Diplomatie im Auftrag seiner Majestät von fastcaranbethrem ================================================================================ Kapitel 29: Verborgen in den Straßen von London ----------------------------------------------- "Und Aufschlag!" Der Ball drehte sich in der Luft, traf den Schläger und hüpfte mit einem schwungvollen Bogen über das Netz. Mit einem langgezogenen 'ah' folgten die Köpfe der Zuschauer synchron dem Ball. Avram de Vitteliani war 25 Jahre jung, athletisch gebaut, ausdauernd, von guter Kondition und sehr reaktionsschnell. Nützen tat ihm das allerdings wenig, wenn sein Gegner Ludwig hieß und zudem König von Frankreich war. Um wenigstens den Anschein von sportlicher Fairness zu wahren, bemühte sich de Vittaliani wirklich, den kleinen Stoffball zu erwischen. Er hechtete über das Spielfeld, spurtete zum Netz, sprang und schlug Furchen in den Boden. Er flog durch das Feld, dass es für die anwesenden Damen eine wahre Augenweide war. Zudem galt Avram als begehrtester Junggeselle der Saison. Diese frühe Form des Tennis, nutzte er als Mannbarkeitsritual. Unter dem prüfenden und abwägenden Auge der adligen Damenwelt, stellte er seine Stärke und Männlichkeit unter Beweis. Der Ball flog nach links, Avram sprang und landete hinter der Absperrung im unteren Zuschauerrang. "Ein guter Schlag, Eure Majestät", sagte er mit hochrotem Kopf, während er unter den Röcken der kichernden Hofdamen hervor kroch. Ludwig störte es nicht, dass man ihn aufgrund seines Titels gewinnen ließ. Er trug den Stempel der Königswürde und besaß damit das Prädikat ständiger Bevorzugung. Je länger ein König seine Krone trug, desto mehr verblasst der Mann hinter dem funkelnden Stück Edelmetall, welches für ein ganzes Fürstentum stand. Ludwig wusste, dass die Bewunderung der Hofdamen, die Hochachtung der Edelleute, der Respekt seines Volkes und das Hofieren der Bittsteller einzig seiner königlichen Bürde galten. Sein eigener Zwillingsbruder lebte zurückgezogen auf dem Land, wo er langsam in Vergessenheit geriet. Sicherlich gab es Könige, dessen Persönlichkeiten und Taten ganze Kapitel in den Gesichtsbüchern beanspruchten, aber diese Ehre würde Richelieu gebühren, nicht ihm. Und wenn man vom Unwetter sprach, so braute es sich am Horizont zusammen. Aufstöhnend ließ Ludwig den Schläger sinken, als er die hagere Gestalt seiner Eminenz zwischen den Zuschauern sah. Richelieus verkniffener Gesichtsausdruck war beredend genug, um unverzüglich die Spielpartie abzubrechen und sich im Arbeitszimmer des Königs einzufinden. "Das ist Provokation, Eure Majestät, die wir nicht unbeantwortet lassen können!" Bestürzt las der König das Dokument, welche die militärische Unterstützung durch England für La Rochelle zusicherte. Ludwig nickte schwach. Er musste handeln. "Wie groß muss die militärische Stärke sein, die wir aufbringen müssen?" "Das wird sich zeigen, Eure Majestät. Wir versuchen einen Angriff mit unseren regulären Truppen und den bestehenden Waffen. Im Zweifelsfall werden wir Einberufen müssen, um Reservetruppen zu bilden. Söldnertruppen können wir uns bei der derzeitigen Wirtschaftlage nur begrenzt leisten." Wieder nickte Ludwig, ernst und würdevoll, wie es bei dunklen Anzeichen, eines drohenden Krieges gebührte. Richelieu hatte seinen Krieg. "Ich habe unsere Generäle für eine außerordentliche Sitzung zur zweiten Nachmittagsstunde in den Palast geordert", erklärte der Kardinal. Ludwigs Faust donnerte auf die Tischplatte. "Wie kann Karl es wagen? Mit Buckingham wäre das nicht passiert." In den Augen des Kardinals funkelte es gefährlich. Buckinghams Ermordung geschah auf seine Anordnung hin. "Haben wir ihm nicht die Hand unserer eigenen Schwester gegeben?" Richelieu seufzte und spreizte theatralisch die knochigen Hände. "Was gelten schon Ehebündnisse heutzutage?" Bevor Richelieu seine Giftzunge an Anna lechzen konnte, lenkte Ludwig ein. "Warum haben wir keine Nachricht von de Meyé erhalten? Er hätte Karl I. einlenken müssen!"" "Ich glaube, Karl I. vertraut Graf de Meyé nicht", erklärte Richelieu langsam. "Berechtigt, wie wir wissen. Ein Diplomat, der Spionage betreibt, fällt auf sein Land zurück. Folglich misstraut England Frankreich." Seltsame Einigkeit herrschte zwischen Frankreichs König und 1. Minister. Eine Einigkeit die nur Krisensituationen schaffen konnte. "Was ist mit de Meyé, was sagen unsere Musketiere." Mit besorgt zerfurchter Stirn zog der Kardinal etwas aus seinem Dokumentenstapel hervor und reichte es seinem König wortlos. "Hübsch", kommentierte Ludwig und sah verständnislos zu Richelieu auf, "aber ich verstehe nicht." Richelieu beugte seine Falkennase tiefer. "Eine Karikatur aus London, Eure Majestät. Es geht um eine königliche Jagt. Hier seht Ihr Eure Schwester, ohnmächtig, wie mir scheint. Ihr erkennt sie an der riesigen Krone. Der Maler fand es witzig, die Herren des Hochadels und seine Majestät mit durchnässten Hosen und schlotternden Knie darzustellen", erklärte er missbilligt. "Hier ist ein Eber, der sie angreift", der knochige Finger fuhr über die Zeichnung, "und die Frau, die wie eine Walküre anmutet, -seht der Hörnerhelm und Brustschutz ist sehr detailliert gezeichnet und hier der Speer, -ist unser Musketier." "Was ist passiert?" "Nun, bei der Jagt drehte ein Eber durch und griff die Königin an. Zu diesem Zeitpunkt befand sich keiner der Jäger in ihrer Nähe. Bevor das Tier die Königin verletzten konnte, sprang Aramis dazwischen, tötete ihn, wurde aber selbst schwer verletzt. Bevor man einen Arzt rufen konnte, verschwand er." "Wie er verschwand?" "Er ist verschwunden, Eure Majestät. Athos schreibt, dass ihn zuletzt ein Fährmann über die Themse setzte. In den Straßen von London ist er unauffindbar." Ludwig runzelte die Stirn. "Ist das gut oder schlecht?" Der Kardinal zuckte wage die Schultern, wie er es gerne bei Verhören tat. Eine Geste, die mehr besagte, als Worte es zu tun vermocht hätten. "Es verhärtet den Verdacht über sein wahres Geschlecht, gleichzeitig schütze es Aramis vor der schändlichen Entdeckung und damit vor Frankreichs Schande. Ob richtig oder falsch, es war das einzige, was er tut konnte. Er sorgt derzeit für Gesprächsstoff in ganz London. Es gibt noch weitere Karikaturen, Eure Majestät. London rät fleißig mit. Wir haben sie vernichtet, weil sie zu vulgär sind." "Noch mehr Karikaturen?" Ludwig bekundete vorsichtige Neugier. Das Wort vulgär hatte sein Interesse geweckt. "Kann ich sie nicht doch sehen?" "Nein!" Beleidigt schob der König die Unterlippe vor. "Aber wenn ..." "Nein!" "Was war denn dargestellt?" Richelieu barg resigniert das Gesicht in der Hand. "Sagt Euch das Wort 'Hermaphrodit' etwas, Eure Majestät?" "Kann ich nicht doch ..." "Nein, denkt an Eure Würde!" Die Tage vergingen. Das Licht fiel durch das schmale Fenster mit den morschen Fensterläden, bis die Nacht hereinbrach und den Wechsel zwischen dem Heute und dem Morgen verkündete. Das Zimmer war klein, schäbig, spartanisch ausgestattet und lag im ärmeren Teil von London. Es entsprach dem gleichen Straßenbild, dass Paris Armenviertel abgaben. Dieselben lichtlosen Gassen mit den baufälligen Häuserfassaden, derselbe Unrat, die selben Bettler und der gleiche wehleidige Singsang zwischen jammern und fluchen, den der Wind davontrug. Aramis lag auf dem Bett. Sie durfte sich nicht rühren, dass verbot ihr der Arzt. Das verbot ihr Sophie, weil es der Arzt Aramis verboten hatte und es verbot ihr die gebrochene Rippe, weil sie unvorstellbar schmerzte. So lag sie auf dem Bett und tat nichts. Sie starrte zur Wand, sie beobachtete die Kringel der Sonnenstrahlen auf den ausgetretenen Dielenbrettern, sie zählte die umherschwirrenden Fliegen, sie sang leise Lieder aus längst vergangen Jugendtagen. Ab und zu verfiel sie in einen unruhigen Schlaf, der sie schon wenig später durch Schmerzen weckte. Da die Nächte nicht anders aussahen, lagen bald tiefe Schatten unter ihren Augen. Jeder tiefe Atemzug tat weh. Sophie brachte ihr etwas zu essen, meist flüssig und breiig, damit sie den Magen nicht überforderten und fragte, ob sie Athos rufen sollte. Aramis schüttelte den Kopf. Dann starrte sie weiter die Wand an und sang leise. Warum wollte sie nicht Athos holen, fragte Sophie, wenn es doch besser wäre? Aber Aramis wollte Athos nicht sehen, lieber zur Wand starren und leise Liebeslieder singen. Nacht für Nacht hatte sie im Bett gelegen und obwohl sie das Leben eines Mannes geführt hatte, Mädchenträume vom Verliebsein geträumt. Dann hatte sie Tränen der Einsamkeit vergossen. Von diesen Tränen würde sie nie Sophie erzählen oder sie sich selbst eingestehen. Aber wegen dieser Tränen mochte Aramis Athos nicht sehen, weil er der Grund dieser Tränen war. Wann genau sie sich in ihn verbliebt hatte, konnte sie nicht mehr nachvollziehen. Vielleicht schon damals, als sie ihn das erste Mal sah, aber ihr Herz unter Trauer und Schmerz begraben hatte. Sie würde ihre Gefühle niemandem anvertrauen. Athos musste seinen eigenen Weg finden. Als Freund hatte sie ihn begleiten können. Jedenfalls bis vor dieser unseeligen Mission. Nun musste sie ihre Sehnsüchte noch tiefer in ihrem Herzen vergraben. Ihre Zuneigung zu ihm erschreckte sie. Die Suche nach seiner Gegenwart, einem Wort, einer flüchtigen Berührung war wie Sucht, größer noch als Hunger oder Durst. Genau aus diesem Grund, musste sie sich fern halten. Weil Sophie fand, dass Athos ein paar Sorgen um seinen untergetauchten Freund ganz gut tun würden, hielt sie sich an Aramis Anweisungen. Dann begannen die Gerüchte über die Themse zu sickern und wie Nebelschwarten durch die Straßen der City zu ziehen. Im Hyde Park, Treffpunkt aller freien Redner, Ort verschwörerischen Treffens, Sammelstelle rebellischer Zeitungen und anprangernder Schundblätter, stürzte sich Londons kolumnistische Untergrundbewegung auf das Lotterleben in Whitehall. Da ein Stuart noch nie gern gesehen war, auf einem ehemaligen Tudorthron, nutzte Londons 'öffentliche Meinung', alles um ihren König dem Spott preis zu geben. Folglich waren die Vorfälle der letzten königlichen Jagd ein gefundenes Fressen. Da trieben duzende von Knechten und Jägern dem König seine Beute direkt vor die Flinte, doch anstatt ihn zu erlegen, fiel seine Majestät auf den königlichen Hosenboden. Tollwütig vor Schmerz, griff das Tier die Königin an, die sich von einer Frau retten lassen musste, weil kein männliches Hofmitglied in unmittelbarer Nähe war. Diese kümmerten sich schließlich um den, auf den Hosenboden gefallenden- König. Mit jedem Tag der verging, wurde Aramis Tat schauerlicher. Bald war die Geschichte soweit gereift, dass sie den Eber mit den Zähnen die Kehle aufriss, bis dieser elendig verblutete. Und damit nicht genug. War die Dame bis dahin unbekannt und einfach eine inkognito auftretende Ausländerin am Königshof, so war man sich dort nicht einmal ihres Geschlechtes sicher. Wie der Eber entwischt sie dem König, als dessen Leibarzt sie untersuchen sollte. Londons Schreiberlinge rieben sich die Hände und die Drucker rührten die Tinte an. "Oh, dass ist schön! Hier hast du einen Schnurbart und Militärstiefel an. Das ist eines der freundlicheren Bilder." Sophie hielt das Bild von sich und schüttelte es mit einer anzüglichen Geste. Ihr gemeinsames Asyl im städtischen Elendsviertel hatte das Siezen überflüssig gemacht. Es existierte auch ein passender Reim zu der Karikatur, aber Sophie fehlten die nötigen Englischkenntnisse, um diese zu würdigen. Bilder sprachen über Sprachbarrieren hinweg. "Und das hier", Die Wangen leuchteten tiefrot, "zeigt dich und Athos, als deinen Verlobten." Ihr Gesichtsausdruck war beredend genug. "Diese vulgären englischen Schweine. Dies ist kein Bild für eine Dame", tadelte sie. Aramis sah finster drein "Zum Glück bin ich keine", gab sie trocken zurück. "Zeig her!" Geziert reichte Sophie ihr das Blatt. "Nun ja, so muss wohl Liebe unter Männern aussehen." Sie zuckte verlegen die Schultern und wies auf die beiden grob gezeichneten Personen. Beide nackte, beide in eindeutiger Stellung. "Der Verfasser dieses Schundblattes weiß anscheint nicht, wie ihr ausseht, aber Eure Namen stehen drunter." Ihr Finger kommentierte die Szene. "Graf de la Feré und Comtesse Mystérieuse ... halt nein, da steht Mystérieux. Er muss sich mit Broussard unterhalten. Derselbe geschmacklose Scherz", sagte Sophie und schüttelte bedauernd den Kopf. So vergingen die erste und die zweite Woche, in denen Aramis als Whitehalls elitäres Monster galt. Die Schmerzen vergingen, die Wunde am Arm verheilte. Aramis wagte vorsichtige Schritte durch das Zimmer. Seufzend nahm sie die Tatsache zur Kenntnis, dass eine weitere Narbe ihren Körper verunzieren würde. Nicht, dass sie noch an ein Eheleben glaubte, aber welcher Mann würde schon eine Frau nehmen, die mehr Wundmale von Kämpfen aufwies, als er? In der dritten Woche löste die Baronette Leighton sie mit ihrer Affäre mit dem Kammerdiener ab. Da sie nicht auffindbar war, geriet sie langsam in Vergessenheit. Sophie und Aramis mussten auf den Unterhaltungswert einfacher Bücher Belletristikspate zurückgreifen. Charles Corday hatte sich wieder eine Geliebte genommen. Sie war klein und zierlich, mit biegsamen Gliedmaßen, einem traumhaften Busen, glutvollen Augen und verstand es amüsant zu plaudern. Anders als bei seinen vorigen Liebschaften versuchte er ihre Oberfläche zu durchdringen und zu tieferen Schichten vorzustoßen. Bald musste er sich eingestehen, dass da nichts war. Zum ersten Mal genügte es ihm nicht, dass die Frau in seinen Armen schön, begehrenswert und zeitweilig war. Etwas hielt ihn davon ab, sich ihr wirklich hinzugeben. Etwas, was er niemanden anvertraute und sich selbst nur ungern eingestand, obwohl es ihn Tag und Nacht beschäftigte. Wie konnte ein Mann sauber bleiben und sich nicht dem Verbotenen hingeben, wenn überall in seinen Träumen ein paar blaue Augen, weiche Lippen und ein spöttisches Lächeln wartete? Auch wenn es zur Zeiten der Römer üblich war, dass es sowohl anders, als auch gleichgeschlechtliche Liebespartner gab, war zu seiner Zeit verboten und verpönt. Er selbst verachtete sich für seine Gefühle, aber ändern konnte er sie nicht. Auch er hatte die Schundblätter und Kolumnen in die Hände bekommen. Bei einigen von ihnen, drängten sich vor seinem inneren Auge Bilder auf, bei denen ihm übel wurde, bei anderen heiß. Trotz Hemd und Hose, war es ihm unmöglich, Aramis als Mann zu sehen. Es ging nicht. Obwohl sie selbst in ihrer Verkleidung als Frau, durch das Korsette keine Formen aufwies, sah er in Gedanken immer einen Körper mit den weichen Rundungen einer Frau. Es waren sechs Wochen vergangen. Sechs Wochen, in denen er sich kaum in Whitehall zeigte, sechs Wochen, die ohne Nachricht von Aramis blieben, bis zu diesem Freitag. Athos donnerte die Faust auf den Tisch, dass dem Schwan, ein zerbrechliches Kunstwerk aus Zuckerguss und zartem Baisee der Hals umknickte und in seinem sahnegefülltem Hinterteil landete. "Er ist wahnsinnig, völlig übergeschnappt! Der König wirft ihn den Löwen zum Fraß vor!" Seine Augen irrten umher, als könnte ihm sein Cousin eine Antwort geben, aber der schwieg. Sechs Wochen lang, hatte sich seine Sehnsucht beruhigt, nun zogen sich bei der Erwähnung von Aramis' Namen seine Nervenstrenge zusammen. "Als ob diese Schundblätter nicht genug wären. Wochenlang diese Bilder und Verse, die nicht einmal mehr zum Hinternabwischen taugen. Kein König lässt das auf sich sitzen. Sie werden Aramis zur Rechenschaft ziehen und alles der Öffentlichkeit vorzeigen, bis er nackt vor ihnen steht! Wie kann er einfach nach Whitehall ziehen und sich in diesen Höllenpfuhl begeben? Er hätte mit mir sprechen müssen!" Wieder sauste die Faust auf die Tischplatte nieder. Geistesgegenwärtig fing Charles eine davon rollende Orange auf. "Was machst du dann, Monsieur Aramis, was machst du, wenn sie deinen Namen, deine Vergangenheit und Nacktheit wollen?" "Redest du mit dem Kerzenleuchter", fragte sein Cousin trocken. "Charles!" Abwehrend hob Corday die Hände. "Schon gut, beruhige dich! Er hat schließlich der Königin das Leben gerettet." "Das zählt nicht! Dem König liegt noch nicht einmal etwas an Henrietta und das Bündnis mit Frankreich ist durch die geplanten Kriegspläne hinfällig. Solang sie nicht schwanger ist, ist sie bedeutungslos." Wütend ließ sich Athos auf den Stuhl fallen. "Er verschwindet ohne eine Wort zu sagen und taucht auf ohne ein Wort zu sagen. Was hat er mit de Meyé vor? Was mit Broussard? Das kam bisher noch nie vor. Er behandelt mich wie ein Schuljunge." "Oh ha, du bist gekränkt. Kannst du es ihm verübeln, nachdem wie du ihn behandelt hast?" Athos Braune beschrieb einen Halbbogen über der finster gerunzelten Stirn. Zu seiner Schande musste er sich eingestehen, dass er wirklich gekränkt war. Es war Aramis Mission. Es war ihre Aufgabe de Meyé handzahm zu machen. Somit lagen die einzelnen Entscheidungen in ihrer Hand. Und was war mit ihm? Es war im unmöglich vorauszusehen, was Aramis als nächstes tat. Was dachte sie? Dabei richtete er seine Neugier im Allgemeinen nicht auf das Innenleben einer Person. Athos hatte nie wissen wollen, was Aramis oder Porthos dachten, hatte nie ihre Tiefen ausloten wollen. Was ihm an der Oberfläche entgegentrat, nahm er als die ganze Person. Er fürchtete nicht die Fragen des Königs. Athos wollte nicht, dass sein Cousin erfuhr, dass Aramis eine Frau war. Und das alles nur wegen Marie. Er war von ihr verletzt und verraten worden. Deshalb misstraute Athos den Frauen. Nur sie hatte er in seinem Leben geliebt und als Marie ihn betrog, schwor er sich niemals mehr zu lieben oder dem weiblichen Geschlecht zu vertrauen. Er hatte ihr seinen Titel und seinen Namen angeboten und was schlimmer war, -sein Herz mit dazu. Sie war arm gewesen. Seinen Titel und Namen hatte sie gewollt, aber nicht sein Herz. Aus Scham den Verpflichtungen seines Blutes, wegen der Liebe, nicht nachgekommen zu sein, hatten sie ihn von zu Hause fortgetrieben. Er wurde ein Musketier, ein Namenloser. Athos seufzte innerlich bei den Gedanken an sie. Marie, solch ein zerbrechliches Wesen, das die meiste Zeit auf der Chaiselongues verbrachte und Besucher empfing. Er selbst war damals nicht gerade ein Bild von einem Mann gewesen, darüber machte er sich keine Illusionen. Zu jung, zu schlaksig, zu blass. Vom jungen Olivier zum Musketier Athos dauerte es einige Jahre und mehrere Fechtstunden. Nun war er ein staatlicher Mann, nur fehlte es ihm an Vermögen. Ironie des Schicksals, dachte Athos grimmig, aber seine mittellosigkeit trennte wenigstens die Spreu vom Weizen, wenn es um das weibliche Interesse an seiner Person ging. Charles hatte Aramis einen Heiratsantrag machen wollen. Zu seinem Erstaunen, sah Athos in Aramis wirklich die Frau. Eine Frau mit der Weichheit ihres Körpers, diesem Geruch, den Gebärden, den merkwürdigen Stimmungen und der Tatsache, dass sie manchmal schwächer und oft stärker, als ein Mann sein konnten. Mit ihren animalischen Mutterinstinkten und ihrem kokettierenden Lächeln. Aramis entsprach zwar überhaupt nicht dem Typ Marie, aber war sie deshalb besser? Keiner Frau konnte man vertrauen und Aramis hatte sie alle betrogen. Er bedachte seinen Cousin mit einem prüfenden Blick. Charles zog es noch immer zu Aramis hin, dass spürte er. Nein, er würde nicht zulassen, dass Charles von Aramis wahrem Geschlecht erfuhr. Seiner ersten Liebe hatte er den Namen la Fere versprochen, eine zweite Betrügerin würde er im Kreis der Familie nicht dulden. War es wirklich nur das oder das weniger hehre Gefühl von Eifersucht? Eifersucht, wie er sie seit langem nicht mehr gekannt hatte. "Sie werden sich wie die Assgeier auf ihn stürzen", sagte er leise. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)