Diplomatie im Auftrag seiner Majestät von fastcaranbethrem ================================================================================ Kapitel 19: Sir Herny auf Jagt ------------------------------ Das Tier hetzte durch das Dickicht. Es brauchte keine Überlebensinstinkte, die ihm sagten, dass er fliehen musste, um nicht zu sterben. Das Knurren der abgerichteten Jagdhunde in seinem Nacken trieben ihn ohne Instinkte an. Zu seiner Höhle musste es kommen. Seine Höhle war tief und eng genug, um ihm Schutz zu gewähren. Es schlug Haken, durchbrach das Unterholz, rannte durch flache Wasserläufe, doch der heisere Atem seiner Verfolger folgte ihm. In der Ferne erschallte das Jagdhorn. Pferde durchbrachen das Unterholz und galoppierten über die Lichtung. Die Hunde hatten es eingekreist. Jetzt war es für die Jäger ein leichtes, ihn zu erlegen. Ein Schuss löste sich, durchschnitt die Luft und traf tödlich in die Flanken des Fuchses. Blut verfärbte das geschmeidige rotbraune Fell des Tieres. Es zuckte noch einige Sekunden, dann brach es tot zusammen. "Ein ausgezeichneter Schuss, Eure Majestät." "Nicht wahr", bestätigte Ludwig sich selbst. Seine Wangen glühten rot vor Stolz. Er fühlte sich belebt nach der Hetzjagd, befreit von dem Gewicht der Krone Frankreichs. Der König hatte beschlossen, sich für einen Tag auf sein Jagdschloss Versailles zurückzuziehen, um den Unruhen in seiner Hauptstadt zu entkommen. Für einen einzigen kostbaren Tag wollte er den ängstlichen Fragen seines Volkes und Richelieu's ehrgeizigen Kriegsplänen entkommen. Sichtlich berauscht von seiner eigenen Jugend und Unbeschwertheit, traf er auf den durch Alter und Gram gezeichneten Kardinal. Man hatte auf einer Lichtung für das Mittagsmahl ein Zelt aufgebaut. "Genießt den Sonnenschein, das köstlich zubereitete Wild unserer heutigen Jagt und überlasst die Staatsgeschäfte sich selbst!", forderte er den Kardinal überschwänglich auf, während ein Diener ihm eine Schüssel mit Wasser, für die Reinigung der Hände entgegenhielt. "Das kann ich leider nicht, Eure Majestät und auch Euch sollte klar sein, dass die Krone keine freie Zeit kennt. Ihr seid ein König in jeder Minute, die Euch Gott auf Erden gewährt." "Ich weiß, ich weiß", gab Ludwig kleinlaut zurück. Er warf, der neben ihm sitzenden Anna, ein herzliches Lächeln zu und grüßte huldvoll einzelne Anwesende des französischen Hochadels, über die lange Tafel hinweg. "Ich habe hier zwei Briefe, Eure Majestät. Einen von Monsieur Broussard, Ihr erinnert Euch der Sekretär? Und einen von unserem Musketier. Broussard schreibt, dass er bislang mit den mit diplomatische Probleme zurecht kommt, - eine gute Nachricht. Allerdings häufen sich die Beschwerden gegen die Comtesse de Mysteriéuse. Aramis hat sich mit hochgestellten Persönlichkeiten am englischen Hof angelegt. Zu einem gewissen Sir Henry Marschall soll er gesagt haben ... Moment die Beschwerde müsste hier irgendwo liegen .... er hat ihm angedroht ihn mit dem Krankenkarre nach Hause zu schicken." "Was schreibt unser Musketier?" "Das es ihm leid täte, aber es ein ziemlich langer Tag gewesen war und er ihm wirklich auf die Nerven ging und überaus lästig und begriffsstutzig war, aber seitdem würde er ihn in Ruhe lassen. Sir Henry Marschall betonte auch die Tatsache mehrere drohende Blicke bekommen zu haben." "Und Aramis?" "Schreibt, dass er ihn ganz normal angesehen hätte." "Zweifellos. Weswegen stritten sich beide?" "Nun", der Kardinal räusperte sich verlegt, "Sir Henry Marschall hat sich wohl wiederholt der vermeintlichen Comtesse unsittlich genähert." "Unsittlich was?" Ludwig starrte seinen obersten Minister ungläubig an. "Broussard schreibt, dass der ganze Hof über Sir Henrys Zuneigung zur Comtesse de Mysteriéuse Bescheid weiß. ... Er ist wohl ..." Erneutes Räuspern. Es war dem Kardinal sichtlich unangenehm die nächsten Worte wiederzugeben und er tat es nur mit geziertem Gesichtsausdruck und spitzem Mund, "... vor unerwiderter Liebe ganz krank. Wörtlich verkünde Sir Henry, dass er nicht mehr schlafen würde, bis er sie ... ähm ihn besitzt." Ludwig schlug sich vor Erheiterung derart heftig auf den Oberschenkel, dass ihm das Fleisch von der Gabel flog und auf Anna's Rock landete. Neugierig ließ sie von ihrem Gespräch mit einer Hofdame ab und wendete sich ihrem Gemahl zu. "Was ist so lustig, Ludwig?", fragte sie, während ein Diener das Fleisch von dem kostbaren Stoff ihres Kleides entfernte. Der König beugte sich näher zu seiner Gattin und flüsterte es in ihr Ohr. Belustigt sahen sich beide an und lachten im stillen Einvernehmen. "Eure Majestät, warum lacht Ihr?" An der Tafel war es still geworden. Ludwig wischte sich eine einzelne Lachträne aus dem linken Auge und sah in das neugierig dreinblickende Gesicht von Graf de Maurie. "Mein lieber Graf, dass selbst französische Männer den faden englischen Lady's in Schönheit so weit überlegen sind, dass schon die englischen Lord's vor Liebe krank werden?" Um über das allgemeine Unverständnis hinwegzutäuschen lachte der gesamte Hof mit dem Königspaar einfach mit. Derweil trieb eine unbußfertige Aramis an Englands Königshof weiterhin ihr Unwesen. Aramis nickte den beiden Damen zu. "Lady Anabelle, Lady Roberts." "Comtesse." Ein freundliches Lächeln erwiderte das ihre. "Mr. Heydon." Die Stimme von Lady Roberts sank merklich und das Gesicht verschwand hinter dem Fächer. Sich eifrig Wind zufächern verschwanden die beiden Frauen schleunigst. David Heydon Gesichtsausdruck blieb unverändert mürrisch und missgelaunt. "Wollt Ihr Euch setzen?" Ohne auf einen möglichen Einwand zu achten, zog sie ihren Begleiter weiter. Mit ihrer ganz eigenen Eleganz, ließ sie sich auf das Sofa nieder. Die Wochen in einem stählernen Korsett hatten sie einen gewissen Stil gelernt. Da sie den Oberkörper nicht beugen konnte, galt es sich hinzusetzen, ohne sie wie ein Sack fallen zu lassen. Die Kunst bestand darin, den Schwung mit den Knien anzufedern. Rock hinten glattstreichen, fallen lassen, die Schenkel anspannen und mit den Knien abfedern, um sanft zu landen. Handgriff, Rock oberhalb glattgestrichen und Mr. Heydon anlächeln. Wobei es wesentlich leichter wäre, wenn ihr Begleiter zurücklächeln würde. Er seufzte. "Wenn er doch nur endlich meine Fähigkeiten zur Kenntnis nehmen würde." Betreten räusperte sich Aramis und verlagerte ihre Sitzposition. Es ging doch nicht noch immer darum, wie schändlichst Heydon's nicht vorhandene Fähigkeiten ignorierte wurden? "Das ist einfach ungerecht. Ich meine ... wie lange arbeite ich nun schon für ihn und hat er einmal ..." Es ging also immer noch darum. Aramis verdrehte innerlich die Augen. Wie viele Wochen ertrug sie nun diesen Mann und seine ständige Nörgelei? Es schien ihr wie eine Ewigkeit. "Wie lange kennen wir uns nun, Mr. Heydon?", unterbrach sie ihn. Verwundert hielt er inne. "Drei Tage." "Doch so lange schon?" Aramis lächelte gequält. "... dabei bin ich mit ihm verwandt. Vielleicht nicht direkt, aber doch immerhin ..." Es war verständlich, warum de Meyé diesen Mann als willigen Helfer auserkoren hatte. Heydon war gewissenlos, charakterschwach und von ständiger Unzufriedenheit. Warum konnte er es ihr nicht leicht machen? Er legte ihr sein Herz zu Füßen, gestand ihr, dass er nicht länger ein Nichts am Hofe bleiben wollte und verriet ihr seine Pläne? Stattdessen hätte sie ein Holzklotz sein können. Das Ventil seiner angeborenen Unzufriedenheit. Heydon lebte im ständigen Martyrium. Wann immer sie sich trafen, war selbst Aramis bald der Ansicht, die Welt zum Teufel jagen zu müssen. Als er sich schließlich verabschiedete war ihr alles gleichgültig geworden. Den Arm auf die Sofalehne gestützt, den Kopf seitlich in der Hand, sah sie ihn aus halbgesenkten Augenlidern nach und winkte träge zum Abschied. Da ging ein weiterer Beweis, warum sie falsch für diese Mission war. "Schneidet Ihr mich, Renée?" Bei Gott, Charles Corday. Diese Stimme aus dem Hinterhalt, wenn sie es am wenigsten erwartete. Aramis schrak zusammen und setzte sich aufrecht hin. "Aber nein", stammelte sie. "Ich bewundere nur die Aussicht. Das sind die hübschesten ..." Sie kniff die Augen zusammen. Was genau befand sich da draußen? "Ställe, Renée. Sie werden Ställe genannt. Dort bringt man Pferde gemeinhin unter." Jetzt wo er es sagte, fiel es ihr auch auf. Keine sehr faszinierende Aussicht. Ungefragt setzte er sich zu ihr. "Ihr kränkt mich Renèe! Mr. Heydon? Ihr lehnt meine Anwesenheit ab, um sie gegen Heydon's zu tauschen?" >Oh ha< Der Glanz leichten Zynismus erschien auf ihrem Lächeln. "Gekränkt?" Er lehnte sich zurück und schlug die langen Beine übereinander. "Neein, aber Sir Henry habt Ihr in tiefe Verzweiflung gestürzt. Der Gute hat sich bei mir ausgeweint." "Der Ärmste." "Ja, selbst Euer Sekretär bat mich auf Euch einzureden." "Broussard? Ist er völlig wahnsinnig geworden?", entfuhr es ihr überrascht. Was hatte Broussard gegen jemanden Unbedeutendes wie David Heydon? Corday fühlte sich in seinen Stolz verletzt, Sir Marschall verging vor Eifersucht, der Rest des Hofstaates schüttelte fragend den Kopf und sie selbst verachtete sich. Und wofür das Ganze? Letztendlich war nicht einmal Heydon besonders glücklich, weil er diesen Zustand gar nicht kannte. "Es ist nicht so, wie Ihr denkt." Und wieder ärgerte sie sich über sich selbst, dass es ihr wichtig erschien, was Corday dachte. "Und jetzt entschuldigt mich! Ich muss mich umziehen." Schwung holen, Schenkel anspannen, mit den Knien abfedern. Handgriff, Rock glattgestrichen und lächeln. "Renée?" Sie drehte sich noch einmal um. "Gebt auf Sir Henry acht! Dieser Mann ist unberechenbar und genießt durch seine Stellung Narrenfreiheit", sagte er ernst und wirkliche Sorge sprach aus seinen Augen. Dabei war sich Aramis sicher, dass Marschall ihr nur zum Schein hinterher lief, um Corday zu treffen. Warum sollte sie sich um ihn auch noch Gedanken machen, wenn Corday es schon zur genüge tat. Wortlos ließ sie ihn alleine. Immer noch deprimiert kehrte sie zu ihren Räumen zurück und fand Broussard's Hand am wohlgerundeten Hinterteil ihrer Zofe vor "Broussard? BROUSSARD!" Ihr Ton wurde scharf. Er schreckte auf. "Habe ich Sie nicht gewarnt? Elendiger Mistkerl!" Er musterte sie. Langsam und provokant glitt sein Blick von den Füßen zu dem Haarscheitel. Sein dünnlippiger Mund entblößte eine Reihe schmaler, langer Zähne. Mit dem selbstgefälligem Grinsen, glich sein Gesicht mehr denn je das einer Ratte. Er sprach langsam und wohlartikuliert. "K-a-s-t-r-a-t!" Kalte Ruhe erfasste Aramis, ihre Augen glitzerten eisig. "Ratte!" "Eunuch!" Ängstlich ging Sophie in Deckung. Sie drückte sich gegen die Zimmerwand und verfolgte mit angehaltenen Atem der Schimpftirade die über sie hereinbrach. In den folgenden Minuten nahmen beide Kontrahenten mehr Schmutz in den Mund, als in der finstersten Gasse zu finden war. Keiner der beiden wollte der Klügere, der Überlege sein, welcher nachgab. Der Kraft ihres Hasses wolte nur Ausdruck verliehen werden, der wie eine verbaler Hagelschauer durch das Zimmer flog. Schließlich standen sich beide schwer atmend gegenüber und fletschten wortlos die Zähne. Sofern sie tierische Attribute besessen hätten, würden beide mit den Huf scharren. Endlich sah Aramis ein, dass sie die Klügere sein musste. Egal wie sehr sie ihn auch hasste. "Was haben Sie da?" fragte sie herrisch und wies auf das Schriftstück in Broussards Hand. Der Sekretär straffte seine dürre, schwarzgekleidete Gestalt und strich das dünne Haar aus der Stirn. "Das? Oh, Briefe aus Frankreich. In Paris ist gerade die Hölle los. Sagen Sie bloß, dass wussten Sie nicht?" Aramis knirschte laut mit den Zähnen. Nein, dass hatte sie wirklich nicht gewusst. Woher auch, bisher trafen keine Briefe ein. "Die Pariser beginnen Jagt zu machen, auf alles was protestantisch ist", fuhr er fort. "Ihre Kollegen schieben gerade Doppelschichten." Im falschen Mitgefühl verzog er das rattengleiche Gesicht. "Zu dumm aber auch, dass Sie in Weiberkleidern in England Männer verführen müssen. Was wohl Ihre Kollegen sagen würden, wenn sie das wüssten?", schloss er gehässig. "Ich glaube, Musketiere mögen keine Kastraten oder Männer die Männer mögen, habe ich nicht recht, Mädchenjunge?" Sophie eilte zu ihr und umfasste ihren Arm. "Kommt, wir gehen im Park spazieren! Flehend sahen ihre Augen zu ihr auf. "Machen Sie, dass Sie fortkommen," zischte Aramis, drehte sich herum und ging. "Immer wieder fängt er damit an." "Nicht aufregen!" Mitfühlend tätschelte das Mädchen ihre Hand, während sie die langen Gänge hinter sich ließen. "Jeder wirkliche Mann hätte ihn schon längst erwürgt, diese Made", knurrte Aramis erbost. Das schlimme war, dass er recht hatte. Noch nie hatte sie sich so untätig und unnütz gefühlt, wie bei diesem Possenspiel. Ihr einziger Trost war, dass Athos und die anderen in Paris waren. Es war für sie alle besser, dass ihre Freunde nicht sahen, was sie hier tat. Erst die unnützen Stunden mit Heydon, dann Broussard. Konnte es noch schlimmer kommen? Es konnte! Sie wurde in ihren düsteren Gedanken unterbrochen, als unvermittelt zu ihrer Rechten eine Tür aufgestoßen wurde. Aramis hatte gerade noch Zeit Sir Henry Marschall zu erkennen, dann packten sie auch schon Marschall und noch ein Mann und stießen sie in eine dunkle Kammer, während ein dritter die Tür offen hielt. Sie schrie. Sophie fing an in grellem französische um Hilfe zu rufen, dass einer der Männer von Aramis ablassen musste, um sich der Zofe anzunehmen. Aramis gelang es einen Arm freizubekommen und versuchte um sich zu schlagen. Harte Schläge trafen ihr Gesicht. Höflinge hatten den Krach vernommen und kamen angerannt. Noch immer herrschte Finsternis in der Kammer. Sir Marschall wurde umzingelt. Er hatte die Hand fest in ihrem Kleid gekrallt und schrie:, "Die französische Hure gehört mir" Ich bete sie an." "Lasst sie los!", rief jemand, aber niemand wagte einzugreifen. Sir Marschall war zu mächtig. Aramis trat nach seinem Schienbein. Er zerriss ihr das Kleid, als er losließ und sich das Bein reibend herumhüpfte. "Ich will sie", schrie er weinerlich. Sein Kammerdiener schob sich durch die Menge und legte Sir Henry die Hand auf den Arm. "Sir Henry, seid brav und folgt mir!" Marschalls Gesicht verzog sich, wie das eines enttäuschten Kindes. "Aber ich will sie!" "Nicht heute." Sein Kammerdiener bleibt unbeirrt und führt ihn aus der größer werdenden Menge von Gaffern. Es war wie ein Possenspiel, bei dem der ganze Hofstaat anwesend zu sein schien. Sophie klammerte sich an ihrem Arm. Sie zitterte vor Nervosität und Aufregung. Aramis tat das ihrige dazu; sie bejammerte ihr Kleid, als bereite es ihr Kummer. Bei Hofe, wo die Tugend der Frau so wenig, wie in einem Bordell galt, war ein ruiniertes Gewand, das einzige, dass zu beklagen galt. Der wahre Schock war für Aramis nicht der Überfall an sich, sie war Handgreiflichkeiten als Musketier gewöhnt gewesen, sondern Sir Henry Marschalls Worte. Seine wüsten Beschimpfungen, unter die er seine Bewunderung mischte, hatten wie das Fauchen eines Raubtieres geklungen. Sie war als Frau nur Beute, mehr nicht. Sie verstand jetzt, wie sich ein Mann nach der Kastration fühlen musste: gedemütigt, herabgesetzt, ausgestoßen aus der wunderbaren Gesellschaft der Herren der Schöpfung. Der Zaubermantel aus Männlichkeit, Verwegenheit, Freiheit und Ungebundenseins, hatte sich aufgelöst und sie schutzlos zurückgelassen. Am Ende blieb alles beim alten. Ein mürrischer Sir Henry wurde von Großkämmerer gerügt und man bat ihn sich von der Comtesse fern zu halten. Eine deprimierte Aramis musste einsehen, dass Lord Corday nicht unrecht hatte und verfluchte ihn in ihrem Elend gleich mit. Sie verbrachte den Rest des Abends in ihrem Zimmer. Als sich am nächsten Tag die Mittagsstunde näherte und die letzten Bewohner des Palastes aus ihren seidenen Bettlaken schälten, sprach noch immer der gesamte Hof darüber. Charles Corday war gerade von einem längeren Ausritt zurückgekehrt und hatte sein Pferd im Stall dem zuständigen Burschen gegeben, als er auf Sir Henry Marschall traf, dessen Gesicht deutliche Blessuren zeigte. Mit einem breiten Lächeln auf seinen Zügen trat Corday auf seinen Widersacher zu. "Wollen wir gemeinsam nach Hause gehen und Ihr könnt mir berichten, wie Eure abendlich Jagt ausgegangen ist?" Marschall verzog für einen Moment das Gesicht. Corday registrierte den wortlosen Gehfühlsausbruch mit einem maliziösen Lächeln und legte Sir Henry den Arm um die Schultern, als wollte er ihn stützen. "Wir sollten uns etwas eingehender unterhalten, mein Freund!" Würde Renée weiterhin so unklug sein und aus weiblichem Fürwitz heraus auf seine Hilfe verzichten? Ganz sicher, weil diese Frau keine Vernunft besaß. Es wurde Zeit, dass sich ein Corday der Sache annahm. So ein bezaubernder Hintern. Mit einem kurzen Ruck der Zügel, brachte Aramis ihr Pferd zum Stehen. Sie tätschelte leicht den Hals ihrer Stute. Sir Henry war gerade zurückgekehrt und von Lord Corday abgefangen worden. Prüfend behielt sie die beiden ungleichen Männer im Auge. Weiterhin blieb sie zu stur, um Corday's Hilfe anzunehmen oder gar zu danken. Ihre Vernunft trat nach ihrem Gehirn und versuchte ihre Aufmerksamkeit zu wecken, aber der sture, stolze Teil in ihr, der meinte keine männliche Hilfe zu benötigen, schob sich dazwischen Die Sonne schien heiß am wolkenlosen Himmel. Bevor der Stallbursch zu ihr eilen konnte, rutschte sie aus dem Sattel und landete sanft am Boden. Ein Schwall von Unterröcken und Spitze folgte ihr. Noch immer beobachtete sie beide Männer. Es war leichter Marschall im Auge zu behalten, wenn sie ihm folgte, als sich von ihm verfolgt zu wissen. Das Etwas, dass ihre Aufmerksamkeit erringen wollte und vielleicht Unsicherheit und Angst, hieß sprang inzwischen auf und ab, blieb aber weiterhin ignoriert. "Madam?" Der Stallbursche trat ungeduldig von einem Bein auf das andere und strecke fordernd die Hand nach den Zügeln aus. Sie lächelte verneinend und führte die Stute selbst in den Stall. Der königliche Stall ein Hort für Pferde, reinrassig und edel von der seidigen Mähne bis zum Hufe. So weit das Auge reichte standen sie dicht gedrängt. Nur weil der königliche Stall die kostbarsten Tiere des Landes beherbergte, hieß es nicht, dass ihnen die beste Pflege angedeiht wurde. Das Fell schimmerte weich wie Samt. Ihre Körper besaßen perfekte Proportionen. Ihr Wiehern klang stolzer als das jedes anderen Pferdes. Das Stroh raschelte leise unter ihren Füßen. Gedankenverloren strich Aramis ihrer Stute über die Nüster und kraulte das kurze Fell am Hals. Ihr Pferd war längst nicht so edel wie das der anderen Adligen, aber es hatte ihr schon viele gute Dienste erwiesen. Es war ausdauernd, folgsam und einer der wenigen Verbündeten, die sie hier hatte. Ach wäre sie ein Pferd, nein Pegasus, mit kräftigen weißen Schwingen. "Möchtest du einen Apfel?" Freudiges Wiehern antwortete ihr. Jemand räusperte sich. Als sie sich umdrehte, sah sie David Heydon in einiger Entfernung stehen. "Mr. Heydon." Er räusperte sich erneut und scharrte unbehaglich mit den Füßen. "Comtesse." Weiterhin behielt er drei Meter Abstand. "Wie geht es Euch?" Aramis sah ihn erstaunt an. "Gut, danke der Nachfrage" "Nun", wieder ein Räuspern, "der ganze Hof spricht von dem gestrigen Vorfall." Die Füße scharrten nervös über den Boden. "Ich hoffe, Sir Henry unterlässt es in Zukunft sich mir zu nähern." "Haltet Ihr es für klug, einen mächtigen Mann wie Sir Henry, fortzustoßen?" Aramis zog scharf die Luft ein. Wie bitte? Sie war schließlich das Opfer. Wie konnte er es wagen Henry Marschall über sie zu stellen? "Ich weiß nicht, was Ihr meint", erwiderte sei kühl. Seine Stimme klang distanziert . Er blieb still, gab ihr nicht mehr die Befriedigung, mit den Füßen zu scharren. "Ich denke, wir sollten uns nicht mehr sehen. Ihr habt Sir Henry verärgert und ich kann es mir nicht leisten, mit Euch in Verbindung gebracht zu werden." "Wie bitte?" Aramis traute ihren Ohren nicht. War dieser Mann ein geborener Idiot, oder hatte ihn seine Mutter auf den Kopf fallen lassen? Niemand brachte Heydon mit ihr in Verbindung, weil niemand Heydon sah. Er war ein kleines Licht, dass bestenfalls an ein Feuer dachte. Heydon war Rückratlos und so charakterschwach, dass er gerade genügend Charakter besaß, um zu existieren. Aramis warf ihm den Apfel zu. Er prallte an seinem Arm ab. Heydon wich einen Schritt zurück. "Was sollte das?" "Entschuldigung," erwiderte Aramis. "Ich bin nur von dem Apfel einfach zu begeistert." "Heute Abend werde ich ohnehin zu tun haben", fuhr er, im sicheren Abstand fort und begann wieder mit seinen Füßen zu schaben. Sein Adamsapfel hüpfte aufgeregt auf und ab, während sich Schweißperlen auf seiner Stirn bildeten. "Ich habe eine wichtige Verabredung und muss nach London rein." Heydon traf sich mit den Mittelsmänner. Aramis staunte. So leicht war das? Er musste ihr gar nicht seine Pläne anvertrauen. Sie brauchte ihm einfach nur beim Transpirieren zusehen. Bevor sie eine Antwort geben konnte, floh er. Ihr war es letztendlich egal. Sie hatte erfahren, was sie brauchte. Heute Abend würde sie ihm folgen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)