Norikos Tagebuch von Kenja ================================================================================ Kapitel 10: Er lebt in Dir -------------------------- Die Mission, die uns quer durch das Land führte, war recht ereignislos, was ich begrüßte. Zu viele unserer vorherigen Missionen waren aufregend genug gewesen und ich freute mich darüber, die unterschiedlichsten Orte des Landes zu besuchen, ohne dabei überall auf Feinde zu treffen. Wir brachten den Berater unseres Daimyou sicher an sein Ziel und kehrten an einem sonnigen Herbstnachmittag nach Konoha zurück. Buntes Laub zierte die Straßen, kühler Wind riss an meiner Kleidung und ich betrachtete meine Heimat aus der Ferne. Ein seltsames Gefühl überkam mich und ich musste einen Kloß herunterschlucken, der sich in meinen Hals gelegt hatte. „Was ist?", fragte Shisui mich, der bemerkte, dass ich langsamer geworden war. Ich seufzte. „Ich weiß auch nicht", murmelte ich und beschleunigte meinen Gang. Wir erreichten die ersten Ausläufer unseres Dorfes. Gai streckte sich genüsslich und wollte sich gerade von uns verabschieden, da entdeckten wir Gais ehemaligen Teamkollegen Genma, der gerade um die Ecke geschlendert war. „Ach, Team 5 ist auch zurückgekehrt", sagte er und etwas in seinem Blick gefiel mir nicht. „Hallo Genma. Ja wir haben unsere Mission erfolgreich abgeschlossen", sagte ich und Shisui neben mir verschränkte die Arme vor der Brust. „Du sagtest ‚auch'?" Genma steckte beide Hände in die Hosentaschen und wirkte gequält. „Team 4 ist heute Morgen zurückgekehrt, aber deren Mission lief nicht so gut", sagte er, „Du solltest zu deiner Familie gehen, Shisui." Shisui machte einen großen Schritt auf Genma zu. „Was ist passiert?" Genma seufzte erneut. „Nun, es ist ... Obito Uchiha hat die Mission nicht überlebt. Ihr wart doch entfernt verwandt, wenn ich mich nicht recht irre?" Shisui wich einen Schritt zurück. Er warf mir einen schockierten Blick zu und ich drückte seinen Arm. Zwar hatte Shisui nie viele Berührungspunkte mit Obito gehabt, obwohl sie entfernte Cousins waren, doch ich wusste, dass er sich mehr um seine Eltern sorgte, die eng mit Obitos Eltern befreundet waren. „Wie geht es Kakashi und Rin?", fragte Gai und Genma kratzte sich am Kinn. „Rin geht es gut, sie ist zuhause. Kakashi ist in der Klinik, ich weiß aber nicht genau, was mit ihm ist." Mein Herz setzte einen Schlag aus. Ich drückte Shisuis Arm erneut. „Geh zu deiner Familie", sagte ich stimmlos und ließ seinen Arm los. Mein Blick fiel auf Gai, der mir kaum merklich zunickte. „Wir sehen uns später", murmelte Shisui und verschwand schneller, als das menschliche Auge es hätte sehen können. „Komm", sagte Gai zu mir und ich folgte ihm. Wir verstanden uns ohne Worte. Innerhalb weniger Minuten erreichten wir die Klinik Konohas. Die Pflegerin an der Anmeldung schien ewig auf ihren Unterlagen herumzusuchen, bis sie uns endlich zu dem Zimmer führen konnte, in dem Kakashi untergebracht war. Eine Ärztin kam soeben aus dem Zimmer und sah uns mit einem schiefen Lächeln an. „Seid ihr Freunde von Kakashi?", fragte sie und ohne darüber nachzudenken, nickte ich. Auch wenn er oft ein unausstehlicher, arroganter Besserwisser war, hätte ich ihn dennoch als Freund bezeichnet. „Es ist sehr nett, dass ihr gekommen seid, aber er möchte im Moment keine Besucher haben." „Wie- wie geht es ihm denn?", brachte ich hervor und die Ärztin presste die Lippen aufeinander. „Es geht ihm soweit ganz gut, er wird die Klinik morgen verlassen können." Wir verabschiedeten uns von der Ärztin und schlenderten zum Ausgang der Klinik. Plötzlich fiel mir siedend heiß etwas ein. „Minato!", hauchte ich und Gai sah die Panik in meinen Augen. Minato war gemeinsam mit Team 4 unterwegs gewesen. „Es geht ihm sicher gut. Geh nach Hause, ich bin sicher, du wirst Minato dort wohlbehalten vorfinden." Ich wollte seinen Worten glauben, doch Angst schnürte mir den Atem ab. So schnell, wie ich konnte, rannte ich den ganzen Weg bis zu unserem Haus. Nach Atem ringend stieß ich die Tür auf und ein lauter Schluchzer löste sich aus meiner Kehle, als ich Minato erblickte. Ohne Wort fiel ich in seine Arme und er tätschelte meinen Kopf. Als ich mich endlich beruhigt hatte, löste ich mich von ihm und setzte mich peinlich berührt an den Tisch. „Tut mir leid", stammelte ich, doch Minato lächelte. Kushina stellte eine dampfende Tasse vor mir ab, die ich dankend annahm. „Du hast das von Obito gehört, nehme ich an", sagte Minato leise und ich schlug die Augen nieder. Mein Blick fiel auf das knallgelbe Freundschaftsband an meinem Handgelenk und all die Trauer und der Schmerz um Kyous Verlust flammten wieder in mir auf. Unter diese Bilder mischte sich Obitos freches Gesicht, sein Lachen und die vielen Male, die er Streit mit Kakashi anfing. Noch immer sah ich ihn vor mir, wie er mich am ersten Schultag nach meinen Zielen fragte, ein breites Grinsen im Gesicht. Nun war er fort. Genau wie Kyou. Ich wischte heiße Tränen von meinen Wangen. „Das ist nicht fair", sagte ich leise und Kushina legte mir eine Hand auf die Schulter. „Das stimmt. Vieles in diesem Leben ist nicht fair, Noriko." In Kushinas Stimme hörte ich, dass sie dabei an etwas Bestimmtes dachte, doch ich hatte nicht die Kraft, sie danach zu fragen. Müde und emotional leer fiel ich ein einen unruhigen Schlaf. - Am nächsten Tag machte ich mich am frühen Nachmittag auf den Weg ins Zentrum Konohas. Ich erledigte einige Einkäufe und mit einem seltsamen Gefühl im Magen näherte ich mich einem Haus, in dem sich viele Apartments befanden. Es war dasselbe Haus, in dem sich auch Kushinas vorherige Wohnung noch befand, in der sie nun lediglich einige ihrer alten Sachen lagerte. Mit einem seltsamen Gefühl im Magen marschierte ich die Treppen hinauf, bis ich im obersten Stockwerk angekommen war. Ich fand die Tür und klopfte lauter an, als ich es beabsichtigt hatte. Es dauerte einen Moment, bis die Tür aufgeschoben wurde. Kakashi trug nur seine schwarze Unterkleidung. Sein linkes Auge wurde von mehreren Bandagen verdeckt, sein rechtes war rot unterlaufen. Er sah mich nicht an, drehte sich lediglich um und schlenderte ohne ein Wort davon. Für einen Moment stand ich stumm da, folgte dann jedoch in seine kleine Wohnung. Ich stand in einer Art Wohn- und Esszimmer. Ein niedriger Tisch stand leer in der Mitte, eine Küchenzeile zierte ordentlich, fast unbenutzt die Wand. Nirgends stand etwas herum und es wirkte fast, wie ein Hotelzimmer. Kakashi schlurfte durch eine Tür und mein Blick folgte ihm. Mit einem dumpfen Geräusch ließ er sich auf sein Bett fallen. Ich trat in die Tür zu seinem Schlafzimmer und starrte auf seinen Rücken, den er mir zuwandte. Meine Lippen standen offen, doch kein Wort kam aus meinem Mund. Minato hatte mir am Abend berichtet, was geschehen war. Ohne ein Wort zu sagen wandte ich mich um und betrat Kakashis Küche. Ich stellte meine Einkäufe ab und begann ungefragt, mich dort auszubreiten. Nach etwa zwanzig Minuten brutzelte eine wohl duftende Suppe auf dem Herd und ich erschrak fast, als Kakashi plötzlich in der Tür erschien. Er sah mich mit ausdruckslosem Gesicht an. „Warum tust du das?", fragte er mit kratziger Stimme, als hätte er sie viele Stunden nicht benutzt. Ich sah ihn über den dampfenden Topf hinweg an und rieb meinen Arm. „Du musst etwas essen", gab ich schlicht zurück, zog zwei Teller aus dem Schrank und befüllte sie. „Ich komme schon zurecht." Kakashis Stimme war leise. Er wandte sich ab. Ich stellte die Teller geräuschvoll neben dem Herd ab und musterte die Maserung der Küchenschränke. „Das weiß ich. Du bist immer irgendwie zurechtgekommen, Kakashi. Nach dem Tod deines Vaters ... und auch jetzt. Aber", ich zuckte unwirsch mit den Achseln. „Nun ja, auch jemand, der gut allein zurechtkommt, kann hin und wieder einen Freund gebrauchen, der ihm etwas unter die Arme greift, meinst du nicht?" Ich befüllte die Teller mit Suppe, schnappte zwei Löffel und schlenderte zum kleinen Esstisch hinüber. Kakashi stand immer noch in der Tür, mir den Rücken zugewandt. „Du glaubst, wir sind Freunde?" Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Meine Hände krallten sich in den Stoff meiner Hose und ich starrte auf seinen Hinterkopf. „Ich weiß, dass wir uns nicht immer ganz einig sind, aber-" Kakashi unterbrach mich. „Vielleicht würdest du anders denken, wenn du wüsstest, was geschehen ist", sagte er leise, ganz so, als hätte er mich gar nicht gehört. Langsam drehte er sich zu mir herum und die Verbände aus seinem Gesicht trudelten zu Boden. Er zog die Maske in seinem Gesicht herunter und entblößte die Narben, die sich über und unter seinem linken Augen blass von seiner Haut abhoben. Sein Auge leuchtete rot auf und mir entfuhr ein Keuchen. Obwohl Minato es mir erzählt hatte, war es etwas anderes, es mit eigenen Augen zu sehen. Kakashi hatte Obitos Auge implantiert bekommen und somit sein Sharingan erhalten. „Es ist wie du und Shisui und all die anderen gesagt habt ... ich denke nur an mich und genau aus diesem Grund ist Obito gestorben. Es ist meine Schuld, dass er tot ist. Kannst du mit so jemandem befreundet sein, Noriko?" Ich erhob mich und machte einen Schritt auf ihn zu. „Kakashi, ich weiß, wie du dich fühlst-" „Du hast keine Ahnung, wie ich mich fühle!", schrie er mich an und kam mir dabei so nahe, dass ich den Geruch der Salbe von seinen Wunden wahrnehmen konnte. Sein Blick war so voller Wut, dass ich das Gefühl hatte, er würde jeden Moment irgendetwas zerstören. Ich hielt seinem Blick stand, wich ihm nicht aus und eine eisige Kälte umklammerte mein Herz. Ein Gedanke, der mich schon so oft um den Schlaf gebracht hatte, den ich nie ausgesprochen hatte, obwohl er mich so lange schon quälte, drang an die Oberfläche. „Shisui wollte sich verstecken, Kyou hingegen wollte handeln. Ich unterstützte Kyous Vorschlag, obwohl ich wusste, dass es riskant war und dann ... als ich ihn fand ... war ich unfähig. Unfähig, ihn hinaufzuziehen, unfähig, Hilfe zu organisieren. Ich konnte einfach nur zusehen, wie er in den Tod stürzte. Ich habe ihn nicht getötet, aber meine Entscheidungen und Unfähigkeiten führten zu dieser Situation. Es war meine Schuld, dass Kyou gestorben ist. Also doch, Kakashi, ich habe eine Ahnung davon, wie du dich fühlst." Es war das erste Mal, dass ich diesen Gedanken laut aussprach. Verwundert stellte ich fest, dass keine einzige Träne sich aus meinen Augen löste. Es war, als hätte ich all diese Tränen bereits aufgebraucht, in den vielen schlaflosen Nächten, die ich seit dem Tod meines Kameraden durchlebt hatte. „Ich hatte keine Ahnung", murmelte Kakashi und die Wut war aus seinem Gesicht gewichen. Sein Auge leuchtete nicht mehr Rot. Langsam hob ich eine Hand und legte sie an sein Gesicht, Kakashi versteifte unter meiner Berührung. Ich musterte die Narben und schließlich sah ich in das Auge, das einst zu unserem Mitschüler gehört hatte. „Ein Teil von Obito lebt in dir weiter, Kakashi und dabei spreche ich nicht nur von diesem Auge. Kyou hat mir so viele Dinge beigebracht, nicht nur Kampftechniken ... seine Wünsche und Gedanken ... ich trage sie mit mir, damit sie nicht verloren gehen. Ich weiß, dass du und Obito oft gestritten habt, aber er wareiner deiner engsten Freunde. Ich bin sicher, auch du hast einiges von Obito gelernt. Lass nicht zu, dass es verloren geht, indem du dich von allen abwendest." Ich nahm meine Hand von seinem Gesicht und wollte mich gerade zum Gehen abwenden, da spürte ich seine Hand an meinem Arm. „Warte", sagte er leise. Ich drehte mich zu ihm herum, er sah mich nicht an. „Bitte ... iss mit mir." Wir sprachen nicht viel bei diesem Essen und doch war ich erleichtert. Als wir fertig gegessen hatten, half ich, alles aufzuräumen und Kakashi warf einen Blick in den Topf. „Davon kann ich die ganze Woche essen", murmelte er und ich lachte erleichtert auf. Sein gewöhnlich, leicht überheblicher Tonfall war zurückgekehrt. „Nun, normalerweise koche ich für mehr Leute. Vielleicht kannst du mit deinen Nachbarn teilen", schlug ich vor und zuckte mit den Schultern. Für einen kurzen Moment hatte ich das Gefühl, Kakashi wolle etwas dazu sagen, dann legte er jedoch den Deckel wortlos zurück auf den Topf. „Ich mache mich nun auf den Weg, ich habe noch ein paar andere Dinge zu erledigen. Mach's gut, Kakashi." Er hob eine Hand und winkte mir stumm zu. Mein Blick heftete sich noch einmal auf sein unverhülltes Gesicht, bevor ich durch die Tür trat. - „Wenn sie damals schon gewusst hätten, was wirklich mit Obito passiert ist..." Naruto lies den restlichen Gedanken unausgesprochen. Er dachte an Obito, an dessen Beteiligung bei den Akatsuki, aber auch seinen letzten Taten, die ihnen schließlich zum Sieg verholfen hatten. „Armer Kakashi-Sensei. Erst sein Vater, dann Obito..." Auch Sakura sprach ihren Gedanken nicht weiter aus. Sie alle wussten schließlich, dass Obito nicht der letzte Kamerad war, den Kakashi verloren hatte. „Ich bewundere Kakashi-Sensei", flüsterte Sasuke plötzlich und starrte in die Dunkelheit seiner Zelle. „Trotz allem, was er durchgemacht hat ... hat er sich nie der Dunkelheit zugewendet." „Du hast dich von diesem Weg nun abgewendet, Sasuke, das ist alles, was zählt!" Naruto war aufgesprungen und Sasuke bedachte ihn mit einem gequälten Blick. „Ist es das? Ich habe so vielen Menschen geschadet. Menschen, die mir wichtig sind. Weil ich nur noch meine Wut und meinen Hass im Herzen trug. Wie hat Kakashi es geschafft, sich davon nie einnehmen zu lassen? Er muss wirklich einen sehr starken Charakter haben." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)