhäute einfach zubrennen. Dennoch ließ auch Colt dieses Experiment lieber aus. Seit Tagen kam alles in einem Durchmarsch wieder raus, wie es reingekommen war, meistens begleitet von stechenden Magenschmerzen. Colt verzichtete auf eine weitere Tortur und Montezumas Rache. Er dachte über Fireballs Worte nach, zumindest tat er so. In Colts Augen gab es da eigentlich nicht viel zu überlegen. Die Fakten lagen klar auf dem Tisch. Der Lockenkopf hatte John bisher erst zwei Mal zu Gesicht bekommen. An einem Abend hatte er April direkt hier im Appartement abgeholt und hatte einige Minuten warten müssen, weil Madame noch nicht schick genug war. Das andere Mal waren sie sich im Oberkommando kurz begegnet. Colt konnte Scott gut leiden, der Knilch war gut erzogen, machte einen ordentlichen Eindruck und was das wichtigste war: April schien sehr von ihm angetan zu sein. Nebenbei war John für Frauenaugen wohl ein echter Hingucker mit dem etwas dunkleren Teint, den dunklen Haaren, aber blauen Augen. Übertrieben schüchtern und zurückhaltend hatte Colt ihn bei ihrer kurzen Unterhaltung auch nicht empfunden. Der Mann in Colts und Sabers Alter traute sich schon den Mund aufzumachen und zu sagen, was er wollte. Ganz im Gegensatz zu ihrem jüngeren Zeitgenossen ihm gegenüber. Colt stellte das Glas wieder ab und gab leichthin auf Fireballs Frage zurück: „John ist nicht ganz mein Typ.“ Saber verschmähte also den gebrannten Lebensgeist. Fireball griff nach dem Gläschen und leerte es in einem Zug. Getroffen von dessen Kommentar mit der Körperverletzung verteidigte sich Fireball: „He, ich hab‘s gut gemeint, Säbelschwinger.“ Missmutig starrte Fireball in das leere Glas und hörte Colts Worte. Der Cowboy hatte ihn nicht ernst genommen und provozierte ihn. Colt wollte lediglich, dass Fireball präziser aussprach, was ihn störte. Das ließ seinen Gesichtsausdruck noch verkniffener werden: „Deinen Geschmack muss er nicht treffen.“ Dabei hätte er es belassen sollen, aber Fireball sprach es schneller aus, als er es gedacht hatte. Voll Eifersucht triefend kam nämlich noch hinterher: „Reicht ja wohl, wenn er ganz Aprils Typ ist!“ Saber biss sich auf die Lippen um nicht zu lachen. Es war so klar gewesen. Die Eifersucht zerfraß Fireball beinahe. Dieser verbohrte Sturkopf war bis über beiden Ohren verknallt und kam nicht in die Puschen. Nun, da ernsthaft ein Mann an April interessiert war und sich von ihren drei männlichen Kollegen nicht verscheuchen ließ, sah Fireball seine Felle davon schwimmen. Nachdem Fireball seinen Schutzwall herunter gelassen hatte, zwar nicht ganz freiwillig, aber nun konnte auch ein Blinder sehen, wie es um ihn bestellt war, stichelte Saber noch ein bisschen weiter in der Wunde: „Na ja, schöne Augen hat er und ein gewinnendes Lächeln.“ Etwas ernster allerdings fügte er hinzu: „Etwa Konkurrenzangst?“ Fast hätte Fireball vergessen zu atmen. Saber versenkte seine Treffer mindestens genauso gut wie Colt, nur dass Saber wesentlich grausamer dabei war. Bei Colt klang es zumindest noch feixend, Saber war stockernst dabei geblieben. Er meinte es ernst und Fireball wusste, dass der Säbelschwinger auch noch verdammt recht hatte. Dennoch riss Fireball die Augen auf und sah erschrocken zu Saber auf. Im nächsten Moment verschränkte er jedoch die Arme vor der Brust und maulte aufgebracht: „Welche Konkurrenzangst?!“ Er ließ sich bestimmt nicht von Saber in so eine lächerliche Debatte hinein theatern. Fireball suchte nach einer Ausrede für seine Befindlichkeiten. Vielleicht war es klug, die Sorge um April ins Spiel zu bringen: „Ich versteh einfach nicht, wieso sich April so unüberlegt in ein Abenteuer stürzt.“ Mit diesem Manöver hatte er sich nun allerdings endgültig geoutet. Colt und Saber sahen sich an und nickten sich stumm zu. Die beiden verstanden ganz genau. Unisono stellten sie fest: „Konkurrenzangst!“ Den letzten Treffer hatte Saber versenkt. Nun war Colt wieder an der Reihe, zumindest sah es der Lockenkopf so. Er schob seinen Magenbitter in Fireballs Richtung, der kleine konnte den sicher gebrauchen, um den bitteren Beigeschmack der Eifersucht runterzuspülen. Das Grinsen, das Colt ins Gesicht geschrieben stand, war an Gehässigkeit kaum zu überbieten, als er Fireball unter die Nase rieb: „Vielleicht, weil er alles hat, was dir fehlt, vor allem April.“ Lange stand das Schnapsglas nicht vor Fireball, ehe er auch den Kurzen in einem Zug verschwinden ließ. Ihm war durch Colts und Sabers blöde Sprüche schon heiß geworden, da war es auch egal, ob ihn der Alkohol auch noch wärmte. Er spürte nicht einmal, ob der Magenbitter brannte, als er seine Kehle hinunterfloss. Fireball spürte sich seit geraumer Zeit selbst nicht mehr, ob er sich mit dem scharfen Essen oder mit dem Schnaps etwas Gutes tat, war noch nicht einmal mehr von Bedeutung für ihn. Als ob John Konkurrenz für ihn wäre. Das wäre ja noch schöner. Das hieße, er würde sich mit Aprils Freund vergleichen und das hatte Fireball bestimmt nicht vor. Er hatte von Scott in den vergangenen Tagen auch immer wieder was von dessen Teammitgliedern erfahren und komischerweise hatte der Pilot auch einiges von John zu berichten gewusst. Der Ingenieur war wohl ziemlich beliebt bei Frauen und konnte sich die Dates aussuchen, wenn er wollte. Fireball kam bei dem Gedanken daran, dass John nicht nur mit April ausgehen könnte, die Galle hoch. So wollte er nicht sein, das teilte er seinen Freunden auch mit: „Ich bin nicht scharf drauf, mehrere Eisen im Feuer zu haben.“ Colts Grinsen wurde nur noch größer und diabolischer. Er stichelte weiter, zumindest solange Saber ihn ließ. Colt wollte seinen Freund in die richtige Richtung schubsen und wenn er ihm dafür mit voller Wucht in den Hintern treten musste! Es konnte doch nicht so schwer sein, zumindest in einem ersten Schritt vor sich selbst zugeben zu können, dass einem ein hübsches Mädchen den Kopf verdreht hatte. Also lachte Colt hämisch: „Du hast dein Kochbuch im Feuer und sonst gar nichts. Sonst würde John dich nicht so jucken.“ „Hmpf...“, knurrte Fireball von der anderen Seite des Tischs herüber. Wie hatten sie vom Essen nur zu einem solchen Thema abschweifen können? Fireball sah zu seinen beiden Kameraden und Freunden hinüber und wusste nur, dass Colt schon wieder einen sauberen Treffer gelandet hatte. Die beiden hatten sich in das Thema festgebissen und würden ihn wohl so schnell nicht ziehen lassen. Fireball überstand das nicht! Wieder stand er auf und ging in die Küche hinüber, er brauchte auf den Magenbitter noch was drauf. Bewaffnet mit einem Bier und einer Packung Kekse, die er auf den Tisch warf, kam er schließlich zurück und gestand seinen beiden Freunden: „John ist der typische Sunnyboy. Er wickelt jede um den Finger und April schmachtet ihn auch noch an.“ Jaja, so etwas hatte sich Saber schon beinahe gedacht. John war Fireball nicht nur äußerlich ähnlich, sondern auch vom Charakter. Zumindest soweit er das beurteilen konnte. Ihr Sunnyboy saß ihm und Colt im Augenblick aber ziemlich grummelig und genervt gegenüber. Saber entschied sich, nicht mehr länger um den heißen Brei herum zu reden, sonst würden sie am nächsten Morgen noch hier sitzen. Saber wollte allmählich ins Bett und seinen geschundenen Magen auskurieren. Bestimmt gab er Fireball nun einen Rat und gab ihm nebenbei noch einmal zu verstehen, wie sehr er das Essen in dieser Woche genossen hatte: „Dann bitte sie um ein Rendez-vous, andernfalls überlege ich mir die Anschläge auf unsere Verdauungssysteme als grob fahrlässige oder gar vorsätzliche Körperverletzung zu melden.“ „Wie? Ich soll was?!“, Fireball keuchte erschrocken auf. Das war doch nicht Sabers voller Ernst, oder etwa doch? Die Drohung mit der Meldung setzte dem ganzen noch die Krone auf. Er bekam kurzzeitig keinen klaren Gedanken mehr zu fassen, weil Saber ihn eiskalt erwischt hatte: „Ist das ein Befehl? Oder wie soll ich das verstehen?“ „Es ist so zu verstehen, wie ich vorhin sagte: Finde raus, was dir die Petersilie verhagelt...“, Saber verschränkte die Arme vor der Brust und sah Fireball geradeheraus an. Es war ihm ernst. Erstens hielt er das scharfe Essen keinen Tag länger mehr aus und zweitens wurde sonst ein noch größerer Terz daraus, wenn April John den endgültigen Vorzug gab. Colt ergänzte die Worte seines Chefs noch: „Oder was du sonst so an angeblichen Gewürzen in den Topf schmeißt…“, er war sich mit Saber einig. Jetzt war allerhöchste Eisenbahn, alles zu regeln, wenn alle gesund rauskommen wollten. Colt wollte sich gar nicht ausmalen, welche Qualen er beim Essen noch erleiden musste, wenn der jüngste seine Gefühl nicht bald in den Griff bekam. Bevor Fireball ihn unterbrechen konnte, führte Saber noch einmal eindringlich aus: „Und dann tu endlich etwas dagegen. Bis dahin bleibt es beim Kochverbot.“ Das war Sabers letztes Wort für diesen Abend. Er sehnte sich nach dem Bett und einem für den Magen regenerierenden Schlaf. Der Schotte stand auf und verabschiedete sich für die Nacht. Ihm war flau im Magen, dabei hatte er an diesem Abend noch nicht einmal etwas gegessen. Sein Verdauungssystem war tatsächlich am Rande des Zusammenbruchs. Saber wankte in Richtung seines Zimmers davon. Saber sah noch wie Fireball erschlagen nickte, die Botschaft war endlich angekommen: „Gut.“ Colt hakte sich sofort bei Saber unter. Er sah keine Notwendigkeit mehr, noch länger als nötig sitzen zu bleiben, wenn das Liegen im Moment wahrscheinlich besser war. So stützten sich die beiden Männer gegenseitig auf ihrem Weg in ihre Zimmer. Er jammerte und verzog dabei wehleidig das Gesicht: „Ohohoh... Meine Gedärme wollen sich nach außen stülpen...“ Fireball blieb nichts anderes mehr übrig, als ihnen eine gute Nacht zu wünschen. Er selbst blieb noch eine Weile im Esszimmer sitzen, schlich dann jedoch ins Wohnzimmer hinüber, wo er sich im Dunkeln mit dem Bier auf das Sofa setzte und anfing, nachzudenken. April ahnte währenddessen noch nicht einmal was von den Anschlägen, die zuhause auf die Mägen ihrer Jungs verübt wurden. Sie war an jenem Morgen von Fireballs Gebrumme und schroffen Worten erschrocken gewesen und hatte in weiterer Folge für sich beschlossen, Fireball für den Rest ihres Urlaubs aus dem Weg zu gehen. Er war ganz offensichtlich sauer auf sie und auch die anderen beiden, weil sie nicht zur Arbeit mussten, so wie der Rennfahrer. Ihr kam nicht im Entferntesten in den Sinn, dass sich Fireballs Ärger nur auf sie bezog. Schließlich hatte sie ihm ja auch nichts getan. Sie genoss den vorletzten Abend ihres Urlaubs mit John in dessen Wohnung. Sie saß mit ihm auf dem kleinen Balkon, der zwei Stühlen und einem kleinen Tisch gerade so Platz bot. April kam sich beinahe wie in einem kleinen französischen Bistro vor. John war gerade hinein gegangen, um noch einen Flasche Wein für sie zu holen. Sie waren nach dem Abendessen wieder zu ihm gefahren, mittlerweile sparten die beiden es sich, noch in eine Bar zu gehen. Sie waren gerne zusammen und sie genossen die private Umgebung von mal zu mal mehr. April fühlte sich in Johns Gegenwart wohl und sicher. Ansonsten wäre sie auch nie zu ihm nachhause gefahren. Sie hätte John auch ganz gerne mal mit zu sich nachhause genommen, aber bei dem Minenfeld, das im Augenblick dort herrschte, hielt es April für keine gute Idee. Es war noch zu früh, ihn als festen Freund bei den drei Kollegen und Mitbewohnern vorzustellen. April beugte sich nach vor um in die Küche zu sehen, in der John verschwunden war. Er war ein attraktiver Mann, humorvoll und intelligent. Wie viel mehr konnte man sich von einem Mann schon erwarten und wünschen? April beobachtete John und versuchte sich vorzustellen, wie eine Beziehung wohl sein könnte. Gedankenverloren strich sie sich die Haare hinter die Schultern zurück und seufzte. Es würde sich wohl erst zeigen müssen. Vor allem aber würde John erst einmal den Schneid haben müssen, sich mit ihren Jungs zusammen zu setzen. April brachte John nur deswegen nicht mit zu sich nachhause. Sie fürchtete, dass vor allem Colt und Fireball ihn vergraueln könnten. Besonders bei Fireball war sie sich im Moment nicht sicher, ob er John nicht gleich wieder vor die Tür setzte, wenn er mit ihnen am Esstisch Platz nahm. John und Fireball jedenfalls begegneten sich im Hangar regelmäßig, weder der eine noch der andere allerdings hatte sich bisher bei April über den jeweils anderen geäußert. Vielleicht interpretierte sie zu viel in Fireballs schlechte Laune und er war außer Haus wie immer? John war inzwischen wieder aus der Küche gekommen. Er füllte erst Aprils Weinglas, dann seines, ehe er sich zu ihr hinab beugte, und ihr einen Kuss auf die Lippen hauchte: „Ein Penny für deine Gedanken.“ Schlagartig fand April wieder ins Hier und Jetzt zurück. Sie lächelte verlegen und schüttelte ihre Gedanken ab. „Ich hab nur an meine drei Jungs gedacht. Ob sie wohl noch mal auf die Piste gegangen sind?“ John sank auf seinen Platz nieder, griff aber nach Aprils Händen, die auf ihren Oberschenkeln ruhten. Wer es nicht besser wusste, konnte meinen, April hätte bereits drei Kinder. Es klang, als würde sie sich Sorgen machen, dass ihre drei Bälger den Babysitter um den Verstand und die letzten Nerven brachten. Aber sie sprach von ihren Kollegen und Freunden. John wusste längst, dass die Hürde zu Aprils Herzen nicht der überbesorgte Vater sein würde. Er musste damit rechnen, dass er drei Mal mindestens durch den Prüfstand gehen musste und jeden einzelnen von sich und seinen Absichten überzeugen musste, um an Aprils Seite sein zu dürfen. Lächerlich eigentlich, immerhin musste er sich – wenn überhaupt – nur vor April und ihrem Vater verantworten. Trotzdem war John klar, dass April auf das Urteil ihrer Freunde besonderen Wert legte. Abgesehen davon würde es mit ihnen wohl nicht funktionieren, wenn sie ihn nicht mochten oder er Aprils Kollegen nicht ausstehen konnte. Letzteres jedoch sah John als nicht so tragisch und problematisch. Er mochte Saber Rider und seine Crew. John schmunzelte bei dem Gedanken an die drei. Saber und Colt waren unproblematisch, das hatte er bei seiner Unterhaltung mit ihnen schon herausgefunden. Auch Fireball war grundsätzlich ganz in Ordnung, aber das jüngste Mitglied des Team Ramrod war ebenso wie er in April verliebt. Daran bestand für John kein Zweifel. Allerdings schien der Junge zum ersten Mal so richtig verknallt zu sein und diese Gefühle nicht zu verstehen. Der Gute war wohl ein ziemlicher Spätzünder. Weil der Austauschpilot in Mandarins Einheit eben selbst nicht wusste, dass er verliebt war, sah John den Grünschnabel nicht ernsthaft als Konkurrenz. Schon gar nicht, weil April ihre Zeit lieber mit ihm verbrachte, als mit Fireball. Sie fühlte sich zu ihm hingezogen, nicht zu Fireball. Sonst würde sie nicht hier bei ihm sitzen, mit ihm Wein trinken und Zärtlichkeiten und Küsse austauschen. Er zog eine Hand zu sich heran und hauchte ihr einen Kuss auf den Handrücken: „Vielleicht sind sie ausgegangen. Sie kommen auch mal ein paar Stunden ohne dich zurecht.“ John hätte ihr gerne einen Kosenamen gegeben, doch noch schien es ihm zu früh, weshalb er das ‚Schatz‘ am Ende seines Satzes doch lieber wegließ. Irgendwann würde sich der passende Name und Situation ergeben, noch jedenfalls war es nicht angebracht, sie auch für alle anderen ersichtlich als zu ihm gehörig zu betrachten. Aprils Haut prickelte, wo John sie mit seinen Lippen berührte. Sie war sich sicher, dass es längst nicht nur am Alkohol lag, weshalb diese Empfindungen so stark wurden. Es lag viel eher daran, dass sie John anziehend fand. Flink entzog sie ihm ihre Hände, nur um sich weit zu ihm hinüber zu lehnen, ihre Arme auf seine Schultern zu legen und ihn zu küssen. April wollte nicht mehr so viel reden, sie hatten in dieser Woche mehr als genug gesprochen. Wie gut oder wie schlecht es jemanden mit einer Situation ging, wusste meistens nur der Betroffene selbst. Fireball allerdings hatte damit seine Probleme. Er saß im Wohnzimmer und wusste überhaupt nicht, wie er sich fühlte oder weshalb er sich so fühlte. Der Rat von Saber, April um ein Rendezvous zu bitten, war für den Wuschelkopf wie ein Tritt in die Magengrube gewesen. Er hatte bisher nicht im Traum daran gedacht, mit April auszugehen. Himmel, er war doch schon ihre ständige Shoppingbegleitung und Kummerkasten, was sollte er denn noch alles mit ihr unternehmen?! Fireball sträubte sich, April als weibliches Wesen zu sehen oder zu hoffen, dass sie ihn als etwas anderes als ihren Freundinnenersatz sah. Fireball sah sie beide nicht als Paar, konnte es sich noch nicht einmal richtig vorstellen. Sie war doch seine beste Freundin! Immer wieder hörte er Sabers Worte in seinem Kopf, er solle herausfinden, was ihm die Laune so verdarb, nur um im nächsten Augenblick daran zu denken, wie absurd der Gedanke war, er hätte sich in April verliebt. Er konnte es sich nicht vorstellen, vor allem nicht, wann das passiert sein sollte. Frustriert nahm er einen Schluck vom Bier und verzog angeekelt das Gesicht. Wenn’s nicht kalt gewesen wäre, hätte es nach lauwarmer flüssiger Ausscheidung geschmeckt. Vielleicht half ein Keks, den schalen Geschmack loszuwerden. Fireball stand auf um die Kekse vom Esszimmertisch zu holen, machte dann allerdings noch einen Abstecher in die Küche, um sich auch noch was Saures zu holen. Doppelt hielt bekanntlich besser. Schlussendlich saß er mit Bier, Keksen und Chips auf dem Balkon und starrte in den sommerlichen Nachthimmel empor. Sterne sah man in Yuma City so gut wie nie, dazu war die Stadt nachts zu hell erleuchtet. Wollte man eine sternenklare Nacht genießen, musste man schon einige Kilometer außerhalb der Stadt sein Nachtlager aufschlagen. Fireball jedoch hätte so oder so nichts vom Sternenhimmel mitbekommen. Gedankenverloren zog er einen Keks aus der Packung und biss ab. Hatten Saber und Colt Recht? War er in April verliebt? Aber woher sollte er es so genau wissen? Die Klassiker wie weiche Knie und das Aussetzen des klaren Verstandes hatte er bei April nicht. Er konnte sich mit ihr unterhalten, ohne dabei ständig nur dummes Zeug von sich zu geben. Sie verstanden sich gut, und sie verband die Leidenschaft für die Technik. Dabei ergänzten sie sich hervorragend, während April alles computerabhängige bestens im Griff hatte, konnte Fireball alles zusammenschrauben und warten. Aber das war nichts, was nicht von Anfang an da gewesen wäre. Weshalb sollte sich da etwas geändert haben? Da die Kekse nach Staub schmeckten, versuchte es Fireball nun mit den Chili-Chips, die noch im Regal gelegen hatten. Aber wegen John machte er doch nicht so einen Aufstand, oder etwa doch? April war in den letzten Jahren immer wieder mal ausgegangen und hatte Dates gehabt, das war nun mal der Lauf der Dinge. Er war ja selbst auch mit Frauen ausgegangen. Allerdings war es meistens bei nur einem Rendezvous geblieben, mehr war aus keinem einzigen geworden. Ähnlich war es auch bei April gewesen. Fireball hatte nie ein besonders gutes Gefühl dabei gehabt, wenn April sich mit einem Mann traf, aber das hatten auch Colt und Saber gehabt. Was also unterschied die Reaktion der beiden so massiv von seiner eigenen? Saber und Colt konnten sich mit John arrangieren und hatten auch gute Laune, aber er saß jeden Abend wieder mit der Laune im siebenundsiebzigsten Untergeschoß einer Tiefgarage da und stopfte alles in sich hinein, so wie gerade eben. Nichts schmeckte, nichts füllte das Loch. Kurzum war alles scheiße. Was, wenn Saber wirklich recht hatte? Was, wenn alles scheiße war, weil er Idiot sich in seine beste Freundin verliebt hatte und es nicht wahrhaben wollte? Zog ihn sein Unterbewusstsein so runter und brachen seine Gefühle auf andere Weise an die Oberfläche, weil er es schon längst wusste, aber nicht zulassen wollte? Fireballs Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Er legte sich eine Hand an die schmerzende Stelle und krümmte sich. Zerknirscht ließ er den Kopf hängen. Konnte das denn wahr sein? Wieder zwickte es in seinem Magen. Was würde passieren, wenn April seine Gefühle nicht erwiderte, wovon er ausging? Nun fing es in seinem Magen endgültig zu rumoren und krampfen an. Fireball presste nun beide Hände auf seinen Bauch und hoffte, dass der Krampf bald vorbei ging. Wo gerade noch ein leeres Loch gewesen war, fühlte es sich jetzt an, als würde es ihn jeden Moment zerreißen. Das Gefühl, dass etwas in seinem Magen verbrannte, kroch immer weiter hoch. Schließlich fühlte es sich an, als ätzte es sich durch seine Speiseröhre und weiter seinen Hals hinauf. Oh, verdammt, so musste es sein, wenn man innerlich verbrannte. Fireball trat der Schweiß auf die Stirn und mehr noch als die körperlichen Schmerzen, stach ihn die Erkenntnis, wie schleichend und trotzdem unerwartet sich April in sein Herz geschlichen hatte. Beinahe wie ein Vulkan brach die Erkenntnis aus Fireballs Innersten hervor. Fireball sprang von seinem Platz auf, denn was anderes wollte auch heraus brechen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Angewidert hielt er sich eine Hand vor den Mund und spurtete ins Bad. Hoffentlich ging nichts daneben. Der nächste Morgen begann für Saber und Colt ausgeruht und beschaulich. Keinem der beiden war mehr flau, sie fühlten sich wieder besser. Sie wunderten sich auch nicht großartig, von Fireball nichts zu sehen. Es war sein letzter Tag in Mandarins Einheit und wie sie den Piloten kannten, war der sicherlich mit den ersten Sonnenstrahlen aus dem Haus verschwunden. Während Colt zwei Tassen Kaffee vorbereitete, ließ Saber vorsorglich die Überreste des Abendessens im Müllschlucker verschwinden. Er wollte nicht riskieren, dass das Zeug in aufgewärmter Form zum Mittagessen vor seiner Nase stand und ihn zu einem Duell auf Leben und Magentod herausforderte. Bald darauf öffnete sich auch die Wohnungstür und spülte eine fröhliche April herein. Sie hatte eine kleine Tüte Brötchen in den Händen und begrüßte kurz darauf ihre Jungs in der Küche: „Hey, guten Morgen!“ Colts Gesicht begann bei Aprils Anblick zu strahlen. Obwohl, viel mehr ließ ihn die Aussicht auf ein tolles und üppiges Frühstück strahlen. Er begrüßte die Freundin und stand sofort noch einmal auf, um auch ihr einen Kaffee zu machen. Saber brachte solange auch ein Gedeck für April an den Tisch, ihre Kollegin brauchte sich nur noch mit den Brötchen zu setzen und es sich gut gehen zu lassen. Die drei frühstückten gemeinsam. Die vergangene Woche hatten sie sich daran gewöhnt nur zu dritt zu sein, Fireball war meistens schon weg, wenn die drei in die Puschen kamen. An diesem Tag allerdings wunderte sich April schon etwas über den Verbleib des Rennfahrers. Sie war durch die Tiefgarage ins Haus gegangen, weil das der kürzeste Weg gewesen war und hatte Fireballs Wagen noch auf dem Parkplatz stehen sehen und dachte daher, dass er noch zuhause war. Nachdem Colt, Saber und sie sich in einer normalen Lautstärke unterhielten und auch mal lachten, musste der Miesepeter sicherlich jeden Moment in der Küche auftauchen. Als aber nach einer guten halben Stunde und einer Tasse Kaffee immer noch nichts von Fireball zu sehen war, hakte April doch nach: „Wo ist Turbo?“ Unbeteiligt zuckte Colt mit den Schultern, Saber hob ebenfalls die Hände: „Ich denke, der ist schon weg.“ Wie gesagt, keiner von ihnen war deswegen beunruhigt. Fireball war immerhin die vergangene Woche jeden Tag vor ihnen weg gewesen und nachdem aus der übrigen Wohnung keine wie auch immer gearteten Geräusche drangen, konnte er nur im Hangar sein. Schließlich stand Colt auf. Nach dem zweiten Kaffee und einem Frühstück, das einem nicht alles zubrannte, vermeldete die Blase einen Ölwechsel. Er entschuldigte sich bei seinen Freunden kurz und verschwand im Bad. „Oh wow!“, entfuhr es Colt, als er die Badezimmertür öffnete. Er traute seinen Augen kaum, weshalb er kurz blinzelte. Als er die Szenerie allerdings im vollen Ausmaß erfasst hatte, stieß er die Tür ganz auf und rief in den Flur hinaus: „So was sieht man auch nicht alle Tage!“ Vor Colt bot sich ein herrliches Bild mit Seltenheitswert. Unter dem Fenster saß, lag, schlief – Colt konnte es nicht so genau sagen, was der Schluck Wasser in der Kurve genau machte – Fireball, bleich wie eine Wand. Der Japaner hing neben der Toilette und atmete schwer, ein nasses Handtuch um den Nacken gelegt. Colt grübelte gerade, ob Fireball ihn überhaupt wahrgenommen hatte, da erschienen auch schon Saber und April im Bad. April blieb etwas hinter Saber stehen und schielte an Colt vorbei ins Bad. Obwohl Fireball wie ein Häufchen Elend neben der Toilette kauerte, hielt sich Aprils Empathie dieses Mal in Grenzen. Es sah für sie aus, als hätte er einen über den Durst getrunken. Deshalb verschränkte sie die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen den Türrahmen: „Will ich wissen, was los ist?“ Saber ging an Colt vorbei, direkt auf Fireball zu. Im Badezimmer roch es scharf nach Erbrochenen und Magensäure. Beherzt riss der Schotte also das Fenster hinter Fireball auf und war froh, überhaupt ein Bad mit Fenster zu haben. Auf Ramrod wäre das noch grausamer für alle gewesen. Ein kleines hämischen Grinsen jedoch zeigte sich auf Sabers Gesichtszügen, als er die Umstehenden an seiner Vermutung teilhaben ließ: „Riecht, als hätte er sich unsere Worte noch mal durch den Kopf gehen lassen.“ Colt lachte ebenfalls und wies auf Fireball hinab: „Einmal vorwärts und einmal rückwärts, zum besseren Verständnis vielleicht. Oder was meinst du, Boss?“ Fireball sah gar nicht gut aus, aber wegen des Gesprächs vom Vorabend überwog bei Colt statt der Sorge die Schadenfreude. Es schien, als hätte der Körper nach einer Woche Selbstgeißelung gestreikt und über den Sturkopf gesiegt. Er hatte es geahnt! Fireball hätte sich im Morgengrauen ins Bett schleppen sollen, dann wären ihm die Häme seiner Freunde erspart geblieben. Aber er war nicht fähig gewesen, sich aufzurappeln. Er hatte die restliche Nacht im Bad verbracht und sich immer wieder übergeben. Ihm war nach wie vor übel und sein rebellierender Kreislauf erklärte ihm, dass er dringend Flüssigkeit zu sich nehmen sollte. Benommen murmelte er, die Augen geschlossen und den Kopf in den Nacken gelegt: „Bitte lasst mich hier einfach sterben.“ Colt bekam schon fast Mitleid mit Fireball. Er wirkte alles in allem erbärmlich, da meldete sich sogar bei Colt beinahe der Mutterinstinkt, und er war ein Kerl! Als er bemerkte, wie sich Fireball aufrichtete, griff er dem Wuschelkopf kurzentschlossen unter die Arme und zog ihn hoch. Auch, wenn er die schweißnasse, kalte Hand von Fireball spürte, war er dennoch gehässig mit seinem Kumpel: „Ne, sicher nicht. Ist so viel lustiger.“ Dankbar für die Starthilfe nickte Fireball Colt zu. Er wankte einige Schritte an Saber und auch Colt vorbei aus dem Bad. Er fragte sich, ob er überhaupt bis in sein Zimmer kam oder ob er sich nicht im Flur schon wieder hinsetzen musste, weil ihm so elend war. Fireball ging es gar nicht gut, dass April, die er vor einigen Tagen angemault hatte, sich nun auch noch entschlossen hatte, ihm die Retourkutsche dafür zu verpassen, machte es gleich noch schlimmer. April beobachtete den Rennfahrer argwöhnisch. Er hatte noch immer verdächtigen Seegang, was hatte er nur alles in sich hinein geleert? April erkannte ihren gemeinsamen Freund kaum wieder. Sie sah ihm nach und schüttelte den Kopf. Das sah Fireball nicht ähnlich, aber vieles in dieser Woche hatte ihm nicht ähnlich gesehen. April bot ihm einsilbig an: „Kaffee?“ Fireball brauchte nur an den Geruch des Muntermachers zu denken, drehte sich ihm der Magen schon wieder um. Sein Körper reagierte mit kaltem Schweiß auf der Stirn und dem Androhen, den Dienst endgültig zu quittieren. Fireball schlug das Angebot schwach aus: „Maximal `ne Tasse Magenfreund.“ Colt und Saber horchten auf. April war eingeschnappt, was hatten sie nicht mitbekommen? Der Lockenkopf warf seinem Boss einen schnellen Blick zu. Ob ihr Ratschlag am vorigen Abend zu spät gekommen war? Mit Pech brauchten sie bald einen neuen Piloten oder jeder einen kybernetischen Verdauungstrakt, der auch Schwefelsäure standhielt. Saber war mittlerweile besorgt. Fireball lehnte Kaffee zum Frühstück nur ab, wenn er richtig krank war. Sogar mit Grippe brauchte der Japaner seine tägliche Koffeeindosis, selbst, wenn der Kaffee dann nach nichts schmeckte. Saber beschloss, in der Nähe seines jungen Freundes zu bleiben und ein Auge auf ihn zu haben, wenn schon Colt und auch April den Ernst der Lage zu unterschätzen drohten. „Hast wohl sonst keine Freunde“, kam noch ein spitzer Kommentar von April. Was auch immer Fireball getrieben hatte, wären Saber oder auch Colt bei ihm gewesen, wäre es nicht so eskaliert, dass sie nun eine Alkoholleiche im Haus hatten, die obendrein eigentlich im Dienst sein sollte. Den Kräutertee konnte er sich wohl aufzeichnen, um sich selbst einen aufzusetzen, war Fireball zu ausgezehrt. Er wollte nur noch zusehen, dass er seinen Freunden nicht noch eine Showeinlage lieferte, und ihnen vor die Füße fiel. Mit einer Hand an der Wand wankte er weiter in Richtung seines Zimmers, murmelte aber noch aufrichtig: „Nicht viele… Dafür aber gute.“ Damit waren Colt und Saber gemeint, die ihm die Augen geöffnet hatten. Auch wenn er die Erkenntnis des Abends im wahrsten Sinne des Wortes zum Kotzen gefunden hatte. Seine Freunde hatten ihn zum Nachdenken gezwungen und zumindest ein gutes hatte es. Er spürte sich wieder, leider mit allem drum und dran und allen Wehwehchen, die ihn gerade so plagten. So wie er war ließ er sich ins Bett gleiten. Irgendwas zwischen Schüttelfrost und Schweißausbruch umfing ihn, als er die Augen schloss und sich wünschte, es möge ein Ende finden. Saber sah Fireball unbehaglich nach. Er trug Colt auf, dem Wuschelkopf vorsichtshalber einen Eimer neben das Bett zu stellen und April sollte den erwähnten Kräutertee aufsetzen. Er selbst meldete Fireball für diesen Tag im Oberkommando krank. So schadenfroh seine Freunde auch waren, trotzdem waren sie da und halfen zusammen. Colt stellte einen Eimer neben Fireballs Schlafstätte und bläute ihm ein, sich zu melden, wenn er etwas brauchte. Auch April schlich kurze Zeit später in Fireballs Zimmer. Sie hatte eine große Kanne Tee und eine Tasse dabei, die sie auf seinem Nachttischchen platzierte. Bevor sie das Zimmer verließ, hielt April einen Augenblick inne und musterte Fireball. Immer noch stand ihm der Schweiß auf der Stirn und jegliche Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Gut war definitiv anders. April entschied sich kurzerhand, noch einen kalten Lappen zu holen. Sie strich ihm die Haare sachte aus der Stirn und legte den Lappen darauf. Mittlerweile ebenfalls besorgt, aber immer noch auch empört von so viel Unvernunft, flüsterte sie: „Was lässt du dich auch so volllaufen, Fireball.“ Natürlich erhielt sie keine Antwort mehr, Fireball hatte sie an diesem Morgen noch nicht einmal angesehen. April wandte sich ab, kippte noch sein Fenster und ließ die Jalousien herunter, damit er etwas Frischluft hatte und schlafen konnte. Hoffentlich war ihm sein Zustand eine Lehre und er würde nie wieder so viel Alkohol trinken. Sie verließ das Zimmer und lehnte die Tür nur an. April wollte sichergehen, dass sie ihn hören würden, wenn er sie brauchte. Fireball kam den restlichen Tag nicht mehr aus seinem Zimmer, manchmal hörte man jedoch, wie er sich mühsam aufrappelte, etwas trank und dann weiterschlief. Mandarin hatte es zwar hingenommen, dass Fireball ausfiel, doch Saber hatte ihr angehört, wie enttäuscht der rothaarige Captain darüber gewesen war. Ihre Crew hatte ein kleines Abschiedsritual für ihn vorbereitet, das nun krankheitsbedingt ausfallen würde. April regte sich beim Mittagessen darüber auf, dass sie an ihrem letzten freien Tag in Yuma einen verkaterten Fireball hüten mussten. Da April darüber ernsthaft verstimmt war, entschied sich Saber, ihre Navigatorin aufzuklären. Zwar nicht darüber, worüber sich Fireball den Kopf zerbrochen hatte, allerdings über den Grund für seine momentane Lage. Saber sah es als seine Pflicht, denn immerhin nahm April bei ihrem neuerlichen Anlauf auch ihn und Colt ins Gebet: „Ich fasse es nicht, dass ihr beide zulasst, dass er sich so abschießt.“ Der Recke brachte das Dessert für alle an den Tisch, dabei nickte er in Richtung des Zimmers, in dem Fireball schlief: „Er hat sich den Magen verdorben.“ April nahm ihren Nachtisch in Empfang und sah Saber mit großen Augen an. Versuchte der Schotte Fireball in Schutz zu nehmen? Wie konnte sich Fireball den Magen verdorben haben, halb komatös deshalb im Bett dahinvegetieren und den beiden älteren fehlte nichts? Nein, das konnte die Blondine nicht glauben: „Klar hat er das, mit übermäßigem Alkoholkonsum.“ „Nein, Prinzessin“, Saber ließ sich wieder auf seinem Platz nieder. Er wunderte sich ernsthaft, dass April es nicht glauben wollte. Sie schien mit Fireball aneinander geraten zu sein, irgendwann in dieser Woche, ohne dass es er oder Colt mitbekommen hatten. Jedenfalls war ihm im Bad an diesem Morgen schon aufgefallen, dass April schroff und schnippisch dem leidenden Rennfahrer gegenüber gewesen war. Auch, wenn es vielleicht so ausgesehen haben mochte, von zwei kleinen Magenbitter und einem angetrunkenen Bier, das Saber am Vormittag vom Balkon geräumt hatte, betete kein Erwachsener den Gott des Porzellans an. Fireball hatte am Vorabend als einziger und reichlich von diesem Giftgemisch, das er Essen genannt hatte, gegessen. Colt half dem Schotten aus, der nach Worten zu suchen schien. Er stieß die Gabel in seinen Kuchen und erklärte April: „Du weißt das natürlich nicht, Prinzessin, weil du in dieser Woche kein einziges Mal mit uns zu Abend gegessen hast. Aber wir hier“, er zeigte mit einem leidigen Gesichtsausdruck auf Saber und sich: „haben uns kontinuierlich in den Skrupelgraden gesteigert. Fireball hat uns Dinge vorgesetzt, die den stärksten Ochsen zum Schweißausbruch getrieben hätten.“ Verwundert zog April die Augenbrauen nach oben. Ihr war klar, dass Colt nicht Skrupel, sondern Scoville, die Einheit für den Schärfegrad eines Lebensmittels, gemeint hatte. Sie konnte seinen Worten keinen rechten Glauben schenken, zumal er und Saber verhältnismäßig munter hier saßen und sich über das Essen hermachten. „Wir haben gestern beschlossen, in den Streik zu treten und nichts mehr zu essen, das von unserem Kochteufel zubereitet wird“, Saber übernahm wieder und erklärte April mit einem Schaudern an die Erinnerung daran, wie ihm die Augen getränt hatten: „Ich bin nicht wehleidig, aber dieser Eintopf gestern war so scharf, dass mir die Tränen schon beinahe waagrecht aus den Augen geschossen sind, nur weil ich mit den Dämpfen in Berührung gekommen bin.“ Colt nickte eifrig: „Saber hat ihm verboten, noch irgendwas zu kochen.“ „Die Reste habe ich heute Morgen im Müllschlucker entsorgt, bevor es uns die Kochgefäße durchätzt“, Saber wollte aber auch nicht riskieren, dass irgendjemand noch einmal davon probierte, sei es freiwillig oder aus Unwissenheit. Das Gericht war ja beinahe waffenscheinpflichtig gewesen. Ungläubig ließ April ihre Gabel auf den Teller sinken und lehnte sich zurück. Colt und Saber waren sich einig, wankten nicht in ihren Erklärungen. Sie mussten die Wahrheit sagen. April begann sich unweigerlich zu fragen, ob in Mandarins Einheit etwas vorgefallen war, was ihrem Piloten so sehr zu schaffen machte, dass er sich beinahe vergiftete, nur um nicht mehr hin zu müssen. Nichts desto trotz ließ sich April ihren letzten Abend auf Yuma nicht verderben. Da Fireball flach lag, traute sie sich sogar, John zu sich in die Wohnung zu bitten, während sie sich noch fertig anzog. Colt und Saber hatten zugestimmt, den Abend zuhause zu verbringen und den Kranken unter Aufsicht genesen zu lassen. John saß mit Saber und Colt also im Wohnzimmer und unterhielt sich mit den beiden. Natürlich hatte er vor dem Telefonat mit April an diesem Tag schon gehört, dass Ramrods Pilot flach lag. Gut erzogen erkundigte er sich deshalb nach dessen Zustand, ehe er mit den anderen beiden Männern über die nächste anstehende Mission sprach. Er würde natürlich keine Details erfahren, aber zumindest wohin es ging und wie lange es dauerte, bis Ramrod wieder nach Yuma zurück kam. John wollte wissen, wie lange er von April nichts hören würde. Es freute ihn zu erfahren, dass diese Mission keiner Kommunikationssperre unterlag und April sich jederzeit bei ihm melden konnte. Nachdem April bereit war, kam sie zu den Jungs ins Wohnzimmer. Sie wollte John aus den kritischen Fängen von Colt und Saber befreien, doch wider Erwarten saßen die drei lachend zusammen. Das Paar verabschiedete sich von den beiden Männern, dann stattete April Fireball noch einen schnellen Kontrollbesuch ab. Leise stieß sie die Tür einen Spalt auf, während auch John hinter ihr in der Tür erschien. Fireball wandte sich desorientiert der Lichtquelle zu, er hatte vor sich hin gedämmert. Nun hörte er Aprils Stimme: „Schlaf gut, Turbo.“ Er hatte alle Mühe, die Augen auf zu bekommen, aber stand da hinter April John? Fireball tat es als Einbildung ab, was hätte der Ingenieur hier verloren? John hatte sich selbst von dem Elend überzeugen wollen, weshalb er April gefolgt war. Er stand hinter der blonden Frau und sah auf Fireball hinab. Unweigerlich fragte sich John bei diesem Anblick, wie die vier morgen starten wollten. Saber und Colt hatten nicht übertrieben. Der kleine Flieger war streichfähig. John hob die Hand: „Gute Besserung, Fireball.“ Fireballs Antwort war eine Mischung aus Stöhnen und Brummen, während er sich kraftlos die Decke über den Kopf zog. Er war weder aufnahmefähig noch -willig. April zog die Tür wieder zu, sie war sich nicht sicher, ob Fireball überhaupt etwas mitbekommen hatte. Aber sie hatte noch einmal nach ihm gesehen, das war sie ihm als Freundin schuldig. Mehr Gedanken darüber wollte sich April an diesem Abend nicht mehr machen. John hatte sie ins Kino eingeladen und auf den Film freute sie sich schon. Sie wollte die Zeit mit John genießen und sie nicht mit Grübeleien verschwenden. „So schnell gammelt man wie ein altes Ehepaar abends auf der Couch, Säbelschwinger“, Colt kam aus der Küche mit einer Schüssel Popcorn zurück und setzte sich neben Saber auf das Sofa. Die beiden Männer hatten sich entschieden, an diesem Abend die Küche kalt zu lassen und sich mit Leckereien über Wasser zu halten. Er und Saber würden den letzten Abend des Heimaturlaubs ruhig ausklingen lassen und sich einen Film ansehen. Weder Colt noch Saber hatten den Drang verspürt, alleine noch mal auf die Piste zu gehen. Sie gönnten April die Auszeit und blieben beide faul zuhause. Sogar Saber hatte sich zwischenzeitlich in einen bequemen Trainingsanzug geworfen und lümmelte auf dem Sofa. Sie hatten in dieser Woche ihren Spaß gehabt, keiner wollte den anderen nun hängen lassen und ihn alleine als Krankenpfleger für Fireball antreten lassen. Voller Genuss machten sie sich über das Knabbergebäck her und freuten sich, dass ihre Geschmacksknospen langsam wieder Normalwerte erreichten. Sie unterhielten sich über Gott und die Welt und natürlich landeten sie auch das ein oder andere Mal bei Frauen und der Liebe. April saß mit John beinahe alleine in dem großen Kinosaal. Außer ein paar anderen Pärchen stand wohl niemandem der Sinn nach einer Romantikkomödie. Johns Hand lag leicht auf Aprils Oberschenkel, strich immer wieder sanft darüber. April genoss diese Berührungen sehr, sie zeigten seine Zuneigung. Irgendwann glitt auch Aprils Hand auf Johns Seite und wanderte über seinen Oberschenkel. Leicht drückte sie ihn und freute sich, als er die Geste erwiderte. In dem Film ging es um verschiedene Liebesbeziehungen und Stadien einer Beziehung. Immer wieder gab ein Außenstehender einen Rat. Auch, wenn die Geschichten an den Haaren herbei gezogen waren und romantisch verklärt, ein Fünkchen Wahrheit war immer dabei. April fesselte vor allem der Handlungsstrang, in dem eine junge Frau einen Mann kennen lernte, welcher sich nach dem ersten Date nicht mehr meldete. Der Barkeeper, in dessen Bar sie sich damals zum Date getroffen hatten, erklärte ihr, dass Männer, die ernsthaft an einer Frau interessiert waren, sich meldeten, von sich aus Treffen vorschlugen und es möglich machten, sich zu sehen. Als sie nach diesem Abend ins Auto stiegen, machte John zuvorkommend den Vorschlag: „Du musst morgen früh raus. Soll ich dich nachhause fahren?“ Natürlich hoffte er, dass sie nein sagte und die Nacht noch einmal mit ihm verbringen wollte. Aber er wollte zumindest gefragt haben und April die Wahl lassen. Sie sollte entscheiden, was sie tun wollte. Während er auf eine Antwort wartete, startete er den Wagen. April überlegte kurz. Ja, am nächsten Morgen hieß es früh aufstehen und sich auf die neue Mission einzulassen. Niemand von Ramrod hatte seine Habseligkeiten wieder auf dem Schiff verstaut, deshalb war das auch noch zu erledigen. Aus diesen Überlegungen heraus war für April klar, dass sie an diesem Abend früher ins Bett sollte um ausgeruht zu sein. Eine Nacht bei John schied daher für sie dieses Mal aus. Sie wollte nicht noch früher aufstehen müssen und sich von John dann zum Appartement fahren lassen. Aber sie wollte auch nicht, dass der Abend bereits endete. Etwas verlegen strich sie sich Haare aus dem Gesicht und sah zu John hinüber, der bereits aus der Parklücke ausparkte: „Möchtest du ausnahmsweise bei mir bleiben?“ Sie hatte es mutig ausgesprochen. April kostete es Überwindung John darum zu bitten, immerhin wohnte sie in einer außergewöhnlichen WG und die Jungs würden John am nächsten Morgen am Frühstückstisch die Beichte abnehmen, wenn er bei ihr über Nacht blieb. Doch April fühlte sich bereit für diesen Schritt. Sie war nun jeden Abend bei John gewesen, hatte sich jedes Mal wunderbar mit ihm unterhalten und sich wohl gefühlt. Sie war sich ihrer Gefühle so sicher, dass sie sich auch in der Lage sah, John vor ihren Jungs zu verteidigen. John klatschte sich im Gedanken selbst ab. Ja, klar würde er auch bei ihr bleiben! Noch eindeutiger konnte man niemandem von einer Beziehung berichten, als mit Tatsachen. April konfrontierte ihre Kollegen also am nächsten Morgen mit seiner Anwesenheit. Sie ließ ihn in ihre vier Wände, das hieß, auch für April war aus dem lockeren Wiedersehen der Wunsch nach einer gemeinsamen Beziehung geworden. John sollte es recht sein. Er wollte nur bei April sein. Nach einer kurzen Pause, nickte er, fragte aber vorausschauend nach: „Ist es für deine Freunde denn in Ordnung, wenn ich bei dir übernachte?“ Aprils Hand wanderte zu Johns an den Ganghebel. Sie verschränkte dort ihre Finger mit seinen und nickte: „Natürlich. Sie mögen dich. Solange du ihnen morgens kein Ohr abkaust und für frische Brötchen sorgst.“ Mit einem freudestrahlenden Lächeln nickte nun auch John. Er wusste nicht genau, was ihn heute Nacht noch erwartete, aber er freute sich darauf. April hatte sich entschieden und machte es offiziell. Obwohl das Bett eng gewesen war, hatte John gut geschlafen. Kuscheln war sozusagen ein Muss gewesen, das gefiel John außerordentlich gut. Mit April im Arm aufzuwachen war ein atemberaubendes Gefühl und weckte im Ingenieur das Bedürfnis, mehr zu wollen. Die ersten Sonnenstrahlen hatten den dunkelhaarigen Mann aus dem Schlaf gekitzelt. Er blieb noch einige Minuten mit April im Arm im Bett liegen, ehe er sich entschied, seiner Freundin Frühstück zu holen. John schob April sachte von seinem Arm und krabbelte leise aus dem Bett. Er schlüpfte in seine Hose und warf sich das Hemd über die Schultern. Er warf noch einen zärtlichen Blick auf April, die ihm den Rücken zugewandt hatte. Sie schlief noch selig und friedlich. Er schlich leise aus dem Zimmer. John zog die Tür geräuschlos ins Schloss und senkte den Kopf auf sein Hemd hinab, damit er die Knöpfe richtig zumachen konnte. Da es noch leise in der Wohnung war, ging er davon aus, dass noch niemand wach war. Als er jedoch das nächste Mal aufsah, stand ihm plötzlich einer von Aprils Mitbewohnern gegenüber. Um Johns Mundwinkel formte sich ein wissendes Grinsen. John wusste, wie die Szenerie wirkte. Er schlich immerhin früh morgens aus dem Zimmer einer Frau und war noch nicht richtig angezogen. Er flüsterte einen Gruß: „Hey, Kleiner! Du bist wieder auf den Beinen, das freut mich.“ Fireball hatte die Nacht zum Glück durchgeschlafen, dennoch war er noch schwach. Mit fahrigen Bewegungen machte er sich auf den Weg in die Küche. Er hatte noch die verschwitzten Klamotten vom Vortag an, die feucht an seiner Haut klebten und ihn auskühlten. Fireball war im ersten Moment froh gewesen, dass sich der Schwindel in Grenzen hielt und sein Magen endlich aufgehört hatte, dauerhaft zu schmerzen. Als er im Flur John entdeckte, der wie ein Hühnerdieb aus Aprils Zimmer geschlichen kam, hätte er sich am liebsten gleich wieder übergeben. Er presste hervor: „Danke, ja, geht wieder.“ Was hätte er auch antworten sollen? John kam aus Aprils Zimmer! Wieso nur hatte er das sehen müssen? Fireball versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie ihn John gerade aus dem Konzept gebracht hatte. Er schluckte unbehaglich und zeigte ins Badezimmer: „Ich…“ Zerplatzte Träume erkannte John sofort. Irgendwie tat es John leid, doch ihm lag auch viel an April und er hatte nicht vor, sich das Mädchen von einem Jungen ausspannen zu lassen. Er nickte Fireball zu: „Mach du wieder einen Menschen aus dir und ich bereite uns ein Frühstück vor.“ Bis er endlich aus dem Bad war, waren auch die anderen aufgestanden und hatten sich zu John an den Frühstückstisch gesetzt. Fireball hatte keine Lust gehabt, mit ihm ein Gespräch zu führen. Er verstand sich zwar grundsätzlich gut mit John, jedoch kam er mit ihm nicht ganz so gut klar, wenn es um April ging. Verständlich, aber unreif und das wusste auch Fireball. Er stand nach der Dusche vor dem Spiegel im Bad und starrte gedankenverloren hinein. Der gestrige Tag und die Nacht davor hatten noch immer deutliche Spuren an Fireball hinterlassen. Mit einem Seufzen gestand er sich ein, dass er für den Start in den Tag eigentlich auch noch keine Kraft hatte. Er wollte sich nicht John gegenüber sehen, der ihn in jeder Hinsicht alt aussehen ließ, obwohl er ihn wie einen kleinen Bruder behandelte. John ließ ihn spüren, dass er in dessen Augen nicht mehr als ein Teenager war. Der Rat seiner beiden Freunde war wohl zu spät gekommen und seine Erkenntnis erst recht. Fireball putzte sich schließlich gründlich die Zähne und versuchte, seine Mähne zu bändigen, bevor er sich wieder unter Leute traute. Colt schob ihm eine Tasse Kaffee über den Tisch, als sich Fireball mit einem leisen Gruß zu ihnen setzte. Der Lockenkopf musterte seinen Kumpel und nickte zufrieden: „Siehst wieder besser aus.“ „Wasser wirkt manchmal Wunder“, zwar klang er schon wieder ganz passabel, aber über den Kaffee traute er sich noch nicht. Fireball schob die Tasse deswegen von sich, verzichtete auf Koffein und auch auf die üppigen Leckereien, die auf dem Tisch standen. Colt zog verwundert beide Augenbrauen nach oben, als er beobachten konnte, wie Fireball sich lieber wieder einen Kräutertee machte. Es wunderte ihn jedoch dessen Reaktion auf John noch mehr. Fireball hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als er sich neben John gesetzt hatte. Saber gab Colt mit einem kaum merklichen Kopfschütteln zu verstehen, einfach die Klappe zu halten und kein weiteres Unheil herauf zu beschwören. Ihm war klar, dass der Wuschelkopf trotz des erholsamen Schlafes und der Ruhe, die er am Vortag hatte, noch etwas angeschlagen war und dass John wie selbstverständlich an ihrem Tisch saß, machte es wahrscheinlich gerade nicht besser. Er und der Cowboy sollten daher lieber versuchen, anders zu helfen. April hingegen saß mit einem verklärten Lächeln am Tisch und genoss die Runde. Sie hatte gut geschlafen, ihre Jungs und ihr Freund vertrugen sich, das entschädigte auch für das frühe Aufstehen. Genüsslich biss sie daher in ihr Marmeladebrötchen. „Für wann ist der Abflug heute angesetzt, Boss?“, Fireball setzte sich mit einer großen dampfenden Tasse Tee wieder an den Tisch. Nachdem er am Vortag einen Totalausfall erlitten hatte, war er auch nicht bei den letzten Vorbereitungen für ihren Abflug gewesen. Er wollte daher zumindest eine grobe Orientierung haben und wissen, wie viel Zeit er noch für seine Aufgaben hatte. Saber zog sein Telefon aus der Tasche, scrollte einige Nachrichten nach unten und las allen am Tisch dann laut vor: „Der Startslot ist uns für zehn Uhr heute Vormittag zugeteilt. Dann ist Abflug, meine Dame und Herren!“ Dabei musterte Saber auch April. Er war überrascht gewesen, dass sie John mit nachhause gebracht hatte, aber andererseits hatte sie die vergangene Woche immer auswärts übernachtet. Die Freundin war nun offenbar vom Markt. Seine Schultern sanken entmutigt nach unten. Denn diese Entwicklung konnte an Board einige Probleme bedeuten. Zwar nicht von Aprils Seite, aber vom Wuschelkopf. Saber fragte sich unweigerlich, ob Kochverbot das einzige war, das er in nächster Zeit aussprechen musste. Hoffentlich kam Fireball damit klar und in weiterer Folge auch er und Colt. Nachdem Vorräte und persönliche Sachen auf Ramrod verstaut waren und der Startzeitpunkt näher rückte, entschuldigte sich Fireball noch einmal bei seinen Freunden. Er sollte sich noch einmal im Hangar blicken lassen, bevor sie aufbrachen. Saber nickte verstehend, stand wenig später aber mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck an der Glasfront des Friedenswächters und sah dem jüngsten Teammitglied nach. So sehr es ihn gefreut hatte, dass Fireball von sich aus um Training mit den anderen Piloten gebeten hatte, so kritisch begann Saber es nun zu sehen. Er fragte sich, ob Fireball auf Dauer noch auf Ramrod bleiben wollte, wenn Aprils Beziehung mit John dauerhafter Natur sein sollte. April erschien neben Saber und sah ebenfalls auf das Rollfeld hinab. Sie hatte sich von John im Hangar verabschiedet und war Fireball auf halben Weg in die Arme gelaufen. Nun verfolgte sie mit einem besorgten Blick die Szenerie, die sich ihr und Saber bot. Fireball stand mit Mandarin vor dem Hangar ihrer Einheit, hatte sich kurz höflich vor ihr verbeugt und für den Ausfall am Vortag entschuldigt. Die rothaarige drehte sich daraufhin um und verschwand. April sah sich in ihrer Vermutung bestätigt, dass Fireball im Hangar bei Mandarin in der vergangenen Woche kein leichtes Leben hatte. Das tat ihr leid für den Wuschelkopf, er war doch eigentlich ein unkomplizierter Zeitgenosse. Sie strich Saber über die Schulter, als sie sich abwandte und ihn wissen ließ: „Ich helfe Colt noch schnell mit den Tiefkühlsachen. Nicht, dass das Eis schon alle ist, bevor wir starten.“ April verschwand aus dem Kontrollraum und Saber beobachtete, wie Mandarins Crew seinen Piloten umringte. Der Japaner verbeugte sich noch einmal höflich, bedankte sie offenbar für die Chance, die er von ihnen bekommen hatte und wurde im Gegenzug dafür, herzlich verabschiedet. Viele klopften Fireball auf die Schulter, manche tätschelten seinen Kopf und wieder andere umarmten ihn zum Abschied kurz. Mandarin drückte Ramrods Piloten ein Küsschen auf die Wange, legte einen Arm um ihn und zeigte auf Ramrod. Saber konnte zwar nicht verstehen, was sie Fireball noch mit auf den Weg gab, aber sie klopfte ihm noch einmal freundschaftlich auf die Schulter, ehe sie ihn endlich entließen. Saber verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Fireball war gut von Mandarins Einheit aufgenommen worden. Die ersten beiden Tage zog sich Fireball vor seinen Freunden merklich zurück. Ob es an seinem lädierten Magen lag, oder an der unliebsamen Überraschung beim Frühstück, traute sich niemand so recht zu sagen. Colt nahm sich vor, dem Rennfahrer bei Gelegenheit auf den Zahn zu fühlen, vor allem dann, sollte sich dessen Miene nicht merklich bessern. Lachen hatte er Fireball seit ihrem Urlaub nicht mehr gesehen, das stank ihm zum Himmel. Colt mochte es nicht, es bereitete ihm Sorgen. Nicht nur, dass er um ihr eigenes leibliches Wohlergehen Angst haben musste, sondern auch und vor allem, dass Fireball vielleicht in ein tieferes Loch gefallen war, gefiel Colt nicht. Saber unterhielt sich dafür öfters und ausgiebig mit April. Er lotete mitunter aus, wie ernst es mit John tatsächlich war. Zumindest aber brachte er recht schnell in Erfahrung, dass das alles entscheidende Gespräch zwischen John und April wohl noch nicht stattgefunden hatte. Beide mochten sich, aber ob sie zusammen waren, da war sich April noch nicht sicher. Natürlich, sie hatte bei ihm übernachtet und er auch am letzten Abend bei ihr, aber noch war es irgendwie unverbindlich für beide. April wartete auf ein Zeichen von John, jedoch in den ersten beiden Tagen vergeblich. Deshalb schlich sie auch manchmal wie ein Spion durch Ramrod und sah sich aufmerksam um. Im All gab es nicht viel Ablenkung und etwas von ihren drei Jungs mitzubekommen, war immer eine willkommene Abwechslung. Doch weder Colt noch Saber hatten ein Eisen im Feuer und wenn doch, konnten sie es vor ihr bravourös geheim halten. Was Fireball betraf, hatte sich ihr Verdacht mittlerweile erhärtet und sah sie diesen auch bestätigt. Er war in Mandarins Einheit hart ran genommen worden, was dem Japaner im wahrsten Sinne des Wortes auf den Magen geschlagen hatte. Es schien mit jeder Meile, die sie sich von Yuma entfernten, wieder bergauf zu gehen. Saber hatte sein Kochverbot für Fireball eisern durchgesetzt, er durfte noch nicht einmal eine kalte Platte zubereiten. Das verschaffte dem Wuschelkopf mitunter Freizeit, die er ganz für sich hatte. Nach den ersten beiden Tagen an Board von Ramrod hatte er sich eingekriegt. Zuerst hatte er mit niemanden reden wollen, hatte erst für sich selbst herausfinden müssen, wie er mit der neuen Situation umgehen sollte. Er hatte keine Ratschläge von Colt oder aufbauende Worte von Saber hören wollen und April hatte er schlicht und ergreifend nicht ansehen können. Sie hatte ihn gehörig durcheinander gebracht und hätte ihm das Sondieren der eigenen Gefühlslage nur unnötig erschwert. Ramrod war inzwischen am Zielort angekommen und hatte sein Lager außerhalb eines kleinen Städtchens, das umgeben von grüner Natur war, aufgeschlagen. Colt und Saber kümmerten sich gemeinsam um das Abendessen, während April und Fireball zur Wartung von Ramrods Systemen eingeteilt waren. Die Wartung war zügig abgeschlossen, der Friedenswächter war im Augenblick wirklich gut in Schuss. Fireball fuhr seine Systeme herunter, warf einen schnellen Blick auf seine Uhr und rechnete sich aus, wie viel Zeit ihnen noch bis zum Abendessen blieb. Es war ein warmer Sommertag auf diesem Planeten und Fireball hatte schon beim Anflug einen wundervollen türkisblauen See ausgemacht, der von ihrem Landeplatz nicht weit weg war. Er schwang sich aus seinem Sattelmodul und ging zum hinteren, in dem April noch saß. Mit einem leichten Lächeln im Gesicht beugte er sich zu ihr hinunter: „Na, Süße? Hast du noch Lust, mit mir bis zum Abendessen um die Häuser zu ziehen?“ Irritiert sah April von ihrem Tun auf. Fireball war seit ihrem Urlaub in Yuma grummelig und prinzipiell kurz angebunden gewesen. Auch die ersten Tage an Board war er noch so gewesen und April hatte daher beschlossen, ihn einfach in Ruhe zu lassen. Da er auch an diesem Tag noch eher ruhig gewesen war, wunderte sie sich über sein Angebot immens. Sie sah ihn mit großen Augen an: „Was?“ Fireball ging neben Aprils Modul in die Hocke, um ihr geradewegs ins Gesicht sehen zu können. Er musste sie aus den Gedanken gerissen haben, sonst würde sie ihn nicht ansehen, als wäre er der Weihnachtsmann. Sein Lächeln wurde breiter, gewinnender: „Ob du noch was mit mir machen möchtest. Ich darf bis auf Weiteres nicht in der Küche tätig werden und es ist noch einiges an Zeit bis zum Abendessen“, er nahm allen Mut zusammen: „Ich dachte, vielleicht machst du mit mir die Gegend noch ein wenig unsicher. Ich hab da“ Er wollte ihr gerade erklären, dass er mit ihr zum See wollte, da unterbrach April ihn freudestrahlend: „Klar doch!“ Sie pfefferte ihre Ausdrucke achtlos auf ihre Konsole und fand rekordverdächtig aus ihrem eigenen Sattelmodul. April freute sich über die Einladung. Endlich schien es Fireball wieder soweit gut zu gehen, dass er unter Menschen wollte. Für April stand mittlerweile fest, dass ihm der Aufenthalt in der Einheit nicht gut getan hatte. Sie fand es schade, dass er sich ihr nicht anvertraute und darüber sprechen wollte, immerhin waren sie ein eingespieltes Team und jeder wusste alles vom anderen. Vielleicht erzählte er ihr in einem ruhigen Moment zu zweit, was ihn aus der Bahn geworfen hatte. Beinahe hätte April Fireball umgerannt, so hektisch war sie aus ihrer Einheit geklettert. Gerade noch rechtzeitig konnte er zur Seite treten und sich aufrichten. Kaum standen beide aufrecht und sicher auf ihren Beinen, griff April fest nach Fireballs Hand und zog ihn bereits mit sich, ohne zu wissen, was er vor hatte. Das war für die Blondine zweitrangig, Hauptsache war, dass er sich Zeit für sie nahm. Sie zog ihn bereits zur Rampe und war beinahe schon im Hangar angekommen, bis sich Fireball endlich gegen sie wehren konnte: „Hey! Moment! Willst du denn gar nicht wissen, wohin?“ April bremste sich ein und zog fragend die Augenbrauen hoch. Er wollte nicht mit ihr in die Stadt? Sie griff fester um seine Hand und wandte sich ihm zu. Sie brauchte gar nicht zu fragen, Fireball verriet ihr ohne weitere Aufforderung, was er erkunden wollte. Kurzerhand verschwand April wieder. So schnell war sie normalerweise nur, wenn sie shoppen gingen. Fireball machte ebenfalls kehr, packte eine Tasche und gab auch Colt und Saber kurz Bescheid, wohin er und April unterwegs waren. Saber nickte. Das klang nach einem ersten Schritt. Er trug dem Hitzkopf auf: „Nimm deinen Communicator mit. Wir kommen später nach.“ Colt verkniff sich ein lockeres „Lass nix anbrennen!“. Für blöde Sprüche war ihm sein kleiner Kumpel noch zu labil. Bestimmt vertrug der im Moment genau gar nichts. Der Cowboy freute sich zumindest, dass Fireball aus seinem Quartier kam und die Unternehmungslust wieder an die Oberfläche fand. Der See lag nur einen kurzen Spaziergang durch einen Wald von Ramrod entfernt. Fireball hatte April ihre Tasche selbstverständlich bereits an der Rampe abgenommen und geschultert. Sie scherzten den halben Weg bereits über den Service, den April geboten bekam. Als sie sich freute, einen so tollen Exklusivvertrag von Fireball bekommen zu haben, korrigierte er sie auf ein Probeabo. Sie hatten Spaß und feixten. Er musste ihr nicht sagen, wie gerne er tatsächlich einen Exklusivvertag mit ihr hätte. Fireball hatte darüber nachgedacht, was er mit seiner Erkenntnis anfangen sollte und war dann zu dem Schluss gekommen, dass er nicht in die Beziehung von April und John funken wollte, solange zwischen den beiden alles in Ordnung war. Er wollte nicht derjenige sein, der sich in eine Beziehung drängte. Er wollte ihrem Glück nicht im Weg stehen. Er konnte nicht ahnen wie schwierig es war, ihr nichts von seinen Gefühlen zu erzählen. „Also jetzt mal Butter bei die Fische, Turbo“, April riss ihn aus seinen Gedanken. Sie schlug ihm lachend gegen den Oberarm: „Wie wahnsinnig muss man sein, um jeder Frau freiwillig ein Packeselabo zu geben? Wenn das beim Shoppen auch noch gilt, wird jeder Mann dich tatsächlich einen Esel nennen!“ Fireball verdrehte grinsend die Augen. Er kannte schon jetzt mindestens zwei Männer, die ihn einen Esel nannten, aber bestimmt nicht, weil er mit einer Frau rumhing oder mit ihr shoppen ging. Er stellte richtig: „Ich biete auch nicht jeder Frau meine Begleitung an.“ Er verbesserte seinen Griff um die Tasche etwas und überlegte, ob er die Späßchen weiter treiben sollte. Das fühlte sich gewohnt und gut an, es konnte nichts Verwerfliches daran sein. Aufrichtig ließ er sie wissen: „Abgesehen davon gibt es wesentlich schlimmere Dinge, als mit dir etwas zu unternehmen.“ Es gab viel schlimmere Dinge, als mit April die Zeit zu verbringen. Ein Zahnarztbesuch zum Beispiel, oder einen Outriderangriff, oder Besuche bei der Verwandtschaft. Himmel, da fielen Fireball auf Anhieb hundert Sachen ein, die er nicht gerne machte. „Siehst du“, widersprach April mit einem fröhlichen Lachen: „ich habe doch einen Exklusivvertrag. Wann habe ich den unterzeichnet?“ Sie genoss solche Blödeleien mit Fireball sehr. Dabei musste sie sich nicht verstellen, konnte sein, wie sie war. April konnte mal schwach sein, sich Fehler erlauben und auch mal unzulänglich oder albern sein. Das traute sich April bei kaum jemanden, weshalb ihr die Freundschaft zu Fireball so wichtig war. Ihr ging es auch nicht gut, wenn der Wuschelkopf Probleme hatte. Sie hatte es in den letzten Tagen schon bemerkt. Wenn ihre Schulter zum Anlehen fehlte, wenn sie sich in der Wolle hatten, war alles nur halb so schön. Nun aber schien alles wieder wie immer zu sein, das Wetter war sommerlich, die Sonne strahlte von einem knallblauen Himmel und auch wenn Fireball sie nicht in eine Mall entführte, ein idyllischer See war mindestens genauso verlockend. Fireball schüttelte den Kopf. Wie stur war diese Frau nur?! Noch einmal berichtigte er sie halbherzig: „Noch mal. Das ist ein Probeabo, Süße.“ Sie lief einige Schritte voraus, dabei löcherte sie ihren Freund: „Dann möchte ich das Probeabo auf Herz und Nieren prüfen!“ April drehte sich um, lief einige Schritte rückwärts vor Fireball her und nahm ihre Finger zum Aufzählen zur Hilfe: „Wie lange läuft es und wann werden Kosten anstehen? Gibt es Bonuspunkte oder so etwas?“ Fireball könnte schwören, dass April ihm mit Absicht all diese Fragen stellte. Wahrscheinlich aber hatte sie keine Hintergedanken, nur Fireball dachte weder beim Exklusivvertrag noch beim Probeabo an das Tragen von irgendwelchen Taschen. Er wäre gerne derjenige, der exklusiv an Aprils Seite war, aber für diesen Job hatte sie sich einen anderen ausgesucht. Fireball war sich sicher, noch nicht einmal die zweite Wahl zu sein. April begann munter mit ihm zu verhandeln, Bonusprogramme zu wollen und allerhand anderer praktischer Gimmicks. Sie wollte so viel wie möglich zu einem geringen Preis. Als sie Fireball breit geschlagen hatte, ihr beim Shopping in jedem tausendsten Geschäft die Einkäufe sogar zu bezahlen, begann sie wieder nachzuverhandeln. Sie wollte diesen Bonus natürlich schon bei hundert Geschäften. Es machte ihr sichtlich Spaß mit ihm zu feilschen. Fireball jedoch zog langsam einen Schlussstrich. Zwar nicht ganz so ernst, aber er seufzte gut hörbar: „Wir sind hier doch nicht auf dem türkischen Bazar, dass ich meine Seele so billig verhökere.“ April trieb ihre Späßchen immer noch. Sie wusste immerhin, wann Fireballs Geduld seine Grenzen hatte. Diese war an diesem Nachmittag aber zum Glück noch nicht erreicht. Sie stemmte gespielt empört die Arme in die Hüften: „Ach, jetzt ist es auf einmal deine Seele. Aber du bist weder auf dem Bazar noch bin ich der Teufel, dem du sie verpfändest.“ Ihr entging dabei, wie Fireball schluckte. Dem Teufel seine Seele zu verhökern, gehörte für einen Hikari schon zum Tagesgeschäft, aber das hier war ungleich schlimmer. Er hatte bereits sein Herz an sie verloren, da wollte er seine Seele noch ein wenig länger behalten. Obwohl es ihm schwer fiel, brachte er trocken hervor: „Die Behauptung mit dem Teufel überlasse ich anderen zu beurteilen.“ April hatte ihn so verstanden, wie er erhofft hatte. Sie blähte die Backen auf und drohte ihm spielerisch mit der Faust: „Ist es dein Wunsch dein Leben zu beenden? Freundchen, mach so weiter und du wirst auch nicht alt.“ Sein Grinsen wurde wieder breiter, als April ihm nachsetzte. Mit wenigen Schritten verfiel er in einen leichten Lauf, April an den Hacken. Unverschämt frech triezte er sie nun: „Ich laufe ja schon beinahe, schließlich ist der Teufel hinter mir her.“ Sie kamen auf die Lichtung, an der der See lag. Türkises, klares Wasser erstreckte sich vor ihnen. Rings herum wuchs Schilf, der einzige Weg ins Wasser war ein alter Steg, der gut fünf Meter in den See hineinragte. Kaum eine Menschenseele verirrte sich hier her. April fragte sich, weshalb die Einheimischen diesen Flecken Erde nicht besuchten. Im nächsten Moment jedoch war sie dankbar, dass es hier nicht überlaufen war und man nicht über Sonnenanbeter steigen musste, um noch irgendwo einen Dosensardinenplatz zu finden. April lief voraus auf den Steg, zog sich die Schuhe aus und ließ sofort die Beine ins Wasser baumeln. Sie konnte bis auf den Grund des Sees sehen, das Wasser war unheimlich klar. Eine Gänsehaut breitete sich schnell von ihren Füßen aus und bahnte sich den Weg bis zu ihren Haarwurzeln. Der See war extrem kalt. Deshalb waren hier wohl kaum Menschen zum Schwimmen. Dieses Badevergnügen würde April freiwillig auslassen. Fireball schloss zu April auf, ließ die Taschen auf den Steg sinken und packte eine Decke aus. Er breitete sie auf dem Steg aus und forderte April schließlich auf, sich darauf zu setzen, nicht dass sie sich einen Holzsplitter bei den alten Dielen holte. Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander, jeder den Blick in die Ferne gerichtet und die Beine in den See baumelnd. Der Wind spielte mit den Schilfhalmen und immer wieder schwamm ein neugieriger Fisch auf ihre Füße zu, um gleich darauf erschrocken zu verschwinden, wenn sich nur ein Zeh bewegte. Fireball stützte sie Hände neben sich ab, hielt sich am Steg fest und starrte in das Wasser. Nur April und er. So sollte es bleiben. Doch Fireball wusste, dass es blöde Gedanken waren. Es war weniger als ein frommer Wunsch, es war einfach unrealistisch. Das Wasser war zum Schwimmen definitiv zu kalt, der See hatte Ähnlichkeit mit einem Tiefkühlfach. April sah in die Ferne und versuchte auszumachen, aus welchem eiskalten Quell der See gespeist wurde. Die Abkühlung tat der Blondine gut. Aber nicht nur die Erfrischung entspannte sie, es war auch die Stille um sie herum. Schließlich seufzte April befreit, schloss die Augen und lehnte den Kopf an Fireballs Schulter. Es war perfekt und April gefiel diese Beschäftigung besser als shoppen. Sie war tiefenentspannt. Unbehaglich rutschte Fireball von April ab, was machte sie denn da?! Ihre Nähe brachte ihn um den Verstand. Er schob sie auf Abstand, wollte ihr aber nicht zeigen, was das Problem war, obwohl es kein Problem sein sollte. Es war früher nie unangenehm gewesen, wenn sie sich nahe waren. Fireball verfluchte Colt und Saber im Gedanken, hätten ihm die beiden nicht die Augen geöffnet, wäre das hier nun wunderbar. Aber nein, sie hatten ihn mit Leuchtreklame auf seine Gefühle hinweisen müssen, just dann, wenn April in einer Beziehung war. Das machte Fireball gerade beinahe wahnsinnig. Wie sollten April und er Freunde bleiben können, so wie bisher? Es war schon beinahe einerlei, ob er ihr sagte, was er empfand, oder nicht. So wie davor würde es nie wieder sein. „Wenn du dich anlehnen willst, musst du dein Abo upgraden. Das ist nicht drin.“ Fireball versuchte es fröhlich und frech klingen zu lassen, April sollte nicht merken, dass er sie nicht bei sich spüren wollte. So schnell war die Idylle leider schon wieder vorbei. April fühlte zwei abwehrende Hände an ihrer Schulter, die sie in die entgegengesetzte Richtung schoben und wieder aufrichteten. Sie öffnete enttäuscht ihre Augen und sah in das spitzbübische Gesicht ihres Piloten. April konnte sich zwar keinen Reim darauf machen, weshalb Fireball sie piesacken wollte, aber lieber als seine unergründlich schlechte Laune in den vergangenen Tagen war es ihr allemal. April atmete noch einmal tief durch und seufzte: „Ich grade gar nichts up. Ich teste dein Abo quasi auf Tauglichkeit“, grüblerisch zog April die Stirn in Falten und setzte keck einen drauf: „So ist es nicht serienreif, Turbo. Du musst dich schon ein bisschen mehr ins Zeug legen.“ Fireball hingegen verdrehte die Augen, dabei ließ er seine Hände wieder auf die Stegkante gleiten. Er richtete seinen Blick wieder auf das kristallklare Wasser. ‚Der Service wäre noch wesentlich mehr, hättest du keinen Freund‘, schoss es ihm durch den Kopf. Die beiden verfielen in belangloses Geplänkel, die Stimmung war damit dahin. Zumindest Fireball war froh darüber, April allerdings hatte die traute Zweisamkeit und die innige Vertrautheit zwischen ihnen genossen. Sie landeten nach einigen dummen Sprüchen allerdings unbeabsichtigt wieder bei ernsteren Themen. Es ging mittlerweile um Mann und Frau, April hatte Fireball versichert, dass er mit Frauen kein Glück haben würde, wenn er mit jeder so umsprang wie mit ihr. Fireball zuckte mit den Schultern, für ihn war klar: „Wenn sie das nicht verträgt, ist sie es nicht wert.“ „Okay“, stellte April unumwunden fest. Sie lächelte: „Nur, weil ich deine große Klappe aushalte, heißt das noch lange nicht, dass eine andere das auch würde.“ Sie boxte ihm tadelnd gegen die Schulter. Manchmal war er schon rotzfrech, wie April feststellte. Aber sie freute sich, dass er wieder lächelte. Für sie stand eindeutig fest, dass sie das nächste Mal ein Veto einlegen würde, wenn Fireball zu Mandarins Einheit sollte. Fireball wich zurück und rieb sich über die getroffene Stelle. Er empörte sich: „Hey, du Dampfhammer! Den Arm brauch ich noch!“ Nun verzog April düster das Gesicht. Sie mochte es nicht, wenn sie daran erinnert wurde, wie sie einem anderen Mädchen die Leviten gelesen hatte. Es war ihr immer noch unangenehm, obwohl sie sich nur verteidigt hatte. Sie stellte klar: „Keiner Frau gefällt es, wenn du so frech bist.“ „Ach quatsch“, winkte Fireball ab: „die Frauen stehen drauf.“ April schüttelte den Kopf, sie amüsierte sich. Wie überzeugt Fireball von diesem Satz war, zauberte ihr ein breites Grinsen ins Gesicht. Sie widersprach ihm ein weiteres Mal: „Da haben wir’s wieder. Du hast echt keine Ahnung von Frauen. Keiner gefällt es, wenn sie von einem frechen Rotzlöffel so behandelt wird.“ Plötzlich war Fireball nicht mehr nach lachen zumute. Er sank unmerklich zusammen. Das also hielt sie von ihm. April dachte, er wäre ein unreifer kleiner Junge. Das tat weh. Er wich Aprils Blick aus: „Ahnung von Frauen schon, nur keine Ahnung von dir. Du bist nicht gerade die Durchschnittsfrau.“ Aprils Worte trafen ihn. Sagte sie ihm so doch indirekt, dass sie ihn nicht als potentiellen Partner sah. Er war für sie maximal ein Kumpel. Spätestens jetzt war es auch für April mit dem Spaß vorbei. Ungläubig presste sie hervor: „Ist das dein Ernst?“ Sie beide verbrachten so viel Zeit zusammen und trotzdem wollte er sie nicht kennen. Sie spürte einen Stich in ihrer Brust, denn er zeigte ihr damit, dass sie ihn nicht interessierte. Oh, nun hatte er den Fettnapf erwischt! Fireball hatte es an Aprils Tonfall gehört. Für ihn war sie mehr als jedes andere Mädchen, aber das konnte er ihr so nicht sagen. Er würde sie damit überfallen, der Zeitpunkt war nicht passend. Wie er es sich vorgenommen hatte, blieb er in der Freundezone, seine Verteidigung deswegen war auch nicht sehr diplomatisch: „Die Durchschnittsfrau fliegt nicht mit Ramrod durch die Gegend, April. Also ja, ich meine das ernst.“, als er ihren enttäuschten Gesichtsausdruck wahrnahm, fügte er noch leiser hinzu: „Du bist eben ganz anders...“ „Wie bin ich denn?“, hakte April nach. Ihr Tonfall verriet deutlich, dass es bei einer falschen Antwort richtig Ärger gab. Sie drehte ihren Oberkörper in Fireballs Richtung, hatte sich aufgerichtet, um den Wuschelkopf zu überragen und ihm mit ihrer Körpersprache zu drohen. Sie hoffte, dass dies genügte. Fireball hatte verstanden. So oder so ging gleich was daneben. Er sah April in die Augen, schluckte und rutschte ein paar Zentimeter von ihr weg. Er kniff die Augen zusammen und versuchte zu scherzen: „Naja…“, seine Stimme war heiser, weil er es eben doch ehrlich meinte: „Du hast bis aufs Shoppen nicht viel mit anderen Frauen gemeinsam, du“ Noch ehe Fireball ausgesprochen hatte, lief Aprils Kopf zornesrot an. Sie stieß ihre Arme mit voller Kraft gegen seine Schulter und schrie ihn an: „Oh, wie kannst du des nur wagen!!“ Mit einem derart kräftigen Schubs hatte Fireball nicht gerechnet. Überrascht keuchte er auf. Oh verdammt, er verlor das Gleichgewicht, da sie ihn schräg nach vorne angestoßen hatte, kippte er über den Steg ins Wasser. Obwohl er sich mit der anderen Hand noch festhalten wollte, verlor er den Halt und fiel ins eiskalte Wasser. Mit einem Platschen ging Fireball baden. April bekam noch einige Spritzer des kalten Wassers ab, doch das war es wert. Sie hatte ihre Rache sofort erhalten. Der Rennfahrer tauchte schließlich prustend wieder auf, nass vom Scheitel bis zu Sohle. Fireball rang nach Luft, das war noch kälter als er gedacht hatte! Augenblicklich zogen sich alle Muskeln krampfartig zusammen, die Kälte fühlte sich wie lauter kleine Nadelstiche auf der Haut an. Das Wasser hatte keine zehn Grad! Als Entschuldigung hielt April ihm bereits ein Badetuch hin, als er die Leiter des Stegs wieder hochkletterte. Mit klappernden Zähnen schlang sich Fireball das Frotteetuch um die Schultern und rieb trocken, was er konnte. Er war definitiv abgekühlt. Die Wochen vergingen, das Kochverbot für Fireball blieb. Bei einem ihrer Kurztrips in die Heimat, den April natürlich wieder mit John verbracht hatte, hatten sich Saber und Colt ihren Piloten noch mal vorgenommen. Die beiden wussten um das Gefühlsleben des Wuschelkopfs, hatten aber auch bemerkt, dass Aprils Beziehung zu John fester geworden war. Schweren Herzens nahmen Colt und Saber Fireballs Entscheidung hin, April nichts von seinen Gefühlen zu erzählen. Der Schotte ahnte jedoch, dass es nicht ewig gutgehen würde. Fireball hatte sich bereits beinahe selbst vergiftet, als April die ersten zaghaften Dates mit John hatte. Nun, da auch April von einer Beziehung sprach, konnte noch wesentlich schlimmeres passieren, als scharfes Essen. Gut, er und Colt hatten diese Gefahrenquelle zumindest für alle Außenstehenden eliminiert, eben durch das Kochverbot, aber da konnten noch ganz andere Dinge passieren. Wie zum Beispiel tieffliegende Schraubenschlüssel in der Werkstatt, oder halsbrecherische Flugmanöver. War mittlerweile schon alles vorgekommen. Saber lief eine Gänsehaut über den Rücken, Gefahr für Leib und Leben war durch Fireballs Gefühlswelt und Aprils Unwissenheit ein ständiger Begleiter im All. Das musste sich unbedingt wieder ändern! Besonders schlimm war es, wenn April - unwissend und nichts ahnend – wieder einmal die Bruderkeule schwang. Saber und Colt standen manchmal daneben, feuerten ihren Kumpel still an, es ihr zu sagen und dann nahm Fireball all seinen Mut zusammen und begann, unterbrach ihn April und machte unmissverständlich deutlich, was Fireball für sie war. Er war ein Freund, ein Vertrauter, aber nicht das, was es ihrer Meinung nach für eine Beziehung brauchte. Sie war mit John im siebten Himmel. Colt hatte es sich daher zum Ziel gesetzt, Fireball die Vorzüge des Singlelebens wieder näher zu bringen. Er nahm seinen Kumpel regelmäßig mit auf die Piste. Dabei hatte er schnell herausgefunden, dass Fireball durch sein jugendliches Aussehen und seine unbedarfte Art die Frauenherzen im Handumdrehen höher schlagen ließ. Während für den Scharfschützen das ein oder andere Abenteuer dabei war, ging Fireball nur einmal nicht alleine nachhause. John fand in seiner Beziehung zu April allerhand heraus. Manches aber bestätigte sich auch. So wie seine Vermutung, dass der Weg zu Aprils Herzen über die drei Jungs von Ramrod führte, bevor er überhaupt daran denken konnte, Aprils Vater vorgestellt zu werden. Anderes jedoch überraschte ihn und gefiel ihm gar nicht. John und April führten eine Fernbeziehung, von Anfang an. Das an sich war kein so großes Problem, sie kannten es nicht anders. Das Problem lag für John eher darin, dass er erst mit der Zeit bemerkte, wie falsch er die Situation an Board von Ramrod eingeschätzt hatte. Hatte es sich bei ihren ersten Dates noch so angehört, als wäre Fireball eher der Junge, der zwar enormes fliegerisches Geschick besaß, auf den man aber Acht geben musste, so kam John nun dahinter, dass eben jener Pilot derjenige auf Ramrod war, der mit April die meiste Zeit verbrachte. Das schmeckte John mit der Zeit immer weniger. Ihm kam auch im Oberkommando immer wieder etwas über die Crew zu Ohren und irgendwann fiel es John beinahe wie Schuppen von den Augen. April flog als einzige Frau mit drei Männern durch die Weltgeschichte! Alle drei waren Singles und dem weiblichen Geschlecht nicht abgeneigt. John hatte von Colts Ruf als Schürzenjäger gehört und auch von Sabers tugendhafter Anmache. Dem Ingenieur kam nicht in den Sinn, dass diese Geschichten vielleicht nicht alle wahr waren, aber ein Quäntchen Realismus lag in jeder Geschichte. Nicht zuletzt April erzählte John viel von ihren Abenteuern auf Ramrod und was ihre Freunde so trieben. Zuerst hatte sich John noch eingeredet, es wäre für ihn in Ordnung und er würde April vertrauen, doch mit jedem Abflug von Ramrod wurde es schlimmer. Es war dieses beißende Gefühl der Eifersucht, das ihn plagte, wann immer April unterwegs war. Es machte dabei kaum einen Unterschied, ob sie sich auf einer Mission mit Kommunikationssperre befanden oder April sich täglich bei ihm melden konnte. Das Wissen um drei Männer, die auf engstem Raum mit April zusammen wohnten, machte es schier unerträglich. April ahnte von Johns Misstrauen nichts. Sie freute sich bei jedem Landeanflug auf ihren Freund und die gemeinsame Zeit, die sie mit ihm hatte. Da das Zusammenleben auf Ramrod für April selbstverständlich war, dachte sie sich auch nichts dabei, John von alltäglichen Begebenheiten, Späßchen und Blödeleien untereinander zu erzählen. Sie war ehrlich und genoss es auch, sich endlich mit einem Außenstehenden über ihre Jungs unterhalten zu können. Ihre Jungs. John stellten sich die Zehennägel mittlerweile auf, wenn April diesen Ausdruck benützte. Aber er schwieg meistens, wollte ihre spärliche Zeit nicht mit Streit verbringen. Immerhin war April, wenn sie in Yuma war, nur bei ihm, sie war schon halb bei ihm eingezogen, zumindest fühlte es sich so an. Allerhand Schuhe, Klamotten und Kosmetika von ihr fanden sich bereits in seinen vier Wänden. Ein halbes Jahr verstrich so. Wann immer Ramrod in Yuma war, verbrachte April ihre freie Zeit bei John, Fireball nützte etliche Übungsstunden in Mandarins Einheit, um auf andere Gedanken zu kommen. Saber beobachtete alles mit Argusaugen und hoffte, dass er seine Einheit nicht irgendwann doch umbesetzen musste, weil sich jemand entschloss, andere Wege zu gehen. Der Schotte wusste zwar, dass niemand die Zukunft beeinflussen konnte, aber manchmal hatte er zwischendurch den Eindruck, Mandarin versuchte, seinen Piloten abzuwerben. Mit jedem missglückten Versuch von Fireball, April doch reinen Wein einzuschenken, glaubte Saber, dass Mandarins Chancen stiegen. Ewig würde sich Fireball nicht mehr quälen. Colt hingegen hatte das Risiko einer neuerlichen Beziehung auf sich genommen. Er hatte sie im Königreich Jarr kennen gelernt. Ein Mädel vom Land, wie Colt es nannte. Tallulah war indianischer Abstammung, mit Augen so klar wie zwei Smaragde und einem Lächeln, das Colt schmelzen ließ. Tallulah war seit Monaten die einzige Schürze, der Colt hinterher jagte. Sie hatte den Cowboy zappeln lassen, aber schließlich hatte sie sein Werben erhöht. Colt verabschiedete seine Freundin am Vorabend am Raumhafen von Yuma und versprach ihr, sie bald in Jarr besuchen zu kommen. Er würde Eagle und Saber bitten, auch mal bei Roland einen Zwischenstopp einzulegen, damit Tallulah nicht jedes Mal den weiten Weg nach Yuma auf sich nehmen musste. April hatte es etwas leichter. John begleitete sie bis zu Ramrods Rampe an diesem Morgen. Er umarmte sie, küsste sie leidenschaftlich und entließ sie schließlich zur nächsten Mission. Bevor sie sich umwandte, wünschte er sich: „Amüsier dich nicht zu gut mit deinen Jungs, ja!“ Sein Lachen danach klang in Aprils Ohren aufgesetzt und unehrlich. April beschlich das Gefühl, John könnte es ernst gemeint haben. Nach einem weiteren schnellen Kuss lief April als letzte die Rampe zu Ramrod hinauf. Dieses Mal würden die vier einen Monat weg sein, über weite Strecken davon hatte Commander Eagle ein Kommunikationsverbot verhängt, weil es ihre Mission gefährdete. April zog sich der Magen zusammen, John nach diesem Spruch länger nicht zu sehen und zu sprechen. Die Kommunikationssperre tat ihr Übriges und so verfiel April mit jedem Tag mehr ins Grübeln. Sie fühlte sich zunehmend unsicher, was ihre Beziehung zu John betraf. Hätte man sie vor Kurzem noch gefragt, hätte sie jedem freudestrahlend von ihrem Freund erzählt. Nun aber fühlte sie sich, als hätte sie etwas Falsches gegessen. Sie fragte sich immerzu, ob alles ok war und was John wohl alleine in Yuma machte. Ihr ging auf, dass sie nicht wusste, was er genau tat. Sie hatte keine Freundin, die ihr hin und wieder ein paar Infos geben könnte. Sie traute sich auch nicht, Mandarin danach zu fragen. Der Sterncaptain kannte sowohl John als auch April. Dennoch wollte April sie nicht fragen. Sie wusste, dass Mandarin nicht nett mit Fireball umging, zumindest was sie wusste. Fireball sprach nach wie vor nie über seine Ausflüge in Mandys Einheit. Naja, wie dem auch sei. April verfiel in tiefes Brüten und sprach vorerst mit keinem ihrer Jungs darüber. Sie kam sich lächerlich vor, wenn sie mit diesen Problemen zu einem von ihnen ging. Wieder zog eine beinahe schlaflose Nacht ins Land. April war spät eingeschlafen und früh wieder aufgewacht. Sie lag einige Zeit im Bett und versuchte wieder einzuschlafen. Als sie sich zum gefühlt hundertsten Mal im Bett umherwälzte, verging ihr alles. Genervt stand sie schließlich auf und machte sich Kaffee. Draußen war es noch dunkel und an Board noch leise. Es würde noch einige Zeit dauern, bis die drei Schlafmützen aus den Federn fanden. April setzte sich mit der vollen Tasse an den Tisch und starrte hinein. Gedankenverloren zog sie die Beine auf die Sitzfläche. Wieder hörte sie Johns letzten Satz vor ihrer Reise: „Amüsier dich nicht zu gut mit deinen Jungs, ja?“ Wieso nur hatte er das gesagt? Sie war doch nicht auf Ferienlager mit den dreien! Was meinte er nur damit? So ein Auftrag war doch nichts, was vorrangig dem Spaß diente. Es war harte Arbeit und der Freizeitspaß hielt sich in Grenzen. April wurde das Gefühl nicht los, dass John das „Amüsieren“ anzüglich gemeint hatte. April schüttelte sich, das war ja lächerlich! Was sollte sie mit einem ihrer Jungs? Ok, sie gab zu, es hatte einmal eine Zeit gegeben, da hatte ihr Saber schon ganz gut gefallen. Aber das war lange vorbei. Der Schotte spielte in einer eigenen Liga. Betrübt seufzte sie in ihre Kaffeetasse. Wie sollte sie es nur aushalten bis zu ihrem nächsten Heimaturlaub, ohne mit John das Thema klären zu können? Sie bemerkte nicht, wie Leben in die Küche kam. Es war Fireball, der vor seiner Laufrunde noch den Koffeinkick brauchte, um überhaupt in Schwung zu kommen. Noch etwas verschlafen setzte er sich April gegenüber mit einer Tasse Kaffee an den Frühstückstisch. Einige Minuten genoss er die angenehme Stille, bis er Aprils Gesichtsausdruck deuten konnte. Sie war bekümmert und Fireball konnte sich schon ausmalen, weshalb. Als April zum wiederholten Mal in ihre Tasse seufzte, beugte sich Fireball zu ihr über den Tisch und schob sich so in ihr Gesichtsfeld: „Ist der Kaffee heute so mies?“ April blinzelte, ihr Blick lag unverwandt auf Fireballs Gesicht. Seit wann war er denn schon wach und bei ihr in der Küche? Kaffee hatte der Japaner auch schon bei sich. Hatte sie ihn wirklich nicht kommen gehört? Mit einer Miene wie sieben Tage Regenwetter murmelte sie: „Nein, heute ist er nicht genießbar.“ Oje, April ging es gar nicht gut. Fireball erkannte bereits an ihrem Tonfall, dass der Segen bei April mehr als schief hing. Er wusste nur noch nicht, wie viele Details er tatsächlich wissen wollte. Mit einem kleinen Lächeln sah er in seine Kaffeetasse, kostete davon und verzog konzentriert seinen Mund, als ob er die verschiedenen Nuancen des Kaffees ergründen wollte. Er versuchte April aufzuheitern: „Hm... meiner ist wie immer.“ Noch einmal musterte Fireball seine Freundin. Das Ergebnis blieb das gleiche. April gefiel ihm nicht. Er machte sich Sorgen um sie, sogar recht offensichtlich. Er griff nach Aprils Hand, fragte aufmerksam, wie es ihr ging: „Hast du schlecht geschlafen?“ „Hmhm“, April brummte mehr als dass sie eine ordentliche Antwort gab. Sie verschränkte automatisch ihre Finger mit seinen. Seine Nähe tat ihr gut, aber wie befürchtet kam sie sich lächerlich vor. Lächerlich deswegen: „Aber wahrscheinlich hab ich mir wegen nichts und wieder nichts den Kopf zerbrochen.“ Mit der freien Hand griff April nach ihrer Tasse und probierte endlich auch von ihrem Getränk. Inzwischen war der Kaffee kalt geworden und schmeckte, wie sie sich fühlte. Mies. Zumindest aber tat die Temperatur dem Koffein keinen Abbruch. Er machte trotz unterirdischen Geschmacks wach. Fireballs Daumen strich sanft über Aprils Fingerknöchel, ehe er sie losließ. Er sollte ihr nicht so nahe kommen, wenn er ihr doch eigentlich helfen wollte. April war eine Freundin, er sollte endlich eingesehen haben, dass sie nicht mehr als einen Kumpel in ihm sah. Fireball sollte der Freund sein, den sie sich wünschte: „Worüber hast du dir den Kopf zerbrochen?“ Ihm war sonnenklar, dass ihr Trübsal nichts mit Ramrod zu tun hatte. Betraf es sie hier an Board, wüsste er davon. April würde es ihm erzählen, sofort und ungefragt, wenn ihr auf Ramrod etwas die Laune verdarb. Naheliegender war, dass in Yuma etwas nicht stimmte, weshalb er vorsichtshalber nachfragte: „Ist zuhause alles ok?“ Es hinterließ ein unangenehmes Gefühl in April, als Fireball die Hand von ihr löste und zurückzog. Seine Geste hatte ihr Geborgenheit und Verständnis vermittelt. Fireballs Einfühlungsvermögen in manchen Situationen war für April ein Segen. Wenn sie sich einsam auf Ramrod fühlte, oder sie eine Schulter zum Anlehnen brauchte, war er da, hielt sie im Arm, wenn sie es brauchte und hörte ihr zu. Auch jetzt signalisierte er ihr mit seiner Frage, dass er sich Gedanken um sie machte, obwohl sich etwas an ihrem Umgang miteinander schon vor Monaten verändert hatte. Sie wusste nur nicht genau, welches zuhause er meinte. April sah von ihrem Kaffee auf, direkt in Fireballs verschlafenes Gesicht. Sie runzelte die Stirn, stützte den Kopf auf ihrer Hand ab. April war sich nicht sicher, ob er ihren Vater oder John meinte, weshalb sie nachfragte: „Zu Hause? Meinst du bei John?“ Nun war Fireball im Bilde. Er hatte wieder einen Glücksgriff gelandet. Da könnte man ja direkt meinen, er quälte sich gerne. Dem Rennfahrer war sofort bewusst, dass John der Grund für Aprils traurigen Blick war. Dennoch stellte er sich unwissend und wollte nicht mit der Tür ins Haus fallen: „Ja, ist mit John alles im grünen Bereich?“ Unbewusst kniff Fireball dabei die Augen zusammen und zog die Schultern an. Er wollte es gar nicht hören. Er wollte nichts über ihre Beziehung zu John erfahren, weder von den guten und erst recht nicht von den schlechten Tagen. Je mehr er wusste, desto elender ging es ihm. Fireball hatte noch nicht vergessen, wie ätzend die Erkenntnis gewesen war, dass er sich in April verliebt hatte. Seither hatte sich zwar kein Lebensmittelzwischenfall mehr ereignet, aber das lag einzig und allein an Sabers und Colts Kochverbot. Mittlerweile hatte Fireball andere Strategien, mit einer Abfuhr von April umzugehen. Davon hatte es in den letzten Monaten reichlich gehagelt. Wie oft April ihm unwissentlich den Dolch in die Brust gestoßen hatte, konnte er nicht mehr sagen. Er gönnte April ihr Glück mit John und war nach wie vor fest davon überzeugt, den beiden nicht in die Parade zu fahren. Aber das hieß noch lange nicht, dass er so sadistisch veranlagt war, dass er freiwillig mehr als nötig von der Beziehung der beiden erfahren wollte. April allerdings atmete erleichtert auf. Sie konnte Fireball voll vertrauen, kein Wort würde an einen Außenstehenden dringen. Grüblerisch wiegte April den Kopf: „Gelb ... Grün. Gelb-Grün vielleicht auch orange.“ Sie seufzte und strich sich die Haare hinter die Schultern: „Ich weiß es nicht.“ Oh verdammt! Er hatte es geahnt, warum nur hatte er überhaupt nachgefragt? Fireball biss sich auf die Lippen, was stimmte mit ihm denn nur nicht? Wäre er doch bloß schweigend sitzen geblieben und hätte seinen Kaffee getrunken, bevor er laufen ging, säße er nun nicht hier und würde April Beziehungstipps geben. Dabei konnte er doch keine Tipps geben, und zwar weil es ihm sowohl an Erfahrung mit langfristigen Beziehungen mangelte als auch an Objektivität. Egal, was April ihm erzählen würde, er wusste bereits jetzt, dass er John dafür die Schuld geben würde und ihn verfluchte. Fireball schob seine Tasse etwas zur Seite, sah April nicht mehr an, aber das würde der Blondine nicht auffallen. Leise fragte er nach: „Wolken am Himmel? Willst du darüber reden?“ Dieses Angebot war so derart idiotisch von ihm, dass er sich schon beim Aussprechen wünschte, sie möge doch nein sagen und lieber eine Freundin wie Suzie anrufen. Sie war eine Frau, würde April zuhören, mit ihr gemeinsam die Männer verteufeln und dann würde sich April wieder mit John versöhnen. Das wäre für alle Beteiligten das kleinste Übel gewesen. Fireball fühlte sich fehl am Platz, er wollte und gerade er durfte sich nicht einmischen! April zog beide Beine auf die Sitzfläche, sodass sie geradeso über ihre Knie sehen konnte. Nachdenklich schlang sie die Arme darum und legte das Kinn auf die Knie. Vorhin hatte sie noch gedacht, sie könnte mit keinem ihrer Jungs darüber reden, weil es peinlich war. Aber nun schweifte ihr Blick über den Frühstückstisch, der aus zwei mickrigen Tassen Kaffee bestand, und empfand keinerlei Unbehagen mehr. Aprils Verhältnis zu Fireball war immer schon anders gewesen, als das zu Colt oder Saber, sie standen sich so nahe wie Geschwister. Aprils blaue Augen huschten über die Gestalt des Wuschelkopfs. Sie ertappte sich dabei, wie sie ihre Verbindung zu Fireball manchmal sogar eher mit der zu einer Freundin verglich als zu einem Bruder. Fireball unternahm all die Dinge mit ihr, die eine Frau eigentlich mit ihrer besten Freundin machte. Im Endeffekt, so kam sie zu dem Schluss, wusste sie, dass sie keine Scham vor Fireball wegen irgendwelcher Gefühle oder dummen Fragen empfinden musste. Vielleicht war es in dieser Situation sogar ein Vorteil, einen besten Freund statt einer besten Freundin zu fragen. Immerhin war Fireball ein Mann. Sie hob den Blick in sein Gesicht und fragte ihn offen: „Wenn ein Mann beim Abschied sagt: Amüsier dich mit deinen Jungs nicht zu sehr - dann ist das nur ein Witz, oder?“ April bemerkte Fireballs Zögern nicht. Der Japaner umschloss mit der rechten Hand den Henkel der Tasse so fest, dass er diesen auch abbrechen hätte können. Sein Gesichtsausdruck verschloss sich augenblicklich. Am liebsten jedoch wäre er aufgesprungen und hätte John die Meinung gegeigt. Was fiel dem Idioteningenieur eigentlich ein?! Es hatte Fireball gereicht, dass er bei jedem Treffen wie ein kleiner unmündiger Junge von ihm behandelt und nicht für voll genommen wurde. Dennoch hatte er sich für April gefreut und ihre Beziehung mit John keine Sekunde lang sabotieren wollen. Himmel, April ahnte ja noch nicht einmal etwas davon, dass der Wuschelkopf sich in sie verliebt hatte, wieso gab John ihr dann so einen dämlichen Spruch mit auf die Reise und machte ihr solchen Kummer?! Wie scheiße Fireball das gerade fand, konnte er gar nicht in Worte fassen. Durfte es auch neben April nicht in Worte fassen. Naja, vielleicht hätte sie ihn gar nicht verstanden, wenn er in seiner Muttersprache geschimpft hätte. Fireball sah auf seine Hände hinab, biss sich auf die Zunge und schluckte alles hinunter, was ihn schier aus der Haut fahren ließ. Noch ein unbemerkter, tiefer Atemzug, dann noch einer und er würde nicht mehr wie ein Berserker nach Yuma zu John laufen. Einigermaßen gefasst, aber dennoch verständnislos nickte Fireball auf Aprils Frage hin: „Klar. Das war sicher ein Witz. John weiß, mit wem du fliegst.“ „Ja, nicht wahr?“, für April stand außer Frage, dass keiner ihrer Jungs amouröses Interesse an ihr hatte. Sie alle waren gute Freunde an Board. Colt, Saber und Fireball waren ihre Beschützer, ihre Kumpels. Sie war sich sicher, dass sich keiner von den dreien vorstellen konnte, mit ihr zusammen zu sein. Es war für April undenkbar, auch in die andere Richtung. Sie könnte sich mit keinem ihrer Jungs eine Beziehung vorstellen, auch mit Saber nicht mehr. Das war ohnehin nur unreifes Teenie-Angehimmel gewesen. Etwas mutiger richtete sich April wieder auf, Fireball hatte sie in ihrer Meinung bestärkt: „Er hat gar keinen Grund eifersüchtig zu sein. Trotzdem kann ich das Gefühl nicht abschütteln, dass es eben nicht nur ein Scherz war.“ Ihr Gesichtsausdruck verriet Fireball nur allzu deutlich, wie absurd der Gedanke an eine Beziehung mit einem von ihnen an Board für April war. Das war die nächste Abfuhr von April gewesen, ohne dass sie es überhaupt bemerkte. Fireball hielt einen Augenblick die Luft an, es stach in seiner Brust, dass es für April denkunmöglich war. „Weshalb sollte es kein Scherz gewesen sein, Süße? Keiner von uns“, er musste sich räuspern, um den Frosch in seinem Hals loszuwerden, der sich immer wieder dort sammelte, wenn er nicht ganz ehrlich war: „würde dich anrühren.“ Das stand auch für April außer Frage. Sie nickte: „Das weiß ich. Trotzdem...“, es blieb ein schaler Beigeschmack in Johns Worten, vor allem, weil sein Lachen danach nicht zu ihm gepasst hatte. John war nie auch nur eine Sekunde eifersüchtig gewesen, wenn sie mit Ramrod unterwegs war, weshalb hatte er damit nun offenbar angefangen? April nahm einen großen Schluck von ihrem Kaffee und sie gestand Fireball nachdenklich: „Es ist so ein seltsames Gefühl. Aber vielleicht bilde ich es mir auch nur ein, weil ich seitdem nichts mehr von ihm gehört habe.“ Wo war denn das Loch, in dem man sich für gewöhnlich verkroch, wenn man einer Situation entfliehen wollte? Fireball war mittlerweile soweit, dass er sich ohne Schutzanzug aus Ramrod stürzen wollte, wenn dieser denn im All unterwegs gewesen wäre. Warum nur quälte er sich mit Aprils Beziehungsproblemen, die ihn nichts angingen und die, wenn er ganz ehrlich war, irgendwie auch er mitverschuldet hatte? Immerhin wusste John bestimmt, wie es um sein Herz bestellt war, auch wenn weder er noch der Ingenieur dieses Thema jemals angesprochen hatten. John nahm ihn ohnehin seit jenem Morgen nicht mehr für voll! Da würde er auch keine Konkurrenz in ihm sehen. Fireball spürte, wie es in ihm arbeitete und er immer unruhiger wurde. Er half April, wollte sie glücklich sehen und wurde doch dabei selbst immer unglücklicher. Fireball wies mit der freien Hand in die Richtung des Kontrollraumes: „Weiß er denn überhaupt, dass die Kommunikationssperre gestern aufgehoben wurde? Hast du dich bei ihm gemeldet?“ „Die Sperre ist aufgehoben?“, aufmerksam und hellwach fuhr April in die Höhe. Wie hatte sie das verpassen können? Sie sprang beinahe euphorisch von ihrem Platz auf, beugte sich zu Fireball hinab. Sie schlang schnell die Arme um ihn, drückte sich dankbar an ihn und gab ihm einen Kuss auf die Wange, bevor er auch nur reagieren konnte: „Danke, Turbo. Ich melde mich gleich mal bei ihm!“ Da fegte sie auch schon zur Tür hinaus und ließ Fireball sitzen. Sein geknickt gemurmeltes „Ich bin mir sicher, er freut sich, dich zu sehen.“ konnte sie schon nicht mehr hören. Fireball blieb noch einen Moment in der Küche sitzen, frustriert, von sich selbst genervt und verletzt, ehe er aufstand. Wütend über seine eigenen Gedanken schüttete er seine halbe Tasse Kaffee in den Ausguss und verließ Ramrod. Er hatte laufen gehen wollen, jetzt war der richtige Zeitpunkt dazu. Die Kontrollleuchte zeigte seit ein paar Minuten an, dass die Rampe von Ramrod offen war. Das wunderte Saber, normalerweise schloss jeder, der Ramrod betrat oder verließ die Rampe gleich wieder. Der Schotte tippte mit dem Zeigefinger auf die Anzeige, als ob er dadurch prüfen konnte, ob sie noch einwandfrei funktionierte. Aber wie erwartet flackerte das Symbol nicht einmal. Also stand die Rampe tatsächlich offen. Er seufzte leise und erhob sich aus seiner Satteleinheit, außer ihm war gerade niemand auf der Brücke, der sich darum kümmern konnte, deshalb ging er selbst nachsehen. Dem unbedarften Helden, der Ramrod einfach offen ließ, würde er bei nächster Gelegenheit einen Vortrag über Sicherheit halten. War auch kaum zu fassen, wie leichtsinnig seine Kameraden manchmal waren. Am ehesten passte es zu Colt, dass er vergaß, Ramrod zu schließen, wenn er ging. Der Texaner glaubte sich was das betraf manchmal offenbar noch auf seiner Ranch zuhause, wo ein Sicherheitsschloss an der Tür nur Zierde war. So in Gedanken versunken lief Saber von der Brücke in den Hangar hinunter und überlegte sich, wie er demjenigen solche Verhaltensweisen schnell wieder abgewöhnen konnte. Auch, wenn sie ihr Quartier in einer ruhigen Gegend aufgeschlagen hatten, sie befanden sich in einem Gebiet, in dem Outriderangriffe an der Tagesordnung standen und Saber hatte keine Lust, einen Outriderkommandanten auf seinem Schiff begrüßen zu dürfen. Er bog um die Ecke im Hangar und sah die offene Rampe hinab. Da lag jemand! Kein Wunder schloss sich die Rampe nicht, solange dort jemand lag und den Sensoren vermittelte, dass das Schiff beladen wurde. Saber ging schnellen Schrittes auf die am Rücken liegende und schwer atmende Person zu. Es war Fireball, der kreidebleich, schweißnass und japsend am Fuß der Rampe lag. „Um Himmels Willen, Fireball! Was ist passiert? Bist du verletzt?“, bei Saber schrillten sämtliche Alarmglocken von hier bis zur Erde und wieder zurück. War der Wuschelkopf in einen Hinterhalt geraten und diesem nur mit letzter Kraft entkommen? Er kniete sich zu Fireball hinunter und suchte nach Wunden. Fireball winkelte mit letzter Kraft die Beine an, die Arme hatte er links und rechts von sich gestreckt. Er war sich nicht sicher, ob er überhaupt noch einmal aufstehen konnte oder ob er sich nicht auch noch übergeben musste. Die schweißnassen Klamotten klebten unangenehm an seinem Körper, der von der Haarwurzel bis in die Zehenspitzen schmerzte. Sein Brustkorb hob und senkte sich unkontrolliert und hektisch, seine Lunge brannte bei jedem Atemzug wie Feuer und vor seinen Augen tanzten schwarze Punkte. Zwischen zwei Atemzügen presste er schließlich hervor: „Laufen.“ Saber verstand kein Wort. Auch, dass er keine Verletzung erkennen konnte, machte es für den Schotten nicht besser. Seine Verwirrung nahm mit jedem Moment zu, ebenso wie seine Sorge. Weshalb war Fireball am Fuß der Rampe zusammengebrochen? Saber griff nach einem Arm und fühlte den Puls. Der raste unkontrolliert durch Fireballs Adern. Fireball schloss die Augen. Er hatte keine Kraft mehr, sodass Saber das Gefühl hatte, er würde eine Puppe bewegen, als er nach dem Puls griff. Fireball stieß die Luft schwer atmend aus, Gott er starb gleich! Gequält fanden wieder Worte aus seinem trockenen Mund: „Ich… war… laufen.“ Schockiert ließ Saber den Arm sinken. Fireballs Kreislauf war jenseits von gut und böse! Wie weit war er nur gelaufen? Kopfschüttelnd sank er vollends neben Fireball auf den Boden. Er konnte nicht hinauflaufen und Fireball hier allein lassen. Saber reckte den Kopf nach oben, ins Innere des Friedenswächters und rief so laut er konnte, nach seinen Freunden: „Colt?! April?! Bringt mir einer von euch bitte Wasser und einen kalten Lappen mit?“ Als er sich sicher war, dass er laut genug gewesen war, konzentrierte er sich wieder auf den Sportler, der entgegen besseren Wissens und der entsprechenden Übung viel zu unkontrolliert gelaufen war. Fireball bekam keine Luft, der Schweiß tropfte ihm förmlich aus allen Poren. Saber hatte Angst, dass Fireballs Kreislauf versagte. Aufmerksam behielt er Fireballs Atem im Auge und sprach mit ihm. Er fragte nach: „Wie lange warst du denn nur unterwegs?“ „Dreißig.“, wieso brannte jeder Atemzug immer noch wie Feuer? Wäre Fireball nicht so kaputt gewesen, hätte er vor Schmerzen geschrien. Dreißig Minuten war unter normalen Umständen eine Standardrunde für jeden von ihnen. Von so einer lächerlichen Dauer kam niemand von ihnen so fertig zurück. Sabers Augenbrauen zogen sich fragend und verwundert nach oben, als er weiter nachhakte: „Hast du in dreißig Minuten achthundert Höhenmeter gemacht?“ Fireball schüttelte den Kopf, bereute es aber augenblicklich. Der Wellengang in seinem Innenohr vermeldete dem Magen einen tsunamiartigen Seegang und somit war ihm wieder übel. Er hatte doch nur `ne halbe Tasse Kaffee intus, die hatte er schon längst herausgeschwitzt. Es gab nichts mehr, das sein Magen wieder hergeben könnte. Saber hatte nicht gedacht, dass Fireball noch etwas bleicher im Gesicht werden konnte. Obwohl, genauer betrachtet, verfärbte sich das Weiß ins grünlich blasse. Sein Pilot war für diesen Tag wieder unbrauchbar. Saber sah ein, dass er keine weitere Antwort erhalten würde, deshalb griff er wieder nach dem Arm. Dieses Mal griff er um das linke Handgelenk des Rennfahrers, an dem eine Uhr lag. Diese zeichnete bei ordentlicher Bedienung die Dauer einer Sporteinheit und beim Laufen auch die zurückgelegte Strecke auf. Mit schnellen, geübten Handgriffen rief Saber die letzten Daten auf. Nun war Saber alles klar. Entsetzt ließ er den Arm sinken und keuchte: „Bist du wahnsinnig geworden?! Zehn Kilometer in dreißig Minuten! Willst du dich mit Gewalt umbringen?“ Das völlige Unverständnis lag in Sabers Stimme, aber auch Sorge. Hatte er vor einiger Zeit noch geglaubt, einer würde Ramrod bald freiwillig verlassen, so befürchtete Saber langsam, dass er diese Entscheidung treffen musste, wenn er alle vor Schaden bewahren wollte. Fireballs Selbstgeißelungsversuche schadeten nicht nur dem Piloten selbst, es brachte auch den Rest der Crew in Gefahr. Es war als rational denkender Offizier nicht mehr vertretbar, Fireball noch länger in seiner Einheit zu lassen. Als Freund jedoch erkannte Saber die Hilfeschreie und empfand trotz dieses Verhaltens tiefes Mitgefühl und Sorge. Die letzten Monate hatte es immer wieder Höhen und Tiefen gegeben, aber seit dem Giftanschlag mit Chillies war es nicht mehr so schlimm gewesen. Saber strich Fireball vorsichtig die Haare aus der Stirn, die schweißnass daran klebten. Saber fragte sich, was an diesem Morgen wohl vorgefallen war, dass Fireball sich abhetzte, als sei der Leibhaftige persönlich hinter ihm her gewesen. Im nächsten Moment kam Colt die Rampe herunter. Nachdem Saber so laut geschrien hatte, hatte er sich nicht getraut, den Wunsch des Säbelschwingers einfach zu ignorieren. Die Dringlichkeit in der Stimme seines Freundes hatte keinen weiteren Aufschub zugelassen, auch wenn weder er noch April auf Anhieb gewusst hatten, was eigentlich los war. Zur Sicherheit hatte er neben der Wasserflasche und dem kalten Lappen auch den kleinen Erste-Hilfe-Koffer eingepackt. Sabers Stimmlage hatte sich nach gesundheitlichem Notfall angehört. Schnell erfasste Colts Blick die Situation. Er war mit seiner Interpretation nicht so weit daneben gelegen. Saber saß auf den Knien neben einem auf dem Boden liegenden Fireball. Schnellen Schrittes war er bei den beiden Männern angekommen. Colt ließ den Koffer neben sich fallen und kniete sich auf der anderen Seite von Fireball nieder. Alarmiert sah er zu seinem Boss: „Was ist passiert?“ „Kreislaufkollaps vermute ich“, erwiderte Saber sachlich, ohne dabei richtig aufzusehen. Zumindest war nun Colt da, der ihm bei der Versorgung des Wuschelkopfs behilflich war. Der Schotte empfand es als Segen, dass Colt gekommen war und nicht April. Sie wäre wahrscheinlich in Panik verfallen. Colt hingegen atmete nach Sabers Erklärung beinahe erleichtert auf. Er stieß sich den Hut aus der Stirn und deutete auf Fireball: „Na, dann lass uns dem toten Käfer mal wieder auf die Beine helfen! Worauf hast du gewartet, Mann?“ Fireball lag mit dem Kopf nach oben, bei einem Kreislaufzusammenbruch sollten aber die Beine hochgelagert werden. Beherzt griff Colt deshalb unter Fireballs Kopf, hob ihn leicht an und zeigte Saber, in welche Richtung er vorhatte, Fireball zu drehen: „Zuerst mal Füße nach oben, dann kann das Blut wieder dahin, wo’s hin soll.“ Erleichtert nickte Saber und half Colt, zu zweit ging es eben immer einfacher. Der Cowboy hatte wie er selbst schon reichlich Erfahrung mit Notfällen und auch, wenn das hier keine lebensbedrohliche Schussverletzung war, so nahm Colt es zunächst dennoch ernst. Gemeinsam drehten sie den Japaner mit dem Kopf nach unten auf der Rampe. Die Schrägstellung von Ramrods Einlass half ohne großen Aufwand. Die Beine waren oben, der Kopf unten. In einem nächsten Schritt faltete Colt den nassen Lappen mehrmals zusammen, bevor er ihn unter Fireballs Nacken schob. Mehr als ein Stöhnen und wie Colt meinte Wimmern fand nicht über Fireballs Lippen. Es ging dem Wuschelkopf auch viel zu schlecht, als dass er sich großartig bedanken oder über die Behandlung beschweren konnte. Saber beobachtete Fireballs Atmung währenddessen immer noch aufmerksam. Es sollte sich bald Besserung einstellen, ansonsten brauchten sie doch einen Arzt. Colt und er setzten sich jeweils neben Fireball, Saber tastete auch immer wieder nach dem Puls. Langsam stabilisierte sich Fireballs Kreislauf wieder, die Atmung wurde ruhiger und auch das Brennen der Lungenflügel ebbte allmählich ab. Fireball hatte mit Wohlwollen festgestellt, dass das Schwindelgefühl und die Loopings seines Innenohrs aufhörten. Endlich wagte er, die Augen wieder zu öffnen. Erst, als die Behandlung Erfolg zeigte, wagte auch Colt wieder einen Vorstoß. Er wusste immerhin nicht, wie es zu diesem blutleeren, aber schweißüberströmten Wuschelkopf gekommen war. Angespannt nickte er auf Fireball hinab, während er Saber aushorchte: „Wie hat er das denn geschafft?“ Saber hob seufzend die Schultern. Ihm war bewusst, dass Colt nicht so gnädig in seiner Predigt sein würde. Aber sie saßen zusammen in einem Boot, zumindest sprichwörtlich, und da hieß es mitgehangen – mitgefangen. Er wollte Colt die ihm bekannten Fakten sachlich schildern, schaffte es aber nicht, den Tadel herauszuhalten: „Fireball hat beim Laufen den Turbo gezündet und wahrscheinlich den Langstreckenrekord im Neuen Grenzland geknackt, ohne entsprechendes Training davor. Er hat zehn Kilometer in dreißig Minuten runtergerissen.“ Der Schotte fragte sich im nächsten Augenblick, ob er vorhin die Augen auch so schockiert aufgerissen hatte. Colt sog scharf die Luft ein, rang sichtlich um Fassung, die er dann doch lautstark fahren ließ. Er schlug mit der Faust auf den metallenen Erste-Hilfe-Koffer, der davon eine unschöne Delle davon trug. Ohne darauf zu achten, wie aufnahmefähig Fireball inzwischen wieder war, blaffte er den Freund an: „Du hast was?! Bist du jetzt völlig durchgeknallt, oder was?! Wie hirnrissig ist das bitte?“ Colt sprang auf die Beine, dabei fuhr er seinen Freund immer noch an, ohne Punkt und Komma: „Wenn du lebensmüde bist, dann mach das ohne uns in der Nähe! Du hättest da draußen schon umfallen können und kein Schwein weiß, wo du steckst! Mann, hör doch endlich auf mit dem Mist! Irgendwann ist keiner von uns da, der dir hilft und dann geht das alles nicht mehr so glimpflich aus.“ Saber konnte sich trotz allem und Colts lauter Stimme das Schmunzeln kaum verkneifen. Egal, was er Fireball gerade alles hieß und wie nachdrücklich er dem Wuschelkopf schwor, ihm nicht mehr zu helfen, Saber wusste genau, dass Colt einfach nur besorgt war. Allerdings empfand auch Saber ähnlich, weshalb er Colt gar nicht erst zu bremsen versuchte. Den Anschiss hatte Fireball verdient. „Wenn du auf Schmerzen stehst, schicken wir dich das nächste Mal im Gefecht echt gerne vor! Dann kannst du dir mit Jesse den Kopf einschlagen. Keiner wird dich davon abhalten! Ich mach bei diesem ganzen Scheiß nicht mehr mit, Fireball! Sag es ihr endlich oder such dir eine andere, die nicht vergeben ist. Egal, was davon du tust, aber tu es! Ich sammle dich nicht mehr von irgendwo auf und verarzte dich, weil du dir die Seele aus dem Leib kotzt oder läufst. Komm endlich klar, Mann!“ Während Colts Schimpftriade richtete sich Fireball etwas auf. Er stützte die Unterarme auf die Rampe, hob den Kopf. Endlich verschwanden die Punkte und sein Verstand klärte sich wieder. Dieses dumpfe Gefühl im Kopf vor einer Ohnmacht war weg. Fireball spürte, wie auch der Schmerz beim Atmen verging und sein Puls wieder regelmäßiger schlug. Leise bedankte er sich bei seinen Freunden. Dank ihnen ging es ihm wieder besser. Saber drückte ihm noch die Wasserflasche in die Hand. Er riet ihm: „Trink langsam und bleib noch ein paar Minuten liegen, bevor du an Board gehst und dich oben hinlegst.“ Erleichterung machte sich in Saber breit, als sich Fireballs Zustand merklich besserte. Dennoch sah er es ähnlich wie Colt. Saber stand auf, kühl wies er Fireball an, bevor er wieder an Board ging: „Ich will dich erst wieder arbeiten sehen, wenn du vollständig hergestellt bist. Colt begleitet dich dann in dein Zimmer.“ Saber klang wie ein strenger Vater. Keiner der beiden verbliebenen wagte ihm zu widersprechen. Der Schotte stieg die Rampe hinauf, ruhig und ohne sich noch einmal umzusehen. In ihm machte sich eine Mischung aus Erleichterung und Empörung breit. Er hatte Fireball nun aufgetragen, sich hinzulegen und erst wieder auf Ramrod herum zu spuken, wenn es ihm wieder besser ging. Mittlerweile wollte Saber nicht einmal mehr wissen, warum Fireball so übertrieben hatte. Schweigend blieben Colt und Fireball schließlich zurück. Colt wie aufgetragen beim Wuschelkopf und begleitete diesen später auch in sein Zimmer. In seinen Ohren hatte Sabers Anschiss beinahe wie Stubenarrest geklungen. Nach solchen Eskapaden dauerte es immer einige Tage, bis sich auf Ramrod die Lage wieder stabilisiert hatte. Fireball ging April dann für gewöhnlich aus dem Weg, ebenso wie Colt und Saber. Aber bald schon hatten alle den Zwischenfall wieder vergessen. April verbrachte den nächsten Zwischenstopp von Ramrod in Yuma wieder bei John. Die Jungs sahen ihre Freundin nicht oft währenddessen. Sie wohnte mittlerweile mehr bei John als im gemeinsamen Appartement und wenn April John nicht ab und an zum Abendessen mitbringen würde, bekämen sie sie in Yuma gar nicht mehr zu Gesicht. Nachdem April ihren Freund via Hypercom gesprochen hatte, war auch ihr Disput für die Blondine wieder erledigt. John tat beinahe alles für seine Freundin und April genoss das während ihres Heimaturlaubes in vollen Zügen. Als Ingenieur fand sich John mittlerweile auch so manches Mal auf Ramrod wieder. Er arbeitete mit April am Friedenswächter, wenn es seine Zeit in Mandarins Einheit zuließ. Für gewöhnlich war es für den rothaarigen Captain allerdings kein Problem, wenn sie John zu Ramrod entließ. Sie wusste, wo er sich aufhielt und wie sie ihn erreichen konnte. Mandarins Laune war ohnehin meistens unbeschreiblich gut, wenn Ramrod in Yuma war. Da war sie für gewöhnlich nicht ganz so streng mit ihrer Crew. Lediglich Fireball war nicht sonderlich begeistert, John auf Ramrod zu sehen. Das lag zumeist daran, dass John ihm auf seinem eigenen Schiff erklären wollte, was wie zu machen war und ihn wie einen Lehrling zurechtwies. Fireball fühlte sich manchmal so gedemütigt, dass er Ramrod verließ. Saber verfolgte all das mit gemischten Gefühlen, ebenso wie Colt. Ihnen waren in diesem Fall die Hände gebunden, obwohl Colt manchmal gerne zu April gegangen wäre und ihr von Fireballs Gefühlen erzählt hätte. Aber das wäre seinem Kumpel gegenüber nicht fair gewesen, dessen war sich auch Colt bewusst. Ätzend fand er es dennoch, dass der Wuschelkopf April nach wie vor keinen reinen Wein eingeschenkt hatte. Bei einem ihrer Ausflüge in das Stadtleben Yuma Citys bummelten sie an diversen Schaufenstern vorbei. April blieb immer wieder stehen, blickte sehnsuchtsvoll hinein, wagte aber nicht, John zu fragen, ob sie einen Abstecher hinein machen konnten. Wenn sie für Johns Geschmack zu lange vor einem Schaufenster stand, griff er nach ihrer Hand. Dann zog er sie zwar sanft, aber bestimmt einige Schritte weiter, bis sie sich wieder an seiner Seite befand. Er war wie alle Männer kein Freund von ausgedehnten Shoppingtouren und seiner Meinung nach sollten sie ihre gemeinsame Zeit anders verbringen. Schöne Kleider sollte sie lieber ohne ihn kaufen und ihn damit überraschen. April hakte sich ein wenig enttäuscht wieder bei John ein. Kein Mann der Welt war offenbar so geduldig wie Fireball, wenn es ums Shoppen und Bummeln ging. April hatte das auch immer wieder von ihren Freundinnen gehört, die sie für ihren Begleiter immer wieder beneidet hatten. Sie hatte bis dato nicht gewusst, welche Ausnahme sie hatte. John strich sanft über Aprils Arm, während er sie weiter durch die Fußgängerzone führte. Er blickte um Verständnis suchend in Aprils Gesicht: „Du hast doch sicher eine Freundin, die mit dir shoppt, mein Schatz“, als sie zu einer Antwort ansetzen wollte, unterbrach er April sofort. Er beugte sich zu ihr hinunter, verschloss ihr die Lippen mit einem Kuss und ließ sie wissen: „Für mich ist es viel aufregender, wenn ich deine Errungenschaften nachher begutachten und von deinem Körper streifen kann.“ Damit war April endgültig wieder versöhnt, ein zarter Schimmer breitete sich über ihre Wangen aus. Sie hatte John eben noch erzählen wollen, dass Fireball sie beim Einkaufen begleitete, konnte aber nach Johns verheißungsvollem Versprechen an nichts anderes mehr denken. John ließ keinen Zweifel daran, dass er sie begehrte, das schmeichelte April. Zufrieden erwiderte sie den Kuss. Die Zeit bei Familie und Freunden war immer viel zu kurz. Kaum landete Ramrod auf Yuma, hieß es auch schon wieder Abschied nehmen. Colt fand das mindestens so mies wie April, zumindest wenn er Tallulah wieder einmal gesehen hatte. Wie sich eine Trennung auf Zeit anfühlte, konnten nur er und ihre Prinzessin verstehen, die beiden Singles jedoch nicht. Die schönsten Seiten der Planeten konnten nicht immer darüber hinwegtrösten. Was eher tröstete waren verlässliche Freunde, die Zeit mit einem verbrachten und einen ablenkten. April und Colt waren ihren beiden Freunden da jedes Mal sehr dankbar, jeder auf seine Weise. Die nächste Mission führte Ramrod auf einen wunderschönen, naturbelassenen Planeten. Weite Wiesen und Wälder wurden nur manchmal von einer kleinen Siedlung oder Stadt unterbrochen. Die Besatzung hatte sich an diesem Tag in der Hauptstadt umgesehen, zuerst beruflich, dann privat. Nach einem gemeinsamen Mittagessen trennten sich die vier Star Sheriffs fürs erste. Colt hatte in Windeseile Saber geschnappt und in die nächstbeste Spillunke gezogen. Fireball hatte es nicht so eilig gehabt. Er blieb mit April in dem Restaurant sitzen. Sie tranken einen Eiskaffee zusammen, ehe sie die Innenstadt unsicher machten. April ergatterte einige Schnäppchen, während dieses Mal auch Fireball ein Elektronikgeschäft besuchte. Die Gespräche waren heiter und vertraut. So verflog der Nachmittag. Das Kochverbot für den Wuschelkopf war nach wie vor aufrecht, Saber wollte kein leichtfertiges Risiko eingehen. Fireball war es mittlerweile egal. Er hatte nichts dagegen. An diesem lauen Sommerabend, der auf diesen entspannten Tag folgte, verließ Fireball Ramrod nochmal alleine. Der Friedenswächter parkte auf einem grünen Hügel, ringsum war außer einer bunten Blumenwiese sonst nichts. Fireball sank im Schatten des großen Cowboys in die Wiese. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Sein Blick blieb einige Zeit in den Himmel gerichtet, bis er die Augen schloss und ein Nickerchen machte. Verletzt rannte April Ramrods Rampe hinunter. Tränen glitzerten in ihren Augen, die sie unwirsch wegwischte. Sie wollte sie nicht weinen, sonst hätte ihre Wut gewonnen. Ohne auf ihre Umgebung zu achten trat sie aus dem Schatten des Friedenswächters in die untergehende Sonne. April atmete tief durch, versuchte die verwirrenden Gedanken aus ihrem Kopf zu verbannen. Es war so ein schöner Tag gewesen, sie weigerte sich, ihn traurig zu beenden. Es war niemandem geholfen, wenn sie nun hier draußen hockte und stumm in sich hineinweinte. Bewusst richtete April ihre Aufmerksamkeit auf den Boden. Die Wiese war voll mit bunten, blühenden Blumen und Klee. Sie sah verführerisch weich aus, deshalb zog April ihre Schuhe aus, sie wollte das zarte Grün unter ihren Füßen spüren. Sofort schmiegte sich der Klee an ihre Fußsohlen. April ging einige Schritte barfuß durch das sanfte Gras, erdete so sich selbst wieder und beruhigte sich allmählich. Zumindest war sie soweit, nicht mehr gleich einen Kloß im Hals zu haben, wenn ihre Gedanken wieder zu John schweiften. Über April ging einer der drei Monde des Planeten auf, aus dem blauen Himmel wurde langsam ein lilafarbener. Sie senkte den Blick vom Himmel wieder auf die Wiese. Da entdeckte April endlich auch Fireball. Ihr bester Freund lag in der Wiese und döste vor sich hin. Sie beneidete Fireball in diesem Moment. Er war niemandem Rechenschaft schuldig, wenn er mit Ramrod herumreiste. Niemand wartete in Yuma auf ihn und hielt ihm vor, zu wenig Zeit füreinander zu haben. Fireball genoss sein Leben, kannte keinen Liebeskummer und das Gefühl, Pflichten in einer Beziehung zu vernachlässigen. Der Japaner genoss sein Leben im All und auf den vielen Planeten des Neuen Grenzlandes. Er schien nichts zu vermissen. Er ruhte in sich, strahlte so für April immer Geborgenheit aus. Auch dieses Mal wieder. April setzte sich neben ihm in die Wiese. Es war egal, ob Fireball schlief. Seine Anwesenheit war bereits heilsam für April. Leise begann die junge Blondine Kleeblätter und Blumen zu pflücken. Sie wollte daraus einen Blumenkranz flechten. Die Blumen strahlten in den unterschiedlichsten Farben, rot, lila, gelb. April griff nach einer Glockenblume und betrachtete diese. Vor kurzem war sie noch in Yuma gewesen. Sie hatte mit John eine wunderbare Woche verbracht, auch wenn sie an manchen Tagen arbeiten musste. Sie hatten die Zeit zusammen verbracht. Auch John hatte es so gesehen. Bei ihrem Gespräch gerade eben hatte er ihr allerdings genau das vorgehalten. Sie würden nur Zeit zusammen verbringen, wenn sie gemeinsam arbeiteten. Sie würden ansonsten kaum etwas zusammen unternehmen. John hatte zur Sprache gebracht, dass sie einen wesentlichen Teil ihrer freien Zeit mit Männern verbrachte. Zwei dieser drei Männer waren obendrein noch Singles und damit nicht die Art von Zeitvertreib, den sich John für seine Freundin wünschte. Frustriert seufzte April in ihren angefangenen Kranz. Weshalb störte ihn ihre ständige Begleitung im All plötzlich? John hatte bisher nichts gegen ihre Jungs gehabt, er hatte auch von Anfang an ihre Kollegen gekannt. Sie verstand es einfach nicht! Es hatte sich seit dem Beginn ihrer Beziehung nichts geändert. Sie hing mit ihren Freunden an Board herum. Sie hätte John sagen können, dass es mangels Alternativen so war, aber April mochte ihre Jungs. Keinen der drei Chaoten wollte sie missen. Heftig hatte sie John deshalb widersprochen und ihm leidenschaftlich versichert, dass sie keine Geheimnisse vor ihm hatte und auch keine Verstrickungen in welcher Art auch immer. John hatte diese Bekundungen nicht hören wollen. Ein Mann blieb ein Mann, auch dann, wenn eine Frau ihn als Freund bezeichnete. Es gab in Johns Augen keinen Mann, der eine Frau nicht auch mit den Augen eines potentiellen Partners ansah. Es raschelte lauter als vorhin. Fireball ignorierte das Geräusch, schob es auf einen Windstoß. Als die Wiese aber dann auch noch seufzte, öffnete er doch vorsichtig die Augen. Es war herrlich leise hier draußen gewesen, er war sofort eingenickt. Bis eben hatte er vor sich hingedöst im Vertrauen darauf, dass man ihn wecken würde, sobald das Abendessen fertig war. Der Störenfried neben ihm schien allerdings andere Pläne für den Feierabend zu haben. Schemenhaft, weil noch nicht richtig wach, nahm er die blonde Mähne wahr. April hatte es also vorgezogen, die restliche freie Zeit bei ihm zu verbringen. Sie hatte ihm vorhin doch noch erzählt, dass sie mit John telefonieren wollte. Ihre Anwesenheit irritierte den Hitzkopf deswegen. Hatte er so lange geschlafen? Fireball zog den linken Arm unter dem Kopf hervor, damit er auf die Uhr schielen konnte. Tatsächlich war er noch keine halbe Stunde hier gelegen. Aprils Zeit zu zweit hatte an diesem Abend nicht lange gedauert. Gähnend drehte sich Fireball auf die Seite, stützte seinen Kopf auf eine Hand und überlegte, was er sagen sollte. Er konnte Aprils Gesicht nicht sehen, sie hatte ihm den Rücken zu gewandt, das machte es schwer, den richtigen Einstieg zu finden. Seine freie Hand begann eine Strähne von Aprils langen blonden Haaren zu zwirbeln, als er sie begrüßte: „Hey, na du? Dein Hypercom-Date schon vorbei heute?“ Sie erschrak nicht, als sie Fireballs Stimme hinter sich hörte. April hatte seine Bewegungen längst wahrgenommen. Sie hatte Fireball nicht wecken wollen und auch nicht überfallen. Der Wuschelkopf brauchte immer einige Momente, bis er aufnahmefähig war. Für gewöhnlich ging das nach einem Nickerchen schneller als am Morgen. April holte tief Luft, sank etwas zusammen, drehte sich aber zu Fireball um. Ihr Blick fiel auf seine Hand, die mit ihren Haaren spielte. Stimmte es, was John gesagt hatte? Sah Fireball sie nicht wie eine Freundin, eine Schwester an? Ach Quatsch! Sie standen sich nahe, waren gute Freunde, aber sicherlich nicht das, was John Fireball und somit auch ihr unterstellt hatte. „War weniger ein Date. War eher doof.“ „Streit?“, wollte Fireball daraufhin besorgt wissen. Er mochte von John halten, was er wollte. Er war Aprils Partner, somit hatte Fireball den Ingenieur zu akzeptieren und zu respektieren. So schwer es Fireball auch hin und wieder fiel, weil er den Eindruck nicht abschütteln konnte, dass John ihn weder akzeptierte noch respektierte. April war unglücklich, wenn sie Streit mit John hatte, das wiederum zog vor allem Fireball in deren Beziehung ungewollt tiefer hinein, als er wollte und als er verkraftete. Dennoch blieb April seine Freundin und er machte sich Sorgen, wenn es ihr nicht gut ging. Er schien es bereits zu wissen. April entspannte sich. Fireball hatte immer ein offenes Ohr für sie und ein gutes Gespür für die richtige Art von Trost. Das war mit ein Grund, weshalb sie auch so viel Zeit mit Fireball verbrachte. Er wimmelte sie nie ab, gab auch gerne mal nach, wenn sie sich bei ihren Unternehmungen nicht einig waren und ersetzte ihr im All die Familie. Dankbar ließ sich nun auch April ganz im Gras nieder. Sie legte sich auf den Bauch, stützte sich mit den Unterarmen ab. Den halben Kranz hielt sie noch in Händen, als sie zu erzählen begann: „Nein… Das heißt jein. Es war kein Streit. Eher eine Diskussion, eine sehr einseitige.“, gut hörbar atmete April aus. Ihre Augen suchten Fireballs Blick: „Wieso nur müsst ihr Männer so sein? So, so stur, und frustrierend?“ April war die Frage ernst. Fireball musste schließlich den Grund kennen, weshalb alle Männer sich immer im Recht sahen, auch wenn sie den größten Mist verzapften. War dieses territoriale Gehabe angeboren und brach es in der Pubertät hervor? Da gehörte er also wieder zu den Männern, Fireball fiel zurück auf den Rücken. April zählte ihn nur zu den Männern, wenn es um schlechte Eigenschaften und Macken ging, im Normalfall war er für sie nur ein unreifer Bengel. Dass er sich auch nicht in ihre Probleme mit John einmischen wollte, half ihm gerade wenig. April hatte ihn von Anfang an mindestens knietief mit hinein gezogen. Egal, was auch der Grund für ihren Streit gewesen sein mochte, Fireball bezweifelte, dass er der richtige Ansprechpartner dafür war. Mühsam setzte er sich auf, sein Blick glitt über Aprils Gestalt. Sein Mund fühlte sich mit einem Mal staubtrocken an, denn Aprils Kurven hoben sich gut vom saftigen Grün ihrer Umgebung ab und verführten zu Gedanken, die ihm nicht zustanden. Seine Augen streiften von ihrem Rücken hinunter zu ihrem Gesäß und ihren Beinen, schließlich konnte er sie auf einen neutralen Punkt in der Wiese richten. Er sah über die Blumenwiese, die den Bewohnern des Planeten den Sommer in den schönsten Farben zeigte. Aber das schöne Wetter und das Drumherum konnten Fireball den Ärger über Aprils Feststellungen nicht nehmen. Er war gekränkt von ihrem selbstverständlichen Tonfall. Fireball zog die Beine an, schlang die Arme um die Knie und sah schließlich in die Ferne, während er von April wissen wollte: „Gibt‘s einen Grund, weshalb alle Männer stur und frustrierend sind oder soll ich einfach raten und auch gleich in Ungnade fallen?“ April flocht den Kranz weiter, sie musste sich immer noch etwas ablenken und ihre Gedanken sortieren. Empfindlich durch das Gespräch mit John vor wenigen Minuten schnappte sie aber den gereizten Unterton in Fireballs Stimme auf, was sie augenblicklich wieder innehalten ließ. Sie verstand nicht, was er meinte. Fireball war noch nie bei ihr in Ungnade gefallen, sie hatte sich bisher maximal eher Sorgen um ihn gemacht, wenn er bei einer Aktion wieder nicht nachgedacht hatte. Sie hatte ihn doch eben nur gefragt, ob alle Männer stur waren. Das hatte mit ihm doch nichts zu tun. Verwirrt sah April deswegen zu ihrem Kumpel auf: „Was? Wieso sollst du in Ungnade fallen?“ Sie brachte es nicht mit ihm in Verbindung. Fireball wunderte es nicht mal mehr. Immerhin hatte April ihm die vergangenen Monate öfter als einmal eindrucksvoll bewiesen, dass er in ihren Augen kein Mann von Interesse war. Daneben hatte sie gerade ganz offensichtlich eine Beziehungskrise, die sich überraschend zeigte. Sie hatte kein Ohr und kein Gespür für seine zweideutigen Zwischenrufe. So schnell der Zorn deshalb auch aufgekeimt war, so schnell verpuffte er bei diesen Gedanken auch wieder. April würde es nur wissen, wenn er ihr sagte, was er empfand. Nachdem er das nach wie vor nicht wollte, auch wenn es zwischen ihr und John offenbar etwas kriselte, konzentrierte er sich lieber darauf, April ein guter Freund zu sein. Fireball schüttelte den Kopf, tat seine Worte einfach ab: „Vergiss es, nicht so wichtig. Was ist passiert, April?“ Doch gerade weil Fireball es unter den Teppich kehren wollte, weckte es Aprils Interesse. Sie hatte das Gefühl, ihn mit irgendwas beleidigt zu haben. Ein Streit mit John genügte ihr, sie wollte sich nicht auch noch mit Fireball in die Haare bekommen. Sie wollte mit dem Wuschelkopf nicht streiten. Kurzerhand entschied sich April deswegen, einen eventuellen Disput hier gleich auszuräumen. April setzte sich ebenfalls wieder auf, sie sah dem Japaner gerne in die braunen Augen. Daraus konnte April seine Stimmung meistens besser ablesen, als aus seinem Tonfall. Etwas bestimmter als zuvor forderte April ihren Tröster auf: „Nein, bitte beantworte die Frage. Ich verstehe gerade nicht, was los ist?“ Wieder bewies ihm April, dass er für sie kein männliches Wesen war. Fireball atmete tief durch. Er wusste, dass sie nicht eher nachgab, als sie das Gefühl hatte, den Zwist beigelegt zu haben, auch wenn es eigentlich gar keiner war. Er schielte zu April, die sich nun auch wieder aufgesetzt hatte. Sachlich erklärte er: „Alle Männer sind stur und frustrierend. Das waren deine Worte. Wenn ich jetzt einfach ins Blaue rate, ist es zu hundert Prozent auch nicht richtig,“ er hatte ‚alle‘ entsprechend betont und sogar auf sich gezeigt, damit April wusste, was Sache war. Als sich ihr Blick aufhellte, wusste Fireball, dass sie begriffen hatte. Somit war zumindest das Thema erledigt. Fireball wollte aber das andere Thema lieber heute als morgen abgehandelt haben. Ein schneller Schmerz war immerhin besser, als ein ewig andauernder, zumindest für den Rennfahrer. „Warum ist John also so frustrierend, dass du nach nicht mal einer halben Stunde hier aufschlägst und verärgert bist?“ „Es ist neuerdings ein Problem für ihn, wer mich unterwegs begleitet“, Aprils Stimme war deutlich von Unverständnis gefärbt. Sie verstand wirklich nicht, was John eigentlich so auf die Plane brachte. Sie war von Anfang an mit den Jungs unterwegs gewesen. Es war kein Geheimnis gewesen. Himmel, sie hatte John ihre drei Jungs sogar persönlich vorgestellt, damit er wusste, wer auf einer Mission auf sie aufpasste! Es war bisher kein Thema gewesen, John hatte sich mit allen gut verstanden. Aber nun wollte er am liebsten keinen mehr in ihrer Nähe sehen. Sie seufzte schwer: „Er tut so, als würdet ihr drei mir nur hinterher sabbeln. Als ob ein Mann und eine Frau nicht einfach nur Freunde sein können. Saber und ich sind nur Freunde. Colt und ich sind nur Freunde und wir beide...“ April war mit jedem Satz aufgebrachter geworden, verärgerter. Johns Worte zu wiederholen war für April so absurd, wie sie es von vornherein empfunden hatte. Sie war mit ihren Jungs nur befreundet, das war sie immer gewesen! April hatte bisher nie darüber nachgedacht, die Situation an Board von Ramrod, ihre Freundschaft zu Saber, Colt und Fireball war bis dato so selbstverständlich wie das Atmen für sie gewesen. Doch während sie Fireball gesagt hatte, dass sie mit Saber und Colt nur befreundet war, hatte sie angefangen zu begreifen, dass die Freundschaft zu Fireball anders war. Sie wollte deshalb nicht sagen, sie wären nur Freunde, immerhin war der Wuschelkopf mehr als das für sie. Das verstand sie erst jetzt. Sie ließ deshalb den letzten Satz offen stehen. Er wusste nicht so recht, ob er freudiger Erwartung sein sollte, oder ob er sich demnächst vor Jesse ohne Schutzanzug hinstellen sollte. Fireball schluckte, denn er sah, wie es in April zu arbeiten begann. Er murmelte: „Ja, was? Was wir beide?“ Auch Aprils Stimme wurde leiser. Sie hatte sich gerade noch so über John aufgeregt, doch nun füllte sich ihr Kopf mit den unterschiedlichsten Gedanken und brachten April vollends durcheinander. Von ihrem Zorn und Ärger war nichts mehr übrig geblieben. April rutschte noch ein wenig zu Fireball auf. Sie suchte seine Nähe auch in einem solchen Gespräch, denn April hatte das Gefühl, er würde es verstehen. April legte ihren Kopf auf Fireballs Oberarm, ihre Hand glitt unter seinem Arm durch und legte sich auf seinen Ellbogen. Sie schmiegte sich an ihn: „Wir sind mehr als nur gute Freunde. Du bist“ Fireball fuhr auf, erschrocken über Aprils Worte. Hatte sie es John auch so gesagt? Fireball blieb beinahe das Herz stehen, Aprils Freund brachte ihn um. Fireball ließ seine Arme sinken, in der Hoffnung, April würde ihn loslassen. Doch ihre zierlichen Finger wanderten lediglich vom Ellbogen zum Oberarm hinauf, ihr Kopf zu seiner Schulter. „Wenn du John das genauso sagst“, unterbrach er April atemlos: „darfst du dich nicht wundern, dass er ein Problem mit uns hat!“ Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Verstand sie denn überhaupt, was sie ihm gerade erklärt hatte? Mehr als ein guter Freund war jemand, der auch für einsame Stunden der richtige war. Hatte er Aprils Worte bisher falsch interpretiert? Es wäre zu schön, aber die Erfahrung der vergangenen Monate hatte ihn diesbezüglich vorsichtig werden lassen. Er wollte es aus Aprils Mund hören, weshalb er nachhakte: „Was sind wir denn deiner Meinung nach, wenn wir mehr als gute Freunde sind?“ Seine Schulter war ebenso in Ordnung, wie sein Oberarm. April entschied, dort zu bleiben, sie fühlte sich wohl bei Fireball. Für sie war klar, dass Mann und Frau auch Freunde sein konnten: „Es ist doch aber nicht so ungewöhnlich, dass man in einem Team jemand hat, mit dem man sich besser versteht, als mit den anderen.“ John schien das nicht zu verstehen. Dabei ging April fest davon aus, immerhin waren auch in Johns Team Frauen mit denen er sich verstand, ohne mit ihnen ins Bett zu wollen. Weshalb sollte es bei ihr aber anders sein? April umschrieb ihre Worte von vorhin, hoffte so, auch dem verständnislosen Rennfahrer zu versichern, wie es für sie war: „Wir unternehmen viel zusammen, wenn wir unterwegs sind. Ich kann immer zu dir kommen, wenn ich jemanden zum Reden brauche, egal worum es geht und du unternimmst auch mal was mit mir, worauf du keine Lust hast. Ich kann mit allen Sorgen und Ängsten zu dir kommen, du tust alles, damit es mir gut geht.“ So viele Punkte hatte April aufgezählt. Alle waren für sie bisher selbstverständlich gewesen. Ihre Shoppingbegleitung, ihre Schulter zum Anlehen. Fireball war all das, ohne einen Hintergedanken, ohne eine Gegenleistung zu wollen. Nie hatte April das Gefühl bei Fireball, er wollte im Gegenzug für seine Zeit etwas von April. Klar, er freute sich, wenn sie ihn zu einem Rennen begleitete, oder sie ihm mit dem Red Fury half, aber er verlangte es nicht von ihr. Selbst, wenn sie nicht schlafen konnte, April durfte jederzeit zu ihm ins Zimmer, sich an ihn kuscheln und ihm die Decke klauen. April sah auf. Direkt in Fireballs braune Augen. April starrte Fireball an und überdachte ihre Worte und ihre Taten. Er war wie ein Freund. Sie konnten genauso gut eine langjährige Beziehung führen, nur ohne das Intime! Sie saß an Fireball geschmiegt auf einer Wiese, von weitem musste es wirken wie ein Paar, das den romantischen Sonnenuntergang genoss! Langsam verstand April Johns Argumente. Obwohl sie ihren Kopf endlich hob, ihre Hand blieb an Fireballs Oberarm. Sie starrte ihn beinahe wie ein scheues Reh an, dabei hatte er nichts angestellt. Fireball hatte April aufmerksam zugehört und dabei gedanklich sein Testament geschrieben. Er hatte sich nicht einmischen wollen, hatte den beiden ihr Glück doch gegönnt! Aber nun schien er der Keil in der Beziehung zu sein. Wie er April mittlerweile kannte, hatte sie für John die gleichen Worte benützt, wie für ihn gerade. Fireball senkte den Blick auf April, suchte nach Verständnis für Johns Reaktion. Seine Stimme war sanft, seine Hand strich über ihre, die noch immer seinen linken Oberarm umschlossen hielt: „Wenn du das John auch so gesagt hast, weiß ich, warum er unfreundlich wurde.“, er ließ die Hand wieder sinken, sein Blick ging auf ihre Finger. Er musste April endlich die Wahrheit sagen. Wie sollte sie John sonst davon überzeugen können, dass sie nur für den Ingenieur etwas empfand? Er fasste sich deshalb ein Herz: „Ich kann ihn verstehen und er ist zurecht angefressen, April.“ Fireball konnte John verstehen? Sie hatte bis eben gedacht, der Rennfahrer war auf ihrer Seite. Während sie sich an Fireball geschmiegt hatte und darüber nachgedacht hatte, was der Wuschelkopf alles für sie und auch mit ihr machte, hatte auch April begriffen, dass nur wenige Freundschaften zwischen Mann und Frau so innig waren und wie es für einen Dritten aussehen konnte. Sogar Fireball selbst konnte Johns Reaktion verstehen. Hatte sie etwas übersehen? April richtete sich nun ganz auf, ließ Fireballs Arm endlich los. Erwartungsvoll und gleichzeitig unsicher sah sie in das Paar braune Augen auf: „Ja?“ Fireball nützte die neu gewonnene Bewegungsfreiheit. Er ließ die Arme sinken, stützte sich damit hinter seinem Rücken ab. Sein Blick ging in den Himmel hinauf. Der beginnende Abend tauchte den Himmel in ein dunkleres Lila. Fireball wusste nicht, ob er sich für dieses Gespräch mit April nicht doch lieber Regen gewünscht hätte. Sie verstand nach wie vor nicht und war auch unempfänglich für Fireballs Gefühle. John, dieser Idiot, schoss es dem Wuschelkopf augenblicklich durch den Kopf, sollte sich glücklich schätzen, eine Freundin zu haben, die nicht einmal einen Gedanken an einen anderen Mann verschwendete. Aber der eifersüchtige Idiot zettelte lieber einen Streit mit ihr an. Fireball überlegte, was er April nur sagen sollte. Nach wie vor war er sich nicht sicher, ob er ihr mehr als nötig erzählen sollte. Einerseits könnte sie John dann zwar besser verstehen, aber andererseits befürchtete Fireball, dass seine Freundschaft zu April dadurch Schaden nehmen konnte. April bemerkte das Zögern nur allzu deutlich. Das behagte ihr nicht sonderlich. Es gab ihr die Bestätigung für Johns harsche Worte, die er vorhin in Bezug auf den jüngsten Star Sheriff gefunden hatte. April hatte John angebrummt, Fireball würde ihr so etwas nie verschweigen. John hatte es ihr dann noch einmal mit mehr Nachdruck gesagt. Mann und Frau konnten niemals so gute Freunde bleiben, wie sie und Fireball es offenbar waren. April hatte mittlerweile mehr Angst bei Fireball etwas übersehen zu haben, als dass sie mit John aneinandergeraten war. Fireball war immer ihr bester Freund gewesen, die Vorstellung, dass vielleicht einer von ihnen mehr darin gesehen hatte, verunsicherte April. Sie sah unbehaglich zu ihm auf und forderte von Fireball eine Antwort ein: „Du und ich, Turbo. Wir sind doch Freunde, oder?“ Er hatte das Zittern in ihrer Stimme gehört. Durch den Zoff mit John schien April diesen Gedanken, sie könnten mehr als einfache Freunde sein, nun auch in Erwägung zu ziehen. Sie schien davon wenig begeistert zu sein. Fireball seufzte, legte den Kopf in den Nacken und gestand ihr: „Ja, wir sind Freunde“, er nahm all seinen Mut zusammen: „Aber John hat Recht. Kein Mann würde seine Freundin freiwillig bei jemandem wissen, der so viel Zeit mit ihr verbringt, wie sonst niemand. Schon gar nicht gutheißen würde ich es, wenn ich auch noch wüsste, dass derjenige in genau meine Freundin verliebt ist.“ April wusste nicht, wie ihr geschah. Hatte sie den Japaner gerade richtig verstanden? Hatte er ihr gerade gesagt, dass er in sie verliebt war? Aber wie? Wann? April bekam keinen klaren Gedanken mehr zu fassen. Sie verstand die Welt nicht mehr. Wann sollte das passiert sein? Sie hatte nie eine Änderung in ihrem Verhältnis zueinander bemerkt! Mit weit aufgerissenen Augen starrte April in Fireballs Gesicht. Er hatte doch nie etwas dergleichen erwähnt! Annäherungsversuche hatte es doch auch nie gegeben! „Du..? Aber..! In mich?“, April stammelte verwirrt vor sich hin, konnte nicht begreifen, was gerade passierte. Ihre Reaktion auf seine Worte bewies Fireball deutlich, wie weit ihre Gefühlswelten auseinander lagen. Es fehlte nur noch, dass sie lauthals zu lachen begann. Sie fand es lächerlich. Der kleine Bengel war in sie verliebt! Fireball senkte den Kopf. Während er aufstand, versicherte er der Blondine: „Deswegen ändert sich nichts, Süße. Ich weiß, dass du mich nicht liebst“, heiser erklärte er sich: „Ich wollte nur, dass du es weißt.“ Wie erstarrt ließ es April geschehen. Sie sah, wie Fireball aufstand, hörte seine Worte. Verstand aber gerade gar nichts. Sie hatte ihm doch niemals gesagt, sie würde ihn nicht lieben. Gut, sie hatte ihm auch nie das Gegenteil gesagt! Aber das lag einzig und allein daran, weil April sich bis vor ein paar Minuten noch überhaupt keine Gedanken in diese Richtung gemacht hatte! Sie wollte Fireball zurückhalten, bekam ihn allerdings nicht mehr zu fassen. Er hatte sich schon zum Gehen gewandt. Völlig durcheinander platzte sie heraus: „Das hab ich nie gesagt!“ Sie war völlig überfordert. Vor ein paar Minuten noch hatte sie sich nur Gehör über Johns dämliche Verdächtigungen und Fantasien verschaffen wollen. Doch nun fiel die Blondine förmlich aus allen Wolken. John hatte Recht gehabt! Er war im Recht gewesen. Ihr eigener Freund hatte keine Gespenster gesehen, ganz im Gegenteil. Er war derjenige gewesen, der ein gutes Gespür bewiesen hatte. April hatte nie etwas gemerkt. Nun saß die junge Frau in einem wahrlichen Dilemma. Sie verstand im Augenblick nur Bahnhof. Fireball warf noch einen kleinen Blick auf April. Es war raus, aber besser fühlte sich der Japaner deshalb überhaupt nicht. Er hatte die Befürchtung, alles nur noch schlimmer gemacht zu haben. Noch einmal versicherte er April deswegen: „Ich wollte es dir einfach gesagt haben, April. Du hast einen Freund, den du liebst. Das ist ok. Wir sind Freunde.“ Mit einem kleinen Gruß verschwand Fireball auf Ramrod. April blieb allein zurück. Sie starrte vor sich hin, unfähig zu begreifen, was gerade passiert war. Eine kleine Brise blies über die Anhöhe, auf der Ramrod parkte. Geistesabwesend schlang April ihre Arme um ihren Körper, sie fröstelte trotz der sommerlich warmen Abendtemperaturen. April stiegen Tränen in die Augen. Die Situation war ihr innerhalb weniger Minuten völlig über den Kopf gewachsen und hatte eine unerwartete Wendung genommen. April verstand die Welt nicht mehr. John war nicht grundlos eifersüchtig gewesen und sie war so blind und dämlich gewesen, es nicht zu bemerken. April kauerte sich zusammen. Sie begann darüber nachzudenken, wann das alles passiert sein mochte. Sie überlegte fieberhaft, wann Fireball sich in sie – ausgerechnet sie! – verliebt hatte. Zum Abendessen fanden die vier Freunde wieder zusammen an den Tisch. Colt und Saber bemerkten sofort die frostige Stimmung. Obwohl, so korrigierte sich Saber im Gedanken, frostig war nicht der richtige Ausdruck. Es fühlte sich eher unbehaglich und befangen an. Was auch immer dazu geführt hatte, dieses Mal hieß es auch auf April ein Auge zu haben. Saber war sofort aufgefallen, dass auch April etwas bedrückte. Der Schotte beobachtete alles sehr genau. April mied jeden Blickkontakt, stocherte appetitlos im Abendessen herum und schniefte immer wieder leise. Der Freundin ging es ganz und gar nicht gut. Saber warf einen kurzen Blick zu Colt, nickte diesem stumm zu. Colt verstand sofort. Er verkniff sich also für diesen Abend alles, was ihm an Späßen und Frotzeleien einfiel und würde sich als Freund bereit halten, sollte April oder auch Fireball mit jemandem reden wollen. Er wusste zwar nicht, was genau passiert war, aber das hielt ihn nicht davon ab, ein guter Freund für die beiden zu sein. Sabers Wink hätte es seiner Meinung nach zwar nicht gebraucht, aber wahrscheinlich wollte der Schotte auf Nummer sicher gehen. Der Lockenkopf nickte seinem Freund und Anführer also unauffällig zu, ehe er sich wieder dem Essen widmete. Saber würde einen guten Gesprächseinstieg finden, dessen war sich Colt ganz sicher. Immerhin war der Schotte ein Diplomat und gesellschaftlich ein Ass. Colt linste lediglich noch einmal kurz zu April und auch Fireball hinüber. Er hatte die schwere Befürchtung, den Wuschelkopf an diesem Abend wieder von irgendwo aufsammeln zu müssen. Wie vorhergesagt fand Saber kurz darauf auch schon den richtigen Aufhänger, ein Gespräch zu beginnen. Unverfänglich und der neutralste Boden, den es geben konnte. Saber zwinkerte zu Colt hinüber und erkundigte sich: „Wie läuft es im Königreich Jarr?“ Wenn es um Infos aus Jarr ging, bekam Colt diese mittlerweile aus erster Hand, schließlich wohnte seine Herzdame Tallulah dort. Er wusste alles, was auf dem Planeten lief, zumindest was man offiziell erfuhr. Militärisch war nach wie vor Saber etwas besser informiert, aber das war einerlei für Colt. Mit einem leichten Lächeln im Gesicht ließ er das Besteck sinken und gab Auskunft: „Das Wetter ist momentan eher regnerisch und kühl, aber es ist friedlich im großen Königreich. Man munkelt sogar, dass der alte König und sein Prinzenröllchen sich dieser Tage häufiger beim Volk blicken lassen.“ Fireball atmete erleichtert aus. Die Stille, die den Esstisch zwischenzeitlich befallen hatte, war ihm unangenehm gewesen. Er wusste, dass er an Aprils Anblick Schuld war und folglich auch an der doch peinlichen Stille zwischen ihnen. Hätte weiterhin jeder geschwiegen, wäre er wohl bald in sein Quartier aufgebrochen. So allerdings kehrte nun wieder etwas Normalität zwischen ihnen zurück. Mit einem verschmitzten Lächeln wollte nun Fireball von Colt wissen: „Woher hast du die Infos? Von deinem Spitzel auf Jarr?“ Ihm war ganz klar, dass Colt all das von Tallulah wusste, aber er wollte nicht plump mit der Tür ins Haus fallen. Das hatte immerhin vor dem Abendessen bei April schon nicht zum Ziel geführt. Während Colt seine Quelle Preis gab und munter zu plaudern begann, verscheuchte er so die letzten Trüben Gedanken seiner Freunde am Tisch. Natürlich machte niemand den Fehler über Beziehungen zu sprechen und jemand anderen nach der eigenen zu fragen, dafür waren die Freunde an Board schon lange genug unterwegs. Sie wussten, dass zumindest bei April der Segen schief hing. Niemand musste sie mit einem dämlichen Frage auf diesen Umstand auch noch gesondert hinweisen. Die Freunde unterhielten sich über den König und auch dessen Thronfolger, plauderten über die nächsten Urlaubspläne und allerhand Alltägliches. Es wurde ein Essen wie jedes andere. Dafür waren die beiden jüngsten an diesem Abend dankbar. April beschloss für sich zu sein. Sie wollte nach dem Streit mit John auch ihn nicht sprechen, obwohl dieser sich bereits am nächsten Morgen meldete und entschuldigen wollte. April war auch Tage danach noch aufgewühlt und ging zum ersten Mal überhaupt Fireball absichtlich aus dem Weg. Dafür jedoch musste sie sich nicht sonderlich anstrengen. Der Japaner machte sich auf Ramrod beinahe unsichtbar, wenn sie nicht arbeiteten. Das erleichterte es April über alles nachzudenken und Antworten zu finden. Doch obwohl sie viel nachdachte, Antworten wollte sie nicht so recht finden. Bisher hatte sie Fireball nur als Freund gesehen. Zwar hatte er als Freund Sonderstatus gehabt, allerdings wäre ihr im Traum nicht eingefallen, Fireball als Mann anzusehen, oder mehr als Freundschaft mit ihm in Verbindung zu bringen. Sie hatte nie darüber nachgedacht, wie er wohl küsste oder ob er leidenschaftlich war. Den ein oder anderen Gedanken in diese Richtung hatte sie bei Saber und auch Colt durchaus gehabt, aber bei Fireball nie. April wusste auch nichts über Fireballs Beziehungen, er hatte nie von sich aus etwas erzählt. Zugegeben, April hatte bis zu diesem Abend auch angenommen, dass Fireball – anders als Saber und auch Colt – kein ernsthaftes Interesse an einer Beziehung hatte. Der Wuschelkopf war immerhin etwas jünger als sie und Jungs waren immer später dran als Mädchen. Nun aber ertappte sich April dabei, wie sie sich manchmal bei einem Blick in Fireballs Gesicht die Fragen stellte, die sie sich auch bei anderen Männern manchmal stellte. Leider sorgte das bei Aprils Gefühlen für noch mehr Verwirrung und half ihr wenig. Fireball gab April den Raum und die Zeit, die sie brauchte, bis sie mit ihm reden wollte. Ihm war bewusst, dass er sie mit dem Geständnis massiv vor den Kopf gestoßen hatte, immerhin war sie in keinster Weise an ihm interessiert und in einer Beziehung. Der Zeitpunkt, ihr seine Gefühle zu gestehen, war denkbar schlecht gewesen. So hatte Fireball weder ihre Zuneigung gewonnen, noch hatte er eine Freundschaft aufrecht halten können. Alles in sich reinzustopfen war keine Lösung gewesen, nichts zu essen auch keine und bis zum Zusammenbruch zu laufen war auch nicht das richtige gewesen. Aber Fireball musste seine Gefühle irgendwohin umleiten. Er verbrachte Stunden damit, seinen Red Fury zu zerlegen und wieder zusammen zu schrauben, Probefahrten über endlose Straßen brachten aber auch nicht das gewünschte Ergebnis, weshalb Fireball abends regelmäßig im Fitnessraum aufschlug und trainierte. Er hatte bisher nicht gewusst, wie viel Zeit er tatsächlich mit April verbrachte, aber nun waren die freien Stunden mitunter quälend lange. Ausdauer- und Krafttraining an den Geräten waren zwar tägliches Muss, aber das langweilte den Hitzkopf unsagbar. Er kramte irgendwann alte Übungen vom Karate- und Judotraining wieder aus, übte vor dem Spiegel und trainierte die Bewegungsabläufe auch mit dem Dummy. All das wäre mit einem Trainingspartner viel unterhaltsamer gewesen, aber zumindest lenkte es die Gedanken ab. Er musste sich bei den Bewegungsabläufen konzentrieren, hatte keine Zeit dabei an andere Dinge zu denken. So bekam Fireball endlich den Kopf etwas frei. Eines Abends stand auch jemand anderes im Trainingsraum, im Judogi und einem entschlossenen Gesichtsausdruck. Ihre Haare hatte sie zu einem scheitellosen Pferdeschwanz zusammengebunden und die Hände in die Hüften gestemmt, während sie Fireball aufmerksam musterte. Als der Wuschelkopf sie bemerkte, nickte sie zum Dummy hinüber: „Wo hast du das alte Ding ausgegraben?“ Es waren Aprils erste Worte seit Tagen, die nichts mit der Arbeit zu tun hatten. Fireball hielt die Luft an, wusste nicht recht, wie er Aprils Erscheinen hier und ihre Worte zu deuten hatte. War sie etwa noch immer sauer auf ihn? Etwas verlegen kratzte er sich am Hinterkopf: „Naja. Mangels Trainingspartner musste ich nach Alternativen suchen. Leider schlägt er nicht zurück.“ Aprils Mundwinkel zuckten kurz nach oben. Sie hatte schon verstanden. Das Training alleine war stinklangweilig. Sie konnte es nachvollziehen. Sie verlagerte ihr Gewicht auf die rechte Seite und wollte wissen: „Soll er zurückschlagen?“ Fireball wiegte den Kopf grüblerisch: „Der Dummy nicht. Aber ein richtiger Trainingspartner wäre ein Hit.“ Ihr Lächeln wurde größer, wärmer. Obwohl sie immer noch nicht ganz genau wusste, was sie von Fireballs Geständnis vor einigen Tagen halten sollte, wusste sie dennoch eines ganz sicher. Sie wollte zumindest wieder etwas Normalität in ihrem Leben. April hatte ihren Streit mit John vertagt, bis sie wieder zuhause war herrschte Ruhe zwischen ihr und dem Ingenieur. John war nicht erfreut darüber gewesen, aber April hatte ihm unmissverständlich klar gemacht, dass sie keine Eifersuchtsdramen oder ähnliches brauchte, wenn sie mit Ramrod unterwegs war. Sie hatte ihrem Freund klipp und klar zu verstehen gegeben, dass es nichts gab, weshalb er eifersüchtig sein sollte. Konzentriert band April ihren schwarzen Gürtel noch einmal fester, ehe sie in Kampfposition ging und Fireball herausforderte: „Lass sehen, ob du es noch kannst.“ Sie verhielt sich wie immer, Fireball atmete erleichtert aus. April hatte sich offenbar dazu entschieden, sein Geständnis nicht ernst zu nehmen und irgendwie war Fireball dankbar dafür. Es hieß, dass sie zumindest Freunde blieben. Ihre Herausforderung zum Training nahm er deswegen ohne zu zögern an. Ein wenig Normalität schadete ihm und wahrscheinlich auch April nicht. Mit einem frechen Grinsen griff er April an: „Ich steh voll im Training, Süße.“ Fireball griff blitzschnell nach ihrem Judogi, versuchte sie zu Fall zu bringen, doch April war schneller. Sie schlug eine seiner Hände weg, drehte sich zur Seite, damit die zweite ins Leere griff und versuchte ihrerseits, den Rennfahrer zu erwischen. Einige Zeit ging dieses Spiel zwischen ihnen hin und her, ohne dass ein eindeutiger Sieger feststand. Keiner der beiden konnte den anderen zu Fall bringen. Mal hatte April Fireball fest im Griff, doch gleich darauf gewann wieder Fireball die Oberhand. Sie benützten den Raum, trieben sich von einer Ecke in die andere, manchmal wirkte es wie ein Tanz. Ihr Atem ging schneller, keiner der beiden wollte verlieren. Dennoch wurde die Stille auch das eine oder andere Mal von Lachen durchbrochen. Schließlich hielten sich beide gegenseitig am Ausschnitt des Judogi fest, zogen sich zueinander. April atmete stoßweise, sie hatten bestimmt schon eine halbe Stunde unerbittlich gegeneinander gekämpft, aber sie wollte nicht verlieren, nicht gegen Fireball. So jedoch würde April ihn nicht aushebeln und zu Fall bringen können. Flink schob April ihr rechtes Bein an Fireball vorbei, trat mit dem linken zurück, um sicheren Stand zu haben. Konzentriert ging Aprils Blick von ihren Händen an Fireballs Brust zu seinem Gesicht hoch. Sie sah in Fireballs Augen und hätte den Wuschelkopf beinahe losgelassen. „Wow“, hauchte sie überwältigt. Es war ihr nie aufgefallen, wie dunkel seine Augen tatsächlich waren: „Deine Augen.“ Irritiert lockerte Fireball seinen Griff. Was war mit seinen Augen? Er zog die Augenbraue hoch: „Was ist damit?!“ „Die sind ja fast schwarz“, in dem Augenblick wurde April bewusst, wo und mit wem sie gerade war. Sie hatte Fireball nie so tief wie eben in die Augen gesehen, deshalb war ihr erst jetzt aufgefallen, wie dunkel das warme Braun seiner Augen tatsächlich war. Aber das sollte sie doch auch nicht interessieren. April hatte einen Freund, den sie liebte. Als sie wieder klar denken konnte, spürte sie, dass sie mehr Bewegungsfreiheit hatte. Sie hatte den Wuschelkopf abgelenkt, das war ihre Chance. Mit einem Ruck zog sie ihm das Bein weg und stieß ihre Hände gegen seine Brust. Fireball musste nach hinten umfallen. Bevor er sie mitziehen konnte, ließ April Fireball los. Weil er keinen guten Halt mehr hatte und April ihn mit ihrem Kommentar über seine Augen komplett aus dem Konzept gebracht hatte, bekam er April auch nicht mehr zu fassen, als er nach hinten fiel. Ihm blieb nur noch seinen Aufprall so sanft wie möglich hinzubekommen. Trotzdem landete er mit einem lauten Knall auf dem Boden. Er keuchte, denn als er aufschlug, trieb es ihm die Luft aus den Lungen. Im nächsten Moment rieb sich Fireball über den Hinterkopf und er verzog das Gesicht. Verdammt, sie hatte ihn ausgetrickst! Wie fies war das denn gewesen?! April hatte zu einem fiesen Trick gegriffen um ihn zu schlagen. Sie hatte seine Verwirrung schamlos ausgenützt! April hielt ihm die Hand hin, ließ ihn aber mit einem unschuldigen Augenaufschlag wissen: „Du hast verloren, Turbo.“ Mürrisch nahm er Aprils Hand entgegen und ließ sich aufhelfen. Als er stand, stieß er April den Zeigefinger gegen die Schulter: „Was du nicht sagst. Du hast nicht fair gekämpft, sonst hättest du mich nicht aushebeln können.“ Wüsste Fireball, dass er sie bei ihrer Feststellung ganz locker auf die Matte hätte schicken können, würde er sich noch mehr ärgern. April war unglaublich froh, dass er ihr Herz nicht pochen sehen konnte. Es war nicht nur wegen ihres Trainings aus dem Takt gekommen. April zog seine Hand von ihrer Schulter, umschloss sie kurz: „Kämpfe sind nie fair. Wenn du dich von so einer Feststellung schon aus dem Konzept bringen lässt, wirst du noch öfter auf die Nase fallen.“ Ihre Worte brachten Fireball dazu, sich auf keinen weiteren Schlagabtausch mit April einzulassen. Sie hatte wieder die Keule gegen ihn ausgepackt. Er ließ die Hand sinken, ging an ihr vorbei: „Tja, solange ich wieder aufstehe, soll es kein Drama sein.“ Er hatte verstanden. Während er den Trainingsraum verließ, rieb er sich mit beiden Händen über das Gesicht und strich sich die schweißnassen Haare nach hinten. April hatte nachgedacht und sich entschieden. Er würde der Freundinnenersatz bleiben. Zumindest aber blieben sie Freunde. Schon war Fireball verschwunden. April sah ihm unsicher hinterher. Hatte sie ihn beleidigt? Sie war eigentlich davon ausgegangen, dass es unverfänglich gewesen war, doch Fireball schien es falsch aufgefasst zu haben. April wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht und seufzte schließlich. Auch wenn sie gedacht hatte, sie könnte seine Worte vor einigen Tagen einfach vergessen und sie könnten Freunde bleiben, so schien das nicht der Fall zu sein. Etwas hatte sich in ihrer Freundschaft verändert, und zwar massiv. Erschöpft sank April auf die Matte, rutschte zur Wand, um sich mit dem Rücken dagegen zu lehnen. April legte den Kopf in den Nacken, sie schloss die Augen und atmete zittrig aus. Fireballs Worte würden für immer zwischen ihnen stehen! April hatte beim Training bemerkt, dass sie Fireball nicht mehr wie früher ansah. Wie könnte sie das auch?! Himmel, jetzt, da sie um seine Gefühle wusste, war sie sich nicht mehr so sicher, wie sie zu ihm stand. April hatte gedacht, ein paar Tage Funkstille zwischen ihnen würde ausreichen, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, aber dem war nicht so. Das half vielleicht solange sie sich nicht sahen, aber sobald er ihr gegenüber stand, war alles genauso kompliziert wie davor! Das Zusammenleben auf Ramrod wurde definitiv nicht einfacher. Auch Saber und Colt bekamen das mit. Es wäre auch nicht zu übersehen gewesen, wenn man ehrlich war. Colt verbrachte mehr Zeit mit Fireball, wenn er das Gefühl hatte, der Wuschelkopf würde wieder in ein Loch fallen. Saber hingegeben kümmerte sich vermehrt um April. Der Schotte hatte seit jeher einen guten Draht zu April, nicht zuletzt deswegen, weil die beiden zusammen auf der Akademie gewesen waren. Gemeinsame Zeit zu viert wurde immer seltener. Auf dem Rückflug nach Yuma machte sich dieses Mal die Anspannung merkbar breit. April flog dem Unausweichlichen entgegen. Ihren Streit mit John hatte sie auf die lange Bank geschoben. Nun wurde ihr bewusst, dass auch zuhause eine unangenehme Situation auf sie wartete. Dabei hatte sie gedacht, die Auszeit von Ramrod würde ihr helfen. Sie hatte verdrängt, dass sie mit John ein klärendes Gespräch führen musste. Vielleicht aber war es auch gut gewesen, ihn eine Weile weder zu sehen noch zu sprechen. So konnte der Zorn bei John eventuell verraucht sein. April hoffte, dass er sich auf sie freute. Sie selbst hatte Sehnsucht nach einem Rückzugsort, nach einer Schulter zum Anlehnen. Das Empfangskomitee bei Ramrods Landung ließ auch nicht lange auf sich warten. Am Fuß der Rampe wurden die Freunde bereits erwartet. Wie zu erwarten wurde April von John abgeholt, dieser hatte immerhin den kürzesten Weg. Doch dieses Mal stand auch Tallulah dort und strahlte ihren Cowboy an. Die beiden Star Sheriffs lagen ihren Partnern in den Armen, während sich Saber und Fireball kurz mit einem Schulterzucken zunickten. Sie begrüßten John und Tallulah ebenfalls, ehe sich ihre Wege trennten. Fireball war Johns warnender Blick auf ihn nicht entgangen. Es würde wohl in absehbarer Zeit mit Aprils Freund nicht einfacher werden. Unweigerlich zog John April näher zu sich. Sein Zorn mochte inzwischen wieder vergangen sein, der Argwohn dem jungen Piloten gegenüber allerdings war immer noch vorhanden. John wusste seit ihrer ersten Begegnung von Fireballs Gefühlen für seine Freundin. Irgendwann würde es auch April rausfinden oder vom Wuschelkopf selbst erfahren, dessen war sich John sicher. Umso ätzender fand er es, dass April und Fireball zusammen wochenlang unterwegs waren. Bislang allerdings hielt sich John an den Strohhalm, dass April wirklich nur Augen für ihn hatte. Er schnappte sich schließlich Aprils Tasche und fuhr mit seiner Freundin nachhause. Die Stimmung zwischen ihnen war seltsam. John spürte, dass ihr Streit einigen Schaden angerichtet hatte. Es wollte kaum ein Gespräch in Gang kommen. April verhielt sich zuweilen distanziert, schob John immer wieder von sich. Es behagte dem Ingenieur nicht sonderlich. Hatte er sich während ihrer Abwesenheit noch im Recht gesehen, weil er eben wusste, wie Fireball zu April stand, so ärgerte er sich nun darüber, dass er April keine Geste der Entschuldigung bei ihrer Ankunft mitgebracht hatte. Sie hätte sich bestimmt über Blumen gefreut und wäre nicht mehr so abweisend zu ihm gewesen. April wusste nicht genau, wie sie sich verhalten sollte. Sie hatte auf Ramrod nicht darüber nachgedacht, wie es nach ihrer Heimkehr sein könnte, wie es weitergehen sollte. Sie hatte sich ihren Problemen nicht gestellt. Natürlich hatte sie sich darüber gefreut, John bereits an der Rampe zu sehen, aber seither wusste sie nicht recht, wie sie sich verhalten sollte. Ihr Streit stand zwischen ihnen und in gewisser Weise auch Fireballs Geständnis. Es war schwierig mit diesem Wissen im Hinterkopf ihrem Freund zu versichern, dass er keinen Grund zur Eifersucht hatte. April beobachtete John. Er war aufmerksam, keine Frage, aber auch er war irgendwie verkrampft. Nach dem gemeinsamen Abendessen brachte John ein Glas Wein für jeden zum Sofa, auf dem April bereits in eine Decke gehüllt saß, beide Beine auf der Sitzfläche und die Fernbedienung in der Hand. Sie hatten sich darauf verständigt, an diesem Abend nicht auszugehen, sondern lieber zuhause einen Film zu sehen. John stellte das Glas für April auf dem kleinen Tisch ab, danach setzte er sich. Gut hörbar seufzte er und sank in sich zusammen: „April, ich…“ Alarmiert fuhr April zusammen. Würden sie ihren Streit doch noch einmal aufwärmen? April graute davor, mit John zu streiten ohne eine Möglichkeit, eine Stopptaste in Form von Auflegen drücken zu können. „Es tut mir leid, was ich dir unterstellt habe, Schatz“, fuhr John leise fort. Obwohl es seit ihrer Ankunft seltsam gewesen war, er hatte sich immer auf April gefreut und die Zeit, die sie zusammen hatten. Er hatte sich nach der blonden Frau gesehnt. Deshalb entschuldigte er sich nun auch bei ihr. John wollte es aus der Welt schaffen und seine Freundin in den Arm nehmen können, ohne das Gefühl zu haben, sie wünschte sich weit weg von ihm. April schloss erleichtert die Augen. John stand nicht der Sinn danach zu streiten. Dafür war sie mehr als dankbar. Nicht nur John plagte das schlechte Gewissen, auch April lief es in einer Tour über die Leber. Nur mit dem klitzekleinen Unterschied, dass ihr schlechtes Gewissen nicht daher rührte, dass sie sich falsch verhalten hatte, sondern weil sie seit jenem Abend permanent das Gefühl hatte, John anzulügen, obwohl sie es nicht tat. Es fühlte sich für April so an, als würde sie ihm die Wahrheit verschweigen, dabei wollte sie doch nur mit ihm zusammen sein. Aprils Kopf fiel zur Seite, lehnte sich an Johns Schulter, als sie flüsterte: „Mir tut es auch leid.“ Bis eben hatte John gebangt, ob ihre Beziehung bereits nach dem ersten Streit zu Ende sein würde, doch als er Aprils Kopf an seiner Schulter spürte und ihre Entschuldigung hörte, machte sich die pure Erleichterung in ihm breit. Sie war ihm nicht böse. Rasch schlang er den Arm um April, zog sie noch näher zu sich. Er gab ihr einen Kuss auf den Scheitel: „Lass uns nie wieder streiten.“ Mit der anderen Hand hob John die Decke an, unter der sich April verkrochen hatte und schlüpfte selbst darunter. Ihre Nähe tat ihm gut, weshalb er ihr einen Kuss gab, noch während er die Decke über seine Hüften zog. April erwiderte den Kuss, sie ließ John gerade noch genug Zeit, sich bequemer hinzusetzen, ehe sie zu ihm aufschloss, seine Nähe suchte. Es war unnötige Arbeit gewesen, sich zuzudecken, wie John schnell bemerkte. Kaum hatte er sich eingerichtet, wirbelte April wieder alles durcheinander. Doch John war es recht. Er zog seine Freundin auf seinen Schoß, beide Hände lagen auf ihren Hüften. So ein Fernsehabend gefiel ihm auch, alles andere wäre gelogen gewesen. April ließ John gewähren. Er zog an ihrem T-Shirt, das gleich darauf auf dem Boden landete. Ein einladender grüner Spitzen-BH versperrte ihm danach noch die Sicht auf die nähere Zukunft. John packte April, hob sie stürmisch von sich, nur um sie rittlings auf das Sofa zu platzieren. Ihr wunderschöner Körper beugte sich seinem erwartungsvoll entgegen. John war wie berauscht von April. Sie war erstaunt, wie stürmisch John an diesem Abend war. Erregt beugte er sich über sie, April gefiel der Ausblick. Sie überließ John die Führung und die Kontrolle, sie erwartete aufgeregt, was er weiter mit ihr vorhatte. Sie ließ sich vollkommen fallen und gab sich ihm hin. Die Decke diente später beiden um ihre verschwitzten Körper einzuhüllen. April bettete ihren Kopf, der erfüllt von einer wundervollen Leichtigkeit war, auf Johns Brust, liebkoste seinen nackten Oberkörper immer wieder, einfach weil sie das Bedürfnis hatte. Einer von Johns Armen lag um April, den anderen hatte er unter seinen Kopf geschoben, die Kissen waren im Eifer des Gefechts wohl eines nach dem anderen irgendwo auf dem Boden gelandet, so wie das Liebespärchen vor ihnen auch. „Ich liebe dich“, John hauchte diese Worte in die Stille hinein. Als April zu ihm aufsah, fügte er hastig hinzu: „Ich wollte nur, dass du es weißt.“ Er wollte nicht, dass April sich dazu verpflichtet fühlte, ihm ebenfalls ihre Liebe zu bekunden. John ahnte nicht, dass sein letzter Satz April in dieser Nacht nicht zur Ruhe kommen lassen würde. April hatte gerade nicken und „Ich dich auch“, sagen wollen, als er diesen Nachsatz fallen ließ. ‚Ich wollte nur, dass du es weißt.‘ In April kroch ein eigenartiges Gefühl hoch. Schnell senkte sie den Blick, legte ihren Kopf wieder auf Johns Brust und umschloss seinen Oberkörper fester. John konnte spüren, wie sie nickte. April brachte keinen Ton mehr hervor. Nicht etwa, weil John sie mit seinen Worten so überrumpelt hätte, sondern weil sie an Fireball denken musste. Sie wollte nicht an den Wuschelkopf denken, wenn sie in den Armen ihres Freundes lag. In dieser Situation hatte er nichts verloren. Und trotzdem. In dem Moment, als John den Satz ausgesprochen hatte, den auch Fireball benutzt hatte, hatte sie nicht ihren Freund mit den wunderbaren blauen Augen vor sich gesehen, sondern den Jungen mit den beinahe schwarzen Augen, der ihr seine Liebe gestanden hatte. April hasste sich dafür. Die Wohnung räumten Saber und Fireball freiwillig nach dem Abendessen, so wie Colt und Tallulah schon beim Essen herumgeturtelt hatten. Weder der Schotte noch der Japaner wollten stören und mehr als nötig von Colt und seiner Freundin hören. Sabers Vorstellung eines gelungenen Abends sah nach einer Mission zwar anders aus, aber er störte sich nicht daran. Auch ein Abend in einer netten ruhigen Bar war in Ordnung und zumindest saß er nicht mutterseelenalleine an der Theke. Fireball und er saßen mit einem Getränk an einem ruhigen Tisch in einer Nische. Saber ließ die letzten Wochen vor seinem inneren Auge Revue passieren. Eskapaden in welcher Form auch immer hatten sich in Grenzen gehalten, extreme Vor- oder Ausfälle hatten sich zwar nicht abgespielt, aber zumindest war die Stimmung manchmal seltsam untereinander gewesen. Gedanklich zählte Saber schon die Tage bis zum nächsten Notfall. Er betrachtete sein persönliches Notfallexemplar gedankenverloren und wusste nicht so recht, ob er das heikle Thema anschneiden sollte. Saber entschied sich letzten Endes dagegen. Es war ein netter Abend und Saber wollte die Stimmung nicht unnötig kippen. Sein Blick wanderte aufmerksam durch den Raum. Eine bunte Mischung von unterschiedlichsten Menschen tummelte sich hier, aber einige verrieten deutlich den Bezug zum Militär. Immer wieder stach eine Uniform des KOK aus der Masse hervor, meistens ein junger Mann, der seine ersten verdienten Abzeichen mit stolzgeschwellter Brust zur Schau trug und versuchte, die hübschen Frauen zu beeindrucken. Über Sabers Gesichtszüge stahl sich ein wissendes Lächeln. Die wirklich begehrenswerten Junggesellen hatten es nicht nötig, eine Uniform zu tragen, das wusste Saber ganz sicher. Wer wirklich etwas auf dem Kasten hatte, brauchte keine Beweise seiner Männlichkeit, um eine Frau zu erobern. Zwei Exemplare saßen bereits hier an diesem Tisch. Auch den Frauen fiel irgendwann auf, dass zwei Junggesellen an einem Tisch saßen. Spätestens als das glockenhelle Lachen einer Kellnerin von diesem Tisch aus durch die Bar klang, wussten auch diejenigen, die nicht aktiv nach einem Date gesucht hatten, dass zwei Charmbolzen ihre Drinks nicht immer bezahlen mussten. Eine junge, blonde Frau schob sich mit einem betörenden Lächeln zu Saber auf die Bank. Sie war dezent geschminkt, ihre Jeans saß hauteng und das schwarze Top zeigte nicht zu viel, versteckte aber auch nicht alles. Fireball und Saber musterten das unbekannte Gesicht kurz, ehe sie ihre Gläser hoben und der Frau freundlich zuprosteten. Sabers Augen lagen etwas länger auf der Gestalt und nahmen jedes Detail wahr. Ihre grünen Augen waren eine Wucht und blitzten den Säbelschwinger munter an. Keine Frage, Saber war nicht böse, dass sie sich einfach zu ihm gesetzt hatte. Nachdem sie sich bekannt gemacht hatten, entstand am Tisch freundlicher Smalltalk und Saber stellte fest, dass Amber nicht nur hübsch war, sondern auch was im Köpfchen hatte. Fireball, der sich zunächst noch angeregt mitunterhielt, zog sich immer mehr aus der Unterhaltung zurück. Nicht etwa, weil er keine Lust mehr hatte, sondern weil er störte. Schnell war dem Hitzkopf klar geworden, dass Saber nicht nur höflich war, sondern ernsthaftes Interesse an der Studentin hatte. Selten bekam man Saber beim Flirten zu sehen, weshalb Fireball sich irgendwann komplett aus der Unterhaltung ausklinkte und noch eine Weile als stiller Beobachter bei ihnen sitzen blieb. Es war recht interessant Sabers Flirttechniken kennen zu lernen. Der Wuschelkopf freute sich still für Saber. Egal, ob dieser mit Amber an diesem Abend nachhause ging oder nicht, der Schotte hatte sich diese Ablenkung redlich verdient, wie Fireball fand. Er sah auf sein Getränk in der Hand hinab und entschloss sich, den Heimweg anzutreten, sobald er ausgetrunken hatte. Einen Schluck später bereits verabschiedete sich Fireball von Saber und Amber. Erstaunt sahen die beiden von ihrem Gespräch auf und grüßten Fireball noch kurz. Amber strich sich beinahe schuldbewusst eine Strähne hinter das Ohr und entschuldigte sich, Sabers Freund vergrault zu haben. Doch Saber schüttelte lediglich den Kopf. Er stellte Ambers Eindruck richtig, allerdings höflicher formuliert. Saber wusste, dass sein Pilot den taktischen Rückzug angetreten hatte, um Sabers Chancen bei Amber zu erhöhen und ihm einen netten Abend zu gönnen. Dafür war der Schotte dankbar. Auf seine Freunde war immer Verlass. So vertiefte Saber das vorhin begonnene Thema mit Amber wieder. Pünktlich in der Arbeit zu sein war keine große Kunst, wenn man quasi auf der Arbeit übernachtet hatte. Fireball trat eine halbe Stunde vor Dienstbeginn in die Offiziersmesse, er brauchte noch einen Kaffee, bevor er sich in den Tag stürzte. Er war in der Nacht zu Ramrod zurück gegangen um dort zu übernachten, er hatte Colt und Tallulah nicht stören wollen. Deshalb war er nun auch überpünktlich. Ein kleiner Morgenmuffel war er seit jeher gewesen, allerdings ließ der Gedanke, dass er sich von John an diesem Tag bestimmt wieder unnötige Belehrungen anhören musste, seine Mundwinkel etwas weiter nach unten sacken als sonst. Mit ein wenig Glück aber ließ sich John im Hangar nicht blicken und blieb mit April auf Ramrod. Er war mittlerweile auch bei Mandarin gern, ihre Crew war ein zweites Zuhause für ihn geworden und der Weg in die Staffel während des Heimaturlaubs schon Gewohnheit. Nach einem gemütlichen Kaffee, schweigend und allein mit sich und seinen Gedanken in der Offiziersmesse, schlug Fireball den Weg in den Hangar ein. Er musste sich bei seinem zweiten Captain zum Dienst melden. Munter und nach dem Kaffee auch gut gelaunt ging Fireball durch den Hangar auf das Büro des Captains zu. Irgendwie freute er sich sogar, den Pärchen auf Ramrod und in ihrem Appartement ein wenig aus dem Weg gehen zu können. Mandarin sah fragend von ihrem Schreibtisch auf, als ihr ein fröhliches „Guten Morgen, mein Lieblingssterncaptain!“ ohne vorherige Ankündigung durch Klopfen entgegenhallte. Keiner ihrer Jungs wäre so frech, nur der Pilot von Ramrod hatte keinerlei Hemmungen. Mandarin blickte direkt in ein spitzbübisch lächelndes Gesicht. Wie konnte nur eine Frau diesem umwerfenden Lächeln widerstehen? Mandarin wandte sich schnell mit einem Kopfschütteln ab, bevor sie Fireball zu offensichtlich anstarrte. Mit einem lockeren Spruch begrüßte sie ihn: „Suchst du wieder Asyl bei mir, Kleiner?“ Sie beide verstanden sich gut und Mandarin freute es, dass Fireball manchmal in ihrer Einheit mithalf. Nach den ersten Flugmanövern, die Mandarin von ihm in einem Jet gesehen hatte, hatte sie sich schlau über den beruflichen Werdegang des Piloten gemacht. Immer wieder schnitt sie das Thema seither bei Fireballs Besuchen an. Bisher hatte Fireball zwar Interesse an der Ausbildung und der Arbeit gezeigt, aber von Prüfungen hatte er nichts hören wollen. Saber drängte den Wuschelkopf nicht, überließ ihm die Entscheidung, ob er es Colt einmal gleichtun wollte. Mandarin sah das mittlerweile anders als Saber. Eine abgeschlossene Ausbildung schadete niemals, egal, was das Berufsleben später für einen bereit hielt. Fireball war jung und talentiert, er lernte schnell. Diesen Umstand sollte er sich zunutze machen. Mandarin gab ihm nur den nötigen Schubs, wie sie fand. „Na, Asyl suche ich nicht, aber ein wenig Abwechslung zu Ramrod“, grinste Fireball frech und brachte Mandarin so wieder von ihren Gedanken zurück ins Hier und Jetzt. Geschmeidig wie eine Katze stand Mandarin auf, auch auf ihrem Gesicht zeigte sich ein fröhliches Lächeln. Sie neckte den jungen Mann: „Wir sind aber kein Hort.“ Sie drehte Fireball den Rücken zu, begann auf dem Tisch nach etwas zu suchen. Es war doch erst vor einigen Tagen gekommen, das Chaos auf dem Schreibtisch konnte es doch schlecht so schnell verschluckt haben? Mandarin überhob Stapel für Stapel, durchforstete jeden Zettel, um zu finden, was für Fireball und auch dessen Captain bestimmt war. Sie hoffte, dass Saber sie für den Alleingang nicht steinigte, aber andererseits war es ein Vorteil für sein Team. Fireball beobachtete Mandarin aufmerksam. Der rothaarige Sterncaptain war eine hübsche Frau, daran bestand auch für Fireball kein Zweifel. Sie war ebenso wie April ein unkompliziertes Mädel, war umgänglich und gerade heraus. All das waren Eigenschaften, die Fireball mehr schätzte als ein schönes Äußeres. Mandarin war beides, schön und auf Zack, das machte sie auf ihre Weise attraktiv, sicherlich auch für andere Männer. Sie würde Männern den Kopf ebenso verdrehen, wie es April bei ihm gemacht hatte. Fireball fuhr sich durch die Haare. Wie kam er denn nur schon wieder auf solche Gedanken? Endlich antwortete er Mandarin: „Ich weiß, das ist Ramrod. Bei dir bin ich, weil ich dachte, du bringst mir noch was bei.“ Wie aufs Stichwort fand Mandarin auch endlich, was sie gesucht hatte. Sie zog ein großes Kuvert aus einem Stapel und drehte sich schwungvoll zu Fireball um. „Das trifft sich gut, Kleiner“, strahlte Mandarin ihre Aushilfe an. Er hatte ihr nun in die Karten gespielt, sie war sich sicher, dass vor allem Fireball auf ihren Alleingang nicht sehr sauer sein würde. Die rothaarige drückte Fireball das Kuvert in die Hände und erklärte ihm: „Ich meine, du bist so weit. Ich hab dich zu den Abschlussprüfungen angemeldet. Da drin ist alles, was du wissen musst.“ Sein verwirrter Gesichtsausdruck brachte Mandarin beinahe zum Lachen. Der Junge war so unheimlich süß, wenn er den Faden verlor, gleich noch ein Stückchen mehr. Mandarin wunderte sich nicht zum ersten Mal, warum Fireball Single war. Sie unterdrückte den Impuls, ihm durch die Haare zu strubbeln und erklärte ihm genauer, was es mit dem Kuvert auf sich hatte. Mit einem lauten Seufzen ließ sich Fireball gegen die Tischkante sinken. Mandarin hatte ihn tatsächlich ohne sein Wissen angemeldet! Er hatte doch öfter als einmal gesagt, dass er zu keiner Prüfung antreten wollte. Ein Blick in Mandarins strahlende Augen besänftigte den Hitzkopf noch ehe er sich darüber aufregen konnte, dass sie für ihn eine Entscheidung getroffen hatte. Fireball fuhr sich durch die Haare: „Nicht antreten ist keine Option, oder?“ Mandarin schüttelte den Kopf und ergänzte Fireballs Worte: „Nein. Durchfallen übrigens auch nicht. Du hast einen Ruf zu verlieren, Fire.“ „Toll“, sarkastisch lachte Fireball auf: „Nur bitte keinen Druck aufbauen, Mandy!“ Er hatte so was von verloren. Fireballs Augen glitten auf das Kuvert in seinen Händen. Mandarin gab ihm die Richtung vor und vielleicht schadete es ihm nicht, wenn er seinen Fokus auf etwas anderes legen konnte. Er hob den Blick wieder in Mandarins Gesicht: „Zwei Fragen: Wann ist der Prüfungstermin? Und wo bekomm ich die Unterlagen her?“ Mandarin klatschte vergnügt in die Hände. Das war ja viel einfacher gegangen, als sie geglaubt hatte. Geduldig beantwortete sie Fireballs Fragen, danach starteten die beiden wie gewohnt in den Tag. Während die einen in den Alltag starteten, begannen andere den Tag fernab von der Routine. Colt genoss ein fabelhaftes Frühstück, nur er und seine Freundin im Appartement. Er fragte sich gar nicht erst, wo seine Mitbewohner alle abgeblieben waren. Zumindest bei April musste sich Colt auch nicht sonderlich anstrengen. Die anderen beiden schienen ihm zuliebe auswärts geschlafen zu haben oder sich so leise verhalten zu haben, dass er weder von Saber noch von Fireball etwas mitbekommen hatte. Colt zog Tallulah zu sich auf den Schoß, kaum dass sie die Kaffeetassen auf den Tisch gestellt hatte. Er hauchte seiner Freundin einen Kuss auf die Wange, seine Arme nahmen sie beinahe gefangen. Tallulah wehrte sich nicht dagegen. Sie genoss die zärtliche Behandlung, immerhin vermisste sie ihren Colt oft schmerzlich, wenn er nicht da war. Deshalb schmiegte sie sich auch an Colt, schlang die Arme um ihn und hoffte, dass der Augenblick nie verging. Ihr kam ihre erste Begegnung mit Colt in den Sinn. Sie war in der Hauptstadt beim Einkaufen mit ihm zusammengeprallt… Während sie sich schimpfend nach ihren Einkäufen auf dem Boden bückte, war der Cowboy vor ihr auf die Knie gegangen und half ihr bereits beim Aufsammeln. Er packte mit einem umwerfenden Lächeln die Lebensmittel in die Tüte zurück. Tallulah hätte schwören können, dass es eine Anmache wie jede andere war. Doch das war nicht der Fall gewesen. Mit einer Entschuldigung half er ihr beim Aufstehen, gab ihr die Tüte zurück und verabschiedete sich von ihr. Colt wollte weder ihren Namen noch ihre Telefonnummer haben. Colt wandte sich ab und kratzte sich am Kopf. Himmel! Wenn seine Freunde noch mehr schmierten, kam das hier Hieroglyphen gleich! Er war doch kein Archäologe, er wollte doch nur Essen einkaufen! Sie mussten dringend an ihrem Wunschzettel etwas ändern, wie Colt feststellte. Sogar Sabers Handschrift war eine mittelschwere Katastrophe! Der Schotte konnte einem Arzt Konkurrenz machen. Was wollte er? Granaten??? Colt kniff die Augen angestrengt zusammen um schärfer sehen zu können. Aber das half ihm auch nicht. Ne, also das nächste Mal konnte wieder jemand anderes einkaufen gehen! Er hatte genug vom Rätselraten. Tallulah stand noch neben dem fremden Mann, der sie nicht einmal mehr beachtete. Sie war wohl einem Irrtum aufgesessen und es war keine platte Anmache von ihm gewesen. Nicht einmal seinen Namen hatte er ihr genannt. Als sie bemerkte, wie er verkniffen auf ein Stück Papier in seinen Händen stierte, war ihr alles klar. Die Freundin hatte ihn zum Einkaufen geschickt und er konnte ihre Handschrift nicht lesen. Er war sichtlich überfragt. Kurzerhand entschied sich Tallulah, ihm zu helfen. Sie sprach ihn freundlich an: „Kannst du die Handschrift deiner Freundin nicht entziffern? Warte, ich helf dir!“, damit entriss sie ihm den Einkaufszettel und las, was Colt mitbringen sollte… So war schließlich ein nettes Gespräch entstanden und Colt hatte sie über die Listenschreiber aufgeklärt. Sie hatten sich danach so oft wie möglich getroffen, doch es hatte gedauert, bis beide den nächsten Schritt wagten und von einer Beziehung sprachen. Tallulah vermisste ihren Lockenkopf oft, dass er nicht im Königreich Jarr, sondern in Yuma stationiert war, machte es noch schwieriger, sich regelmäßig zu sehen. Bisher konnten allerdings beide noch mit der Distanz umgehen. Sie verbrachten die Zeit, die sie zusammen hatten, dafür umso intensiver. Sie schafften sich Momente, von denen beide zehren konnten. Irgendwann jedoch, und das stand zumindest für Tallulah außer Frage, würde sie eine Entscheidung treffen. Sie drehte sich in Colts Armen und sah ihm in die warmen, blauen Augen. Mit einer Hand strich sie ihm die Locken nach hinten, ihre Lippen stahlen sich einen Kuss. Wenn sie sich sicher war, würde sie es ihm sagen. Noch aber war sich Tallulah nicht sicher, ob sie bereit dazu war und ob ihre Beziehung Bestand hatte. April fand sich alleine im Bett, als sie endlich aufwachte. In der Wohnung war es leise, dafür schien ihr die Sonne ins Gesicht. Ihr Blick fiel auf die leere Betthälfte, bevor sie zur Uhr schaute. Es war bereits nach neun Uhr am Vormittag. John hatte sie ausschlafen lassen. Aprils Gedanken streiften den gestrigen Abend nochmal, bevor sie an ihre Pläne für diesen Tag dachte. John hatte ihr seine Liebe gestanden. Es war das erste Mal gewesen, dass er es so offen gemacht hatte. Davor war er vage geblieben, hatte ihr gesagt, dass er sie gern hatte. Ausgerechnet nach einem Streit platzte er mit diesen drei Worten heraus! April seufzte, bevor sie die Decke zurückschlug und aufstand. Sie wusste doch ohnehin, was er für sie empfand, warum hatte er es ihr noch mal versichern müssen? April störte seine Bekundung gar nicht so sehr, wie es tatsächlich sein Nachsatz tat. Wie vermutet war John bereits weg, sie waren immerhin unter der Woche wieder in Yuma gelandet und ihr war klar gewesen, dass John arbeiten musste. Der Esstisch war blitzblank aufgeräumt, es lag nur noch die Zeitung auf dem Tisch. Keine Tasse stand für sie bereit, die ihr gezeigt hätte, dass er an sie gedacht hatte. April senkte die Augen. Auf Ramrod war das anders. Wenn sie nach den Jungs aufstand, konnte sie sich sicher sein, dass der Frühstückstisch für sie vorbereitet war, mit Geschirr und Besteck. Bei John zuhause wirkte es, als solle sie auswärts frühstücken. April schüttelte den Kopf. Das war etwas anderes! Sie hockten auf Ramrod immer aufeinander, es war klar, dass der Frühstückstisch erst abgeräumt wurde, wenn auch der letzte gegessen hatte. John lebte die meiste Zeit alleine. Für ihn war es nicht selbstverständlich, dass nach ihm noch jemand einen Kaffee wollte. Auch, wenn April es sich so erklärte, ein wenig schmerzte es sie dennoch, dass John nicht an sie gedacht hatte. April ging ins Bad, machte sich startklar und beschloss, heim zu fahren und mit ihren Jungs zu frühstücken, sollten sie noch zuhause sein. Immerhin schmeckte es auch besser, wenn man nicht alleine war. Sabers Morgen war eine ungewöhnliche Erfahrung für den sittsamen Schotten. Er hatte sich dazu hinreißen lassen und war zu Amber nachhause gegangen. Etwas verschlafen und mangels eigener Hygieneartikel auch ein wenig zerzaust saß Saber an einem großen Tisch mit 8 Stühlen. Es war schon reichlich lebhaft in der Küche, es wurde gelacht und getratscht. Aber auch Staunen war immer wieder dabei. Das galt hauptsächlich ihm und der Tatsache, dass Amber den Saber Rider mitgebracht hatte. Zum Kaffee bekam Saber somit viele Fragen und neugierige Gesichter von Ambers vier Mitbewohnern. Amber stellte jeden Mitbewohner vor, und wie sich Saber bereits gedacht hatte, war er in einer Wohngemeinschaft von Studenten gelandet. Die unterschiedlichsten Nationalitäten saßen am großen Tisch. Als Saber den ersten Schrecken darüber überwunden hatte, stahl sich ein warmes Schmunzeln über seine Lippen. Es war hier nicht viel anders als bei ihm zuhause. Die fünf waren einfach nur ein paar Jahre jünger, standen am Beginn ihres Erwachsenenlebens. Seine Freunde und er hatten im Endeffekt auch nichts anderes als eine WG. Er bekam Fragen zu seiner Person gestellt, zum Kampf gegen die Outrider und auch zu seinen Freunden. Saber beantwortete diese geduldig, allerdings nicht immer ausführlich. Aber auch der Schotte stellte Fragen und wollte mehr über die Mitbewohner und besonders auch Amber erfahren. So entwickelte sich ein angeregtes Gespräch und das anfangs unbehagliche Frühstück entwickelte sich für alle zu einem netten Brunch, der bis zum Mittag dauerte. Dem Alltag mussten sich die vier Star Sheriffs schnell genug wieder stellen. Heimaturlaube stellten nach wie vor die Ausnahme dar, auch wenn sie regelmäßiger wurden. Die Zeit auf Ramrod allerdings schien für alle wieder zur alten Gewohnheit zu werden. Aber auch, wenn sie alle zusammen am Tisch saßen, aßen und abends spielten, jeder machte sich seine Gedanken, denn nach wie vor gab es Unausgesprochenes. Fireball hatte Saber gleich über die Prüfung und die dazugehörigen Termine informiert. Seither vertiefte sich der Rennfahrer abends eher mal in Lehrbücher als die Mechanik seines Red Fury. Sabers Begeisterung darüber war allerdings immer mit einem schalen Beigeschmack verbunden. Mandarin hatte Fireball angemeldet, hatte somit ihn übergangen und zu allem Überfluss auch vorher nicht mit ihm darüber gesprochen. Saber saß in seiner Satteleinheit, als ihm dieser Gedanke mal wieder die Laune verhagelte. Er biss die Zähne aufeinander. Er wusste nicht, auf wessen Mist die Anmeldung letztlich gewachsen war. Aus Fireball wurde Saber diesbezüglich nicht schlau, er sprach darüber nämlich nicht. Saber vermutete allerdings, dass Mandarin es auch ohne Fireballs Zustimmung getan hatte. So sehr er sich auch darüber freute, dass sein Pilot endlich einen Schritt Richtung Zukunft machte, andererseits stieß es ihm mächtig sauer auf, dass eben Mandarin die Anmeldung gemacht hatte. Sabers anfängliche Befürchtung, er könnte in absehbarer Zeit eine Umbesetzung Ramrods erleben, erhärtete sich dadurch mächtig. Mandarin warb seinen Piloten ab! Sie war sich dessen vielleicht nicht bewusst, aber Saber wusste, dass ihre Chancen aufgrund der privaten Umstände immer besser standen. Er musste mit Mandarin mal ein ernstes Wörtchen wechseln. Saber war nämlich nicht dazu bereit, Fireball im Falle eines Falles einfach gehen zu lassen. Da musste es schon um Leben und Tod gehen, bevor er einen Freund ziehen ließ. Saber zwang sich dazu, seine aufeinander gepressten Kiefer wieder zu entspannen. Sein Blick ging in das schwarze All, seine Gedanken gingen allerdings wieder nach Yuma zurück. Nur dieses Mal zu einem wunderbaren, unbeschwerten Mädchen. Saber traf sich nach wie vor mit der Studentin, er genoss ihre erfrischende Gegenwart jedes Mal sehr, wenn er zuhause war. Sie erinnerte ihn immer wieder auch an die schönen Seiten des Lebens und nicht nur an die Pflichten. Colt erging es ähnlich wie Saber. Zumindest was das Heimweh betraf. Von den Sorgen des Anführers wusste er nicht allzu viel, auch wenn sie hie und da zusammen saßen und sich beratschlagten. Die beiden waren sich nach wie vor einig, ein Auge auf den Rest des Teams zu haben, was auch immer wieder mal nötiger als sonst war. Mal brauchte April Trost, den sie seit geraumer Zeit schon nicht mehr bei Fireballs suchte und ein anderes Mal brauchte Fireball seine Aufmerksamkeit. Vor allem, dass April Rat und Trost bei ihm und Saber suchte, war für Colt ein totsicheres Zeichen dafür, dass sich zwischen April und Fireball massiv etwas geändert hatte. Dem einzigen, dem das nicht aufzugehen schien, war der Ingenieur, der in Yuma saß und jedes Mal die wildesten Gedanken auskochte. Colt schüttelte den Kopf darüber, denn John sprach mit keinem von Ramrod über seine Befürchtungen. Was in Colts Augen ziemlich dumm war. Wenn er sich Sorgen um seine Freundin machte, dann konnte er auch Manns genug sein, die drei Freunde von Ramrod darauf anzusprechen und ihnen klar machen, was er erwartete. John tat es allerdings nicht und quälte damit seine Freundin immer wieder und brach mit seinen Anschuldigungen einen Streit vom Zaun. Dass sich dadurch mit der Zeit auch Aprils Gefühle veränderten, war Colt mehr als klar und er bemerkte es immer wieder an April. Die Beziehung zu John, die sie zuvor noch auf Wolken gehen ließ, knebelte sie nun so manches Mal mehr als nötig. Colt fragte sich, wie lange das noch gut gehen würde. Aprils Blick begann schärfer zu werden. Schärfer in Bezug auf die Unterschiede zwischen ihrem Freund und ihren Jungs an Bord. Es waren vor allem die Kleinigkeiten, die April mittlerweile ins Auge stachen und auf die sie bisher nie geachtet hatte, weil sie sie für selbstverständlich gehalten hatte. Was ihr an jenem Morgen in Johns Appartement aufgefallen war, zog sich wie ein roter Faden durch alle erdenklichen Lebensbereiche und war nur ein Beispiel von vielen. John ging nicht gerne mit ihr Shoppen, er weigerte sich regelrecht. Er gab nicht so oft ihren Wünschen nach, wie sie es gewohnt war. Auch hörte er sich nicht immer geduldig an, was sie zu sagen und zu berichten hatte. April hatte mittlerweile sehr gut verstanden, weshalb John gerade auf Fireball eifersüchtig war, doch bisher war diese Eifersucht unbegründet gewesen. Zumindest für sie. Fireballs Geständnis vor einigen Monaten hätte daran für April auch nichts geändert, wenn sich mit John wieder alles so ergeben hätte, wie es vor ihrem ersten Streit gewesen war. Aber das war nicht passiert. Stattdessen hatte April nach Johns Liebeserklärung an den Wuschelkopf denken müssen und sich auch noch unheimlich schlecht dafür gefühlt, nur um in den nächsten Wochen immer wieder zu bemerken, dass sie anfing, John mit Fireball zu vergleichen. Wie oft sie sich bereits dabei ertappt hatte, wie sie dachte ‚Fireball hätte niemals…‘ oder ähnliches, wusste sie bereits nicht mehr. April vermisste die alten Zeiten, denn obwohl Fireball ihr versprochen hatte, dass sich nichts ändern würde, war ihre Freundschaft dennoch anders geworden. Mit dem Wissen um Fireballs Gefühle wollte April ihm ihre Ängste und Probleme nicht mehr aufbürden. Obwohl sie sich sicher war, dass Fireball ihr nach wie vor zuhören würde und für sie da sein würde, empfand sie es als nicht fair ihm gegenüber, sich bei ihm auszuheulen. Sie wollte seine Zuneigung nicht ausnutzen. Dass „nichts wird sich ändern“ gelogen gewesen war, war auch Fireball schmerzlich bewusst. Jedes Mal spürte er Johns warnende Blicke auf sich, wenn sie sich trafen. Dabei war es egal, ob April dabei war oder nicht. Mit der Zeit machte John kein Geheimnis mehr daraus, dass er Fireball nicht mochte. April zog sich seit seinem Geständnis immer mehr vor ihm zurück, was den Wuschelkopf mehr schmerzte, als sie mit John zusammen zu sehen. Er hatte seine beste Freundin verloren, das war für ihn schlimmer als dass sie seine Gefühle nicht erwiderte. Es gab Themen, die wollte er mit Saber oder auch Colt einfach nicht besprechen, das hatte er immer nur mit April getan. So schluckte er manches einfach hinunter und versuchte sich abzulenken. Trotzdem hielt Fireball daran fest und war da, wenn April ihn brauchte. Der Termin für Fireballs Prüfung rückte immer näher und damit einhergehend ebbten soziale Interaktionen immer mehr ab. Es kam immer häufiger vor, dass Fireball das gemeinsame Abendessen ausfallen ließ und in seinem Zimmer verschwand. Welcher Wahnsinnige entschloss sich neben einem Vollzeitjob eine Ausbildung zu machen? Fireball schwor sich, nach der Prüfung, egal ob erfolgreich oder nicht, auf die Piste zu gehen und seine Festplatte zu löschen. Sein Kopf war so voll, nichts anderes schien darin mehr Platz zu haben und er hatte noch so viele Dinge nicht mal richtig gelernt! Wie öde vor allem die Shoppingtouren alleine waren, bemerkte April immer mehr. Sie hatte bei ihren Heimataufenthalten noch einige Male versucht, John dazu zu überreden, sie zu begleiten, doch mit jeder Abfuhr wurde ihr Fragen immer zögerlicher, bis sie es schließlich aufgegeben hatte. Inzwischen ging April allein auf Shoppingtour, wenn keine Bekannte Zeit hatte. Auch kurz vor Fireballs Prüfung und dem damit einhergehenden verpflichtenden längeren Aufenthalt in Yuma machte April die Stadt allein unsicher. Sie schlenderte an einem kühlen Spätherbsttag allein durch die Fußgängerzone ohne bestimmtes Ziel oder einen bestimmten Wunsch. Sie hielt an einigen Schaufenstern an, beäugte die Kleider und verspürte doch so gar keine Lust, schon wieder ohne zweite Meinung Klamotten zu kaufen. April setzte sich in ein Cafe, das nicht zu überlaufen war, ihr war im Moment nicht nach übertrieben lebhaften Treiben. Lustlos rührte sie in ihrer heißen Schokolade und warf ihrem Kuchen immer wieder einen trübsinnigen Blick zu. Obwohl sie in einer Beziehung war, verbrachte sie nun wesentlich mehr Zeit alleine als davor. April war sich sicher, dass es so nicht sein sollte. Ihr Kreis von Vertrauenspersonen hatte sich doch immerhin um einen erweitert, also sollte sie doch eigentlich nicht so viele Stunden alleine totschlagen müssen. Wieder senkte April den Blick auf den Kuchen, den sie noch nicht einmal angerührt hatte. Fireball hätte ihr nie so lange zugesehen, bevor er ihr frech einfach ein Stückchen geklaut hätte und sie gefragt hätte, ob der Kuchen nur zur Zierde da war. Aprils Augen schimmerten traurig bei diesem Gedanken. Fireball zog sie schon lange nicht mehr auf, sie vermisste es. Seufzend stützte sie den Kopf in ihre Hand und wandte den Blick zum Fenster hinaus. April nahm sich die Zeit darüber nachzudenken, ob sie überhaupt glücklich war. Mittlerweile waren die Schmetterlinge im Bauch verflogen und der Rausch der Hormone ebbte zusehends ab. Keine Frage, April war in John immer noch verliebt, sie verbrachte gerne Zeit mit ihm. Das war immerhin auch der Grund, weshalb es sie traf, dass er seine Zeit nicht mit ihr in der Stadt verplempern wollte. Natürlich ließ sich John immer etwas besonderes einfallen, wenn sie wieder in Yuma war, womit sie die Abende verbringen konnten, aber das war nicht so sehr das, was April wollte. Sie erkannte, dass sie Geborgenheit suchte, wenn sie in Yuma zuhause war, und stattdessen eher einen Abenteuerspielplatz gefunden hatte. Wie konnte sie John beibringen, dass sie nicht jedes Mal etwas Außergewöhnliches mit ihm erleben wollte, wenn sie zuhause war? Gedankenverloren bezahlte sie nach dem Zwischenstopp im Cafe ihr Getränk und den Kuchen, der nur halb so gut schmeckte, wenn man ihn nicht teilte, und setzte ihren Spaziergang durch die Fußgängerzone fort. In der frischen Luft klärten sich Aprils Gedanken zusehends wieder, der Trübsal verschwand langsam, auch wenn sie weiterhin ihren Gedanken nachhing. Ein Gutes immerhin hatte es, Zeit mit sich allein zu verbringen. Man konnte seine verworrenen Gefühle entzerren und sah einiges schließlich in einem anderen Licht. So packte April schließlich doch noch die Muße, etwas einzukaufen. Als sie an einem kleinen Laden vorbeikam, packte sie eine Idee und so stöberte sie die Regale durch. Es hatte dann doch länger gedauert, ihre Idee in die Tat umzusetzen, aber das lag daran, dass April ziemlich genau gewusst hatte, was sie suchte. Sie hatte das Bedürfnis gehabt, ihren Jungs an Bord eine Freude zu machen und sich für die letzte Zeit bei ihnen zu bedanken. Für jeden hatte sie schließlich etwas gefunden und für Fireball hatte sie sogar einen kleinen Glücksbringer besorgt. Auch, wenn sie kaum mehr Zeit zusammen verbrachten, so war April aufgefallen, dass Fireball die Vorbereitung einiges abverlangte und er mit jedem Tag, den der Termin näher rückte, nervöser und angespannter wurde. Es war bereits dunkel geworden, als April endlich nachhause kam. Sie hatte dann doch die Zeit übersehen und musste sich beeilen, denn John hatte ihr für diesen Abend wieder ein besonderes Abendessen in Aussicht gestellt. Wo blieb sie denn nur? John ging in seiner Wohnung schon beinahe im Kreis und die Decke hoch! April kam ansonsten nie so spät vom Bummeln wieder, wenn sie allein unterwegs war. Er hatte sie bestimmt schon zehn Mal angerufen, doch sie nahm nicht ab. Eine Mischung aus Zorn und Sorge schlug dem Ingenieur bereits auf den Magen. Sie sollten in einer viertel Stunde im Restaurant sein, wo trieb sie sich also so lange herum?! Als April endlich seine Wohnungstür aufschloss, schoss er wie ein Torpedo in den Flur hinaus, um nach ihr zu sehen. Sofort erfasste er, dass ihr nichts passiert war und April unversehrt vor ihm stand. Wut über ihr Verhalten gewann deshalb die Oberhand. Ungehalten und ohne Gruß fuhr John sie an: „Wo warst du, verdammt?“ Der Empfang überraschte und erschreckte April gleichermaßen. John hatte weder ein freundliches Lächeln noch liebevolle Worte für sie übrig. Er stand im Eingangsbereich vor ihr, zornig und offenbar auch genervt. Hatte er sich keine Sorgen um sie gemacht? April sah in sein Gesicht hoch, während sie sich die Schuhe auszog. Ihre Jungs hätten sie niemals so in Empfang genommen! April schluckte den Vergleich sofort unbehaglich hinunter. Bestimmt hatte sich auch John Sorgen gemacht, er zeigte es ihr nur nicht. Leise begrüßte sie ihn: „Entschuldige, ich habe die Zeit übersehen.“, April trat mit den Tüten auf ihn zu, hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen und hoffte, dass ihn das besänftigen könnte. Sofort huschte sie ins Schlafzimmer und ließ ihren Freund wissen: „Ich bin in zwei Minuten fertig, dann können wir gehen.“ Es war für April nicht außergewöhnlich. Sie ging auch ungeschminkt außer Haus, wenn es sein musste und in diesem Fall würde es genügen, wenn sie sich schnell ein Kleid anzog und die Haare kämmte. Eine halbe Ewigkeit vor dem Spiegel zu verbringen war etwas für Anfänger. April war schnell, wenn es die Situation erforderte. April tauschte also im gemeinsamen Schlafzimmer ihre Einkaufstaschen gegen ein Kleid und verschwand im angrenzenden Bad um sich umzuziehen. John hatte nicht einmal den Hauch einer Chance, ihr etwas zu sagen, so schnell war April nach ihrer Begrüßung verschwunden. Für ihn allerdings war es an diesem Abend nicht so einfach mit einem ‚Entschuldige‘ getan. John hatte sich mächtig ins Zeug legen müssen, um in diesem Restaurant einen Platz zu ergattern, normalerweise war es monatelang im Voraus ausgebucht. Wenn sie zu spät kamen, würde ihr Tisch an jemand anderen vergeben werden. Er folgte April ins Schlafzimmer, sah allerdings nur noch ihren blonden Schopf im Bad verschwinden. Sein Blick wanderte umher. April war manchmal wie ein Wirbelsturm, woher nahm diese Frau bloß die Energie? Auf dem Bett lagen noch die Tüten von Aprils Einkaufsbummel. Er setzte sich auf die Bettkante und griff danach. Viel hatte April nicht gekauft, dafür dass sie stundenlang unterwegs gewesen war. John wunderte sich, dass die Tüten klein ausgefallen waren. Nachdem keine von einem Dessous Geschäft dabei war, hatte sie wohl nichts gekauft, das er nach dem Essen an ihr bewundern konnte. Hatte sie Schmuck gekauft? John zog neugierig eine Schachtel aus einer der Tüten, fand aber keine eindeutige Antwort. Ehe er April danach fragen konnte, stob sie schon wieder aus dem Bad. April zog John vom Bett hoch, lächelte besänftigend, während sie die kleine Schachtel aus Johns Händen nahm: „Komm, Schatz! Ich bin soweit.“ John umfasste Aprils Hand fester, kaum stand er, zog er sie in den Flur nach draußen. Für den Moment gab er sich zufrieden, obwohl er gerne wissen würde, was sie da gekauft hatte und er auch noch immer etwas wütend auf sie war, weil sie zu spät gekommen war. Ihr Anblick jedoch besänftigte ihn etwas: „Na, dann los!“ Sie schafften es noch rechtzeitig in das feine Restaurant, pünktlich standen sie am Eingang und gaben dem Restaurantmanager den Namen für ihre Reservierung bekannt. Dieser begleitete sie an einen Tisch am Ende des Lokals in einer ruhigen Nische. April setzte sich staunend und nahm die Atmosphäre in sich auf. Das hier war wohl der Bereich für die Verliebten. Auf dem Tisch fand sich eine Flasche Champagner in einem Kühler voll mit Eiswürfeln, daneben eine Vase mit frischen orangen Rosen. Der Tisch war, wie es sich für ein solches Restaurant gehörte, mit der feinsten Tischwäsche und dem edelsten Porzellan gedeckt. April war überwältigt, fühlte sich im gleichen Augenblick jedoch völlig Fehl am Platz. Hätte ihr John gesagt, was er mit ihr vorhatte, hätte sie sich mehr rausgeputzt und wäre entsprechend früher zuhause gewesen. So kam sich April ziemlich schlecht angezogen für die Örtlichkeiten vor. Ein Kellner war allein für ihren Tisch zuständig und umschwärmte die beiden förmlich wie ein Schatten, der beinahe jeden Wunsch von den Augen abzulesen schien. April vergrub ihr Gesicht peinlich berührt in der Karte. So fein war sie überhaupt noch nie Essen gewesen! John beobachtete Aprils Reaktion. Seine Überraschung war nicht ganz so geglückt, wie er es sich vorgestellt hatte. Aber zumindest saßen sie hier und konnten den Abend gemeinsam genießen. Es war verdammt schwer gewesen, hier einen Tisch zu bekommen, überhaupt so kurzfristig. Da hatten ihm einzig seine guten Kontakte weitergeholfen. Johns Augen glitten über den Tisch, vorbei an Aprils Ausschnitt, der auch in diesem Kleid ihre Vorzüge zur Geltung kommen ließ. Mit einem trockenen Schlucken fragte sich John, was sie wohl drunter trug, ehe seine Augen ihr Gesicht musterten. Einige Strähnen umrahmten ihr Gesicht, der rote Haarreifen, der ihr ständiger Begleiter war, saß an diesem Abend natürlich nicht in ihren Haaren. Trotz der Eile hatte es April geschafft, sich leicht zu schminken, ihre Wimpern waren schwarz und ihre Lippen glänzten verführerisch. Sie schwiegen sich bis zur Vorspeise an. Beide hingen ihren Gedanken nach und versuchten die schlechten Gedanken, die Aprils Verspätung mit sich gebracht hatte, zu vergessen. Doch so recht wollte keine romantische Stimmung zwischen April und John an diesem Abend aufkommen. April hatte noch mit keinem Wort erwähnt, was sie tatsächlich so lange aufgehalten hatte und sie hatte ihm auch noch nichts von ihren Errungenschaften erzählt. Normalerweise zeigte sie ihm gerne, was sie gekauft hatte, nicht immer zu Johns Vergnügen. Einkaufen war für ihn ein notwendiges Übel, ihm war es ziemlich egal, ob das T-Shirt blau oder grau war, solange es bequem saß. Einzig besondere Kleidungsstücke konnten Johns Aufmerksamkeit erregen. Am liebsten dann, wenn sie nur für seine Augen bestimmt waren und er es von Aprils Körper streifen durfte. Eben weil April nichts über ihre Einkäufe von selbst erzählte, kochte der Unmut bei John beim Essen wieder hoch. Zwischen Vor- und Hauptspeise fragte er April deshalb nochmals, wo sie sich rumgetrieben hatte. April konnte seinen Argwohn eindeutig heraushören. John war es egal, dass sie einkaufen gewesen war, aber weil sie sich verspätet hatte, glaubte er, sie hätte etwas zu verbergen. Mit gesenktem Blick gab sie John die ehrliche Antwort: „Ich war einkaufen und hab dabei die Zeit übersehen. Es war keine Absicht, dass ich mich so verspäte.“ „Du warst ewig unterwegs und kommst mit nur einer kleinen Tasche zurück. Was hast du getrieben?“ John konnte Aprils Worte beim besten Willen nicht glauben. Auch, wenn sie manchmal nicht viel einkaufte, zumindest Klamotten von zwei verschiedenen Geschäften waren immer dabei. Enttäuscht von Johns Misstrauen sanken Aprils Schultern nach unten. Weshalb vertraute er ihr nicht? Leise bedankte sie sich beim Kellner, der die Hauptspeise servierte und sah lange auf ihren Teller hinab. Der Appetit war ihr vergangen. Johns Eifersucht und sein Misstrauen verletzten April. Sie sah auf und antwortete ehrlich: „Ich habe Geschenke eingekauft. Mir war danach, meinen Jungs mal ein kleines Danke entgegen zu bringen.“ Ihre Jungs! John verzog übellaunig das Gesicht. Er konnte es nicht mehr hören. Wenn sie von Ramrod erzählte, drehte sich immer alles um ihre Jungs. Herrgott, die drei waren mehr oder weniger erwachsen, sie war nicht deren Mutter! John umschloss das Besteckt fester, stieß die Gabel in das Fleisch und begann wenig zärtlich, ein Stück zu schneiden. „Kriegst du auch ein Danke von ihnen?“, wollte er gereizt wissen. In Johns Augen war ‚Danke‘ nur eine Umschreibung für Dienste, welcher Art auch immer. April verbrachte schon mehr als genug Zeit mit den dreien von Ramrod, dass sie auch bei ihm zuhause nur an sie dachte, stieß ihm sauer auf. Er war ihr Freund, und niemand sonst! Kein anderer Kerl sollte in ihren Gedanken rumspuken, außer ihm. Was? April fuhr im Sessel hoch. Meinte John es so, wie es sich gerade für sie angehört hatte? Was unterstellte er ihr? Eine unschöne Diskussion entbrannte zwischen den beiden, denn April ließ es sich nicht gefallen, was er ihr unterstellte. April war immer ehrlich gewesen, Johns Mutmaßungen brachten April schließlich dazu, sich mit Tränen in den Augen an der Stoffserviette die Mundwinkel abzuwischen und schweigend den Stuhl zurückzuschieben. John beobachtete Aprils plötzliche Stille und ihr Tun argwöhnisch. Als er erkannte, was sie vorhatte, schob er seinen Stuhl nach hinten und stand auf. Seine Serviette landete achtlos neben dem Teller und er zischte: „Setz dich wieder und iss!“ Mit einem dicken Kloß im Hals verneinte April: „Ich möchte nachhause, John.“ „Vergiss es!“, empört fauchte John. Ihm war sofort klar, dass sie zu Ramrod zurück wollte und nicht zu ihm nachhause. John explodierte nun. Für ihn bedeutete es, dass er noch nicht mal die zweite Geige bei April war. „Dein Zuhause sollte bei mir sein und nicht bei deinen Jungs!“ Er spie ihr diese Worte entgegen und betonte ‚ihre Jungs‘ extra. April sollte ruhig wissen, was er von den Jungs auf Ramrod wirklich hielt. Er stützte die Arme auf dem Tisch ab und funkelte April an. Wenn sie es nun wagte, wirklich zu gehen, gab es für ihn keinen Grund sich zu beherrschen. April griff nach ihrer Handtasche und ihrem Mantel. Johns Worte brachten das Fass zum Überlaufen. Sie zwinkerte die Tränen fort und verabschiedete sich. Sie wollte John nicht mehr sehen. Sie ging tatsächlich! April machte ihm eine Szene und ließ ihn zu allem Überfluss noch sitzen. Grollend polterte er nun drauf los: „Du gehst?! Du verschwindest allen Ernstes?! Hey, weißt du überhaupt, wie ich mir den Arsch aufgerissen habe, damit wir hier einen Tisch bekommen? Es geht immer nur um die tollen Star Sheriffs! Herrgott, April! Du bist mit mir zusammen und mit keinem der drei Armleuchter!“ In diesem Moment schien die Welt für April still zu stehen. Entsetzt starrte sie John an, bis es endlich Klick bei April machte. John hatte eine Grenze überschritten. Keiner ihrer Freunde war ein Armleuchter, ganz und gar nicht! April krallte die Finger fester um ihre Handtasche, eine dicke Träne rollte über ihre Lider. Zischend wandte sie sich ab: „Ich wünschte, ich wäre es.“ Verletzt, gekränkt und gedemütigt stand April auf der Straße und wusste auf die Schnelle nicht wohin. Sie war der Situation entflohen und doch wünschte sie sich im hintersten Winkel ihres Herzens, John möge ihr folgen und sich für sein Verhalten und seine Eifersucht entschuldigen. Doch er kam nicht, weshalb April schließlich ihr Handy aus der Tasche zog. Sie wollte nur noch nachhause. April hatte ihre Freunde nicht angerufen, sie wollte keinen der drei stören. Deshalb rief sie ein Taxi und ließ sich in ihr Appartement zurückbringen. Sie würde am nächsten Tag ihre Sachen bei John holen. Diese Nacht wollte sie in ihren eigenen vier Wänden schlafen und hoffte, dass es am nächsten Tag besser sein würde. Sie schlich leise in die Wohnung, wohl wissend, dass sie alleine zuhause war. Saber und Colt waren ausgegangen und wie sie vermutete, hatten sie auch Fireball wieder einmal mitgenommen. Sie drückte die Tür sanft ins Schloss zurück, schlüpfte aus ihren Schuhen und ließ die Handtasche auf die kleine Kommode im Flur sinken. Ihr Blick streifte den Spiegel über der Kommode. Sie sah verweint aus, die Wimperntusche zog schwarze Spuren über ihre geröteten Wangen. April wischte sich niedergeschlagen die wieder aufwallenden Tränen aus den Augen. Waren Colt und Saber schon wieder zurück? Fireball hob den Blick zur Uhr, als er die Eingangstür gehört hatte. Er hatte die beiden nicht so früh zurück erwartet. Fireball schlug das Buch zu, in dem er versucht hatte, sich den letzten Schliff für die Prüfung zu erarbeiten und stand schließlich von der Couch auf, weil er keinen Ton mehr aus dem Flur hörte. Es war seltsam für die beiden Freunde, sich so leise zu verhalten. Eine gedämpfte Unterhaltung fand beim Eintreten schließlich jedes Mal statt. Statt der Freunde jedoch entdeckte Fireball April im Eingangsbereich. Sie stand mit hängenden Schultern und verweint dort und wischte sich über die Augen. Sofort ging er auf April zu und sprach sie an: „Hey, was machst du denn hier, April? Was ist passiert?“ Überraschung und Sorge hörte sie aus seinen Worten und ließen ihre Tränen gleich noch mehr fließen. April wartete gar nicht, bis Fireball sie endgültig erreicht hatte, sie drehte sich ihm zu und lief ihm fast in die Arme. Mit einem Schluchzen vergrub sie ihre Hände zitternd auf seinem Rücken und versteckte ihr Gesicht an seiner Schulter. Wie sehr sie sich dieses Verständnis bei John wünschte! Fireball fing April auf, ließ sie gewähren und nahm April in eine beschützende Umarmung. Sie hatte noch kein Wort verloren, was es Fireball unmöglich machte, April zu trösten. Trotzdem bedrängte er sie nicht. Sie war lange nicht mehr mit Problemen oder Alltäglichem zu ihm gekommen, seine Nähe war ihr immer irgendwie unangenehm gewesen, sie hatten sich immer weiter voneinander entfernt. Wenn sie sich nun aber zu ihm steckte, Schutz und Trost suchte, schienen die vergangenen Monate niemals passiert zu sein. Fireball spürte ihr Zittern ganz deutlich. Sanft strich er ihr die Haare aus dem Gesicht und hielt sie fest. Als sie sich beruhigt hatte, ließ Fireball sie schließlich los. Er blickte an ihr hinab, April sah mitgenommen aus. Auch, wenn sie nicht mehr weinte, so gefiel ihm April überhaupt nicht. Deshalb führte er sie in die Küche, wo er einen Tee aufsetzte. Während sich April setzte und Fireball die Tassen aus dem Schrank holte, fragte er, ob sie ihm erzählen wollte, was passiert war. April jedoch schüttelte nur niedergeschlagen den Kopf, ihre Hände lagen auf ihrem Schoß und den Blick hatte sie starr auf die Tischplatte gerichtet. April wusste nicht, was sie gerade mehr mitnahm. Ihr Streit mit John oder dass es ausgerechnet Fireball war, der sich um sie kümmerte. Sie machte dem Wuschelkopf Arbeit und sicherlich auch Sorgen. April riskierte einen Blick zur Küchenzeile hinüber. Fireball stand mit dem Rücken zu ihr, goss gerade das heiße Wasser in die beiden Tassen. Mit den dampfenden Bechern kam er zurück zu April an den Tisch. Schweigend schob er eine zu April hinüber und setzte sich. Es war ein beruhigender Früchte-Kräuter-Tee, wie April mit einem Blick auf den Teebeutel feststellte. Sie umfasste die dampfende Tasse mit beiden Händen und starrte gedankenverloren hinein. April schwieg und auch der Wuschelkopf verlor kein Wort. Immer wieder hob April den Blick zu Fireball. So unangenehm es auch werden konnte, wenn zwei sich anschwiegen, April empfand es als ganz angenehm. Sie fühlte sich dennoch wohl bei ihm. Zu wohl. Weshalb April den Blick schließlich wieder senkte. Sie nützte seine Gutmütigkeit und seine Zuneigung aus. Das schürte Aprils schlechtes Gewissen. Fireball hingegen beruhigte der Tee nicht, je länger und hartnäckiger April schwieg, desto eher schraubten sich Fireballs Gedanken in die Höhe. April hatte den Tag bei John verbracht, was er von den letzten Monaten wusste, wollte sie auch die Nacht bei ihm verbringen. Nun saß sie aber in der Gemeinschaftsküche, völlig verheult und ungewöhnlich still. Sie litt, das sah auch ein Blinder mit einem Krückstock und niemand anderes als John konnte an ihrem Zustand schuld sein. Fireball versuchte noch vergeblich, tief durchzuatmen und sich nicht zu sehr aufzuregen. Doch es gelang ihm nicht. Welcher Unmensch wäre er auch, wenn ihm Aprils Zustand egal gewesen wäre. Fireball musterte April noch mal. Sie war verweint und todtraurig. Noch dazu schwieg sie ihn beharrlich an. Schließlich platzte der Unmut doch aus ihm heraus: „Sag mal, soll ich ihm gleich das Genick brechen oder versöhnst du dich mit ihm?“ Fireballs Stimme überraschte April. Sie war selbst in Gedanken versunken gewesen und konnte ihm im ersten Moment nicht folgen. Sie sah überrascht zu ihm auf. Bis seine Worte ihr ein warmes Gefühl vermittelten, denn es war deutlich für April, dass er ihr zur Seite stehen wollte. Schließlich musste sie auflachen, als sie sich seine Worte bildlich vorzustellen begann: „Den Müllsack und die Schaufel wirst du nicht brauchen, auch wenn wir uns…“ April wurde wieder ernster. Noch wusste sie nicht, ob der Bruch dieses Abends wieder repariert werden konnte. Sie schlug die Augen nieder, das Lächeln verschwand wieder aus ihrem Gesicht: „nicht wieder aussöhnen werden. Das verzeihe ich ihm nicht.“ Nein, seine Anschuldigungen und Anspielungen würde sie ihm nicht verzeihen, auch wenn sie sich vielleicht wieder vertrugen. Für April stand fest, dass diese abfälligen Äußerungen über ihre Freunde ein absolutes NoGo waren. Es stand in den Sternen, ob sie sich mit John nach diesem Streit noch einmal versöhnte. Zumindest hatte er April ein kurzes Lachen ins Gesicht gezaubert. Dennoch war es ihm ernst. Wenn April ihn darum bat, würde er John auch um die nächste Ecke bringen. Er hatte sich mittlerweile damit abgefunden, dass April keine Gefühle für ihn hatte, aber er durfte sie zumindest glücklich sehen. Leider verschwand Aprils Lächeln nur allzu schnell wieder und ihre Augen glitzerten wieder verdächtig. Ihre Worte taten ihr übriges. Aber zumindest sprach sie nun mit ihm. Fireball versuchte sein Glück und hoffte, dass sie ihm mehr verriet: „Und was genau verzeihst du ihm nicht?“ Wie sie vermutet hatte, hakte der Wuschelkopf nach. April hätte es auch sehr verwundert, wenn Fireball ihre Äußerung einfach so hingenommen hätte. Seine Fürsorge zeichnete den Rennfahrer aus, das hatte es auch vor seinem Geständnis getan. April riskierte einen Blick in Fireballs Gesicht. Er war immer für sie da, ein zuverlässiger Freund und Gefährte. Ihr Vertrauter. Schmerzlich erinnerte sich April, dass sich seit der Beziehung zu John einiges in ihrem Umgang miteinander geändert hatte. Johns Worte hingen April noch zu gut in ihren Ohren und machten April immer noch traurig. Sie murmelte erschüttert: „Was er euch genannt hat. Was er euch unterstellt. Was er mir unterstellt. Seine ewige Eifersucht.“ Sie nahm einen Schluck vom Tee, die Wärme zog sich ihre Kehle hinunter und klärte ihre Gedanken immer mehr. Für sie stand mittlerweile fest: „Ich kann das nicht mehr.“ Fireball schnaubte in seine Tasse. Er wusste, dass John keine gute Meinung von ihm hatte. Wie er nun auch Colt und Saber ins Visier genommen hatte, verschloss sich Fireball, war aber zumindest noch etwas nachvollziehbar. Wo allerdings der Spaß für Fireball ein Loch hatte, war, was John April unterstellte. Sie musste ihm nicht im Detail erzählen, von welcher Natur sie waren, mit ein wenig Fantasie konnte er sich das ausmalen. Fireball biss die Kiefer aufeinander. „Uns kann er von mir aus unterstellen, was er will“, räumte er recht unverblümt ein: „Aber wenn er immer noch nicht begriffen hat, dass du nicht eine Sekunde an irgendwas anderes als ihn denkst, sollte man ihm vielleicht doch ein paar Takte Verstand einprügeln.“ Er war ein Beschützer für April. Das hatte sich noch nicht geändert. Es war löblich, dass Fireball ihr keinen einzigen unanständigen Gedanken an jemand anderen zutraute, doch April wusste es besser. Sie senkte verschämt die Augen. Tatsächlich hatte sie immer häufiger auch bei John an jemand anderen gedacht. An jemanden mit so wunderbar dunklen Augen und dem Herz am rechten Fleck. Schnell nahm April noch einen Schluck vom Tee und hoffte, dass ihre warmen Wangen auf das heiße Getränk zurückzuführen waren. „Herrgott April, du bist mit mir zusammen und nicht mit einem der drei Armleuchter“, zitierte sie düster. Noch während sie sprach, kroch der Zorn wieder in ihr hoch. April erklärte ihrem Kummerkasten, weil sie seinen verwirrten Blick auf sich ruhen spürte: „Das hat er gesagt. Da nützt wohl einprügeln auch nichts mehr.“ „So ein eifersüchtiger Vollkoffer!“, schwungvoll stand Fireball vom Tisch auf. John hatte verdammtes Glück, dass er gerade nicht in der Nähe war, denn Fireball hatte nicht übel Lust, John eine reinzuhauen. Er war nicht aggressiv, zumindest normalerweise nicht. Er hatte dem Ingenieur bei April immer wieder den Rücken freigehalten, wenn sie zweifelte. John hatte es offenbar nicht verstanden. Es ärgerte den Japaner unglaublich: „Wie kommt er nur dazu, dir sowas zu sagen? Es ist dein Job, du hängst ja nicht zum Spaß mit uns auf Ramrod rum.“ Es war beinahe süß, wie Fireball sie verteidigte. April beobachtete, wie Fireball seine Tasse packte und zur Spüle zurücktrug. Sie wusste, er tat es, um sich abzulenken, denn ansonsten wäre der Hitzkopf aus der Haut gefahren. April lehnte sich zurück. Ihr Vertrauen in Fireball, das sie nach wie vor in ihn hatte, beruhigte sie. Sie konnte sich ihren Frust von der Seele reden: „Offenbar ist Ramrod für ihn ein Ort, an dem wir seine Fantasien ausleben. Vielleicht gibt es diese Fantasien ja auch schon, in Adultfilmen. Ich verstehe nicht, was ihn auf diese Ideen bringt.“ Tatsächlich fehlte ihr hier jedes Verständnis. Sie konnte sich nicht vorstellen auch nur irgendwas von dem zu tun, was ihr John da immer wieder unterstellt hatte. Sie versicherte Fireball: „Aber eins weiß ich. Ich hänge sehr gern mit euch auf Ramrod rum.“ Vorstellungskraft war gut und schön, nur allzu prickelnd war es manchmal nicht, wenn die Bilder vor dem inneren Auge zum Leben erwachten. Schon gar nicht im Fall von Aprils Ausführungen. Johns Unterstellungen klangen zu sehr nach einem schlechten Hentaianime, was Fireball unweigerlich angeekelt das Gesicht verziehen ließ. Es schüttelte ihn regelrecht bei dem Gedanken daran. Er kam wieder an den Tisch heran, sah zu April hinab. Sie saß in einem atemberaubenden Kleid, aber völlig verweint dort. Wäre sie nicht so traurig gewesen, hätte da schon der ein oder andere unanständige Gedanke dabei sein können. Aber so wollte er April nur in den Arm nehmen und gut aufgehoben wissen. „Wir“, setzte der junge Pilot an, entschied sich dann jedoch, nur für sich zu sprechen. Er versicherte April ehrlich: „Ich hab dich gern bei uns auf Ramrod und auch daheim.“ Daheim war für Fireball nicht nur Ramrod, es war auch dieses Appartement. April war die letzten Monate zwar nicht viel hier gewesen, aber dennoch bewohnte sie nach wie vor ein Zimmer in der Wohnung. Sie gehörte auch hier her, in diese vier Wände. So oft, wie er in den letzten Monaten allein abends zuhause gewesen war, hatte er sich auch Gesellschaft gewünscht. Fireball wollte zumindest ein Freund für April sein, ein kleiner Bruder, wie sie ihn bis zu seinem Geständnis auch gesehen hatte. Damit gab er sich zufrieden, wenn es wenigstens bedeutete, dass sie ihn nicht mehr mied. April wagte kaum zu hoffen. Mit wässrigen Augen hob sie den Kopf und murmelte: „Hast du das immer noch?“ Ihr Herz setzte einen Augenblick aus. April hatte ihn die vergangenen Monate gemieden, hatte ihm nach seinem Geständnis nicht zumuten wollen, sich ihre Probleme anzuhören. Doch sein aufrichtiger Blick gab April die Antwort auf ihre Frage, bevor Fireball den Mund öffnete. Diese Antwort kam wie aus der Pistole geschossen und dennoch langsamer als seine nonverbale Reaktion: „Ja, sicher! Warum sollte ich nicht?“ Tatsächlich sah Fireball keinen Grund darin, April nicht gerne um sich zu haben. Ohne sie war es schlimmer, als sie mit John zu sehen. „Wir haben uns beide kaum noch zu Gesicht bekommen, in den letzten Monaten. Ich“, versuchte nun April sich zu erklären. Ihr Verhalten der letzten Zeit war ihr angesichts dieses Gesprächs und seiner Bereitschaft unangenehm: „Vielleicht bin ich dir zu oft aus dem Weg gegangen und“ wieder stockte sie. Sie hatte es nie angesprochen, sich nicht mit Fireball diesbezüglich ausgesprochen. Sie wollte ihn nicht verletzen, denn immer noch wusste sie nicht, was sie ihm erwidern sollte. April atmete tief aus und entschied sich, es auch diesen Abend nicht zur Sprache zu bringen: „Es ist gut zu wissen, dass ich bei dir immer noch willkommen bin.“ Fireball wusste nur zu gut, worum es ging. April fühlte nicht dasselbe, sie wollte ihn nicht vor den Kopf stoßen. Er wandte kurz den Blick ab um sie nicht sehen zu lassen, dass diese Tatsache nach wie vor weh tat. Trotzdem wollte Fireball April versichern, dass er damit leben konnte. Mit einem verstehenden Lächeln stimmte er ihr zu: „Ja, die letzten Monate waren anders.“, dennoch versicherte er ihr aufrichtig: „Hör mal, April. Du bist zu jeder Tages- und Nachtzeit willkommen. Egal, ob du die Zeit vertrödeln willst, oder reden. Du weißt hoffentlich, dass ich immer da bin, wenn du mich brauchst.“ Wie gut es gerade tat, seine Worte zu hören, konnte April kaum zum Ausdruck bringen. Obwohl sie den Wuschelkopf in gewisser Weise abgewiesen hatte, stand er bedingungslos zu ihr. Sie ließ sich seine Worte durch den Kopf gehen. Er wäre immer für sie da, es beruhigte sie unglaublich. Sie schloss kurz die Augen und überlegte. April wollte aus diesem Kleid und sich frisch machen, aber den restlichen Abend wollte sie nicht allein bleiben. Sie sehnte sich nach Geborgenheit, die eine Tasse Tee allein ihr nicht bieten konnte. „Mir wäre nach Knabberkram, Schlabberhose und einem guten Horrorfilm“, ließ sie ihn schließlich wissen. Ja, genau das war es, wonach ihr der Sinn stand. Bis auf den Horrorfilm, aber der garantierte keine zu intime Stimmung. „Dann wirf dich mal in Schale“, damit entließ Fireball die Blondine. Er versprach ihr noch: „Ich kümmere mich um die Gaumenfreuden und dann suchen wir etwas, was nicht nur für mich ein Horror ist.“ Fireball versuchte ein schelmisches Grinsen, was ihm allerdings nicht ganz gelingen wollte. Sein persönlicher Horrorfilm spukte ihm durch den Kopf. Aber eine Pause würde auch ihm nicht schaden. April verschwand im Bad und war dankbar für den Beistand und den Zuspruch, den sie gefunden hatte. Sie wusch sich zumindest die verschmierte Schminke aus dem Gesicht, pfefferte das Kleid in eine Ecke und schälte sich aus der unbequemen Strumpfhose. Sie schlüpfte in eine weite Hose und ein großes T-Shirt. Es verdeckte alles, was an weiblichen Rundungen ohne Zweifel da war. Sie betrachtete sich im Spiegel. Ihre Gedanken kreisten um den Verlauf des Tages. Vorzeichen für einen Streit mit John hatte es nicht direkt gegeben, dennoch dachte sie im Nachhinein, dass sich die Auseinandersetzung beim Abendessen schon länger abgezeichnet hatte. April streckte ihrem Spiegelbild die Zunge raus, sie war so dämlich. Wie versprochen fand April im gemeinsamen Wohnzimmer wenig später allerhand Leckereien, etwas zu trinken und eine ausgebreitete Decke vor. Flink schlüpfte April darunter und machte es sich auf dem großen Sofa bequem, bevor Fireball sich noch einen Platz suchen konnte. Auf einen Horrorfilm konnten sie sich nicht einigen, allerdings tat es ein starbesetzter Actionfilm ebenso. Da kam garantiert keine Romantik vor. So verbrachten sie den Abend, der für April so unerwartet begonnen hatte. Nach einer mehr oder weniger erholsamen Nacht traf April eine endgültige Entscheidung. Sie zog einen Schlussstrich unter ihre Beziehung zu John. Der Ingenieur hatte nicht einmal versucht, sich zu entschuldigen, hatte weder angerufen noch versucht, sie in der Wohnung anzutreffen. Entweder dachte er, er hätte keinen Fehler gemacht und April wäre diejenige, die sich entschuldigen musste, oder aber ihre Beziehung war ihm nicht so wichtig, wie er behauptet hatte. April war der Grund mittlerweile egal, Fakt war, er hatte nicht einmal einen Versuch unternommen, die Beziehung zu retten. Obwohl sie John keinen weiteren Grund für eine Auseinandersetzung geben wollte, hatte sie doch ein schlechtes Gefühl dabei, alleine in die Wohnung zu fahren und ihre Sachen zu packen, weshalb sie Saber und Colt darum bat, sie zu begleiten. John war nicht zuhause gewesen und so hatten sie schnell und unkompliziert alles einpacken können, was April gehörte. Als Colt und Saber die letzte Tüte nach unten trugen, stand April allein in Johns Wohnung und nahm Abschied. Sie schniefte kurz, aber eine weitere Träne würde sie nicht vergießen. Ein letzter Blick in das Schlafzimmer, das sie mit John geteilt hatte, dann sah April auf ihre kleine Tüte in der Hand. ‚Du bist mit mir zusammen und mit keinem der drei Armleuchter!‘ Nachdem die Worte in ihrem Kopf wieder auflebten, hob April trotzig den Kopf und drückte die Tüte mit den Geschenken für ihre Jungs enger an sich. Sie verbrachte enorm viel Zeit mit Saber, Colt und Fireball, alleine schon beruflich. Wer sich damit nicht abfinden konnte, würde auf Dauer nicht an ihrer Seite bleiben können. Das stand für April fest, als sie die Wohnungstür abschloss und im Stiegenhaus die Treppen nach unten stieg. Sie ließ den Schlüssel in sein Postfach fallen, zusammen mit einem kleinen Zettel. Fireballs Prüfungstag kam schneller als Fireball lieb war. Die Tage bis dahin schienen viel zu kurz zu sein und die Nächte nicht wirklich erholsam, weil Fireball immer wieder im Halbschlaf Dinge einfielen, die er noch nicht richtig angesehen hatte. Am Prüfungstag selbst befand sich Fireball in einem Zustand, der irgendwo zwischen dem absoluten Wurstigkeitsgefühl und einer Panikattacke lag. Das war schlimmer als am Tag seiner Schulabschlussprüfung! Der Umstand jedoch verwunderte ihn nicht sonderlich. Im Gegensatz zur Abschlussprüfung in der Oberstufe ging es hier nämlich sehr wohl um etwas. Es gab nur die Option zu bestehen. Der Praxisteil war das kleinste Problem, das war immerhin sein täglich Brot, aber die Theorieprüfung bereitete ihm mächtig Kopfzerbrechen. Seine Freunde jedoch fieberten tapfer mit. Sie hielten es während der Prüfungszeit selbst kaum aus und drückten ihrem Piloten die Daumen. Es war für sie selbstverständlich, Fireball nach der fünfstündigen schriftlichen Prüfung am Eingang des Gebäudes abzuholen und gemeinsam Essen zu gehen. Auch ohne das Ergebnis der Theorieprüfung zu kennen, wurde der Praxisteil ebenfalls abgehalten. Die moralische Unterstützung der Freunde von Ramrod fiel wie auch beim Theorieteil mit Daumendrücken aus, sie mussten mit Ramrod die Stellung halten. Fireball wusste, dass er zumindest den Prüfungsteil Fliegen bestanden hatte, das hatte ihm die Prüfungskommission bereits nach der Landung mitgeteilt, auf das Ergebnis der schriftlichen Prüfung und die Gesamtbeurteilung musste er einige Wochen warten. Viel passierte bis dahin allerdings nicht. Saber beobachtete nach wie vor sein Team mit Argusaugen. Aprils Trennung von John hatte keine großen Veränderungen gebracht. Der Umgang zwischen April und Fireball war nach wie vor nicht wie damals. Etwas schien zwischen ihnen zu stehen, als ob jemand eine Grenze gezogen hätte, die unüberwindbar zwischen ihnen stand. Saber gefiel es überhaupt nicht, obwohl die Zusammenarbeit reibungslos verlief. Auch Colt ging es diesbezüglich ähnlich. Ihm gefiel nicht, was er beobachtete. Hin und wieder schien April einen zögerlichen Schritt auf Fireball zu zumachen, nur um ihm dann wieder tagelang aus dem Weg zu gehen. Fireball wiederum blieb auffällig unauffällig. Obwohl April eben nicht mehr mit John zusammen war, ergriff sein Hombre die Chance nicht. Entweder hielt er sich höflich zurück, oder aber er sah die kleinen Zeichen nicht, die April so spärlich aussandte. Der Teufel spielte Schicksal, dass Ramrod gerade wieder einen Zwischenstopp in Yuma einlegte, als Saber eine Mail ins Haus flatterte, die ihn beinahe in einen Blutrausch versetzte. Der Inhalt der Nachricht war dabei völlig nebensächlich, was Saber maßlos aufregte, war, an wen sie eigentlich geschickt worden war und wo sein Name stand. Nämlich im CC. Der Betreff verriet, dass es um sein Teammitglied ging, trotzdem war als Hauptadressat ein anderer Captain eingetragen worden. Fireball, dessen Prüfungsergebnisse übermittelt worden waren, stand noch nicht mal im CC. Es verkam für Saber zur absoluten Nichtigkeit, ob und wie Fireball bestanden hatte, ihm platzte der Kragen noch bevor er den eigentlich Inhalt der Nachricht überhaupt zu lesen begonnen hatte. Wutentbrannt über diese Respektlosigkeit druckte der Schotte das Mail aus, markierte den Grund für seinen halsbrecherisch hohen Blutdruck und verschwand schnellen Schrittes. Nicht nur Sabers Crew standen die Fragezeichen ins Gesicht geschrieben, als ihr Boss verschwand, auch Mandarins Einheit hielt die Luft an, als der Captain von Ramrod ohne Gruß und einem Gesichtsausdruck wie ein Berserker an ihnen vorbei rauschte. Da ging bestimmt gleich die Post ab. Die ersten neugierigen Piloten schlichen Saber bereits nach, bevor er überhaupt Mandarins Büro erreicht hatte. Saber pfiff auf jede Etikette, die er von seinem Elternhaus mitbekommen hatte, ohne zu klopfen öffnete er Mandarins Bürotür in das Arbeitszimmer des Staffeloberhaupts. Mit Schwung und Nachdruck klatschte Saber die ausgedruckte Mail direkt vor Mandarin auf den Tisch. Sein Zeigefinger legte Mandarins Fokus sofort auf die Adresse der Empfänger, die zusätzlich noch farbig markiert waren. Ohne jede Begrüßung polterte Saber los: „Wie erklärst du das, Mandarin?!“ Zuerst hatte die rothaarige noch lospoltern wollen, wer da ohne jeglichen Anstand in ihr Büro eindrang, bis ihr Saber zuvor gekommen war. Sie brauchte den Blick nicht zu heben, Saber hatte ihr das Papier direkt vor die Augen geschoben und fett angestrichen, was sie erklären sollte. Sie erkannte das Mail, eben jenes war auch an sie verschickt worden. Während sie noch darüber nachdachte, weshalb Saber so aus der Haut fuhr, hob sie die blaugrünen Augen zu dem anderen Staffeloberhaupt: „Hallo Saber.“ Es waren Fireballs Prüfungsergebnisse, die ihnen übermittelt worden waren und anders, als es Sabers Auftritt vermuten lassen könnte, war Fireballs Ergebnis nicht der Grund. Mandarin zwinkerte nochmal auf das Dokument auf ihrem Tisch. Nein, es ging ihrem Kollegen um die Personen und die Rangfolge, an die sie übermittelt wurden. Sie hatte noch nie gehört, dass Saber bei einem anderen Mitglied des Oberkommandos in einem solchen Tonfall hereingepoltert war. Ihre Befürchtung, Saber könnte die Anmeldung von Fireball schlechter wegstecken, als der Betreffende selbst, schien sich nun erst zu bewahrheiten. Sie musste versuchen, ruhig und sachlich zu bleiben und dem Schotten so hoffentlich den Wind aus den aufgeblähten Backen zu nehmen. Mandarin sah wieder zu Saber auf: „Ich nehme an, der Inhalt der Mail ist nicht der Grund, der dich hier aufmarschieren lässt.“ „Das ich eine rhetorische Frage!“, blaffte Saber sofort ungehalten zurück. Mandarins Adresse war in der Zeile gestanden, in die seine gehört hätte! Saber, der bis zuletzt nicht wahrhaben wollte, dass seine Befürchtung in Bezug auf Mandarin wahr werden könnten, sah rot. Der Beweis lag zwischen ihm und Mandarin auf dem Schreibtisch. Sie hatte ihn übergangen und war bei der Anmeldung als befehlshabender Offizier von Fireball aufgetreten. Das ging überhaupt nicht, Fireball war kein fixes Mitglied in Mandarins Staffel und das sollte auch so bleiben. Welchen Eindruck Mandarin damit im Oberkommando vermittelt hatte, verstand sie entweder nicht oder aber es war Kalkül gewesen. Saber tippte mit dem Zeigefinger fest auf das Blatt: „Ich erwarte, dass du meine beantwortest.“ „Ich hab keine Frage gehört, sondern nur eine Aufforderung“, Mandarin war klar, dass Spitzfindigkeiten sie bei Saber nicht weiterbringen würden, trotzdem ließ sie sich von Ramrods Captain nicht einschüchtern. Der Sterncaptain war nach wie vor davon überzeugt, das richtige mit der Anmeldung zur Prüfung getan zu haben. Vielleicht allerdings war ihre Vorgehensweise nicht klug gewesen. Sie verteidigte sich dennoch: „Ich habe bei der Anmeldung beide Mailadressen angegeben.“ Sie hatte tatsächlich beide angegeben, ansonsten hätte Saber nicht einmal im CC gestanden. Colt und Fireball waren bisher die absolute Ausnahme gewesen, vor ihnen hatte niemand erst im aktiven Dienst eine Ausbildung gemacht, weshalb sie bei Fireballs Anmeldung bei der Adresse des Ausbilders ihre angegeben hatte. Immerhin war Fireball bei ihr gewesen, um den Feinschliff eines Jetpiloten zu erhalten, also war sie in gewisser Hinsicht seine Ausbilderin. Sabers Mailadresse hatte Mandarin dazugeschrieben, damit die Optik nicht ganz so hässlich war. Jedoch schien ihr diese Maßnahme nun doch, als wäre sie zu wenig gewesen. Sie erklärte sich das CC: „Die im Innendienst werden nicht gewusst haben, wohin Fireball gehört. Immerhin schließen die meisten die Prüfung vor dem aktiven Dienst ab.“ Mandarin mochte ihn nicht belügen, dennoch war er mit ihrer Erklärung alles andere als zufrieden. Seine Adresse als CC war nicht das Problem selbst, es war der Beweis für das Problem an sich. Es vermittelte dem gesamten Oberkommando, dass eine Umbesetzung im Raum stand oder schon vorbereitet worden war. Mandarin hatte sich als Fireballs kommandierender Offizier erkenntlich gemacht und Saber ins Out geschossen. Wieder giftete er die Freundin an: „Oh bitte spar dir die faulen Ausreden! Wie kommst du überhaupt dazu, meinen Piloten ohne mein Wissen irgendwo anzumelden?“, sprudelte es ungehalten und auch laut aus Saber heraus. Wow, sie hatte Saber ordentlich in Rage gebracht. Allerdings verstand sie nicht, weshalb Saber erst jetzt so explodierte. Sie hätte damit gerechnet, dass der Schotte an dem Tag auftauchen würde, an dem sie Fireball die Vorbereitungsunterlagen mitgegeben hatte. Da allerdings war Saber nicht stinksauer bei ihr aufmarschiert. Ganz im Gegenteil. Jegliche Reaktion war ausgeblieben, weshalb Mandarin es als volle Zustimmung gewertet hatte. Nun aber musste sie sich verantworten, wo alles bereits über die Bühne gegangen war. Mandarin fragte sich, wie Fireball dem Schotten die Anmeldung zur Prüfung verkauft hatte. Darüber zu sinnieren, brachte sie allerdings nicht weiter. Mandarin musste Saber wieder zu einer gesetzteren Gesprächsführung bringen. Sie versuchte ihn sachlich zu packen und hoffte, dass die Sachlichkeit in Person das Ungeheuer wieder verschluckte. Mandarin strich sich die wilde Mähne hinter die Ohren, als sie aufstand und im Stehen trotzdem noch beinahe zwei Köpfe kleiner als Saber war. Sie atmete tief durch und begann von Neuem: „Du hast es nicht gemacht. Er war so weit, Saber! Jedes weitere Zuwarten hätte nur dazu geführt, dass Fireball nie die Ausbildung nachgeholt hätte.“ Das war Fakt für Mandarin. Immer wieder hatte sie mit Fireball in den Monaten zuvor darüber gesprochen. Nie war er unhöflich gewesen, wenn er ihren Vorschlag, die Prüfung abzulegen, ausgeschlagen hatte. Fireball war in ihren Augen einfach nur nicht klar gewesen, welche Türen die bestandene Prüfung nach Ramrod öffnete. Mandarin hatte es schließlich als ihre Aufgabe gesehen, Fireball bis zur Prüfung und vielleicht sogar noch länger zu begleiten. Saber hingegen hatte Fireball die Entscheidung überlassen und ihm nicht vor Augen gehalten, dass sich eine Dienstprüfung positiv auswirkte. „Es ist nicht deine Aufgabe darüber zu entscheiden, wer in meinem Team zu welchem Zeitpunkt welche Prüfungen ablegt!“, Zornesfalten zeichneten sich immer deutlicher auf Sabers Stirn ab, der ansonsten blasse Schotte bekam mächtig Farbe im Gesicht. Saber musste sich zusammen reißen um nicht noch lauter zu werden. Sie hatte alle übergangen! Ihn selbst genauso wie Fireball! Egal wie edel die Motive sein mochten, sie hatte sich nicht nur über einen anderen Offizier und einen Piloten hinweggesetzt, sondern auch über die Köpfe zweier Freunde entschieden. Saber drehte sich beinahe der Magen um, ein solcher Vertrauensbruch war ihm selten untergekommen. Er ballte die Hände zu Fäusten und stemmte sie in die Hüften. Dass er sich dadurch breiter und auch größer machte, war volle Absicht. Er drohte Mandarin nur über die Gesten, seine Worte blieben laut aber ebenso sachlich: „Es ist nicht deine Entscheidung, ob und wann ich mit meinem Team über solche Angelegenheiten spreche und inwieweit ich ihnen eine Entscheidung überlasse oder auch nicht. Es handelt sich dabei um mein Team. Ich trage die Verantwortung. Ich kann deine Respektlosigkeit meinem Team gegenüber genauso wenig fassen, wie deine Respektlosigkeit vor mir als ranggleichem Captain.“ Saber sank mit einem tiefen Atemzug wieder etwas in sich zusammen, nun schwang die pure Enttäuschung in seiner Stimme mit: „Was hast du dir nur dabei gedacht? Falls du gedacht hast...“ Der Flur vor Mandarins Büro wurde schon seit geraumer Zeit immer enger. Scott hatte auf Ramrod angerufen, kaum war deren Captain durch Mandarins Bürotür marschiert. So standen die drei Freunde umringt von Mandarins Piloten in einer Traube vor Mandarins Büro und versuchten herauszufinden, worum es bei dem Disput wohl ging. Bald war klar, dass der Wuschelkopf der Zankapfel war. Der zog den Kopf immer weiter zwischen die Schultern und hätte sich am liebsten in einem Erdloch verkrochen. Alle konnten hören, dass es um die Prüfung und wie es dazu gekommen war, ging. Die Reaktionen darauf fielen recht unterschiedlich, aber noch kommentarlos und leise aus. Die Gesichter reichten von überrascht und erstaunt, zu wissend grinsend und auch Missbilligung. Im Büro verteidigte sich Mandarin währenddessen immer noch. Es war nicht sonderlich fair von Saber, ihr mangelnde Weitsicht vorzuwerfen. Andererseits konnte sie ihn jedoch beinahe verstehen. Sie blickte stur gerade aus, direkt auf Sabers Brust, als sie wieder erklärte: „Du hast ihm die Entscheidung überlassen, in meiner Staffel zu arbeiten, während ihr in Yuma seid. In dieser Zeit gehört er zu meiner Einheit, untersteht er meiner Verantwortung, Saber. Fireball fällt nur so lange in deinen Zuständigkeitsbereich, bis er hier in meine Fliegerhalle geht. Als solches Mitglied meiner Staffel hab ich die Entscheidung getroffen, die du nicht für ihn treffen wolltest.“ Mandarin, die selbst eine größere Anzahl Soldaten befehligte, wusste, wie unterschiedlich die beiden Einheiten geführt wurden. Während Saber in seinem kleinen Team auf Verständnis und Eigenverantwortung setzen konnte, musste Mandarin mitunter hart durchgreifen und auch unbeliebte Entscheidungen treffen. Ihre Augen wanderten zu Sabers zornigem Gesicht hinauf und versuchte, Sabers Argumente zu entkräften: „Ich habe an die Zukunft eines begnadeten Piloten gedacht. Das hat mit Respektlosigkeit deinem Team gegenüber nichts zu tun, Saber. Ich habe an ihn und seine Fähigkeiten geglaubt, du nicht, sonst hättest du ihm das nötige Feuer unterm Hintern gemacht.“ Feuer unterm Hintern? Er war kein Despot, der über die Köpfe anderer hinweg Entscheidungen traf! Solange er es vermeiden konnte, würde er das niemals machen. Bisher war genau diese Einstellung seinem Team gegenüber das Zünglein an der Waage gewesen, das über Sieg und Niederlage entschieden hatte. Es war der Respekt, mit dem sie sich gegenseitig begegneten. Saber hatte auf Fireball vertraut und er hatte auch auf Mandarin vertraut, die Fireball etwas beibrachte. Saber war fassungslos, wie Mandarin mit diesem Vertrauen umging. Er wusste nun, dass Mandarin Fireball angemeldet hatte, aber wie sie es letztlich gemacht hatte, war ihm noch ein Rätsel. Fireball hatte ihm lediglich die Anmeldedokumente und die Termine gegeben, jedoch nie ein Sterbenswörtchen darüber verloren, weshalb er sich plötzlich doch dazu entschieden hatte, seine Prüfung abzulegen. Er wollte von Mandarin wissen: „Hast du mit Fireball über die Anmeldung gesprochen oder hast du ihn vor vollendete Tatsachen gestellt?“ Mandarin schlug kurz die Augen nieder. Das war Saber genug Anhaltspunkt. Er blaffte sie wieder an, obwohl er zwischendurch schon etwas ruhiger geworden war: „Ich bezweifle es und das ist respektlos. Wie gesagt, wie ich in meinem Team mit solchen Sachen umgehe, ob ich ihnen Feuer mache oder nicht, ist meine Entscheidung. Maße dir nicht an zu wissen, ob ich an Fireballs Fähigkeiten glaube oder nicht. Das wäre die nächste Respektlosigkeit deinerseits. Ich arbeite täglich mit ihm. Ich weiß sehr genau was er kann, also erspare mir die Belehrungen.“ Der Schotte zwang sich ein weiteres Mal zur Ruhe. Es war unprofessionell von ihm, so mit einer Kollegin zu reden, aber sie hatte mit ihrer Aktion die Büchse der Pandora geöffnet. Noch ein weiterer Atemzug. Gut, die Prüfung war die eine Sache, das Kind war bereits in den Brunnen gefallen und ertrunken. Die Wirkung, die diese schnöde E-Mail nach außen hatte, war zumindest noch in einem Stadium, das Saber beeinflussen konnte. Er würde nicht zulassen, dass er außen vor gelassen wurde. Seine blauen Augen stachen auf Mandarin hinab: „Du weißt außerdem, dass Fireball hauptsächlich zum Dienst auf Ramrod eingeteilt ist und dass nach einer erfolgreich abgelegten Prüfung die Frage nach einem möglichen neuen Einsatzort aufkommt. Als du ihn angemeldet hast, hast du in die Besetzung Ramrods eingegriffen, ohne ihn oder mich zu fragen, ob er oder ich im Falle einer bestandenen Prüfung mit einem Dienstwechsel einverstanden sind. Hast du daran auch gedacht?“ Ein kleiner Funke Hoffnung, Fireball könnte sich für den Dienst in Mandarins Einheit dauerhaft begeistern, war durchaus bei der Anmeldung dabei gewesen. Mandarin biss sich auf die Unterlippe. Ihr hätte klar sein müssen, dass sich auch Saber diese Frage stellen musste und unter den gegebenen Umständen ihr einen möglichen Wechsel anlasten würde. Draußen rissen vor allem April und Colt die Augen erstaunt auf. Wechsel?! Davon war nie auch nur der Ansatz einer Rede gewesen! Die beiden schluckten hart. Warum hatten sie davon nichts mitbekommen? Scott, der neben den Star Sheriffs stand um aus erster Hand zu erfahren, welches Hühnchen zwischen den beiden Captains gerupft wurde, klopfte Fireball jovial auf die Schulter. Ihm war längst aufgegangen, dass der Grund für den Streit zwischen Mandarin und Saber durchaus auch Grund zur Freude war. Zweideutig flüsterte Scott dem jüngeren Mann ins Ohr: „Gut gemacht, Kleiner!“ Es war Scott einerlei, wie Fireball es auffasste. „Ein Wechsel der Einheit stand und steht auch jetzt nicht zur Debatte. Zumindest für mich nicht.“ Mandarin rieb sich mit Daumen und Zeigefinger über die Nasenwurzel. Langsam bekam sie Migräne von Sabers Vorwürfen, egal ob sie berechtigt waren oder auch nicht. Der Sterncaptain war immer gut mit dem Captain von Ramrod ausgekommen. Einen ungelernten Piloten aus einer anderen Einheit hätte sie niemals aufgenommen, das war hoffentlich auch Saber klar. Sie hatte Sabers Vorschlag zugestimmt, weil sie es als gute Idee gesehen hatte und auch, weil es ein Freundschaftsdienst für sie gewesen war: „Ich habe dieser Sache zugestimmt, weil ich diese zeitweise Mitarbeit in meiner Einheit als Ersatzausbildung angesehen habe. Aber wenn ich dich so höre, scheint das der Kern für deinen Unmut zu sein. Du denkst, er könnte nicht bleiben wollen.“ Noch während sie sprach, ging Mandarin ein Licht auf. Saber hatte nicht für möglich gehalten, dass auch eine Versetzung und damit eine Änderung seines Teams nach der Prüfung im Raum stehen könnte. Schließlich war es auch bei Colts Dienstprüfung kein Thema gewesen. Mandarin strich sich wieder eine Strähne hinter die Ohren, als sie an Saber vorbei aus dem Fenster sah. Mitten auf ihrem Rollfeld parkte Ramrod, wie immer selbstverständlich. Ramrod war eine der wenigen Einheiten, die noch keine Personaländerungen erlebt hatte, obwohl Mandarin sich aufgrund des engen Zusammenlebens sehr wohl vorstellen konnte, dass es durchaus schneller zu einem Wechsel kommen könnte. Man erfuhr nicht viel vom Leben auf Ramrod, auch Mandarin wusste kaum etwas darüber. Ihr Blick wanderte wieder zu Saber und sie riet ins Blaue: „Ich hab Fireball lediglich den letzten Feinschliff verpasst. Wenn du fürchtest, er könnte sich nun versetzen lassen, frag dich, ob das Problem nicht bei euch im Team zu suchen ist.“ Mandarins Worte ließen Saber kaum merklich zusammenzucken. Es war beinahe schon beeindruckend, woher Mandarin diese Sicherheit nahm. Er fragte sich, ob sie tatsächlich meinte, in seinem Team gäbe es Probleme, oder ob sie nur versuchte, von ihren Absichten abzulenken. „Du überschreitest deine Kompetenzen und Befugnisse, ignorierst sämtliche Konsequenzen und hast tatsächlich noch die Dreistigkeit mir den schwarzen Peter zu zuschustern. Wirklich beeindruckend“, rang sich Saber eine eisige Antwort ab. Die einzig logische Konsequenz dieser Unterhaltung und der vorangegangen Ereignisse konnte daher nur sein: „Dann lässt du mir keine andere Wahl, als den Fall vor der nächsten Instanz zu diskutieren.“ Saber konnte nicht sagen, was ihm mehr auf den Magen schlug. Der viel zitierte Eisblock in seiner Stimme verriet zumindest Mandarin eindeutig, dass er mit der nächsten Instanz keine Scherze machte. Es war Saber ernst damit. Er sah sich von Mandarins Verhalten provoziert. Mandarins Worte über Feinschliff taten noch ihr übriges um Saber davon zu überzeugen, dass Mandarin Fireball ebenso hintergangen hatte, wie ihn. Was noch schlimmer für Saber war, war allerdings, dass sie Fireball mit ihren Worten geringschätzte. Er verteidigte Fireball: „Du unterschätzt meinen Piloten, der längst keinen Feinschliff mehr nötig hatte. Du tust dich hervor und rechtfertigst deine Handlungen, ohne jegliches Hintergrundwissen über Fireball oder Absprachen zwischen mir und ihm oder was sonst noch in diesem Fall von Belange wär in einer unbegründeten Souveränität.“, seine Hand wies dabei nach draußen, zu Ramrod. Saber konnte nicht ahnen, dass die angesprochene Person längst auf der anderen Seite der Tür stand und lauschte. Sabers Drohung nahm Mandarin durchaus ernst. Sie respektierte Saber, mehr als jeden anderen Captain im Oberkommando, aber auch vor ihm hatte sie keine Angst. Allerdings begriff die kesse Rothaarige mittlerweile, dass sie mit diesem Verhalten Freunde hintergangen hatte. Beruflich waren Konsequenzen an einer Hand abzuzählen. Es war niemand zu Schaden gekommen, sie bekam von Eagle wahrscheinlich eine Abreibung und konnte sich die nächste Beförderung aufzeichnen, aber das war auch schon alles. Zumindest freundschaftlich jedoch war der Schaden ungeahnt größer und das Vertrauen, das sie von Saber hatte, verspielt. Mandarin musste zumindest hier den Schaden begrenzen. Sie trat einen Schritt auf Saber zu und versuchte ihn zu beruhigen, in dem sie Fireballs Prüfungsleistung ins Spiel brachte: „Saber, jetzt komm mal wieder runter. Atme tief durch und sag mir noch mal, dass es dich so dermaßen stört, dass dein Pilot die Prüfung mit einer hervorragenden Leistung abgeschlossen hat.“ Ein Blick in Sabers Gesicht, der Zorn dort war mittlerweile mehr oder weniger verpufft. Mandarin konnte die Enttäuschung über ihr Verhalten darin einwandfrei herauslesen. Schlechtes Gewissen kam deswegen in ihr auf. Sie atmete selbst tief durch um sich wieder zu beruhigen, sie war in den vergangenen Minuten mindestens so laut wie Saber gewesen. Sie wunderte sich insgeheim, weshalb noch niemand von ihren Piloten gekommen war, um scheinheilig zu fragen, was los war. Sie versicherte Saber: „Wir haben immer gut zusammen gearbeitet.“ Das war bisher tatsächlich der Fall gewesen. Mandarin hätte Fireball ansonsten nie zeitweise aufgenommen. Mandarin zählte noch mal gedanklich für sich die Fakten zusammen. Zu diesen Fakten zählte auch ein Saber, der wutschnaubend in ihr Büro marschiert war. Der Schotte war ansonsten nicht so geladen und für seine Verhältnisse unbeherrscht. Er war wegen der dämlichen E-Mail, in der er nur im CC gestanden war, hier aufgeschlagen. Das war für Sabers Lautstärke und seinen Gemütszustand eine kleine Lappalie. Saber fürchtete einen Abgang von Fireball, er selbst hatte das in die Runde geworfen. Wieder blinzelte Mandarin zu Ramrod hinunter. Was steckte tatsächlich hinter Sabers Ärger? Sie versuchte nun, das aus Saber herauszukitzeln: „Was macht dich glauben, Fireball könnte allein wegen einer bestanden Prüfung die Einheit wechseln wollen?“ Saber war ein guter Zuhörer, auch wenn er sauer war. Fireball hatte mit einer hervorragenden Leistung abgeschlossen, also hatte Mandarin die Mail und die dazugehörigen Prüfungsergebnisse schon gelesen. Saber verblüffte die Leistung von Fireball nicht, er hatte sehr wohl mitbekommen, wie verbissen und gewissenhaft sein Pilot sich vorbereitet hatte. Allerdings war Saber taub für Mandarins anerkennenden Ton. Es klang in seinen Ohren wie die völlige Sensation. Er knurrte wieder ungehaltener: „Natürlich hat er mit hervorragender Leistung abgeschlossen. Was zum Teufel hast du denn sonst erwartet?“ Saber gab Mandarins Vermutung allerdings nicht nach. Er würde den Teufel tun und ihr die Bestätigung dafür geben, dass auf Ramrod etwas im Argen lag. Das betraf einzig und allein sein Team und nur sie vier würden darüber reden und eine Lösung finden. Heftig tippte er mit dem Zeigefinger auf die Mail auf dem Schreibtisch. Saber fuhr Mandarin harsch an: „DAS ist und bleibt das Problem. Du hattest keine Befugnis dazu. Beantworte endlich meine Frage: Hast du Fireball in die Entscheidung über diese Anmeldung einbezogen oder hast du sie über seinen Kopf hinweg entschieden. Was war es?“ Erhobenen Hauptes stand sie ihm gegenüber. Mandarin blieb ehrlich: „Die Anmeldung und damit die letzte Entscheidung habe ich getroffen, Saber. Ich habe es getan, weil er gezögert hat.“ Als Saber bereits düster die Augenbrauen verzog und ihr ins Wort fallen wollte, fuhr Mandarin sicher fort. Sie verteidigte ihre Entscheidung: „Ich habe oft mit ihm über die Ausbildung gesprochen. Aber er konnte sich nicht dazu durchringen, die Prüfung zu machen. Wärst du hartnäckiger gewesen, wäre er viel früher fertig gewesen.“ Sie bemerkte selbst, dass sie Saber wieder einen Vorwurf gemacht hatte. Er mochte in ihren Augen berechtigt sein, aber es trug nicht zur Klärung ihrer Differenzen bei, wenn sie wieder mangelnde Kontrolle über sein Team andeutete. Mandarin fügte schnell an: „Entschuldige Saber, aber so ist es und das vertrete ich auch vor allen anderen.“ Nun platzte Saber vollends. Er schrie wutentbrannt: „Es war SEINE Entscheidung. SEINE allein. DAS ist nicht zu entschuldigen.“ Saber konnte es nicht fassen! Seine Stimme überschlug sich beinahe, so laut war Saber nun geworden. „Dann vertritt es vor allen anderen. Du hast meine Autorität untergraben und das kann und werde ich nicht dabei belassen.“ Jedes einzelne Wort war im Flur gut zu hören gewesen, auch für jene Piloten, die in vierter oder fünfter Reihe vor der Tür zu Mandarins Büro standen. Niemand hatte sich getraut einzuschreiten. Einige wandten immer wieder unbehaglich und verschämt den Blick von der Tür ab, andere hingegen hörten aufmerksam zu und lasen zwischen den Zeilen. Mittlerweile standen auch Techniker hinter den Piloten, natürlich hatten sie schnell begriffen, dass gerade ungewöhnliches in Mandarins Büro passierte und sich Gesprächsstoff für die nächsten Wochen dort abspielte. Auch John war unter den Zuschauern. Sein Blick hing allerdings stur auf dem Hinterkopf seiner Exfreundin. Es war nach wie vor schwierig für John, sie im Oberkommando anzutreffen und professionell dabei zu bleiben. Colt platzte der Kragen. Mit dem Telefon in der Hand öffnete er die Tür und trat ein. Er nickte Saber zu: „Jo, Boss. Ein Wort und ich drücke wählen. Eagles Nummer habe ich schon eingegeben.“ Colt hatte ebenso wie die anderen draußen lange zugehört und sich ein Bild von der Situation gemacht. Im ersten Moment war er wie ein Ochse vor dem Gatter gestanden und hatte nicht begreifen können, was los war. Dann allerdings hatte sich die Tragweite dieses Streits in sein Hirn gefressen und er hatte sich entschieden zu handeln. Er wusste genau, dass er Eagle nicht anrufen musste, aber es ging nicht nur darum, den Streit zu beenden, sondern auch den Aufruhr vor der Tür loszuwerden. Auch ein anderer schob sich an den Piloten vorbei und stand mit einem überheblich fiesen Grinsen plötzlich im Büro. John hatte zugehört, das hatte er immer. Seine Ohren waren im Hangar immer aufmerksam. Seit Fireballs Dienstbeginn in Mandarins Einheit hatte es Gerüchte gegeben. Was dran war oder auch nicht, spielte für John keine Rolle. Er sah in diesem Streit lediglich eine Möglichkeit, den Azubipiloten vor allen Anwesenden bloß zu stellen. Sicher, damit pinkelte er auch seinem Captain ans Bein, aber deren Blicke waren ihm nie entgangen, wenn sie den Japaner beobachtet hatte. Er nickte Mandarin zu: „Was für ein überaus eleganter Weg die Hauptperson deiner feuchten Träume ins Team holen zu wollen. Wow, Captain, man könnte beinahe nicht an deinen aufrichtigen Absichten zweifeln.“ Was war denn nur in alle gefahren?! Fireball war die Situation mehr als unangenehm. Er hatte alle Blicke in seinem Rücken gespürt, während sie Mandarins und Sabers Streit gelauscht hatten. Das war eine Sache gewesen. Die Art und Weise, wie diese Augen aber nun zwischen ihm und Mandarin umher wanderten und abartige Gedanken auf sie projizierten, brachte Fireball beinahe dazu, einfach im Boden versinken zu wollen. Nichts von Johns Unterstellungen war wahr, konnte nicht wahr sein. Ein Loch tat sich leider wie immer nicht auf, wenn man dringend eines brauchte, weshalb Fireball, mit allem, was er im Flur gehört hatte, völlig überfordert, die Flucht nach vorne antrat. Johns ekelhafte Worte und die Blicke der anderen ignorierend, verschaffte er sich Gehör: „Schluss jetzt, aus!“, er hoffte, den Streit um seine Person beenden zu können: „Letzten Endes habe ich die Prüfung gemacht, also war es MEINE Entscheidung. Saber, du hast mir freigestellt, die Dienstprüfung zu machen.“ Fireball raufte sich verständnislos die Haare: „Das Ergebnis ist jenes, das alle wollten. Ich hab die scheiß Prüfung bestanden. Doch anstatt euch mit mir zu freuen, fetzt ihr euch wegen der dämlichen Mail.“ Der Naivling verstand überhaupt nichts. Längst ging es nicht mehr um die Prüfung, nicht einmal mehr ansatzweise. John konnte sich das Lachen nicht mehr verkneifen. Der junge Spund hatte im aktiven Militärdienst nach Johns Ansicht nichts verloren. John lehnte sich gegen den Türrahmen und applaudierte ironisch. Ihm war egal, dass Fireball seine Worte vorhin übergangen hatte, Mandarins glühende Ohren waren dem Ingenieur eine Genugtuung. Er begann Fireball wie einem kleinen Jungen zu erklären: „Natürlich. Nur deine Entscheidung. Dass sie deinen Vorgesetzten komplett ausgehebelt hat, als sie entschieden hat dich anzumelden, kann man auch ganz lässig als unlauteres Abwerben deuten. Ich bin sicher, höhere Instanzen stimmen mir da zu. Und so edel wie sie gerade tut, ist sie nicht. Jeder hier weiß, dass sie auf dich abfährt. Warum auch immer.“ Niemand würde ihn unterbrechen, im Gegenteil, John bemerkte aus den Augenwinkeln, wie die neugierigen Blicke nach mehr verlangten. Er würde von Mandarin keine Abreibung bekommen, den zierlichen Captain konnte man im Augenblick als Ampelmännchen auf das Rollfeld stellen, so feuerrot leuchtete sie. „Warum nimmst du sie in Schutz und fällst deinem Boss in den Rücken, hm, wenn du nicht ihr kleiner Lustknabe bist?“ „Halt einfach den Rand, schütt nicht unnötig Öl ins Feuer und stell keine so dämlichen Vermutungen an. Deine kranken Ideen interessieren niemanden!“, fuhr Fireball ungehalten auf. Obwohl seine Stimme fest war, konnte er das Unbehagen, das ihn schon beim Lauschen befallen hatte, nicht mehr abschütteln. Fireball wusste nicht, was er zuerst tun sollte, um diese absurde Sache zu beenden. Er wollte keinen einzigen Zuhörer mehr haben, keine Freunde um sich, die sich nicht erklären konnten, wie das Prüfungsergebnis zu einem Streit dieses Ausmaßes führen konnte, keine zwei Captains, die sich um seinen Verbleib befetzten. John war da nur noch der letzte Tropfen, der ihn beinahe dazu brachte, einfach aus dem Fenster zu springen. Fireball wandte John wieder den Rücken zu, und sah direkt zu Mandarin und Saber in den Raum. Er hatte den Streit zwischen den beiden Freunden heraufbeschworen, dessen war sich Fireball sehr wohl bewusst. Weil er höflich gewesen war und weil er Saber nichts von der Art und Weise erzählt hatte, wie er angemeldet worden war. Es war ihm mehr als unangenehm und nach Möglichkeit sollte der Zwist so schnell als möglich ein Ende finden. Fireball war sich sicher, dass sich das Spektakel bei Mandarin im Büro in Windeseile im gesamten Oberkommando herumsprechen würde. Ihm drehte sich der Magen bei dem Gedanken daran um. Er wollte nicht der Grund für Streit unter Freunden und Gerüchten im Oberkommando sein. Fireball bellte Mandarin und Saber entgegen: „Ich nehme niemanden in Schutz und falle niemandem in den Rücken, ist das klar? Das ist der gleiche Kindergarten wie im Rennzirkus, ich hätte mir das Wechseln echt sparen können!“ Vom respektvollen Umgang mit zwei befehlshabenden Offizieren war das Verhalten von Fireball meilenweit entfernt, aber das war Fireball egal. Er war von dem bisher Gesagten überfordert und schämte sich obendrein unendlich. Trotzdem schaffte es der junge Pilot, aufrecht an allen vorbei aus dem Büro und durch die Reihen der anderen Piloten aus dem Hangar zu gehen. Scott sah Fireball mit vor der Brust verschränkten Armen nach, so wie es auch alle anderen Umstehenden taten. Er zog die Augenbrauen hoch und wusste nicht, ob er Fireball Respekt zollen sollte, wie kaltschnäuzig sein Agieren gewirkt hatte, oder ob er dem jungen Wilden eine Schippe Respekt einflößen sollte. Scott hatte während des Schlagabtausches mit John, der für ihn unter der Gürtellinie gewesen war, gründlich über das davor Gesagte nachgedacht. Er konnte nachvollziehen, weshalb sein Captain so gehandelt hatte. Gute Piloten gab es nicht an jeder Straßenecke im Dutzend billiger. Der Kleine hatte sich gut in ihrer Einheit eingelebt und auch zu ihnen gepasst. Einen solchen Glücksgriff ließ man nicht freiwillig wieder vom Haken. Dennoch stieß die Art, wie Mandarin es getan hatte, dem Piloten sauer auf. Nachdem wieder mehr oder weniger Ruhe herrschte, wandte sich Scott an die rothaarige: „Captain? Ich weiß, der Kleine ist gut, aber ihn hinter dem Rücken seines Captains abwerben zu wollen, geht gar nicht.“ Er blieb Mandarin gegenüber respektvoll, konnte sich aber das Recht nach den Jahren herausnehmen, ihr die Meinung zu sagen. Scott sprach damit sicher auch den anderen Teamkollegen aus der Seele. Der Streit zwischen den beiden Captain konnte immerhin dazu führen, dass die gute Zusammenarbeit zwischen den Einheiten zukünftig nicht mehr möglich wäre. Scott war absolut nicht auf den Kopf gefallen. Das Vertrauen, das Saber in Mandarin und ihre Einheit gesetzt hatte, war zerbrochen wie Porzellan, das bei einem Ehestreit gegen die Wand geschleudert wurde. Bei dem Gedanken daran musste Scott aufpassen, nicht zu grinsen. Das Scheidungskind, um dessen Sorgerecht da gestritten wurde, war dann ohne jeden Zweifel Fireball. John tat das, was Scott sich verkniffen hatte. Er begann zu lachen. Das alles hier war so lächerlich aufgeblasen, dass es schon beinahe wieder traurig war, dass hier die besten zwei Einheiten des Oberkommandos zusammenstanden und dieses Schauspiel lieferten. John konnte nicht glauben, dass er gegen die drei Hampelmänner von Ramrod verloren hatte. Okay, die Drohung mit dem Anruf bei Eagle musste er vorerst wohl nicht in die Tat umsetzen. Bestürzt beobachtete Colt, wie Fireball die Flucht ergriff und Johns Reaktion darauf. Aprils Exfreund stand nur noch hier, um zu sticheln. Wenn der Kasper noch einen falschen Ton von sich gab, würde Colt Maßnahmen ergreifen. So aber steckte Colt das Telefon wieder in die Hosentasche. Er konnte den Vertrauensbruch noch nicht fassen, Mandarin war immer eine Freundin gewesen! Seine Enttäuschung darüber gab er ihr auch zu verstehen: „Mandy, so was hab ich dir nicht zugetraut. Ich setz Eagle in Kenntnis, denn auch wenn du mich nicht hinterrücks mit so 'ner Anmeldung überrumpelt hast, wie unseren Reifenschänder, weiß ich trotzdem, dass die Nummer, die du abgezogen hast, nicht den“, Colt geriet ins Stocken. Verdammt, wie hieß es gleich noch mal richtig? Da es ihm nicht schnell genug einfallen wollte, nickte er Saber zu: „Wie sagt man Boss?“ Der Schotte half seinem Scharfschützen gerne aus. Seit die Tür aufgegangen war, hatte es ihm die Sprache verschlagen. Kommentarlos hatte er Fireballs Ausbruch hingenommen, nichts desto trotz stach Johns Formulierung mit dem in den Rücken fallen genau ins Schwarze. Saber fühlte sich nicht nur von Mandarin hintergangen, auch von Fireball, der ihm nichts erzählt hatte. Colts Rückendeckung tat ihm gerade gut. Sachlich ergänzte er Colts Satz: „Den Statuen entspricht...“ „Genau das. Danke, Boss.“ Colts Worte ließen Mandarin die Augen senken. Endlich begriff sie, was sie mit ihrer eigenmächtigen Handlung angerichtet hatte. Sie hoffte, zumindest noch etwas retten zu können. Sie erkannte, dass sie sich bei der Ramrodeinheit entschuldigen musste. Aber sie konnte nicht neben ihren Jungs so einknicken. Deshalb straffte sie ihre Schultern und wandte sich an ihre Einheit: „Habt ihr nichts zu tun? Geht wieder an die Arbeit, los!“ Oh, so einfach kam sie zumindest ihm nicht davon. Scott war nicht gewillt, Mandarin nun ohne nachzudenken zu gehorchen. Er ließ sie spüren, dass sie alle, nicht nur die Ramrodcrew, eine Entschuldigung von Mandarin verdient hätten. Im Gegensatz zu den anderen, die sich zumindest zögernd wieder der Arbeit widmeten, fand er Widerworte: „Vergiss es, Captain. Du bist zu weit gegangen, jetzt geht‘s uns alle an.“ „RAUS!“, Mandarin fuhr ihre Crew an. Sie wollte keinen einzigen ihrer Jungs mehr als Zuhörer haben. Bis auf Scott fuhren alle zusammen. Der Pilot zuckte mit den Schultern und warf Mandarin einen mahnenden Blick zu, ehe er die Tür als letzter hinter sich zuzog. Da hatte sie richtig in die Suppe gegriffen, wie Mandarin verstand. Es würde nicht nur Klärungsbedarf zwischen ihr und Ramrod geben, auch mit ihrer Crew würde es in nächster Zeit schwieriger werden. Mandarin sah in die verbliebene Runde. Saber, Colt und April waren als Letzte im Büro geblieben. Sie betrachtete die drei Freunde des Piloten. Während Colt und vor allem auch Saber ihre Meinung bereits ausführlich bekannt gemacht hatten, war April stumm geblieben. Mandarin sah zu April. Die Navigatorin verharrte mit einem Gesichtsausdruck aus Stein, und doch konnte Mandarin soviel aus Aprils Haltung herauslesen. Sie hatte angesprochen, was im Team Ramrod offenbar noch nicht einmal Thema oder vorstellbar gewesen war. April war unfähig, ihren Emotionen Raum zu geben. Sicherlich würde spätestens auf Ramrod alles aus der Blondine herausbrechen. Mandarin war froh, wenn sie in diesem Augenblick nicht dabei war. Aber es änderte nichts an der Tatsache, dass Mandarin einen groben Bock geschossen hatte, für den sie sich bei der Crew zumindest entschuldigen musste. Aufrichtig begann sie deshalb: „Ich entschuldige mich bei euch, dass ich den Eindruck vermittelt habe, Fireball abwerben zu wollen.“, all das würde noch einige Wellen ans Ufer treiben. Mandarin gab gehorsam ihr Einverständnis: „Saber, mach was du für richtig hältst, ich sehe ein, ich hätte zumindest dich einbeziehen sollen.“ „Den hast du allerdings vermittelt und das war das Mieseste, was du tun konntest“, Colt machte keinen Hehl aus seiner Missbilligung. Für ihn war es mit einer schnöden Entschuldigung nicht getan. Lange genug hatte Saber allein gekämpft, die Schützenhilfe allerdings war dann unerwartet und unkonventionell gekommen. Er fasste für sich noch mal zusammen, was in den letzten Minuten geschehen war. Mandarin war mit ihrer Vermutung, in seinem Team könnte es Probleme geben, goldrichtig gelegen. Anstatt ihm allerdings ihre Hilfe anzubieten hatte Mandarin versucht, für sich einen Vorteil daraus zu schlagen. Das kreidete er Mandarin an, es störte ihn maßlos. Saber verschränkte die Arme vor der Brust, er war plötzlich müde und ernüchtert: „Schön. ...Ich überlege es mir.“ Ihm war klar, dass der letzte Rest Vertrauen zwischen den beiden Einheiten auch noch verloren ging, wenn er eine Beschwerde gegen Mandarin einbrachte. Aber andererseits musste er eine ebensolche einbringen, ansonsten wäre seine Autorität noch mehr untergraben und er würde auch von anderen Mitgliedern des Oberkommandos keinen Respekt mehr bekommen. Damit war für Saber alles gesagt worden. Er nickte seinen beiden Freunden zu, sie verstanden und verschwanden ohne Gruß aus Mandarins Büro. Saber forderte noch Fireballs Prüfungsergebnisse von Mandarin ein, ehe auch er, gekränkt und enttäuscht, das Büro der Freundin verließ. An daily business war für Saber nicht mehr zu denken. Er sah auf Ramrod nach dem Rechten, überließ dort April und Colt die Tagesaufgaben und verließ schließlich das Gelände. Fireball war natürlich nicht zu Ramrod zurückgegangen, das war klar gewesen. Ebensowenig jedoch fand Saber den Wuschelkopf im Appartement wieder. Kurzerhand trug er für sich und Fireball jeweils einen Urlaubstag im Kalender ein und setzte sich anschließend mit dem Prüfungsergebnis an den Küchentisch. Saber las sich jedes einzelne Ergebnis aufmerksam durch, schweifte jedoch immer wieder mit den Gedanken ab. Fireball hatte tolle Leistungen erbracht, jeder Ausbilder müsste normalerweise vor Stolz platzen. Saber hatte nie daran gezweifelt, er hatte das Potential, das in Fireball schlummerte, immer gesehen. Er hatte allerdings keinen Druck auf ihn ausüben wollen. Immerhin war es anders eine Ausbildung zu machen als eine Ausbildung neben dem Job zu machen. Saber hatte in der Vorbereitungsphase Fireballs sozialen Rückzug schweigend zur Kenntnis genommen. Anspannung vor Prüfungen war normal und auch, dass man die Freunde in dieser Zeit vernachlässigte, zumindest, wenn man die Prüfung ernst nahm. Colt war bei seiner Dienstprüfung nicht anders gewesen. Er stand seufzend auf, um sich einen Kaffee zu holen. Warum hatte ihm Fireball nicht gesagt, dass die Anmeldung zur Prüfung nicht auf seinem Mist gewachsen war? Warum hatte er selbst Mandarin nicht früher Einhalt geboten? Himmel, Saber hatte von Anfang an bemerkt, wie sich der Sterncaptain um Fireball bemühte. Jedes Mal, wenn sie in Yuma gewesen waren und in Mandarins Einheit irgendein Fest angestanden war, war Fireball wie selbstverständlich auf der Gästeliste gestanden. Saber fragte sich, ob Fireball an ihm als Captain zweifelte und ob der Wuschelkopf überhaupt noch gerne in seiner Crew war. Fireball war ihm in Mandarins Büro trotz gegenteiliger Aussage, eben doch in den Rücken gefallen, denn er hatte Mandarin verteidigt. Es sei Fireballs Entscheidung gewesen, zur Prüfung anzutreten, wie Saber es gewollt hatte. Die Zweifel an ihm selbst ließen Saber im Stuhl hinabsinken. Gab es einen Grund, weshalb Fireball Mandarin in ihrem Tun keinen Einhalt geboten hatte? Sein Pilot war ansonsten ein selbstbestimmter Mensch, der sich von niemanden bevormunden ließ. Saber zerbrach sich den Kopf, immer wieder schlichen sich auch absurde Gedanken durch seine Gehirnwindungen. War an Johns provokanten und unterirdischen Unterstellungen etwas dran? Lief da was? Sofort verwarf Saber den Gedanken wieder und schüttelte den Kopf. Nein, das war Blödsinn! Fireball war wegen eines anderen Mädchens manchmal durch den Wind. All diese Gedanken brachten Saber nicht weiter, nicht einen Millimeter. Er würde all diese Vermutungen nur bestätigt oder widerlegt bekommen, wenn er den Hauptbeteiligten selbst danach fragte. Saber nahm sich vor mit Fireball zu sprechen, sobald sie sich beide beruhigt hatten. Saber selbst war bereits wieder gefasster als noch bei Mandarin im Büro. Da von Fireball weder etwas zu sehen oder zu hören war, machte es bestimmt keinen Sinn nach ihm zu suchen. Der Ärger verrauchte bei Fireball wesentlich schneller als die Scham. Es war eine Sache, als jüngster Champion aller Zeiten im Mittelpunkt zu stehen, eine völlig andere jedoch als Zankapfel zweier Freunde der Fokus zu sein. Fireball war in den kleinen Wald hinter den Rollfeldern geflüchtet um dort aus der Ferne auf das Oberkommando zuschauen. Abstand zu Dingen half, sie besser betrachten zu können und auch die Zusammenhänge besser zu erkennen. Das hatte ihm seine Mutter nach jedem Streit erklärt. Weshalb war es in Mandarins Büro zum Streit gekommen? Es ging um seine Prüfungsergebnisse. Er hatte bisher noch keinen Blick darauf werfen können und auch erst vor der Bürotür erfahren, dass er bestanden hatte, aber Auslöser des Streits zwischen Saber und Mandy war die Art der Zustellung gewesen. Sein kommandierender Offizier blieb Saber, wenn man es aufs Wesentliche runterbrach. An ihn allein hätten die Zeugnisse geschickt werden müssen und nicht an Mandarin. Sie hätte auch die Anmeldung nicht machen dürfen, nicht nur, weil sie es ohne Fireballs Einverständnis getan hatte, sondern auch ohne Sabers. Fireball setzte sich auf einen großen Findling und rieb sich über die Schläfen. Je länger er sich vor Augen führte, was geschehen war und was die Auswirkungen waren, desto eher begann Fireball, die Mitschuld bei sich zu suchen. Er hatte Mandarin wesentlich höflicher wegen der Prüfung abgewimmelt, als er es bei Saber getan hatte. Das dürfte Mandarin angespornt haben, ihn auch ohne seine Zustimmung anzumelden, denn im Endeffekt hatte er es hingenommen und zu pauken angefangen, ohne aus der Haut zu fahren. Im Gegenteil, Fireball war sogar insgeheim froh gewesen, eine Aufgabe zu haben, die ihn herausforderte und seine Konzentration band. Alles in allem hatte er Saber ebenso hintergangen, wie es Mandarin getan hatte. Seufzend stand er schließlich auf, entschlossen, sich bei Saber zu entschuldigen. Beinahe wie ein Einbrecher schlich Fireball am späten Nachmittag, aber noch vor Dienstschluss in die Wohnung, in einer Hand die Schlüssel, in der anderen eine Flasche. Nachdem er sich der Schuhe entledigt hatte und den Schlüsselbund auf die Kommode legte, ging er in die Küche hinüber. Fireball ging davon aus, dass noch niemand zuhause war, immerhin war ein normaler Arbeitstag für sie gewesen. Er staunte nicht schlecht, dass ausgerechnet Saber zuhause am Esstisch saß. Vor dem Schotten auf dem Tisch stand neben einem Kaffeebecher der Laptop, einige Papiere und Mappen lagen ebenfalls da. Saber arbeitete nach dem Krach mit Mandarin an diesem Tag wohl lieber zuhause. Fireball hob die Flasche, die er als Entschuldigung für Saber auf dem Heimweg gekauft hatte, und schielte auf das Etikett. Der Verkäufer hatte ihm zwar versichert, dass es ein Topwhisky aus den Highlands war, aber sicher war er sich nicht. Fireball kam langsam in die Küche, behielt dabei Saber im Auge. Sein Captain hatte nur kurz zu ihm aufgesehen und sich dann wieder seiner Arbeit gewidmet. Au backe, Fireball glaubte, dass es mit einer Flasche Whisky allein nicht getan sein würde. Er wollte Saber auch nicht unnötig bei der Arbeit stören, weshalb er nur kurz auf den Tisch zutrat und dem Schotten wortlos die Flasche ins Blickfeld stellte, mit dem Etikett zu Saber. Saber sah vom Laptop auf, emotionslos direkt auf das Etikett der Flasche. Ohne zum Überbringer aufsehen zu müssen, wusste Saber, dass es Fireball war, er hatte den Japaner bereits am Eingang anhand der Geräuschkulisse identifizieren können. Der gehobene Blick hatte seine Vermutung lediglich bestätigen sollen. Sollte Saber das Friedensangebot annehmen, oder den Whisky als Schuldeingeständnis von Fireball werten? Er hatte sich mächtig ins Zeug gelegt, der Tropfen war teuer. Sabers Mundwinkel zuckte kurz zu einem Lächeln nach oben. Er akzeptierte die Friedenspfeife. Wortlos schob er ein Papier in Fireballs Richtung und bedeutete ihm, sich das Schriftstück anzusehen. Oh, er stand tief bei Saber in der Kreide, Fireball schluckte unbehaglich und folgte Sabers lautloser Aufforderung. Er zog sich einen Stuhl an den Tisch. Es war zumindest nicht seine Kündigung, wie Fireball erleichtert feststellte. Im nächsten Moment jedoch verzog sich seine Miene wieder. Seine Mundwinkel zogen einen unrühmlichen Bogen nach unten. Es waren seine Prüfungsergebnisse. Er hatte bestanden, das hatte er vor Mandarins Büro bereits erfahren. Fireball schob das Zeugnis wieder zur Tischmitte, ohne es bis ins Detail gelesen zu haben. Es war nicht mehr wichtig, er freute sich nicht darüber. Der Druck war weg, das war im ersten Moment ein befreiendes Gefühl gewesen. Nur leider war die Ernüchterung schneller gekommen, als ihm lieb war. Am Ende des Tages war es ein schnöder Wisch, so wie jedes Zeugnis. Allerdings hatte wahrscheinlich noch kein Zeugnis für einen solchen Aufruhr gesorgt. Fireball zog die Beine an, stützte seine Füße auf dem Sessel daneben ab und sank zusammen. Frustriert ließ er sich vernehmen: „Und der ganze Terz für Nix eigentlich.“ „Nix?“, wiederholte Saber ungläubig. Aufgrund der Ereignisse konnte sich Fireball über seine Leistung nicht freuen. Noch schlimmer, er konnte sie noch nicht einmal anerkennen. Die herausragende Leistung war ihm nichts wert. Das schockierte Saber nun doch. Sabers hochgezogene Augenbrauen bestärkten Fireball in seiner Wahrnehmung noch. Das Ablegen der Prüfung war ein Formalakt gewesen. Mehr nicht. Er hätte einfach nicht antreten sollen. Vielleicht konnten sie in ein paar Monaten über die Prüfungsergebnisse und die Ereignisse dieses Tages lachen, aber nun sicher noch nicht. Fireball murmelte unglücklich: „Ja, nix. Nix, außer Ärger unter allen Beteiligten.“ Der Ärger war Sabers Meinung nach vorprogrammiert gewesen. Er wunderte sich, dass es für Fireball dennoch überraschend gekommen war. Er war auch von Fireball noch immer enttäuscht, das bekam Fireball auch zu spüren: „So überraschend war das nicht, wenn du mal genau darüber nachdenkst. Ich nehme an, Sterncaptain Yamato hat dir die Anmeldung gezeigt. Da stand sicher ihr Kontakt drauf. Was bedeutet, dass sie die Anmeldung eigenmächtig und ohne Absprache mit mir getätigt hat. Sie hat es auch zugegeben.“ Saber klappte schließlich den Laptop zu und widmete seine gesamte Aufmerksamkeit Fireball. Es beschäftigte ihn: „Ich frage mich, ist es dir nicht aufgefallen oder gab es einen Grund, warum du mich nicht gleich in Kenntnis gesetzt hast?“ Saber sah den Zeitpunkt, an dem alles gekippt war, wie befürchtet schon früher. Fireball zog die Augenbrauen zusammen. Er hatte die Anmeldung überhaupt nicht mehr angesehen oder geprüft. Mandarin hatte ihn vor vollendete Tatsachen gestellt, sein Veto wäre ohnehin verpufft. Er hatte sich in sein Schicksal ergeben, nachdem sie ihm das Datum genannt hatte. Im Nachhinein auch ein böser Fehler, wie Fireball gemerkt hatte. Denn damit hatte er auch Saber hintergangen. Er gestand Saber kleinlaut: „Ich hab‘s ehrlich gestanden auch nicht ordentlich gelesen. Das einzig relevante war das Datum. Durchfallen und auch nicht antreten waren keine Optionen mehr, deshalb konnte ich nur noch antreten. Ich wollte Ramrod und auch dir keine Schande machen.“ Das war tatsächlich eine der ersten Überlegungen für Fireball gewesen. Am Ende des Tages war allerdings genau das passiert. Weil er sich auf Mandarin verlassen hatte, war sein Captain übergangen worden. Damit hatte Fireball ihn gedemütigt. Fireball schämte sich. Saber tippte beinahe resignierend auf die Mail. Es war schwierig für Saber ruhig und auch sachlich zu bleiben. Fireball war auch sein Freund und Mandarins Verdacht hatte sich wie eine fiese kleine Zecke in seinem Kopf festgebissen und wurde immer fetter. Saber hatte die Probleme in seinem Team gesehen und war doch nicht beherzt genug eingeschritten. Er hatte es für eine gute Idee gehalten, Fireball zwischendurch auch zu Mandarin zu schicken. Nicht etwa, weil er wollte, dass Fireball sich an eine andere Einheit gewöhnte, sondern weil er wollte, dass Fireball eben jene Prüfung freiwillig ablegte. Es war anders gekommen und Saber fürchtete mittlerweile zu Recht, dass er seinen Piloten verlieren konnte. Wie sollte er Fireball erklären, dass er an dem Streit vom Vormittag mindestens genauso mitschuldig war, wie Mandarin? Saber drehte die Mail wieder in Fireballs Leserichtung und tippte auf die Adressaten. Er ließ seinen Freund wissen: „Hier steht, dass du es besser weißt. Hier ist belegt, dass du sehr wohl weißt, dass es wichtig ist. Fireball, du bist in erster Linie für den Dienst auf Ramrod eingeteilt, alle anderen Einsätze dienen deiner beruflichen Weiterentwicklung und sind gewissermaßen zweitrangig.“ Erschöpft, weil er mit seinem Latein am Ende war, fuhr sich Saber mit beiden Händen über das Gesicht. Er wollte eine ehrliche Antwort von Fireball: „Erklär es mir. Warum war auf einmal nur das Datum wichtig? Warum war nicht Antreten keine Option?“ Sabers Enttäuschung über die Vorkommnisse so offen in dessen Ausdruck zu sehen, ließ Fireball in sich zusammen sinken. Er verstand, dass er seinem Captain den Dorn in den Fuß getreten hatte und das auch noch so tief und schmerzhaft, dass er sich nicht sofort wieder entfernen ließ. Noch einmal versuchte er für Saber zusammen zu fassen: „Ich war angemeldet, mein Name bereits auf der Liste. Es wäre auf Ramrod und dich zurückgefallen, wenn ich gekniffen hätte oder durchgefallen wäre.“ Es wäre genauso gekommen, dessen war Fireball sich sicher. Es wäre auf Saber zurückgefallen, egal ob er die Anmeldung gemacht hätte oder eben Mandarin. Es wäre niemals dem rothaarigen Sterncaptain angelastet worden. Während er diese Ideen weiter sponn, verstand Fireball endlich auch, warum Mandarin ihn vor vollendete Tatsachen gestellt hatte. Mandy hatte gewusst, dass er deswegen keinen Rückzieher mehr gemacht hätte. „Mandarin wusste, dass ich nicht mehr nein sagen würde. Sie hat es gut gemeint, Saber. Ich wäre niemals zur Prüfung angetreten, wenn ich frei entschieden hätte.“ Fireball war immer noch von Mandarins guten Absichten überzeugt, er wollte nicht wahrhaben, dass Mandarin diesen Streit absichtlich angezettelt hatte. „Falsch, denn Nicht Antreten war immer eine Option und die habe ich dir gelassen.“, nickte Saber leicht. Er begriff mit jedem Wort von Fireball mehr, wie manipulativ Mandarins Handeln gewesen war, nicht nur ihm gegenüber, sondern auch Fireball gegenüber. Sie hatte den Piloten schnell genug richtig einschätzen gelernt und sich bei der eigenmächtigen Anmeldung Fireballs Pflichtgefühl seiner Einheit gegenüber zunutze gemacht. Inwieweit sie dabei an das Potential eines Piloten gedacht hatte, wagte Saber mittlerweile zu bezweifeln. Nein, mit einer einfachen Entschuldigung war es nicht mehr getan. Sie hatte Fireball manipuliert und Saber angekreidet, er würde die anstehenden Entscheidungen nicht treffen! Sein Gesichtsausdruck nahm bittere Züge an. Ob Mandarin überhaupt wusste, was sie damit wirklich angerichtet hatte? Saber bezweifelte es. Es ging nicht nur um Fireball und ihn, um eine mögliche Versetzung, es ging auch darum, dass die andere Hälfte des Teams bis zu dem Moment im Büro noch nicht einmal geahnt hatten, was in den nächsten Wochen auf sie zukommen konnte. Auch wenn Saber verstand, was Mandarin angerichtet hatte, einige Fragen hatte Saber immer noch. Dabei ging es weniger um den übereifrigen Sterncaptain. Alle diese Fragen spiegelten Sabers Enttäuschung wider, als er sie aussprach: „Warum hast du ihr nicht gesagt, dass du nicht antreten möchtest? Warum hast du zugelassen, dass sie dich und damit auch mich so vorführen kann? Sie hat es eindeutig nicht gut gemeint, sonst hätte sie dich nicht ohne mein Wissen und deine Zustimmung angemeldet.“ Saber ließ die Schultern fallen. Warum hatte Mandarin tatsächlich so leichtes Spiel mit der Anmeldung gehabt? Saber hatte sich bereits am Nachmittag den Kopf darüber zerbrochen, was vor der Anmeldung auf Ramrod losgewesen war. Leider war Sabers Gedächtnis diesbezüglich schlecht, er meinte allerdings, dass kurz zuvor etwas zwischen April und Fireball vorgefallen war. Saber musterte Fireball. Wie ging der Freund mit Zurückweisung um? Der Japaner hatte bisher viel verdrängt, sein Kummer und seine Eifersucht hatten sich nie offen gezeigt. Na, Saber dachte mit einem Schaudern an die Höllenqualen beim Essen, bevor April mit John zusammengekommen war. Laut rätselte Saber deshalb: „Hat dich unbewusst irgendetwas beeinflusst, das dir nicht klar war oder ist? Horch bitte tief in dich hinein und sag mir: Tust du gern Dienst auf Ramrod? Bist du mit deinem Vorgesetzten und deinen Kollegen zufrieden?“ Als Fireball erschrocken die Augen aufriss, fügte Saber milder hinzu: „Du musst nicht gleich antworten. Lass dir Zeit.“ Wieder legte Saber den Finger auf die richtige Stelle. Fireball musste den Kloß erst schlucken und selbst nachdenken, warum er Mandarin damals so schnell klein bei gegeben hatte. Ihm fiel ein, was ihn schlussendlich dazu gebracht hatte, doch mit der Prüfung zu starten. Leise murmelte Fireball: „Sie hat es zum richtigen Zeitpunkt getan. Es hat mich abgelenkt.“ Wie gerne er allerdings auf Ramrod arbeitete, oder wie zufrieden er mit Kollegen und Vorgesetztem war, konnte und wollte Fireball nicht beantworten. Er hatte sich noch nie damit auseinandergesetzt, Ramrod gehörte zu seinem Leben. Fireball hatte es als gegeben hingenommen. Ganz davon abgesehen, dass er mit Sicherheit in einer tollen Einheit gelandet war und er Freunde dort gefunden hatte. Er hätte nie daran gedacht, sich bei Saber über Colt oder April zu beschweren. Wie denn auch? Sie alle waren seine Freunde! Er arbeitete und lebte nicht mit Kollegen zusammen, sondern mit Freunden. Saber jedoch genügte Fireballs Antwort um zu verstehen. Besorgt brachte es der Schotte für Fireball auf den Punkt: „April. Die Situation zwischen euch macht dir also die Arbeit hier unmöglich. Verstehe ich das richtig?“ Nun ließ Fireball den Kopf hängen: „Nein, nicht unmöglich. Aber naja... Also...“, stammelte er vor sich hin. Er versicherte Saber: „Ich bin gern auf Ramrod, versteh mich nicht falsch, aber... Die Arbeit in der Staffel ist wie eine Auszeit.“ Fireball konnte nach wie vor keinen klaren Gedanken fassen, Saber sah es ihm an. Verständnisvoller nickte Saber und gab ihm Zeit. Er gab Fireball zu verstehen: „Wie gesagt, gehe in dich. Überleg dir, was du willst und lass dir Zeit. Wenn du es weißt, oder Hilfe bei der Entscheidung brauchst, sprich bitte zuerst mit mir und nicht mit Starcaptain Yamato.“ Saber war es ernst. Er würde Fireball die Zeit geben, die er brauchte, aber Saber forderte Vertrauen ein. Er würde mit Fireball zu jeder Tages- und Nachtzeit reden, wenn es dem Wuschelkopf half, eine fundierte Entscheidung zu treffen. Nun allerdings hatte es keinen Sinn, Fireball zu etwas zu drängen. Saber streckte sich deswegen und brach das Gespräch ab: „Jetzt entschuldige mich bitte. Ich muss eine Beschwerde formulieren.“ Mit einer Mischung aus Erleichterung und Unbehagen stand Fireball auf. Er wusste, dass die Beschwerde gegen Mandarin ging und so gerne er sie auch verteidigt hätte, Sabers Intervention war gerechtfertigt. Zumindest hatte er sich mit Saber aussprechen können, einen schalen Beigeschmack behielt die ganze Angelegenheit dennoch. Fireball nickte Saber noch einmal verstehend zu, dann verschwand er in seinem Zimmer. Die Prüfungsergebnisse blieben neben dem Whisky auf dem Tisch liegen. Fireball wollte den Stein des Anstoßes nicht mehr sehen. Saber konnte die Zeichen deuten, er war anscheinend doch kein so mieser Captain, wie Mandarin ihm am Vormittag noch unterstellt hatte. Fireball hatte keine Anstalten gemacht, ihm die Beschwerde ausreden zu wollen, er akzeptierte Sabers Entscheidung also. Sein Pilot stand hinter ihm, fiel ihm nicht in den Rücken. Fürs erste war Saber das genug. Alles andere würde sich erst abschließend klären lassen, wenn Fireball seinen inneren Kompass neu ausgerichtet hatte. Fireball zog in seinem Zimmer die Vorhänge zu und fiel ins Bett. Er war erschöpft, fühlte sich ausgelaugt. Saber hatte ihm gesagt, er solle nachdenken und sich Zeit nehmen. Aber um worüber nachzudenken? Wo stand er in seinem Leben, wo wollte er eigentlich hin? Weshalb sollte sich wegen einer popeligen bestandenen Prüfung plötzlich alles ändern? Wie kamen alle in seiner Umgebung überhaupt auf die Idee, er könnte wechseln wollen? Fireball dachte nach, fand aber keine Antwort. Es frustrierte ihn, was ihm noch mehr Kraft raubte. Als zuhause Leben in die Wohnung kam, schlüpfte Fireball unter die Decke und drehte sich zur Seite. Er starrte die Wand an, sein Bedürfnis, jemanden zu sehen, hielt sich in Grenzen. Fireball hörte die Geräusche in der Wohnung, die gedämpften Stimmen und wie schließlich das Abendessen von allen dreien zubereitet wurde. Als sich Schritte auf sein Zimmer zubewegten und schließlich jemand klopfte, schloss Fireball die Augen. Er wollte niemanden sehen. Keine Antwort auf ihr Klopfen. April klopfte nach kurzem Warten nochmal sachte an Fireballs Zimmertür. Sie wollte ihn zum gemeinsamen Abendessen abholen. Schließlich öffnete die Blondine die Tür einen Spalt und fragte besorgt: „Turbo? Abendessen ist fertig.“ Das Zimmer war dunkel, Fireball lag bereits im Bett. Leise schloss April die Tür wieder. Besorgnis stand ihr ins Gesicht geschrieben, als sie wieder in die Küche zu Colt und Saber ging. Ein Blick in Aprils Gesicht und anschließend auf die Uhr an der Wand genügte Colt. Zähneknirschend stand er auf, nickte Saber kurz zu und übernahm Aprils Aufgabe. Er würde allerdings nicht so zimperlich sein. Es war noch viel zu früh für ein Schläfchen, wie er fand. Sabers Zustimmung wartete Colt nicht ab, er wusste ohnehin, dass er freie Hand hatte. Colt trat ohne zu klopfen in das Schlafzimmer seines Freundes und sah sich um. Mann, dunkel und muffig war es hier, ziemlich deprimierend. Da könnte man meinen, Fireball wäre mit Bomben und Granaten durchgefallen. Seine blauen Augen streiften durch das Zimmer, verweilten schließlich am Bett. Colt war sofort sicher, dass Fireball noch wach war, da konnte er zehnmal die Augen geschlossen haben. Etwas anderes war nämlich auch zu und das ließ den Scout brummig auf das Bett zu marschieren: „Rennsemmel, Abendessen. Hoch mit dir.“ Wie angenommen erhielt Colt ebenso wenig eine Reaktion darauf, wie gerade eben noch April. Aber er war bestimmt nicht so zurückhaltend, wie ihre Prinzessin! Der Wuschelkopf gehörte nach dem heutigen Tag dringend unter Leute, einigeln konnte er sich später auch noch. Colts Zeigefinger fuhr deshalb nach vor und stupste provokant auf die Schulter, die aus der Decke lugte: „He, ich bin nicht April. Ich weiß, ab wann du wirklich pennst. Dann ist dein Mund offen und du sabberst aufs Kissen. Lass die Show sein, die zieht nicht.“ Der Angesprochene ballte die freie Hand zur Faust und kniff die Augen noch fester zu. Klar hatte er April vorhin gehört und sie ignoriert und er wollte auch den anderen Eindringling ignorieren, aber der war hartnäckiger als die Blondine. Wie gerne hätte er wirklich schon geschlafen, nur um seinen Freunden an diesem Abend aus dem Weg zu gehen? Fireball fühlte sich absolut nicht danach, mit den dreien zu essen und später noch mit ihnen den Abend zu verbringen. Frustriert stieß Fireball die unbewusst angehaltene Luft aus: „Cooolt!“ Mit einem Auge schielte Fireball zum Cowboy, dabei brummte er erschöpft: „Lass mich bitte in Ruhe. Ich bin müde.“ Fireball war zu erledigt, um sich eine gute Ausrede einfallen zu lassen, ihm war bewusst, dass ein einfaches ‚müde‘ bei Colt wahrscheinlich nicht reichen würde, damit der ohne ihn zum Abendessen ging. Langsam drehte er sich auf den Rücken, machte dabei auch das zweite Auge endlich auf. „Ja, klar“, da kam Colt beinahe ein Lachen aus. Wovon wollte Fireball an diesem Abend denn wirklich müde sein? Der Wuschelkopf hatte nicht gearbeitet und bestimmt den halben Nachmittag schon im Bett gelegen, so zerknautscht, wie er aussah. Nein, Colt gab sicherlich nicht nach. Er verschränkte also die Arme vor der Brust und ließ Fireball mit etwas mehr Nachdruck wissen: „Ich wiederhole - nicht April, der süße Colt. Nicht überbesorgt und vorsichtig, bei dir in einen Fettnapf zu treten. Ich spring mit Anlauf in die Fritteuse. Und ich trete dich aus dem Bett, wenn du weiter so eine Nummer abziehst.“ Es war Colt ernst. Trübsal konnte Fireball blasen, wenn er allein zuhause war und wenn er einen besseren Grund hatte. Als er lediglich einen undefinierbar angepissten Blick von Fireball zugeworfen bekam, begann Colt ohne nachzudenken, Fireball zu reizen: „Oder sind wir dir als Abendgesellschaft nicht rot genug.“ Colt hatte bereits am Vormittag in Mandarins Büro alles genau beobachtet und auch die Zwischenrufe erfasst, seien sie auch noch so stumpfsinnig und hirnlos gewesen. Die Reaktion auf einige Wortmeldungen waren viel bedeutungsschwerer gewesen und hatten mehr über alles ausgesagt als eine Antwort darauf. Mandarin war auch für Fireball ein empfindlich heißes Eisen, allerdings nicht beruflicher Natur, wie bei Saber. Wie weit Colt das allerdings ernst zu nehmen hatte, das wusste er noch nicht genau. Aber auch das würde er in Erfahrung bringen, auf die eine oder andere Weise. Mit Ruhe und Frieden war es definitiv vorbei. Colt würde auch die schweren Geschütze auffahren, das begriff Fireball spätestens nach dem Schwinger mit der roten Abendgesellschaft. Halbherzig ging Fireball deshalb auf Colts erste Wortmeldung ein: „Ich weiß, April hat nicht so eine liebliche Stimme wie du.“ Mühsam rappelte sich Fireball auf, rieb sich die Augen und sank doch wieder in sich zusammen. Er murmelte: „Hör zu, ich hab weder Hunger noch das Bedürfnis, euch das Abendessen zu versauen. Ich möcht einfach nur hier liegen und meine Ruhe haben. Der Tag war scheiße.“ Mit Schimpfwörtern hielten es die vier Star Sheriffs im Umgang miteinander eigentlich sehr sparsam. Verwendete doch einer mal ein böses Wort, konnte man getrost davon ausgehen, dass es ernst gemeint war. Das wusste auch Colt. Ebenso war ihm schon klar, dass der Tag für Fireball schon an Mandarins Bürotür gelaufen war, was den Wuschelkopf aber noch lange nicht dazu berechtigte, das gemeinsame Abendessen zu schwänzen. Colt wiegte den Kopf. Das Abendessen wäre so oder so versaut. Wenn Fireball nicht auftauchte, dann machten sich alle Sorgen um den Hitzkopf, wenn der allerdings dann wie ein Sauertopf da saß, verdarb er den anderen sicherlich auch die Laune. Das erträglichere Risiko schien es da Colt zu sein, wenn Fireball zumindest mit ihnen am Tisch saß. Saber und er würden schon eine Unterhaltung in Schwung bringen und die trübsinnigen Gedanken verscheuchen. Dessen war sich Colt sicher. Er widersprach Fireball deshalb kategorisch: „Ah, und du denkst, wenn du dich verziehst, bist du auf einmal weder der Grund dafür noch sonst wie beteiligt. Los jetzt, sonst ist es versaut, weil wir uns umsonst Mühe gegeben haben, dich nicht zu vergiften.“ Wenn Fireball nun auch nur in die falsche Richtung zuckte, würde Colt ihn aus dem Bett ziehen. Wider Erwarten allerdings rang sich Fireball ein Schmunzeln ab: „Wenn du gekocht hast, ist es ohnehin ungenießbar.“ Im Duell der Sturköpfe hatte Colt wieder einmal die Nase vorn. Fireball ergab sich, zumindest vorläufig, aber nicht ohne die Bedingungen zu verhandeln: „Lässt du mich in Ruhe, wenn ich mit euch esse?“ Innerlich stieg ein unverschämtes Grinsen in Colt auf. Er hatte den Wuschelkopf schnell dran bekommen. Zumindest würde Fireball nun zum Essen kommen. Alles andere würden Saber und Colt schon erledigen. Während Colt Fireball die Decke wegzog, schärfte er die gerade verhandelten Bedingungen nach: „Nur wenn du aufisst und es mehr als drei Erbsen sind“, er sah, wie Fireball Luft holte, da unterbrach er den Wuschelkopf gleich energisch: „Ähm und vier Erbsen sind damit auch nicht gemeint, nur das wir uns da richtig verstehen.“ Colt kannte seinen Freund entsprechend gut. Fireball hätte sich garantiert hingesetzt und brav vier Erbsen gegessen, ehe er wieder ins Zimmer schlich. Aber das war in Colts Augen nicht gemeinsam essen. Jeder von Ramrod brachte in der Regel eine ordentliche Portion weiter und das verstand der Cowboy unter ‚essen‘. Weil ihm Fireball zu langsam und lethargisch war, griff er ihm unter die Arme und zog ihn aus dem Bett. Als Fireball stand, ließ er ihn los und ging voraus in die Küche. Fireball seufzte erschlagen: „Colt, der Erbsenzähler...“ Ergeben trottete er Colt zum Esstisch hinterher. Lieber schnell mit den dreien essen, als sich stundenlang von Colt irgendwelche Vorträge anzuhören. Fireball stieg der Duft des Essens in die Nase. Ja, die drei hatten sich ordentlich ins Zeug gelegt. Dennoch kam kein Hunger auf. Fireball setzte sich an den Tisch. Er gähnte und raufte sich die Haare. Er grüßte die anderen beiden und bat Saber: „Hey. Ich hätte das nächste Mal gerne einen anderen Weckdienst. Colt ist nicht zärtlich.“ Fireball vergaß dabei, dass kurz zuvor April in seinem Zimmer gewesen war, um ihn zu holen. Die Blondine war leise und umsichtig gewesen. Beinahe wie ein Einbrecher, so geräuschlos war sie in seinem Zimmer gestanden. Nur ihre leise Stimme hatte er gehört. Sein Blick hing kurz an Aprils Gestalt, sie brachte zwei Teller an den Tisch. Aprils Augen verdunkelten sich einen Moment, ihre Schultern sanken nach unten. Fireball hatte sie nicht sehen wollen, was anderes bedeuteten seine Worte für sie nicht. Damit hatte er seine eigenen Worte, sie würden Freunde bleiben, Lügen gestraft. Er wollte mit ihr nicht besprechen, was ihn bedrückte, das tat April weh. Während sie wortlos einen Teller vor Fireball stellte, verbesserte Saber Fireballs Forderung: „April war vorhin bei dir und hat es zärtlich versucht. Dein Pech, wenn Colt dich aus den Federn treten musste.“ Keiner bemerkte Aprils unbehagliches Schlucken. Weshalb musste Saber dieses Wort benutzen? Sie hatte Fireball nicht geweckt und erst recht nicht zärtlich! Sie hatte ihn nicht berührt, dennoch wurde ihr bei Sabers Wortwahl ganz anders zumute. Schweigend setzte sich die einzige Frau in der Runde an den Tisch. Sie hoffte, dass man ihr die Hitze nicht ansah. April wusste selbst nicht, ob sie es überhaupt zärtlich versuchen wollte. In Bezug auf Fireball wusste sie seit geraumer Zeit gar nichts mehr. Colt brachte für sich und Saber noch einen Teller an den Tisch, während der Schotte zwei Schüsseln mit Erbsen und Minikarotten in die Tischmitte stellte. Mit einem fachmännischen Blick stellte Saber fest, dass die Schlemmerei dieses Abends durchaus auch gesund war. Definitiv aber würde sich hier niemand die Magenschleimhaut wegätzen. Als alle vier wie gewohnt am Tisch saßen, wünschten sie sich einen guten Appetit und begannen zu essen. Colt wie üblich mit einer gesunden Portion Hunger, aber auch Saber und April nahmen eine volle Gabel in den Mund. Nur Fireball saß noch unentschlossen vor seinem Teller, wusste nicht, wo er anfangen sollte und wie er seinen Appetit davon überzeugen sollte, dass etwas zu essen wichtig war. Colt bemerkte das eher lustlose Rumstochern. Mahnend erhob er die leere Gabel und erinnerte Fireball: „Vergiss nicht: mehr als drei Erbsen, Turbofreak. Du willst nicht erleben, wie ich dich füttere.“ Erstaunt sahen April und auch Saber zwischen Colt und Fireball hin und her. Es hatte bezüglich des Essen wohl vorhin einen Wortwechsel zwischen den beiden Freunden gegeben. Doch wider Erwarten fühlte sich Fireball nicht angegriffen. Eher ging vom Wuschelkopf die gleiche niedergeschlagene Energie aus, die er auch nachmittags gezeigt hatte. Saber hoffte, dass sich das im Laufe des Essens besserte. Fireball nahm demonstrativ die Gabel mit einem Bissen Fleisch nach oben. Er wollte mit Colt nicht streiten, bestimmt nicht. Mit einem aufgesetzten Lächeln ließ er Colt wissen: „Ich füttere mich lieber selbst. Aber danke für das Angebot.“ Saber, Colt und auch April hatten sich vor dem Kochen kurz besprochen, was sie an diesem Abend unternehmen sollten. Während Colt Fireballs Prüfungserfolg gerne ordentlich gefeiert hätte, hatte Saber ihm den Gedanken gleich aus dem Kopf geschlagen. Daraufhin hatten sie beschlossen, zumindest gut zu kochen und allen die Laune wieder zu heben. Das allerdings erwies sich als schwieriges Unterfangen. Eine unbeschwerte Unterhaltung wollte nicht in Gang kommen, was sicherlich auch daran lag, weil ein Thema in den Köpfen aller herumspukte, das jeden auf seine Art bedrückte. Saber schlug es auf den Magen, weil er fürchten musste, dass Mandarin seinen Piloten bereits erfolgreich abgeworben hatte, ohne es zu wissen. Colt und April beschäftigte es, weil sie nicht wussten, was nachmittags in ihren vier Wänden besprochen worden war und Fireball schlug nicht nur seine Prüfung, sondern seine verdrängten Gefühle aufs Gemüt. April sah immer wieder von ihrem Teller auf, das Schweigen in ihren vier Wänden war bedrückend. Normalerweise herrschte beim Essen zumindest etwas Heiterkeit, egal wie bescheiden der Tag auch gewesen sein mochte. An diesem Abend allerdings war es anders. Sie und Colt waren als einzige tagsüber auf dem Stützpunkt geblieben, hatten ihre Arbeit auf Ramrod verrichtet. Sie wären den Piloten aus Mandarins Einheit gerne aus dem Weg gegangen, aber zwangsläufig waren sie sich immer wieder über den Weg gelaufen. Scott, der Pilot, der neben Mandarin die meiste Zeit mit Fireball verbracht hatte, war nicht nur einmal beinahe über das gesamte Rollfeld zu hören gewesen. Alle anderen Piloten wollten immer wieder von ihr und Colt hören, was tatsächlich Sache war, sie trugen ihnen auch die wildesten Geschichten zu. Es war unglaublich, wie schnell sich Gerüchte verbreiteten, selbst unter jenen, die am Vormittag selbst an der Tür gelauscht hatten und es besser wissen müssten. Auf Aprils Brust legte sich ein dicker Kloß, wenn sie an einige davon dachte. Ihr Blick ruhte immer wieder deshalb auch auf Fireball. Am liebsten hätte sie ihn direkt gefragt, von ihm Antworten auf all die Fragen, die im Laufe des Tages in ihr aufgekommen waren, gehört. Doch Fireball schwieg. Seine Weissagung war nicht sonderlich weit daneben gelegen, wie Colt feststellte. Die Stimmung unter ihnen war an einem Tiefpunkt. Doch niemand wollte die unangenehmen Dinge ansprechen. April traute sich schlicht und ergreifend nicht und Saber hielt sich vornehm zurück. Colt allerdings verwettete angesichts der Miene seines Freundes seinen Sold darauf, dass Saber sich Fireball am Nachmittag bereits vorgenommen hatte. Das hieß für den Scout, es war schon etwas besprochen worden, nur er und April waren noch nicht eingeweiht worden. Vielleicht lag er da auch falsch, aber er dachte doch, dass es sie alle etwas anging. Schließlich stand eine Versetzung im Raum! Dieses Trauerspiel sah sich Colt nicht mehr länger an. Er begann schließlich Saber und Fireball auf den aktuellen Stand zu bringen: „Hab gehört, es geht heiß her auf der Base. Mandarin steht ihren Kollegen gerade wohl Rede und Antwort.“ Saber nickte bedächtig. Auf Colt war immer Verlass. Dem Schotten war bewusst, dass sie zu viert darüber sprechen mussten. Saber war immer noch überzeugt davon, um sein Team zu kämpfen und niemanden einfach ziehen zu lassen. Egal, was Mandarin angerichtet hatte, Saber war fest entschlossen, alles wieder gerade zu biegen. Er wollte und würde sein Team nicht umbesetzen! Nicht kampflos. Colt schien es wie er zu sehen, der Scharfschütze war wie immer eine wichtige Stütze und ein guter Freund. Allerdings sollten sie an diesem Abend lediglich bei allgemeinen Themen diesbezüglich bleiben. Saber hatte Fireball versprochen, ihm Zeit zu geben, dieses Wort würde er auch halten. Er informierte seine Freunde daher: „Das ist ein erster Schritt. Sie muss noch anderen Rede und Antwort stehen.“ April hielt erstaunt inne und sah von ihrem Teller auf. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass Saber tatsächlich eine Beschwerde gegen Mandarin bei seinem Vorgesetzten einreichen würde. Unbehaglich schluckte sie, ehe sie sicherheitshalber bei Saber noch einmal nachfragte: „Oh, du machst deine Ankündigung also wahr?“ Seit diesem Vormittag war auf Ramrod einiges aus dem gewohnten Takt geraten. April hatte Saber noch nie so unbeherrscht erlebt, wie bei Mandarin im Büro. Er war in ihren Augen völlig zu Recht angefressen gewesen, allerdings war sie davon ausgegangen, dass Saber es bei einer Androhung für Mandarin belassen würde. Ihr war nicht wohl dabei, unter den befreundeten Einheiten für noch mehr Streit zu sorgen. Seit Fireball in der Einheit von Mandarin angefangen hatte, war April davon ausgegangen, er wäre nicht gerne dort gewesen. Alles an Fireballs Verhalten hatte ihr diesen Eindruck vermittelt. Im Nachhinein betrachtet hatte April die Situation völlig falsch eingeschätzt. Im Endeffekt war es andersrum gewesen! Ihre Augen richteten sich wieder auf Fireball. Wollte er von Ramrod weg? Saber nickte. Mittlerweile konnte er zumindest die Sache mit Mandarin nüchterner betrachten. Er wusste, was er zu tun hatte und weshalb. Er ließ seine Freunde am Tisch unumwunden wissen: „Ich werde die Beschwerde morgen einreichen, ja.“ Damit war das Thema für Saber wieder erledigt. Er würde Mandarin für diese Dreistigkeit zumindest beruflich die Leviten lesen lassen. Dann war es damit wieder gut. Was zwischenmenschlich mit ihrer Aktion in die Brüche gegangen war, war nicht so einfach zu reparieren. Saber sah in die Runde, eine Zusammenarbeit mit Mandarins Einheit, insbesondere allerdings mit Mandarin, kam in nächster Zeit für ihn nicht in Frage. Colt nickte auf Sabers Worte hin und machte still drei Kreuzchen, dass der Schotte konsequent war. Er hatte bereits befürchtet, dass Saber nichts weiter unternehmen würde, wenn er sich erst einmal beruhigt hatte. Natürlich war es unangenehm, eine Freundin anzupatzen, aber andererseits ging es auch um Sabers Ruf, der durch Mandarins Aktion zu Schaden kommen könnte. Colt stand in dieser Hinsicht voll und ganz hinter Saber. Niemand hatte in seinen Augen das Recht, sich zwischen sie vier zu stellen. Der Cowboy beobachtete, wie auch Fireball Sabers Worte abnickte und ihnen zustimmte. Entgegen seiner ersten Reaktion in Mandarins Büro stand der Hitzkopf hinter Saber. Einträchtiges Schweigen breitete sich wieder über den Esstisch aus, gemeinsam mit einer Schwere, die selten bei den vieren Einzug hielt. Noch nicht einmal nach Aprils Trennung war ein Essen zuhause ähnlich trübsinnig gewesen. Colt sah in die Runde. Wenn man es genau nahm, gab es für die Katerstimmung unter ihnen keinen Grund, zumindest wusste er von keinem. Seine Augen wanderten zwischen Saber und Fireball umher. Hatten die beiden bereits den weiteren Verbleib geklärt? In Sabers Miene konnte Colt dafür wenig Anhaltspunkte finden, der Schotte wirkte wieder so gefasst wie sonst auch. Fireball war so gar nicht auf dem Damm, wie Colt fand. Colt fühlte Fireball deshalb auf den eitrigen Zahn. Er wiegte den Kopf in Fireballs Richtung und wollte wissen: „Reichst du auch was ein? Ein Versetzungsgesuch zum Bleistift?“ Colt war wie immer provokant, aber das musste er auch manchmal sein. April, die nur dann ein Dampfhammer war, wenn es darum ging, sich zu verteidigen, würde wenn überhaupt viel zu diplomatisch nachfragen, was ganz sicher nicht zum Erfolg führen würde. Der Schotte wusste in diesem Fall offenbar bereits mehr und würde deshalb nicht nachfragen. Fireball atmete tief durch, während er das Besteck auf den Teller legte. Rede und Antwort musste wohl nicht nur Mandarin stehen, auch er. Dabei wusste der Wuschelkopf weder recht vor noch zurück. Sabers Worte vom Nachmittag hatten ihn wie der Blitz getroffen, bis dato hatte er nicht darüber nachgedacht, weshalb er sich tatsächlich so leicht von Mandarin wegen der Prüfung hatte breitschlagen lassen. Fireball lehnte sich zurück, legte dabei die Hände in den Schoß und sah zu Colt hinüber: „Ich reiche gar nichts ein.“ Das war allerdings nur die halbe Wahrheit, wenn überhaupt. Er musste endlich einen klaren Gedanken fassen können, das würde zuhause oder auf Ramrod aber nicht funktionieren. Immerhin hatte es das gesamte letzte Jahr schon nicht funktioniert. Niedergeschlagen ließ er die Freunde wissen: „Maximal ein Urlaubsgesuch.“ Fireball hatte durch seinen Aufenthalt in Mandarins Einheit etliche Urlaubstage angesammelt, die seine Freunde bei den Heimatbesuchen abgebaut hatten. Es stand also ein Überschuss auf seinem Konto, den er am ehesten verbrauchen konnte, wenn Ramrod auf Yuma stationiert war. Er würde sich vielleicht die nächsten beiden Tage frei nehmen, vielleicht wusste er dann, wohin und was er wollte. Diese Antwort gefiel den Freunden allerdings so gar nicht. Es signalisierte ihnen, dass Fireball sie in seine Entscheidung nicht einbinden wollte, nicht mit ihnen darüber reden wollte. April legte deswegen ebenfalls das Besteck zur Seite und senkte den Blick. Wann hatte Fireball aufgehört, mit ihnen zu sprechen? Lag es an ihr? An ihrer Reaktion auf sein Geständnis, die keine Reaktion gewesen war? April konnte Fireball nicht mehr ansehen. Sie fühlte sich, als hätte sie einen wichtigen Menschen in ihrem Leben verloren. Colt war ebenso wenig glücklich über die Ankündigung wie Saber. Während Saber allerdings schwieg, machte Colt seiner Enttäuschung, die er nun durchaus empfand, Luft: „Ohne uns?“ Für den Lockenkopf gab es dafür nur einen einzigen Grund. Fassungslos schob nun auch Colt den Teller von sich, seine Stimme spiegelte seine Empfindungen wider: „Also wechselt du wirklich?“ Die Reaktionen auf die einfach Wortmeldung, sich ein paar freie Tage zu gönnen, zeigten Fireball deutlich, welche Gedanken in den Köpfen seiner Freunde vorgingen. Nicht nur Saber, der ihm Zeit für seine Entscheidung geben wollte, fürchtete einen Wechsel der Einheit. Dabei war Fireball selbst der Gedanke bis zu diesem Vormittag noch nicht einmal in seinen wildesten Träumen gekommen. Fireball versuchte seine Freunde zu beschwichtigen: „Ich hab von Urlaub gesprochen, nicht vom Wechseln.“ Fireballs Blick ging zu Saber, der Schotte wie auch April hatten bisher geschwiegen. Doch Saber sollte ihm den Rücken stärken, zumindest hatte er ihm an diesem Nachmittag noch seine Unterstützung bei der Entscheidungsfindung zugesagt. Leiser erklärte er: „Ich weiß ja noch nicht mal, ob ich überhaupt ein Urlaubsgesuch einreiche.“ Einigermaßen unbeteiligt hob Saber seine Schultern. Er hatte Fireball zwar versprochen, ihm Zeit zu geben, die Fragen, die vor allem Colt und April allerdings hatten, sollte der Wuschelkopf dennoch beantworten. Sie alle hatten ein Recht darauf zu erfahren, was in Fireball vor ging. Saber wollte sie als Freunde durch diesen stürmischen Abend gehen sehen. Fireball durfte sie seiner Meinung nach nicht völlig außen vor lassen. Er beantwortete Colts skeptischen Blick ruhig: „Bei mir ist weder das eine noch das andere Gesuch eingegangen oder wurde mit mir abgesprochen.“ Die Enttäuschung über den Vertrauensbruch saß bei Saber tief, das bemerkte auch April. Saber war nie jemand, der auf einem Fehler herumritt oder es unnötig oft zur Sprache brachte. Der Seitenhieb mit der Absprache bewies ihr, dass Saber den Vertrauensbruch nicht so leicht hinnehmen würde. April sah zu Saber hinüber, wartete, ob er noch einen weiteren Nachsatz fallen ließ, doch Saber ließ es damit gut sein. Auch Colt blieb der bittere Unterton nicht verborgen. Saber nahm es Fireball wirklich übel, die Prüfung nicht mit ihm abgesprochen zu haben. Wie auch immer das passiert sein konnte. Da Fireball in Colts Augen immer noch nicht mit seinen Zukunftsplänen rausgerückt war und Saber verstimmt war, blieb ihm nur eine Schlussfolgerung übrig. Er nickte zu Fireball hinüber und zog eine Augenbraue überrascht hoch: „Oha... Beim falschen Captain eingereicht, oder wie?“ „Das würde ich nicht empfehlen“, Saber verschränkte die Arme vor der Brust und erwiderte Fireballs Blick. Nur weil er ihm die Zeit bei der Entscheidungsfindung zugestanden hatte, die er augenscheinlich dringend brauchte, hieß es nicht, dass er ihm alle Fragen vom Leib hielt. Saber war klar, dass auch April und Colt Fragen hatten. Immerhin waren sie Freunde und fühlten sich ebenso übergangen, wie er selbst. Fireball wandte den Blick von Saber ab und sah stur auf die beiden Schüsseln in der Tischmitte. Der Dorn, den er Saber in den Fuß getreten hatte, musste mindestens Widerhaken haben, Fireball schluckte verhalten. Sabers Kollegialität fand im Moment wahrscheinlich seine Grenzen. Wieder beteuerte er: „Kommt auch nicht mehr vor. Wie gesagt, ich weiß grad noch gar nichts. Ob und wie und überhaupt...“ Während er sprach, fielen seine Schultern noch mehr nach unten. Er wusste keine zufriedenstellende Antwort zu geben. Inwieweit seine Freunde dafür noch Verständnis aufbrachten, wagte Fireball allmählich zu bezweifeln. Sie deuteten seine Taten als Vertrauensbruch, obwohl das das letzte wäre, das Fireball im Sinn gehabt hatte. Er wusste einfach nur nicht, wie er mit der Situation zwischen ihm und April umgehen sollte. Einerseits hatte er ihr versprochen, es würde sich nichts ändern, andererseits jedoch kostete ihn ihr enger Kontakt zueinander aber jedes Bisschen Selbstkontrolle, was ihn in den vergangenen Monaten zu den unterschiedlichsten Taten getrieben hatte. Wirklich schlau war Colt aus Fireballs Worten nicht geworden. Was wusste er nicht?! Ungeduldig fuhr Colts Hand über den Tisch, dabei versuchte er wieder, Fireball eine Antwort abzutrotzen: „Ob du Urlaub willst oder eine andere Einheit?“, mittlerweile machte sich Colt ernsthafte Sorgen, dass der Wirbelwind ihre Einheit verlassen könnte. Je düsterer die Zukunftsaussichten diesbezüglich waren, desto provokanter wurde Colt, als er weitersprach: „Schon mit jemandem darüber gesprochen oder sind wir dir nicht Mandarin genug? Ist das neuerdings so dein Ding: Mit allen reden, nur nicht mit denen, die es betrifft?“ Tatsächlich traf es Colt sehr, dass Fireball mit niemandem von ihnen darüber gesprochen hatte. So, wie es bei Mandarin noch geklungen hatte, schien der rothaarige Captain bereits bestens im Bilde zu sein. Es kränkte Colt. Mandarin hatte Fireball schließlich nicht etliche Male vom Boden hochzerren müssen, wenn dessen Gefühle einen ungewöhnlichen Ausweg gesucht hatten! Saber und er litten mit Fireball, Mandarin bestimmt nicht. Colt dachte an Mandarins rote Ohren, als John diese Unterstellung mit dem Lustknaben hatte fallen lassen. Dabei breitete sich ein Magengeschwür in ihm aus. Zumindest von Mandarins Seiten war die Behauptung nicht weit daneben gelegen und das bereitete Colt Sorgen. Energischer als die vergangenen Minuten widersprach Fireball: „Ich hab mit niemandem über irgendwas gesprochen und sicher nicht mit Mandy!“ Mandarins Spitznamen zu hören, versetzte April wiederum einen Stich und sie sank im Sessel nach unten. Ihn aus Fireballs Mund zu hören zeugte für April von dem Vertrauensverhältnis, das sich seit seinem Aufenthalt in Mandarins Einheit gebildet hatte. Sie sah zu Fireball auf, versuchte sich vorzustellen, was John angedeutet hatte. Es missfiel April sichtlich, heftig biss sie sich auf die Lippen. Saber und auch Colt war Aprils Verhalten nicht entgangen. Seit ihrer Trennung von John zeigte sie immer wieder Reaktionen, die darauf schließen ließen, dass Fireball doch mehr als ein Kumpel für sie war. Wie bewusst sich April selbst über diese zaghafte Veränderung war, wussten die beiden Männer nicht. Vielleicht wäre es April leichter gefallen, sich ihr Interesse an Fireball einzugestehen, wenn er ihr mal erzählt hätte, wie heftig der Blitz in ihn eingeschlagen hatte. Fireball raufte sich die Haare. Colts Anschuldigungen machten es nicht besser. Im Gegenteil, sie bewiesen Fireball, wie schwer der Vertrauensbruch tatsächlich gewesen war, den er nicht einmal registriert hatte. Colt glaubte ihm nicht mehr, Ausflüchte würden alles nur noch schlimmer machen. Es half nur noch Ehrlichkeit, so schwer sie auch über die Lippen wollte: „Eine andere Einheit stand für mich nicht zur Debatte, jedenfalls bisher...“ Mandarin hatte also nicht nur Saber eine fiese Zecke in den Kopf gesetzt, sondern auch Fireball. Hätte die rothaarige diesen Mist am Vormittag nicht vom Stapel gelassen, wäre Fireball noch nicht mal ansatzweise auf die Idee gekommen, die Einheit zu wechseln. Nun hatte sie aber den Gedanken gesät und angesichts der seit Monaten andauernden Abfuhren schienen sie immer attraktiver für Fireball zu werden. Saber krallte die Finger in seine Oberarme und verzog düster das Gesicht. Herzlichen Dank auch Mandarin! Saber dachte kurzzeitig daran, mehr als nur eine Beschwerde einzureichen. Sein Seufzen kam schwer und gut hörbar aus seinem Mund. „Okay, lass mich mal für die zusammenfassen, die erst heute erfahren haben, was abgeht. Nur damit ich das richtig verstehe...“, Colt krallte die Finger in die Tischkante, er war wenig begeistert von der aktuellen Lage. Für Saber und sich, aber vor allem für April fasste Colt die vergangenen Monate zusammen: „Du lässt deine Liebeskrankheit am Verdauungstrakt deiner Kollegen aus, amüsierst dich bei `ner anderen Einheit, lässt irgendwie zu, dass es zu diesem Affentanz in Mandarins Büro kommt und überlegst dir jetzt, Urlaub zu nehmen oder sogar die Einheit zu wechseln? Hab ich das richtig? Korrigier mich, wenn ich was vergessen habe, aber im Großen und Ganzen willst du uns doch nur sagen, dass du auf uns sch“ „Colt!“, Saber unterbrach den Redeschwall seines Freundes rechtzeitig. Er hatte gehofft, dass ihre Unterhaltung etwas ruhiger von Statten ging, aber er konnte Colts Emotionen nachvollziehen. Was Colt da gerade gemacht hatte, war nicht nur, seinem Ärger Luft zu verschaffen, sondern auch April darauf zu stoßen, dass schon ewig was schief lief. Deshalb beließ es Saber auch bei einem warnenden Blick, seinen Tonfall wieder zu mäßigen. April zuckte zusammen, als Saber seinem Freund ins Wort fiel. Colts Ausführungen allerdings ließen in April die Frage aufsteigen, ob Saber und Colt von Fireballs Gefühlen für sie etwas wussten. Colt hatte das mit ‚Liebeskrankheit‘ gemeint, ganz bestimmt. April begann nachzudenken, wann was passiert war. Natürlich verliebte man sich nicht von heute auf morgen in jemanden, Gefühle entwickelten sich über längere Zeit, dennoch hielt April verwundert die Luft an, als sie die Zeitspanne zwischen dem Anschlag auf die Mägen der Freunde und Fireballs Geständnis überdachte. Fireball hatte über ein halbes Jahr nichts zu ihr gesagt und sie in dem Glauben lassen, alles wäre wie immer. April rutschte unruhig auf ihrem Sessel umher. Auch Colt nahm ihm übel, wie das mit der Prüfung gelaufen war. Fireball hatte es geahnt. Was Fireball jedoch nicht so richtig einzuordnen wusste, waren Colts wie zufällig wirkende Einwürfe betreffend Mandarin. In Fireballs Ohren klang es, als würde Colt auf eine Bestätigung für Johns Unterstellung warten. In Fireballs Magen verkrampfte sich alles. Das war nicht wahr: „Du verwechselst amüsieren mit Arbeit, Colt“, zumindest das wusste Fireball bestimmt. Er hatte sich in Mandarins Einheit nur beruflich vergnügt. Er gestand Colt jedoch unumwunden zu: „Das Schauspiel heute Morgen war meine Schuld, ja. Ich hab die Anmeldung zur Prüfung nicht mehr kontrolliert. Colt, ich weiß gerade gar nichts.“ „Ich weiß auch nicht viel“, wischte Colt Fireballs Worte vom Tisch: „aber ich weiß, dass es nach alledem einfach nur mies ist, wenn du das jetzt ohne uns mit dir ausmachst! Und wir“, dabei zeigte er in de Runde auf April und Saber: „kein Mitspracherecht haben. Das schuldest du uns.“ Colts Worte waren bei weitem nicht so harsch, wie sie hätten sein können. Saber könnte es mit Leichtigkeit heraushören. Colt wollte als Freund mit Fireball die Entscheidung treffen. Er wollte nicht mehr vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Saber nickte ihm zu: „Colt hat in einem Recht. Es ist zwar deine Entscheidung und du kannst sie treffen, wann immer du willst, aber es geht uns alle an und es wäre unkollegial, unkameradschaftlich und nicht freundschaftlich, wenn du uns außenvor lässt.“ Wie sauber Colt und auch Saber den Treffer versenkt hatten, konnten alle an Fireballs niedergeschlagenen Augen erkennen. Fireball wurde schmerzlich bewusst, wie wenig Freund er in den vergangenen Monaten gewesen war. Er hatte sich nicht nur wegen des Lerndrucks vor ihnen zurückgezogen. Er versicherte ihnen: „Ich werde keine Entscheidung treffen. Zumindest nicht heute. Und auch nicht ohne mit euch vorher darüber zu reden. Aber jetzt gerade denke ich, dass es nicht viel Sinn macht. Ich bin einfach nur durch für heute.“ Saber stimmte Fireball leise zu. Auch er ging nicht davon aus, dass es viel helfen würde, auf Biegen und Brechen Antworten zu verlangen, die Fireball nicht hatte. Es war ein erster Schritt, alle hatten den gleichen Wissensstand. Den sollten sie sacken lassen und zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal gemeinsam besprechen, wie es weitergehen konnte. Fireball spürte die fordernden Blicke dennoch auf sich. Colt und auch April wollten hier und jetzt Antworten. Er hatte doch selbst noch keine richtige! Außer der Erkenntnis, dass er sich leicht und willentlich von Mandarin hatte manipulieren lassen, weil er Ablenkung gesucht hatte, um den Alltag auf Ramrod leichter ertragen zu können. Niedergeschlagen murmelte er: „Zumindest habe ich eine Vorstellung davon, warum ich mir die Prüfung angetan habe.“ „Warum hast du sie dir denn angetan? Möchtest du das deinen Freunden mitteilen?“ April schob ihren Stuhl zurück. Ihre ersten Wort an diesem Abend spiegelten ihren Frust wider. Sie hatte den Jungs zugehört, beobachtet und nachgedacht. Es spielte für April keine Rolle, was sie bereits gewusst hatte, was von alledem sie bereits davor geahnt hatte. Sie fühlte den Knoten auf ihrer Brust, ein undefinierbares Unbehagen und Angst, was ihr nach allem, was sie gehört hatte, auf die Laune schlug. Colt und Saber horchten erstaunt auf. April hatte bisher geschwiegen, war manchmal unruhig auf ihrem Stuhl herumgerutscht und ihre Worte nun verrieten, dass sie an der Freundschaft bereits zweifelte. Saber wusste nicht genau, ob das schon länger in April schwelte, was wahrscheinlich gleich aus ihr hervor sprudelte. Wenn April diesen Ton anschlug, kamen bald noch andere Dinge zur Sprache. Saber warf einen kurzen Blick zu Fireball und rechnete bereits damit, dass eine nur zögerliche vage Antwort über dessen Lippen fand. Also genau das, was April auf die Palme bringen würde. Fireball jedoch holte Luft, um April zu antworten: „Ich musste mich ablenken.“ Er war damit ehrlich, aber ein Blick zu April genügte um zu verstehen, dass ihr diese Erklärung zu wenig war. Fireball gab sich einen Ruck und war gnadenlos ehrlich: „Von dir und John.“ Nun richteten sich Colt und Saber im Stuhl auf. Hatten sie sich eben verhört? Fireball hatte nie ein schlechtes Wort neben April über John verloren und nie hatte er über die Beziehung ein Urteil gefällt. Er hatte April nie gesagt, dass er vor John oder ihr die Flucht ergriff. Nun saß er da und erklärte seinen Freunden, was der ausschlaggebende Grund für die Prüfung gewesen war. Saber spitzte die Ohren und auch Colt bleib aufmerksam an seinem Platz sitzen. Abwehrend verschränkte April die Arme vor der Brust. Das hörte sie gerade zum allerersten Mal. Immer war Fireball aufmerksam gewesen, hatte ihr zugehört und geholfen. Nicht ein einziges Mal hatte Fireball ihr gesagt, er wollte davon nichts hören. April setzte sich ein dicker Kloß im Hals fest. Sie wusste nicht, wie sie das alles zu werten hatte. Ihr Unbehagen schlug allmählich in Wut um. Gereizt verzog sie das Gesicht: „Von mir und John? Erklär mir das bitte.“ Das Bitte war eine reine Formalität, April wollte eine Antwort. Sofort. Sie hatte sich nicht vorstellen können, dass Fireball John nicht mochte oder mit ihrer Beziehung nicht umgehen könnte. Immerhin hatte der Wuschelkopf ihn verteidigt, bis sie sich an jenem Abend von ihm getrennt hatte. Fireball ahnte, dass ihm sein Verhalten in den nächsten Minuten um die Ohren fliegen würde. Einen Rückzieher würde ihm keiner seiner Freunde verzeihen und davon abgesehen war es dafür längst zu spät. Er hatte ehrlich begonnen, er sollte es auch bleiben. Mit einem Knoten auf der Brust erklärte er April: „Ich hab versucht, dir dein Glück mit John zu gönnen, ehrlich. Aber nichts hat geholfen. Ich dachte, wenn mir das Schicksal die dämliche Prüfung schon vor die Füße spuckt, dann setz ich mich auf meine vier Buchstaben und zieh das durch. Mandys Anmeldung kam genau zur richtigen Zeit.“ Wieder dieser Spitzname. April stieg Übelkeit auf. Der zierliche Captain hatte ihnen dieses Desaster eingebrockt und lockte Fireball mit Engelszungen in ihre Einheit. April fragte sich, was Fireball mit Mandarin alles besprochen hatte. In ihrem Kopf begannen sich auch noch ganz andere Szenarien zu formen, alles nur wegen der Erkenntnis, dass Fireball sich entgegen ihrer Einschätzung äußerst wohl bei Mandarin fühlte. Ihr Unmut und ihre Enttäuschung kannten mittlerweile keine Grenzen mehr: „Zum richtigen Zeitpunkt? Oder hast du die Anmeldung zur Prüfung nicht mehr kontrolliert? Was ist es nun? Beides?“, sie ließ Fireball keine Zeit zu antworten und fuhr stattdessen schwer enttäuscht fort: „Weißt du, es ist eigentlich egal. Ein Wort von dir zum wirklich richtigen Zeitpunkt hätte ein paar Dinge geklärt und es dir möglich gemacht, die Anmeldung eben doch zu kontrollieren. Ein Wort zum wirklich richtigen Zeitpunkt, etwas mehr Offenheit und etwas mehr Ehrlichkeit. So was macht man einfach - unter Freunden.“ Aprils Worte hallten in Fireballs Gedanken nach. Fireballs Verdacht, ihr zum falschen Zeitpunkt von seinen Gefühlen erzählt zu haben, bestätigte sich damit. Es war ein Fehler gewesen, es ihr überhaupt zu sagen. April hielt ihm vor, er hätte sich nicht wie ein Freund verhalten, aber sie hatte sich vor ihm zurückgezogen. Sie warf ihm vor, nicht ehrlich genug gewesen zu sein. Fireball ballte die Hände zu Fäusten. April seinerseits Vorwürfe zu machen war bestimmt nicht richtig, weshalb er die Finger wieder durchstreckte und all diese Worte schluckte. Ihm war nicht danach, April noch mehr vor den Kopf zu stoßen. Ihr Vertrauen in ihn war ohnehin bis in die Grundfesten erschüttert. Entmutigt sah er zu April auf und wollte wissen: „Wann wäre der richtige Zeitpunkt gewesen, es dir zu sagen, April? Du warst bereits mit John zusammen, es wäre immer der falsche Zeitpunkt gewesen. Egal, ob ich es dir gesagt hätte, nachdem ich es verstanden hatte, oder eben nach eurem ersten Streit, oder als du mit ihm Schluss gemacht hast. Zu keinem Zeitpunkt war es fair von mir, es dir überhaupt zu sagen.“, er schluckte: „Deine Reaktion darauf war eindeutig.“ Sofort fuhr April auf: „Du wirfst mir meine Reaktion vor?“ Ihre Stimme wurde lauter, hitziger. Aufgebracht widersprach April Fireball: „Das kann ich auch. Jeder dieser Zeitpunkte wäre besser gewesen, als das hier. Ein Freund steht auch mal auf und sagt, was unbequem ist. April es tut mir leid. Du weißt, ich liebe dich und deshalb bitte ich dich, sprich mit jemand anderen über John. Ich hab zwar gesagt, wir würden Freunde bleiben, aber ich merke, das funktioniert nicht. Es wäre besser gewesen, als das hier. Vor allem aber geht es nicht nur um mich. Du warst mir gegenüber nicht ehrlich, schlimm genug, aber auch zu Colt und Saber warst du es nicht und DAS ist nun wirklich nicht fair.“ April war so aufgewühlt, dass sie bei ihrem Monolog vergaß, was tatsächlich passiert war. Fireballs Geständnis hatte vor allem für sie etwas verändert. Sie hatte nicht mehr mit ihm über John reden wollen, egal wie aufgebracht sie manchmal gewesen war. Zum Teil hatte sie das getan, um ihm keine Hoffnungen zu machen, weil sie nicht wusste, was sie für den Wuschelkopf selbst empfand und zum anderen, weil sie sich dabei auch schäbig vorgekommen wäre. Schäbig deswegen, weil sie seine Gefühle damit ausgenutzt hätte. April verlor all ihre Gründe, weshalb sie sich vor Fireball zurückgezogen hatte, im Moment aus den Augen, weil sie Angst hatte. Sie hatte Angst, Fireball könnte bald aus ihrer aller Leben verschwinden. Die beiden anderen Männer am Tisch bekamen indes große Augen. Sie sahen sich entgeistert an und fragten sich, wann Fireball April von seinen Gefühlen erzählt hatte. Dieser Umstand war Colt und Saber vollkommen neu. Während Saber sich auf die Lippen biss und seine Unwissenheit damit zum Ausdruck brachte, verzog Colt fragend die Augenbrauen und ging die letzten Monate gedanklich durch, wann April davon erfahren haben könnte. Der Scout warf den beiden jüngeren Freunden einen Blick zu und wunderte sich nicht zum ersten Mal, wie schwierig und schmerzhaft die Liebe sein konnte. Auf die Erfahrung, die seine beiden Freunde machten, konnte er getrost verzichten. Colt beobachtete, wie Fireball aufstand und den Esstisch verließ. Seine Schultern hingen niedergeschlagen nach unten, seine Mundwinkel mindestens ebenso. Fireball hatte schon davor nicht gewusst, wie es weitergehen sollte, da war es lediglich um seinen Job gegangen. Nun allerdings ging es um seine Freundschaft zu den dreien. April hatte ihm wutentbrannt gesagt, dass er alle drei hintergangen hatte. Er war nie gut darin gewesen, über seine Gefühle zu reden. Auch zuhause nicht. Es hatte bestimmt nichts mit mangelndem Vertrauen in die Freunde zu tun, er war unbeholfen, weil es ihm auch an Erfahrung mangelte. Fireball sah zu Colt hinüber, der Lockenkopf hatte die ein oder andere Freundin bereits gehabt, seit sie sich über den Weg gelaufen waren. Bestimmt hätte Colt anders reagiert als er selbst, wenn er sich in April verliebt hätte. Allerdings war es müßig, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Fireball hatte sich in seine beste Freundin, die zu dem Zeitpunkt in einer Beziehung gewesen war, verliebt und nicht Colt. Schuldbewusst räumte Fireball ein: „Stimmt, es war nicht fair von mir. Aber ich wollte eigentlich nie von Ramrod weg, nicht von euch.“ Colt konnte Fireballs Blick nicht deuten, aber er erkannte einwandfrei, dass der Wuschelkopf im Begriff war, das Abendessen für beendet zu erklären. Seiner Meinung nach waren sie noch nicht fertig, und abgesehen davon hatte Fireball nicht aufgegessen. Er zeigte mit einem Kopfnicken auf den angefangenen Teller und hielt Fireball mit einem frechen „Warum schleichst du dich jetzt?“ davon ab, den Raum zu verlassen. „Es wurde alles gesagt, Colt.“, Fireball hatte längst begriffen, dass er jeden der drei enttäuscht hatte. Das räumte er auch ein, aber im Augenblick sah er sich außer Stande, mit ihnen über die weitere Zukunft zu sprechen. Er ließ den Kopf hängen: „Ich weiß, ich hab euch alle enttäuscht, aber es ist nun einmal wie es ist. Ich muss erst für mich überlegen, wie es weitergehen kann. Ich war eine ständige Gefährdung auf Ramrod für euch, das sollte nicht so sein. Ihr braucht einen Piloten, auf den ihr euch verlassen könnt. Ich weiß nicht, ob ich das bin.“ Saber hatte nun lange genug zugehört und zwischen den Zeilen gelesen. Mandarin hatte ein riesiges Tohuwabohu in seiner Mannschaft herauf beschworen. Wenn Colt oder auch April Fireball weiterhin bedrängten, zog der Wuschelkopf vielleicht die Reißleine in Form einer falschen Entscheidung. Zumindest Saber war sich darüber im Klaren, dass Fireball die Einheit wechseln würde, wenn sie nicht bald aufhörten, Rechtfertigungen und Antworten zu verlangen. Saber nahm sich selbst nicht aus, auch er hatte am Nachmittag nach Antworten verlangt. Aus dem Streit nun nahm er allerdings auch Informationen mit, die er bis dato nicht gehabt hatte und die seine Vermutung vom Nachmittag bestätigten. Fireball hatte doch irgendwann allen Mut zusammengenommen und April reinen Wein eingeschenkt, allerdings dafür einen Korb bekommen. Beinahe hätte sich bei dem Gedanken, Fireball könnte bisher selten eine Abfuhr von einem Mädchen erhalten haben, ein verräterisches Lächeln davongestohlen. Saber jedenfalls begriff, dass im Umgang mit dem anderen Geschlecht noch ein wenig Aufholbedarf bei Fireball bestand. Der Schotte allerdings wollte den Abend nicht so enden lassen, weshalb er nun Partei für Fireball ergriff. Sachlich fasste er zusammen: „In einem gebe ich dir Recht. Es wurde alles gesagt. Zumindest das, was für den Moment wichtig ist. Der Rest ist noch offen.“ Seine aufmerksamen Augen hatten auch April beobachtet und einiges festgestellt. Er hatte deshalb einen Rat, der sowohl für Fireball als auch für April bestimmt war: „Klar ist: Wer undeutliche Signale sendet, erhält solche auch zurück. Das gilt in beide Richtungen - Sender und Empfänger. Entscheidungen wurden noch keine getroffen. Ich habe jedenfalls keine herausgehört. Damit bleibt es dabei. Lass dir Zeit mit deiner Entscheidung. Wir sind da, wenn du darüber reden willst - allein oder gemeinsam. Es liegt bei dir.“ „So seh ich das auch“, stimmte Colt prompt zu und zeigte noch einmal deutlicher auf das Essen, da Fireball keine Anstalten machte, wieder zum Tisch zurück zu kommen: „Alles kein Grund, das gute Essen verkommen zu lassen. Mein Angebot zur Fütterung steht übrigens noch.“ Sabers Beobachtung war nicht nur bei Fireball angekommen, er hatte auch sehen können, wie April bei seinen Worten verschämt zu Boden gesehen hatte. Sie hatte ebenfalls undeutliche Signale gesendet, dessen waren sich Colt und Saber sicher. Keiner wusste, was nach diesem Abend weiter mit ihrer Freundschaft geschehen würde, fest stand lediglich, dass sie zur Ruhe kommen musste und erst dann darüber entscheiden konnten. Während Fireball sich wieder leise setzte und einen kleinen, verhaltenen Dank an Colt und Saber richtete, begann Colt schließlich für etwas Normalität zu Sorgen. Der Lockenkopf hatte Amber inzwischen ebenso kennen gelernt, Saber hatte sich doch tatsächlich dazu hinreißen lassen, sie nun eher zu ihnen nachhause zu bringen, als auswärts zu schlafen. Die Studentin brachte frischen Wind in den schottischen Adel, wie Colt fand. Auch, wenn es vielleicht nicht die Frau fürs Leben war, so tat sie dem Highlander unheimlich gut. April kam der Themenwechsel mehr als recht. Es lenkte sie vom Wuschelkopf und dem Arbeitsauftrag, den sie indirekt von Saber bekommen hatte, ab. Auch sie hatte Amber bereits getroffen und mochte die Blondine. Sie erkundigte sich ebenfalls bei Saber, wie es ihr ging. So fand zumindest das Abendessen einen versöhnlichen Ausgang. Es war zwar nicht so heiter wie sonst, aber der Waffenstillstand war wieder hergestellt. Es hieß nun nur noch die nötige Geduld aufzubringen, bis Fireball zu einer Entscheidung gefunden hatte. Der Wuschelkopf hatte am nächsten Morgen tatsächlich um zwei weitere freie Tage angesucht und Saber um etwas gebeten, das für den Schotten bereits am Tag davor beschlossene Sache gewesen war. Saber jedoch freute sich still, dass Fireball zumindest noch das Feingefühl entwickelt hatte, sich von Mandarins Einheit bei Saber freistellen zu lassen. Eines allerdings hatte sich Fireball nicht von Saber verbieten lassen. Nach dessen Zustimmung bat Fireball persönlich bei Mandarin um Freistellung. Das war er dem Sterncaptain schuldig, wie er fand. Der Weg durch den Hangar war beinahe schlimmer für ihn gewesen, als in einem Outriderhinterhalt festzustecken. Fireball spürte all die fragenden, neugierigen Blicke seiner Teilzeitkollegen im Rücken. Zu gerne hätten die gehört, wie er sich entschieden hatte und was er mit Mandarin zu besprechen hatte, das wusste Fireball. Mandarin selbst war nicht sonderlich überrascht, dennoch hasste sie es, Fireball verabschieden zu müssen. Sie verstand seine Beweggründe, vorerst nicht mehr in ihrer Staffel zu arbeiten. Mandarin nahm Fireball in eine herzliche Umarmung, drückte ihm einen Kuss auf die Wange und gratulierte ihm: „Nachdem es gestern leider untergegangen ist, hol ich es jetzt nach. Ich gratuliere zur bestandenen Prüfung, Kleiner“, sie zauberte ein kleines Geschenk hervor und überreichte es mit einem aufrichtigen Lächeln: „Ich bin sehr stolz auf dich. So gut hat auch in meiner Staffel kaum jemand abgeschnitten.“ Überrascht von Mandarins beinahe stürmischer Umarmung, nahm Fireball ihr Geschenk an. Dass ihm bei ihrem Kuss auf die Wange der Lustknabe von John wieder einfiel, ließ seine Wangen brennen. Leise bedankte sich Fireball: „Danke für alles, Mandy.“ In den vier Wänden der Star Sheriffs wurde es wieder einmal etwas enger. Amber kam regelmäßig zum Abendessen vorbei und auch Tallulah hatte sich für ein paar Tage bei ihnen einquartiert, nachdem Saber entschieden hatte, zwei Wochen auf Yuma zu bleiben. Der Schotte hoffte, dass sich in dieser Zeit alles einrenken und klären würde. Er hielt es im Augenblick für keine gute Idee, Fireball und April auf Ramrod zusammen zu pferchen. Nicht nur der Wuschelkopf brauchte Luft, um sich über einiges klar zu werden. Auch April musste für sich in Erfahrung bringen, was die Zukunft bringen konnte. Die Anwesenheit von Amber und Tallulah lockerte die Stimmung auf und war eine willkommene Abwechslung, auch wenn es beim Essen hin und wieder wirkte, als hätten sie ein Dreierdate. An einem Abend hatte Amber beschlossen, mit Saber zu kochen, Colt und Tallulah hatten angeboten, noch Getränke einkaufen zu gehen. Für drei oder gar vier Köche war die Küche im Appartement allerdings viel zu klein, weshalb April und Fireball nicht einmal übertrieben höflich hinauskomplimentiert worden waren. April hatte sich zuerst noch etwas hingelegt, Fireball hingegen hatte sich einige Unterlagen und Kopfhörer geschnappt und hatte sich auf den Balkon hinausgesetzt. Bald schon interessierten ihn die Unterlagen allerdings nicht mehr und Fireball hörte mit geschlossenen Augen Musik. Manchmal war es einfach, von den eigenen Gedanken eine Auszeit zu nehmen und später einen klareren Blick auf eine Situation zu haben. Er zog die Beine auf die Bank, auf der sie ansonsten zu dritt sitzen konnten und machte es sich gemütlich. April hatte sich Sabers Worte zu Herzen genommen und sich abermals hingesetzt und Gedanken gemacht. Ihr war bewusst geworden, dass auch sie unklare Signale gesendet hatte. Nicht nur, bevor sie von Fireballs Gefühlen gewusst hatte, auch danach noch. Sie begriff, dass sie es getan hatte, weil sie ihren Gefühlen nicht vertraut hatte, wenn diese unbewusst etwas ausgesendet hatten. Bewusst hatte sie dann immer eine Korrektur vorgenommen. Das deutlichste Beispiel war für April jenes, als sie nach Fireballs Geständnis mit ihm trainiert hatte und ihr seine warmen Augen zum ersten Mal bewusst aufgefallen waren. Nach diesem schwachen Moment hatte sie es als Ablenkungsmanöver hingestellt. April überlegte, ob es nicht auch bei Fireball manchmal so gewesen sein konnte. Leise schlich sie in der Wohnung umher, unschlüssig aber unruhig. Sie wusste nicht genau, ob sie mit Fireball reden wollte, oder es später versuchen sollte. Zu lange jedoch sollte sie nicht zögern, sie wusste, dass Fireball im schlimmsten Fall bereits eine Entscheidung getroffen hatte. Schließlich fasste sie sich ein Herz und suchte den Wuschelkopf auf. Sie fand ihn auf dem Balkon, die Arme hinter dem Kopf verschränkt und die Beine auf der Sitzfläche vor sich hindösend. April blieb kurz stehen. Er wirkte entspannt, zufrieden und unbeschwert. April erinnerte sich, wie sie nach ihrem ersten richtigen Zoff mit John etwas ähnliches gedacht hatte. Sie begriff einmal mehr, wie falsch sie mit manchen Annahmen gelegen hatte. April beobachtete Fireball. Er war im Grunde genommen schon lange mehr als ihr bester Freund, auch wenn sie es nicht hatte wahrhaben wollen. Sie hatte sich nach seinem Geständnis von ihm zurückgezogen, weil sie gefürchtet hatte, ihn John vorzuziehen. John war mittlerweile Geschichte, wenn sie nicht aufpasste, würde auch Fireball bald aus ihrem Leben verschwinden. April überlegte, weshalb sie nicht hatte zulassen wollen, sich in Fireball zu verlieben. Weil er ihr bester Freund war? Weil sie Angst hatte, er könnte ihr das Herz brechen? April begriff, dass sie und Fireball herausfinden mussten, was die Zukunft für sie bereithalten konnte, wenn sie auch weiterhin in irgendeiner Form gemeinsam durchs Leben gehen wollten. Es war April dabei einerlei, ob sie es als Freunde oder vielleicht sogar als Paar taten. Klar war lediglich, Besserung im Umgang miteinander würde nur dann eintreten, wenn sie alles klärten. April gab sich einen Ruck und trat auf Fireball zu. Weil er nicht auf sie reagierte, kniete sich April leise vor ihm hin und zog ihm einen der Ohrhörer aus dem Ohr. Als er sie endlich ansah, fragte sie: „Darf ich dir Gesellschaft leisten?“ Fireball nickte und setzte sich auf, um April Platz zu machen. Er war überrascht, dass sie sich zu ihm hinaus verirrt hatte. April setzte sich mit einem warmen Lächeln neben ihn, seinen Kopfhörer noch in der Hand. Ohne darüber nachzudenken, hielt sie ihn an ihr eigenes Ohr und hörte, was den Wuschelkopf beinahe zum Einschlafen gebracht hatte. April zog verwundert die Augenbrauen zusammen. Es war sicherlich keine Entspannungsmusik gewesen und auch keine landestypische Musik. Zumindest nicht für Fireball. Es klang schottisch, aber modern, als die Frauenstimme sang: „Let the wind carry us, to the clouds hurry up…“ April hörte der Musik eine Weile zu, sah zum Wuschelkopf hinüber. Ihre Gesichtszüge wurden weicher, entspannter und ein warmes Lächeln formte sich um ihre Lippen. Doch, auch wenn sie den Musikstil eher bei Saber gesehen hätte, das Lied passte dennoch zu Fireball. Stürmisch und voller Tatendrang. Dass im Text vom Fliegen die Rede war, war maximal ein kleines Extra. Fireball beobachtete April. Sie schmunzelte, das entlockte auch ihm ein kleines Lächeln. Als er die Musik ausschalten wollte, schüttelte April den Kopf: „Nein, lass es noch etwas an, bitte.“ Ohne Scheu behielt April seinen Ohrhörer für sich. Musik hatte eine verbindende Wirkung, zumindest in den meisten Fällen. April rückte etwas näher. Auch, wenn sie gerade schwiegen und sich in den letzten Tagen nicht viel Nettes zu sagen hatten, gerade eben fühlte sich April unglaublich wohl in seiner Gegenwart. Zu gerne hätte sie sich an ihn gelehnt, darauf verzichtete sie jedoch vorerst. Eine Weile saßen die beiden so auf dem Balkon, schweigend aber einträchtig. April hörte der Musik auf dem einen Ohr zu, während sie mit dem anderen immer wieder auch Vogelgezwitscher hörte. April versank in ihren Gedanken. Sie vier hatten ganz unterschiedliche Musikgeschmäcker und doch war bei jedem etwas dabei, das auch den anderen gefiel. Irgendwann sang eine männliche Stimme verheißungsvoll: „Someone told me long ago, there’s a calm before the storm…“ Das brachte April wieder dazu, zu Fireball zu blicken. Den Sturm hatten sie hoffentlich überstanden, aber es gab noch Schäden zu beheben. April gab Fireball den Kopfhörer wieder zurück und bat: „Können wir reden, Turbo?“ Mit einem Nicken packte der Rennfahrer die beiden Ohrhörer und legte sie auf den Tisch. Er hatte April immer wieder aus den Augenwinkeln beobachtet, darauf gewartet, was passieren würde. Schlau war er aus ihrem Erscheinen nicht geworden, wenn er ehrlich war. Fireball hatte allerdings einen leisen Verdacht, worüber April reden wollte. Sie hatten erheblichen Klärungsbedarf, das war ihm bewusst. Offen gestanden war es auch der einzige Grund, weshalb Fireball noch kein Entscheidung getroffen hatte und auch noch mit niemandem gesprochen hatte. Er machte seinen weiteren Verbleib von der Situation zwischen ihm und April abhängig. Wenn er auch nur das Gefühl bekam, für April ein Klotz am Bein zu sein, oder dass sie ihn nicht mehr um sich haben wollte, würde er Ramrod verlassen. Fireball lehnte sich in die Kissen zurück und überlegte, was er April sagen wollte. Doch April kam ihm zuvor. Sie hatte seine Bewegungen verfolgt und merkte nun mehr denn je, dass Fireball nicht wusste, wie er mit ihr umgehen sollte. Es kränkte April unermesslich, in ihren Augen hatte sie ihm keine Abfuhr erteilt, doch offensichtlich war auch da ein Sender-Empfänger-Problem aufgetreten. Saber hatte wieder mehr gesehen und verstanden als irgendjemand sonst. April atmete tief ein, rückte noch ein Stück näher an den Wuschelkopf, sie hatte seine Berührungen schmerzlich vermisst. Leise begann sie: „Vorweg möchte ich mich für meinen Ton beim Abendessen letztens entschuldigen. Ich weiß, normalerweise verträgst du es, wenn ich so bin, aber seit…“, sie geriet ins Stocken. Noch immer hatten sie nicht darüber gesprochen, was sein ‚Ich wollte nur, dass du es weißt‘ für Auswirkungen gehabt hatte und immer noch hatte. April sah in Fireballs Augen. Wie oft sie sich seither in diesem warmen Braun verloren hatte! Aprils Wangen nahmen einen zarten Schimmer an, ehe sie unsicher fortfuhr: „…seit du mir von deinen Gefühlen erzählt hast, ist alles anders.“ Fireball schob seine Hände unter seine Schenkel und lehnte sich nach vor. Seine Augen richteten sich unschlüssig auf einen Punkt auf dem Boden. Aprils Stimme war ganz anders als noch vor einigen Tagen, wärmer, verständnisvoller. So wie sonst auch. „Du musst dich nicht entschuldigen, Süße. Ich hab wieder mal die Konsequenzen nicht bedacht, die eine Aktion nach sich ziehen kann“, er fand tatsächlich nicht, dass sich April für ihren Tonfall entschuldigen musste. Ihre letzten Worte ließen den Wuschelkopf ernüchtert aufsehen. Es war tatsächlich alles anders. Niedergeschlagen wollte er von April seine Wahrnehmung bestätigt wissen: „Wir sind keine Freunde mehr, oder?“ April biss sich auf die Lippen, dabei nickte sie: „Stimmt, wir sind keine Freunde mehr.“ Sie spiegelte unbewusst Fireballs Haltung, auch ihre Hände verschwanden unter ihren Schenkeln. Ihre Feststellung ließ Fireball den Kopf senken, er war betrübt. Zu Recht, wenn sie darüber nachdachte. Ihre Worte mussten für den Wuschelkopf gerade bedeuten, dass sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Aber das war noch nicht einmal die halbe Wahrheit. April reckte den Kopf in die Höhe, blickte in die einsetzende Abenddämmerung und erklärte Fireball: „Auch, wenn dein Angebot ehrlich gemeint war, so hat sich doch einiges geändert. Ich habe mich schlecht gefühlt, dir von meinen Beziehungsproblemen zu erzählen. Ich dachte, du würdest dich ausgenützt fühlen. Außerdem habe ich angefangen darüber nachzudenken, was du alles getan hast, weil du dir vielleicht etwas von mir erhofft hast. Das hat mich in unserer Freundschaft sehr verunsichert.“ Genau was er befürchtet hatte. Fireball atmete niedergeschlagen aus, seine Schultern fielen nach unten. Es konnte keine Freundschaft geben, wenn Gefühle mit im Spiel waren. April hatte ihm bestätigt, was er insgeheim gedacht hatte. Egal, wie dieses Gespräch weiter verlief, Fireball wollte zumindest ehrlich dabei bleiben. Er gestand April: „Dass du mir von John danach nichts mehr erzählt hast, war das einzige, worüber ich mich gefreut habe. Du warst mit ihm zusammen und glücklich. Ich wollte es dir gönnen, ehrlich.“ Er hatte wirklich versucht, sich für sie zu freuen. Es war nur nicht immer gelungen. Ein verhaltenes Lächeln stahl sich über seine Lippen, während er weitersprach: „Hat nur leider nicht immer geklappt.“ April musste der Versuchung widerstehen, die Augen zu rollen. Sie warf ihm stattdessen einen strengen Blick zu. Nach dem Fiasko mit der Prüfung und seiner Flucht in Mandarins Einheit, stand für April fest, dass Fireball gerade die Untertreibung des Jahrhunderts geliefert hatte. Sie rutschte auf ihrem Platz herum, zog schließlich ihre Hände wieder hervor und verschränkte die Arme vor der Brust. „Nicht immer? Korrigiere mich, wenn ich falsch liege, aber deshalb warst du doch ständig in Ma“, April biss sich auf die Lippen. Nein, Mandarin war nach alledem keine Freundin mehr, nicht für sie. Die rothaarige hatte versucht, ihren Piloten und Freund in ihre Fänge zu bekommen. April stellten sich die Nackenhaare bei dem Gedanken daran auf, was John vor einigen Tagen im Büro für Andeutungen gemacht hatte. Sie wollte sich diese nicht zu detailreich vorstellen, dass sie sich schon einiges davon leider vorgestellt hatte, erzeugte einen bitteren Geschmack in Aprils Mund. Noch wusste keiner der Freunde, wie sich Fireball entschied oder vielleicht sogar schon entschieden hatte, er hatte mit niemandem darüber gesprochen. Nicht nur wegen der eventuell anstehenden Versetzung, sondern auch wegen dieser Eifersucht verursachenden Bilder, würde April den rothaarigen Sterncaptain nie wieder bei ihrem Kosenamen nennen! Sie war keine Freundin mehr für April. Sie sah an Fireball vorbei und vollendete ihren Satz: „in Mandarins Einheit und hast dich auf die ganze Geschichte mit der Prüfung eingelassen. Oder hab ich das falsch verstanden?“ Langsam bewegte sich Fireballs Kopf und zeigte ein Nicken. Er konnte April nicht länger ansehen, weshalb sein Blick auf den Tisch vor ihnen auswich. Leise erklärte er April: „Das hast du richtig verstanden. Nachdem ich etliches ausprobiert hatte, war das die einzig verbleibende Alternative.“ Verlegen begann er aufzuzählen, was er alles angestellt hatte, wenn er mit seinen Gefühlen nicht mehr klar gekommen war: „Ich hab Colt, Saber und mir die Magenschleimhaut weggeätzt, bin wie der Teufel gelaufen und irgendwann hatte ich auch jede Schraube am Red Fury pikfein beschriftet.“ Im Endeffekt hatte nichts geholfen. Jeder Vorsatz, es beim nächsten Mal besser zu machen, es nicht mehr an sich heran zu lassen, war einfach nur in einer anderen Tortur für sich und auch seine Freunde geendet. Fireball hatte zu viel Zeit ohne April gehabt, was ihm gerade nach seinem Geständnis die Tage unerträglich lange gemacht hatte. Er gestand April, was seine Feststellung nach ihrer Abfuhr gewesen war: „Ich wusste bis zu deinem ersten Streit mit John nicht wie viel Zeit wir wirklich zusammen verbracht haben.“ Es musste wirklich scharf gewesen sein, was Fireball an den Mägen von ihnen allen verbrochen hatte. April erinnerte sich an Colts und Sabers Ausführungen diesbezüglich. Die Jungs taten ihr unheimlich leid, und auch Fireball irgendwie. Sie wunderte sich über seine Aussage. War ihm tatsächlich nie aufgefallen, wie viel Zeit sie zusammen verbracht hatten, bevor sie mit John zusammen gekommen war? Ihr Blick blieb auf seine Gestalt gerichtet, als sie erklärte: „Fireball, wir haben jeden Tag zusammen verbracht. Beruflich auf jeden Fall und privat…“, sie überlegte, kam jedoch auch für die Freizeit auf ein ähnliches Ergebnis. Himmel, sie verbrachten ja beinahe jeden Urlaub miteinander! April fasste gedanklich alle Gelegenheiten zusammen, was sie alles mit Fireball machte, dabei fuhr sie fort: „war es doch auch beinahe so oft. Ich sage nur: Einkaufsbummel.“ Das war nur ein Beispiel für die vielen Aktivitäten, die sie im Laufe der Zeit miteinander unternommen hatten. Allerdings konnte April Fireballs Worte nachvollziehen. Ihr war es ähnlich gegangen. Nachdem sie verstanden hatte, dass Johns Eifersucht begründet gewesen war und sie darauf geachtet hatte, Fireball nicht auszunützen, war sie sehr oft allein unterwegs gewesen. Sie hatte Fireballs Gesellschaft oft vermisst. Immerhin hatte sich diese für April natürlich angefühlt, seine Begleitung für sie selbstverständlich gewesen. Die Shoppingtouren mit April hatten sich auch in Fireballs Gedächtnis eingebrannt. Sie waren in den vergangen Jahren schon beinahe ein Ritual gewesen, auf jedem Planeten hatte sie ihn zumindest einmal je Mission in das Fegefeuer für jeden Mann geschleppt. Jedes Mal hatte er gemeutert, immer erfolglos und im Endeffekt waren die Stunden im Shoppingcenter auch für Fireball schnell vergangen. Es hatte für sie beide dazu gehört. Fireball wusste für sich, dass der Einkaufsbummel lediglich stellvertretend für alle anderen Aktivitäten stand. So gut wie alles, was sie privat unternommen hatten, hatten sie zusammen getan. Ob Colt und Saber dabei waren, das war für beide meistens nicht das Thema gewesen. Er lächelte verlegen: „Ja, und so ätzend das Bummeln mit dir manchmal auch war, die Zeit ist immer wie im Flug vergangen und wir hatten trotzdem Spaß.“, seine Stimme wurde sanft, als er April wissen ließ: „Du warst meine beste Freundin.“ Überrascht horchte April auf. Hatte er sie doch ohne Hintergedanken begleitet? Sie traute sich kaum zu fragen, zumal Fireball ihr diese Frage vorhin schon nicht beantwortet hatte: „Dann bist du nicht nur mit mir shoppen gegangen, weil du dir was erhofft hast?“ „Nein, natürlich nicht.“, ernsthaft überrascht sah Fireball zu April. Wie kam sie denn darauf, er hätte von Beginn an auf ihre Zuneigung gehofft? Niemals hatte er April zu irgendwas begleitet, weil er eine Gegenleistung von ihr wollte. Fireballs Hände kamen unter seinen Schenkeln wieder hervor, er stützte sie neben sich ab. Das Gespräch mit April war anders als die Tage und Wochen vor dem Drama bei Mandarin. Fireball meinte, sie wären zumindest wieder an dem Punkt, an dem ihre Freundschaft vor seinem Geständnis gewesen war. Monatelang hatte er geschluckt, was ihn um den Verstand gebracht hatte, hatte er seine beste Freundin vermisst. Nun aber saßen sie zusammen auf dem Balkon, schwiegen und schrien sich auch nicht an. Im Gegenteil, sie sprachen wie früher miteinander. Fireball entspannte sich und auch seine Enttäuschung, sie wären keine Freunde mehr, ebbte allmählich ab. Er blieb so ehrlich, wie er begonnen hatte, als er ihr erzählte: „Bevor du mit John zusammen warst, hab ich nicht verstanden, warum ich so gerne bei dir bin und dann warst du eben mit ihm zusammen. Nicht mit mir. Das letzte, was ich wollte, war in eure Beziehung zu funken.“ Er hatte tatsächlich lange nicht verstanden, weshalb er April gerne um sich hatte. Fireball hatte auch nie darüber nachgedacht, es war selbstverständlich für ihn gewesen. „Trotzdem erklärt es nicht, warum du sonst getan hast, was du eben so alles für mich gemacht hast.“, April atmete tief durch. Sie wusste dennoch nicht so recht, warum er sich beinahe vom ersten Augenblick an um sie gekümmert hatte. Sie dachte an ihre Anfänge auf Ramrod zurück. Ihre Freundschaft war nach der ersten Eingewöhnung schnell etwas Alltägliches für sie geworden. Ganz selbstverständlich war Fireball an ihrer Seite gewesen, wenn es im Kampf gefährlich geworden war, hatte er ihr bei Reparaturen geholfen, sie nachts getröstet, wenn sie nicht hatte schlafen können. Sie versuchte, ihre Gedanken für Fireball in Worte zu fassen: „Es war so normal für mich, dass... Ja, bleiben wir beim Shoppen. Es war so normal für mich, dass ich dabei begleitet werde. Ich bin nicht mehr auf den Gedanken gekommen, dass ein anderer sich kategorisch weigern könnte.“ Ihr fielen Johns Verdächtigungen und Vorwürfe, die er in Richtung des jüngsten Star Sheriffs immer wieder ausgesprochen hatte, ein. Plötzlich musste April lachen, denn: „John hatte Recht mit seiner Eifersucht. Es ist alles nur wegen dir. Du bist der Grund dafür, dass es nicht funktioniert hat und auch mit keinem anderen mehr funktionieren kann. Du hast mich nämlich so verwöhnt und verzogen, dass ich für einen normalen Mann nicht mehr tauge.“ Fireball schoss die Röte ist Gesicht. Er wusste allerdings nicht, ob er verlegen ob Aprils Worte war, oder sich über John so aufregte. Wahrscheinlich war es eine Mischung aus beidem, was seinen Puls nach oben trieb. Fireball wettete darauf, dass John April wirklich an den Kopf geworfen hatte, sie wäre verwöhnt. Das war in seinen Augen allerdings völliger Quatsch. Er würde wahrscheinlich auch mit Tallulah oder Amber einkaufen gehen, wenn sie ihn darum baten, immerhin zählten die beiden auch zu seinem Freundeskreis. Es war nichts dabei, etwas seiner eigenen Zeit für jemanden, den man mochte, zu opfern. Er verteidigte sich und auch April beinahe hitzköpfig aufgebracht: „Es war normal, jedenfalls für mich. Wir haben Zeit zusammen verbracht, es ist doch völlig egal, was wir dabei gemacht haben. Shoppen, schrauben, blöd miteinander am See hocken. Völlig egal. Es geht um den Menschen, der dabei ist.“ Er schluckte unbehaglich: „Du bist weder verzogen noch verwöhnt, Süße. Mit ein Grund für all das ist, dass du unkompliziert bist.“ Fireball verteidigte sie immer noch, Aprils Wangen umfing ein zarter Schimmer. Er hielt sie für unkompliziert. Solche Worte hatte sie von John nicht ein einziges Mal gehört. Es war löblich, wie sich Fireball für sie einsetzte, jedoch widersprach sie ihm sanft: „Oder dass die Männer, die auf Ramrod arbeiten, nicht normal sind.“ Sie lachte noch einmal kurz auf, ehe ihr Gesichtsausdruck beinahe traurig wurde. April gestand Fireball leise: „Ich kann mir nicht vorstellen, auch nur einen von euch hergeben zu müssen.“ Allein der Gedanke daran brach April beinahe das Herz. Aber er brachte sie wieder auf den Grund ihres Gesprächs zurück. Sie sah zu Fireball, suchte seine wunderbaren Augen. Vorbei war es mit kleinen Scherzen, es war April ernst. Sie schluckte den Kloß in ihrem Hals tapfer hinunter und brachte fest hervor: „Ich will nicht, dass du gehst.“ Er konnte kaum glauben, was er hörte. Er hatte sich mit Sicherheit nur verhört. Fireball schluckte trocken, worin hatte er sich in den letzten Minuten nur wieder verrannt? Er wagte kaum zu glauben, was sie ihm gerade gesagt hatte. Ihre blauen Augen hielten seinen Blick gefangen, gaben ihn nicht frei und vernebelten Fireball bereits den Verstand. Unbewusst rückte er ein Stück näher zu ihr auf, seine Frage fand wider Erwarten ohne zu stottern über seine Lippen. Zwar leise, aber fest: „Soll ich bleiben?“ April nickte. Es war ihr wichtig, denn das bisherige Gespräch hatte in ihr etwas geweckt, das sie nicht hatte zulassen wollen. Leise hauchte sie: „Ja, ich bitte dich. Bitte bleib. Oder sag mir wenigstens, was du brauchst, um zu bleiben.“ Sie wollte ihn nicht verlieren, nicht als Kollegen und bestimmt nicht als Freund. Es war April ernst, sie wollte, dass er blieb. Der Navigatorin blutete das Herz bei dem Gedanken daran, dass er bereits eine Entscheidung getroffen haben könnte, die Ramrod nicht mehr beinhaltete. April würde alles dafür geben, ihn bei sich behalten zu können, das klang auch in ihren Worten eindeutig durch. Wieder bat sie ihn zu bleiben, er hatte sich nicht geirrt. Fireball spürte, wie sich ein Knoten auf seine Brust legte. Er überbrückte die letzten Zentimeter, rückte ganz zu April auf, ließ sie dabei allerdings nicht aus den Augen. Fireball legte seine Hand auf Aprils Oberschenkel. Er hatte ihre Nähe so sehr vermisst. Aufrichtig murmelte Fireball: „Zumindest deine Freundschaft wünsch ich mir. Es muss nicht mehr sein.“ Das musste es tatsächlich nicht sein, solange sie nur wieder eine Freundschaft zueinander aufbauen konnten. Immerhin hatte er aus dieser tiefen Freundschaft zu April Gefühle entwickelt. Er vermisste ihre Freundschaft, die er verloren hatte. „Und wenn es mehr wäre?“, flüsterte April. Die Frage, ob es mehr war oder sein konnte, beschäftigte die junge Frau seit einer ganzen Weile. Vielleicht war es ja auch von ihrer Seite aus mehr gewesen. Immerhin hatte sie alles, was sie wollte, von einem anderen als ihrem Partner bekommen. John mochte sie geküsst haben und intim mit ihr gewesen sein, aber Zeit und Zuneigung, die nicht nur körperlicher Natur war, hatte ihr Fireball geschenkt. Sie war lange nicht auf die Idee gekommen, dass sie sich mehr von Fireball wünschen könnte, bis er ihr von seinen Gefühlen für sie erzählt hatte. Erst da hatte April angefangen sich zu fragen, wie er wohl küsste, ob er in jeder Hinsicht so einfühlsam war, wie sonst auch. All das hatte April verwirrt, sie hatte sich oft wegen ihrer eigenen Gedanken geschämt und Fireball nicht mehr ansehen können, wie davor. Es könnte doch bedeuten, dass sie ihn liebte, auch wenn sie es nicht für möglich gehalten hatte. Durch seine Gesten etwas mutiger geworden, war April entschlossen, es herauszufinden. Behutsam hob sie ihre Hände an Fireballs Wangen, hielt seinen Kopf so ruhig. Ihre Finger strichen sanft über seine Haut, übten keinerlei Druck aus. Aprils Augen senkten sich einen Moment, sie suchte den nötigen Mut. Dann jedoch hob sie den Blick wieder in Fireballs dunkle Augen. Sie hatte nichts mehr zu verlieren, denn im schlimmsten Fall würde Fireball Ramrod verlassen. Aber April musste herausfinden, ob sie ihren Gefühlen vertrauen konnte. Mit Herzklopfen reckte sie den Kopf, gleichzeitig zog sie mit beinahe zitternden Händen den des Wuschelkopfs etwas zu sich. Sie schloss die Augen, spürte seine Wärme, die ihr Herz erfüllte, ehe sie seinen Lippen einen sachten, behutsamen Kuss stahl. Sie musste es einfach wissen, zumindest für sich. Es war nicht mehr als ein sanftes Darüberstreichen ihrer Lippen gewesen, Fireball hatte es geschehen lassen. April wich ein paar Zentimeter zurück, sah ihn wieder an. Ihre Hände verweilten an seinen Wangen, in seinem jungenhaften Gesicht. April fühlte in sich hinein. War es, wie sie vermutet hatte? Ihr Herz schlug wild in ihrer Brust, sie zitterte beinahe. Sie wusste nicht, wie Fireball reagieren würde, immerhin hatte sie den ersten Schritt gemacht, anders als John damals. April wurde nervös. Was, wenn sich an seinen Gefühlen wegen der ganzen Geschichte etwas geändert hatte? April jedoch musste es wissen, denn an ihren Gefühlen für Fireball hatte sich etwas geändert. Zittrig hauchte sie: „Was, wenn es mehr wäre?“ Ihr Handeln hatte Fireball überrascht. Bereits, als sie ihre Hände an sein Gesicht gelegt hatte, war er in eine Art Starre verfallen, unfähig, etwas anderes zu tun, als in ihre wundervollen Augen zu sehen, oder etwas zu denken. Angespannt hatte er verfolgt, was sie weiter tat. Als sie ihn küsste, war er unfähig gewesen, den Kuss zu erwidern. Er hatte mit allem gerechnet, nur nicht damit. Ihre weichen Lippen, ihr warmer Atem auf seiner Haut! Als Fireball selbst die Augen schloss, und ihren Lippen entgegen kommen wollte, hatte April den Kuss bereits wieder gelöst. Er sah zu ihr auf, hörte ihre Frage. Es war für ihn keine Frage mehr. Fireball hatte sich entschieden, endlich erwachte er aus seiner Starre. Seine rechte Hand strich Aprils Haare nach hinten, sein Kopf überbrückte die wenigen Zentimeter, die sie ohnehin getrennt waren. Sacht lehnte er seine Stirn an ihre, fühlte ihre Wärme, ihre zarte Haut auf seiner. April wich nicht zurück, machte nicht den Eindruck, dieser Situation entfliehen zu wollen. Wieder schloss Fireball die Augen, atmete tief ein. Er spürte ihre zarte Haut unter seinen Fingern, ihr seidiges Haar. Ihre Nasenspitzen und Stirn berührten sich und Fireball wünschte sich, der Augenblick möge nie vergehen. Er hauchte: „Dann würde ich für immer bleiben.“ Kaum hatte er den Satz beendet, neigte Fireball den Kopf zur Seite, dieses Mal suchte er nach ihren Lippen. Er hatte zuvor nicht die Chance gehabt, den Kuss zu erwidern, das wollte er nachholen. Beinahe stürmisch nahm er Aprils Lippen in einem Kuss gefangen, seine Hände hielten sich an April fest, zogen sie näher zu sich. April wich nicht zurück. Sie gab seinem leidenschaftlichen Gesuch nur zu gerne nach. April öffnete leicht den Mund, ließ Fireball gewähren, genoss seine Berührungen. Im selben Augenblick konnte sie nicht fassen, dass sie so lange nichts von seinen Gefühlen geahnt hatte, so offensichtlich wie sie nun hervorbrachen. April ließ ihre Hände von seinen Wangen in seinen Nacken gleiten. Sie musste sich nicht fürchten, er könnte vor ihr zurückweichen. Fireballs Kuss ließ sie alles vergessen. Obwohl er stürmisch war, blieb er dennoch zärtlich, sanft und auch achtsam. Seine Berührungen waren nicht bestimmend, sondern liebevoll. April streifte der Gedanke, der sie seit seinem Geständnis verfolgt hatte. Und wie der Bengel küssen konnte! Zwischen zwei Küssen hauchte sie außer Atem: „Für immer klingt verdammt gut!“ In der Wohnung war mehr Leben als zu Beginn der Unterhaltung zwischen April und Fireball. Colt und Tallulah waren vom Einkaufen wieder gekommen und hatten dem anderen Paar geholfen, das Abendessen zuzubereiten. Da keiner der vier etwas von April oder Fireball gehört hatte, waren sie davon ausgegangen, dass die beiden in ihren Zimmern saßen, rasteten, nachdachten oder vielleicht bis zum Abendessen noch etwas aufarbeiteten. Die beiden älteren Männer wurden von ihren Herzdamen mit dem Geschirr auf den großzügigen Balkon geschickt um dort einzudecken, der sommerliche Abend lud dazu ein, unter freiem Himmel zu essen. Sie traten nacheinander auf den Balkon, hielten allerdings sofort inne und verstummten. Saber stieß Colt sogar noch sachte den Ellbogen in die Seite, er sollte ja leise sein. Dem Schotten war sofort klar gewesen, dass sie in eine Szene platzten, die entscheidend für sie alle sein konnte. Colt hätte jedoch schon beinahe die Gläser fallen lassen, als er sah, wie April dem Wuschelkopf einen schüchternen Kuss abtrotzte und fragte, was wäre, wenn es mehr wäre? Mehr was??? Oh verdammt, was hatten sie verpasst?! Das war besser als in jeder Schnulze. Schnell verbesserte er seinen Griff um die Getränkebehältnisse und lauschte, so wie Saber, was da weiter passierte. Obwohl, gesprochen wurde nicht viel, es war viel interessanter zu sehen, was passierte. Colt war auf die Antwort gespannt. Als die von Fireball kam, ließ Saber erschrocken die Teller fallen. Ihm entgleisten die Gesichtszüge, konnte seine Überraschung nicht verbergen. War dem Hitzkopf nicht klar, was er April gerade gesagt hatte?! Sie waren doch noch nicht mal zusammen! Colt stupste Saber dieses Mal an, dass sechs gute Teller zu Bruch gegangen waren, störte gerade niemanden. Die zwei Schmuser bekamen es ohnehin nicht mit und Saber und er würden die Scherben dann schon beseitigen. Colt verlor ebenfalls an Gesichtsfarbe und konnte Sabers Schrecken in Worte fassen: „Für immer klingt nach Heiratsantrag... Das ist ein wenig voreilig, wenn du mich fragst.“ Fahrig nickte der Schotte auf Colts Worte hin. Vor einigen Tagen war noch die Rede von einem Wechsel im Team gewesen und nun vom Heiraten. Zumindest hatten er und Colt es so verstanden und aufgefasst. Saber lief es eiskalt den Rücken runter. Diese beiden Wahnsinnigen! Dennoch konnte Saber den Blick nicht von dem Paar abwenden, das sich gerade gefunden hatte und im siebten Himmel schwebte. Er freute sich, keine Frage. Der Weg dahin war auch steinig genug gewesen, für alle Anwesenden. Immerhin hatten Colt und er beim ersten Anflug von Eifersucht und Liebeskummer ebenfalls mitleiden müssen! Ehe die beiden Störenfriede sich abwenden konnten und sich um die Sauerei auf dem Boden kümmern konnten, waren auch Amber und Tallulah auf den Balkon getreten. Beide Frauen hatten lediglich einen zufriedenen Blick für das Schauspiel auf der Bank übrig, ehe sie ihre beiden Männern aufscheuchten Tallulah kniete sich zu den Scherben hinab, dabei riet sie den beiden Männern: „Klappt die Kiefer wieder hoch, ihr beiden und helft uns mit der Sauerei.“ Endlich wandte Saber den Blick von April und Fireball ab. Gehorsam kniete er sich zu Colts Freundin hinab und half ihr, die Scherben aufzusammeln. Hoffentlich ging bei Aprils und Fireballs ersten Beziehungsstreit kein Geschirr zu Bruch, hitzköpfig genug waren schließlich beide. Colt sah auf seine Becher hinab und entschied sich, die Turteltauben wieder ins Hier und Jetzt zu verfrachten. Fröhlich pfeifend und laut genug stellte er die Gläser auf dem Tisch ab: „Hey, ihr beiden! Genug rumgelümmelt! Helft uns lieber mit dem Abendessen. Den Nachtisch könnt ihr später auf eurem Zimmer genießen, wenn ihr schon meint.“ Dieses Mal nicht nur mit roten Ohren, sondern auch mit hochroten, verschämten Köpfen, fuhren Fireball und April auseinander. Ohne Colt anzusehen, sprangen sie auf und halfen, das Abendessen vorzubereiten. Colt begann lauthals zu lachen. Zu herrlich einfach! Wenn die beiden wüssten, wie lange er und Saber schon dagestanden und zugesehen hatten, würden sie ein Loch in den Boden brennen, so heiß würde ihnen werden. Schnell war das Chaos am Boden beseitigt, neue Teller bereit und das Abendessen serviert. Zu sechst saßen sie auf dem breiten Balkon, aßen von den Leckereien, tranken und amüsierten sich bis in den späten Abend hinein. Niemand verlor ein Wort über das, was auf dem Balkon geschehen war oder was Unbeteiligte davon gesehen hatten. Sie genossen den ersten von vielen Abenden zu sechst. Es hatte für alle etwas von einer Familienfeier. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)